Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2002 - X ZR 166/99

bei uns veröffentlicht am19.02.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 166/99 Verkündet am:
19. Februar 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Bei einem bereits vollzogenen Dauerschuldverhältnis kann ein Rücktritt auch
dann in Betracht kommen, wenn eine vollständige Rückabwicklung unschwer
möglich und nach der Interessenlage der Beteiligten sachgerecht ist.
BGH, Urt. v. 19. Februar 2002 - X ZR 166/99 - OLG Schleswig
LG Lübeck
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das am 7. September 1999 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde der Sparkasse Mecklenburg Nordwest, Am Markt 15 in 23966 Wismar, dortiges Zeichen: 10-160, Avalkonto Nr. 70 0000 3663 über 238.350,-- DM vom 1. Juni 1995 verurteilt hat, als das Berufungsgericht die Widerklage über das landgerichtliche Urteil hinaus wegen einer Forderung von mehr als 132.445,50 DM (Entwicklungskosten) abgewiesen, sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und soweit das Berufungsgericht die Klage in Höhe von mehr als 270,-- DM abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem am 4./6. Juli 1994 geschlossenen Vertrag und über die Frage, wann das Vertragsverhältnis beendet worden ist.
In dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, einen Multiwarn-PhotoIonisations -Detektor (PID) zu entwickeln, herzustellen und an die Beklagte zu liefern. Bei diesem Detektor handelt es sich um ein tragbares batteriegetriebenes Gerät zur Aufdeckung und Messung von Luftschadstoffen, organisch ionisierbarer Gase und Dämpfe.
In der Präambel des Vertrages erklärte die Klägerin, daû sie "das Knowhow für die Entwicklung und die Produktion" eines PID besitze, die Beklagte, daû sie "das Wissen über die Anwendung und Märkte" besitze. In § 2 des Ver-
trages übernahm die Beklagte von den Entwicklungskosten für das Vertragsprodukt , die dort mit insgesamt 191.950,-- DM angegeben werden, maximal einen Betrag von 115.170,-- DM. 40 % der Entwicklungskosten sollten "voraussichtlich" im Rahmen des Programms "Auftragsforschung und -entwicklung West-Ost (AWO)" übernommen werden. Die Klägerin verpflichtete sich weiter, die Beklagte weltweit auf ausschlieûlicher Basis mit dem Vertragsprodukt zu beliefern. Die Parteien vereinbarten dazu eine Mindestabnahmemenge. Auûerdem vereinbarten die Parteien, daû der von der Beklagten zu entrichtende Preis für die Basisversion des Geräts 2.100,-- DM betragen sollte. Für die Bestellungen des Vertragsprodukts war Schriftform vorgesehen.
Die Beklagte zahlte in der Zeit vom 8. September 1994 bis 16. April 1996 in Teilbeträgen Entwicklungskosten in Höhe von insgesamt 132.445,50 DM; auûerdem zahlte die Beklagte für von ihr bestellte Geräte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 274.102,50 DM und 409.823,83 DM, insgesamt 683.926,33 DM.
Ende des Jahres 1995 lieferte die Klägerin die ersten Geräte. An diesen beanstandete die Beklagte, daû die Meûergebnisse von der jeweiligen Luftfeuchtigkeit abhängig seien. Die Klägerin erklärte sich zur Behebung der Beanstandungen bereit, auf ihre Kosten Feuchte-Kalibratoren zu entwickeln, was die Beklagte auch akzeptierte. Nachdem die Klägerin entsprechende Maûnahmen durchgeführt hatte und bei der Beklagten mit einem Prototyp Probemessungen vorgenommen worden waren, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 10. April 1996 mit, daû aus ihrer, der Beklagten, Sicht die Entwicklungsphase abgeschlossen sei. Zugleich bestätigte sie, daû die Serien-
produktion bei der Klägerin angelaufen sei, obwohl es in Zukunft noch kleinere Nacharbeiten geben werde.
In der Zeit nach dem 10. April 1996 stellte die Beklagte an ausgelieferten Geräten Meûfehler fest, die von der Klägerin auch eingeräumt wurden. Die Beklagte forderte sie daraufhin auf, die im schriftlichen Vertrag vom 4./6. Juli 1994 angegebene Fehlermarge von +/- 30 % einzuhalten. Die Klägerin erwiderte , daû auf der Grundlage weiterer Meûreihen von maximalen Fehlern von - 80 % bis zu + 100 % ausgegangen werden müsse. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1996 bezeichnete die Beklagte diese Meûungenauigkeiten als nicht akzeptabel und setzte eine Frist zur Nachbesserung bis zum 12. März 1997. Sie verband dies mit der Androhung, die Annahme des Gerätes nach Fristablauf abzulehnen. Vorsorglich sprach sie die fristgerechte Kündigung des Vertrages zum 31. Dezember 1998 aus. Nachdem die von der Beklagten nochmals bis zum 26. März 1997 verlängerte Frist erfolglos verstrichen war, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 1997 den Vertrag für beendet.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst neben der Feststellung, daû ihr Vertrag mit der Beklagten nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet gewesen sei, die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde über 238.350,-- DM verlangt. Diese hatte die Klägerin der Beklagten bei Vertragsschluû als Sicherheit für eine Vorauszahlung in Höhe von 238.350,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer für von der Klägerin später zu liefernde Geräte gestellt. Auûerdem hat die Klägerin einen Betrag von 12.615,73 DM für fünf gemäû Rechnung vom 15. Mai 1997 gelieferte Geräte und für diverse Ersatzteile beansprucht.
Die Beklagte hat widerklagend die Erstattung der Entwicklungskosten und der Zahlungen verlangt, die sie für die von der Klägerin gelieferten Geräte erbracht hat, Zug um Zug gegen Rückgabe der gelieferten Geräte und der Bürgschaftsurkunde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung von 696.061,83 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe von 237 Multiwarn-PID-Geräten und der Bürgschaftsurkunde verurteilt. Das Landgericht hat die auf Zahlung gerichtete Widerklage in Höhe eines Betrages von 120.310,-- DM abgewiesen, weil die Beklagte nur noch zur Rückgabe von 237 Geräten in der Lage sei. Für diejenigen Geräte, die sie nicht mehr zurückgeben könne, sei der vereinbarte Preis von der Schadenssumme abzusetzen, was für 53 Geräte 120.310,-- DM ausmache.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert: Es hat die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt und die Klage im übrigen sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auch die Anschluûberufung der Beklagten zurückgewiesen, mit der diese die Feststellung begehrt hat, daû sich die Klägerin mit der Rückgabe der 237 Geräte sowie der Bürgschaftsurkunde in Annahmeverzug befinde und daû die Rückgabe der vorbezeichneten Geräte sowie der Bürgschaftsurkunde am Geschäftssitz der Beklagten vorzunehmen sei.
Mit der Revision - soweit der Senat sie angenommen hat - begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt hat, sowie auf die Widerkla-
ge die Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung der für die Lieferung der PID-Multiwarngeräte gezahlten Beträge, ferner verfolgt sie die mit der Anschluûberufung erstrebte Feststellung weiter.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels und verfolgt mit ihrer Anschluûrevision ihre Zahlungsklage, soweit diese 270,-- DM übersteigt, sowie ihren Antrag weiter festzustellen, daû der Vertrag vom 4./6. Juli 1994 zwischen den Parteien über die Entwicklung, Herstellung und Lieferung eines von der Beklagten unter der Bezeichnung D. Multiwarn-PID auf den Markt gebrachten Photo-Ionisations-Detektors nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet gewesen sei.
Die Beklagte tritt der Anschluûrevision entgegen.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision der Beklagten ist, soweit der Senat sie angenommen hat, begründet. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daû die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 1. April 1997 das Vertragsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund gekündigt habe. Es hat angenommen, der Beklagten stehe aus diesem Grunde weder ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäû § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, noch könne sie Rückabwicklung des Vertrages nach erfolgtem Rücktritt verlangen. Neben dem Recht der Kündigung bestehe ein Rücktrittsrecht nicht.

Diese Annahme des Berufungsgerichts rügt die Revision zu Recht, soweit es um die Vergütung für Geräte geht, die die Klägerin der Beklagten geliefert hat. Zwar tritt bei einem Dauerschuldverhältnis, als das das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ausgelegt hat, auch nach der hier noch maûgeblichen , bis Ende 2001 geltenden Rechtslage in der Regel die Kündigung an die Stelle des Rücktritts, wenn der Vertrag bereits vollzogen ist (BGHZ 50, 312, 315; BGH, Urt. v. 6.2.1985 - VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987 - VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof aber nur für den Regelfall aufgestellt, weil die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses im allgemeinen kein Interesse haben, wegen einer nachträglich eingetretenen Störung auch die bereits erbrachten Leistungsteile rückgängig zu machen. Besteht ausnahmsweise ein derartiges Interesse, kann auch bei einem Dauerschuldverhältnis ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 6.2.1985 - VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987 - VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Das gleiche kann dann gelten, wenn - etwa bei Störungen bereits der ersten Lieferungen - eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages unschwer möglich und nach der Interessenlage auch sachgerecht ist. Schlieûlich kommt ein Vorgehen nach § 326 AGB a.F. auch hinsichtlich der jeweiligen einzelnen Teillieferung in Betracht, wenn insoweit Leistungsstörungen eingetreten sind.
Ein solcher Sachverhalt kann hier auch dann vorliegen, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daû die Entwicklungskosten, die die Beklagte übernommen hatte, nach der Art der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung von einer Rückforderung ausgeschlossen sein sollten.
Ein Ausschluû des Rücktrittsrechts auch hinsichtlich der gelieferten Geräte läût sich daraus nicht ohne weiteres herleiten. Waren diese mangelhaft, so folgt allein aus dem Umstand, daû die Parteien ein auf die Entwicklung solcher Vorrichtungen und deren Vertrieb gerichtetes Dauerschuldverhältnis vereinbart hatten, nicht, daû der Beklagten die in einem solchen Fall bestehenden allgemeinen Rechte, insbesondere die aus den §§ 325 f. a.F., 633 f. BGB, verwehrt bleiben sollten.
Nach Abschluû der Entwicklungsphase schuldete die Klägerin die Lieferung von Geräten, die den vertraglichen Vorgaben entsprachen. Von diesem Risiko war sie nicht deswegen entlastet, weil sie sich der Beklagten gegenüber verpflichtet hatte, ein solches Gerät zu entwickeln. Die Geräte, die die Klägerin geliefert hat, genügten nach Darstellung der Beklagten nicht den vertraglichen Anforderungen. Demgemäû ist, da das Berufungsgericht zu diesem Vortrag Feststellungen nicht getroffen hat, im Revisionsverfahren von deren Mangelhaftigkeit auszugehen. Insoweit hat das Berufungsgericht auch nicht erörtert, ob die Beklagte mit Blick hierauf ein Interesse an der Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungsteile hat, sondern hat weitere Ansprüche neben dem Kündigungsrecht von vornherein ausgeschlossen.
Bei der mithin zu klärenden Frage, ob die von der Klägerin gelieferten Geräte den vertraglichen Anforderungen genügten oder mangelhaft waren, kommt dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 besondere Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hat - allerdings ausgehend von der fehlerhaften Annahme , neben dem Kündigungsrecht kämen weitere Ansprüche der Beklagten nicht in Betracht - dem Schreiben zwar entnommen, daû damit die Entwicklungsphase abgeschlossen gewesen sei. Es hat dem aber keine Bedeutung
beigemessen, weil auch nach Beginn der Serienproduktion beide Parteien verpflichtet gewesen seien, an der Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Es hat insbesondere nicht geprüft, ob sich mit dieser Erklärung der Beklagten die Leistungspflicht der Klägerin auf das Ergebnis ihrer Entwicklungsarbeit beschränken sollte und welche Anforderungen an dieses Gerät im Einzelnen zu stellen sind. Dazu bedarf es einer Auslegung dieser Erklärung, die dem Senat verschlossen ist. Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages - wie ihn das Berufungsgericht verstanden hat - war es Sache der Beklagten zu bestimmen, wann und unter welchen Voraussetzungen die Entwicklung des Geräts abgeschlossen war und die Serienproduktion aufgenommen werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, daû die Klägerin der vom Berufungsgericht festgestellten Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10. April 1996 hat entnehmen können, daû sich die Leistungspflicht auf Geräte nach Maûgabe der nunmehr vorliegenden von der Klägerin nachgebesserten Prototypen beschränken sollten, deren Produktion also Gegenstand der nunmehr einsetzenden Herstellungspflichten war.
Sollte die Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 10. April 1996 aus der Sicht der Klägerin als Empfängerin des Schreibens nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen sein, daû damit der Vertragsgegenstand auf den Prototyp des Geräts konkretisiert wurde, mit dem bei der Beklagten zuvor Probemessungen durchgeführt worden waren, so waren die im Anschluû an das Schreiben gelieferten Geräte mangelhaft, wenn sie von diesen Anforderungen abwichen. Bei der für eine Beurteilung erforderlichen weiteren Auslegung des Schreibens wird das Berufungsgericht die Begleitumstände und die Interessenlage zu berücksichtigen haben. Die Beurteilung der Mangelhaftigkeit oder Mangelfreiheit hängt maûgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang die
Klägerin der Äuûerung der Beklagten entnehmen konnte, diese sei mit dem Erreichten zufrieden, oder davon ausgehen muûte, daû die Beklagte mit ihrer Erklärung die Vorstellung bestimmter Eigenschaften, insbesondere im Hinblick auf die Meûtoleranzen verband. Dafür, daû sie auch aus der Sicht der Klägerin insoweit die Einhaltung enger Toleranzen erwartete, könnte sprechen, daû diese nicht nur den Anlaû für die vorausgegangenen Nachbesserungen der Klägerin gebildet hatten, sondern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in den der Erklärung der Beklagten vorausgegangenen Versuchen, Fehler nur noch in engen Grenzen aufgetreten waren. Bei diesem Verständnis der Zustimmung der Beklagten hätte die Übereinstimmung der Serienmodelle mit dem Muster allein zur Feststellung der Mangelfreiheit nicht genügt. Auch für diese Bewertung reichen die bisher getroffenen Feststellungen nicht aus. Das Berufungsgericht hat es für maûgeblich gehalten, daû das Risiko, das der Entwicklung eines neuen Produktes angehaftet habe, die Ungewiûheit, ob im Ergebnis wirklich ein vermarktungsfähiges Gerät würde hergestellt werden können, sinngemäû von beiden Parteien gemeinsam zu tragen gewesen sei; denn bei einem Scheitern der Entwicklung habe die Klägerin auf die gewinnträchtige und auf Dauer angelegte Produktion verkaufsfähiger Geräte verzichten müssen, andererseits habe die Beklagte auf deren gewinnträchtige Vermarktung verzichten müssen. Hätte die Beklagte von der Klägerin bei Vertragsschluû die alleinige Übernahme des Risikos eines Scheiterns der Entwicklung verlangt, hätte die Klägerin die gesamten Investitionen für das gescheiterte Entwicklungsprogramm zu tragen. Eine solche einseitige Risikoverlagerung sei dem Vertrag nicht zu entnehmen.
Wenn jedoch, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben vom 10. April 1996 beendet worden ist,
dann mag es zwar sein, daû beide Parteien verpflichtet waren, weiter an der Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Diese Interessenlage steht aber einem Verständnis des Schreibens in dem Sinne, daû damit der Vertragsgegenstand bereits konkretisiert war und die Klägerin von nun an verpflichtet war, diesen Vorgaben entsprechende Geräte zu liefern, nicht entgegen. Sie mutet der Klägerin auch nicht das gesamte vertragliche Risiko zu. War, wovon das Berufungsgericht bisher ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 beendet, so ging es nicht mehr um das Risiko für ein Scheitern der Entwicklung, sondern um die Lieferung der nunmehr vertraglich geschuldeten Geräte. Das Berufungsgericht wird daher in tatrichterlicher Würdigung festzustellen haben, welche Bedeutung dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 zukommt, und gegebenenfalls unter Heranziehung dieses Schreibens festzustellen zu haben, welchen vertraglichen Vorgaben die von der Klägerin gelieferten Geräte zu entsprechen hatten.
Damit kann die Verurteilung der Beklagten zur unbedingten Herausgabe der Bürgschaftsurkunde keinen Bestand haben, denn der Beklagten steht für den Fall eines berechtigten Rücktritts von dem Liefervertrag ein Zurückbehaltungsrecht an der Bürgschaftsurkunde im Hinblick auf die dann bestehenden Rückgewähransprüche gegen die Klägerin zu. Kommt aber ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Betracht, so ist auch ihre auf Zahlung gerichtete Widerklage insoweit begründet, als es um die Zahlungen auf von der Klägerin gelieferten PID-Geräte geht. Hinreichende Feststellungen zu seiner Wertung, nach der auch das Risiko, für fehlerhafte Geräte eine Vergütung entrichten zu müssen, allein der Beklagten oblag, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Allerdings ist, was die Höhe der von der Beklagten erbrachten Zahlungen anlangt, ein Fehler, möglicherweise ein Re-
chenfehler unterlaufen. Die Zahlungen der Beklagten auf die PID-Geräte belaufen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf 274.102,50 DM und 409.823,83 DM (zusammen 683.926,33 DM). Hiervon ist der durch das landgerichtliche Urteil rechtskräftig abgewiesene Betrag von 120.310,-- DM abzuziehen, so daû 563.616,33 DM verbleiben.
2. Auch soweit das Berufungsgericht die mit der Anschluûberufung gestellten Anträge abgewiesen hat, ist die Revision begründet. Kommt ein Rücktrittsrecht oder Schadensersatzanspruch in Betracht, so trägt die Annahme des Berufungsgerichts nicht, die Beklagte habe nicht die Pflicht, die Geräte an die Klägerin zurückzugeben.
II. Die unselbständige Anschluûrevision der Klägerin ist zulässig.
1. Die unselbständige Anschluûrevision ist allerdings akzessorischer Natur (BGHZ 36, 162, 166; BGH, Urt. v. 26.10.1993 - VI ZR 155/92, NJW 1994, 801, 803). Sie muû sich deshalb grundsätzlich auf einen der Überprüfung durch die Hauptrevision zugänglichen Gegenstand der angefochtenen Entscheidung beziehen (BGH, Urt. v. 28.4.1987 - VI ZR 1 u. 43/86, WM 1987, 834) oder jedenfalls in einem inneren Zusammenhang damit stehen. Eine unselbständige Anschluûrevision ist daher unzulässig, wenn sie einen anderen Lebenssachverhalt betrifft als denjenigen der Revision und mit dem von dieser erfaûten Streitgegenstand auch nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH Urt. v. 21.6.2001 - IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156). Soweit jedoch ein unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision besteht, ist die Zulässigkeit bejaht worden (vgl. z. B. BGH Urt. v. 28. 2. 1991 - I ZR 94/89,
GRUR 1991, 680, 681; BGHZ 138, 55, 57; BGH Urt. v. 30. 4. 2001 - II ZR 322/99, WM 2001, 1113, 1115; BGH Urt. v. 15. 4. 1986 - KVR 1/85, GRUR 1986, 747,749; BGH Urt. v. 21.6.2001, aaO mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Streit der Parteien geht um die Frage der Beendigung ihrer vertraglichen Beziehungen durch die Kündigung der Beklagten und die an diese Kündigung sich knüpfenden Rechtsfolgen. Der Revision und der Anschluûrevision liegt daher derselbe Lebenssachverhalt zugrunde , und die wechselseitigen Anträge stehen in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang.
2. Hinsichtlich des von der Klägerin verfolgten Feststellungsantrags bleibt die Anschluûrevision jedoch ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den insoweit gestellten Antrag, festzustellen, daû der Vertrag vom 4./6. Juli 1994 nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet worden ist, dahin ausgelegt, daû es der Klägerin auf die Feststellung ankomme, der Vertrag sei nicht als Folge der Schreiben der Beklagten vom 10. Dezember 1996 und 1. April 1997 beendet worden, sondern habe zumindest noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden, also bis zum 31. Dezember 1998.
Diese Auslegung rügt die Anschluûrevision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daû es der Klägerin bei ihrem Feststellungsantrag um die Klärung der Frage ging, ob der Vertrag von der Beklagten wirksam vorzeitig beendet worden war. Dies kommt in der Klageschrift unmiûverständlich zum Ausdruck. Am 26. März 1997 endete die von der Beklagten gesetzte (nochmals verlängerte) Frist zur Nachbesserung. Dadurch
wurde der Vertrag nicht ohne weiteres beendet, vielmehr konnte die Beklagte sich nach Ablauf der Frist entscheiden, welche rechtlichen Konsequenzen sie aus der unterlassenen Nachbesserung ziehen wollte. Dies ist mit Schreiben der Beklagten vom 1. April geschehen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin konnte sich, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, folglich nur darauf beziehen, daû mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 BGB a.F. der Beklagten ein daraus abgeleitetes Recht zur fristlosen Kündigung nicht zustand. Ein anders geartetes Interesse, insbesondere an der Feststellung der Fortdauer des Vertrages in der Zeit vor dem 1. April 1997, legt auch die Revision nicht dar.
Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag für unbegründet gehalten , weil der Vertrag durch die fristlose Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden sei. Es hat angenommen, es sei für die Beklagte unzumutbar gewesen, weiter zuzuwarten, nachdem es binnen einer gesetzten Frist von einem Vierteljahr der Klägerin nicht gelungen war, die von ihr eingeräumte groûe Fehlermarge auf ein solches Maû zu reduzieren, daû das Gerät mit Aussicht auf Erfolg vermarktungsfähig erschienen sei. Das Berufungsgericht hat dazu die vertragliche Vereinbarung ausgelegt und ausgeführt, für den Fall, daû das Vertragsprodukt nicht allen spezifizierten Anforderungen entsprochen habe, finde sich lediglich in § 4.3 des Vertrages die Möglichkeit, daû die Klägerin bei der Beklagten die Tolerierung beantragen könne. Diese Regelung sei jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt gewesen und habe sich nicht auf eine ganze Serie von Geräten erstrecken sollen. Gleichwohl habe die Klägerin in sinngemäûer Anwendung dieser Vorschrift von der Beklagten die Tolerierung der von ihr entwickelten Geräte mit den genannten Meûfehlern von - 80 % bis zu + 100 % beantragt. Dies habe die Beklagte abgelehnt. Der Vertrag enthalte
keine Regelung bezüglich der Rechtsfolgen im Falle einer solchen Ablehnung. Diese Regelungslücke sei jedoch dahingehend zu schlieûen, daû bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet sei.
Diese rechtlich mögliche Auslegung des Vortrags der Parteien durch das Berufungsgericht hat die Anschluûrevision nicht in revisionsrechtlich beachtlicher Weise angegriffen. Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung nicht darauf gegründet, daû die Beklagte die Fortsetzung des Vertrages für unzumutbar gehalten hat. Es hat vielmehr den Vertrag der Parteien ergänzend dahin ausgelegt, daû der Beklagten, nachdem sie die Tolerierung von Meûfehlern in der von der Klägerin beantragten Gröûenordnung zurückgewiesen hatte, im Hinblick darauf jedenfalls ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde eröffnet war.
3. Den mit der Anschluûrevision weiter verfolgten Zahlungsantrag hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zwar beruhe das Zahlungsverlangen der Klägerin auf Warenlieferungen, die lange vor dem 1. April 1997 erfolgt seien , die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen seien jedoch im Rahmen des Gesamtvertrages zu sehen. Das gesamte Vertragsverhältnis habe seine Beendigung durch die Kündigung vom 1. April 1997 dergestalt erfahren, daû gegenseitige Erfüllungsgeschäfte nicht mehr vorzunehmen gewesen seien.
Dies rügt die Anschluûrevision mit Erfolg. Sind die Lieferungen lange vor dem 1. April 1997 erfolgt, dann schuldet die Beklagte grundsätzlich die vereinbarte Vergütung, falls nicht auch insoweit Ansprüche auf Schadensersatz oder
ein wirksamer Rücktritt der Beklagten in Betracht kommen. Auch dazu hat das Berufungsgericht aber Feststellungen nicht getroffen.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Mühlens RiBGH Dr. Meier-Beck ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Melullis

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2002 - X ZR 166/99

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2002 - X ZR 166/99

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht


#BJNR001950896BJNE031902377 (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


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#BJNR001950896BJNE031902377 (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im

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Referenzen

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(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 322/99
Verkündet am:
30. April 2001
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. September 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 1 nach dem Hilfsantrag verurteilt und der gegen ihn gerichtete Hauptantrag abgewiesen wurde.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 im Revisionsverfahren.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger, Konkursverwalter der Is. AG (i.f.: Gemeinschuldnerin), nimmt den Beklagten (früher Beklagter zu 1; nach rechtskräftigem Ausscheiden des früheren Mitbeklagten zu 2 aus dem Rechtsstreit jetzt der alleinige Beklagte) auf Schadenersatz in Anspruch; als Vorstandsmitglied der Gemeinschuldnerin und zugleich Geschäftsführer der von der Gemeinschuldnerin beherrschten Is. G. GmbH B. : Objekt W. (i.f.: W. GmbH) habe er einen für die W. GmbH nachteiligen Beratervertrag geschlossen, der zu einem Schaden der Gemeinschuldnerin geführt habe.
Der Beklagte war vom 1. Februar 1991 bis 31. August 1993 Vorstand der Gemeinschuldnerin und ab Mai 1992 zugleich Geschäftsführer der - zwischenzeitlich ebenfalls in Konkurs gefallenen - W. GmbH.
Am 6. Mai 1992 schloß die W. GmbH mit der Is. M. GmbH einen Vertrag, wonach diese bestimmte Marketingleistungen für den GewerbeparkB. -W. zu erbringen hatte. Kurz darauf, am 1. Juni 1992, beauftragte die W. GmbH, vertreten durch den Beklagten und seinen früheren Mitbeklagten, auch eine Fa. I. GmbH (i.f.: I. ), deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin die Zeugin S. war, mit Marketingleistungen für das genannte Objekt. Die I. ihrerseits schloß am 21. Oktober 1992 auch einen Beratervertrag mit dem Beklagten, der jedoch am 30. November 1992 wieder aufgehoben wurde. Von August 1992 bis einschließlich Mai 1993 bezahlte die W.
GmbH der I. das im Vertrag vom 1. Juni 1992 vereinbarte monatliche Honorar von 12.000,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt 164.760,-- DM, ferner Spesen in Höhe von 28.669,95 DM. Am 18. November 1993 hoben die I. , die W. GmbH - nun nicht mehr durch den Beklagten vertreten - und die Gemeinschuldnerin den Vertrag vom 1. Juni 1992 wieder auf; im Zuge dieser Vereinbarung erhielt die I. eine Abfindung von 151.800,-- DM. Insgesamt leistete die W. GmbH an die I. damit Zahlungen in Höhe von 345.229,95 DM.
Der Kläger sieht in diesen Zahlungen der W. GmbH einen Schaden (auch) der Gemeinschuldnerin, weil diese der W. GmbH die genannten Beträge darlehensweise zur Verfügung gestellt habe. Eine Rückzahlung seitens der W. GmbH sei wegen deren zwischenzeitlichen Konkurses ausgeschlossen. Der die Ansprüche der I. begründende Beratervertrag mit der W. GmbH sei überflüssig gewesen, denn es habe keine sachliche Notwendigkeit bestanden, neben der Is. M. GmbH noch ein weiteres Marketing-Unternehmen einzuschalten. Der zusätzliche Vertrag sei vielmehr allein mit finanziellen bzw. persönlichen Interessen des Beklagten und seines früheren Mitbeklagten zu erklären, die ihn der I. bzw. deren Alleingesellschafterin S. "zugeschanzt" hätten. Dementsprechend habe die I. auch keine (nennenswerten) Leistungen erbracht.
Der Kläger nimmt deshalb den Beklagten aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen Verletzung seiner Pflichten als Vorstand der Gemeinschuldnerin in Anspruch. Der Kläger stützt seinen Anspruch ferner darauf, die W. GmbH habe ihre Schadenersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG an die Gemeinschuldnerin abgetreten.
Das Landgericht hat der - auf Leistung an den Kläger gerichteten - Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht , nachdem der Kläger in zweiter Instanz einen Hilfsantrag auf Leistung an die W. GmbH gestellt hatte, die gegen den früheren Beklagten zu 2 gerichtete Klage insgesamt und die gegen den Beklagten zu 1 im Hauptantrag abgewiesen, mithin nur dem Hilfsantrag stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger wie auch der Beklagte zu 1 Revision eingelegt ; der Kläger mit dem Ziel auch der Verurteilung des Beklagten zu 2 nach dem Hilfsantrag, der Beklagte zu 1 mit dem Ziel einer Klageabweisung in vollem Umfang. Nach Nichtannahme der Revision des Klägers und Annahme der Revision des Beklagten zu 1 hat der Kläger Anschlußrevision eingelegt, mit der er sich gegen die Abweisung seines gegen den Beklagten zu 1 gerichteten Hauptantrags wendet.

Entscheidungsgründe:


Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat den auf Zahlung an den Kläger gerichteten Hauptantrag in Anlehnung an die Grundsätze des Senatsurteils vom 10. November 1986 (II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 32 ff.) mit der Begründung abgewiesen , durch den Abschluß des Beratervertrages zwischen der W. GmbH und der I. habe der Beklagte zwar aus eigennützigen finanziellen Motiven und zudem in der Absicht, die Zeugin S. z u begünstigen, sowohl seine
Pflichten als Geschäftsführer der W. GmbH als auch als Vorstandsmitglied der Gemeinschuldnerin verletzt. Durch diese schuldhafte Pflichtverletzung sei jedoch unmittelbar nur der W. GmbH, nicht aber auch der Gemeinschuldnerin ein Schaden, dessen Ersatz der Kläger verlangen könne, entstanden. Die Gemeinschuldnerin als Muttergesellschaft der W. GmbH habe lediglich einen mittelbaren Schaden erlitten, der grundsätzlich nur durch Ersatzleistung in das Vermögen der geschädigten Tochtergesellschaft auszugleichen sei. Voraussetzung für einen eigenen Schaden sei, daß die Muttergesellschaft den Schaden ihrer Tochtergesellschaft endgültig unter Verzicht auf Aufwendungsersatz und Rückzahlung ausgeglichen habe. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der von der Gemeinschuldnerin zur Befriedigung der Forderungen der I. gezahlte Betrag sei der W. GmbH nur als Darlehen zur Verfügung gestellt worden, das zudem angesichts der wirtschaftlichen Situation der W. GmbH eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt habe und damit lediglich der allgemeinen Kapitalzufuhr gedient habe. Überdies komme das Verlangen, der Beklagte als Schädiger solle der Gemeinschuldnerin Ersatz für die von der W. GmbH getätigten Aufwendungen leisten , im Ergebnis der Forderung nach einer durch §§ 30, 31, insbesondere § 31 a GmbHG (gemeint wohl § 32 a GmbHG) verbotenen Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens gleich.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
Das Berufungsgericht hat die Bedeutung des von der Gemeinschuldnerin zum Ausgleich des der W. GmbH entstandenen Schadens hingegebenen - wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen - eigenkapitalersetzenden
Darlehens für die Entstehung eines eigenen ersatzfähigen Schadens der Gemeinschuldnerin nicht zutreffend gewürdigt.
Infolge der Eigenkapitalersatzfunktion werden die vom Gesellschafter als Darlehen eingeschossenen Mittel zugunsten der Gesellschaft und ihrer Gläubiger wie haftendes Eigenkapital behandelt. Dies gilt zwar zunächst nur für die Dauer der Krise der Gesellschaft bis zu einer nachhaltigen Wiederherstellung ihres Stammkapitals, führt also im Ergebnis nur zu einer (Zwangs-)Stundung. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall die Empfängerin der eigenkapitalersetzenden Leistung in Konkurs gefallen ist, kann nach aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit ihrer nachhaltigen Gesundung gerechnet werden. Die als eigenkapitalersetzende Darlehen eingeschossenen Mittel sind damit nicht anders als ein - auch als solcher deklarierter - Eigenkapitalnachschuß verloren. Da ein solcher Nachschuß nach der auch vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsprechung des Senats einen eigenen ersatzfähigen Schaden des Mutterunternehmens begründen würde, kann für das infolge Eingreifens der Eigenkapitalersatzregeln in gleicher Weise gebundene Darlehen im Ergebnis nichts anderes gelten.
Da die zugunsten der W. GmbH geleisteten Zahlungen der Gemeinschuldnerin gezielt zum Ausgleich des dieser Gesellschaft von dem Beklagten zugefügten Schadens erfolgten, kann auch an dem Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der Schädigung der W. GmbH durch den Beklagten, der Leistung dieser Mittel in das Vermögen der W. GmbH zum Ausgleich dieser Schädigung und dem endgültigen Verlust dieser Mittel kein ernsthafter Zweifel bestehen. Jedenfalls bei Hingabe eigenkapitalersetzender Mittel zum Ausgleich eines entstandenen Verlustes ist stets mit deren endgülti-
ger Bindung zu rechnen. Ob dasselbe auch für ein zum Verlustausgleich hingegebenes Darlehen zu gelten hätte, das einer gesunden Tochtergesellschaft, die erst später aufgrund von Umständen, mit denen im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht zu rechnen war, in Vermögensverfall geraten ist, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden.
Jedenfalls unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen setzt die Geltendmachung eines unmittelbaren Ausgleichsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten diesen auch nicht der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme aus. Infolge der Nichtrückzahlbarkeit der von der Gemeinschuldnerin zum Ausgleich des Schadens der W. GmbH geleisteten Mittel ist ein Schaden der W. GmbH, den diese gegen den Beklagten geltend machen könnte, nicht mehr vorhanden.
Überdies ist, wie das Berufungsgericht selber ausführt, ein eigener zusätzlicher Schadenersatzanspruch der W. GmbH auch schon aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles ausgeschlossen.
Nur schwer verständlich ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Leistung von Schadenersatz an den Kläger verstieße gegen die Eigenkapitalersatzregeln (§§ 30, 31 GmbHG in entsprechender Anwendung; § 32 a GmbHG). Diese Regeln bezwecken ausschließlich die Erhaltung des für die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Gesellschaftsvermögens. Durch eine Ersatzleistung des Beklagten an den Kläger fließen aus dem Vermögen der W. GmbH keine Mittel ab, die anderenfalls zur Befriedigung der Gläubiger dieser Gesellschaft zur Verfügung stünden. Aus den oben bereits ausgeführten Gründen ist auch nicht zu besorgen, daß durch
eine Ersatzleistung des Beklagten an den Kläger eigene Schadenersatzansprüche der W. GmbH gegen den Kläger untergehen und auf diesem Wege die den Gläubigern der W. GmbH zur Verfügung stehende Haftungsmasse verringert würde.
Nach alledem ist für eine Verurteilung des Beklagten nach dem auf Schadenersatzleistung an die W. GmbH gerichteten (durch das Berufungsgericht selbst veranlaßten) Hilfsantrag kein Raum, so daß das angegriffene Urteil schon aus diesem Grunde keinen Bestand haben kann.
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage muß auch die Anschlußrevision Erfolg haben, die sich gegen die Abweisung des auf Zahlung an den Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gerichteten Hauptantrages wendet.
Die Anschlußrevision ist zulässig. Sie ist zwar, weil nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegt, unselbständig. Nach Lage des Falles kann ihre Zulässigkeit jedoch nicht daran scheitern, daß die Abweisung des Hauptantrages bereits rechtskräftig geworden und damit einer Revision nicht mehr zugänglich wäre. Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag haben letztlich ein und dasselbe Klagebegehren zum Gegenstand, nämlich die Verurteilung des Beklagten auf Leistung von Schadenersatz zugunsten der Gemeinschuldnerin wegen schuldhafter Verletzung seiner Vorstandspflichten (§ 93 Abs. 2 AktG). Mit beiden Anträgen wird also derselbe Schadenersatzanspruch gegen denselben Beklagten geltend gemacht, einmal in Form der Kompensation des Schadens der Muttergesellschaft durch Zahlung direkt an sie (wenn sie das Vermögen
der Tochter zwischenzeitlich aus eigenen Mitteln aufgefüllt hatte), zum anderen durch Ausgleich des Schadens der Muttergesellschaft durch Wiederauffüllung des Vermögens der Tochtergesellschaft.
Die Begründetheit auch der Anschlußrevision folgt bereits aus den Ausführungen oben unter II; danach kommt nach dem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt nur eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung an den Kläger als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin entsprechend dem vom Kläger gestellten Hauptantrag in Betracht.
IV. Die danach erforderliche Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, sich auch mit den Angriffen der Revision gegen die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten und eines dadurch entstandenen Schadens auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für die von der Revision erhobene Beanstandung, das Gericht habe den umfangreichen Vortrag des Beklagten zu den von der Zeugin S. ausgeübten Tätigkeiten, namentlich was eine Zusammenarbeit mit den benannten Zeugen Mi. und T. anbelangt, übergangen. Träfe dieses Vorbringen zu, hätte die Zeugin umfangreiche Tätigkeiten für die W. GmbH erbracht, die mit der Annahme einer Pflichtverletzung schwer in Einklang zu bringen wären. Zwar mögen die entsprechenden Behauptungen in den umfangreichen Schriftsätzen vom 7. und 8. Juni 1999 (GA IV, 804 ff. bzw. 832 ff. jeweils mit zahlreichen Anlagen) erst auffällig spät vorgebracht worden sein (vgl. GA IV, 872 ff.); gleichwohl hätte sich das Berufungsgericht mit ihrem Inhalt (und gegebenenfalls mit ihrer Auffälligkeit auch unter Berücksichtigung der anfänglichen Verteidigung des Beklagten) auseinandersetzen und die angebotenen Zeugen hören müssen. Dabei wäre dann auch der Behauptung des Klägers nachzuge-
hen gewesen, die Tätigkeiten der I. seien nicht im Zusammenhang mit dem Beratervertrag mit der W. GmbH, sondern dem Makleralleinauftrag erbracht worden (vgl. z.B. GA IV, 878); gleiches gilt für die Frage, inwiefern das Vorbringen des Beklagten mit der Aussage der Zeugin S. vor dem Landgericht in Einklang zu bringen ist (GA IV, 880). Geboten war auch eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beklagten zur Notwendigkeit einer Koordination zwischen den Aktivitäten in B. und D. .
Zu Recht weist die Revision ferner darauf hin, die von der W. GmbH geleisteten Honorarzahlungen könnten nur dann einen Schaden darstellen, wenn diese sie zweimal aufzubringen hätte. Unterstellt man die vom Beklagten behaupteten umfangreichen Tätigkeiten derI. , läge in deren Bezahlung ein Schaden nur dann, wenn die Marketing GmbH für entsprechende Tätigkeiten ebenfalls Leistungen erhalten oder noch zu beanspruchen hätte. Den diesbezüglichen Vortrag (etwa GA IV, 842) hätte das Berufungsgericht nicht übergehen dürfen. Auch die auf die Aufhebungsvereinbarung vom 18. November 1993 an die I. geleistete Abfindungszahlung von 151.800,-- DM kann mit der bisherigen Begründung nicht ohne weiteres als ersatzfähiger Schaden betrachtet werden. Wenn die Zeugin S. wirklich unqualifiziert war und keine (nennenswerten ) Tätigkeiten zu erbringen hatte bzw. erbrachte, dann wäre es der W. GmbH ohne weiteres möglich gewesen, sich kurzfristig von diesem
Vertrag zu lösen. Unterstellt man hingegen, die I. habe nennenswerte Tätigkeiten erbracht, dann ist es zwar plausibel, wenn der Zeuge L. , um den Schaden der W. GmbH gering zu halten, einen Aufhebungsvertrag abschloß ; fraglich ist jedoch, ob in diesem Falle noch von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgegangen werden kann.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

*

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.