Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 44/04

bei uns veröffentlicht am18.07.2006
vorgehend
Landgericht Köln, 25 O 646/01, 02.07.2003
Oberlandesgericht Köln, 16 U 70/03, 08.03.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 44/04 Verkündet am:
18. Juli 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
BGB § 651a ff.; §§ 823 Dc, Ef, 847 a.F.
Bewirbt der Reiseveranstalter eine Unterkunft mit "kindgerechter Ausstattung",
kann das Vorhandensein einer notwendig zu benutzenden Eingangstür aus
nicht bruchsicherem Glas und ohne sichtbare Kennzeichnung eine Verletzung
der dem Reiseveranstalter obliegenden Verkehrssicherungspflicht darstellen.
BGH, Urt. v. 18. Juli 2006 - X ZR 44/04 - OLG Köln
LG Köln
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter
Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und den Richter Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 8. März 2004 verkündete Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Eltern der 1991 geborenen Klägerin buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin für die Familie im Sommer 1999 eine Pauschalflugreise in das Aparthotel "M. ". Im Prospekt der Beklagten war die kindgerechte Ausstattung der Anlage aufgeführt. Das Appartement, das der Klägerin mit ihren Eltern zunächst zugewiesen war, war von außen nur über die Terrasse durch eine nicht besonders gekennzeichnete, von einem Stahlrahmen von 10 bis 15 cm Breite eingefassten Glasschiebetür aus einfachem, nicht bruchfestem Glas zugänglich. Zum Öffnen wurde die Tür über ein gleich breites Fenster geschoben. Am Morgen des dritten Urlaubstags, dem 3. August 1999, prallte die Klägerin von innen gegen die geschlossene Glastür, wobei sie Verletzungen erlitt, von denen Beeinträchtigungen zurückblieben. Die Klägerin, die in der ungesicherten Glasschiebetür eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht gesehen hat, hat diese auf angemessenes Schmerzensgeld , mindestens 76.693,78 EUR (150.000,-- DM), nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 25.000 EUR verzinslich verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag im Umfang der zweitinstanzlichen Verurteilung weiter.

Entscheidungsgründe:


2
Die zulässige Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
3
I. Das Berufungsgericht hat anders als die Vorinstanz angenommen, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil die Glastür nicht so gekennzeichnet gewesen sei, dass sie auch für Kinder leicht zu erkennen gewesen wäre. Eine weitere Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat es darin gesehen, dass sich die Beklagte nicht darüber vergewissert habe, ob splitterfreies Glas verwendet worden sei. Ein Mitverschulden der Klägerin hat es verneint.
4
II. Die Revision sieht es als rechtsfehlerhaft an, dass das Berufungsgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht hat. Die Sicherungspflicht , die der Senat (im Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 122/97, WM 2000, 888, 890) im Anschluss an BGHZ 103, 298, 303 bejaht habe, werde nicht schon durch jede bloß theoretische Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst. Sie begrenze sich auf Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar seien und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schaden zu bewahren. Auch die Pflicht, Kinder vor den Folgen ihres eigenen unvernünftigen Tuns zu schützen, habe ihre Grenzen. Die Glasschiebetür habe den örtlichen Bauvorschriften entsprochen und auch den Anforderungen des Baurechts in Nordrhein-Westfalen genügt. Die Tür habe nicht dem öffentlichen Verkehr gedient , sondern zum vertrauten Wohnbereich der Familie der Klägerin gehört. Hierfür hätten keine besonderen Sicherungsvorkehrungen getroffen werden müssen. Die Einfassung der Tür habe zudem dem Eindruck entgegengestanden , dass die Tür geöffnet sei, was das Landgericht zutreffend festgestellt habe. Glastürfertigelemente wie vorliegend verwendet seien in Hotels weitgehend üblich. Wenn überhaupt, habe nur ein verborgener Mangel vorgelegen, nach dem zu suchen die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei. Davon sei auch nicht wegen der Zusicherung der kindgerechten Ausstattung abzuweichen, da sich diese ersichtlich nicht auf die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes bezogen habe.
5
III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.
6
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Reiseveranstalter , der mit der "kindgerechten Ausstattung" für eine Urlaubsunterkunft wirbt, auch Gefahren, die sich aus der baulichen Ausstattung für Kinder ergeben können , im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht gering zu halten und nach Möglichkeit zu beseitigen hat, und dass die Beklagte als Reiseveranstalter der Klägerin für die Verletzung dieser Pflichten nach §§ 823, 847 BGB a.F. haftet, und zwar internationalprivatrechtlich nach Art. 40 Abs. 2 EGBGB (vgl. BGHZ 103, 298, 303 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1483). Das gilt auch für Gefahren , die sich beim notwendigen Passieren von Glastüren, die - wie hier - den einzigen Zugang zum Wohnraum bilden und nicht aus splitterfreiem Glas hergestellt sind, auswirken können. Es kann dabei dahinstehen, ob die Beklagte, der als Reiseveranstalterin neben dem Beherbergungsbetrieb ebenfalls eine Verkehrssicherungspflicht bezüglich Auswahl und Kontrolle des Vertragshotels oblag (vgl. BGHZ aaO), schon generell Veranlassung hatte, gegen den nach dem unwiderlegt gebliebenen Vortrag der Beklagten nicht gegen öffentlichrechtliche Bauvorschriften verstoßenden Zustand der Unterkunft einzuschreiten. Auch wenn man eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten verneint (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.5.2006 - VI ZR 189/05, zur Veröffentlichung vorgesehen , zu Mietverhältnissen), ergibt sich ihre Haftung dem Grunde nach aber daraus, dass sie die Unterkunft als mit einer "kindgerechten Ausstattung" versehen beworben hat. Grundsätzlich sind bei Ausübung eines Gewerbes diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Danach ist für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten von Bedeutung, welche vertragsrechtlichen Verpflichtungen ihm nach dem Gesetz und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen typischerweise obliegen. Denn die gewerblichen Berufspflichten begründen und begrenzen zugleich auch Verkehrssicherungspflichten (BGHZ aaO). Im vorliegenden Fall werden die Pflichten maßgeblich von der Angabe der Ausstattung als "kindgerecht" mitbestimmt. Diese Angabe durfte nach dem Verständnis der Kunden der Beklagten dahin verstanden werden, dass sie sich nicht nur auf zusätzliche Ausstattungselemente, sondern auch auf die bauliche Beschaffenheit der Unterkunft selbst bezog. Insoweit vermag die Revision mit ihrer abweichenden Auffassung einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nicht aufzu- zeigen. Ob damit auch bei der Ausstattung etwa von Gaststätteneinrichtungen oder Hoteleingangstüren entsprechende Sicherheitsmaßstäbe anzulegen sind, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung, weil sich die Anpreisung nach dem maßgeblichen Kundenverständnis jedenfalls auf die eigentlichen Unterkunftsräume bezog. Dass die Beklagte die Ausstattung trotz der Umstände als "kindgerecht" bezeichnet hat, dass die nicht bruchsichere Glasschiebetür der einzige Zugang zu den Wohnräumen und zudem nicht gekennzeichnet war und ihr geschlossener Zustand jedenfalls von Kindern nicht sicher erkannt werden konnte , trägt den Vorwurf pflichtwidrigen und schuldhaften Verhaltens der Beklagten und damit auch deren Verurteilung und unterscheidet den Fall von dem vom Landgericht Frankfurt am Main (in RRa 2003, 73) entschiedenen.
7
2. Gegen die Verneinung eines Mitverschuldens seitens der Klägerin sowie gegen die Bemessung des Schmerzensgelds erhebt die Revision keine Einwände. Rechtsfehler treten insoweit nicht hervor.
8
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Ambrosius Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.07.2003 - 25 O 646/01 -
OLG Köln, Entscheidung vom 08.03.2004 - 16 U 70/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 44/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 44/04

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 651a Vertragstypische Pflichten beim Pauschalreisevertrag


(1) Durch den Pauschalreisevertrag wird der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen. (2) Eine Pausch
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 44/04 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 651a Vertragstypische Pflichten beim Pauschalreisevertrag


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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05

bei uns veröffentlicht am 16.05.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 189/05 Verkündet am: 16. Mai 2006 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 44/04.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juni 2019 - X ZR 166/18

bei uns veröffentlicht am 25.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 166/18 Verkündet am: 25. Juni 2019 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 189/05 Verkündet am:
16. Mai 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Vermieter einer Wohnung verstößt nicht gegen seine Verkehrssicherungspflicht,
wenn er die mit einem Glasausschnitt versehenen Zimmertüren der Wohnung, die
insoweit den baurechtlichen Vorschriften entspricht, bei einer Vermietung an eine
Familie mit Kleinkindern nicht mit Sicherheitsglas nachrüsten lässt.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - LG Siegen
AG Siegen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Mai 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die
Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 2. August 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die am 28. April 2001 geborene Klägerin nimmt den Beklagten als Vermieter der Wohnung ihrer Eltern auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. Die Eltern der Klägerin sind seit 1. November 2001 Mieter einer 6-Zimmer-Wohnung in einem Anwesen des Beklagten , das im Jahre 1966 errichtet worden ist. Seit 1986 handelt es sich bei den Wohnungen um Sozialwohnungen im Sinne der §§ 4 und 5 des Wohnungsbindungsgesetzes , deren Bezug eine Personenzahl von 5 erfordert, damit von der Gemeinde ein entsprechender Berechtigungsschein ausgestellt wird. Die Familie der Klägerin lebt dort mit zwei Erwachsenen und drei Kleinkindern.
2
Am 22. März 2003 lief die Klägerin beim Spielen mit ihrer Schwester gegen eine in der Wohnung befindliche Kinderzimmertür. Die Tür bestand aus einem Holzrahmen mit einem Glasausschnitt, der im unteren Bereich in einer Höhe von 40 cm begann. Bei dem Glas handelte es sich nicht um Sicherheitsglas. Bei dem Unfall fiel die Klägerin mit Kopf und Schultern in die Scheibe. Dadurch gelangte ein winziges Teil aus der zerbrochenen und zersplitterten Scheibe in das linke Auge der Klägerin, wodurch die Klägerin die Sehkraft des linken Auges nahezu vollständig verlor.
3
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Zwar treffe den Vermieter grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Mieter einer Wohnung. Dabei habe der Verkehrssicherungspflichtige aber nur solche Gefahrenquellen zu beseitigen bzw. vor ihnen zu warnen, die von den Verkehrsteilnehmern trotz gebotener Eigensorgfalt nicht ohne weiteres erkennbar seien oder auf die sie sich nicht ohne weiteres einstellen könnten. Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmten sich nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs. Danach dürfe der Mieter einer Wohnung sich nicht darauf verlassen, dass Glasausschnitte in Zimmertüren mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Dahingehende baurechtliche Vorschriften hätten weder bei Errichtung der Wohnungen im Jahr 1966 noch bei Einzug der Familie der Klägerin noch zum Zeitpunkt des Unfalles existiert. Besondere Umstände, die eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verpflichtung des Verkehrssicherungspflichtigen erforderten, seien nicht erkennbar. Der Beklagte habe zwar gewusst, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt werde, habe aber nicht ernstlich damit rechnen müssen, dass ein Mieter "durch eine solche Scheibe" gehe. Es werde nicht behauptet, dass solche Vorfälle bereits zuvor vorgekommen seien. Zur Abwehr von Gefahren für die Kinder sei in erster Linie der Aufsichtspflichtige zuständig. Wenn die Eltern der Klägerin auf die Ausstattung mit Sicherheitsglas Wert gelegt hätten, hätten sie nachfragen oder die Tür entsprechend überprüfen müssen. Auch für einen Laien wäre eine Ausstattung mit Sicherheitsglas an der Stempelung erkennbar gewesen. Mieter könnten nicht davon ausgehen, dass Zimmertüren einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Da der Gesetzgeber bis heute nicht die Ausstattung von Glastürausschnitten mit Sicherheitsglas verlange, handele es sich auch nicht um ein dringendes Sicherheitsbedürfnis, welches den Sicherungspflichtigen ausnahmsweise zu nachträglichen Maßnahmen verpflichtete.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Verstoß des Beklagten gegen die ihm als Vermieter obliegenden Verkehrssicherungspflichten verneint.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
7
2. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 276 Abs. 2 BGB n.F.) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen , die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Wohnungsvermieter - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: Mieter und deren Kinder - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
8
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
9
3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht eine Haftung des Beklagten verneint.
10
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass baurechtliche Vorschriften, nach denen Zimmertüren mit Glasausschnitten in Wohnun- gen mit Sicherheitsglas ausgestattet werden müssen, weder zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen im Jahre 1966 existierten, noch zum Zeitpunkt des Einzugs der Familie der Klägerin im Jahre 2001, noch zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2003. Nach § 40 Abs. 2 Bauordnung NW ist lediglich geregelt, dass Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, so zu kennzeichnen sind, dass sie leicht erkannt werden können. Für größere Glasflächen können zwar Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Verkehrs verlangt werden, wobei für Glasflächen , die bis zum Fußboden reichen, jedoch keine besonderen Eigenschaften des Glases vorgeschrieben sind, sondern lediglich eine entsprechende Markierung.
11
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelte es sich bei der Tür, an der sich die Klägerin verletzt hat, nicht um eine bis zum Fußboden herabreichende Glastür, sondern um eine Zimmertür mit einem Glasausschnitt, der erst in einer Höhe von 40 cm begann. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Zimmertür insoweit nicht den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften entsprochen habe.
12
Insofern ist der vorliegende Fall anders gelagert als derjenige, der dem Senatsurteil vom 31. Mai 1994 - VI ZR 233/93 - (VersR 1994, 996, 997) zugrunde lag. Dort war der Geschädigte im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses beim Hinuntergehen auf der letzten Stufe einer aus Marmorstufen bestehenden Treppe gestürzt und mit dem Arm in eine aus gewöhnlichem Fensterglas bestehende Verglasung einer Treppenhausaußenwand gefallen. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass in diesem Fall baurechtliche Vorschriften bestanden, die besondere Sicherheitsvorkehrungen geboten hätten. Nach § 36 Abs. 7 Bauordnung NW sind Fenster, die unmittelbar an Treppen liegen und deren Brüstungen unter der notwendigen Geländerhöhe liegen, zu sichern. Grund hierfür ist, dass bei einem Treppenhaus zum einen die Gefahr eines Hinabstürzens in die Tiefe und zum anderen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort jemand zu Fall kommt, wobei im damals entschiedenen Fall hiermit ernstlich zu rechnen war, weil auf der unteren Stufe der Treppe ein nur 1,25 m breites Podest bis zur Außenwand vorgelagert war und sich kurze Zeit zuvor ein Vorfall ereignet hatte, bei dem das Fensterglas der Außenwand zu Bruch gegangen war.
13
Im vorliegenden Fall lagen nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine besonderen Umstände vor, welche eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verkehrssicherungspflicht des Vermieters hinsichtlich der Zimmertüren begründen konnten. Insbesondere waren keine ähnlichen Vorfälle seit Vermietung der Wohnungen im Jahr 1966 bekannt. Allein aus der Kenntnis der Beklagten, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt wird, kann sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes ergeben. Entsprach nach den baurechtlichen Vorschriften die Mietwohnung im Hinblick auf ihre Ausstattung mit verglasten Wohnungsinnentüren der Normalbeschaffenheit, so oblag es den obhutspflichtigen Eltern der Klägerin zu entscheiden, ob sie unter den gegebenen Umständen eine solche Wohnung anmieten und für weitergehende (klein-)kindgerechte Schutzvorkehrungen sorgen wollten, wie sie auch in anderen Bereichen (z.B. Steckdosensicherungen , Schutzgitter, Kantenschutz etc.) üblich sind. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Eltern der Klägerin bei der Anmietung einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung damit rechnen konnten, dass die Innentürverglasungen aus Sicherheitsglas bestanden, zumal nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Ausstattung mit Sicherheitsglas auch für einen Laien erkennbar ist, weil sich an dem Glaseinsatz bei Sicherheitsglas ein entsprechender Stempel befindet. Mieteten die Eltern der Klägerin mit drei Kleinkindern eine Wohnung, die den geltenden baurechtlichen Sicherheitsvor- schriften im Hinblick auf die Wohnungsinnentüren entsprach, so konnte dies nicht dazu führen, dass sich die Verkehrssicherungspflichten des Vermieters dahingehend erhöhten, nunmehr besondere (klein-)kindgerechte Sicherheitsvorkehrungen einbauen zu müssen. Es mag zwar wünschenswert sein, in künftigen baurechtlichen Vorschriften zum Schutz von Kindern und älteren Menschen , bei denen eine erhöhte Gefahr besteht, dass sie in Wohnungen zu Fall kommen, den Einbau von Sicherheitsglas vorzusehen. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, treffen den Vermieter diesbezüglich im Regelfall keine erhöhten Verkehrssicherungspflichten.

III.

14
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG Siegen, Entscheidung vom 10.08.2004 - 13 C 372/04 -
LG Siegen, Entscheidung vom 02.08.2005 - 1 S 151/04 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)