Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2002 - X ZR 49/00

bei uns veröffentlicht am19.03.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 49/00 Verkündet am:
19. März 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
BGB § 638 Abs. 1 in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung
Die lange Verjährungsfrist "bei Bauwerken" kommt nicht allein deshalb in Betracht
, weil der Besteller einer Anlage ein Angebot zum Selbsteinbau in seinem
Bauwerk erbeten hatte.
BGH, Urt. v. 19. März 2002 - X ZR 49/00 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 1. Februar 2000 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Im Februar 1994 erbat der Kläger von dem Beklagten ein Angebot für einen Getriebegenerator zum Selbsteinbau in seinem kleinen Wasserkraftwerk. Daraufhin bot der Beklagte Getriebe und Generator als mit einer Kupplung verbundene und in einem Tragegestell montierte Einheit an und lieferte sie, nachdem er Generator und Getriebe von einem Fachunternehmen bezogen hatte, am 17. Oktober 1994 an den Kläger aus. Der Kläger baute die Vorrichtung in seinem kleinen Wasserkraftwerk ein und bezahlte die Rechnung des Beklagten am 10. November 1994.
Der Kläger hat verschiedene Mängel geltend gemacht, deren Ursache er darauf zurückführt, daß das Getriebe die vom Generator vereinbarungsgemäß erbrachte Leistung von 7,5 Kilowatt nicht übertragen könne. Er hat deshalb am 11. März 1999 beim Landgericht Klage eingereicht, mit der er Ersatz der Kosten für die Lieferung eines Ersatzgetriebes verlangt. Das Landgericht hat diese Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den Vertrag, der zwischen den Parteien auf der Grundlage der Anfrage des Klägers und des Angebots des Beklagten zustande gekommen ist, als Werklieferungsvertrag angesehen. Das begegnet unter Rechtsgründen keinen Bedenken. Auch die Revision erhebt insoweit Beanstandungen nicht.
2. Ob auf den geschlossenen Vertrag nach § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.) die dort im ersten Halbsatz genannten Vorschriften über den Kauf Anwendung finden oder ob die im zweiten Halbsatz genannten Vorschriften über den Werkvertrag anzuwenden sind, hat das Berufungsgericht nicht näher geprüft. Mangels tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob die von der Beklagten versprochene Leistung auf die Herstellung einer unvertretbaren Sache gerichtet war, ist deshalb für die revisionsrechtliche Überprüfung zugunsten des Klägers davon auszugehen,
daû die zwischen den Parteien streitige Verjährung nicht bereits mit der Ablieferung der Teile, sondern erst mit ihrer Abnahme durch den Kläger begann (§ 638 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.).
3. Zur Frage der Abnahme selbst hat das Berufungsgericht auf die Gründe der Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Danach erfolgte die Abnahme durch den Kläger am 10. November 1994 durch schlüssiges Handeln dadurch, daû der Kläger die Rechnung des Beklagten bezahlte. Da damals 24 Tage seit der Lieferung verstrichen gewesen seien, habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, daû der Kläger den Getriebegenerator zwischenzeitlich in Betrieb genommen und überprüft gehabt habe; er habe deshalb die Bezahlung der Rechnung als Anerkennung dieses Werks verstehen dürfen.
Das begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Auch die Revision macht nicht geltend, daû diese tatrichterliche Würdigung durch Rechtsfehler beeinfluût sei.
4. Das Berufungsgericht hat weder zu einem arglistigen Verschweigen der behaupteten Mängel, noch zu einer zwischenzeitlichen Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung, noch zu einer vertraglichen Verlängerung der Verjährungsfrist Feststellungen getroffen. Da die Revision auch insoweit Rügen nicht erhebt, war mithin ein etwaiger Gewährleistungsanspruch des Klägers bei der Klageerhebung im Frühjahr 1999 nach § 638 Abs. 1 BGB a.F. nur dann nicht verjährt, wenn für diesen Anspruch die bei Bauwerken gesetzlich vorgesehene Verjährungsfrist von fünf Jahren galt.
5. Das Berufungsgericht hat das verneint. Dabei hat es unterstellt, daû das Wasserkraftwerk selbst, in das der Kläger den Getriebegenerator einbaute,
ein Bauwerk ist. Das Berufungsgericht hat aber die hier streitige Leistung des Beklagten nicht als bauwerksbezogen, sondern als typisch maschinenbezogen angesehen.
Auch das begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ; die insoweit erhobenen Rügen der Revision bleiben ohne Erfolg.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum vor dem 1. Januar 2002 geltenden Recht gilt die lange Verjährung "bei Bauwerken" , wenn das geschuldete Werk selbst in der Errichtung oder der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes oder eines anderen Bauwerks besteht, wobei unter grundlegender Erneuerung Arbeiten zu verstehen sind, die insgesamt einer ganzen oder teilweisen Neuerrichtung gleichzuachten sind (BGH, Urt. v. 3.12.1998 - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434). Fallweise kann Gegenstand einer Arbeit "bei einem Bauwerk", welche zur Geltung der langen Verjährungfrist führt, darüber hinaus auch eine technische Anlage sein, die für sich genommen kein Bauwerk im Sinne von § 638 BGB ist (z.B. BGH, Urt. v. 15.5.1997 - VII ZR 287/95, MDR 1997, 1118; Urt. v. 20.7.1997 - VII ZR 288/94, NJW 1997, 1982, 1983; Urt. v. 20.7.1991 - VII ZR 305/90, MDR 1992, 54, jew. m.w.N). Auch in diesen Fällen müssen die geschuldeten Arbeiten sich aber derart auf ein bestimmtes Bauwerk beziehen, daû bei wertender Betrachtung die Feststellung gerechtfertigt ist, der Unternehmer habe bei dessen Errichtung oder grundlegenden Erneuerung (jedenfalls) mitgewirkt.

b) Das kann hier nicht angenommen werden. Nach den insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Beklagte eine Leistung zu erbringen, die durch anlagentypische Merkmale bestimmt war. In
der Anfrage des Klägers waren nur die Leistung des Generators, die Eingangsdrehzahl und die Herrichtung für einen vertikalen Einbau genannt. Der Beklagte sollte die insoweit benötigten Geräte besorgen und diese in und mit einem Gestell zu einer Einheit, dem geschuldeten Liefergegenstand zusammenfügen. Zu beurteilen ist deshalb ein bloûes Beschaffungsgeschäft, das sich auf eine bewegliche Sache bezog. Mit der Erstellung des Wasserkraftwerks des Klägers hatte das nur insofern etwas zu tun, als der Kläger bei seiner Angebotsaufforderung ferner noch angegeben hatte, die Anlage in seinem kleinen Wasserkraftwerk einbauen und betreiben zu wollen. Damit war jedoch nur der Grund der in Aussicht genommenen Bestellung offenbart worden; daû sie (auch) eine Mitwirkung des Beklagten bei der Erstellung des Wasserkraftwerks zum Gegenstand haben sollte, kann allein hieraus nicht entnommen werden.

c) Ein Fehler des Berufungsgerichts bei der Rechtsanwendung ergibt sich auch nicht daraus, daû in ständiger Rechtsprechung zum alten Recht vertreten wird, auch bei Arbeiten eines Subunternehmers könne es sich um solche "bei Bauwerken" handeln, wenn dieser weiû, daû der von ihm herzustellende Gegenstand für ein bestimmtes Bauwerk verwendet werden soll (z.B. BGH, Urt. v. 26.4.1990 - VII ZR 345/88, MDR 1991, 39; Urt. v. 3.12.1998 - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434, jew. m.w.N.). Der vorliegende Sachhalt kann nämlich nicht den Fällen gleich geachtet werden, in denen ein bei der Herstellung eines Bauwerks eingesetzter Unternehmer die Herstellung in das Bauwerk einzubauender Sachen einem Subunternehmer überläût. Der Unterschied besteht darin, daû über den Hauptunternehmer und dessen Verpflichtung ein werkvertraglicher Bezug der Leistung des Subunternehmers zu dem Bauwerk und den dieses betreffenden Arbeiten geschaffen ist. Das kann es gerechtfertigt erscheinen lassen, von einer Mitwirkung des Subunternehmers bei dem Bauwerk zu
sprechen, wenn er Gegenstände herstellt, damit sie dort Verwendung finden. Ein solcher Bezug fehlt im vorliegenden Fall. Auûerdem mindert besagte Rechtsprechung Ungereimtheiten, die auftreten können, wenn unterschiedliche Verjährungsfristen zwischen Hauptunternehmer und Auftraggeber einerseits und Subunternehmer und Hauptunternehmer andererseits zu beachten wären (Münchener Kommentar/Soergel, BGB, 3. Aufl., § 638 Rnr. 29). Solche Ungereimtheiten sind hier nicht zu besorgen. Für den Kläger muûte deshalb die kurze Verjährungsfrist gelten, die das Gesetz für den Besteller vorsieht, wenn kein besonderer Sachverhalt gegeben ist.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2002 - X ZR 49/00

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2002 - X ZR 49/00

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 638 Minderung


(1) Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. Der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 findet keine Anwendung. (2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unterne
Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2002 - X ZR 49/00 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Referenzen

(1) Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. Der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 findet keine Anwendung.

(2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden.

(3) Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.

(4) Hat der Besteller mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Unternehmer zu erstatten. § 346 Abs. 1 und § 347 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)