Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03

bei uns veröffentlicht am03.05.2006
vorgehend
Landgericht Aachen, 42 O 132/01, 09.08.2002
Oberlandesgericht Köln, 19 U 166/02, 09.05.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 84/03 Verkündet am:
3. Mai 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 9. Mai 2003 verkündete Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Erstbeklagte, die sich mit der Herstellung von Fruchtsäften befasst und deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, bestellte bei der Klägerin, einem Unternehmen, das auf dem Gebiet der Entwicklung von Software tätig ist, im August 1999 Standard- und Sondersoftware nebst zugehöriger Hardware, deren Leistungsumfang in einer Projektübersicht festgelegt wurde. Die dabei erteilten Einzelaufträge wurden in der Folgezeit erweitert. Die Klägerin lieferte und installierte zunächst Hardware und vorrangig Standardsoftware ; ein von den Beklagten verwendetes Modul Produktion ist bezahlt. Im Übrigen kam es zu Projektverzögerungen; die in einem von der Klägerin auf Verlangen der Beklagten erstellten Projektplan genannten Fristen wurden nicht eingehalten. Die Klägerin verlängerte ein vertraglich eingeräumtes Rücktrittsrecht der Beklagten vom Gesamtvertrag bis Ende September 2000. Am 22. September 2000 fand ein Gespräch der Parteien statt, bei dem der Start des parallelen Echtlaufs auf den 1. Dezember 2000 und der Echtlauf des Moduls Absatz auf den 1. Januar 2001 festgelegt wurden; imAnschluss daran sollte abgerechnet werden. Nachdem der Termin 1. Dezember 2000 nicht eingehalten wurde, erklärte die Erstbeklagte die Einstellung des Projekts. Dies hinzunehmen war die Klägerin nicht bereit. Auf ihre Klage hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 360.058,36 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagten seien ohne Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung nicht berechtigt gewesen, sich vom Vertrag zu lösen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Landgerichtsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


2
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
3
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin ständen die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche nicht zu, weil die Beklagten den Vertrag wirksam liquidiert hätten, wodurch die Erfüllungsansprüche der Klägerin erloschen seien. Die Beklagten hätten der Klägerin am 22. September 2000 eine letzte Frist im Sinn einer Nachfrist gesetzt und damit die Androhung verbunden, nach Ablauf dieser Frist den Gesamtvertrag zu liquidieren. Am 22. September 2000 habe sich die Klägerin mit der Erbringung der von ihr geschuldeten Leistungen bereits seit Monaten in Verzug befunden. Mit dem Projekt Absatz habe die Klägerin erst nach dem April 2000 begonnen, obwohl nach ihrem Projektplan der Echtbetrieb für den April 2000 vorgesehen gewesen sei. Im September 2000 sei lediglich das Modul Produktion betriebsbereit gewesen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, dass die Beklagten die von ihnen geschuldete Stammdateneinpflege nicht vollständig erbracht hätten, ändere dies nichts am Verzug der Klägerin, denn die von ihr geschuldeten Leistungen seien davon unabhängig gewesen. Die Festlegung fester Termine für den Echtlauf auf der Besprechung im September 2000, die das Berufungsgericht als Krisengespräch bewertet hat, kurz vor Ablauf des den Beklagten vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts, stelle es außer Frage, dass sich die Parteien darüber klar gewesen seien, das Projekt solle mit der Einhaltung dieser Termine stehen und fallen. Gegen die Ernsthaftigkeit der Fristsetzung zum 1. Dezember 2000 spreche auch nicht, dass man sich an diesem Tag noch zu einem Arbeitsgespräch getroffen habe. Dass die Beklagten möglicherweise bereit gewesen wären , ihre Rechte nicht auszuüben, wenn eine Projektrealisierung kurzfristig absehbar gewesen wäre, ändere nichts daran, dass ihnen das Lösungsrecht zugestanden habe. Die ihr gesetzte letzte Frist habe die Klägerin nicht eingehalten. Eigene Vertragsuntreue der Beklagten stehe dem nicht entgegen; die Einpflegung der Stammdaten durch diese habe zeitlich schnell erfolgen können und den Projektfortgang allenfalls unwesentlich behindert.
4
II. Dies greift die Revision im Ergebnis mit Erfolg an.
5
1. a) Sie meint, das Landgericht sei rechtsfehlerfrei und damit für das Berufungsgericht bindend zu dem Ergebnis gekommen, das am 22. September 2000 eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht erfolgt sei. Die Beklagten hätten auch Abweichendes nicht behauptet, sondern lediglich die Vereinbarung eines Leistungstermins als Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung gewertet wissen wollen. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe keinen Anhalt dafür geliefert, dass eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt worden sei. Zudem habe das Berufungsgericht den gegenbeweislich gestellten Beweisanträgen der Klägerin nachkommen müssen. Objektiv willkürlich sei auch die Bewertung des Schriftverkehrs der Parteien. Die Klägerin habe am 27. September 2000 erklärt, sie werde eine weitere Verschiebung des Zahlungstermins nicht ohne weiteres hinnehmen. Damit habe allenfalls die Klägerin eine letzte Frist zur Zahlung gesetzt, nicht aber hätten die Beklagten eine letzte Frist zur Leistungserbringung gesetzt. Auch aus der sonstigen Korrespondenz ergebe sich nichts Anderes.
6
b) Die Revision rügt weiter die Auffassung des Berufungsgerichts als willkürlich, die Klägerin habe sich am 22. September 2000 bereits seit Monaten in Verzug befunden. Die Klägerin habe hierzu vorgetragen und unter Beweis gestellt, es sei im Januar 2000 zu einer Verzögerung gekommen, weil die Erstbeklagte den jeweiligen Anwendern keine Schreibrechte an ihrer elektronischen Datenverarbeitung habe einräumen wollen. Weiter habe sie unter Beweis gestellt , dass es für sie schwierig gewesen sei, im ersten Quartal 2000 Termine bei der Beklagten zu bekommen. Es sei auch Beweis dafür angetreten worden, dass es durch die Auswechslung von Mitarbeitern bei der Klägerin nicht zu Verzögerungen gekommen sei. Diesem Vortrag sei das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen.

7
c) Die Revision beanstandet weiterhin die Annahme des Berufungsgerichts , die Klägerin habe die Frist zum 1. Dezember 2000 aus Gründen, die sie zu vertreten habe, nicht eingehalten. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage das Berufungsgericht zu anderen Erkenntnissen gelangt sei als das Landgericht. Zudem sei hier Vortrag der Klägerin übergangen worden, der bereis in erster Instanz erfolgt sei.
8
2. Die Angriffe der Revision sind zunächst insoweit berechtigt, als das Berufungsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich am 22. September 2000 in Verzug befunden. Verzug käme hier in Betracht, wenn die Klägerin auf eine Mahnung der Beklagten nach Fälligkeit in zurechenbarer Weise nicht geleistet hätte (§§ 284 Abs. 1, 285 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung - a.F.). Hierzu fehlt es an Feststellungen. Verzug kann, ohne dass es einer Mahnung bedurfte, auch dann in Betracht kommen, wenn die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt war (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.). Auch hierzu fehlt es an tragfähigen Feststellungen, wenngleich das Berufungsgericht wohl von Kalenderfälligkeit in diesem Sinn ausgegangen ist. Dass die Klägerin auf Wunsch der Beklagten einen Projektplan mit bestimmten Daten erstellt haben soll, legt eine bindende Terminsvereinbarung zwar nahe, genügt aber für die Feststellung einer Kalenderfälligkeit schon deshalb nicht, weil es in der Folgezeit mehrfach zu Terminsverschiebungen jedenfalls hinsichtlich der Dauer des Rücktrittsrechts gekommen ist. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen gestatten deshalb nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme, dass sich die Klägerin am 22. September 2000 bereits in Verzug befand. Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Befassung zunächst zu prüfen haben, ob Kalenderfälligkeit vorlag, und wie sich das als übergangen gerügte Vorbringen hierauf gegebenenfalls auswirkte. Verneint es Kalenderfälligkeit, wird es sich mit der Frage zu befassen haben, wann die Leistung der Beklagten zu erbrin- gen war und ob nach Fälligkeit eine Mahnung erfolgt ist oder ob eine solche etwa nach Treu und Glauben entbehrlich war. Dabei wird es auch zu beachten haben, dass eine Mahnung zugleich mit der Nachfristsetzung erfolgen kann (u.a. BGH, Urt. v. 8.3.2001 - VII ZR 470/99, NJW-RR 2001, 806 m.w.N.).
9
3. Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die Erstbeklagte habe der Klägerin am 22. September 2000 eine mit einer Ablehnungsandrohung verbundene Nachfrist gesetzt, ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden.
10
Zwar kann in der Setzung einer "letzten Frist", sofern sich der Schuldner bereits in Verzug befindet oder er zugleich gemahnt wird, eine Fristsetzung liegen , mit der der Gläubiger zugleich zum Ausdruck bringt, die Annahme der Leistung nach Fristablauf abzulehnen (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Ob dies der Fall ist, unterliegt der Würdigung durch den Tatrichter. Das Revisionsgericht prüft nicht nach, ob die Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgelegen haben, wenn das Berufungsgericht insoweit Feststellungen trifft, die von den erstinstanzlichen Feststellungen abweichen (BGHZ 162, 313, 318 f.).
11
Jedoch hat das Berufungsgericht das Ergebnis des Gesprächs (der "Krisensitzung" ) vom 22. September 2000 ausschließlich im Licht des Schriftwechsels vom 22. bis 29. September 2000 interpretiert. Den Beweisangeboten der Klägerin (und der Beklagten) zum Inhalt des Gesprächs ist es nicht nachgegangen. Damit hat sich das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin die Überzeugung von einem bestimmten Verlauf der "Krisensitzung" gebildet, ohne die für einen anderen Verlauf angebotenen Beweismittel auszuschöpfen, und damit gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) verstoßen.

12
4. Mit den Rügen, die die Nichteinhaltung der Nachfrist betreffen, wird sich das Berufungsgericht erforderlichenfalls zu befassen haben, nachdem es die Fragen des Verzugs und der Nachfristsetzung erneut geprüft hat.
Melullis Keukenschrijver RinBGHMühlensist infolgeUrlaubsan derUnterschriftgehindert. Melullis Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 09.08.2002 - 42 O 132/01 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.05.2003 - 19 U 166/02 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht


#BJNR001950896BJNE031902377 (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen


Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtver
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen


Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtver

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 285 Herausgabe des Ersatzes


(1) Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersa

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - X ZR 84/03 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2001 - VII ZR 470/99

bei uns veröffentlicht am 08.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 470/99 Verkündet am: 8. März 2001 Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

Referenzen

Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.

(1) Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.

(2) Kann der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangen, so mindert sich dieser, wenn er von dem in Absatz 1 bestimmten Recht Gebrauch macht, um den Wert des erlangten Ersatzes oder Ersatzanspruchs.

Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 470/99 Verkündet am:
8. März 2001
Seelinger-Schardt
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Unternehmer hat mit der Herstellung eines vertraglich geschuldeten
Bauwerkes im Zweifel alsbald nach Vertragsschluß zu beginnen
und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen.

b) Fordert der Besteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so muß
der Unternehmer darlegen und beweisen, daß ihn an der nicht rechtzeitigen
Fertigstellung des Bauwerkes kein Verschulden trifft.
BGH, Urteil vom 8. März 2001- VII ZR 470/99 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, 9. Zivilsenat in Freiburg, vom 24. September 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Parteien schlossen am 16./28. Februar 1996 einen Kaufvertrag über eine noch zu errichtende Eigentumswohnung im Wohnpark B. in V.-S. Der Vertrag enthält keinen bestimmten Termin für die Fertigstellung. In den Allgemeinen Verkaufbestimmungen (künftig: AVB) der Beklagten, die Vertragsgegenstand sind, ist in § 2 Abs. 1 bestimmt, daß der Verkäufer sich verpflichtet, das Bauvorhaben unverzüglich zu erstellen. In einem dem Kläger vor Vertrags-
schluß von der mit dem Vertrieb beauftragten C.-GmbH übergebenen Prospekt war als geplanter Fertigstellungstermin der 31. Dezember 1996 genannt. Anfang November 1996 teilte die den Kaufpreis finanzierende Bank dem Kläger mit, daß sie die erste Rate, die nach Beginn der Erdarbeiten fällig war, der Beklagten überwiesen habe. Nach Fertigstellung des Rohbaus zahlte sie Anfang März 1996 die zweite Rate. Am 3. April 1997 setzte der Kläger der Beklagten zur Fertigstellung der Wohnung eine "Nachfrist" bis zum 23. April 1997 mit Ablehnungsandrohung. Auf das Schreiben der Beklagten vom 14. April 1997, mit dem sie die voraussichtliche Fertigstellung des Gebäudes zum 1. Juli 1997 ankündigte und für den Fall eines dringenden Bedarfs um Mitteilung bat, um die Wohnung möglicherweise vorher fertigzustellen, forderte der Kläger im Mai 1997 Schadensersatz. Der Kläger hat von der Beklagten Zahlung von 6.510,68 DM sowie Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 143.221 DM begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage abgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß §§ 636, 326 BGB mit der Begründung, die Beklagte sei zum Zeitpunkt der Nachfristsetzung nicht im Verzug gewesen. Der Kläger hätte vortragen müssen, die Beklagte habe die Herstellung gemäß § 2 Abs. 1 AVB schuldhaft verzögert. Daran fehle es. Der Kläger habe vielmehr die Überweisungen seiner Bank vom 6. November 1996 und vom 11. März 1997 ohne Beanstandung zur Kenntnis genommen. Wäre er tatsächlich von einer Verpflichtung der Beklagten zur Fertigstellung Ende Dezember 1996 ausgegangen, hätte er bei Beginn der Erdarbeiten um den 6. November 1996 sofort remonstrieren und die entsprechenden Maßnahmen treffen müssen. Dies belege, daß auch der Kläger nicht von einem verbindlichen Fertigstellungstermin ausgegangen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Leistung der Beklagten war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts spätestens Ende Februar 1997 fällig. Die Frage, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Nachfristsetzung bereits im Verzug gewesen war, ist rechtlich ohne Bedeutung. 1. Stellt ein Unternehmer ein vertraglich geschuldetes Werk nicht rechtzeitig her, so kann der Besteller im Falle des Verzugs des Unternehmers die Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB geltend machen. An einer rechtzeitigen Herstellung fehlt es, wenn die für die Ablieferung bestimmte Frist überschritten und damit Fälligkeit eingetreten ist. Diese Frist kann sich aus der Parteivereinbarung oder aus den Umständen ergeben (§ 271 Abs. 1 BGB). Dazu sind der
Wortlaut des Vertrages und die Umstände des Einzelfalls, namentlich die der Gegenseite erkennbare wirtschaftliche Bedeutung an der Einhaltung einer Frist, zu würdigen (Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb. (2000) § 636 Rdn. 4). Im Zweifel hat der Unternehmer nach Vertragsschluß mit der Herstellung alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen (BGB-RGRK/Glanzmann, 12. Aufl. § 636 Rdn. 1). Dabei ist die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen. Mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist tritt Fälligkeit ein. Alsdann kann eine mit der Ablehnungsandrohung verbundene Nachfristsetzung zugleich mit der Mahnung ausgesprochen werden (BGH, Urteile vom 10. Januar 1990 - VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 444; Urteil vom 17. Dezember 1996 - X ZR 74/95, NJW-RR 97, 622, 624). 2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
a) Die Parteien haben im Vertrag vom 16./28. Februar 1996 keine ausdrückliche Frist für die Fertigstellung der Wohnung vereinbart. Die Beklagte hat sich jedoch in § 2 Abs. 1 AVB zur unverzüglichen Herstellung verpflichtet. Danach hatte die Beklagte alsbald nach Vertragsschluß ohne schuldhaftes Zögern mit dem Bau zu beginnen und ihn in angemessener Zeit zügig fertigzustellen. Für dieses Verständnis sprechen auch die ihr erkennbaren Umstände. Die Wohnungen sollten als Kapitalanlage errichtet werden. Die potentiellen Erwerber waren spätestens bei Vertragsschluß auf die Vorgabe eines möglichst konkreten Zeitrahmens für die Fertigstellung angewiesen, um ihre Finanzierung danach ausrichten zu können. Nach dem bei Vertragsschluß gültigen Prospekt war zudem ein Fertigstellungstermin zum 31. Dezember 1996 in Aussicht genommen. Diesen Termin hätte die Beklagte, die für den Bau der Woh-
nung etwa acht Monate (Anfang November 1996 bis Anfang Juli 1997) benötigte , nach Vertragsschluß bei zügiger Ausführung unschwer einhalten können. Ob der Beklagten nach den Umständen noch eine weitere Frist bis Ende Februar 1997 zur Verfügung stand, wie das Landgericht meint, kann offenbleiben, da die Wohnung auch zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt war.
b) Zu Unrecht legt das Berufungsgericht dem Kläger die Darlegungslast für eine schuldhafte Verzögerung seitens der Beklagten auf (§ 285 BGB; BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 73/98, BauR 1999, 645, 647 = ZfBR 1999, 188). Daß der Kläger die Zahlung der ersten und der zweiten Rate seiner Bank ohne Beanstandung zur Kenntnis genommen hat, ist, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, unerheblich. Dieser Umstand läßt weder auf ein fehlendes Verschulden der Beklagten an dem verzögerten Baubeginn schließen noch die spätere Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung als treuwidrig erscheinen. Ein Einverständnis des Klägers mit dem verspäteten Baubeginn stellt das Berufungsgericht nicht fest; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die Erfüllung des Vertrages nach dem 23. April 1997 abgelehnt. Er war aus Rechtsgründen nicht gehindert, in seinem Schreiben vom 3. April 1997 die Mahnung mit der Nachfristsetzung und der Ablehnungsandrohung zu verbinden.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht der Beklagten zunächst Gelegenheit geben müssen, zu den Gründen des verzögerten Baubeginns vorzutragen und sie unter Beweis zu stellen, sofern sie sich damit entlasten kann.
Ullmann Hausmann Wiebel Kniffka Wendt

*

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.