Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - XII ZR 22/02

bei uns veröffentlicht am29.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 22/02 Verkündet am:
29. September 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Dezember 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin sucht im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage zu erreichen , daß die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung des Beklagten aus einer notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird. Der Ehemann der Klägerin betrieb seit 1981 auf einem eigenen Grundstück ein Altenpflegeheim. Im Jahre 1989 geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Außerdem erhob die Heimaufsicht des Landkreises Osterholz Bean-
standungen und ordnete durch Verfügung vom 30. Mai 1991, die der Ehemann der Klägerin anfocht, die Schließung des Heimes an. Unter dem Druck dieser Umstände verkaufte der Ehemann der Klägerin das Grundstück mit Vertrag vom 6. Dezember 1991 an den Beklagten und schloß mit diesem am selben Tag einen Pachtvertrag über das Altenpflegeheim für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 mit Verlängerungsoption des Pächters auf weitere fünf Jahre. Als monatlicher Pachtzins wurden 11.000 DM vereinbart. Mit notarieller Urkunde vom 6. Dezember 1991, in der es u.a. heißt, daß die Klägerin als Gesamtschuldnerin gegenüber dem Beklagten auf den Pachtzins hafte, unterwarfen sich die Klägerin und ihr Ehemann entsprechend einer Klausel des Pachtvertrages gegenüber dem Beklagten "der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen hinsichtlich der Zahlung einer monatlichen Pacht von DM 11.000 … ab 1. Januar 1992, jeweils fällig bis zum 5. eines jeden Monats im voraus, aufgrund des Abschlusses des vorgenannten Pachtvertrages." Im Verwaltungsrechtsstreit um die Schließung des Altenheims schloß der Ehemann der Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht mit der zuständigen Behörde einen Vergleich, der ihm die Fortführung des Altenpflegeheims erlaubte. Der Beklagte hatte das Anwesen zwischenzeitlich, nämlich am 7. Dezember 1993, an Prof. Dr. B. und R. K. weiterverkauft. Der Ehemann der Klägerin schloß ebenfalls am 7. Dezember 1993 mit den Käufern eine "Zusatzvereinbarung zum Pachtvertrag vom 6. Dezember 1991", in der er eine Erhöhung des monatlichen Pachtzinses ab 1. April 1994 auf 11.880 DM anerkannte. Nachdem die Käufer von dritter Seite vom Verwaltungsrechtsstreit des Ehemanns der Klägerin erfahren hatten, fochten sie den Kaufvertrag mit dem Beklagten zunächst wegen arglistiger Täuschung an. Am 28. Februar 1994 schlossen sie jedoch mit diesem einen Vergleich, worin sich der Beklagte u.a.
verpflichtete, für die Erfüllung des Pachtvertrages den Erwerbern gegenüber neben dem Ehemann der Klägerin zu haften, falls diesem die Erlaubnis zum Führen des Pflegeheims entzogen werden würde. Am 11. Mai 1994 wurden die Käufer als neue Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Mit Verfügung vom 31. Juli 1997 untersagte der Landkreis dem Ehemann der Klägerin erneut die Fortführung des Pflegeheims. Ende September 1997 schloß es das Heim zwangsweise. Mit Schreiben vom 22. September 1997 kündigte der Ehemann der Klägerin den Pachtvertrag einschließlich der Zusatzvereinbarung; ab Oktober 1997 zahlte er die Pacht nicht mehr. Der Beklagte betreibt aus der vollstreckbaren Urkunde vom 6. Dezember 1991 wegen offener Pachtzinsen in Höhe von insgesamt 363.000 DM (11.000 DM monatlich) - für den 33 Monate umfassenden Zeitraum von Oktober 1997 bis Juni 2000 - die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Klägerin. Mit ihrer Klage begehrt diese, daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werde. Die Eigentümer haben im Laufe des Rechtsstreits in erster Instanz ihre Pachtzinsforderungen für den Vollstreckungszeitraum treuhänderisch an den Beklagten abgetreten. Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage wegen des Betrags von 363.000 DM abgewiesen und die Zwangsvollstreckung nur hinsichtlich eines diese Summe übersteigenden Betrags für unzulässig erklärt. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf die Anschlußberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Unzulässigkeitserklärung des Landgerichts aufgehoben, nachdem der Beklagte klargestellt hatte, nicht mehr als insgesamt 363.000 DM zu vollstrecken. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel, daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werde, weiter.

Entscheidungsgründe:

Da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin auf deren Antrag durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81). Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils , soweit es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage abgewiesen hat, sowie in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts greifen die Einwendungen der Klägerin gegen den in der notariellen Urkunde titulierten Anspruch des Beklagten nicht durch. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei entsprechend der Entscheidung BGHZ 120, 387, 395 als Titelgläubiger aktivlegitimiert , die Pachtzinsforderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen , weil er aufgrund der fiduziarischen Abtretung der Forderungen Leistung an sich verlangen könne. Die Abtretung sei nicht nach § 134 BGB unwirksam; ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor, weil der Beklagte nicht geschäftsmäßig im Sinne von § 1 Abs. 1 RBerG handele, sondern das Zwangsvollstreckungsverfahren zur Abwendung eigener Haftung gegenüber den Eigentümern betreibe. Der Ehemann der Klägerin habe den Pachtvertrag mit Schreiben vom 22. September 1997 weder nach § 4 des Pachtvertrags noch gemäß § 542 BGB a.F. wirksam fristlos kündigen können. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen. Die behördliche Schließung des Pflegeheims ha-
be sich der Ehemann der Klägerin vielmehr selbst zuzuschreiben. Auch ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Pachtvertrages habe dem Ehemann der Klägerin nicht zugestanden. Vielmehr sei die Zusatzvereinbarung vom 7. Dezember 1993 dahingehend auszulegen, daß der Vertrag fest bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossen sei. Der Pachtvertrag sei auch nicht wegen eines auffällig überhöhten Pachtzinses nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Voraussetzungen hierfür habe die Klägerin nicht dargelegt. Hingegen habe sich die Klägerin wirksam zur Mithaftung für den Pachtzins verpflichtet. Eine finanzielle Überforderung der Klägerin liege nicht vor. Sie habe nämlich Grundvermögen , das im Zwangsversteigerungsverfahren mit 660.000 DM bewertet und dort von ihr als zu niedrig beanstandet worden sei. Außerdem habe die Klägerin auch ein erhebliches eigenes Interesse an der geforderten und vereinbarten Absicherung des Beklagten als Verpächter gehabt, da durch die Anpachtung des Altenpflegeheims ihr Lebensunterhalt und der ihres Ehemannes sichergestellt werden sollte. Ihre Mithaftung sei daher nicht nach § 138 BGB sittenwidrig. Auf den Umstand, daß sie keinen Einfluß auf die Geschäftsführung durch ihren Ehemann gehabt habe, komme es nicht an.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht und mit zutreffender Begründung die Nichtigkeit des Pachtvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB wegen einer auffälligen Pachtzinsüberhöhung verneint, in der Abtretung der Pachtzinsforderungen und der Geltendmachung durch den Beklagten keinen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gesehen und ein außerordentliches Kündi-
gungsrecht des Beklagten wegen der behördlichen Schließung des Altenheims verneint. Auch hat es in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zusatzvereinbarung vom 7. Dezember 1993 dahingehend ausgelegt, daß eine feste Vertragslaufzeit bis zum 31. Dezember 2001 vereinbart worden sei. Das Oberlandesgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte als Titelgläubiger zur Zwangsvollstreckung unter der Voraussetzung legitimiert ist, daß ihm der Anspruch materiell-rechtlich zusteht. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. 2. Die Revision rügt aber, daß sich die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Unbestimmtheit des in der Unterwerfungserklärung bezeichneten Anspruchs ergebe. Die Klägerin habe sich nämlich nur nach Maßgabe des Pachtvertrags der Zwangsvollstreckung unterworfen. Mit dieser Rüge dringt die Revision nicht durch. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels überhaupt als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage angesehen werden kann und ob sie in der Revision nicht mehr zu prüfen ist, wenn, wie hier, bis zum Schluß des Berufungsrechtszuges keine der Parteien die Auffassung vertreten hat, die Klage richte sich gegen einen unwirksamen Vollstreckungstitel (vgl. hierzu BGHZ 118, 229, 232; BGH, Urteil vom 16. April 1997 - VIII ZR 239/96 - NJW 1997, 2887). Denn der Titel ist jedenfalls nicht unbestimmt. Vielmehr ergibt sich aus ihm eindeutig, daß ab 1. Januar 1992 monatlich 11.000 DM zu zahlen sind. Eine Beschränkung dieses Anspruchs nach Maßgabe des Pachtvertrages ist gerade nicht erfolgt. Vielmehr müßten die Schuldner bei Beendigung des Vertrages, sofern der Titelgläubiger weiter vollstreckt , Vollstreckungsabwehrklage erheben.
3. Weiter macht die Revision geltend, die Zusatzvereinbarung vom 7. Dezember 1993, die keine Mithaftungsvereinbarung der Klägerin enthalte und die die Klägerin nicht unterschrieben habe, hätte das Oberlandesgericht dahingehend auslegen müssen, daß mit ihrem Abschluß die Klägerin aus der Haftung ausgeschieden sei. Auch damit hat die Revision keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat in der genannten Zusatzvereinbarung keinen Ausschluß der Mithaftung der Klägerin gesehen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dieser Frage brauchte sich das Oberlandesgericht auch nicht ausdrücklich zu befassen, da die von der Klägerin nunmehr befürwortete Auslegung der Zusatzvereinbarung fernliegt und sie in den Vorinstanzen auch von der Klägerin nicht vertreten wurde. 4. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß das Oberlandesgericht bei Prüfung der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des Schuldbeitritts der Klägerin zu den Pachtverbindlichkeiten ihres Ehemannes nicht auf die nach § 138 Abs. 1 BGB zu prüfenden Merkmale abgestellt hat. Auch im Rahmen eines gewerblichen Miet- oder Pachtvertrages ist die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf Bürgschafts- und Mithaftungsverträge zwischen dem Vermieter oder Verpächter einerseits und einem privaten Sicherungsgeber andererseits regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten abhängig (vgl. zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf Mithaftungsverträge zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01 - NJW 2002, 744, 745 f. m.w.N.). Demgemäß ist bei Beantwortung der Frage, ob eine krasse finanzielle Überforderung des Mitverpflichteten vorliegt, auf den Zeitpunkt der Übernahme der Mitverpflichtung abzustellen. Dies war der 6. De-
zember 1992. Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin die Verpflichtung übernommen , notfalls für die Vertragsdauer den Pachtzins zu tragen. Die ursprüngliche Vertragsdauer betrug fünf Jahre. Die Verlängerungsoption des Ehemanns der Klägerin um weitere fünf Jahre ist nicht mit zu berücksichtigen, da vernünftigerweise nicht angenommen werden kann, daß ein Pächter von der Option, den Vertrag zu verlängern, Gebrauch macht, wenn er zuvor den Pachtzins nicht erwirtschaften konnte. Dieser Verpflichtung - und nicht der Höhe der späteren tatsächlichen Haftung - sind das Vermögen und das Einkommen zum Zeitpunkt der Verpflichtungsübernahme gegenüber zu stellen, nicht aber die entsprechenden Verhältnisse zum Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme wie dies das Oberlandesgericht annimmt. Es kommt also nur auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse der Klägerin im Dezember 1991 an. Für diesen Zeitpunkt hat das Oberlandesgericht jedoch keinerlei Feststellungen getroffen. Insbesondere steht nicht fest, ob die Klägerin schon damals Eigentümerin des Grundstücks war, das sie bei Beginn der Zwangsvollstreckung besaß, welchen Wert es gegebenenfalls unter Abzug der Belastungen hatte und welche Einnahmen die Klägerin gegebenenfalls aus Vermietung und Verpachtung sowie Arbeitseinkommen Ende 1991 erzielte. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung im Dezember 1993 kommt es demgegenüber nicht an. Das Berufungsurteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann. 5. Für das weitere Verfahren wird folgendes zu beachten sein:
a) Bei der Beantwortung der Frage, ob ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse der Klägerin am Abschluß des Pachtvertrages einen angemessenen Ausgleich zu einer etwaigen krassen finanziellen Überforderung
geschaffen hat, wären nur solche Vorteile zu berücksichtigen, die der Klägerin unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen sind (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98 - NJW 1999, 2584, 2588). Diese hätten etwa darin bestehen können, daß die Klägerin am Betrieb ihres Ehemannes beteiligt gewesen wäre und das Altenheim zusammen mit ihm geführt hätte. Dagegen spricht allerdings die Feststellung des Oberlandesgerichts, daß die Klägerin keinen Einfluß auf die Geschäftsführung des Altenheims hatte. Ihre Anstellung im Betrieb ihres Ehemannes oder die Aussicht auf höheren Unterhalt würden hingegen als nur mittelbare Vorteile nicht ausreichen (vgl. BGHZ 134, 42, 49; 146, 37, 45). Außerdem wäre bei Vorliegen einer auffälligen finanziellen Überforderung der Klägerin zusätzlich der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen, nämlich ob dem Beklagten eine verwerfliche Gesinnung vorzuwerfen wäre. Bei Vorliegen einer auffälligen finanziellen Überforderung des Mithaftenden im Rahmen eines gewerblichen Pachtverhältnisses kann dies allerdings - anders als bei der Gewährung von Krediten durch eine Bank - nicht vermutet werden (vgl. hierzu BGHZ 146 aaO 42). Vielmehr ist ähnlich den Fällen, in denen ein auffällig überhöhter Pachtzins verlangt wird (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 57) eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob die finanzielle Überforderung für den Verpächter erkennbar war und er in anstößiger Weise die emotionale Bindung des Mithaftenden an den Pächter ausgenutzt hat.
b) Schließlich wird das Berufungsgericht, sollte es die Sittenwidrigkeit der Mitverpflichtung der Klägerin verneinen, zu prüfen haben, ob der Pachtvertrag nicht deshalb nach § 584 BGB a.F. ordentlich kündbar war, weil in der Zusatzvereinbarung vom 7. Dezember 1993 die Form des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten wurde. Das in den Akten befindliche Exemplar der Zusatzvereinbarung
ist nur von einer Partei, nämlich dem Pächter, unterschrieben. Damit wäre die Form des § 126 Abs. 2 BGB nur eingehalten, wenn entsprechend dessen Satz 2 der neue Eigentümer B., der nach der Urkunde auch in Vertretung der Miteigentümerin K. handelte, eine gleichlautende für den Ehemann der Klägerin bestimmte Urkunde unterschrieben hätte.
Hahne Sprick Wagenitz Fuchs Ahlt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - XII ZR 22/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - XII ZR 22/02

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126 Schriftform


(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 566 Kauf bricht nicht Miete


(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte un

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 542 Ende des Mietverhältnisses


(1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht1.in
Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - XII ZR 22/02 zitiert 6 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 584 Kündigungsfrist


(1) Ist bei dem Pachtverhältnis über ein Grundstück oder ein Recht die Pachtzeit nicht bestimmt, so ist die Kündigung nur für den Schluss eines Pachtjahrs zulässig; sie hat spätestens am dritten Werktag des halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablau

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - XII ZR 22/02 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2001 - XI ZR 56/01

bei uns veröffentlicht am 04.12.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 56/01 Verkündet am: 4. Dezember 2001 Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99

bei uns veröffentlicht am 13.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 49/99 Verkündet am: 13. Juni 2001 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 138

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2000 - XI ZR 10/98

bei uns veröffentlicht am 15.02.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 10/98 vom 15. Februar 2000 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter am 15. Fe

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Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen.

(2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht

1.
in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder
2.
verlängert wird.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 56/01 Verkündet am:
4. Dezember 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ob der finanziell überforderte Ehepartner oder Lebensgefährte durch
die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen der
Vertragsschließenden echter Darlehensnehmer oder lediglich Mithaftender
wird, richtet sich ausschließlich nach den Verhältnissen auf
seiten der Vertragsgegner des Kreditgebers.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 4. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und
Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juni 2000 aufgehoben und das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 2. Februar 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 28. Juli 1997 schloû die klagende Sparkasse mit dem ehemaligen Lebensgefährten der Beklagten, einem Inhaber von Imbiûstuben,
einen Vertrag über ein Allzweckdarlehen mit einem Nettokreditbetrag von 105.000 DM. Der Kredit sollte bei einem Zinssatz von 9,5% p.a. in 72 Monatsraten über jeweils 1.978,20 DM zurückgezahlt werden. Der Vertrag wurde von der damals 36 Jahre alten Beklagten, einer gelernten Textilfachfrau, als "Kreditnehmer" mitunterzeichnet. Von der Darlehenssumme überwies die Klägerin vertragsgemäû 49.372,74 DM auf das Geschäftskonto ihres früheren Lebensgefährten und verrechnete weitere 55.607,26 DM mit einem von ihm allein aufgenommenen Altkredit. Nachdem er in der Folgezeit einige Zins- und Tilgungsraten trotz mehrerer Mahnungen nicht geleistet hatte, kündigte sie das Darlehen fristlos und forderte ihn und die Beklagte zur Rückzahlung auf.
Die Beklagte, die nach ihren Angaben bei Vertragsschluû längere Zeit arbeitslos war und neben der Betreuung ihres minderjährigen Kindes in den Imbiûstuben des vormaligen Lebensgefährten stundenweise gegen Bezahlung aushalf, hält die von ihr übernommene Verpflichtung für einen sittenwidrigen und daher nichtigen Schuldbeitritt. Die Klägerin ist in erster Linie der Auffassung, die Beklagte sei dem klaren Vertragswortlaut entsprechend gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû als Gesamtschuldnerin neben ihrem früheren Lebensgefährten zur Zahlung von 105.515,09 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines stattgebenden Urteils im wesentlichen ausgeführt:
Der von der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Grundsätzlich sei es jedem Volljährigen aufgrund der Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie unbenommen , auch risikoreiche Geschäfte abzuschlieûen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn finanziell schlechthin überforderten oder die von ihm nur unter ganz besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens , erbracht werden könnten. Die Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages wegen finanzieller Überforderung des Darlehensnehmers komme anders als die einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme, bei der die Gefahr einer Inanspruchnahme in den Hintergrund trete, die Unterschriftsleistung leicht als bloûe Formalität erscheine und das Schutzbedürfnis naher Angehöriger höher sei als bei Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages, in aller Regel nicht in Betracht.
Die Beklagte sei als Mitdarlehensnehmerin anzusehen. Sie habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über ein, wenn auch nur geringes Einkommen verfügt, das zusammen mit den Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb ihres ehemaligen Lebensgefährten zur gemeinsamen Lebensführung verwendet worden sei und das im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft für das zurückzuzahlende Darlehen habe eingesetzt
werden sollen. Ihr Kind habe bei Abschluû des Vertrages ein Alter und einen Entwicklungsgrad gehabt, welcher zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit seit dem 1. Januar 1999, also rund 1,5 Jahre nach der Kreditaufnahme , geführt habe. Ausgehend hiervon habe sich das Einkommen der Beklagten vergröûert und sich auch eine für eine Arbeitsaufnahme förderliche Unabhängigkeit eingestellt, so daû damals mit einer Steigerung ihrer Einnahmen zu rechnen gewesen sei. Besondere Umstände , insbesondere eine Überrumpelung oder eine Verharmlosung der Unterzeichnung des Vertrages als Formsache durch Mitarbeiter der Klägerin, seien nicht vorgetragen.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es meint, die Beklagte sei nach dem Vertragsinhalt echte Mitdarlehensnehmerin. Vielmehr hat sie bei Würdigung der objektiven Umstände zur Absicherung des neuen Kredits ihres damaligen Lebensgefährten im Wege des Schuldbeitritts lediglich die Mithaftung übernommen.
Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes – sachliches und/oder persönliches Interesse – an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; siehe auch Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 – XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den Verhältnissen auf seiten der Mit-
darlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, aaO S. 2366; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 6). Danach durfte das Berufungsgericht die Beklagte ± wie die Revision zu Recht geltend macht ± nicht für eine echte Kreditnehmerin halten. Da es die vorgenannten Auslegungsregeln nicht einmal ansatzweise beachtet hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat die Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).
Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschlieûenden war der ausgereichte Kredit ausschlieûlich für den damaligen Lebensgefährten der Beklagten bestimmt, und zwar für dessen Gewerbebetrieb sowie zur Ablösung eines nur von ihm aufgenommenen Altkredits. Dafür , daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts vorgetragen. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist die Valutierung des Darlehens vielmehr durch Aufrechnung mit ihrer Altkreditforderung gegen den damaligen Lebensgefährten der Beklagten und durch Gutschrift von 49.392,74 DM auf dessen Geschäftskonto erfolgt. Über dieses konnte die Beklagte nicht verfügen. Da sie an den Imbiûbetrieben ihres früheren Lebensgefährten nicht beteiligt war, deutet bei objektiver Betrachtung auch nichts auf ein eigenes ± sachliches und/oder persönliches ± Interesse an der Kreditaufnahme und Mittelverwendung hin. Der Umstand, daû beide auf die
Geschäftseinnahmen angewiesen waren und das neue Darlehen für den Fortbestand des Gewerbetriebes dringend notwendig gewesen sein soll, spricht ebenfalls nicht dafür, die Beklagte als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen, sondern lenkt nur den Blick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten bei Abgabe der Mithaftungserklärung.

III.


Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die Mithaftungsübernahme überforderte die Beklagte finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Umstände anführen lassen.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331; Senatsurteil vom 13. November 2001 ± XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner
übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 ± IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6 f.).
2. Die in der Literatur geäuûerte Kritik, diese Betrachtungsweise betone zu sehr die krasse finanzielle Überforderung und das persönliche Näheverhältnis zwischen Bürgen oder Mithaftenden und Hauptschuldner und vernachlässige das vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Erfordernis einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden sowie die Umstände bei der Haftungsbegründung, insbesondere eine unzulässige Willensbeeinflussung (Habersack/Giglio WM 2001, 1100, 1103; vgl. auch Roth JZ 2001, 1039 f.), ist nicht berechtigt. Mit dem Kriterium des Handelns aus emotionaler Verbundenheit wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) Rechnung getragen , den gegenüber der kreditgebenden Bank weitaus unterlegenen Bürgen oder Mithaftenden mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts vor der Abgabe fremdbestimmter und ungewöhnlich belastender Willenserklärungen zu schützen. Je stärker dabei das Übergewicht des Kreditgebers ist, je gravierender die Belastungen und je enger die persönlichen Beziehungen zwischen Bürgen oder Mithaftenden sind, desto wahrscheinlicher ist es, daû es an einer nüchtern abwägenden , selbstbestimmten Entschlieûung des Bürgen oder Mithaftenden fehlt. Es trifft daher entgegen einer in der Literatur (Medicus JuS 1999, 833, 835 f.; Zöllner WM 2000, 1, 5, 9 f.; Habersack/Giglio aaO S. 1103) vertretenen Ansicht nicht zu, die krasse finanzielle Überforderung und die Nähebeziehung zwischen Mithaftenden und Hauptschuldner seien für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Personalsicherheit indifferent (vgl. Tiedtke JZ 2000, 677; Nobbe/Kirchhof aaO; s. auch Kulke
ZIP 2001, 985, 989). Vielmehr ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger in den Fällen einer krassen finanziellen Überforderung die Darlegungsund Beweislast für eine im wesentlichen freie Willensentscheidung des Sicherungsgebers aufzubürden. Bei dieser differenzierenden Beurteilung bleiben die Umstände des Einzelfalles keineswegs auûer acht, sondern spielen bei der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung eine entscheidende Rolle (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45).
3. Die zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme 36 Jahre alte Beklagte war voraussichtlich nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag festgelegte Zinslast von monatlich 831,25 DM bei Eintritt des Sicherungsfalls allein zu tragen. Die von ihr bezogene Arbeitslosenhilfe betrug damals ausweislich des vorgelegten Leistungsnachweises lediglich 1.287,10 DM monatlich. Von diesem Betrag waren, selbst wenn man die damals noch bestehende, aber in absehbarer Zeit endende Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem Kind auûer acht läût, lediglich 49,70 DM monatlich pfändbar. Das von der Beklagten durch stundenweise Mitarbeit in den Imbiûstuben ihres damaligen Lebensgefährten erzielte Einkommen fällt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht ins Gewicht. Eigenes pfändbares Vermögen, das sie zur Schuldentilgung hätte einsetzen können, war nicht vorhanden. An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten bei Abschluû des Vertrages kann danach kein Zweifel bestehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war aus der maûgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers innerhalb der 72-monatigen Laufzeit des Darlehens (zu dieser Voraussetzung siehe BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auch nicht mit einer Beseitigung der fi-
nanziellen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu rechnen. Zwar hatte ihr Kind bei Abgabe der Mithaftungserklärung bereits ein Alter erreicht, das eine Betreuung und finanzielle Unterhaltsleistungen in naher Zukunft entbehrlich machte. Da die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vortrag über einen längeren Zeitraum arbeitslos war, muûte aber die Möglichkeit einer alsbaldigen Ausübung des von ihr erlernten Berufes einer Textilfachfrau unwahrscheinlich erscheinen. Dafür, daû diese Betrachtungsweise nicht der späteren realen Entwicklung ihrer Einkommensverhältnisse entspricht, bestehen auch unter Berücksichtigung der Revisionserwiderung keine Anhaltspunkte.
4. Auch von einer emotionalen Verbundenheit der Beklagten mit ihrem damaligen Lebenspartner, dem Darlehensnehmer, mit dem sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte, ist ebenso wie bei Ehepartnern auszugehen (BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 ± IX ZR 55/96, WM 1997, 465 und vom 27. Januar 2000 ± IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412). Die persönliche enge Beziehung zwischen der Beklagten und ihrem damaligen Lebensgefährten sowie die die krasse finanzielle Überforderung begründenden Umstände waren der Klägerin aus den Darlehensverhandlungen entweder bekannt oder sie hat sich einer Kenntnis bewuût verschlossen. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146, 37, 45) lag es daher bei ihr darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte sich bei Abgabe der Mithaftungserklärung von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos und nicht von fremdbestimmten Motiven hat leiten lassen. Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich.
5. Anders als die Revisionserwiderung meint, ist mit der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Insolvenzordnung die Wertungsbasis für eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht entfallen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maûgebend (BGHZ 72, 308, 314; 100, 353, 359; 120, 272, 276; 125, 206, 209; 140, 395, 399). Der Darlehensvertrag wurde indes bereits im Sommer des Jahres 1997, also vor Inkrafttreten der Insolvenzverordnung geschlossen. Schon deshalb ist es nicht möglich , das in ihr normierte Verfahren zur Restschuldbefreiung zu berücksichtigen.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Siol Müller
Joeres Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 10/98
vom
15. Februar 2000
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
am 15. Februar 2000
die folgende Stellungnahme beschlossen:
Der IX. Zivilsenat ist der Auffassung, daß er zum Vorlagebeschluß des XI. Zivilsenats vom 29. Juni 1999 angehört werden muß, soweit der Große Senat für Zivilsachen die Vorlage für zulässig hält.

Gründe:


I.


Der XI. Zivilsenat hat dem Großen Senat für Zivilsachen mehrere Rechtsfragen vorgelegt, die Bürgschaften und Mithaftungserklärungen finanziell kraß überforderter Personen betreffen. Obwohl der XI. Zivilsenat, wie die Begründung des Vorlagebeschlusses ergibt, in mehreren Rechtsfragen von Entscheidungen des IX. Zivilsenats abweichen will, hat er zuvor keine Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 GVG an den für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenat gerichtet. Der XI. Zivilsenat ist offenbar der Ansicht, die Vorlage sei wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) zulässig. Dieses Verfahren entspricht nach Überzeugung des IX. Zivilsenats nicht dem Gesetz. Im
Hinblick auf die Aufgabe, die § 132 Abs. 3 GVG dem Senat zuweist, von dessen Rechtsauffassung der vorlegende Senat abweichen will, ist der IX. Zivilsenat befugt, von sich aus auf die rechtlichen Bedenken gegen die Verfahrensweise des XI. Zivilsenats hinzuweisen (vgl. auch BVerfG, 2. Senat, Beschl. v. 2. Oktober 1997, NJW 1998, 523, in einer verfahrensrechtlich vergleichbaren Situation).

II.


Nach Ansicht des IX. Zivilsenats ist die Vorlage des XI. Zivilsenats jedenfalls in der gegenwärtigen Form unzulässig. Es fehlt bereits daran, daß für keine der vorgelegten Fragen die Entscheidungserheblichkeit im Ausgangsfall dargelegt ist.
1. Die Entscheidungserheblichkeit der gestellten Fragen ist Zulässigkeitsvoraussetzung jeder Vorlage (BGH, Vereinigte Große Senate, Beschl. v. 5. Mai 1994 - VGS 1-4/93, BGHZ 126, 63, 71; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 24. Oktober 1983 - GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353, 357; BGH, Beschl. v. 7. November 1985 - GSSt 1/85, BGHSt 33, 356, 359; v. 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 225). Der Bundesgerichtshof versteht den Begriff der Entscheidungserheblichkeit bei Vorlagen anderer Gerichte - etwa nach §§ 28 Abs. 2 FGG, 79 Abs. 2 GBO, 541 ZPO - in dem Sinne, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus für die Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage ankommt, sich also aus dem Vorlagebeschluß ergeben muß, daß das vorlegende Gericht bei Befolgung der abwei-
chenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 14. Oktober 1981 - IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34, 36 f; v. 11. Juli 1990 - XII ZB 113/87, BGHZ 112, 127, 129; v. 19. Februar 1992 - VIII ARZ 5/91, BGHZ 117, 217, 221). Die Vereinigten Großen Senate vertreten für die Vorlage nach § 132 GVG keine davon abweichende Auffassung, wie die Bezugnahme auf die oben genannten Entscheidungen im Beschluß vom 5. Mai 1994 belegt (vgl. BGHZ 126, 63, 72).
Das erscheint auch allein sachgerecht. § 132 GVG räumt dem Großen Senat die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung geht mittelbar auch aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG hervor, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Die Großen Senate können nicht mit dem Ziel angerufen werden, verbindliche Rechtsgutachten zu erteilen. Daher ist es unstatthaft, ihnen Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Art der Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt. Auch im Schrifttum wird diese Ansicht nahezu einhellig vertreten (Albers, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 58. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 7; Kissel, GVG 2. Aufl. § 132 Rdnr. 38; Schäfer/ Harms, in Löwe-Rosenberg, StPO u. GVG 24. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 41; Schreiber, in Wieczorek/Schütze, ZPO u. Nebengesetze 3. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 8; Zöller/Gummer ZPO 21. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 4; a.A. Bettermann DVBl. 1982, 954, 955).
2. Im Ausgangsfall begehrt die Klägerin, die für eine Darlehensforderung die Mithaftung übernommen hat, die Feststellung, daß sie der Gläubigerin kei-
ne Zahlungen aus dem Darlehensvertrag schuldet. Das Landgericht hat diesem Antrag stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat dies - der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH zu EhegattenBürgschaften folgend - damit begründet, daß die Mithaftungsvereinbarung nicht sittenwidrig sei, die Klägerin jedoch nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage die Leistung endgültig verweigern könne (vgl. BGHZ 128, 230, 235 ff; 132, 328, 331 ff; 134, 325, 328 ff). Die Begründung des Vorlagebeschlusses zeigt, daß der XI. Zivilsenat der Revision der Bank nicht stattgeben, sondern die angefochtene Entscheidung im Ergebnis bestätigen will. Er beabsichtigt offenbar lediglich, dies, anders als das Berufungsgericht, damit zu begründen , die Mithaftungsvereinbarung sei wegen Sittenwidrigkeit von Anfang an nichtig gewesen. Alle vom XI. Zivilsenat in diesem Zusammenhang angesprochenen Fragen können auf der Grundlage der von ihm vertretenen Auffassung das Ergebnis der vorgelegten Sache nicht beeinflussen. Sollte der XI. Zivilsenat dies anders sehen, wäre es seine Aufgabe, für jede Frage die Voraussetzungen der Entscheidungserheblichkeit im einzelnen darzulegen.
3. Der dem Vorlagebeschluß möglicherweise zugrundeliegenden Meinung des XI. Zivilsenats, an Zulässigkeitsfragen dürfe die Grundsatzvorlage nicht scheitern, wenn der vorlegende Senat sie aus Zweckmäßigkeitsgründen für geboten halte, kann nicht zugestimmt werden. Die klaren Schranken der gesetzlichen Regelung entsprechen der Aufgabe des Richters, fallbezogen zu entscheiden, und dürfen nicht beiseite geschoben werden. An der langjährigen Rechtsprechung der Großen Senate und der Vereinigten Großen Senate zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 132 GVG ist daher festzuhalten.

III.


Gelingt es dem vorlegenden Senat, die Entscheidungserheblichkeit der einen oder anderen Frage darzutun, oder will der Große Senat für Zivilsachen den Begriff, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung, in einem weitergehenden Sinne verstehen, so ist doch allein eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG möglich.
1. Sinn und Zweck einer Grundsatzvorlage nach § 132 Abs. 4 GVG bestehen darin, schon im Vorfeld das Entstehen einer Divergenz bei der Fortbildung des Rechts zu verhindern (z.B. Zöller/Gummer, aaO Rdnr. 6). Insbesondere ermöglicht § 132 Abs. 4 GVG die Vorlage, wenn ein anderer Senat seine abweichende Auffassung bereits zum Ausdruck gebracht hat, dies jedoch nur in Form eines obiter dictum geschehen ist, so daß eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG nicht möglich ist (Kissel, aaO § 132 Rdnr. 30; Schäfer/ Harms, aaO § 132 Rdnr. 38; Zöller/Gummer aaO Rdnr. 4). Aus dieser Zielrichtung der Grundsatzvorlage ergibt sich, daß eine solche nicht in Betracht kommt, wenn schon eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG geboten ist; diese hat Vorrang vor einer Grundsatzvorlage nach § 132 Abs. 4 GVG (BGH, Beschl. v. 7. November 1985 - GSSt 1/85, aaO; vgl. auch Vorlagebeschl. v. 6. März 1997 - IX ZR 74/95, ZIP 1997, 632, 635). Das gilt hier für alle Fragen, in denen der IX. und der XI. Zivilsenat unterschiedliche Auffassungen vertreten; dies betrifft insbesondere das Problem, unter welchen Voraussetzungen Bürgschaften oder Mithaftungsübernahmen, die den Schuldner finanziell kraß überfordern, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn der Gläubiger ein
berechtigtes Interesse hatte, sich vor Vermögensverlagerungen auf den Bürgen /Mithaftenden zu schützen.
2. In einer erheblichen Anzahl von Punkten, die der Vorlagebeschluß anspricht, besteht zwischen beiden Senaten keine Divergenz, so daß insoweit eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG nicht in Betracht kommt. In diesem Umfang scheidet aber auch eine Vorlage nach § 132 Abs. 4 GVG aus. Soweit der IX. und der XI. Zivilsenat sich in der rechtlichen Beurteilung einig sind, bedarf es weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts der Anrufung des Großen Senats; denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß andere Zivilsenate in einem Punkt von der Auffassung abweichen wollen, die der IX. und der XI. Zivilsenat übereinstimmend vertreten (vgl. dazu Kissel, aaO § 132 Rdnr. 34 - 36; MünchKomm/Manfred Wolf aaO § 132 GVG Rdnr. 23 f; Schäfer/Harms, aaO § 132 GVG Rdnr. 34 bis 36; Schreiber, aaO § 132 GVG Rdnr. 8). Schon um festzustellen, welche Fragen beide Senate noch unterschiedlich beurteilen, ist es unabweisbar, eine Stellungnahme des für die Bürgschaft zuständigen Fachsenats einzuholen.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 49/99 Verkündet am:
13. Juni 2001
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Im Rahmen der Prüfung, ob bei einem Gaststättenpachtvertrag ein auffälliges
Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und der Vertrag deshalb
als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist auch die
von der EOP-Methode abgeleitete sogenannte "indirekte Vergleichswertmethode"
nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden marktüblichen Pachtzins zu
bestimmen (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.).

b) Besteht bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses Mißverhältnis
zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem marktüblichen Mietoder
Pachtzins, so rechtfertigt dies allein - wenn keine weiteren für ein sittenwidriges
Verhalten sprechenden Umstände hinzukommen - den Schluß auf eine verwerfliche
Gesinnung des objektiv Begünstigten regelmäßig nur dann, wenn für ihn
ohne weiteres erkennbar war, wie hoch der marktübliche Miet- oder Pachtzins in
etwa sein dürfte.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Stadt F. verpachtete eine in ihrem Eigentum stehende Trinkhalle an eine Brauerei. Die Brauerei verpachtete die Trinkhalle durch Vertrag vom 19. Juni 1978 weiter an den Kläger. Am 22. Februar 1992 schloß der Kläger - vertreten durch seine Ehefrau - einen bis zum 1. März 1997 laufenden Unterpachtvertrag mit dem Beklagten. Der von dem Beklagten monatlich zu entrichtende Pachtzins sollte 2.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betragen, außerdem sollte der Beklagte eine unverzinsliche Kaution von 20.000 DM und monatlich eine Nebenkostenvorauszahlung von 300 DM leisten. Weiter verpflich-
tete sich der Beklagte, während der Vertragszeit Bier und alkoholfreie Getränke ausschließlich über eine von der Hauptpächterin - der Brauerei - benannte Firma zu beziehen. Die Brauerei erklärte mit Schreiben vom 4. September 1992 die ordentliche Kündigung des mit dem Kläger abgeschlossenen (Unter-)Pachtvertrages zum 31. Dezember 1992. Grund für diese Kündigung war nach Darstellung des Klägers, daß der Beklagte gegen die Getränkebezugsverpflichtung verstoßen hatte. Die Brauerei schloß jedoch am 12. November 1992 mit der Ehefrau des Klägers einen Anschlußpachtvertrag. Auf die Nutzung der Trinkhalle durch den Beklagten hatte das keinen Einfluß. Mit Schreiben vom 14. Juli 1993 kündigten der Kläger und seine Ehefrau den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten fristlos, unter anderem weil der Beklagte seit Monaten keinen Pachtzins mehr gezahlt hatte. Der Beklagte räumte das Pachtobjekt am 2. Januar 1996. Der Kläger macht mit der Klage für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung von rückständigem Pachtzins geltend, für die Zeit danach bis zum Auszug des Beklagten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses. Insgesamt verlangt der Kläger 117.450 DM zuzüglich gestaffelter Zinsen abzüglich der geleisteten Kaution von 20.000 DM, die er zum 2. Januar 1996 - dem Tag des Auszugs des Beklagten - verrechnen will. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 29.410 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahin neu ge-
faßt, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er erreichen will, daß die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen wird, und mit der er im übrigen seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit ihm das Landgericht nicht stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, der zwischen den Parteien abgeschlossene Unterpachtvertrag sei als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es liege eine schwere Ä quivalenzstörung vor, weil der objektive Pachtwert nur 1.000 DM netto im Monat betrage, der vereinbarte Pachtzins dagegen 2.500 DM netto pro Monat. Der objektive Pachtwert sei von dem Sachverständigen L. nach der sogenannten EOP-Methode mit 1.000 DM zutreffend ermittelt worden. Das von dem Sachverständigen S. unter Berücksichtigung von Vergleichsmieten erstattete Gutachten, das zu einem deutlich höheren Pachtwert komme, sei demgegenüber nicht überzeugend. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. seien dem Beklagten Leistungen auferlegt worden, die es ihm nicht möglich machten, aus dem verpachteten Betrieb ein Einkommen für seinen Lebensunterhalt zu erzielen. Das besonders krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung indiziere eine verwerfliche Gesinnung des Klägers.
Infolge der Nichtigkeit des Pachtvertrages fehle ein Rechtsgrund für die beiderseits erbrachten Leistungen, so daß diese nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzugewähren seien. Eine Verrechnung der beiderseitigen Leistungen führe nicht zu einem Überschuß zugunsten des Klägers. Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1992 habe der Kläger dem Beklagten die Nutzung an der Trinkhalle zur Verfügung gestellt, die entsprechend dem objektiven Pachtwert mit monatlich 1.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu bewerten sei. Dem stehe schon die von dem Beklagten erbrachte Kaution von 20.000 DM gegenüber. Ab dem 1. Januar 1993 sei der Kläger nicht mehr zum Gebrauch der Pachtsache berechtigt und in der Lage gewesen, dem Beklagten die Räumlichkeiten zu überlassen, weil sein Pachtverhältnis mit der Brauerei zum 31. Dezember 1992 wirksam gekündigt worden sei. Insofern fehle es "im Verhältnis der Parteien zueinander an einer durch Leistung des Klägers eingetretenen Vermögensverschiebung". Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, wie die Revision zu Recht rügt, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Der Senat hat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden, daß die sogenannte EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung) nicht geeignet ist zur Bewertung einer Gaststättenpacht, wie sie für die Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB erforderlich ist (Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.). Da das Berufungsgericht seine Annahme, es liege ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, und deshalb sei der Vertrag nichtig, ausschließlich auf ein nach der EOP-Methode erstattetes Gutachten gestützt hat, ist seine Beurteilung rechtsfehlerhaft. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
3. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO), auch nicht über einen Teil der Klageforderung.
a) Soweit der Kläger rückständigen Pachtzins geltend macht, hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob der Pachtvertrag wirksam oder nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es den zum Vergleich mit dem vereinbarten Pachtzins heranzuziehenden objektiven Pachtwert in zulässiger Weise ermittelt. Auf die Ausführungen in dem zitierten Senatsurteil wird verwiesen.
b) Auch der von dem Kläger für die Zeit nach der fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses ist nicht zur Entscheidung durch das Revisionsgericht reif. Sollte der Unterpachtvertrag entgegen der Annahme des Berufungsgerichts wirksam sein, so kommt ein entsprechender Anspruch des Klägers nach § 584 b BGB in Betracht. Zwar steht nach Beendigung eines Untermietverhältnisses dem Hauptmieter gegen den Untermieter grundsätzlich kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB mehr zu, wenn auch das Hauptmietverhältnis beendet ist und der Hauptmieter deshalb keine Nutzungsberechtigung mehr hat (Senatsurteil vom 4. Oktober 1995 - XII ZR 215/94 - ZMR 1996, 15 = NJW 1996, 46). Das hat für die Beendigung eines Unterpachtverhältnisses entsprechend zu gelten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar das Hauptpachtverhältnis zwischen dem Kläger und der Brauerei zum 31. Dezember 1992 beendet worden ist, daß aber unmittelbar im Anschluß daran die Ehefrau des Klägers einen entsprechenden Hauptpachtvertrag mit der Brauerei abgeschlossen hat und daß durch diese Veränderung die Nutzungsmöglichkeit des Beklagten in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Es liegt nahe anzunehmen, daß die
Ehefrau des Klägers, nachdem die Brauerei den Vertrag mit dem Kläger gekündigt hatte, die Trinkhalle gerade deshalb von der Brauerei angepachtet hat, weil sie es dem Kläger ermöglichen wollte, den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten zu erfüllen. In diesem Fall hatte der Kläger weiterhin eine von seiner Ehefrau abgeleitete Nutzungsberechtigung. Auch insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachholen kann. Im übrigen könnte der Senat auch schon deshalb nicht abschließend nur über die geltend gemachte Nutzungsentschädigung entscheiden, weil sich den Feststellungen des Berufungsurteils - aus der Sicht des Berufungsgerichts zu Recht - nicht entnehmen läßt, welcher Teil des eingeklagten Betrages auf rückständigen Pachtzins entfällt.
c) Der Senat kann auch nicht abschließend entscheiden, soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 31. Juli 1997 die Klageforderung in Höhe von 2.414 DM zuzüglich Zinsen anerkannt hat. Zwar steht der Wirkung dieses Anerkenntnisses, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht entgegen, daß der Kläger keinen Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils (§ 307 Abs. 1 ZPO) gestellt hat. Die Wirkung eines wirksam abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses erschöpft sich nämlich nicht darin, lediglich Grundlage für ein Anerkenntnisurteil zu sein. Sie bleibt vielmehr auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisurteil ergeht. Auch dann sind die Gerichte im Umfang des Anerkenntnisses grundsätzlich der Verpflichtung zur Prüfung des Streitstoffes enthoben. Dies gilt nicht nur für eine Instanz, sondern für den ganzen Prozeß (Senatsurteil vom 17. März 1993 - XII ZR 256/91 - NJW 1993, 1717, 1718 m.N.). Der Senat hat aber bereits entschieden, daß die
Berufung auf ein prozessuales Anerkenntnis gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn das Anerkenntnis nicht der wahren Rechtslage entspricht und die Unrichtigkeit dem Prozeßgegner bekannt ist (Senatsurteil BGHZ 80, 389, 399 m.N.). Sollte der Unterpachtvertrag als wucherähnliches Geschäft sittenwidrig sein, so ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Berufung des Klägers auf ein Anerkenntnis, das der Erfüllung dieses Vertrages dient, gegen Treu und Glauben verstoßen könnte (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO 22. Aufl. § 307 Rdn. 4 m.N.). Auch dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Beurteilung. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Nachdem der Senat entschieden hat, daß die EOP-Methode ungeeignet ist zur Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, ist das Oberlandesgericht München in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung (Urteil vom 4. September 2000 - NZM 2000, 1059) einer Bewertungsmethode gefolgt, der sogenannten "indirekten Vergleichswertmethode" , die in der Literatur von einem Vertreter der EOP-Methode als Reaktion auf die Entscheidung des Senats empfohlen worden ist (Walterspiel, NZM 2000, 70 ff.). Die Gründe, deretwegen der Senat die EOP-Methode für ungeeignet hält, gelten jedoch auch gegenüber der indirekten Vergleichswertmethode. Weder das Oberlandesgericht München noch Walterspiel legen dar, daß bei der offensichtlich der EOP-Methode nachgebildeten neuen Methode Ä nderungen vorgenommen worden sind, die den Beanstandungen des Senats gegenüber der EOP-Methode Rechnung tragen. Die neue Methode stellt - wie die EOP-Methode - "als Basis für die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses auf die Umsatzerwartung je Sitzplatz und auf einen betriebsartbezogenen Prozentsatz vom Gesamtertrag" ab (so zutreffend OLG München aaO S. 1061) und
kalkuliert dabei einen als angemessen angesehenen Unternehmensgewinn ein. Insbesondere legt auch sie ihrer Beurteilung statistische Ertragswerte zugrunde , die ein "normalqualifizierter Betreiber" (Walterspiel aaO S. 75) erzielen kann. Auch an diesem Punkt zeigt sich, daß beide Methoden die besondere Marktsituation des konkreten Objekts nicht ausreichend berücksichtigen (Senatsurteil BGHZ aaO S. 265). Es gibt etwa Pachtinteressenten, die überdurchschnittlich qualifiziert sind oder sich bei dem in Frage kommenden Kundenkreis bereits einen guten Ruf erworben haben oder die über besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten verfügen oder die - eventuell einschließlich ihrer Familienangehörigen - bereit sind, besonders viel zu arbeiten. Derartige Interessenten sind in der Lage und - insbesondere wenn nicht viele für sie geeignete Objekte auf dem Markt sind - vielfach auch bereit, einen relativ hohen Pachtzins zu vereinbaren. Handelt es sich um ein entsprechend gefragtes Objekt und besteht dafür auf dem Markt eine Nachfrage von derartigen Interessenten, dann entspricht der Marktpreis dem, was diese Interessenten für ein solches Objekt zu zahlen bereit sind, auch wenn ein "normal qualifizierter Betreiber" sich einen solchen Pachtzins nicht leisten könnte. Entsprechendes gilt, wenn abzusehen ist, daß bei der gegebenen Marktsituation mehrere Brauereien oder Ketten ein solches Objekt dringend suchen. Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist (Senatsurteil BGHZ aaO). Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Miet- oder Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Es ist zutreffend, daß es Fälle gibt, in denen diese sogenannte Vergleichswertmethode nicht angewendet werden kann, weil es keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt. Auch wenn solche Fälle seltener sind, als die Vertreter der EOP-Methode oder der indi-
rekten Vergleichswertmethode vorgeben, müssen sie in die Betrachtung einbezogen werden. Der Senat hat ausgeführt, daß in solchen Fällen "andere Erfahrungswerte heranzuziehen" seien (BGHZ aaO S. 263). Das bedeutet aber nicht, daß dann die Anwendung der EOP-Methode oder einer ihr nachgebildeten Methode unbedenklich würde (so aber OLG München und Walterspiel jeweils aaO). In solchen Fällen wird es regelmäßig angebracht sein, einen erfahrenen , mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen beurteilen zu lassen, welcher Mietzins für ein solches Objekt seiner Ansicht nach erzielt werden kann. Es mag sein, daß man bei einem auf diese Weise erstatteten Gutachten mit einer größeren Schätzungstoleranz rechnen muß als bei einem Gutachten, das auf konkreten Vergleichswerten aufbauen kann. Diese Folge muß hingenommen werden. Sie kann jedenfalls nicht dadurch beseitigt oder abgemildert werden, daß man für solche Einzelobjekte von statistischen Durchschnittswerten ausgeht. Daß es für ein Miet- oder Pachtobjekt keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt, kommt nicht nur vor, wenn Räume zum Betrieb einer Gaststätte vermietet oder verpachtet werden, sondern auch dann, wenn ein anderes Gewerbe in ihnen betrieben wird. Auch ein Ladenlokal kann wegen seiner Größe, seines Zuschnitts und seiner Lage mit anderen Ladenlokalen in der Gegend nicht vergleichbar sein. Für die Bewertung, welcher Miet- oder Pachtzins marktüblich ist, bestehen zwischen Miet- oder Pachtverträgen über Gastgewerberäume und Miet- oder Pachtverträgen über andere gewerbliche Räume keine Unterschiede, die es notwendig machten, grundlegend unterschiedliche Bewertungsmethoden zu verwenden.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Lei-
stung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, Urteil vom 17. April 1980 - III ZR 96/78 - NJW 1980, 2076, 2077). Ein besonders auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (st.Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 - NJW 2000, 2669, 2670 m.w.N.). Für bestimmte Vertragstypen hat der Bundesgerichtshof allein wegen eines krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen , auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechende Umstände hinzukamen. Das gilt insbesondere für Teilzahlungs- oder Ratenkreditverträge mit privaten Kunden (BGHZ 80, 153, 161; 98, 174, 178 m.N.) und für Grundstückskaufverträge (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487, 1488 m.w.N.). Bei Grundstücksverträgen geht der Bundesgerichtshof von einem entsprechenden Mißverhältnis schon dann aus, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO m.N.). Diese Grundsätze sind nicht ohne weiteres auf die Prüfung, ob ein gewerblicher Miet- oder Pachtvertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig ist, zu übertragen. Auch in den zitierten Fällen verzichtet die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht etwa auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Sie geht lediglich davon aus, daß das vorliegende krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einen hinreichend sicheren Rückschluß darauf zuläßt, daß auch dieses subjektive Element - die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten - gegeben ist. Ein solcher Rückschluß setzt aber voraus , daß sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 284/85 - NJW 1988, 130, 131 m.N.) zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Mißverhältnis vor. Davon kann man jedenfalls nur dann ausgehen, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war. Bei den Darlehensverträgen von Kreditbanken mit Privatpersonen ist das ohne weiteres zu bejahen, weil der Kreditbank der Schwerpunktzins der Bundesbank bekannt ist. Bei Grundstücksgeschäften hat der Bundesgerichtshof diesem Gesichtspunkt insofern Rechnung getragen, als er eine "kritische tatrichterliche Würdigung" für erforderlich hält, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen , daß bei Abschluß des Vertrages aufgrund besonderer Umstände Bewertungsschwierigkeiten bestanden, aufgrund derer der Begünstigte das krasse Mißverhältnis möglicherweise nicht erkannt haben könnte (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO S. 1488). Solche Bewertungsschwierigkeiten kommen beim Abschluß von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen nicht nur in Ausnahmefällen vor. Deshalb ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Mißverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Mißverhältnis für den Begünstigten erkennbar war.
Die Mietpreise für gewerbliche Räume sind nicht nur regional sehr unterschiedlich , sie können auch innerhalb ein und derselben Stadt stark schwanken. Dem Senat liegt ein von der Industrie- und Handelskammer Köln herausgegebener Mietspiegel für Gewerbeflächen vor (Stand: März 2000). In diesem Mietspiegel wird die Stadt Köln in neun Stadtbezirke aufgeteilt. Die für die einzelnen Stadtbezirke angegebenen Preise unterscheiden sich erheblich. In dem teuersten Stadtbezirk 1 werden die Quadratmeterpreise für Ladenlokale in der 1 a-Lage (Spitzenlage) angegeben mit 150 bis 300 DM, in der 1 b-Lage (sehr gute Innenstadtlage) mit 50 bis 150 DM. Da es oft schwierig ist zu entscheiden , ob ein in guter Geschäftslage liegendes Objekt der 1 a-Lage oder der 1 b-Lage zuzuordnen ist, ergibt sich eine Preisspanne von 50 bis 300 DM. Hinzu kommt, daß sich im Bereich der gewerblichen Miete das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nicht selten relativ kurzfristig verändert mit der Folge, daß aus einem Vermietermarkt ein Mietermarkt wird oder umgekehrt. Dies hat zur Folge, daß sich die erzielbaren Mietpreise innerhalb kurzer Zeit erheblich verändern können. Eine solche Entwicklung hat beispielsweise in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach dem Beitritt stattgefunden. Bei dieser Sachlage kann es sowohl für einen Vermieter als auch für einen Mieter, insbesondere wenn er nicht ortsansässig und mit der gewerblichen Vermietung nicht vertraut ist, schwierig sein abzuschätzen, welcher Mietpreis angemessen ist. Für eine ortsansässige Brauerei, die ständig Gasträume vermietet und anmietet, gilt das nicht in gleicher Weise. Einem privaten Vermieter, der einen Mietpreis im oberen Bereich der dargelegten Schwankungsbreite durchgesetzt hat, kann man nicht ohne weiteres ein unredliches Verhalten vorwerfen , wenn ein Sachverständiger später überzeugend begründet, daß inner-
halb der Schwankungsbreite ein um die Hälfte niedrigerer Preis marktüblich gewesen wäre. In einem solchen Falle wird es im Rahmen der Prüfung, ob ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB vorliegt, darauf ankommen,
ob neben dem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Umstände oder weitere Regelungen in dem Vertrag für eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners sprechen.
Blumenröhr Krohn Gerber Wagenitz Fuchs

(1) Ist bei dem Pachtverhältnis über ein Grundstück oder ein Recht die Pachtzeit nicht bestimmt, so ist die Kündigung nur für den Schluss eines Pachtjahrs zulässig; sie hat spätestens am dritten Werktag des halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll.

(2) Dies gilt auch, wenn das Pachtverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann.

(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.