Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99

bei uns veröffentlicht am05.06.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 220/99 Verkündet am:
5. Juni 2002
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGB §§ 535 a.F., 536 a.F., 157 D
Zur ergänzenden Auslegung eines Mietvertrages dahin, daß der Mieter anstelle der
Verpflichtung, Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten durchführen zu lassen, dem
Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses einen Ausgleich in Geld zu zahlen
hat, wenn dieser das Mietobjekt umbaut und dadurch die Instandsetzungsmaßnahmen
zerstört würden (im Anschluß an BGHZ 77, 301; 92, 363).
BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 220/99 - OLG Köln
LG Köln
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Juli 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen der fiktiven Reparaturund Instandsetzungskosten für das Gebäude V. Straûe/ E. in K. abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit ihrer Klage hat die Klägerin Ersatz fiktiver und tatsächlich entstandener Kosten für Reparatur- und Instandsetzungsmaûnahmen an einem Gebäude nach Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses verlangt. Am 29. April 1966 hatte die Klägerin mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Mietvertrag über die R. in K. geschlossen. Im Jahre 1996 trat die Beklagte auf Mieterseite mit allen Rechten und Pflichten in den Mietvertrag ein. Das Mietverhältnis endete am 31. Oktober 1997, da die Be-
klagte eine ihr eingeräumte Option auf Verlängerung des Mietverhältnisses nicht ausübte. In der Folgezeit lieû die Klägerin einen Teil der Räumlichkeiten umbauen , um sie danach wieder zu vermieten. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie die Beklagte auf Ersatz von wegen des Umbaus tatsächlich nicht angefallenen Instandsetzungskosten in Höhe von 1.030.053,10 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Daneben hat sie Ersatz tatsächlich entstandener Instandsetzungskosten von 18.302,08 DM - ebenfalls zuzüglich Zinsen - verlangt. Beide Ansprüche hat sie darauf gestützt, daû die Beklagte nach § 2 des Mietvertrages zur Vornahme von Instandsetzungsmaûnahmen verpflichtet gewesen sei. Die betreffende Bestimmung lautet insoweit: "Alle Instandsetzungen und anfallenden Reparaturen in den Mieträumen und am Dach des Mietobjektes sowie am Anschluûgleis, soweit es von der Mieterin genutzt wird, gehen ausschlieûlich zu Lasten der Mieterin. Die Reparaturen sind sach- und fachgerecht auszuführen. Auch die Kosten für die Beseitigung der Verstopfungen in den Abfluûleitungen, besonders der Toiletten, hat die Mieterin zu tragen. Die Mieterin kann keinerlei Anspruch wegen Erstattung der Reparaturkosten geltend machen..." Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Instandsetzungsverpflichtung habe sich hinsichtlich der umgebauten Räumlichkeiten in einen Geldanspruch umgewandelt, da eine Nachholung der Arbeiten wegen des Umbaus nicht mehr möglich sei. § 2 des Mietvertrages sei wirksam; die Bestimmung enthalte insbesondere keine unangemessene Regelung, weil die Übertragung der Instandsetzungsverpflichtung bei der Kalkulation des Mietzinses berücksichtigt worden sei. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, § 2 des Mietvertrages sei unwirksam, weil die Instandsetzungs- und Reparaturpflicht mangels inhaltlicher oder betragsmäûiger Begrenzung der auszuführenden Arbeiten für die Mieterin vollkommen unüberschaubar gewesen sei und deren
Gegenleistung in einem unangemessenen Verhältnis zu der Leistung der Klägerin stehe. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Revision hat die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit die Klage wegen der fiktiven Reparatur - und Instandsetzungskosten abgewiesen worden ist; im übrigen hat er die Annahme der Revision abgelehnt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. 1. Das Berufungsgericht hat Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der unter § 2 des Mietvertrages getroffenen Regelung geäuûert, weil die ohne Einschränkung übertragene Instandsetzungsverpflichtung von dem gesetzlichen Leitbild eines Mietvertrages in so schwerwiegender Weise abweiche, daû dem Mieter die ihn benachteiligende Regelung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne. Deshalb sei die Abrede jedenfalls nach ihrem weitgehenden Wortlaut im Zweifel als unwirksam anzusehen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn es im Wege der Vertragsauslegung möglich sei, die übernommene Instandsetzungsverpflichtung zu konkretisieren und auf das zumutbare Maû zu beschränken, etwa auf solche Instandsetzun-
gen, die durch konkreten Gebrauch der Mietsache notwendig würden und durch Personen und Ereignisse hervorgerufen würden, die dem Verantwortungsbereich des Mieters zuzurechnen seien. Letztlich hat das Berufungsgericht die Frage der Wirksamkeit der getroffenen Regelung aber dahinstehen lassen, weil ein Anspruch der Klägerin bereits aus anderen Gründen nicht bestehe. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Hinsichtlich der fiktiven Kosten der Instandsetzungen berufe sich die Klägerin allein auf die Rechtsprechung zu unterlassenen Schönheitsreparaturen, für die wegen wirtschaftlicher Sinnlosigkeit im Falle des Umbaus der Mietsache bei Vertragsende fiktiver Kostenersatz verlangt werden könne. Ein solcher Geldersatzanspruch bestehe im vorliegenden Fall aber nicht, weil eine vergleichbare Sach-, Rechts- und Interessenlage bei der hier in Rede stehenden Instandsetzungsverpflichtung nicht gegeben sei. Tragender Grund der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung sei die Erwägung, daû die Übernahme der in periodischen Abständen auszuführenden Schönheitsreparaturen regelmäûig einen Teil der vom Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu erbringenden Gegenleistung darstelle. Diese Annahme sei aufgrund der Kalkulierbarkeit der wegen der Regelmäûigkeit von Schönheitsreparaturen jedenfalls im wesentlichen einzuschätzenden Kosten gerechtfertigt. Anders verhalte es sich dagegen hinsichtlich der Instandsetzungsverpflichtung. Diese mache keine regelmäûig wiederkehrenden Aufwendungen erforderlich, sondern verlange bei dem Auftreten vom Mängeln bestimmte Reparaturmaûnahmen, was zur Folge habe, daû weder die einzelnen Maûnahmen noch die dafür anfallenden Kosten im voraus zu bestimmen seien. Weiterhin fehle es vorliegend an einer mit der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen vergleichbaren Interessenlage. Während letztere regelmäûig erst bei Vertragsende Bedeutung erlangten, andererseits aber auch nach einem Umbau notwendig seien, führten unterlassene Instandsetzungsarbeiten in aller Regel zu Mängeln der Mietsache und wirkten sich deshalb schon
während der Vertragslaufzeit aus, während im Fall eines Umbaus vor einer Neuvermietung eine Nachholung der Mängelbeseitigung durch Instandsetzung nicht mehr in Betracht komme. Bei dieser Sach- und Interessenlage könne aber ein mutmaûlicher Wille der Vertragsparteien, dem Vermieter dennoch die fiktiven Kosten der Instandsetzungsmaûnahmen zukommen zu lassen, nicht angenommen werden. Andernfalls erhielte dieser einen Geldausgleich für Maûnahmen , dem anders als bei den an umgestalteten Räumen nachzuholenden Schönheitsreparaturen kein tatsächlicher Aufwand gegenüberstehe. Abgesehen davon sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daû der Mieter bei Rückgabe der Mietsache nicht verpflichtet sei, durch Rückbau den vertragsgemäûen Zustand wieder herzustellen, wenn dieser wegen anschlieûender Umbauarbeiten des Vermieters alsbald wieder beseitigt werde; insoweit stehe dem Vermieter auch kein Ausgleichsanspruch in Geld zu. Die Interessenlage der Mietvertragsparteien bei unterlassenen Instandsetzungsmaûnahmen sei aber derjenigen bei einem unterlassenen Rückbau sehr viel näher und ähnlicher als der bei unterlassenen Schönheitsreparaturen, was ebenfalls einem Geldausgleich entgegenstehe. 2. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daû ein Anspruch der Klägerin aus § 326 BGB a.F. nicht in Betracht kommt, weil die Klägerin die Beklagte nach Beendigung des Mietverhältnisses unstreitig nicht unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Leistung aufgefordert, sondern nach dem erfolgten Umbau sogleich Zahlung verlangt hat.

b) Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daû sich ein Anspruch der Klägerin auf Geldersatz für die von der Beklagten geschuldeten Reparatur- und Instandsetzungsmaûnahmen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergeben kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Anspruch auf Geldersatz in Fällen in Betracht, in denen ein Mieter bei Auszug die ihm obliegenden Schönheitsreparaturen nicht ausführt, weil der Vermieter die Mieträume anschlieûend umbauen will und deshalb auch an einer Sachleistung des Mieters nicht mehr interessiert ist, und wenn der Mietvertrag für diesen Fall keine ausdrückliche Regelung enthält. Bei dieser Sachlage wäre es zum einen widersinnig, den zum Umbau entschlossenen Vermieter an dem Anspruch auf Erfüllung der von dem Mieter vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen festzuhalten , obwohl bei Erfüllung dieser Pflicht das Geschaffene alsbald wieder zerstört würde. Zum anderen würde es regelmäûig in Widerspruch zu dem Inhalt des Mietvertrages stehen, den Mieter von seiner Verpflichtung zu befreien, ohne daû er hierfür einen Ausgleich entrichten müûte. Denn die im Vertrag übernommene Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen stellt sich im Regelfall als Teil des Entgelts dar, das er als Gegenleistung für die Leistung des Vermieters zu entrichten hat. Insofern ist deshalb von einer Hauptpflicht des Mieters und nicht nur von einer Nebenpflicht auszugehen. Daher entspricht es nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte dem mutmaûlichen Willen der Vertragsparteien, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen einen entsprechenden Geldanspruch zu geben (BGHZ 77, 301, 304 f.; 92, 363, 369 ff.).
c) Auch im vorliegenden Fall enthält der Mietvertrag, in den die Beklagte eingetreten ist, keine ausdrückliche Abrede darüber, ob die Klägerin, falls bei Beendigung des Mietverhältnisses fällige Instandsetzungs- und Reparaturmaû-
nahmen nicht ausgeführt sind, einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung hat, wenn sie die Mietsache umbaut und durch den Umbau etwaige Instandsetzungs - und Reparaturmaûnahmen wieder zerstört würden. Das Berufungsgericht hat allerdings die Auffassung vertreten, die hier gegebene Fallgestaltung sei mit derjenigen, die der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde liegt, nicht vergleichbar, und hat deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt. Dabei hat sich das Berufungsgericht in erster Linie darauf gestützt, daû die aus der Instandsetzungs- und Reparaturverpflichtung folgende Belastung im voraus nicht zu kalkulieren sei und deshalb nicht als Teil des Mietzinses angesehen werden könne.
d) Hiergegen erhebt die Revision folgenden Einwand: Die Klägerin habe vorgetragen, daû zu Beginn der 80er Jahre bei Verhandlungen über die Höhe des Mietzinses ein Gutachten zugrunde gelegt worden sei, das einen Abschlag von 35 % gegenüber der ermittelten Vergleichsmiete vorgesehen habe, unter anderem gerade weil der Mieterin sämtliche Instandsetzungen und Reparaturen in den Mieträumen oblegen hätten. Das Berufungsgericht habe diesen Vortrag zwar im Tatbestand erwähnt, bei der Auslegung des Vertrages aber nur allgemein auf die - seines Erachtens fehlende - Kalkulierbarkeit von Instandsetzungsmaûnahmen abgestellt, ohne auf die konkrete Situation der Vertragsparteien einzugehen. Diese Rüge erweist sich als berechtigt. Sie hat zur Folge, daû die vorgenommene Auslegung keinen Bestand haben kann.
e) Die tatrichterliche Auslegung bindet das Revisionsgericht unter anderem dann nicht, wenn sie unter Verletzung der gesetzlichen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) vorgenommen worden ist, (ständ.Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 53/89 - NJW-RR 1990, 455 unter 2). Die
genannten Auslegungsvorschriften verlangen, daû der Tatrichter alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend würdigt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1991 - VIII ZR 140/90 - BGHR ZPO § 550 Vertragsauslegung 3). Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, weil der von der Revision angeführte Umstand unberücksichtigt geblieben ist. Hierbei handelt es sich um einen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkt. Wenn nämlich die sich aus § 2 des Mietvertrages ergebende Verpflichtung der Mieterin bei der Bemessung des Mietzinses berücksichtigt worden ist, so stellt sie sich auch als ein Teil des Entgelts dar, das als Gegenleistung für die Leistung der Vermieterin zu entrichten war. Ob und inwieweit dieser Teil der Mieterleistung zuverlässig kalkulierbar war, ist für diese Beurteilung nicht maûgebend. Vielmehr handelt es sich insofern um ein Risiko der die Verpflichtung übernehmenden Partei, die - bei entsprechend höherem Mietzins - etwa auch das Risiko zu tragen hätte, daû der vereinbarte Mietzins im Laufe der Zeit erheblich von der Entwicklung des marktüblichen Mietzinses abweicht. Dieses typische Vertragsrisiko trägt grundsätzlich die jeweils benachteiligte Vertragspartei (Senatsurteil vom 8. Mai 2002 - XII ZR 8/00 - unter 3 a, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daû die Instandsetzungs- und Reparaturverpflichtung der Mieterin bei der damaligen Bemessung des Mietzinses berücksichtigt worden ist, ergibt sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils. Danach hat die Beklagte lediglich bestritten, daû die betreffende Verpflichtung in angemessener Weise in die Mietzinskalkulation eingeflossen ist. Deshalb ist davon auszugehen, daû die in § 2 des Mietvertrages geregelte Verpflichtung der Mieterin ebenso wie diejenige zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ein Teil des von dieser zu erbringenden Entgelts sein sollte.
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO a.F.).
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die vorliegende Fallgestaltung sei derjenigen einer aufgrund Umbaus sinnlos gewordenen Rückbauverpflichtung ähnlicher als derjenigen bei unterlassenen Schönheitsreparaturen, ist vor dem Hintergrund einer vereinbarten Gegenleistung der Mieterin nicht gerechtfertigt. Für den Fall eines nicht mehr durchführbaren Rückbaus ist eine zur Annahme eines Anspruchs auf Geldersatz führende ergänzende Vertragsauslegung gerade deshalb abgelehnt worden, weil die Rückbauverpflichtung keine Gegenleistung für den aus der Vertragsbeendigung folgenden Rückgabeanspruch des Vermieters darstellt (BGHZ 96, 141, 145 f.).
b) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, die im vorliegenden Fall bestehende Interessenlage der Parteien könne mit derjenigen bei umbaubedingt unterbliebenen Schönheitsreparaturen nicht verglichen werden, hat es ebenfalls erhebliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Es trifft bereits nicht allgemein zu, daû Schönheitsreparaturen während der Vertragslaufzeit im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander regelmäûig nahezu ohne Bedeutung sind. Das gilt nur dann, wenn aus deren Unterlassen nicht bereits Schäden an der Substanz der Mietsache entstanden sind (BGHZ 111, 301, 306). Ebensowenig kann der Auffassung gefolgt werden, daû sich die Interessenlage der Vertragsparteien bei Beendigung des Mietverhältnisses ausschlaggebend unterscheidet, je nach dem, ob wegen eines Umbaus Schönheitsreparaturen oder Instandsetzungsarbeiten nicht durchgeführt werden. Bei unterbliebenen Schönheitsreparaturen zielt die zu einem Anspruch auf Geldersatz führende ergänzende Vertragsauslegung darauf ab, den Vermieter bei der Begründung eines neuen Mietverhältnisses mit einem nachfolgenden Mieter der
Notwendigkeit zu entheben, solche Reparaturen auf seine eigenen Kosten vornehmen lassen zu müssen, geht also letztlich dahin, den Mieter an der Wiederherstellung eines vermietbaren Zustandes finanziell in einer Weise zu beteiligen , wie sie ohne den Umbau seiner Verpflichtung entsprochen hätte. Auch insofern werden nämlich nicht die ohne den Umbau geschuldeten Schönheitsreparaturen ausgeführt, sondern solche von verändertem Gegenstand und Umfang (BGHZ 92, aaO, 372 f.). Mit den ursprünglich geschuldeten Instandsetzungs - und Reparaturmaûnahmen vergleichbare Arbeiten werden aber auch durchgeführt, wenn etwa nach einem Umbau Neuinstallationen vorgenommen werden. Denn je nach ihrem Umfang können die an sich geschuldeten Instandsetzungsmaûnahmen (etwa der Austausch sanitärer Anlagen) einer Neuinstallation nahezu gleichkommen; zumindest aber ist dies teilweise der Fall, nämlich soweit der betreffende Arbeitsabschnitt der Neuinstallation der Instandsetzungsmaûnahme entspricht. Dies rechtfertigt es, auch bei unterbliebenen Instandsetzungsmaûnahmen davon auszugehen, daû der Vertragszweck auch nach der Durchführung von Umbauarbeiten noch erreicht werden kann. Von der Interessenlage her besteht insoweit deshalb gleichermaûen Anlaû zu der Prüfung , ob im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmen ist, daû der Anspruch des Vermieters auf Naturalherstellung in eine Geldforderung umgewandelt wird.
c) Diese ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, ist in erster Linie Aufgabe des Tatrichters. Nur wenn der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, räumt die nach § 565 Abs. 3 ZPO a.F. bestehende Pflicht zur Sachentscheidung dem Revisionsgericht zugleich die zur ergänzenden Vertragsauslegung erforderliche tatrichterliche Kompetenz ein (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 - NJW 1998, 1219, 1220). Entscheidungsreife ist indessen nicht gegeben.

d) Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage der Wirksamkeit von § 2 des Mietvertrages offen gelassen. Hierauf wird es entscheidend ankommen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daû es im Rahmen der vorgenannten Prüfung, verfehlt ist, auf das "Leitbild" des Mietvertrages abzustellen. Dieser Begriff ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelt worden und hat nur dort eine sinnvolle Funktion. Dadurch, daû Abweichungen vom Leitbild eines bestimmten Vertragstyps weitgehend für unwirksam erklärt werden, soll verhindert werden, daû der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die Stelle der abgewogenen, die Interessen beider Parteien berücksichtigenden gesetzlichen Regelung eine Bestimmung setzt, die einseitig der Wahrung seiner eigenen Interessen dient. Auf einen ausgehandelten Individualvertrag, wie er hier unstreitig vorliegt, trifft diese Überlegung grundsätzlich nicht zu. Hier kann in der Regel davon ausgegangen werden, daû beide Vertragsparteien bei den Vertragsverhandlungen in der Lage waren, ihre Interessen ausreichend zu wahren (BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 - IVa ZR 305/86 - BGHR BGB § 133 Auslegungsgrundsätze 1). Eine Individualvereinbarung kann allenfalls unter den Voraussetzungen des § 138 BGB als unwirksam angesehen werden. Grundsätzlich kann ein Mieter durch Individualvereinbarung weitgehend zu Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten verpflichtet werden, auch wenn dies im Ergebnis zu einer verschuldensunabhängigen Haftung führt. Gegen eine solche Abrede bestehen insbesondere keine Bedenken, wenn die Übernahme der Erhaltungspflicht in die Mietzinskalkulation eingeht (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 8. Aufl. Rdn. 406; Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 7. Aufl. § 548 BGB Rdn. 14; Sternel Mietrecht
3. Aufl. II Rdn. 55). Im übrigen wird, wie auch bereits vom Berufungsgericht erwogen , die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung der Regelung zu prüfen und ferner zu berücksichtigen sein, daû sich verschiedene Risiken durch Abschluû von Versicherungen, wie sie nach dem Vorbringen der Klägerin bestanden , kalkulierbarer gestaltet haben.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Ahlt Vézina

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99 zitiert 10 §§.

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags


(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und s

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht


#BJNR001950896BJNE031902377 (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im

Zivilprozessordnung - ZPO | § 565 Anzuwendende Vorschriften des Berufungsverfahrens


Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 550 Zustellung der Revisionsschrift


(1) Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden, soweit dies nicht bereits nach § 544 Absatz 3 Satz 2 geschehen ist. (2) Die Revisionsschrift ist der Gegenpartei zuzustelle

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2002 - XII ZR 220/99 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2002 - XII ZR 8/00

bei uns veröffentlicht am 08.05.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 8/00 Verkündet am: 8. Mai 2002 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 53

Referenzen

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

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(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden, soweit dies nicht bereits nach § 544 Absatz 3 Satz 2 geschehen ist.

(2) Die Revisionsschrift ist der Gegenpartei zuzustellen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 8/00 Verkündet am:
8. Mai 2002
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Frage der Anpassung einer Staffelmiete für Gewerberaum bei unvorhergesehenem
Absinken des Mietpreisniveaus nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
BGH, Urteil vom 8. Mai 2002 - XII ZR 8/00 - Kammergericht
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Mai 2002 durch die Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke, Dr. Ahlt
und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 1999 im Kostenpunkt dahingehend abgeändert, daß dem Beklagten die Kosten der ersten Instanz mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten, die die Klägerin alleine trägt, auferlegt werden. Im übrigen wird die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. November 1999 auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit Mietvertrag vom 23. April 1991 vermietete die Klägerin (zunächst mit einem weiteren Miteigentümer) dem Beklagten Gewerberäume in Berlin für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis 31. Mai 2001 (mit Verlängerungsklausel) "zur Benutzung als Rechtsanwaltspraxis". Der Mietvertrag sah eine Staffelmiete vor. Danach erhöhte sich der Mietzins von anfangs 6.400 DM jährlich zum 1. Juni um jeweils 5 Prozent. Er belief sich somit ab Juni 2000 auf 9.928 DM monatlich.
Durch Vereinbarung mit dem Beklagten verzichtete die Klägerin auf die Staffelerhöhungen zum 1. Juni 1995 und 1. Juni 1996. Der Beklagte hat ab Juni 1997 den Mietzins nicht mehr in voller Höhe entrichtet. Er hat dies unter anderem damit begründet, der vereinbarte Staffelmietzins sei nach Treu und Glauben an den marktüblichen Mietzins, der zwischenzeitlich wider Erwarten drastisch gesunken sei, anzupassen. Die ortsübliche Nettokaltmiete habe im April 1998 nur noch 26,60 DM pro Quadratmeter betragen, bei Neuvermietungen sei der Mietzins sogar auf 22,30 DM pro Quadratmeter gefallen, während er nach dem Staffelmietvertrag ab Juni 1997 53,60 DM und ab Juni 1998 56,28 DM pro Quadratmeter zahlen müsse. Die Zahlung eines im Vergleich zur Marktüblichkeit derart überhöhten Mietzinses sei ihm nicht zuzumuten. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Mietdifferenz bis einschließlich Juni 1998 geltend, die sie mit 13.335,02 DM beziffert hat. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 12.814,02 DM stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, mit der er sein Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg, sie führt lediglich zu einer Abänderung der landgerichtlichen Kostenentscheidung. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte könne weder unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch aus anderweiti-
gen Erwägungen gemäß § 242 BGB eine Herabsetzung des vertraglich vereinbarten Mietzinses verlangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Geschäftswille der Parteien nicht auf der Vorstellung aufgebaut gewesen, die Gewerberaummieten würden nach 1991 weiter ansteigen. Die Mietzinsstaffelung sei vielmehr der von der Vermieterseite verlangte Preis dafür gewesen, daß der Beklagte, wie unstreitig sei, die 10-jährige Laufdauer des Vertrages gewünscht habe. Keine der Parteien habe eine sichere Vorstellung von der Entwicklung der Mietpreise haben können. Ein Absinken der Mietpreise gegenüber dem bei Vertragsschluß 1991 bestehenden hohen Niveau sei auch aus damaliger Sicht ebenso denkbar gewesen, wie ein weiteres Ansteigen. Das Absinken der Mietpreise sei nicht durch einen grundlegenden Wandel der politischen oder gesellschaftlichen Verhältnisse ausgelöst worden. Vielmehr sei es Folge einer wirtschaftlichen Entwicklung , die nicht den erhofften dauerhaften Aufschwung genommen habe, sondern nach der anfänglichen Aufwärtsentwicklung früher als erwartet zum Erliegen gekommen sei. Diese Umstände könnten die Wirksamkeit einmal geschlossener Verträge von Rechts wegen nicht berühren. Eine Anpassung beziehungsweise Herabsetzung des Mietzinses sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Äquivalenzstörung von Leistung und Gegenleistung möglich. Dem Beklagten könne nicht darin gefolgt werden, daß der Wert der gemieteten Gewerberäume nicht (mehr) annähernd der Höhe des jeweils zu zahlenden Mietpreises entspreche. Da das Mietobjekt unverändert dem Beklagten für den mietvertraglichen Zweck zur Verfügung stehe und dessen finanzielle Leistungsfähigkeit von der Mietpreisentwicklung unabhängig sei, könne auch bei einem deutlichen Absinken der Mietpreise in der Umgebung nicht von einer Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen den Parteien in der Weise gesprochen werden, daß dem Beklagten die Zahlung des verein-
barten Mietpreises nicht mehr zuzumuten wäre. Die hierin liegende Beschwer des Beklagten rühre lediglich aus dem für ihn ungünstigen Vergleich mit anderen Mietobjekten und aus dem Umstand her, daû er während der Vertragsdauer gehindert sei, die inzwischen eingetretenen günstigen Anmietungsmöglichkeiten für sich zu nutzen. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision - jedenfalls im Ergebnis - stand. 2. Die Höhe des nach den mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien im hier streitigen Zeitraum noch offenstehenden Mietzinses (12.814,02 DM) ist von der Revision zu Recht nicht angegriffen. 3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beklagte nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) aufgrund des geltend gemachten Verfalls der allgemeinen Mietpreise für vergleichbare Gewerberäume ganz oder teilweise von seiner Pflicht, den vereinbarten Mietzins zu entrichten (§ 535 Satz 2 BGB a.F.), frei geworden.
a) Es kann dahinstehen, ob der bei Vertragsschluû vorhandene Geschäftswille beider Parteien auf der Vorstellung aufbaute, der marktübliche Mietzins vergleichbarer Objekte in Berlin werde weiterhin kontinuierlich ansteigen , wie die Revision geltend macht. Denn auch in diesem Fall wäre der Mietzins für den fraglichen Zeitraum nicht im Wege der Vertragsanpassung herabzusetzen. Auch wesentliche Änderungen der Geschäftsgrundlage - hier etwa die bei Vertragsschluû vorhandene Vorstellung und Erwartung der Parteien, der marktübliche Mietzins werde weiter ansteigen - führen nicht zur Anpassung des Vertrages, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, das eine Partei
zu tragen hat (vgl. BGHZ 74, 370 [373]; Senatsurteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1716). aa) Bei Vereinbarung einer Staffelmiete besteht regelmäûig die nicht fernliegende Möglichkeit, daû der vereinbarte Mietzins im Laufe der Zeit erheblich von der Entwicklung des marktüblichen Mietzinses abweicht. Dieses typische Vertragsrisiko trägt grundsätzlich die jeweils benachteiligte Vertragspartei (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts , 8. Aufl., Rdn. 429). Der Mieter bleibt daher grundsätzlich auch bei einem gravierenden Absinken des allgemeinen Mietniveaus an die vertraglich vereinbarten Staffelerhöhungen gebunden, es sei denn die Parteien haben eine - hier nicht festgestellte und auch nicht ersichtliche - abweichende Regelung getroffen. bb) Diese der Staffelmietvereinbarung immanente Risikoverteilung ändert sich nicht dadurch, daû nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, das allgemeine Mietniveau werde im gesamten Zeitraum der Staffelmietvereinbarung weiterhin steigen. Es ist grundsätzlich Sache der jeweiligen Partei des Mietvertrages abzuschätzen, ob sich die vereinbarte Staffelmiete im Vergleich zur Entwicklung des Marktes als ihr günstig erweisen wird oder nicht. Die Vereinbarung einer langfristigen Staffelmiete schafft beiden Parteien eine zuverlässige Kalkulationsgrundlage. Allein der Umstand, daû auch der Vermieter im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von weiter ansteigenden Mietpreisen ausgeht, verlagert das Risiko der Entwertung der Sachleistung während der Dauer der Staffelmietvereinbarung nicht vom Mieter auf den Vermieter.
b) Die Staffelmietvereinbarung ist auch nicht aus Gründen der Äquivalenzstörung abzuändern. Zwar gehört bei gegenseitigen Verträgen der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur objektiven Ge-
schäftsgrundlage. Wird dieses Gleichgewicht nach Vertragsschluû durch unvorhergesehene Veränderungen so schwer gestört, daû damit das von einer Partei normalerweise zu tragende Risiko in unzumutbarer Weise überschritten wird, ist der Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen (Senatsurteil vom 17. Februar 1993 - XII ZR 232/91 - NJW-RR 1993, 773, 774; PalandtHeinrichs , BGB, 61. Aufl., § 242 Rdn. 135 bis 139 m.w.N.). Eine solch schwerwiegende, die Unzumutbarkeitsgrenze überschreitende Äquivalenzstörung liegt hier jedoch nicht vor. aa) Die Revision vertritt hierzu die Auffassung, bei einer Staffelmietvereinbarung mit einer Laufzeit von "lediglich" 10 Jahren seien für die Annahme eines Anpassungsgrundes wegen des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage nicht so strenge Anforderungen zu stellen, wie sie die Rechtsprechung für über mehrere Jahrzehnte fest abgeschlossene Verträge aufgestellt habe. Staffelmietvereinbarungen von solcher Dauer seien vielmehr schon dann unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung an die geänderten Verhältnisse anzupassen, wenn der vereinbarte Mietzins um mehr als einen bestimmten Prozentsatz unter das Niveau der (bei Vertragsschluû erwarteten) ortsüblichen Mieten absinke. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anpassung des Erbbauzinses bei drastischem Geldwertschwund (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Februar 1986 - V ZR 195/84 - NJW 1986, 2698, 2699) sei diese Grenze bei einem Mietzinsverfall um mehr als 60 % zu ziehen. Im Streitfall sei diese Grenze bei weitem überschritten, mithin sei eine entsprechende Vertragsanpassung vorzunehmen. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
bb) Im Gegensatz zur Meinung der Revision ist eine unzumutbare Überschreitung des übernommenen Risikos im dargelegten Sinne eher anzunehmen , wenn die Bindung an den Vertrag, wie zum Beispiel bei Erbbauverträgen, noch viele Jahre besteht. Im vorliegenden Fall war der Beklagte an die vereinbarte Staffelmiete nur noch vier Jahre gebunden, als er die hier streitige Herabsetzung begehrte. Welcher Maûstab bei der Entscheidung der Frage, ob Unzumutbarkeit vorliegt, anzulegen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die zur Unzumutbarkeit führenden Umstände müssen jedenfalls auf die in Frage stehende Äquivalenzstörung zurückzuführen sein. Bereits daran fehlt es hier. Der Beklagte hat insoweit geltend gemacht, seine Einnahmen aus seiner Anwaltspraxis hätten sich nicht in gleichem Maûe erhöht wie die Mietzinsstaffel. Durch die Belastung mit der sehr hohen Miete sei er gehindert, weiteren benötigten Gewerberaum anzumieten, um vorhandenes oder weiteres Personal angemessen unterbringen zu können, was für eine etwaige Erhöhung seiner Einnahmen unerläûlich sei. Diese Entwicklung ist jedoch nicht durch das Absinken der marktüblichen Mietpreise verursacht worden. Hierzu wäre es vielmehr auch dann gekommen, wenn die Mietpreise allgemein entsprechend der vereinbarten Staffelmiete - wie vom Beklagten ursprünglich erwartet - gestiegen wären. Die Vertragsvorteile, insbesondere die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, sind dem Beklagten trotz des behaupteten Verfalls der Mietpreise unverändert erhalten geblieben (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. April 1960 - VIII ZR 160/59 - NJW 1960, 240, 242 f.). cc) Allein die Tatsache, daû der Beklagte mittlerweile vergleichbare Geschäftsräume zu einem wesentlich günstigeren Mietzins anmieten könnte, rechtfertigt nicht die Annahme einer zur Vertragsanpassung führenden Äquiva-
lenzstörung. Überhaupt genügt der Umstand, daû jemand durch eine nachträgliche Veränderung der Verhältnisse wirtschaftlich ungünstiger steht, als nach den getroffenen Vereinbarungen zu erwarten war, regelmäûig nicht, um ihm aus Billigkeitsgründen ein auch nur teilweises Abgehen vom Vertrag zu erlauben. Eine andere Beurteilung wäre eine Verletzung der gesetzlichen Grundentscheidung , daû Verträge, so wie sie geschlossen sind, gehalten werden müssen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1975 - VIII ZR 108/74 - NJW 1976, 142). Eine Anpassung eines langfristigen abgeschlossenen Mietvertrags wegen einer nachträglich eingetretenen Äquivalenzstörung kann nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, zum Beispiel wenn das Festhalten am Vertrag für eine Partei existenzgefährdend wäre. Dies ist hier nicht der Fall.
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.