Landgericht München I Beschluss, 15. Juni 2016 - 36 S 734/16 WEG

bei uns veröffentlicht am15.06.2016
vorgehend
Amtsgericht Starnberg, 3 C 682/15 WEG, 18.12.2015

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 18.12.2015, Aktenzeichen 3 C 682/15 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3 Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Starnberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagt» kann die Zwangsvollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,- oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - untersagt, in dem in der A. Straße 9, 8. S. gelegenen, in der Teilungserklärung mit Nr. 1 bezeichneten Teileigentum ein Arbeiterwohnheim oder eine Unterkunft für Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstigen in den Raum München zugezogene oder Gestrandete zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und erhob ferner Widerklage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Widerklägerin berechtigt ist, in ihrem Teileigentum jegliche gewerbliche Nutzung zu betreiben, die die Nutzung der Widerbeklagten nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage als unzulässig abgewiesen, Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der tenorierten Nutzung zustünde, da es sich um eine in der Teileigentumseinheit der Beklagten, nicht zulässige zweckbestimmungswidrige Wohnnutzung handele. Die geplante Nutzung sei nicht als zulässige „Heimnutzung“ im Sinne der Teilungserklärung zu sehen, da die bettoffenen Personengruppen nicht „heimmäßig“ betreut würden, sondern die Zurverfügungstellung von Wohnraum im Vordergrund stehe. Die abweichende Nutzung sei vorliegend auch mehr störend als die nach der Teilungserklärung zulässige, so dass sie auch nicht ausnahmsweise zulässig sei.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Endurteil des Amtsgerichts Starnberg vom 18.12.2015 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer am 15.01.2016 eingelegten und mittels eines am 23.03.2016 beim Landgericht München I eingegangenen Schriftsatz begründeten Berufung.

Sie trägt vor, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter ausgegangen sei. Bei der Bezeichnung der Einheit der Beklagten als Altenpflegeheim sowie als „nicht zu Wohnzwecken dienend“ handele es sich um bloße Beschreibungen, so dass jede gewerbliche Nutzung in der berufungsklägerischen Teileigentumseinheit zulässig sei. Darüber hinaus handele es sich bei der beabsichtigten Nutzung um eine gewerbliche, da die Unterbringung von Flüchtlingen oder Minderjährigen eine typische Heimnutzung und damit keine Wohnnutzung darstelle.

Auf die im Schriftsatz vom 23.03.2016 (Bl. 215/217 d.A,) wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 04.05.2016 (Bl. 127/135) wies das Berufungsgericht daraufhin, dass es beabsichtige, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf diesen Beschluss sowie den Schriftsatz vom 06.06.2016, mit welchem die Beklagte im Hinblick auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts weitere rechtliche Ausführungen machte, wird ebenfalls Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

  • 1.unter Abänderung des am 18.12.2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Starnberg, 3 C 682/15 WEG das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen;

  • 2.Auf die Widerklage hin festzustellen, das die Widerklägerin berechtigt ist, in ihrem Teileigentum jegliche gewerbliche Nutzung zu betreiben, die die Nutzung der Widerbeklagten nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 18.12.2015, Aktenzeichen 3 C 682/15 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss der Kammer vom 04,05.2016 (Bl. 127 ff. d.A.) Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 06.06.2016 (Bl. 137 ff. d. A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

1. Soweit dort erneut die Qualifizierung der beabsichtigten Nutzung als „Wohnnutzung“ in Frage gestellt wird, vermögen auch die nunmehr vorgebrachten Argumente die Kammer nicht zu überzeugen.

Inwiefern eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Inobhutnahme minderjähriger Flüchtlinge besteht, hat für die hier vorzunehmende und allein streitentscheidende Auslegung der Teilungserklärung keine Bedeutung.

Sofern die diesbezüglichen Ausführungen dahingehend zu verstehen sind, dass eine Wohnnutzung mangels Freiwilligkeit des Aufenthaltes abzulehnen sei, ist zu entgegnen, dass diese Ansicht in der Rechtsprechung keine Stütze findet, Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 04.05.2016 dargestellt, lässt sich nach Ansicht der Kammer aus der bisherigen Rechtsprechung als entscheidendes Kriterium der Abgrenzung von Wohn- und (nicht zu Wohnzwecken dienender) Heimnutzung allein die Frage des Hauptzwecks der Nutzung - Unterkunft oder aber hauptsächlich Dienstleistung - ableiten. Allein die Tatsache, dass die Unterkunft durch eine staatliche Stelle oder Ähnliches zugewiesen wird, zwingt nicht automatisch dazu, eine Wohnnutzung zu verneinen. So unterliegt es nach der Entscheidung des OLG Hamm vom 18.02,1999 - 15 W 234/98 „keinem Zweifel, dass die beabsichtigte Nutzung der Räumlichkeiten des Antragsteller als Außenstelle eines Kinder- und Jugendwohnheimes noch im weiteren Sinne zu Wohnzwecken dient“ (vgl. juris Rn. 18). Auch dort ging es um Aufgaben der sozialen Daseinsvorsorge. Ebenso hält auch das BayObLG in seiner Entscheidung vom 09.02.1994 - 2Z BR 7/94 die Belegung einer Eigentumswohnung mit Aussiedlern durch die Regierung für eine zulässige Wohnnutzung. Die einweisende Regierung übe kein Gewerbe im Sinne eines Heimbetriebs aus, sondern nehme Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr (vgl. juris Rn. 11). Schließlich hat auch jüngst das AG Laufen entschieden, dass die Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung darstelle (vgl. Urteil vom 04.02.2016 - 2 C 565/15 WEG, juris Rn. 14ff.). All diese Entscheidungen zeigen, dass weder das Kriterium der Daseinsvorsorge noch die Frage der freien Wahl des Aufenthaltsortes durch die Bewohner ausschlaggebend sind für die Qualifizierung der Nutzung als Wohnzwecken dienend. Vielmehr kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an, die hier, wie bereits im Hinweisbeschluss und im amtsgerichtlichen Urteil ausführlich dargelegt, für eine Einordnung als Wohnnutzung sprechen.

Die Kammer weist insoweit ausdrücklich darauf hin, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Gewährung von Unterkunft für Arbeiter oder (auch minderjähriger) Asylbewerber geht. Der klägerische Antrag bezieht, sich gerade nicht auf das Betreiben einer klassischen Einrichtung zur Heimerziehung von Minderjährigen. Sowohl das Amtsgericht als auch die Kammer haben umfangreich dargelegt, warum es bei den streitgegenständlichen Ansprüchen betreffend eines Arbeiterwohnheims bzw. eines Flüchtlingswohnheims trotz ihrer sprachlichen Bezeichnung als „Wohnheime“ nicht um Heimnutzungen im darstellen klassischen Sinne, sondern um eine Wohnnutzung geht. Die Frage, ob eine Einrichtung zur Heimerziehung Minderjähriger in der Teileigentumseinheit der Beklagten zulässig ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Allein der Umstand, dass gegebenenfalls minderjährige Flüchtlinge in der Einheit der Beklagten Unterkunft gewährt wird, führt aus den oben dargestellten Gründen jedenfalls nicht zur Annahme einer klassischen Heimnutzung. Das Betreiben eines klassischen Heims ist nicht von dem vom Amtsgericht zugesprochenen Unterlassungsanspruch umfasst, wie sich unzweifelhaft aus der Begründung des amtsgerichtlichen Urteils ergibt. Insoweit ist der Begriff der Gewährung von Unterkunft auch nicht als Oberbegriff zu einer etwaigen Heimnutzung zu sehen, sondern sind diese Begrifflichkeiten - wie das Amtsgericht ausdrücklich ausführt - gerade voneinander abzugrenzen. Dieser Auffassung, die im Übrigen auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 18.02.1999 - 15 W 234/98 prägt, schließt sich die Kammer vollumfänglich an.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der klägerische Antrag auch klassische Heime wie etwa ein Kindererziehungsheim - unabhängig von der Herkunft der dort untergebrachten Kinder-umfassen sollte (vgl. dazu etwa den klägerischen Schriftsatz vom 20.10.2015, wo ausdrücklich ausgeführt wird, dass man von einem konkreten Konzept zur Nutzung als Kindererziehungsheim keine Kenntnis habe).

2. Das Argument, dass das Gebäude ursprünglich als Kinderheim konzipiert und genutzt war, kann nach Ansicht der Kammer für die hier zu entscheidende Frage nicht fruchtbar gemacht werden. Denn es kommt allein auf die Auslegung der Teilungserklärung aus dem Jahre 1983 an und nicht auf die Umstände der Errichtung von 1907 bis 1914, Entscheidend sind neben dem Wortlaut der Teilungserklärung damit allenfalls der bauliche Zustand und die entsprechende Nutzung zum Zeitpunkt der Abfassung der Teilungserklärung, Unstreitig wurde damals aber kein Kinderheim, sondern ein Altenwohnheim betrieben. Allein diese Nutzung kann daher auch bei der Beurteilung des Charakters der Wohnanlage, der im Rahmen der vorzunehmenden typisierenden Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung ebenso zu berücksichtigen ist wie die diesen prägenden örtlichen Verhältnisse (vgl. etwa BayObLG, 10.11.2004 - 2Z BR 169/04, juris Rn. 36), in die Abwägung miteingestellt werden.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 49a GKG bestimmt, insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im Rahmen des Beschlusses vom 27.04.2016 (Bl, 117 d. A.) Bezug genommen. Tatsachen, welche eine genauere Schätzung der zu erwartenden Mieteinbußen der Klagepartei zuließen, sind auch im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht mitgeteilt worden.

Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Beschluss, 15. Juni 2016 - 36 S 734/16 WEG

Urteilsbesprechungen zu Landgericht München I Beschluss, 15. Juni 2016 - 36 S 734/16 WEG

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)