Landgericht München II Beschluss, 19. Dez. 2017 - 6 T 3307/17

bei uns veröffentlicht am19.12.2017
vorgehend
Amtsgericht Fürstenfeldbruck, 2 M 3211/17, 28.08.2017

Gericht

Landgericht München II

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 28.08.2017, Az. 2 M 3211/17, aufgehoben.

Auf die Erinnerung des Schuldners wird die Zwangsvollstreckungsmaßnahme der Gerichtsvollzieherin ... vom 09.08.2017, 8 DR 1103/17 (Zahlungsaufforderung und Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft), für unzulässig erklärt.

2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Gläubigerin vollstreckt gegen den Schuldner Verfahrenskosten aus einem Strafurteil des Landgerichts Kempten vom 15.10.2014, rechtskräftig seit 23.10.2014.

Gegenstand der hiesigen Entscheidung ist die Frage, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners dessen Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft entgegensteht, wenn ein Kostenausspruch aus einem Strafurteil vollstreckt werden soll, das erstmals vor Eröffnung des Insolvenzverfahren erging, jedoch erst in Gestalt eines Urteils rechtskräftig wurde, das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen wurde:

Der Schuldner und mehrere Mitangeklagte wurden mit Strafurteil des Amtsgerichts Kempten vom 13.10.2010 verurteilt; den Angeklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt, die Aufhebungen und Zurückverweisungen, jeweils mit Anpassung des Kostenausspruchs, zur Folge hatten.

Mit Beschluss vom 09.07.2014 eröffnete das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners (1500 IN 470/14). Der Schuldner beantragte Restschuldbefreiung.

Das Strafverfahren wurde beendet durch Urteil des Landgerichts Kempten vom 15.10.2014, rechtskräftig seit 23.10.2014. Mit diesem Urteil wurde das Urteil des Amtsgerichts Kempten abgeändert, in der Kostenentscheidung dahingehend, dass der Schuldner und ein Mitangeklagter 3/5 der Kosten des Verfahrens, einschließlich der des Revisionsverfahrens, zu tragen habe.

Mit Beschluss vom 15.05.2015 hob das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren auf und bestellte einen Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners übergehen. Seitdem läuft die sog. Wohlverhaltensphase.

Unter dem 03.05.2016 erteilte die Staatsanwaltschaft wegen des Kostenausspruchs im Strafurteil vom 15.10.2014 Vollstreckungsauftrag.

Mit Schreiben vom 09.08.2017 lud die Gerichtsvollzieherin den Schuldner auf den 31.08.2017 zur Abgabe der Vermögensauskunft, wobei sie ihm eine Frist zur Zahlung von zwei Wochen setzte. Die Ladung wurde dem Schuldner am 11.08.2017 zugestellt.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2017 legte der Schuldner Erinnerung gegen die Verpflichtung zur Vermögensauskunft ein. Zur Begründung führte er aus, dass während des Laufs der sog. Wohlverhaltensphase Vollstreckungsmaßnahmen wegen Forderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig seien. Der Kostenausspruch, aus dem zu vollstrecken versucht werde, stamme tatsächlich aus der Verurteilung der I. Instanz vom 13.10.2010; seitdem sei der Kostenausspruch lediglich angepasst worden. Bei der Forderung handele es sich daher um eine Insolvenzforderung, eine Vollstreckung sei somit unzulässig.

Das Amtsgericht wies die Erinnerung mit dem angegriffenen Beschluss vom 28.08.2017 zurück und vertritt die Auffassung, dass es auf den finalen und konkreten Kostenausspruch im Rahmen der letzten Tatsachenentscheidung ankomme, die hier am 15.10.2017 erfolgt sei, so dass die Forderung nicht in die Insolvenzmasse falle. Der Beschluss wurde dem Prozessvertreter des Schuldners am 28.08.2017 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 29.08.2017, per Fax eingegangen am selben Tag, legte der Schuldner über seinen Prozessvertreter sofortige Beschwerde ein.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht München II hatte rechtliches Gehör. Sie vertritt die Ansicht, dass nach § 38 InsO künftige, aufschiebend bedingte und noch nicht fällige Forderungen bereits Insolvenzforderungen seien, so dass hier ein Vollstreckungsverbot bestehe.

II.

Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und im Übrigen in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat auch in der Sache Erfolg. Die Erinnerung ist begründet. Der Zwangsvollstreckung steht § 294 Abs. 1 InsO entgegen. Danach sind im Restschuldbefreiungsverfahren Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger unzulässig. Das Vollstreckungsverbot umfasst alle Gläubiger, die im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers i.S.d. § 38 InsO hatten. Diese Stellung trifft auf die Staatsanwaltschaft Kempten zu.

Insolvenzgläubiger ist jeder, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatte. Eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, auch wenn die Forderung des Gläubigers daraus sich erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergibt. Ausreichend ist, wenn die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (BGH vom 07.04.2005, IX ZB 129/03; BGH vom 22.09.2011, IX ZB 121/11; BGH vom 06.02.2014, IX ZB 57/12). So hat der BGH im letztgenannten Beschluss entschieden, dass ein zivilrechtlicher Kostenerstattungsanspruch eine Insolvenzforderung darstellt, wenn der Prozess vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen hat.

Entsprechend ist der Anspruch des Fiskus auf Entrichtung der Kosten eines Strafverfahrens, einschließlich der Strafverfolgungskosten, eine Insolvenzforderung, wenn die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden schon vor Verfahrenseröffnung begonnen hat (Uhlenbruck, 14. Aufl., Rz. 54 zu § 38 InsO; Münchener Kommentar, 3. Aufl., 2013, Rz. 108 zu § 38 InsO; Henckel/Gerhardt, 2004, Rz. 156 zu § 38 InsO; Kübler/Prütting/Bork, 73. Lieferung, Rz. 35 zu § 38 InsO). Denn auch hier liegt die Grundlage des Anspruchs in der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für den vorliegenden Fall ist dies zweifelsfrei, da vor der Eröffnung bereits ein Urteil mit Kostenausspruch erlassen war, das in der Folge lediglich abgeändert worden ist. Damit hatte auch eine „gerichtliche Untersuchung“ – auf die das Amtsgericht abstellt – bereits unzweifelhaft spätestens im Jahr 2010 begonnen. Somit war die Grundlage der gegenständlichen Forderung jedenfalls gelegt, auch wenn die Forderung selbst erst durch die abschließende, rechtskräftige Entscheidung entstanden ist.

Die vom OLG Bamberg im Beschluss vom 10.06.2013 (1 Ws 354/13) angeführte Entscheidung des BGH vom 28.06.2012, IX ZR 211/11 (NJW-RR 2012, 1465) steht dem nur scheinbar entgegen, denn diese Entscheidung hat (zivilrechtliche) Gerichtskosten zum Gegenstand, die erst durch eine entsprechende Kostenentscheidung entstehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Beschwerdeführer obsiegte mit seinem Anliegen, dass die Vollstreckungsmaßnahmen der Gerichtsvollzieherin unwirksam sind.

Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf KV 2121 GKG nicht veranlasst.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sie erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO): Die hier zu entscheidende Rechtsfrage ist durch den Bundesgerichtshof in den angeführten Beschlüssen mehrfach grundsätzlich entschieden worden.

Urteilsbesprechung zu Landgericht München II Beschluss, 19. Dez. 2017 - 6 T 3307/17

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E
Landgericht München II Beschluss, 19. Dez. 2017 - 6 T 3307/17 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Insolvenzordnung - InsO | § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Zivilprozessordnung - ZPO | § 793 Sofortige Beschwerde


Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

Insolvenzordnung - InsO | § 294 Gleichbehandlung der Gläubiger


(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. (2) Jedes Abkommen des Schuldners oder ande

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2011 - IX ZB 121/11

bei uns veröffentlicht am 22.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 121/11 vom 22. September 2011 in dem Insolvenzantragsverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2014 - IX ZB 57/12

bei uns veröffentlicht am 06.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 57/12 vom 6. Februar 2014 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 89 Abs. 1, § 38 Ein Gläubiger ist mit seinem gerichtlich festgesetzten prozessualen Anspruch auf

Referenzen

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 121/11
vom
22. September 2011
in dem Insolvenzantragsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 22. September 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 23. März 2011 wird auf Kosten der Gläubigerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 11.334,65 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 22. April 2009 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, in dem er die Restschuldbefreiung beantragte. Am 29. April 2010 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf und kündigte dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung an. Wegen Forderungen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus der Zeit vom 1. August bis zum 30. November 2007 setzte die Gläubigerin mit Bescheid vom 30. März 2010 Beiträge einschließlich Nebenforderungen in Höhe von insgesamt mehr als 11.000 € gegen den Schuldner fest. Aufgrund dieser Beitragsfor- derung hat die Gläubigerin am 26. Januar 2011 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt. Das Insolvenzgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 4. März 2011 als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Ziel der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners weiter.

II.


2
Die gemäß §§ 6, 7, 34 Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
1. Die von der Rechtsbeschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob Voraussetzung für die Entstehung einer Insolvenzforderung die Kenntnis des Gläubigers von dem seinem Anspruch zugrunde liegenden Sachverhalt und die rechtliche Bewertung desselben ist und ob von einer Insolvenzforderung erst ausgegangen werden kann, wenn der Sozialversicherungsträger einen Beitragsbescheid erlassen hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben (BGH, Urteil vom 6. November 1978 - VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 265 f; Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, 538; vom 7. April 2005 - IX ZB 195/03, NZI 2005, 403, 404; Holzer in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Stand 8/06, § 38 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl., § 38 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 38 Rn. 26). Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist. Entsprechend geht auch der Bundesfinanzhof davon aus, dass für die Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind, entscheidend ist, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Auf die Frage, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, kommt es dagegen nicht an (BFH ZIP 2008, 1780 Rn. 17 mwN).
4
2. Gemäß diesen Grundsätzen sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen , dass die Forderung der Gläubigerin schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 22. April 2009 entstanden ist. Dies entspricht der vom Beschwerdegericht zitierten Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, nach der Beitragsforderungen der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht war hier die Beschäftigung der polnischen Arbeitnehmer, die in dem Zeitraum vom 1. August bis zum 30. November 2007 stattgefunden hat. Auf die Fälligkeit der von der Antragstellerin eingeforderten Beiträge kommt es nicht einmal sozialversicherungsrechtlich an (vgl. Segebrecht, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., § 22 Rn. 20; Kreikebohm, SGB IV, § 22 Rn. 3). Maßgeblich ist allein, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs eingetreten sind (Segebrecht, aaO Rn. 10). Zweifel, dass es sich bei den Ansprüchen der Antragstellerin um Insolvenzforderungen handelt, sind damit ausgeschlossen.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Wetzlar, Entscheidung vom 04.03.2011 - 3 IN 23/11 -
LG Limburg, Entscheidung vom 23.03.2011 - 7 T 64/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 57/12
vom
6. Februar 2014
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Gläubiger ist mit seinem gerichtlich festgesetzten prozessualen Anspruch auf
Erstattung der Kosten eines gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits, der nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen begonnen wurde, kein
Insolvenz-, sondern Neugläubiger. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schuldner zusätzlich
aus einem vor Insolvenzeröffnung verwirklichten Schuldgrund materiellrechtlich
zur Kostenerstattung verpflichtet ist.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZB 57/12 - LG Verden
AG Syke
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 6. Februar 2014

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 7. Mai 2012 teilweise aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 9. Februar 2012 teilweise abgeändert.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Auftrag der weiteren Beteiligten zu 1 zur Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Stolzenau vom 14. Oktober 2011 nicht wegen des über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahrens abzulehnen.
Im Übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsmittel trägt die Gläubigerin 26 v.H., die Schuldnerin 74 v.H.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 151,75 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 11. Februar 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im August 2011 erhob die weitere Beteiligte zu 1 wegen einer Kaufpreisforderung über 176,06 € aus einer im Jahr 2009 erfolgten Warenlieferung Klage gegen die Schuldnerin. Mit Versäumnisurteil vom 15. September 2011 wurde die Schuldnerin zur Zahlung der Hauptforderung nebst Zinsen sowie zur Erstattung von 20 € Mahnkosten, 12 € Schadensfeststellungskosten und 39 € außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Beklagte die Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß § 263 StGB schuldet. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2011 wurden die von der Schuldnerin der weiteren Beteiligten zu 1 aufgrund des Rechtsstreits zu erstattenden Kosten auf 112,75 € nebst Zinsen festgesetzt.
2
Anschließend beauftragte die weitere Beteiligte zu 1 den Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Gerichtsvollzieher lehnte die beantragte Bestimmung eines Termins zur Abnahme der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung ab mit der Begründung, wegen der bereits erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin seien Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung nach § 89 InsO unzulässig.
3
Gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers hat die weitere Beteiligte zu 1 Erinnerung erhoben und ausgeführt, jedenfalls wegen der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 39 € und wegen der im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kosten von 112,75 € sei eine Vollstreckung zulässig, weil diese Forderungen erst nach der Insolvenzeröffnung entstanden seien, die weitere Beteiligte zu 1 mithin insoweit nicht Insolvenzgläubigerin, sondern Neugläubigerin sei. Das Insolvenzgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die weitere Beteiligte zu 1 ihr Begehren bezüglich der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung und der festgesetzten Kosten des Rechtsstreits weiter.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie teilweise Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Einzelzwangsvollstreckung sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch bezüglich der noch im Streit stehenden außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und gerichtlich festgesetzten Kosten des Rechtsstreits nach § 89 InsO unzulässig. Auch insoweit sei die weitere Beteiligte zu 1 wegen des engen und unmittelbaren Zusammenhangs mit der Hauptforderung Insolvenzgläubigerin, auch wenn die in Rede stehenden Kosten erst nach Insolvenzeröffnung entstanden seien.
6
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur bezüglich der Forderung auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 39 € im Ergebnis stand. Die Vollstreckung der Forderung aus dem gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dagegen nicht nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig.
7
a) § 89 Abs. 1 InsO untersagt während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Das Verbot gilt zwar nicht für bloße Vorbereitungsmaßnahmen der Zwangsvollstreckung. Um eine solche handelt es sich bei der beantragten Abnahme der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO aber nicht (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2012 - IX ZB 275/10, WM 2012, 1307 Rn. 10 ff; vom 17. April 2013 - IX ZB 300/11, WM 2013, 939 Rn. 7).
8
b) Der Anwendung des § 89 Abs. 1 InsO steht auch nicht entgegen, dass nach der Feststellung im Versäumnisurteil vom 15. September 2011 die dort titulierten Forderungen der weiteren Beteiligten zu 1 auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Schuldnerin beruhen. Neugläubiger solcher Forderungen (einschließlich entstandener Prozesskosten, vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, WM 2011, 944 Rn. 14) können während des Insolvenzverfahrens zwar in den nach § 850f ZPO erweitert pfändbaren Teil der Bezüge des Schuldners vollstrecken (§ 89 Abs. 2 Satz 2 InsO). Diese Privilegierung gilt als Ausnahme von der Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO jedoch nicht für Insolvenzgläubiger. Für Deliktsgläubiger, die zu den Insolvenzgläubigern zählen, bleibt es beim allgemeinen Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO (BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - IX ZB 16/06, WM 2007, 2300 Rn. 10).
9
c) Entscheidend kommt es deshalb darauf an, ob die weitere Beteiligte zu 1 mit den Forderungen, deren zwangsweise Vollstreckung sie begehrt, Insolvenzgläubigerin ist.
10
aa) Insolvenzgläubiger sind die persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine Insolvenzforderung in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB 121/11, NZI 2011, 953 Rn. 3 mwN).
11
bb) Nach diesem Maßstab handelt es sich nicht nur bei der Hauptforderung , deren entsprechende Einordnung die weitere Beteiligte zu 1 hingenommen hat, um eine Insolvenzforderung, sondern auch bei der Forderung auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
12
Rechtsgrundlage des im Versäumnisurteil titulierten Anspruchs auf Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung ist § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Daneben ergibt sich der Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286, 280 Abs. 1 und 2 BGB). Der danach geschuldete Schadensersatz umfasst die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 mwN; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 249 Rn. 56 f). Die schuldrechtliche Grund- lage des Anspruchs ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Februar 2011 entstanden, gleichviel ob man auf den im Jahr 2009 begangenen Betrug oder auf den spätestens im Januar 2010 eingetretenen Verzug abstellt. Forderungen auf Ausgleich aller auf dieser Grundlage ersatzfähiger Schäden sind Insolvenzforderungen, auch wenn der konkrete Schaden erst nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist, denn sie sind Bestandteil des einheitlichen, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklichten Schuldverhältnisses (RGZ 87, 82, 84 f; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 26, 28; Jaeger/Henckel, InsO, § 38 Rn. 86, 169).
13
cc) Anderes gilt jedoch für den Anspruch der weiteren Beteiligten zu 1 auf Erstattung der Prozesskosten. Dieser Anspruch war zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet. Er ist deshalb keine dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO unterfallende Insolvenzforderung.
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(1) Zwar handelt es sich auch bei den Prozesskosten um einen Schaden, auf den sich die vor Insolvenzeröffnung begründete materiell-rechtliche Schadensersatzpflicht der Schuldnerin wegen unerlaubter Handlung und wegen Verzugs erstreckt. Die weitere Beteiligte zu 1 begehrt aber die Zwangsvollstreckung des im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Anspruchs, mithin des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs. Dieser besteht rechtlich selbständig neben dem materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch (etwa BGH, Urteil vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 170 f; st. Rspr.; MünchKommZPO /Schulz, 4. Aufl., vor §§ 91 ff Rn. 19). Während jener auf dem die Schadensersatzpflicht begründenden Lebenssachverhalt beruht und regelmäßig ein Verschulden voraussetzt, wurzelt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch im Prozessrechtsverhältnis und knüpft verschuldensunabhängig an die Veranlassung der Kosten an (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., vor § 91 Rn. 10 f; Hk- ZPO/Gierl, 5. Aufl., vor §§ 91-107 Rn. 12, 14; Schneider, MDR 1981, 353, 354). Er entsteht aufschiebend bedingt erst mit Prozessbeginn (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR 115/01, WM 2006, 148, 150 mwN; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rn. 15) und ist deshalb nur dann eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, wenn der Prozess vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen hat (MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 107; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 38 Rn. 49; BK-InsO/Breutigam, § 38 Rn. 22). Dies war hier nicht der Fall. In entsprechender Wertung hat der Senat entschieden, dass die Einordnung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs als Alt- oder Neumasseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO davon abhängt, ob der Erstattungsanspruch durch Klageerhebung vor oder nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurde (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 - IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818; vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 Rn. 6).
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(2) Der Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten und der Hauptforderung, die Gegenstand des Prozesses war, rechtfertigt es nicht, über die rechtliche Selbständigkeit des prozessualen Erstattungsanspruchs hinwegzugehen und anzunehmen, dieser sei schon zusammen mit der Hauptforderung begründet. Dies gilt selbst dann, wenn die Hauptforderung - wie hier - auf einem Vorsatzdelikt beruht. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmte Rechtsfolgen von Ansprüchen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen auch auf Verzugszinsen und Prozesskosten erstreckt werden (für das Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB und die Ausnahme von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO: BGH, Urteil vom 18. November 2010 - IX ZR 67/10, WM 2011, 131 Rn. 14 ff; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, WM 2011, 88 Rn. 24, insoweit in BGHZ 187, 337 nicht abgedruckt; für die erweiterte Pfändungsmöglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO: BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, WM 2011, 944 Rn. 14), beruht dies auf der Zielrichtung der entsprechenden Vorschriften, dem durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung geschädigten Gläubiger einen wirkungsvollen und vollständigen Schutz zu gewähren. Darum geht es bei der Beurteilung, ob ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde und deshalb als Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren verfolgt werden muss, oder ob er als nach Verfahrenseröffnung begründeter Anspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens vollstreckt werden kann, nicht. Je nach Sachlage kann die eine oder die andere Einordnung für den Gläubiger vorteilhafter sein.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
AG Syke, Entscheidung vom 09.02.2012 - 15 IK 38/11 -
LG Verden, Entscheidung vom 07.05.2012 - 3 T 16/12 -

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.