Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16

bei uns veröffentlicht am31.05.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Aktenzeichen 73 O 2524/14, wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.671,06 € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016 verwiesen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Az. 73 O 2524/14, verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 50.671,06 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Zur Darstellung der Angriffe der Klägers im Berufungsverfahren wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 15.10.2016 und seine Gegenerklärung vom 10.04.2017.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Aktenzeichen 73 O 2524/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Senatshinweis vom 22.02.2017 (Bl. 276 ff. d.A.) verwiesen. Die Gegenerklärung des Klägers gibt zu einer Änderung der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass. Zu den erhobenen Einwänden ist Folgendes auszuführen:

Zu 1a):

Eine Überraschungsentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Bereits im Hinweisbeschluss vom 18.8.2015 (GA Bl. 93-95) hat das Landgericht unter Ziffer 2) dem Kläger deutlich dargelegt, dass es erhebliche Schwierigkeiten für ihn sieht, einen Beweis dahingehend zu erbringen, dass im Jahr 2002 eine steuerliche Beratung durch den Beklagten erfolgt ist. Dabei geht das Landgericht auch ausführlich auf die Benennung des Steuerberaters U. als Zeugen ein. Es wird genau dargestellt, welche „Ungereimtheiten“ insoweit bereits anhand des schriftlichen Vortrages zu erkennen sind. Das Landgericht war nicht verpflichtet, diese Hinweise nach der Zeugenvernehmung, aus der sich keine anderweitige Sachlage ergab, erneut zu erteilen. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, die Parteien fortlaufend über seine Rechtsauffassung zu informieren und ihnen die aktuelle Rechtslage zu erläutern (MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl. 2016, ZPO § 139 Rn. 41).

Im Übrigen hat die Berufung lediglich vorgetragen, dass nach einem Hinweis neue Beweisanträge hätten gestellt werden können. Es wird aber nicht vorgetragen, um welche Beweismittel es sich handeln soll und welches Ergebnis diese voraussichtlich gehabt hätten.

Zu 1b):

Die Ansicht der Berufung, dass das Landgericht nicht begründet habe, warum es den Ausführungen des Zeugen U. nicht folge, verfängt nicht. Im Rahmen der Beweiswürdigung, ob es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu einem Vertragsabschluss im Oktober 2002 gekommen ist, hat sich das Landgericht eingehend mit dem Inhalt der Aussage des Zeugen U. befasst (LGU S. 5-8). Zu 1c):

Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 20.2.2017 ausgeführt hat, ist eine neue Feststellung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur dann geboten, wenn die Berufung konkrete Anhaltspunkte aufzeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende -Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung diese Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Berufung hat keine konkreten hinreichenden Anhaltspunkte aufgezeigt, die entsprechende Zweifel aufkommen lassen. Nach Auffassung des Senats ist es vorliegend unwahrscheinlich, dass im Falle einer erneuten Beweiserhebung die Feststellungen des Landgerichts keinen Bestand haben würden. Eine Unrichtigkeit der Feststellungen ist nicht ersichtlich.

Zu 1d):

Es werden zunächst lediglich allgemeine Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast gemacht, ohne konkret aufzuzeigen, welchen Kontext genau diese Ausführungen betreffen und inwieweit ein Fehler des Landgerichts vorgelegen haben soll. Die dort enthaltenen Ausführungen zu etwaigen Hinweis- und Beratungspflichten des Beklagten sind völlig unsubstantiiert.

Zu 2):

Aus der Tatsache, dass das Finanzamt trotz des Umstandes, dass eine gemeinsame Buchführung vorgenommen worden war, die Steuerbescheide erlassen hat, ohne dies zu monieren, ist ersichtlich, dass eine ungetrennte steuerliche Erfassung dennoch möglich war. Im Einspruchsverfahren wird mit Schreiben vom 04.03.2013 seitens des Finanzamts … erläutert, dass von der Selbstständigkeit der einzelnen Aktivität auszugehen sei, und zwar auch dann, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden sei. Lediglich zur Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht bat das Finanzamt um die Vorlage von getrennten Gewinnermittlungen. Rein tatsächlich spricht dies gegen die Argumentation der Berufung.

Im Übrigen wurde in erster Instanz nicht vorgetragen, dass eine Trennung der Einkünfteermittlung bereits für die Steuererklärung und den Steuerbescheid notwendig gewesen ist. Vielmehr wurde vorgetragen, dass die dann vorgenommene Trennung erforderlich geworden sei, da sonst die streitgegenständlichen Einspruchsverfahren nicht hätten erledigt werden können (Bl. 59 d.A.). Der vorgenannte Vortrag ist als neues Angriffsmittel gemäß § 531 ZPO anzusehen. Die Voraussetzungen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO, dieses neue Angriffsmittel zuzulassen, sind nicht gegeben.

Des Weiteren hätte der Kläger im Rahmen des insoweit bestehenden Vertragsverhältnisses (Erstellung der jährlichen Steuererklärungen) den Beklagten auffordern können, die im Einspruchsverfahren notwendige Trennung der Buchführung durchzuführen. Der Sachvortrag des Klägers, den Beklagten insoweit aufgefordert zu haben, ist unsubstantiiert. Insbesondere wurde nicht vorgetragen, dass eine Frist zur Leistungserbringung gesetzt worden ist. Diese ist vorliegend auch nicht entbehrlich.

Es ist auch kein Schaden ersichtlich, da dem Kläger bei der Beendigung der Einspruchsverfahren bzw. für die Trennung der Buchführung und der Überschussberechnungen durch den Beklagten diese Kosten ohnehin entstanden wären.

Zu 3):

Eine unzulässige Beweisantizipation im Hinblick auf die nicht durchgeführte Vernehmung des Zeugen G. ist nicht gegeben. Von Beweisantizipation spricht man, wenn das Gericht Vermutungen über das Ergebnis eines Beweises anstellt und diesen dann gegebenenfalls wegen Überflüssigkeit nicht erhebt. Vorliegend hat dagegen das Landgericht keine Vermutungen angestellt, sondern den Sachvortrag, für den der Zeuge G. als Beweis angeboten worden war, als wahr unterstellt und in die Beweiswürdigung einbezogen.

Dem Beklagten ist es auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Verjährung zu berufen. Die Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung liegen insoweit nicht vor. Im Verjährungsrecht ist bei der Anwendung des § 242 BGB ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 88, 2247).

Der Zweck der Verjährungsregelung gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) durchgreifen zu lassen, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein (BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86). Vorliegend hat der Beklagte - soweit man dies als wahr unterstellt - lediglich erklärt, dass seiner Meinung nach die Rechtsauffassung des Finanzamts … unrichtig sei. Daher hat der Beklagte dann auch Einsprüche gegen die Steuerbescheide eingelegt. Dies rechtfertigt das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht. Die von der Berufung genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12 -, juris) ist nicht einschlägig, da im dortigen Verfahren der Steuerberater gerade keinen Einspruch eingelegt und den Anschein erweckt hatte, der Steuerbescheid sei nicht in Bestandskraft erwachsen. Dies ist mit dem hiesigen Sachverhalt nicht zu vergleichen.

Im Hinblick auf die grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers über die anspruchsbegründenden Umstände seines Schadensersatzanspruchs wird auf den Senatshinweis und die Entscheidungsgründe des Landgerichts, die sich der Senat zu eigen gemacht hat, verwiesen. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 06. Februar 2014 - IX ZR 245/12 -, BGHZ 200, 172-179) die die Berufung in diesem Kontext zitiert, hatte sich der Kläger schon im laufenden Einspruchsverfahren anwaltlicher Hilfe und Beratung bedient. Außerdem hat ihm das Finanzamt bereits mit Schreiben vom 07.08.2009 mitgeteilt, dass es die Voraussetzungen für die Verlustabrechnung nicht als erfüllt ansieht. Der Lebenssachverhalt ist daher nicht vergleichbar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Hinsichtlich der Streitwertbemessung für die Berufungsinstanz wird auf Punkt III der Gründe des Hinweisbeschlusses verwiesen.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16 zitiert 8 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 31. Mai 2017 - 6 U 39/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2014 - IX ZR 245/12

bei uns veröffentlicht am 06.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 245/12 Verkündet am: 6. Februar 2014 Kirchgeßner Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 199 Abs. 1

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 215/12 Verkündet am: 14. November 2013 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 203, 214

Landgericht Würzburg Endurteil, 29. Juni 2016 - 73 O 2524/14

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Referenzen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 50.671,06 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Steuerberatervertrag. Der Beklagte ist Steuerberater und war als solcher für den Kläger tätig.

Ende des Jahres 2002 kam es zu einem persönlichen Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten in der Wohnung des Beklagten. Der Kontakt zwischen den Parteien wurde durch den Zeugen StB Markus Rudloff hergestellt, der bei dem Gespräch zwischen den Parteien aber nicht dauerhaft anwesend war. Unstreitig ging es bei diesem Gespräch jedenfalls auch um die Absicht des Klägers, Fahrdienstleistungen für seinen Onkel und andere Landwirte anzubieten und die steuerliche Behandlung dieser Tätigkeit. Details zu diesem Gespräch und dessen Charakterisierung sind aber zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger meldete am 19.12.2002 sodann ein Gewerbe bei der Verwaltungsgemeinschaft Kitzingen mit Beginn zum 01.12.2002 und der Tätigkeitsumschreibung „Vermietung von Maschinen, Fahrdienstleistung, Handel mit Landwirtschaftsmaschinen“ an. Das Formular wurde von dem Zeugen StB Markus Rudloff ausgefüllt und vom Kläger unterschrieben. Am 18.03.2003 erfolgte die Gewerbeanzeige gegenüber dem Finanzamt Kitzingen, die ebenfalls von dem Zeugen StB Markus Rudloff ausgefüllt und vom Kläger unterschrieben wurde.

Der Beklagte wurde dann von dem Kläger jedenfalls in der ersten Hälfte des Jahres 2003 mit der Erstellung von Einkommenssteuer- und Umsatzsteuererklärungen beauftragt.

Nach der Betriebsprüfung vom 04.11.2008 wurde der Gewerbebetrieb des Klägers seitens des Finanzamtes nicht mehr anerkannt, mit der Folge, dass der Kläger die Verluste aus dieser Tätigkeit nicht mehr mit anderen Einkünften verrechnen konnte. Dies wurde dem Beklagten mittels belastender Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2008 im Jahr 2009 bekanntgegeben. Gegen die Steuerbescheide 2004 bis 2009 legte der Kläger Einspruch ein. Auf die Einsprüche hin erklärte das Finanzamt Kitzingen mit Schreiben vom 07.08.2009 (Anlage A 14), dass es nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage keine Möglichkeit sieht, den Einspruchsanträgen zu entsprechen. Die Einspruchsverfahren führte der Beklagte jedoch bis 2013 nicht zu einem Ende, sodass der Kläger sodann den heutigen Klägervertreter ... damit beauftragte. Dem Kläger sind für den Einkommenssteuerbescheid 2005 Aussetzungszinsen in Höhe von 755,25 € entstanden.

Zum 01.01.2005 ergänzte der Kläger durch Gewerbeummeldung die Tätigkeit „Elektrohandel“ in seinem Gewerbebetrieb. Der Beklagte erstellte in der Folge einheitliche Buchführungen und Überschussberechnungen. Mit Schreiben vom 04.03.2013 (Anlage A 11) wies das ... darauf hin, dass eine Trennung der Buchführungen und Überschussberechnungen für die Fortführung der Einspruchsverfahren erforderlich sei. Der Beklagte nahm eine solche Trennung jedoch nicht vor. Auch hier wurde schließlich ... seitens des Klägers damit beauftragt. Das Schreiben des ... vom 29.04.2014 (Anlage A 6 b) betreffend die 700 € Einkommenssteuerzinsen enthält diesbezüglich eine ca.-Angabe, weil genaue Angaben zu den Zinsen erst nach Bescheidbekanntgabe möglich sind.

Der Kläger behauptet, dass die Vermietung der landwirtschaftlichen Maschinen im Vordergrund des Gewerbes gestanden habe und die Fahrdienstleistungen nur als „Abfallprodukte“ geplant gewesen seien. Zudem sei bereits im Oktober 2002 mit dem Beklagten ein umfassendes Mandatsverhältnis begründet worden, in dessen Rahmen der Beklagte vom Kläger mit der steuerlichen Gestaltungsberatung und der Aufnahme des streitgegenständlichen Gewerbebetriebs beauftragt gewesen sei. Die entsprechende Beratung habe sodann auch im Oktober 2002 in Form eines 30-minütigen Gesprächs im Haus des Klägers stattgefunden. Dieses Gespräch sei ein steuerberaterliches Beratungsgespräch zur Existenzgründung/Unternehmensgründung des Klägers gewesen. Insbesondere sei es um eine steuerliche Gestaltungsberatung gegangen. Während dieses Gesprächs habe der Beklagte jedoch nicht auf Totalgewinnüberschussprognoserechnungen, einen Businessplan sowie Fragen des § 22 Nr. 3 EStG, hier insbesondere auf die Abgrenzung des Bereichs der Vermögensverwaltung zu dem Betreiben eines Gewerbebetriebs hingewiesen. Auf dieser fehlerhaften Gründungsberatung beruhten daher die belastenden Steuerbescheide 2002 bis 2009, die zu einem Steuernachteil von insgesamt 8.001,62 € geführt hätten und die für den Gewerbebetrieb getätigten Aufwendungen in Höhe von 36.993,89 €. Aber auch in der Folgezeit habe der Beklagte den Kläger nicht pflichtgemäß auf die Gefahr hingewiesen, dass das Finanzamt seinen Gewerbebetrieb nicht mehr anerkennt und eine Verlustverrechenbarkeit somit ausscheide. Diese fehlende Aufklärung sei sodann kausal für die Fortführung des Gewerbebetriebs gewesen. Zudem habe der Beklagte den Kläger durch fehlerhafte Beratung dazu veranlasst gegen die Steuerbescheide 2004 bis 2009 Einspruch einzulegen, weshalb ihm diesbezüglich Kosten von 2.620,30 € entstanden seien. Der Beklagte hätte zudem keine einheitlichen Buchführungen und Überschussberechnungen hinsichtlich der Tätigkeiten Vermietung von Maschinen, Fahrdienstleistung, Handel mit Landwirtschaftsmaschinen einerseits und Elektrohandel andererseits vornehmen dürfen. Sodann habe er sich auch geweigert, eine Trennung dieser vorzunehmen. Durch die Beauftragung des ... sei ihm deshalb ein Schaden in Höhe von 1.600 € entstanden. Schließlich sei ihm ein Schaden durch Einkommenssteuerzinsen in Höhe von 700 € entstanden. Das ergebe sich aus dem Schreiben des ... vom 29.04.2014. Der Kläger habe das Mandatsverhältnis dann im Juli 2013 mündlich gekündigt.

Der Kläger beantragt:

Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von € 50.671,06 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte behauptet, bei der Gewerbeanmeldung und -aufnahme sei der Kläger wenn überhaupt von dem ... vertreten und beraten worden. Er selber sei nicht mit einer Gründungs-/Gestaltungsberatung mandatiert gewesen. Eine solche sei auch nicht Gegenstand des Gesprächs Ende 2002 im Hause des Klägers gewesen. Bei diesem Gespräch habe der Kläger dem Beklagten lediglich in wenigen Minuten und in groben Zügen beschrieben, welche Tätigkeit er bereits ausübe und was er plane. Eine Beratung durch den Beklagten sei nicht erfolgt. Vielmehr habe der Kläger Ausführungen des Beklagten „abgewürgt“, sich für sein Erscheinen bedankt und ihn verabschiedet. Der Kläger habe den Beklagten sodann erst wieder im Jahr 2003 für die Erstellung seiner Steuererklärungen mandatiert, nachdem das Gewerbe des Klägers bereits gegründet und die entsprechenden Aufwendungen getätigt gewesen seien.

Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, dass eventuelle Schadensersatzansprüche verjährt seien, weil sich der Kläger spätestens ab 2009 in Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der behaupteten anspruchsbegründenden Umstände befunden habe.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2016 sowohl den Kläger als auch den Beklagten informatorisch angehört. In der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 wurden die ... und der der ... vernommen, im Termin vom 08.06.2016 wurde schließlich der ... vernommen. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht ... gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, §§ 12, 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig, weil der Beklagte seinen Wohnsitz in... und damit im Landgerichtsbezirk ... hat und der Streitwert in der Hauptsache 50.671,06 € beträgt.

2. Mit der Klage werden verschiedene Ansprüche geltend gemacht, insbesondere wird auf verschiedene Pflichtverletzungen des Beklagten abgestellt (fehlerhafte Gründungsberatung, fehlerhafte Beratung in der Folgezeit). Die Voraussetzungen des § 260 ZPO sind insoweit erfüllt.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner Steuernachteile und Aufwendungen in Höhe von 44.995,51 € aufgrund fehlerhafter Gestaltungsberatung im Oktober 2002 aus §§ 675, 611, 280 Abs. 1 BGB.

Der Kläger kann bereits keinen Vertragsschluss im Oktober 2002 und somit vor seiner Gewerbeanmeldung nachweisen, der ein umfassendes Mandatsverhältnis zum Gegenstand hat, in dessen Rahmen der Beklagte vom Kläger mit der steuerlichen Gestaltungsberatung beauftragt war.

Zwar kam es zwischen den Parteien zu dieser Zeit unstreitig zu einem Kontakt im Haus des Klägers. Streitig sind aber bereits die Länge und der Inhalt des Gesprächs. Dem beweisbelasteten Kläger ist es nicht gelungen, eine Mandatierung des Beklagten mit einer umfassenden steuerlichen Beratung im Vorfeld der von ihm geplanten Unternehmensgründung/Gewerbeanmeldung nachzuweisen. Insebsondere ist der Nachweis nicht gelungen, dass in dem Gespräch Ende 2002 thematisiert wurde, dass er sicher noch im Jahr 2002 eine gewerbliche Tätigkeit in Form von Vermietung von Landmaschinen und Fahrdiensten aufnehmen wird und den Beklagten damit beauftragt hat, ihn wirtschaftlich und steuerlich hierbei umfassend zu unterstützen. Das Vorbringen des Klägers wurde durch den Beklagten dezidiert bestritten. Der Beklagte schilderte die aus seiner Sicht „skurille“ Begegnung mit dem Kläger in weiten Teilen vollkommen anders. Aus Sicht des Beklagten ist hier keinerlei steuerliche Beratung erfolgt. Es habe lediglich ein Gespräch im Haus des Klägers gegeben, der ihn über einen gemeinsamen Bekannten, den ..., um dieses Gespräch gebeten habe. Das nur wenige Minuten andauernde Gespräch sei dann vom Kläger abgebrochen worden und der Beklagte aus dem klägerischen Haus verabschiedet worden.

Zeugen für den eigentlichen Ablauf und den Inhalt des Gespräches gibt es nicht.

Die ... gab an, lediglich bei der Anbahnung des Kontaktes involviert gewesen zu sein. Beim hier relevanten Gespräch, von dem der Kläger behauptet, es habe eine umfassende Beratung zur Unternehmensgründung stattgefunden, war die Zeugin nicht anwesend. Die Zeugin gab an, auch aus anderen Quellen nichts zum Inhalt von Gesprächen zwischen den Parteien sagen zu können. Auch die klägerische Behauptung, dass der Kläger ihr gegenüber erzählt habe, der Beklagte habe geäußert, dass „die vom Finanzamt keine Ahnung hätten“, konnte von der Zeugin nicht bestätigt werden. Im Übrigen konnte die ... nur Vermutungen ihrerseits schildern, dass die Einlegung der Einsprüche gegen die Steuerbescheide auf Initiative des Beklagten erfolgt wären.

Der ..., der als Steuerfachwirt in der Kanzlei des Beklagten die Verfahren des Klägers bearbeitete gab an, dass der Beklagte erst zu einem Zeitpunkt den Beklagten mandatiert habe, als sein Gewerbe bereits gegründet gewesen sei. Es sei lediglich darum gegangen, die Steuererklärungen zu erstellen. Auffällig sei gewesen, dass auch der Betriebseröffnungsbogen nicht von der Kanzlei des Beklagten ausgefüllt worden sei. Dieser sei vielmehr handschriftlich ausgefüllt gewesen. Bei Unternehmensgründungen, die von der Kanzlei des Beklagten begleitet worden seien, sei dagegen dieser Betriebseröffnungsbogen immer auch von der Kanzlei ausgefüllt worden. Auch dies spreche dafür, dass eine Mandatierung des Beklagten erst nach erfolgter Unternehmensgründung erfolgt sei. Es sei auch keinesfalls so gewesen, dass man die gewählte steuerliche Gestaltung als sicher angesehen habe. Vielmehr sei auch mit dem Kläger besprochen worden, dass von diesem Einkünfte aus seinen Fahrdienstleistungen erzielt werden müssten. Er selber habe diesbezüglich mehrmals mit dem Kläger telefoniert.

Der ... gab an, dass er den Kontakt zwischen den Parteien vermittelt habe. Es habe danach ein Gespräch über eine Art Gründungsberatung gegeben, das im Haus Klägers stattgefunden habe. Er selber habe die heutigen Streitparteien gegenseitig vorgestellt. Man habe dort im Wohnhaus gemeinsam an einem Tisch gesessen. Gegenstand des Treffens sei die Gründung des Betriebs durch de Kläger gewesen. Nach der Vorstellung habe der Kläger Fragen gestellt, bei denen es um Investitionen, insbesondere die Frage der Anschaffung eines Traktors und zweier anderer Maschinen gegangen sei. Auch sei es um die Frage der Vermietung von Maschinen und die Erbringung von Fahrleistung gegangen. Konkrete Angaben zum Inhalt des Gesprächs konnte der ... nicht machen. Vielmehr gab er an, dem Gespräch nur zu Beginn für 5, allenfalls 10, Minuten beigewohnt zu haben und dieses dann verlassen zu haben. Daneben gab der Zeuge an, selber den Kläger nicht steuerlich beraten zu haben. Er habe lediglich die Gewerbeanmeldung und das Formular zur Betriebseröffnung des Finanzamts (Fragebogen zur Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit) für den Kläger ausgefüllt. Er habe den Kläger zufällig bei der ... getroffen. Dieser habe ihn gebeten, die Formulare für ihn auszufüllen, was er dann auch getan habe. Es sei dabei allerdings um keinerlei steuerberatende Tätigkeit gegangen.

Das Gericht vermag sich alleine aus dem Vorbringen der Parteien kein klares Bild darüber zu verschaffen, was tatsächlich zwischen den Parteien besprochen worden ist und wie das geschilderte Gespräch abgelaufen ist. Die beiden Schilderungen sind nicht miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Auch kann das Gericht keine differenzierte Einschätzung vornehmen, nach der eine der Parteien einen glaubwürdigeren Eindruck auf das Gericht gemacht hat, als die andere Partei. Auffällig ist aber, dass es keinerlei Vollmacht oder Schriftwechsel zwischen dem Beklagten und dem Kläger aus dieser Zeit gibt. Das erscheint zumindest sehr ungewöhnlich, wenn hier eine umfassende Beratung über eine angedachte Unternehmensgründung erfolgt sein soll. Auch erscheint es dem Gericht nicht alltäglich, dass über eine derartige vom Kläger behauptete umfassende Gestaltungsberatung durch den Beklagten keine Rechnung gestellt wurde. Diese Punkte sprechen klar für die vom Beklagten behauptete Version des Geschehens. Deutlich gegen die vom Kläger behauptete Version der Geschehensabläufe spricht hier auch, dass die am 19.12.2002 tatsächlich stattgefundene Gewerbeanmeldung und die Gewerbeanzeige gegenüber dem Finanzamt vom 18.03.2003 nicht von dem Beklagten ausgefüllt wurden, sondern seitens des .... Dies obwohl der Kläger vorträgt, dass zu der betreffenden Zeit bereits ein umfassendes Mandat zugunsten des Beklagten vorgelegen habe. Dieser außergewöhnliche Umstand konnte weder vom Kläger noch vom ... für das Gericht überzeugend erklärt werden. Die Schilderung des Klägers ..., dass er sich vom ... nur beim Ausfüllen der Formulare habe helfen lassen, macht schlicht keinen Sinn, wenn eine umfassende Mandatierung des Beklagten (als Steuerberater), wie ja vom Kläger behauptet, vorgelegen haben soll.

Dies spricht vielmehr eindeutig für die Schilderung des Beklagten, dass es im Jahr 2002 nur ein - aus seiner Sicht merkwürdiges - Gespräch mit dem Kläger gegeben habe und eine Mandatierung erst im Jahr 2003 im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärungen erfolgt sei. Das Gericht übersieht dabei nicht, dass der ... zumindest bestätigen konnte, dass es ein Gespräch in einer Art Bibliothekszimmer gegeben habe, an dem der ... anfangs teilgenommen habe. Dies spricht für die vom Kläger geschilderte Version des Geschehens. Ein solches (möglicherweise zweites Gespräch) war dem Beklagten in seiner Anhörung nicht erinnerlich. Allerdings konnte keiner der Zeugen den hier relevanten Kern des klägerischen Vortrags bestätigen, dass es nämlich eine umfassende Mandatierung des Beklagten mit einer steuerberaterlichen Beratung zur Unternehmensgründung gegeben habe. Selbst die Schilderung des Zeugen Rudloff, dass zu Beginn des Gesprächs der Kläger Fragen an den Beklagten zu geplanten Investitionen gestellt habe, stellt noch keinesfalls eine Beratung für eine Unternehmensgründung dar. Ein für das Gericht ganz wesentlicher Punkt, an dieser Behauptung zu zweifeln ist der Umstand, dass dann trotz dieser Mandatierung des Beklagten die notwendigen Formulare nicht durch dessen Kanzlei, sondern durch den ... ausgefüllt wurden.

Nach alledem ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass zwischen den Parteien bereits im Jahr 2002 ein Vertragsverhältnis mit dem Inhalt einer steuerrechtlichen Beratung durch den Beklagten bestand, weswegen Ansprüche auf Grund der Verletzung von Pflichten aus einem solchen Vertragsverhältnis ausscheiden.

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz seiner Kosten für die Trennung der Buchführung und Überschussberechnungen 2003-2009 in Elektrohandel und Landmaschinenvermietung in Höhe von 1.600 € und der Kosten für die Einspruchsverfahren 2004-2009 in Höhe von 2.620,30 € aus §§ 675, 611, 281, 280 Abs. 1 BGB.

a. Zwar lag seit Mitte des Jahres 2003 unstreitig zwischen den Parteien ein steuerrechtliches Beratungsverhältnis vor. Hinsichtlich der Kosten, die dem Kläger bei einer Beendigung der Einspruchsverfahren bzw. für die Trennung der Buchführung und Überschussberechnungen durch den Beklagten ohnehin entstanden wären, liegt aber bereits kein Schaden vor.

b. Ein Anspruch auf eventuelle Mehrkosten, die dem Kläger durch die Nichtleistung des Beklagten entstanden sind, scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger dem Beklagten keine Frist zur Leistungserbringung gesetzt hat und diese auch nicht entbehrlich war. Der Beklagte hat keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung geäußert, zumindest wurde dies vom Kläger nicht nachgewiesen. Es liegen auch keine sonstigen besonderen Umstände vor, die eine Fristsetzung entbehrlich gemacht hätten. Die bloße Untätigkeit des Schuldners, auch über einen sehr großen Zeitraum hinweg, reicht nicht aus. Auch die für diese Zeit anfallenden Aussetzungszinsen können keine besonderen Umstände darstellen, die eine Fristsetzung entbehrlich machen.

5. Der Beklagte hat auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten für die Trennung der Buchführung und Überschussberechnungen 2003-2009 in Elektrohandel und Landmaschinenvermietung in Höhe von 1.600 € aus §§ 675, 611, 280 Abs. 1 BGB, weil der Beklagte das Gewerbe nicht von Anfang an trennen musste. Die Tätigkeit Elektrohandel wurde durch die Gewerbeummeldung lediglich ergänzt, sodass sich die gesamten Tätigkeiten für den Beklagten (zumindest nach der vom Kläger begehrten steuerlichen Gestaltung) als einheitlicher Gewerbebetrieb dargestellt haben. Der Kläger kann hier auch keine anderweitige Verpflichtung des Beklagten nachweisen. Eine solche kann sich insbesondere nicht aus dem Hinweis des Finanzamtes vom 04.03.2013 ergeben, sondern lediglich aus einer entsprechenden Weisung seitens des Klägers.

6. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Einkommenssteuer-Zinsen in Höhe von 700 € besteht nicht. Die Höhe des Geldbetrages wurde nicht substantiiert vorgetragen. Das Schreiben des ... vom 29.04.2014 enthält hierzu lediglich eine ca.-Angabe, weil genaue Angaben zu den Zinsen erst nach Bescheidbekanntgabe möglich sind.

7. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus §§ 675, 611, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der geltend gemachten Steuernachteile und Aufwendungen gegen den Beklagten zu, weil dieser den Kläger im Rahmen seines Vertragsverhältnisses ab Mitte 2003 nicht pflichtgemäß auf die Gefahr der Nichtverrechenbarkeit seiner Verluste mit anderen Einkünften hingewiesen hat und der Kläger deshalb seine streitgegenständliche Tätigkeit fortgeführt hat.

a. Die hieraus in Betracht kommenden Ansprüche wären jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2012 verjährt. Dabei läuft für einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens einschließlich aller weiteren adäquat verursachten, vorausseh- und zurechenbaren Nachteile aus ein und derselben Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters eine einheitliche Verjährungsfrist, die mit der Entstehung des ersten Teilschadens in Gang gesetzt wird (BGH, 18.12.1997 - IX ZR 180/96).

Mögliche Regressansprüche wären mit der Zustellung der belastenden Steuerbescheide im Jahr 2009 nach § 199 I Nr. 1 BGB entstanden. Denn die Ansprüche des Mandanten aus dem Steuerberatervertrag verjähren seit dem 15.12.2004 nach den §§ 194 ff. BGB, wobei die zu dem aufgehobenen § 68 StBerG entwickelten Rechtsgrundsätze dazu, wann der Anspruch entstanden ist, weiterhin anzuwenden sind. Danach entsteht der Anspruch, wenn sich die Vermögenslage des Mandanten infolge der Pflichtverletzung des Beraters mit der Zustellung der belastenden Steuerbescheide objektiv verschlechtert hat. Es muss aber nicht feststehen, dass die Vermögenseinbuße bestehen bleibt. (vgl. Fischer in Beck-OK BGB § 675 Rn. 41)

b. Weiter hätte die Verjährungsfrist spätestens am Ende des Jahres 2009 zu laufen begonnen, weil auch die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu diesem Zeitpunkt schon vorgelegen hätten.

Nach neuem Verjährungsrecht ist jedenfalls die Grundlage für einen Sekundäranspruch gegen den Berater mit der Einfügung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entfallen. (vgl. Fischer in Beck-OK BGB § 675 Rn. 41).

Der Kläger hat sich spätestens seit 2009 zumindest grob fahrlässig in Unkenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände seines Schadensersatzanspruchs befunden. Allein die Einlegung der Einsprüche kann hier jedenfalls keine Auswirkungen auf den Beginn der Verjährungsfrist haben. Bereits für die Kenntnis nach § 199 I Nr. 2 BGB ist es ausreichend, dass der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (Rothe in MüKo BGB, § 199 Rn. 28). Aufgrund der belastenden Steuerbescheide aus dem Jahr 2009 bzw. des Schreibens des Finanzamtes vom 07.08.2009 wusste der Kläger, dass das Finanzamt die Voraussetzungen für die Verlustverrechenbarkeit als nicht erfüllt ansieht. Hierauf machte der Beklagte den Kläger auch aufmerksam, indem er ihm die belastenden Steuerbescheide übersandte und einen entsprechenden Einspruch mit beigefügt hat. Der bekanntgegebene belastende Steuerbescheid gibt dem Mandanten aber in der Regel Anlass zur Prüfung, ob der Steuernachteil auf einer Fehlberatung seines Steuerberaters beruht. Von diesem Zeitpunkt an ist dem Auftraggeber zuzumuten, einen Ersatzanspruch gegen den Steuerberater im Wege der Klage geltend zu machen (BGH NJW 1998, 1488, 1489). Das Gericht berücksichtigt hier auch, dass der Beklagte den Kläger gerade als Hilfe für die steuerrechtlichen Fragen beauftragt hat. Eine andere Bewertung kann sich auch nicht aus dem vom Kläger behaupteten Umstand ergeben, der Beklagte habe ihn zur Einlegung der Einsprüche gedrängt und die Rechtsauffassung des Finanzamt für irrig erklärt. Denn insbesondere auf den Hinweis des Finanzamts vom 07.08.2009 hin, wonach dieses auch nach Einlegung der Einsprüche und nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht von den getroffenen Feststellungen abweichen wollte und eine Rücknahme derselben nahelegte, musste der Kläger Nachforschungen dahingehend anstellen, ob er diesbezüglich richtig beraten wurde. Jedenfalls kann er sich nicht darauf berufen, dass er über mehrere Jahre nach Zugang der belastenden Steuerbescheide und ohne weitere Entwicklungen in der Sache ohne grobe Fahrlässigkeit davon ausging, dass das Gewerbe steuerrechtlich ohne Nachteile für ihn war.

8. Auch ein möglicher Anspruch des Klägers aus §§ 675, 611, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der Kosten für die Einspruchsverfahren und die dafür angefallenen Aussetzungszinsen in Höhe von 755,25 € wäre jedenfalls verjährt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

III.

Die Höhe des festgesetzen Streitwertes ergibt sich aus den vom Kläger begehrten bezifferten Ansprüchen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 215/12
Verkündet am:
14. November 2013
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat ein Steuerberater durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht
eingelegten Einspruchs den Anschein erweckt, der Steuerbescheid, der angefochten
werden sollte, sei nicht in Bestandskraft erwachsen, kann er sich bis zur Aufdeckung
seines Fehlers und des eingetretenen Schadens auch dann nicht auf die eingetretene
Verjährung des gegen ihn gerichteten Haftungsanspruchs berufen, wenn ihm ein
vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann.
BGH, Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12 - OLG Hamm
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Kläger nehmen die Beklagten wegen fehlerhafter Steuerberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Zunächst hatte die Beklagte zu 1, eine Steuerberatergesellschaft , die Kläger steuerlich beraten. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2003 stellte sie ihre Geschäftstätigkeit ein. Mit Wirkung zum 1. April 2004 gründete die Beklagte zu 3, eine ehemalige Angestellte der Beklagten zu 1, gemeinsam mit der Beklagten zu 4 die Beklagte zu 2. Die Parteien streiten über die Fragen, ob der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 verjährt ist und ob auch Ansprüche gegen die Beklagten zu 2 bis 4 bestehen.

2
Die Kläger, die sich zu einer Grundstücksgemeinschaft zusammengeschlossen und ein Grundstück veräußert hatten, beauftragten die Beklagte zu 1, Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid einzulegen, mit welchem das zuständige Finanzamt den Veräußerungsgewinn ("Spekulationsgewinn") auf 373.012 DM (190.718,01 €) festgesetzt hatte. Im Einspruchsschreiben rügte die Beklagte zu 1 die Verfassungswidrigkeit des für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns maßgeblichen Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Die Kläger erhielten eine Abschrift des Schreibens. Der Einspruch ging nicht beim zuständigen Finanzamt ein; die Beklagten behaupten nicht, dass es überhaupt abgesandt worden sei. Gegen die Kläger wurde mit Bescheiden vom 23. Mai 2003 und vom 14. Juli 2003 Einkommensteuer in Höhe von 44.281,50 € und von 43.511,18 € festgesetzt. Mit Schreiben vom 14. Juli 2003 teilte die Beklagte zu 1 den Klägern mit, der Feststellungsbescheid sei nach einem BMF-Schreiben vorläufig; im Falle einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde er aufgehoben. Mit Bescheid vom 7. August 2003 lehnte das zuständige Finanzamt den von der Beklagten zu 1 für die Kläger gestellten Antrag auf Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks ab, weil der Feststellungsbescheid, gegen den kein Einspruch eingelegt worden sei, bestandskräftig geworden sei. Diesen Bescheid leitete die Beklagte zu 1 nicht an die Kläger weiter. Am 7. Juli 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Steuerentlastungsgesetz im hier maßgeblichen Teil für verfassungswidrig.
3
Mit ihrer am 13. Mai 2011 beim Landgericht eingegangenen, zunächst nur gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage haben die Kläger Schadensersatz in Höhe der jeweils gegen sie festgesetzten Einkommensteuer nebst Zinsen verlangt, von der Beklagten zu 1 außerdem Ersatz des Verzugsschadens in Höhe von 1.239,50 €. Die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 ist am 10. Ok- tober 2011 bei Gericht eingegangen. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Kläger, mit welcher diese Zahlung von 87.792,68 € nebst Zinsen sowie weiterer 1.239,50 € an die J GmbH als Abtretungsempfängerin verlangt haben, ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 und zu 4 war die Berufung zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig begründet worden. Eine ausschließlich für die Abtretungsempfängerin (die J GmbH) eingereichte Begründung hätte den Klägern nicht als eigene zugerechnet werden können und wäre nicht geeignet gewesen, die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO zu wahren (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2001 - II ZB 13/01, NJWRR 2002, 646). Der Schriftsatz vom 15. Februar 2012, welcher die Begründung enthält, ist jedoch (auch) namens der Kläger verfasst worden.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1993 - VII ZB 24/93, NJW-RR 1994, 568 unter II. 1. a); Urteil vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90, NJW 1991, 2630, 2631 unter II. 3.; vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, VersR 2009, 685 Rn. 45; vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310 Rn. 30). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 9; vom 1. August 2013, aaO).
7
2. Die Berufungsbegründung vom 15. Februar 2012 geht nicht davon aus, dass die Kläger mit dem Hinweis auf die Abtretung der Klageforderung endgültig aus dem Rechtsstreit ausgeschieden sind. Sie weist in der Überschrift ("Im Berufungsverfahren 1. G. J. 2. H. L. ./. 1. E. mbH …") die Kläger, nicht die Abtretungsempfängerin als Berufungskläger aus. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger, die für diese Berufung eingelegt hatten, bestellen sich "auch" für die Abtretungsempfängerin und beantragen einen Parteiwechsel auf Klägerseite. Sie kündigen zwar den Antrag an, die Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an "die Klägerin" 87.792,68 € nebst Zinsen zu zahlen. Für den Fall, dass das Gericht die Zustimmung der Beklagten für erforderlich halte, beantragen sie jedoch, den Beklagten eine Frist zur Erklärung der Zustimmung zu setzen. Sie geben damit hinreichend zu erkennen, dass sie nach wie vor von den Klägern mandatiert worden sind, sie (auch) für diese han- deln und dass die Entscheidung über den Verbleib der Kläger im anhängigen Verfahren noch nicht abschließend gefallen ist. Unter diesen Voraussetzungen bezieht sich die sich an die genannten Anträge anschließende Berufungsbegründung (auch) auf die noch nicht aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Kläger. So ist die Begründung im bisherigen Verlauf des Rechtsstreits auch von allen Prozessbeteiligten verstanden worden.

II.


8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte zu 1 seien verjährt. Die Verjährung richte sich nach § 68 StBerG aF. Der Schaden sei mit der Bestandskraft des Feststellungsbescheides entstanden ; diese sei nach Ablauf der Einspruchsfrist am 8. April 2003 eingetreten. Sekundäre Schadensersatzansprüche seien ebenfalls verjährt. Die Beklagte zu 1 sei nicht gemäß § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben. Die Kläger hätten zwar bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2010 keine Kenntnis von der Versäumung der Einspruchsfrist gehabt. Sie hätten jedoch nicht zu beweisen vermocht , dass die Beklagte zu 3 als die mit dem Vorgang befasste Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 vorsätzlich gehandelt habe. Dass die bei der Beklagten zu 2 für sie, die Kläger, zuständige Mitarbeiterin auf Nachfragen wiederholt erklärt habe, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe noch aus, begründe ebenfalls nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Sachlich sei der Hinweis zutreffend gewesen; dass die Mitarbeiterin mit dieser Auskunft den Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides habe verheimlichen und die Kläger damit von einer rechtzeitigen Inanspruchnahme der Beklagten habe abhalten wollen, sei weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt worden. Die grobe Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 3 reiche allein nicht aus, den Missbrauchseinwand zu begründen.
9
Ob zwischen der Beklagten zu 2 und den Klägern ein Vertrag über eine Beratung in Steuerangelegenheiten hinsichtlich des Feststellungsbescheides zustande gekommen sei, könne offenbleiben. Jedenfalls habe die Beklagte zu 2 nicht gegen die ihr in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten verstoßen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu 1 die Einspruchsfrist versäumt habe. Die Kläger hätten sie nicht mit der Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 beauftragt. Die Beklagte zu 2 habe auch nicht erkennen müssen, dass der Einspruch nicht zum zuständigen Finanzamt gelangt sei. Dass der Bescheid vom 7. August 2003, mit welchem der Antrag auf Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks abgelehnt worden sei, sich in der Akte der Kläger befunden habe, hätten diese nicht konkret behauptet. Nach Darstellung der Beklagten zu 1 habe die damals als ihre Angestellte tätige Beklagte zu 3 den Bescheid nicht zuordnen können und unbearbeitet abgelegt; diese Akte sei von der Beklagten zu 2 nicht übernommen worden. Dass die Beklagte zu 3 im Jahre 2004 Gesellschafterin der Beklagten zu 2 geworden sei, begründe keine Haftung der Beklagten zu 2 für Vertragsverletzungen der Beklagten zu 1.
10
Eine persönliche Haftung der Beklagten zu 3 nach § 128 HGB wegen der versäumten Einspruchsfrist und der unsachgemäßen Behandlung des Bescheids vom 7. August 2003 komme nicht in Betracht, weil sie angestellte Mitarbeiterin der Beklagten zu 1, nicht aber deren Gesellschafterin gewesen sei; eine Vertragsbeziehung habe nur zwischen der Beklagten zu 1 und den Klägern bestanden. Als Gesellschafterin der Beklagten zu 2 hafte sie nicht, weil auch die Beklagte zu 2 nicht hafte. Aus demselben Grund hafte auch die Beklagte zu 4 nicht als Gesellschafterin der Beklagten zu 2.

III.


11
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
12
1. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt kann sich die Beklagte zu 1 nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.
13
a) Die Beklagte zu 1 hat, was sie nicht in Abrede nimmt, ihre vertraglichen Pflichten gegenüber den Klägern verletzt, indem sie es unterließ, auftragsgemäß für diese Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen. Dadurch ist der Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden und hat zu einem Schaden in Höhe der auf dessen Grundlage berechneten Steuer geführt. Der Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater verjährt gemäß der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 68 StBerG aF (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - IX ZR 108/12, WM 2013, 940 Rn. 8) allerdings binnen dreier Jahre ab Entstehung des Anspruchs. Diesen Zeitpunkt hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt. Entstanden ist der Anspruch mit der infolge der Versäumung der Einspruchsfrist eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheides am 8. April 2001 (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 170/09, WM 2010, 2284 Rn. 11), obwohl dieser noch keine Festsetzung enthielt , sondern Besteuerungsgrundlagen selbständig feststellte, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn. 9). Die Erhebung der Klagen im Jahre 2011 war auch dann nicht geeignet, die Verjährungsfrist rechtzeitig zu hemmen (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), wenn die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs vorgelegen hätten.
14
b) Der Beklagten zu 1 ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen.
15
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat (BGH, Urteil vom 3. Februar 1953 - I ZR 61/52, BGHZ 1, 5; vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 96; vom 12. Juni 2002 - VIII ZR 187/01, NJW 2002, 3110 f; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, NJW 2008, 2776 Rn. 31; RGZ 153, 101, 107 f). Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, WM 1988, 127, 128; vom 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, ZIP 1996, 791, 793; Beschluss vom 20. November 2008 - IX ZR 145/06, nv, Rn. 2; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, 3. Aufl., § 214 Rn. 9; Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1447).
16
bb) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt fällt der Beklagten zu 1 objektiv ein besonders grober Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last. Die Beklagte zu 1 hat es zunächst versäumt, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 5. März 2003 einzulegen. Die Kläger, die eine Abschrift des vorbereiteten, aber nicht an das Finanzamt abgesandten Einspruchsschreibens erhalten hatten, konnten jedoch davon ausgehen, dass der Feststellungsbescheid nicht bestandskräftig geworden war. In diesem Glauben wurden sie durch das Schreiben vom 14. Juli 2003 bestärkt, in welchem die Beklagte zu 1 ihnen der Wahrheit zuwider darlegte, dass der Feststellungsbescheid vorläufig sei und im Falle einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben werde. Der weitere Bescheid vom 7. August 2003, mit welchem das Finanzamt die Erteilung eines Vorläufigkeitsvermerks ablehnte, weil Bestandskraft eingetreten sei, wurde ihnen vorenthalten.
17
cc) Hinzu kommt, dass sich die Beklagte zu 1 gemäß § 278 BGB auch die irreführenden Auskünfte zurechnen lassen muss, welche die Beklagte zu 2 in den folgenden Jahren durch die von der Beklagten zu 1 übernommene Mitarbeiterin Z. den Klägern erteilt hat. Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Aufgrund der von der Beklagten zu 1 begangenen Vertragsverletzungen, dem unterlassenen Einspruch und der anschließenden Irreführung über diesen Umstand bestand die zwischen ihr und den Klägern bestehenden Sonderrechtsbeziehung unabhängig von einer etwaigen Beendigung des Mandats fort. Die Beklagte zu 2 wurde auf Veranlassung der Beklagten zu 1 tätig. Die Beklagte zu 1 hat nach unter Beweis gestellter Darstellung der Kläger mittels eines Rundschreibens die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Übernahme aller Mandate durch die Beklagte zu 2 angezeigt; die Beklagte zu 2 übernahm die Akte, die für das Mandat der Kläger angelegt worden war. Die wiederholte Auskunft , eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe aus, war geeignet und trug dazu bei, die Kläger in Sicherheit zu wiegen und von der rechtzeitigen Erhebung einer Schadensersatzklage abzuhalten. Die Beklagte zu 2 hätte dies erkennen können, wenn sie die Akte der Kläger bei Übernahme des Mandats überprüft hätte.
18
c) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Kläger haben nicht, wie die Beklagten zu 1 und zu 3 meinen, nach Kenntnis vom Fehlverhalten der Beklagten zu 1 zu lange gewartet, bis sie Klage erhoben. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass der Gläubiger einer verjährten Forderung, der sich aufgrund des Verhaltens seines Schuldners darauf verlassen durfte, dass dieser sich nicht auf Verjährung berufen werde, seinen Anspruch binnen einer angemessenen , nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist gerichtlich geltend zu machen hat, wenn der Schuldner die Verjährungseinrede schließlich doch erhob. Diese Frist wurde kurz bemessen, denn sie diente nur dazu zu verhindern , dass der Gläubiger infolge einer überraschenden Wendung der Dinge seinen Anspruch noch verlor; eine großzügige Bemessung dieser Frist hätte im Widerspruch zum Zweck der bereits eingetretenen Verjährung gestanden (BGH, Urteil vom 20. Januar 1976 - VI ZR 15/74, VersR 1976, 565; vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975; vom 4. November 1997 - VI ZR 375/96, NJW 1998, 902, 903 f; Bamberger/Roth/Henrich, aaO § 214 Rn. 12; Chab, aaO Rn. 1448). Die Kläger haben im November 2010 Kenntnis davon erhalten, dass kein Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt worden war. Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 haben die Beklagten sich auf Verjährung berufen. Die Klage ist am 13. Mai 2011 bei Gericht eingegangen.
19
Den genannten Entscheidungen lagen jedoch jeweils Fälle zugrunde, in denen unter der Geltung des alten Verjährungsrechts, insbesondere vor Einführung des § 203 BGB, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum verhandelt oder sogar ein teilweises Anerkenntnis erzielt worden war. Die kurze Frist wurde von dem Zeitpunkt der als solcher erkennbaren endgültigen Leistungsverweigerung an berechnet. Im Zeitpunkt des Abbruchs von Vergleichsverhandlungen sind den betroffenen Gläubigern die vermeintlich oder wirklich anspruchsbegründenden Umstände längst bekannt, und die gegenseitigen Standpunkte sind ausgetauscht worden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Im November 2010 war den Klägern, wie sich aus einem Schreiben des Klägers zu 1 vom 29. November 2010 ergibt, lediglich mitgeteilt worden, dass der Einspruch versehentlich nicht abgesandt worden war. Erst auf Nachfragen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gemäß Schreiben vom 23. Februar 2011 erfuhren sie, dass die Beklagte zu 1 bereits seit dem 11. August 2003 von dem unterbliebenen Einspruch wusste. Erst diese Information ermöglichte ihnen, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten und den an sich verjährten Einspruch mit Aussicht auf Erfolg einzuklagen. Das betreffende Schreiben der Beklagten datiert vom 8. April 2011 und ging am 12. April 2011 bei den Anwälten der Kläger ein.
20
2. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 kann mit der Begründung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht verneint werden.
21
a) Revisionsrechtlich ist von dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Kläger auszugehen, die Beklagte zu 1 habe in einem Rundschreiben auf den Übergang des Mandats auf die Beklagte zu 2 hingewiesen, und die Beklagte zu 2 habe die Büroräume sowie die Akten einschließlich der den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid betreffenden Akte der Kläger übernommen; zudem habe der Kläger zu 1 vielfach nach dem Stand der Sache gefragt und habe die Auskunft erhalten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe aus; schließlich habe die Angestellte Z. , welche die Akte überwacht habe, den Kläger zu 1 angerufen, um ihn vom positiven Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgerichts zu berichten. Zwischen der Beklagten zu 2 und den Klägern ist dann in dieser Angelegenheit ein Steuerberatervertrag zustande gekommen.
22
b) Ist ein Steuerberatervertrag zustande gekommen, hat die Beklagte zu 2 sich pflichtwidrig verhalten. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sie die übernommene Akte der Kläger aufgrund eines Versehens nicht erfasst. Sie wäre jedoch verpflichtet gewesen, den übernommenen Bestand einschließlich der Akte der Kläger innerhalb angemessener Frist daraufhin zu überprüfen, ob Handlungsbedarf bestand, und die Kläger vollständig und richtig vom Stand des Einspruchsverfahrens zu unterrichten. Das hat sie nicht getan.
23
c) Ein hierdurch entstandener Schaden lässt sich auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger ebenfalls nicht verneinen.
24
aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts haben die Kläger ausreichend dazu vorgetragen, dass die Beklagte zu 2 bei Durchsicht der Akte den Bescheid vom 7. August 2003 gefunden hätte, aus welchem sich ergab, dass der Feststellungsbescheid vom 5. März 2003 mangels rechtzeitiger Einlegung eines Einspruchs bestandskräftig geworden war. Die Beklagte zu 1 hat vorgetragen, der Bescheid vom 7. August 2003 habe zunächst nicht zugeordnet werden können und sei schließlich unbearbeitet abgelegt worden; die Akte sei von der Folgeberaterin nicht übernommen worden. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht dahingehend ausgelegt, dass das Schreiben nicht zur Akte der Kläger genommen worden sei; da die Klägerin nicht ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt habe, dass sich der Bescheid in der Einspruchsakte befunden habe, brauche ihrem Vorbringen insgesamt nicht nachgegangen wer- den. Dies war in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Die Haftung der Beklagten zu 2 betrifft ein anderes Prozessrechtsverhältnis als dasjenige zwischen der Beklagten zu 1 und den Klägern. Die Beklagte zu 2 hat sich in den Tatsacheninstanzen durch eigene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, welche gesondert vorgetragen haben, teils im offenen Widerspruch zum Vorbringen der Beklagten zu 1. Es wäre daher zunächst zu klären gewesen, ob sie sich den (vermeintlichen ) Vortrag der Beklagten zu 1 über das Vorliegen zweier Akten überhaupt zu eigen machen wollte. Gegebenenfalls hätten dann die Kläger, die keine eigene Kenntnis hinsichtlich der Aktenführung haben konnten, über diese für sie kaum vorhersehbare Annahme des Berufungsgerichts unterrichtet werden müssen, damit sie ihren Vortrag und ihre Beweisangebote entsprechend präzisieren konnten (§ 139 ZPO). Immerhin hat die Beklagte zu 2 in ihrem bereits zitierten Schreiben vom 8. April 2011 selbst auf den fraglichen Bescheid hingewiesen und ihn dem Schreiben beigefügt.
25
bb) Die Beklagte zu 2 hätte allerdings auch bei pflichtgemäßem Verhalten den Eintritt des in der Versäumung der Einspruchsfrist liegenden Schadens nicht mehr verhindern können. Entgegen der Ansicht der Kläger wäre es Anfang 2004 aus Rechtsgründen nicht mehr möglich gewesen, hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Das Verschulden der Beklagten zu 1 wäre den Klägern zugerechnet worden (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Ein Versehen bei der Einlegung des Einspruchs, das wegen der fehlenden Ausgangskontrolle überdies kaum als entschuldigt angesehen worden wäre, hätte die Beklagte zu 1 spätestens bei Zugang des Bescheids vom 7. August 2003 bemerken können.
26
cc) Die Beklagte zu 2 hätte die Kläger jedoch alsbald über die Bestandskraft des Feststellungsbescheids unterrichten müssen. Weitergehende Hinwei- se schuldete sie zwar nicht; insbesondere war sie nicht zu einer Belehrung über den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 und die insoweit laufenden Verjährungsfristen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 393 f; Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/ Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1405). Schon der Hinweis darauf, dass die Beklagte zu 1 entgegen dem ihr erteilten Auftrag keinen Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt hatte, hätte die Kläger jedoch in die Lage versetzt, sich rechtlich beraten zu lassen. Sie hätten die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte zu 1 durch rechtzeitige Erhebung einer (Feststellungs-)Klage verhindern können (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Durch das Verhalten der Beklagten zu 2 sind sie dagegen, wie gezeigt, jahrelang weiter irregeführt und von der Rechtsverfolgung abgehalten worden. Der durch den Fehler der Beklagten adäquat kausal verursachte Schaden liegt in der nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht feststehenden , aber auch nicht ausschließbaren fehlenden Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen die Beklagte zu 1.
27
3. Besteht ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 2, folgt die Haftung der Beklagten zu 3 und zu 4 aus § 128 HGB.

IV.


28
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende weitere Gesichtspunkte hin:
29
1. Hinsichtlich des Anspruchs gegen die Beklagte zu 2 haben die Kläger bisher nicht ausreichend zur Kausalität zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem eingetretenen Schaden vorgetragen. Der Schaden beruht nur dann auf dem Fehler der Beklagten zu 2, wenn die Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen , dass (und wie) sie ihn bei rechtzeitigem Hinweis auf den versäumten Einspruch abgewendet hätten. Der Anscheinsbeweis, dass ein Mandant dem pflichtgemäßen Hinweis des Beraters folgt, gilt nur dann, wenn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe lag. Er ist unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater dem Mandanten lediglich die erforderliche Information für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 20).
30
2. Wegen ihres objektiv arglistigen Verhaltens ist es auch der Beklagten zu 2 im Grundsatz verwehrt, die Einrede der Verjährung zu erheben (§ 242 BGB). Ob die Klage gegen die Beklagte zu 2 nach den oben genannten Maßstäben rechtzeitig erhoben worden ist, hängt davon ab, wann die Kläger Kenntnis von den in der Klageerwiderung geschilderten gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen sowie vom schädigenden Verhalten der Beklagten zu 2 erlangt haben; dazu fehlt bislang jeglicher Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten zu 2.
RiBGH Vill ist im Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Kayser Kayser Lohmann
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 14.12.2011 - 110 O 28/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.07.2012 - 25 U 2/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 245/12
Verkündet am:
6. Februar 2014
Kirchgeßner
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die Verjährung eines gegen einen rechtlichen Berater gerichteten Ersatzanspruchs
beginnt zu laufen, wenn der Mandant den Schaden und die Pflichtwidrigkeit
des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat.

b) Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel
auch dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht
oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. September 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin hatte an die Beklagten des Ausgangsrechtsstreits eine Wohnung vermietet, welche diese Ende Oktober 2004 zurückgegeben hatten. Die Klägerin beauftragte hierauf den beklagten Rechtsanwalt mit der Durchsetzung mietrechtlicher Ansprüche gegen die vormaligen Mieter. Deren Vergleichsangebot vom 18. Dezember 2004 lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2006 ab, nachdem die Mieter am 17. Januar 2005 diesbezüglich nachgefragt hatten. Durch Anwaltsschriftsatz vom 7. Juni 2006 beriefen sich die Mieter auf Verjährung. Nachdem die Rechtsschutzversicherung der Klägerin Deckungszusage erteilt hatte, erhob der Beklagte für die Klägerin gegen die Mieter Zahlungsklage über 9.723,32 €. Mit der Terminsladung vom 28. November 2006 erteilte das Amtsgericht zum "Hauptstreitpunkt" der Verjährung den Hinweis , dass die Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden sein dürfte und die Verhandlungen etwa 16 Monate lang "eingeschlafen" gewesen seien. Das Amtsgericht wies die Klage durch Urteil vom 21. Mai 2007 ab, weil der Anspruch mit Ablauf des Jahres 2005 verjährt sei. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung durch einstimmigen Beschluss vom 7. Februar 2008 zurückgewiesen.
2
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, nicht rechtzeitig für eine Hemmung der Verjährung gesorgt zu haben. Auch habe er ihr, was den Schaden noch vergrößert habe, den unzutreffenden Rat erteilt, den Zustand der Wohnung aus Gründen der Beweisführung nicht zu verändern. Sie nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung auf Ersatz des im Vorprozess geltend gemachten Klagebetrags, auf Nutzungsausfallentschädigung über 39 Monate und Ausgleich weiterer Kosten, insgesamt auf Zahlung in Höhe von 20.243,32 €, in Anspruch.
3
Die am 30. Dezember 2010 eingereichte und am 18. März 2011 zugestellte Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in voller Höhe weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche beständen. Der Beklagte könne sich mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Der Lauf der maßgeblichen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren habe mit Ablauf des 31. Dezember 2006 begonnen. Ein Regressanspruch der Klägerin wäre jedenfalls noch im Jahr 2005 entstanden. Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Umständen habe die Klägerin spätestens im Jahr 2006 erlangt. Dies gelte sowohl für die Schadensersatzansprüche wegen der verjährten Ansprüche gegen die Mieter als auch wegen des geltend gemachten Mietausfallschadens. Erforderlich und ausreichend sei allein die Kenntnis der Umstände und nicht die rechtlich zutreffende Bewertung. Es sei insbesondere nicht erforderlich, dass der Mandant aus den ihm bekannten Umständen bereits den Schluss auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt gezogen habe. Auf eine zutreffende rechtliche Würdigung durch den Mandanten könne es bereits aus Gründen der Rechtssicherheit nicht ankommen. Die Klägerin habe spätestens aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 28. November 2006 erkennen müssen, dass die rechtliche Beratung des Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Unter Berücksichtigung der durch Verhandlungen über den Regressanspruch zwischen dem 31. Oktober 2008 und dem 2. Oktober 2009 eingetretenen Hemmung der Verjährung von elf Monaten und drei Tagen sei daher im Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift am 30. Dezember 2010 bereits Verjährung eingetreten gewesen.

II.


6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
Die durch das Berufungsgericht gegebene Begründung trägt dessen Annahme nicht, die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGB) habe gemäß § 199 Abs. 1 BGB bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2006 begonnen.
8
1. Ansprüche gegen Rechtsanwälte verjähren seit dem 15. Dezember 2004 nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff BGB. Danach ist ein Regressanspruch nach drei Jahren (§ 195 BGB) ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Mandant von der Person des Schuldners und von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), verjährt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 85/10, WM 2012, 163 Rn. 14; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung , 2. Aufl., S. 150).
9
a) Eine Kenntnis oder grobe fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen nicht schon dann vor, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist.
10
aa) Für die kenntnisabhängige Verjährung des Arzthaftungsanspruchs ist anerkannt, dass die Kenntnis vom Schaden nicht schon dann bejaht werden kann, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist (BGH, Urteil vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96, NJW 1998, 2736; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 6 mwN). Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886 insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; vom 10. November 2009, aaO mwN).
11
bb) Auch für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs muss der Geschädigte zumindest solche tatsächlichen Umstände kennen, die ihm eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92, NJW 1994, 3162, 3164; vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252 f; Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 27; vom 17. September 2008 - III ZR 129/07, nv, Rn. 1; Staudinger/ Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 374).
12
cc) Ebenso wird in Fällen unzureichender Aufklärung für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung beim geschädigten Anleger auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge verlangt, aus denen sich eine Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27, jeweils mwN; vgl. auch MünchKomm-BGB/ Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 26).
13
dd) In Einklang hiermit geht das Schrifttum allgemein davon aus, dass alleine die Kenntnis der tatsächlichen Umstände dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung vermittelt (Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl., § 199 Rn. 24; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 199 Rn. 14; Theisen/Theisen in Festschrift Nobbe, 2009, S. 453, 461 ff, 468).
14
b) Diese Grundsätze sind auch für die Rechtsberaterhaftung heranzuziehen.
15
aa) Der Mandant ist in einer vergleichbaren Lage wie der Patient, der Amtshaftungsgläubiger oder der Anleger. Auch er ist in der Regel nicht fachkundig , hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen - eben wegen seiner Rechtsunkenntnis - nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 - IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 930). Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (Chab in Zugehör/G. Fischer/ Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1385). Daher vermag beispielweise der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn - zumal wenn er juristischer Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (vgl. Gehrlein, aaO S. 153; Zu- gehör/Chab, aaO Rn. 1472, 1481; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1108; Gräfe/Lenzen/ Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 874). Nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (vgl. Chab, BRAK-Mitt 2010, 208, 209).
16
bb) In Übereinstimmung hiermit stehen die Vorstellungen des Gesetzgebers zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214), mit dem die bisherige kenntnisunabhängige Haftung des § 51b BRAO aF aufgehoben und die kenntnisabhängige Haftung des § 199 BGB auf die Anwaltshaftung erstreckt wurde. Die Gesetzesbegründung führte für die Anpassung der Anwaltshaftung an die allgemeinen Regelungen ausdrücklich an, dass es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen sei, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Insbesondere bei längeren Rechtsstreitigkeiten stelle sich dies oft erst sehr spät heraus (BR-Drucks. 436/04, S. 1 und 24 f). Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die bloße Kenntnis der anwaltlichen Beratung und der ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände reichten aus (ebenso OLG Stuttgart, WM 2010, 1330; OLG Hamm, GI aktuell 2012, 111, 116), greift daher zu kurz.
17
c) Solange das Mandat noch nicht beendet ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten dann regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen geprägt (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - XI ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1071; vom 7. Februar 2013 - IX ZR 138/11, WM 2013, 942 Rn. 12). Dies gilt auch für das hier in Rede stehende zivilprozessuale Mandat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013, aaO). Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles ist allein Sache des Anwalts. Der Mandant muss - selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt - sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750). Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993, aaO; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14). Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.
18
2. Nach diesen Grundsätzen ist für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte aufgrund des amtsgerichtlichen Hinweises vom 28. November 2006 die hinreichende Kenntnis über den ihr entstandenen Schaden und die darauf beruhenden anspruchsbegründenden Umstände erhalten können, kein Raum. Nach dem Vorbringen der Klägerin hat der Beklagte trotz des gerichtlichen Hinweises an seiner bisherigen Rechtsansicht, ein Verjährungseintritt liege nicht vor, festgehalten. Es handelte sich um eine im damaligen Rechtstreit kontrovers beurteilte Rechtsfrage, die der Beklagte auch noch im Berufungsrechtszug im bisher vertretenen Sinne weiterverfolgt hat. Für die Klägerin bestand unter diesen Umständen, auch nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils vom 21. Mai 2007, kein hinreichender Anhalt, an der Richtigkeit der vom Beklagten verfolgten Rechtsauffassung zu zweifeln. Eine Verjährung des Regressanspruchs scheidet mithin aus.

III.


19
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
20
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt folgerichtig - bislang offengelassen , ob die von der Klägerin geltend gemachte Pflichtverletzung vorliegt. Auch hat es sich mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin zu dem Schadensgrund und der Schadenshöhe nicht befasst. Es ist daher zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Regressanspruches vorliegen.
Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 24.08.2011 - 10 O 47/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 17.09.2012 - 12 U 116/11 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.