Oberlandesgericht Bamberg Endurteil, 13. Mai 2015 - 3 U 140/14
vorgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bamberg
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214.698,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 211.500,00 EUR seit dem
- A. GmbH & Co. KG über nominal 100.000,00 EUR und der
- B. GmbH & Co. KG über nominal 150.000,00 EUR.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter Ziffer 1 genannten Beteiligungen in Verzug befindet.
3. Ferner wird festgestellt, dass die Beklagte den Kläger von künftigen Schäden aus den unter Ziffer 1 genannten Beteiligungen freizustellen hat.
II.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
III.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
IV.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger% und die Beklagte% zu tragen.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. GmbH & Co.KG
Zeichnungssumme 100.000,00 EUR
Agio5.000,00 EUR
abzüglich Ausschüttungen -32.000,00 EUR
Saldo73.000,00 EUR
B. GmbH & Co.KG
Zeichnungssumme 150.000,00 EUR
Agio7.500,00 EUR
Zwischensumme 157.500,00 EUR
Entgangene Renditen47.677,88 EUR
Gesamtschaden278.177,88 EUR
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bamberg
- A. GmbH & Co. KG über nominal 100.000,00 EUR und der
- B. GmbH & Co. KG über nominal 150.000,00 EUR,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
c) Nicht begründet ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers wegen entgangener Anlagezinsen.
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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts München I (weiter) abgeändert.
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1 wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung und der Verwendung einer fehlerhaften Broschüre im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Anleihe der (inzwischen insolventen) L. B. T. Co. B.V.
- 2
- Die Klägerin zeichnete am 15. November 2006 nach einem Gespräch mit einem für die Beklagte zu 1 tätigen Berater eine "F. "-Anleihe der L. B. T. Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zum Nominalwert von 31.000 € zuzüglich eines Aufschlags von 5 %. Die Anleihe bot einen Kapitalschutz zu 100 % bei Fälligkeit am Ende der 10-jährigen Laufzeit.
- 3
- Die Klägerin stützt ihre Schadensersatzforderung gegenüber der Beklagten zu 1 auf Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungsvertrag. Sie macht verschiedene Beratungsmängel geltend. Die schriftlichen Produktunterlagen, die dem Beratungsgespräch zugrunde gelegen hätten (insbesondere Prospektbroschüre und Marketingbroschüre), seien aus mehreren Gründen falsch. Sie vermittelten durch Verschweigen des Totalverlustrisikos und die Verharmlosung des Kapitalverlustrisikos einen unzutreffenden Eindruck vom Risiko der Anlage. Die Bezeichnung der Emittentin als bonitätsstarke Bank in der Produktbroschüre sei unrichtig: Zum einen deshalb, weil diese keine Bank, sondern eine reine Emissionsgesellschaft gewesen sei, zum anderen, weil das einzige Asset der Emittentin eine Konzernforderung gewesen sei. Sie habe auch über kein Rating verfügt; nur für ihre Produkte seien Ratingnoten vergeben worden. Soweit sich die Beklagten auf eine seitens der Konzernmutter L. B. H. Inc. gegebene Garantie beriefen, werde der Bestand dieser Garantie bestritten.
- 4
- Wegen der angeblich fehlerhaften Produktbeschreibung in der Broschüre , die die Klägerin als Prospekt ansieht, nimmt sie die Beklagte zu 2 aus Prospekthaftung in Anspruch.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben.
- 6
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 7
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 wegen fehlerhafter Auskünfte bei der Vermittlung oder fehlerhafter Anlageberatung begründet sei. Falsch sei die Beratung beziehungsweise Auskunftserteilung durch die Beklagte zu 1 gewesen, weil in den verwendeten schriftlichen Unterlagen betreffend der empfohlenen Anlage die Emittentin als "Bank", nämlich als die US-amerikanische Investmentbank L. B. Inc., bezeichnet worden sei, obwohl sie als auch die Garantiegeberin von der Investmentbank zu unterscheiden seien. In Wahrheit habe es sich bei der Emittentin um die Enkelgesellschaft der L. B. H. Inc., der Garantiegeberin, gehandelt. Die Investment Bank habe vielmehr unter L. B. Inc. firmiert und sei ihrerseits eine Tochtergesellschaft der L. B. H. Inc. gewesen. Die über die Vertragspartner bei Anleihezeichnung gemachten Angaben seien daher grundlegend falsch. Die Abweichung zwischen erteilter Mitteilung des Vertragspartners und dem wahren Sachverhalt betreffe auch eine für die Anlageentscheidung wesentliche Information. Ob der Vertragspartner einen Bankenstatus - hier den einer US-amerikanischen Investmentbank - einnehme, sei unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung. Das gelte auch vorliegend. Zwar sei auf Holdingebene eine Aufsichtsmöglichkeit durch die US-amerikanische Börsenaufsicht etabliert gewesen, der sich die L. B. H. Inc. unterworfen gehabt habe. Damit sei aber ein Sicherheitsstandard, der demjenigen einer der Einzelaufsicht unterliegenden Investmentbank vergleichbar gewesen wäre, nicht erreicht worden.
- 9
- Der Schadensersatzanspruch sei auch gegen die Beklagte zu 2 begründet. Die vorgelegte Broschüre sei als Prospekt anzusehen und die Beklagte als Prospektverantwortliche zu qualifizieren. Prospekt im Sinne der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung sei eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthalte oder den Anschein eines solchen Inhalts erwecke. Sie müsse dabei tatsächlich zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Alle diese Voraussetzungen erfülle die 19-seitige Broschüre. Dass in der Broschüre vermerkt sei, dass sie kein Prospekt im Sinne des deutschen Wertpapierprospektgesetzes sei, sei ohne rechtliche Bedeutung. Die Beklagte zu 2 werde auf Seite 18 des Prospektes als die mit dem Vertrieb der Anlage beauftragte Bank beschrieben. Sie sei auch Herausgeberin der vorgelegten Broschüre. Dem Disclaimer, wonach die Beklagte zu 2 für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Anlagen keine Gewähr übernehme, komme keine Bedeutung zu. Der Prospekt müsse einem Anlageinteressenten ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln. Deshalb habe der Prospekt über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufzuklären. Diesem Grundsatz werde die Broschüre nicht gerecht. Sie erweise sich vielmehr in einem wesentlichen Punkt als falsch, weil sie den Vertragspartner, nämlich die Emittentin der Anlage, unzutreffend als die US-amerikanische Investmentbank bezeichne, obwohl diese Angabe weder auf die Emittentin noch auf die Garantiegeberin der Anlage zugetroffen habe.
II.
- 10
- Das Urteil des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht
- 0
- stand.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht begründet die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1 damit, dass in der bei der Beratung verwendeten Produktbroschüre die Emittentin als Bank bezeichnet worden sei, obwohl diese als auch die Garantiegeberin nicht personenidentisch mit der - wenn auch ebenfalls zum L. - B. -Konzernverbund gehörenden - US-amerikanischen Investmentbank L. B. Inc. gewesen seien. Allein hierauf kann ein Pflichtenverstoß der Beklagten zu 1 aus einem Anlageberatungs- oder Auskunftsvertrag nicht gestützt werden.
- 12
- a) Der Anlageberater ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarkts sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben könnten (Senatsurteil vom 1. Dezember 2011 - III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 9 f; BGH, Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43 Rn. 23 jeweils mwN). Weitergehende Pflichten ergäben sich für die Beklagte zu 1 auch dann nicht, wenn zwischen ihr und der Klägerin nur ein Auskunftsvertrag zustande gekommen wäre.
- 13
- b) Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, ob - was die Klägerin bestritten hat - die L. B. H. Inc. für die Zahlungsverpflichtungen der Emittentin eine wirksame Garantie abgegeben hat. Bei der revisionsrechtlichen Überprüfung ist zu unterstellen, dass eine derartige Garantie bestanden hat.
- 14
- Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand, dass es sich sowohl bei der Emittentin als auch bei der Garantiegeberin nicht um eine Bank gehandelt hat, keine wesentliche Bedeutung für die Entscheidung über die Anlage zu. Das Be- rufungsgericht begründet diese allein damit, dass der Bankenstatus des Vertragspartners - hier der einer US-amerikanischen Investmentbank - unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung sei.
- 15
- aa) Was den Inhalt und den Umfang der Pflichten angeht, die einen Anlageberater bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Anleihe getroffen haben, sind zwei Urteile des XI. Senats des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2011 zu berücksichtigen, die den Erwerb von Zertifikaten betrafen,die auch von der L. B. T. Co. B.V. ausgegeben worden waren, und bei denen - wie vorliegend zu unterstellen ist - ebenfalls die L. B. H. Inc. die Garantie für die Rückzahlung der Zertifikate übernommen hatte (XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43 und XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119). Der XI. Zivilsenat hat entschieden, dass eine (deutsche) Bank, die diese Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts an ihre Kunden veräußerte, diese nicht zusätzlich auf das Nichteingreifen des (deutschen) Einlagensicherungssystems hinweisen musste, wenn die Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko erfolgt oder eine dahingehende Aufklärungspflicht ausnahmsweise entfallen war. Diesem Umstand komme dann keine eigenständige Bedeutung für die Anlageentscheidung mehr zu, wenn der Kunde bereits über das von ihm zu tragende Insolvenzrisiko der Emittentin aufgeklärt worden sei. Denn für den Anleger sei es in einem solchen Fall unerheblich, ob das eingezahlte Kapital (nur) wegen einer - von ihm bewusst in Kauf genommenen - möglichen Zahlungsunfähigkeit des Emittenten verlustig gehe, oder weil dieses Risiko nicht zusätzlich durch Einlagensicherungssysteme gedeckt sei. Weiß der Kunde um die Mög- lichkeit eines Totalverlustes, könne er nicht gleichzeitig auf das Eingreifen einer Einlagensicherung vertrauen (XI ZR 178/10 aaO Rn. 33 ff und XI ZR 182/10 aaO Rn. 30 ff). Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist hier aufgrund des Vortrags der Beklagten revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die Klägerin über das Totalverlustrisiko und auch das allgemeine Emittentenrisiko hinreichend aufgeklärt wurde.
- 16
- Hinsichtlich der Risikobeurteilung der Zertifikate und der damit zusammenhängenden Frage, welche Anforderungen an die Risikoaufklärung zu stellen sind, hat der XI. Zivilsenat weiter bemerkt, dass insoweit die Bonität der "konkreten Emittentin beziehungsweise Garantiegeberin" von maßgeblicher Bedeutung sei, und weiter ausgeführt, dass angesichts der Bonitätsbewertungen (Ratings) der Garantiegeberin, die seinerzeit (das heißt: im Herbst 2007) so positiv gewesen seien, dass Zweifel an der Zahlungsfähigkeit nicht aufkommen mussten, nicht über ein konkret bestehendes Insolvenzrisiko der Emittentin oder der Garantiegeberin hätte aufgeklärt werden müssen (XI ZR 178/10 aaO Rn. 24 f und XI ZR 182/10 aaO Rn. 23 f).
- 17
- bb) Hieraus folgt ohne Weiteres, dass es für die Beurteilung der Sicherheit der Anlage maßgeblich auf die Bonität der Konzernmutter ankam und es für die Anlageentscheidung ohne Belang war, ob diese das betreffende Zertifikat oder die in Rede stehende Anleihe selbst emittierte oder aber - wie hier - eine konzernangehörige Gesellschaft, für die die Konzernmutter als Garantiegeberin aufgetreten ist.
- 18
- Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil es sich bei der - werbemäßig besonders herausgestellten - "zu den weltweit führenden" Instituten gehörenden Investmentbank beziehungsweise bei der "bonitätsstarken Bank" weder um die emittierende Enkelgesellschaft noch um die garantiegebende Holdinggesellschaft , sondern um deren Tochtergesellschaft, die L. B. Inc., handelte. Denn es liegt auf der Hand, dass bei der hier anzutreffenden - nach dem Vorbringen der Beklagten üblichen und auch bei anderen USamerikanischen Investmentbanken vorzufindenden - Konzernstruktur die Bonität der Konzernmutter als bloßer Holdinggesellschaft entscheidend von der Bonität der Investmentbank abhing und die positive Bewertung (Ratings) der Holdinggesellschaft maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass die "bonitätsstarke Investmentbank" dem Konzern angehörte. Wenn und soweit also nach damaligem Erkenntnisstand das bestehende Insolvenzrisiko als eher theoretisch einzustufen war, so galt dies gleichermaßen für die Konzernmutter (die Holding) als auch für die zum Konzern gehörenden Tochter- (also vor allem für die Investmentbank ) und Enkelgesellschaften, zu denen unter anderem die Emittentin gehörte (in diesem Sinne auch OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juni 2011 - 3 U 861/10, unveröffentlicht; die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 16. Mai 2012 - III ZR 181/11 zurückgewiesen ).
- 19
- cc) Dem Umstand, dass es sich bei Emittentin nicht um eine US-amerikanische Investmentbank handelte und diese deshalb weder einer Bankenaufsicht nach US-amerikanischem Recht unterworfen war noch über eine diesem Status entsprechende Eigenkapitalausstattung verfügen musste, kommt demgegenüber keine wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung zu. Im Vordergrund steht wirtschaftlich gesehen vielmehr, wie ausgeführt, die Werthaltigkeit der Garantie durch die Holdinggesellschaft (vgl. OLG Bamberg, ZIP 2010, 1225, 1228; OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juni 2011 aaO), die maßgeblich die Bonität der Emittentin bestimmte (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10 aaO Rn. 25 und XI ZR 182/10 aaO Rn. 24 f). Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer höheren Eigenkapitalquote bleiben im Übrigen abstrakt.
- 20
- Zusammenfassend rechtfertigt vorliegend allein der Umstand, dass es sich bei der Emittentin der Anleihe - entgegen der Darstellung in der bei der Anlageberatung beziehungsweise Auskunftserteilung verwendeten Broschüre - nicht um eine Bank handelte, die der (US-amerikanischen) Bankenaufsicht unterlag , nicht den Vorwurf einer schadensersatzbegründenden Falschberatung.
- 21
- 2. Einer rechtlichen Nachprüfung hält auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht stand, die Beklagte zu 2 sei nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne zum Ersatz des Zeichnungsschadens verpflichtet.
- 22
- a) Nicht tragfähig ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts, bei der vorgelegten Produktbroschüre handele es sich um einen Prospekt entsprechend der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft dem ausdrücklichen und ausführlichen Hinweis darauf, dass die Broschüre keinen Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes darstelle und diesen nicht ersetze, die wesentlichen Informationen über die Anlage sich aus dem Prospekt ergäben - verbunden mit der Angabe, wie man sich den Prospekt beschaffen könne -, nicht die erforder- liche Bedeutung beigemessen. Mit diesem Hinweis ist dem Anleger hinreichend deutlich gemacht worden, dass es sich um eine bloße, den Anforderungen des § 15 Abs. 2, 3 des Wertpapierprospektgesetzes genügende Werbeschrift handelt. Diese 19-seitige Schrift hat nach Inhalt und Darstellung - was der Senat selbst feststellen kann - erkennbar werblichen und weniger informativen Charakter und ist einem Prospekt nicht vergleichbar; sie ist im Übrigen auch nicht zusammen mit dem eigentlichen Prospekt als "Gesamtpaket" zur Gewinnung von Anlegern eingesetzt worden. Daher ist die vorliegende Konstellation, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht mit der dem Senatsurteil vom 17. November 2011 (III ZR 103/10, BGHZ 191, 310) zugrunde liegenden Fallgestaltung vergleichbar (dort handelte es sich im Übrigen um eine 80-seitige Produktinformation, die allein schon vom Umfang her für den durchschnittlichen Anleger die Gefahr der Verwechslung mit einem vollständigen Anlageprospekt barg; vgl. Senat aaO Rn. 25).
- 23
- b) Da der Produktbroschüre keine Prospektqualität zukommt, kann das Vorliegen eines Prospektfehlers dahinstehen. Weiter kann offen blieben, ob wegen des in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a. F., § 13 Abs. 1 Nr. 1VerkProspG speziell geregelten, zeitlich eng limitierten Rückabwicklungsanspruchs gegen die Prospektverantwortlichen vorliegend die Grundsätze der (bürgerlichrechtlichen ) Prospekthaftung überhaupt anwendbar sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 13, zur Veröffentlichung vorgesehen).
- 24
- 3. Das Urteil war daher aufzuheben.
- 25
- Bezüglich der Beklagten zu 2 ist die Sache im Sinne einer vollständigen Abweisung der Klage entscheidungsreif.
- 26
- Dies gilt nicht hinsichtlich der Beklagten zu 1. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Seiters Remmert
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 03.03.2011 - 22 O 1310/10 -
OLG München, Entscheidung vom 22.05.2012 - 5 U 1725/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen seiner Meinung nach fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds.
- 2
- Nach Gesprächen mit dem damals für die Beklagte tätigen selbständigen Handelsvertreter W. zeichnete der Kläger am 18. März 1996 eine Beteiligung an der I. Immobilienfonds GbR (im Folgenden: Immobilienfonds ) in Höhe eines Nominalbetrags von 40.000 DM zuzüglich eines Agios von 5 %. Gegenstand des Immobilienfonds waren laut Prospekt "Erwerb und Vermietung" einer damals im Bau befindlichen "Vorsorge- und Rehabilitations- klinik mit 240 Betten in K. ". Nachdem der Kläger in den Jahren 1998 und 1999 noch Ausschüttungen erhalten hatte, geriet der Immobilienfonds in der Folgezeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 7. Juli 2001 kam es zu einer Gesellschafterversammlung des Fonds, bei der ein Sanierungskonzept beschlossen wurde. Der Kläger beteiligte sich anschließend mit einem weiteren Betrag von 5.000 DM an einer Kapitalerhöhung auf der Grundlage des auf der Versammlung beschlossenen Sanierungskonzepts. Jedoch kam es auch in der Zeit danach nicht zu weiteren Ausschüttungen.
- 3
- Der Kläger hat die Beklagte wegen verschiedener Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
I.
- 4
- Die Revision ist - was der Kläger zu Recht hinnimmt - nur in beschränktem Umfang zugelassen worden. Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor seines Urteils die Zulassung uneingeschränkt ausgesprochen. In den Gründen hat es jedoch ausgeführt, dass die Revision zugelassen wird, um eine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung des in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken verwendeten Prospekts in Bezug auf die streitigen Punkte "Veräußerung" und "Avale Bauzeit" zu ermöglichen und zur Klärung der in Entscheidungen des Oberlandesgerichts München abweichend beurteilten Rechtsfrage , ob der Prospekt insoweit den an ihn zu stellenden Anforderungen genügt.
II.
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- 6
- 1. Veräußerung (Fungibilität) der Kapitalanlage
- 7
- a) Ein Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten , dem er zur Eingehung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Markts nur eingeschränkt möglich ist (vgl. nur Senat, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 16; Urteile vom 12. Juli 2007 - III ZR 145/06, WM 2007, 1608 Rn. 11 und vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 20). Die persönliche Aufklärungspflicht des Beraters entfällt, wenn die entsprechende Belehrung in einem Prospekt enthalten ist und der Berater davon ausgehen darf, dass der Kunde diesen gelesen und verstanden hat sowie gegebenenfalls von sich aus Nachfragen stellt (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 aaO Rn. 17).
- 8
- Der Kläger hat behauptet, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden ist. Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts, das die Frage des Abschlusses eines Anlageberatungs- oder lediglich eines Anlagevermittlungsvertrages offengelassen hat, ist hiervon im Revisionsverfahren auszugehen (vgl. im Übrigen zur Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers Senat, Urteil vom 12. Juli 2007 aaO Rn. 8, 9, 11).
- 9
- b) Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einen Prospektfehler und im Folgenden eine Pflichtverletzung der Beklagten verneint.
- 10
- aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Ausführungen im Abschnitt "Veräußerung" auf Seite 5 des - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits mehrere Wochen vor Zeichnung der Anlage im ersten Beratungsgespräch und damit rechtzeitig übergebenen - Prospekts ausreichen, um den Anleger über das bestehende Risiko der eingeschränkten Fungibilität aufzuklären. Er könne erkennen, dass ein Verkauf der Beteiligung zwar allgemein möglich sei, erfolgreiche Verkaufsbemühungen aber davon abhängen würden, einen Käufer zu finden, der einen angemessenen Preis für den Anteil zahle. Die einleitende Angabe, wonach der Gesellschaftsanteil jederzeit veräußerlich sei, sei im Gesamtzusammenhang der Risikoaufklärung zur eingeschränkten Fungibilität im Prospekt dahin zu verstehen, dass rechtliche oder gesellschaftsvertragliche Hindernisse einer Veräußerung nicht entgegenstünden. Auf die praktischen Schwierigkeiten werde im Anschluss ein- gegangen und deutlich gemacht, dass es keinen geregelten Markt für Anteile an geschlossenen Immobilienfonds gebe, es mithin grundsätzlich dem Anleger obliege, einen Käufer zu finden, der die Beteiligung zu einem angemessenen Preis abnehme. Die dabei angebotene Hilfe seitens der Beklagten - Unterstützung durch den Geschäftsbesorger - allein vermöge den Hinweis nicht derart zu relativieren oder zu verharmlosen, dass dieser insgesamt als unzureichend anzusehen wäre, dem Anleger das Risiko, dass der Anteil in Ermangelung eines entsprechenden Marktes praktisch nicht zu angemessenen Konditionen veräußert werden könne, deutlich zu machen.
- 11
- bb) Die gegen diese Würdigung gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl.
- 12
- Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. März 2013 - II ZR 252/11, WM 2013, 734 Rn. 14; siehe auch Senat, Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06, WM 2007, 1503 Rn. 9,jeweils mwN).
- 13
- Die Auffassung des Klägers, der Anleger müsse aufgrund des Prospektinhalts davon ausgehen, dass er im Bedarfsfall seine Beteiligung umstandslos wieder zu Geld machen könne, teilt der Senat nicht. Zwar wird einleitend im Abschnitt "Veräußerung" ausgeführt, dass der Gesellschaftsanteil jederzeit veräußerlich ist. Im folgenden Satz wird dann aber deutlich darauf hingewiesen, dass sich praktische Schwierigkeiten bei der Veräußerung dadurch ergeben, dass es keinen geregelten An- und Verkaufsmarkt für Anteile an geschlossenen Immobilienfonds gibt. Aus diesem Gegensatz zwischen der Veräußerlichkeit als solcher und den praktischen Schwierigkeiten hat das Berufungsgericht zutreffend geschlossen, dass der verständige Anleger die einleitende Formulierung so verstehen muss, dass sie sich lediglich auf rechtliche oder gesellschaftsvertragliche Hindernisse bezieht, die einer Veräußerung des Gesellschaftsanteils nicht entgegenstehen. Dass der Geschäftsbesorger seine Unterstützung bei etwaigen Verkaufswünschen anbietet - im angefochtenen Urteil und in der Revision ist insoweit von der Führung von Replatzierungslisten die Rede - stellt keine Einschränkung des zuvor erfolgten Hinweises auf die praktischen Schwierigkeiten dar, einen Käufer zu finden, der einen angemessenen Preis für die Anlage zahlt. Soweit anschließend (im dritten Absatz) Ausführungen zur Werthaltigkeit der Beteiligung im Falle einer - rechtlich und gesellschaftsvertraglich jederzeit möglichen - Veräußerung gemacht werden, sind auch diese letztlich nicht geeignet, den eindeutigen Hinweis auf die eingeschränkte Fungibilität entscheidend zu schwächen, zumal zuvor (im zweiten Absatz) darauf hingewiesen wird, dass Immobilieninvestitionen langfristiger Natur sind und nicht innerhalb weniger Jahre zu Gewinnen führen, weshalb kurz- oder mittelfristige Veräußerungen nur in Notfällen vorgenommen werden sollten. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Aussage, dass bei einer Veräußerung in der Regel von einer Deckung der Verbindlichkeiten auszugehen und keine Veräußerung zum Substanzwert , aber zum Ertragswert denkbar sei, steht erkennbar in Bezug zu den gleichzeitig erwähnten Prognose- und Renditeerwartungen und insoweit unter dem Vorbehalt, dass diese sich bewahrheiten. Jedenfalls stellen diese Ausführungen bei der gebotenen Gesamtschau noch keine unzutreffende Verharmlosung des zuvor beschriebenen praktischen Verwertungsrisikos dar. Dass hierbei ein etwaiger Verkauf an Anlageinteressenten, denen es in erster Linie auf die im Prospekt angesprochenen und von der Revision erwähnten steuerlichen Vorteile bei Erstzeichnung und nicht auf längerfristige Renditeerwartungen an- kommt, schwerlich möglich ist, liegt auf der Hand und ist kein Umstand, auf den im Prospekt ausdrücklich hingewiesen werden musste.
- 14
- 2. Avale Bauzeit
- 15
- Im Anlageprospekt ist auf Seite 16 im "Investitions- und Finanzierungsplan" unter der Überschrift "Investitionsplanung" unter anderem die Position "Avale Bauzeit" mit einem Betrag von 782.568 DM angegeben.
- 16
- a) Wie der Senat zwischenzeitlich in einem anderen, denselben Fonds betreffenden Verfahren (Urteil vom 15. November 2012 - III ZR 55/12, VersR 2013, 193 Rn. 12) ausgeführt hat, wird der Begriff "Aval" gemeinhin als Synonym für Bürgschaft verstanden. Die im Investitionsplan aufgeführte Kostenposition bezieht sich insoweit erkennbar auf während der Bau- beziehungsweise Investitionsphase anfallende Kosten für Bürgschaften oder vergleichbare Garantien. Einer näheren Aufschlüsselung dieser - angesichts der Gesamtkosten von 90.615.500 DM - eher geringfügigen Position bedurfte es an dieser Stelle nicht, zumal für den Anleger im Rahmen der Kostenzusammenstellung vor allem der jeweilige Gesamtbetrag der Position von Bedeutung ist, da sie ihm Aufschluss darüber gibt, welche Aufwendungen Vertriebskosten beziehungsweise sonstige weiche Kosten sind und welche Beträge in die Fondsimmobilie investiert werden, deren Verkehrswert den Wert der Fondsgesellschaft und damit seiner Beteiligung im Wesentlichen bestimmt. Anlass für kritische Nachfragen hätte allenfalls dann bestanden, wenn der Anfall einer Avalprovision nicht plausibel gewesen wäre, es insoweit hierfür im Rahmen des prospektierten Investitionsvorhabens keinen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, oder wenn sich bezüglich eines solchen Grundes die Höhe der Avalprovision offensichtlich außerhalb des vertretbaren Rahmens bewegt hätte (vgl. Senat aaO Rn. 13).
- 17
- b) Ein solcher nachvollziehbarer Grund kann darin liegen, dass gerade bei größeren Bauvorhaben häufig Avale zugunsten des Bauunternehmers gestellt werden. Der Senat hat in dem Verfahren III ZR 55/12 die diesbezügliche Bewertung des dortigen Berufungsgerichts (aaO Rn. 9) nicht beanstandet und den Einwand der Revision, nicht die Fondsgesellschaft, sondern die I. AG (im Folgenden I. AG) sei Bauherrin und insoweit gegebenenfalls zur Stellung einer entsprechenden Sicherheit verpflichtet gewesen, als unbegründet angesehen. Denn - wie aaO Rn. 15 näher ausgeführt - ein Anlageberater hätte auch dann, wenn ihm bekannt gewesen wäre oder hätte sein müssen, dass die I. AG Bauherrin gewesen sei, bei der geschuldeten kritischen Prüfung des Prospekts nicht daraus schließen müssen, dass Aufwendungen für eine Absicherung des Bauunternehmers als Grund für die in die Planung eingestellten Avalkosten nicht plausibel seien. Davon , dass die I. AG etwaige im Zusammenhang mit der Errichtung der Klinik entstehende Kosten im Verhältnis zur Fondsgesellschaft übernehmen würde, musste nicht ausgegangen werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe nahe gelegen, dass im Verhältnis der I. AG zur Fondsgesellschaft solche Kosten Letztere zu tragen gehabt hätte.
- 18
- c) Die Auffassung des Klägers, der vorliegende Sachverhalt sei anders zu beurteilen, teilt der Senat nicht.
- 19
- aa) Ein Grund zu einer abweichenden Beurteilung ergibt sich nicht aus dem zwischen der I. AG und der Fondsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag, den der Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - allerdings in anderem Zusammenhang - vorgelegt hat und der im Verfahren III ZR 55/12 nicht Aktenbestandteil gewesen ist. Zwar ist es zutreffend, dass sich die I. G danach verpflichtet hat, auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück auf eigene Rechnung und Gefahr das Bauvorhaben zu verwirklichen, und dass im Vertrag eine Bürgschaft zugunsten des ausführenden Bauunternehmers und entsprechende Avalkosten nicht ausdrücklich erwähnt sind. Dies musste einen Anlageberater, selbst wenn ihm der Vertrag bekannt war, aber nicht misstrauisch machen. Etwaige Avalkosten konnten insoweit auch im Kaufpreis enthalten sein. Dem steht nicht entgegen, dass im Investitionsplan bei den Kosten nicht der Kaufpreis (70 Mio. DM nebst Guthabenzinsen), sondern Einzelpositionen (u.a. Grundstück, Anschaffung Gebäude, Anschaffung Außenanlagen, Avale Bauzeit) angeführt sind. Da die I. AG gleichzeitig Prospektherausgeberin war, konnte es sich hierbei auch um die der Berechnung des Kaufpreises zugrunde gelegten Einzelpositionen handeln. Zwar liegen diese, wenn man die ihrem Umfang nach nicht abschätzbaren Guthabenzinsen unberücksichtigt lässt, addiert der Höhe nach insgesamt etwas über dem im Vertrag erwähnten Kaufpreis. Im Investitionsplan wird auf Seite 16 im letzten Absatz aber darauf hingewiesen, dass in den jeweiligen Positionen die anteiligen Kosten für Notar und Gericht sowie die Grunderwerbsteuer bereits enthalten sind. Zu letzterer wird auf Seite 15 unter der Überschrift "Grunderwerbsteuer" ausgeführt , dass diese auf den Erwerbspreis für Grund und Boden, Gebäude und Außenanlagen kalkuliert worden sei, da das Risiko bestehe, dass der Gesamtaufwand besteuert werde.
- 20
- bb) Dass die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen hat, sie sei im Rahmen ihrer Plausibilitätsprüfung davon ausgegangen, dass die im Prospekt angesprochenen Avale eine eigenständige Sicherheit für zusätzliche Kredite während der Bauzeit zur Vorfinanzierung des sukzessive einzuwerbenden Eigenkapitals und zur Zwischenfinanzierung des als Annuitätendarlehen erst nach Abschluss der Bauarbeiten abrufbaren Fremdkapitals seien, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn liegt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung eines Prospekts objektiv ein plausibler Grund für eine im Investitionsplan kalkulierte Kostenposition vor, besteht keine Pflicht, diese zu hinterfragen und etwa Nachforschungen danach anzustellen, ob es sich - so der Kläger - um eine fiktive Position zur Verschleierung von Zuwendungen an den Gründungsgesellschafter handelt. Hieran ändert sich nichts, wenn der Anlageberater bei seiner Prüfung nicht an diesen plausiblen, sondern einen anderen - im Übrigen, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, ebenfalls plausiblen - Grund gedacht hat, es sei denn, ihm ist das Fehlen des plausiblen Grundes positiv bekannt.
- 21
- cc) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Höhe der Avalkosten keinen Anlass zu Misstrauen und weiteren Nachforschungen gegeben hat. Der Hinweis der Revision, die im Prospekt ausgewiesene Avalprovision sei „deutlich mehr als branchenüblich“, wird nicht weiter begründet. In den in Bezug genommenen Ausführungen in den erstinstanzlichen Schriftsätzen des Klägers vom 19. September und 22. November 2011 wird geltend gemacht, Avale hätten allenfalls im Hinblick auf das aufzunehmende Fremdkapital beziehungsweise in Höhe der Differenz zwischen den prospektierten Anschaffungskosten für Gebäude und Außenanlagen und dem prospektierten Fremdkapital entstehen dürfen. Mit diesen - in sich schon unklaren beziehungsweise widersprüchlichen - Bemerkungen ist nicht dargetan, dass die branchenüblichen Avalkosten überschritten sind. In Anbetracht des hier vorliegenden plausiblen Grundes (s.o.) ist vielmehr maßgeblich, ob sich im Hinblick auf das projektierte Bauvorhaben - laut Prospekt (Seite 9) sollte Baubeginn im September 1995 und Fertigstellung im Mai 1997 sein - die "Avale Bauzeit" von 782.568 DM außerhalb des vertretbaren Rahmens bewegthat. Dafür ist nichts ersichtlich.
- 22
- d) Der Anleger trägt auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vom Anlageberater durchgeführte Prüfung nicht ordnungsgemäß war, weil sie anderenfalls zur Aufdeckung von aufklärungsbedürftigen Umständen geführt hätte (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2012 aaO Rn. 17).
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 29.12.2011 - 2 O 93/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.09.2012 - 17 U 6/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (XI ZR 191/10, WM 2011, 925 ff.) Bezug genommen. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
- 2
- 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist ein Zulassungsgrund im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650 f.) nicht gegeben. Die Rechtsfrage, was unter aufklärungspflichtigen Rückvergütungen zu verstehen ist, ist - wie im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt - aufgrund der bisherigen Senatsrechtsprechung beantwortbar, so dass weder grundsätzliche Bedeutung noch Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 Fall 1 ZPO) die Zulassung der Revision erfordern. Da das Berufungsgericht sich insgesamt in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung befindet, erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) die Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren nicht, selbst wenn das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main einen von der Senatsrechtsprechung abweichenden Obersatz aufgestellt hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 16).
- 3
- 2. Die Revision hat auch aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (aaO Rn. 17 ff.) genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 bietet keinen Anlass, von der Beurteilung im Hinweisbeschluss abzuweichen.
- 4
- a) Zum unterschiedlichen dogmatischen Ansatz für die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen einerseits und Innenprovisionen andererseits wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 21 ff.) verwiesen. Soweit die Revision sich nunmehr insgesamt gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Pflicht einer anlageberatenden Bank, einen Anleger, dem sie eine Kapitalanlage empfiehlt, ungefragt über erhaltene Rückvergütungen aufzuklären, wendet, hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 20 mwN). Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, WM 2011, 682 Rn. 38). Dabei verkennt sie, dass es in jenem Urteil um die Frage der Aufklärung über den in die Vertragsbedingungen einkalkulierten Gewinn des Verkäufers im Zweipersonenverhältnis ging. Vorliegend geht es hingegen um verheimlichte Provisionsrückflüsse von einem Dritten an den Berater des Kapitalanlegers. In diesem Dreipersonenverhältnis ist der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig und muss darüber aufgeklärt werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 31d WpHG.
- 5
- Im Übrigen verkennt die Revision - worauf die Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 30. Mai 2011 zutreffend hinweist -, dass nach ihrem eigenen Vortrag bei V 4 auch zumindest teilweise Rückvergütungen aus dem Agio geflossen sind. Die Beklagte hat vorgetragen, bis zu 8,72% bei V 4 erhalten zu haben, die aus den ausgewiesenen 4,9% Eigenkapitalvermittlung + 2% Platzierungsgarantie + 2% Finanzvermittlungsgebühr zurückzuführen seien. Da Vertriebsprovision , Finanzierungsvermittlungsprovision und Platzierungsgarantieprovision verschiedene Lebenssachverhalte betreffen und die beiden letzteren kein Entgelt für den Vertrieb darstellen, sind - unabhängig davon, ob, wie die Revisionserwiderung vorträgt, in einem Parallelverfahren ein Bankmitarbeiter als Zeuge ausgesagt hat, dass in der Vergütung das Agio in Höhe von 5% mitenthalten war (§ 138 Abs. 1 ZPO) - bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zumindest Teile des Agios an sie geflossen.
- 6
- b) Entgegen der Ansicht der Revision liegt - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 28 ff.) ausgeführt hat - auch keine Divergenz zur Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vor. Der III. Zivilsenat hat im Gegenteil in seinem Urteil vom 3. März 2011 (III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 18 ff.) noch einmal bekräftigt, dass sich die Pflichten einer Bank und eines freien Anlageberaters bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise unterscheiden und die Bank danach in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Aufklärung über Rückvergütungen verpflichtet ist.
- 7
- c) Der Senat hat entgegen der Ansicht der Revision hinsichtlich der Kausalität auch kein Neuland betreten. Der Senat hat im Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 33 mwN) die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beweislastumkehr infolge der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 122; Senatsurteile vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124, 151, 159 f.; vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216; vom 7. Mai 2002 - XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5, 12; vom 13. Juli 2004 - XI ZR 178/03, WM 2004, 1774, 1777 und BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 266/07, WM 2009, 789 Rn. 6, jeweils mwN).
- 8
- Soweit die Revision meint, die Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (u.a. Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, WM 2006, 668, 671) weiche von der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, so trifft das nicht zu. Die in einem obiter dictum angedeuteten Zweifel an einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen keine Abweichung in einer Rechtsfrage dar.
- 9
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Indizien, die gegen die Kausalitätsvermutung sprächen, nicht gewürdigt und angebotene Beweise nicht erhoben, vermag sie damit nicht durchzudringen. Es obliegt dem Tatrichter, die zur Verfügung stehenden Indizien nach § 286 ZPO zu würdigen. Die tatrichterliche Würdigung kann in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob sie vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN). Dieser Überprüfung hält das Berufungsurteil stand. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision die relevanten Indizien vollständig gewürdigt und sie für nicht durchgreifend erachtet. Es hat auch entgegen der Ansicht der Revision keine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen, sondern unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten rechtsfehlerfrei als Behauptung ins Blaue hinein gewertet. Soweit die Revision einer mangelnden Nachfrage des Zedenten Bedeutung beimessen will, verkennt sie, dass der Bankberater - anders als ein freier Anlageberater (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 21) - ungefragt nicht nur über das Ob, sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen aufklären muss (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 24). Es ist auch entgegen der Ansicht der Revision nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft. Weiter kann entgegen der Ansicht der Revision aus dem Einverständnis des Zedenten mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften nicht auf sein Einverständnis mit Rückvergütungen im vorliegenden Fall geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn der Anleger vergleichbare Produkte in Kenntnis dort geflossener Rückvergütungen erworben hätte (vgl. Ellenberger in Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft , AGB in der Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 2010, S. 37, 49 f. mwN). Das ist hier aber nicht der Fall.
- 10
- d) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend das Verschulden der Beklagten festgestellt.
- 11
- Das Verschulden wird bei Vorliegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Aufklärungspflichtige muss danach darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 18 und Senatsurteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 17).
- 12
- Soweit sich die Revision auf einen Rechtsirrtum beruft, übersieht sie, dass die Haftung wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entfällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 303; Urteile vom 14. Juni 1994 - XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614 und vom 4. Juli 2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014). Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353 f. mwN). Wie der Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. mwN) entschieden und eingehend begründet hat, kann sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Soweit die Revision aus der Unterscheidung der Rechtsprechung zu Innenprovisionen und Rückvergütungen etwas anderes herleiten will, kann sie damit nicht durchdringen. Dass verheimlichte Rückflüsse aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufklärungspflichtig sind, konnte der veröffentlichten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der streitigen Anlageberatung in den Jahren 2003 und 2004 entnommen werden (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 - XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235, 239). Entgegen der Ansicht der Revision gab es keine Rechtsprechung, die das Verheimlichen von Rückvergütungen erlaubt hätte, so dass keine rückwirkende Rechtsprechungsänderung vorliegt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 11). Die Revision kann sich für ihre Ansicht auch nicht auf die Ausführungen von Nobbe (WuB I G. 1. - 5.10. S. 126) berufen. Diese betreffen Innenprovisionen, nicht jedoch Rückvergütungen.
- 13
- e) Soweit sich die Revision gegen die Haftung der Beklagten in Bezug auf V 3 wegen falscher Darstellung der Kapitalgarantie wendet, kommt es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nach oben Gesagtem nicht mehr an. Das Berufungsgericht hat aber auch insofern einen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu Recht bejaht.
- 14
- Zunächst ist die Einschätzung des Berufungsgerichts zutreffend, dass durch die Kurzübersicht (GA I 150) das Risiko der Fondsbeteiligung falsch dargestellt worden ist. Ferner hat das Berufungsgericht bindend festgestellt (§ 314 ZPO), dass unstreitig das Beratungsgespräch zu V 3 auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist und dass diese Übersicht dem Zedenten ausgehändigt worden ist.
- 15
- Da die Falschberatung durch die Übergabe der Kurzübersicht und die Feststellung des Berufungsgerichts, dass anhand dieser Übersicht beraten wurde, feststeht, trifft die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie den Fehler richtig gestellt hat (Senatsbeschluss vom 17. September 2009 - XI ZR 264/08, BKR 2009, 471 Rn. 5 mwN).
- 16
- Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Vortrag der darlegungspflichtigen Beklagten über die Richtigstellung sei nicht ausreichend, ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) und hält dieser Überprüfung stand. Der von der Revision angeführte Vortrag, es seien keine vom Fondsprospekt abweichenden Angaben oder Zusicherungen gemacht worden, steht im Widerspruch zu den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das Beratungsgespräch auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist. In dieser ist eine falsche Zusicherung über die Kapitalgarantie expressis verbis enthalten.
- 17
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte nach § 139 ZPO einen Hinweis darauf erteilen müssen, dass es von einer nicht ausreichenden Richtigstellung der Kurzübersicht ausgehe, so trifft das nicht zu. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht keine vom Berufungsgericht abweichende Auffassung vertreten, sondern die Falschberatung unterstellt und lediglich die Kausalität verneint, weil der Zedent wegen des auf informierter Grundlage erfolgten Erwerbs von V 4 sich auch für V 3 entschieden hätte. Die Beklagte konnte daher nicht darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtverletzung annehmen würde.
- 18
- Entgegen der Ansicht der Revision ist eine ordnungsgemäße Richtigstellung auch nicht durch den Prospekt erfolgt. Die ordnungsgemäße Aufklärung durch einen Prospekt setzt voraus, dass er dem Anleger so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung übergeben wird, dass der Anleger sich mit dem Prospektinhalt vertraut machen kann (Senatsurteil vom 25. September 2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 17). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann dem Zedenten der Prospekt frühestens einen Tag vor der Zeichnung zugegangen sein. Ob ein Tag ausreicht, sich mit dem Inhalt eines Verkaufsprospektes vertraut zu machen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese hat das Berufungsgericht gewürdigt und die Zeit für nicht ausreichend erachtet. Diese in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
- 19
- Soweit das Berufungsgericht die Kausalität aufgrund der Umstände des Einzelfalls als gegeben angesehen hat, ist auch diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 09.07.2009 - 8 O 183/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.04.2010 - 3 U 202/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht der H. GmbH (im Folgenden: Zedentin) im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften in Anspruch.
- 2
- Die Zedentin erwarb nach einem - inhaltlich im Einzelnen streitigen - Beratungsgespräch mit Mitarbeitern der Beklagten am 15. Februar 2000 zwischen dem 16. Februar und dem 14. Juni 2000 über die Beklag- te für 141.478,21 € Anteile an Aktienfonds und für 106.395,72 € Aktien. In den Wertpapierabrechnungen über die Fondsanteile sind nicht besonders ausgewiesene Ausgabeaufschläge zwischen 3% und 5% enthalten. Die Beklagte, die aus diesen Aufschlägen und den von den konzerneigenen Fonds erhobenen Verwaltungsgebühren Rückvergütungen erhält, gewährte der Zedentin insoweit Bonifikationen von zumeist 1%, in einem Falle von 2,5%. Über die Ausgabeaufschläge wurde die Zedentin informiert , nicht aber über die Rückvergütungen an die Beklagte.
- 3
- Nach erheblichen Kursverlusten suchte der Geschäftsführer der Zedentin, der sich falsch beraten fühlte, am 8. August 2000 zusammen mit einem Rechtsanwalt die Beklagte auf. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Nach Veräußerung eines Teils der Fondsanteile für 70.842,62 € und der Aktien für 54.908,60 € hat der Kläger am 13. August 2003 Klage eingereicht und unter Berücksichtigung erzielter Wertpapiererträge von 511,58 € die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 127.611,13 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der restlichen Wertpapiere beantragt.
- 4
- Zur Begründung beruft er sich im Revisionsverfahren im Wesentlichen darauf, die Beklagte habe gegen ihre aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG folgende Interessenwahrungspflicht verstoßen, weil sie nur Fonds von konzerneigenen Gesellschaften empfohlen habe. Außerdem habe sie vorsätzlich Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren der Fonds verschwiegen. Wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, wäre er dem Anlagevorschlag der Beklagten, auch was die empfohlenen Aktien angehe, nicht gefolgt.
- 5
- Beklagte Die hat eine Fehlberatung in Abrede gestellt und gemeint , über die Rückvergütungen nicht aufklären zu müssen. Außerdem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
- 6
- Diese hat das Landgericht als durchgreifend erachtet und die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Ansprüche der Zedentin gegen die Beklagte aufgrund des Beratungsgesprächs vom 15. Februar 2000 seien zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. August 2003 gemäß § 37a WpHG verjährt gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist habe spätestens mit dem letzten Erwerbsakt vom 14. Juni 2000 zu laufen begonnen. Die Verjährung sei nicht gehemmt worden, weil Verhandlungen über die Schadensersatzpflicht nicht stattgefunden hätten.
- 10
- Die nach § 37a WpHG eingetretene Verjährung ergreife auch mögliche konkurrierende deliktische Ansprüche aufgrund fahrlässiger Falschberatung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 WpHG und auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 19 Abs. 1 KAGG wegen unterlassener Zurverfügungstellung eines Verkaufsprospektes.
- 11
- Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB gegen die Beklagte wegen des Verschweigens von Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren der Fonds zu. Eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Rückvergütungen habe für die Beklagte schon deshalb nicht bestanden, weil sie weder die Stellung eines unabhängigen Maklers noch diejenige eines unabhängigen Vermögensverwalters inne gehabt habe, sondern vielmehr in ihrer Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen am Markt teilgenommen habe. In dieser Stellung sei die Beklagte im Unterschied zu einem zur Neutralität verpflichteten Makler zum einen nicht verpflichtet gewesen, aus der breiten Palette in Betracht zu ziehender Aktien- und Fondsanlagen stets allein die für den Kunden günstigste zu empfehlen. Vielmehr sei sie rechtlich befugt gewesen, bevorzugt Produkte ihrer eigenen Fondsgesellschaft zu empfehlen und mithin eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Dieser Umstand sei dem Wertpapierkunden, der sich nicht an einen unabhängigen Berater, sondern an eine Bank wende, im Allgemeinen auch bekannt. Abgesehen davon habe der Geschäftsführer der Zedentin aufgrund der erhaltenen Bonifikation von bis zu 2,5% annehmen müssen, dass die Beklagte an den Ausgabeaufschlägen der Fondsgesellschaften partizipiere. Ein als Geschäftsführer einer GmbH im Wirtschaftsleben stehender Wertpapierkunde müsse davon ausgehen, dass eine Bank solche Gutschriften nicht aus ihrem eigenen Vermögen leiste.
II.
- 12
- Berufungsurteil Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 13
- Zu 1. Recht hat das Berufungsgericht allerdings etwaige Schadensersatzansprüche wegen fahrlässiger Verletzung eines am 15. Februar 2000 geschlossenen Beratungsvertrages bzw. wegen fahrlässiger Verletzung einer Informationspflicht aus § 31 WpHG nach § 37a WpHG als verjährt angesehen. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 8. März 2005 (BGHZ 162, 306, 311 ff.), nach Erlass des Berufungsurteils , entschieden und ausführlich begründet hat, unterfallen nicht nur vertragliche Ansprüche aus einer fahrlässigen Falschberatung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 37a WpHG, sondern auch etwaige deliktische Ansprüche aus fahrlässiger Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 WpHG). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, dass diese dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung abgelaufen war.
- 14
- Entgegen der Ansicht der Revision ist die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG im Hinblick auf das Parteigutachten von Prof. Dr. Micklitz vom 21. Juli 2004 (siehe auch Micklitz WM 2005, 536 ff. und EWiR 2005, 491 f.) nicht etwa auf ihre Europarechtskonformität hin zu überprüfen. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaf- ten über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (93/22 EWG; ABl. EG Nr. L 141 S. 27) regelt Verjährungsfragen nicht, sondern überlässt diese der nationalen Gesetzgebung. Die Ansicht, § 37a WpHG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, liegt auch unter Berücksichtigung des Aspekts effektiven Rechtsschutzes so fern, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung nicht in Betracht kommt. Das von Micklitz (EWiR 2005, 491, 492) statuierte Verbot der verjährungsrechtlichen „Benachteiligung der Ansprüche aus § 37a WpHG“, gemeint sind wohl Ansprüche aus §§ 31 und 32 WpHG, "gegenüber Ansprüchen aus anderen Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 823 BGB", entbehrt einer haltbaren gemeinschaftsrechtlichen Verankerung. Im Übrigen wäre vorliegend die statuierte Benachteiligung schon deswegen nicht gegeben, da auch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 31, 32 WpHG) bei Einreichung der Klage am 13. August 2003 verjährt gewesen wäre (§ 852 Abs. 1 BGB a.F.), weil der Geschäftsführer der Zedentin spätestens am 8. August 2000 von einer etwaigen Beratungspflichtverletzung der Beklagten Kenntnis hatte.
- 15
- 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass ein etwaiger, allein auf Fahrlässigkeit gestützter Anspruch der Zedentin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG (in der bis zum 31. Juli 2001 geltenden Fassung), wegen unterlassener Zurverfügungstellung der Verkaufsprospekte der Fondsgesellschaften nach § 37a WpHG verjährt ist. Die allgemeinen Verjährungsvorschriften (§§ 195 ff. BGB a.F.) werden durch § 37a WpHG verdrängt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 37a WpHG (BT-Drucks. 13/8933 S. 97) sollen auch Aufklärungsfehler , die mittels eines Prospekts begangen werden, der allge- meinen Verjährung entzogen werden und der kurzen kapitalmarktrechtlichen Verjährungsfrist unterliegen. Bei einem Unterlassen der erforderlichen Aufklärung kann nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl. BGHZ 162, 306, 312) nichts anderes gelten. Für den Anleger ist es unerheblich , ob ihm die erforderliche Information in einem Gespräch nicht erteilt oder ihm dadurch vorenthalten wird, dass ihm ein Verkaufsprospekt der Fondsgesellschaft nicht zur Verfügung gestellt wird (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.565). Der Einwand der Revision, § 37a WpHG solle lediglich spezielle Beratungsrisiken begrenzen , greift nach dem Wortlaut ersichtlich nicht durch. Erfasst werden danach nicht nur Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Beratung, sondern auch solche aus einer Informationspflichtverletzung. Wegen des Durchgreifens der Verjährungseinrede bedarf es vorliegend keiner Entscheidung , ob die Beklagte als Vertriebsbank der Fondsanteile überhaupt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG verpflichtet ist, einem Erwerber von Fondsanteilen einen Verkaufsprospekt der Fondsgesellschaft zur Verfügung zu stellen (vgl. zum Streitstand Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 7 Rdn. 18, § 18 Rdn. 173; Baur, in: Hellner/Steuer, BuB Rdn. 9/495; a.A. Köndgen, in: Schimansky /Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 113 Rdn. 81) und ob § 19 Abs. 1 Satz 1 KAGG Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 7 Rdn. 185 Rn. 489; Baur, in: Hellner/Steuer, BuB Rdn. 9/499).
- 16
- 3. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Kläger aus einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflicht, zur Wahrung des Kundeninteresses Interessenkonflikte durch organisatorische Maßnah- men zu vermeiden (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), keinen unverjährten Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB herleiten.
- 17
- aa) Ob und inwieweit den §§ 31, 32 WpHG Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zukommt, hat der erkennende Senat bisher offen gelassen (Senatsurteile BGHZ 142, 345, 356; 147, 343, 353; 163, 311, 321; vom 24. Juli 2001 - XI ZR 329/00, WM 2001, 1718, 1719 und vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 26). In der Literatur wird die Frage für einzelne Pflichten bejaht (vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts -Kommentar 3. Aufl. vor § 31 WpHG Rdn. 9; Assmann/ Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. vor § 31 Rdn. 17; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.11; Schäfer, WpHG vor § 31 Rdn. 9; zweifelnd Horn, in: Hellner/Steuer, BuB Rdn. 1304). Einer abschließenden Entscheidung der Frage bedarf es auch hier nicht.
- 18
- Schutzgesetzcharakter i.S. des § 823 Abs. 2 BGB können die §§ 31 ff. WpHG nur haben, soweit sie nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur sind, sondern ihnen auch anlegerschützende Funktion zukommt. Ist dies der Fall, so können sie zwar für Inhalt und Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein. Ihr zivilrechtlicher Schutzbereich geht aber nicht über diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus. Daraus folgt, dass ihnen keine eigenständige, über die zivilrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Nobbe, in: Schimansky/Horn, Bankrecht 1998, S. 235, 250 f.).
- 19
- bb) Die Pflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, sich zu bemühen, Interessenkonflikte zu ver- meiden, hat danach keinen Schutzgesetzcharakter, soweit diese Pflicht die Ergreifung organisatorischer Maßnahmen beinhaltet. Soweit ein Wertpapierhandelsunternehmen einen Interessenkonflikt nicht nur durch organisatorische Maßnahmen, sondern auch durch sachgerechte Information des Kunden vermeiden kann (vgl. dazu Assmann/Schneider/ Koller, WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 43, 74, 77), geht der zivilrechtliche Schutzzweck einer solchen Informationspflicht nicht weiter als die Aufklärungs - und Beratungspflichten aus einem Beratungsvertrag oder aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. Entgegen der Ansicht der Revision unterliegen auch Schadensersatzansprüche aus einer unterbliebenen, aber zur Vermeidung eines Interessenkonflikts erforderlichen Information (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) der kurzen Verjährungsfrist. § 37a WpHG differenziert nicht danach, aus welchem Grund eine Information des Kunden erforderlich ist.
- 20
- 4. Rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung , die nicht unter die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG fällt (BGHZ 162, 306, 312), in Bezug auf die Rückvergütungen der empfohlenen Fonds verneint hat.
- 21
- Im a) Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings keinen Beratungsfehler darin gesehen, dass die Beklagte, was Fondsanteile angeht, ausschließlich hauseigene Produkte empfohlen hat. Maßgeblich für Kapitalanlageempfehlungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr einer Bank ist grundsätzlich das von ihr zusammengestellte Anlageprogramm (vgl. BGHZ 123, 126, 129). Soweit bank-, konzern - oder institutsgruppeneigene Anlageprodukte wie etwa Fondsanteile vorhanden sind, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass solche Produkte, nicht aber vergleichbare konkurrierender Banken oder Institutsgruppen in das Anlageprogramm aufgenommen werden und die Bank nur solche Produkte, nicht aber Konkurrenzprodukte empfiehlt. Ebenso wenig wie ein Kreditnehmer, der sich von einer bestimmten Bank beraten lässt, kann ein Anlageinteressent, der die Beratung einer Bank in Anspruch nimmt, vernünftigerweise erwarten und erwartet auch nicht, dass die Bank ihm von sich aus Produkte konkurrierender Banken oder Institutsgruppen empfiehlt. Das gilt auch dann, wenn diese Produkte besser oder günstiger sind. Erst wenn die Bank gegenüber dem Kunden damit hervortritt, auch über die Produkte konkurrierender Banken zu beraten, oder aber wenn der Anlageinteressent von sich aus die Erwartung zum Ausdruck bringt, auch über solche, etwa von ihm angesprochene Konkurrenzprodukte beraten zu werden, muss die Bank, wenn sie die Beratung insoweit nicht ablehnt, ihn auch darüber objektiv richtig und vollständig informieren und beraten und die Konkurrenzprodukte gegebenenfalls auch empfehlen. Dass die Beklagte vor oder bei dem Beratungsgespräch am 15. Februar 2000 die Beratung auch über Fondsprodukte anderer Banken angeboten oder der Geschäftsführer der Zedentin eine solche von sich aus gewünscht hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beratungsvertrag erstreckte sich deshalb auf solche Produkte nicht. Es ist einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht verboten, ausschließlich hauseigene Produkte oder Produkte verbundener Unternehmen ihren Kunden anzubieten, wenn dies - wie hier - für den Kunden erkennbar ist (vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts -Kommentar 3. Aufl. § 31 WpHG Rdn. 28).
- 22
- b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, aber darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält.
- 23
- aa) Die Aufklärung über die Rückvergütung ist notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen (vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 74; a.A. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. § 31 WpHG Rdn. 27) und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 146, 235, 239) hat eine Bank, die einem Vermögensverwalter Provisionen und Depotgebühren rückvergütet, ihren Kunden vor Abschluss der vom Vermögensverwalter initiierten Effektengeschäfte darauf hinzuweisen, dass sie dadurch eine Gefährdung der Kundeninteressen durch den Vermögensverwalter geschaffen hat. Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Wenn eine Bank einen Kunden ohne Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an den empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Beklagten keine Rolle, ob die Rückvergütungen einem bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in gewissen Zeitabständen gezahlt werden. Wesentlich ist nur, dass die Rückvergütungen umsatzabhängig sind.
- 24
- Entgegen bb) der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht daran, dass der Geschäftsführer der Zedentin nicht aufklärungsbedürftig war, weil er über die Rückvergütungen dadurch informiert war, dass ihm ein Teil davon seitens der Beklagten als Bonifikation gutgeschrieben wurde. Selbst wenn, was nicht festgestellt ist, der Geschäftsführer der Zedentin davon ausgegangen sein sollte, dass es sich bei diesen Bonifikationen um die Reduzierung der Ausgabeaufschläge handelte, so bleibt er, was die Größenordnung der Rückvergütungen angeht, aufklärungsbedürftig. Ohne deren Kenntnis konnte er das Interesse der Beklagten an dem empfohlenen Erwerb von Fondsanteilen und die damit verbundene Gefährdung der Interessen der Zedentin nicht richtig einschätzen.
- 25
- cc) Nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vorbringen des Klägers ist eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagte nicht auszuschließen. Der Kläger hat vorgetragen, der Mitarbeiter K. der Beklagten, dessen Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen muss (§ 278 BGB), habe erklärt, aufgrund seiner guten Verbindungen habe er die Möglichkeit, die Ausgabeaufschläge für die Zedentin günstiger ausfallen zu lassen als üblich. Danach hatte der Mitarbeiter K. der Beklagten offenbar Kenntnis davon, dass Rückvergütungen an die Beklagte flossen, hat dies der Zedentin aber nicht mitgeteilt. Das Verschweigen der Rückvergütungen ist nur dann vorsätzlich geschehen, wenn K. die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. Auch ein bloßer Rechtsirrtum schließt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Vorsatz aus (BGHZ 69, 128, 142; 118, 201, 208).
III.
- 26
- angefochtene Das Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zum vorsätzlichen Verschweigen der Rückvergütungen zu treffen haben.
- 27
- Sollte nach erneuter Verhandlung eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung feststehen, weist der Senat darauf hin, dass Schadensersatz in der Form der Rückabwicklung der erworbenen Kapitalanlagen grundsätzlich nur bezüglich der Fondsanteile beansprucht werden kann, bei denen Rückvergütungen verschwiegen worden sind. Ob auch die Wertpapiergeschäfte schadensersatzrechtlich rückabzuwickeln sind, bei denen keine Rückvergütungen gezahlt wurden, richtet sich danach, ob die Zedentin bei gehöriger Aufklärung insgesamt den Geschäftskontakt mit der Beklagten abgebrochen hätte, wofür der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. auch BGHZ 146, 235, 240 f.). Bei Effektengeschäften , die über eine Bank außerhalb eines Vermögensverwaltungs- vertrages abgewickelt werden, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsverbindung insgesamt nicht zustande gekommen wäre, wenn die Bank in Bezug auf einzelne Geschäfte ein Aufklärungsverschulden trifft.
Ellenberger Schmitt
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.04.2004 - 11 HKO 15075/03 -
OLG München, Entscheidung vom 06.10.2004 - 7 U 3009/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (XI ZR 191/10, WM 2011, 925 ff.) Bezug genommen. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
- 2
- 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist ein Zulassungsgrund im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650 f.) nicht gegeben. Die Rechtsfrage, was unter aufklärungspflichtigen Rückvergütungen zu verstehen ist, ist - wie im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt - aufgrund der bisherigen Senatsrechtsprechung beantwortbar, so dass weder grundsätzliche Bedeutung noch Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 Fall 1 ZPO) die Zulassung der Revision erfordern. Da das Berufungsgericht sich insgesamt in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung befindet, erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) die Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren nicht, selbst wenn das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main einen von der Senatsrechtsprechung abweichenden Obersatz aufgestellt hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 16).
- 3
- 2. Die Revision hat auch aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (aaO Rn. 17 ff.) genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 bietet keinen Anlass, von der Beurteilung im Hinweisbeschluss abzuweichen.
- 4
- a) Zum unterschiedlichen dogmatischen Ansatz für die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen einerseits und Innenprovisionen andererseits wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 21 ff.) verwiesen. Soweit die Revision sich nunmehr insgesamt gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Pflicht einer anlageberatenden Bank, einen Anleger, dem sie eine Kapitalanlage empfiehlt, ungefragt über erhaltene Rückvergütungen aufzuklären, wendet, hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 20 mwN). Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, WM 2011, 682 Rn. 38). Dabei verkennt sie, dass es in jenem Urteil um die Frage der Aufklärung über den in die Vertragsbedingungen einkalkulierten Gewinn des Verkäufers im Zweipersonenverhältnis ging. Vorliegend geht es hingegen um verheimlichte Provisionsrückflüsse von einem Dritten an den Berater des Kapitalanlegers. In diesem Dreipersonenverhältnis ist der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig und muss darüber aufgeklärt werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 31d WpHG.
- 5
- Im Übrigen verkennt die Revision - worauf die Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 30. Mai 2011 zutreffend hinweist -, dass nach ihrem eigenen Vortrag bei V 4 auch zumindest teilweise Rückvergütungen aus dem Agio geflossen sind. Die Beklagte hat vorgetragen, bis zu 8,72% bei V 4 erhalten zu haben, die aus den ausgewiesenen 4,9% Eigenkapitalvermittlung + 2% Platzierungsgarantie + 2% Finanzvermittlungsgebühr zurückzuführen seien. Da Vertriebsprovision , Finanzierungsvermittlungsprovision und Platzierungsgarantieprovision verschiedene Lebenssachverhalte betreffen und die beiden letzteren kein Entgelt für den Vertrieb darstellen, sind - unabhängig davon, ob, wie die Revisionserwiderung vorträgt, in einem Parallelverfahren ein Bankmitarbeiter als Zeuge ausgesagt hat, dass in der Vergütung das Agio in Höhe von 5% mitenthalten war (§ 138 Abs. 1 ZPO) - bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zumindest Teile des Agios an sie geflossen.
- 6
- b) Entgegen der Ansicht der Revision liegt - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 28 ff.) ausgeführt hat - auch keine Divergenz zur Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vor. Der III. Zivilsenat hat im Gegenteil in seinem Urteil vom 3. März 2011 (III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 18 ff.) noch einmal bekräftigt, dass sich die Pflichten einer Bank und eines freien Anlageberaters bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise unterscheiden und die Bank danach in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Aufklärung über Rückvergütungen verpflichtet ist.
- 7
- c) Der Senat hat entgegen der Ansicht der Revision hinsichtlich der Kausalität auch kein Neuland betreten. Der Senat hat im Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 33 mwN) die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beweislastumkehr infolge der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 122; Senatsurteile vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124, 151, 159 f.; vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216; vom 7. Mai 2002 - XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5, 12; vom 13. Juli 2004 - XI ZR 178/03, WM 2004, 1774, 1777 und BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 266/07, WM 2009, 789 Rn. 6, jeweils mwN).
- 8
- Soweit die Revision meint, die Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (u.a. Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, WM 2006, 668, 671) weiche von der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, so trifft das nicht zu. Die in einem obiter dictum angedeuteten Zweifel an einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen keine Abweichung in einer Rechtsfrage dar.
- 9
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Indizien, die gegen die Kausalitätsvermutung sprächen, nicht gewürdigt und angebotene Beweise nicht erhoben, vermag sie damit nicht durchzudringen. Es obliegt dem Tatrichter, die zur Verfügung stehenden Indizien nach § 286 ZPO zu würdigen. Die tatrichterliche Würdigung kann in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob sie vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN). Dieser Überprüfung hält das Berufungsurteil stand. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision die relevanten Indizien vollständig gewürdigt und sie für nicht durchgreifend erachtet. Es hat auch entgegen der Ansicht der Revision keine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen, sondern unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten rechtsfehlerfrei als Behauptung ins Blaue hinein gewertet. Soweit die Revision einer mangelnden Nachfrage des Zedenten Bedeutung beimessen will, verkennt sie, dass der Bankberater - anders als ein freier Anlageberater (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 21) - ungefragt nicht nur über das Ob, sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen aufklären muss (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 24). Es ist auch entgegen der Ansicht der Revision nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft. Weiter kann entgegen der Ansicht der Revision aus dem Einverständnis des Zedenten mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften nicht auf sein Einverständnis mit Rückvergütungen im vorliegenden Fall geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn der Anleger vergleichbare Produkte in Kenntnis dort geflossener Rückvergütungen erworben hätte (vgl. Ellenberger in Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft , AGB in der Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 2010, S. 37, 49 f. mwN). Das ist hier aber nicht der Fall.
- 10
- d) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend das Verschulden der Beklagten festgestellt.
- 11
- Das Verschulden wird bei Vorliegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Aufklärungspflichtige muss danach darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 18 und Senatsurteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 17).
- 12
- Soweit sich die Revision auf einen Rechtsirrtum beruft, übersieht sie, dass die Haftung wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entfällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 303; Urteile vom 14. Juni 1994 - XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614 und vom 4. Juli 2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014). Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353 f. mwN). Wie der Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. mwN) entschieden und eingehend begründet hat, kann sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Soweit die Revision aus der Unterscheidung der Rechtsprechung zu Innenprovisionen und Rückvergütungen etwas anderes herleiten will, kann sie damit nicht durchdringen. Dass verheimlichte Rückflüsse aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufklärungspflichtig sind, konnte der veröffentlichten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der streitigen Anlageberatung in den Jahren 2003 und 2004 entnommen werden (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 - XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235, 239). Entgegen der Ansicht der Revision gab es keine Rechtsprechung, die das Verheimlichen von Rückvergütungen erlaubt hätte, so dass keine rückwirkende Rechtsprechungsänderung vorliegt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 11). Die Revision kann sich für ihre Ansicht auch nicht auf die Ausführungen von Nobbe (WuB I G. 1. - 5.10. S. 126) berufen. Diese betreffen Innenprovisionen, nicht jedoch Rückvergütungen.
- 13
- e) Soweit sich die Revision gegen die Haftung der Beklagten in Bezug auf V 3 wegen falscher Darstellung der Kapitalgarantie wendet, kommt es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nach oben Gesagtem nicht mehr an. Das Berufungsgericht hat aber auch insofern einen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu Recht bejaht.
- 14
- Zunächst ist die Einschätzung des Berufungsgerichts zutreffend, dass durch die Kurzübersicht (GA I 150) das Risiko der Fondsbeteiligung falsch dargestellt worden ist. Ferner hat das Berufungsgericht bindend festgestellt (§ 314 ZPO), dass unstreitig das Beratungsgespräch zu V 3 auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist und dass diese Übersicht dem Zedenten ausgehändigt worden ist.
- 15
- Da die Falschberatung durch die Übergabe der Kurzübersicht und die Feststellung des Berufungsgerichts, dass anhand dieser Übersicht beraten wurde, feststeht, trifft die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie den Fehler richtig gestellt hat (Senatsbeschluss vom 17. September 2009 - XI ZR 264/08, BKR 2009, 471 Rn. 5 mwN).
- 16
- Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Vortrag der darlegungspflichtigen Beklagten über die Richtigstellung sei nicht ausreichend, ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) und hält dieser Überprüfung stand. Der von der Revision angeführte Vortrag, es seien keine vom Fondsprospekt abweichenden Angaben oder Zusicherungen gemacht worden, steht im Widerspruch zu den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das Beratungsgespräch auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist. In dieser ist eine falsche Zusicherung über die Kapitalgarantie expressis verbis enthalten.
- 17
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte nach § 139 ZPO einen Hinweis darauf erteilen müssen, dass es von einer nicht ausreichenden Richtigstellung der Kurzübersicht ausgehe, so trifft das nicht zu. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht keine vom Berufungsgericht abweichende Auffassung vertreten, sondern die Falschberatung unterstellt und lediglich die Kausalität verneint, weil der Zedent wegen des auf informierter Grundlage erfolgten Erwerbs von V 4 sich auch für V 3 entschieden hätte. Die Beklagte konnte daher nicht darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtverletzung annehmen würde.
- 18
- Entgegen der Ansicht der Revision ist eine ordnungsgemäße Richtigstellung auch nicht durch den Prospekt erfolgt. Die ordnungsgemäße Aufklärung durch einen Prospekt setzt voraus, dass er dem Anleger so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung übergeben wird, dass der Anleger sich mit dem Prospektinhalt vertraut machen kann (Senatsurteil vom 25. September 2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 17). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann dem Zedenten der Prospekt frühestens einen Tag vor der Zeichnung zugegangen sein. Ob ein Tag ausreicht, sich mit dem Inhalt eines Verkaufsprospektes vertraut zu machen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese hat das Berufungsgericht gewürdigt und die Zeit für nicht ausreichend erachtet. Diese in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
- 19
- Soweit das Berufungsgericht die Kausalität aufgrund der Umstände des Einzelfalls als gegeben angesehen hat, ist auch diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 09.07.2009 - 8 O 183/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.04.2010 - 3 U 202/09 -
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin macht als Mietwagenunternehmen aus abgetretenem Recht des Geschädigten gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Schädigers restliche Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall geltend.
- 2
- Am 23. Dezember 2006 verschuldete der bei der Beklagten versicherte Schädiger einen Verkehrsunfall, für den die volle Haftung der Beklagten unstreitig ist. Am 27. Dezember 2006 besichtigte ein Sachverständiger das Fahrzeug und gelangte gemäß seinem Gutachten vom 29. Dezember 2006 zum Ergebnis , eine Reparatur des Fahrzeugs dauere etwa sieben Arbeitstage. Der Ge- schädigte benötigte aus beruflichen Gründen ein Ersatzfahrzeug und setzte sich, nachdem er auf telefonische Anfragen bei den Firmen AVIS und SIXT keinen Preis genannt bekommen hatte, mit der Klägerin in Verbindung. Dort mietete er am 27. Dezember 2006 nach einem so genannten Einheitstarif ein Fahrzeug der für seinen Fahrzeugtyp geltenden Mietwagenklasse 5 zu einem Tagessatz von 100 € pauschal zuzüglich Nebenkosten für Haftungsbefreiung, Zustellung und Abholung sowie Winterbereifung an. Zuvor waren ihm Vergleichstabellen zu Tarifen anderer Fahrzeuganbieter vorgelegt worden.
- 3
- Der Mietwagen wurde für 18 Tage in Anspruch genommen, wofür die Klägerin unter Berücksichtigung einer Eigenersparnis insgesamt 2.757,32 € in Rechnung stellte. Die Beklagte erstattete davon 1.999,20 € auf Grundlage der Schwacke-Liste für das Postleitzahlengebiet des Orts der Anmietung gemäß Preisgruppe 4 nebst Nebenkosten.
- 4
- Das Amtsgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 680,92 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Revision vor dem Hintergrund der streitigen Rechtsfrage zugelassen, ob der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte "Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008" des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer-Mietpreisspiegel) eine geeignete Schätzungsgrundlage für die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten darstellt.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht nachgewiesen , dass die verlangten Mietwagenkosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich waren. Als notwendige Erkundigung des Geschädigten über die Preise von Mietwagen reichten die zwei erfolglosen Telefonate mit Mietwagenunternehmen und der Einblick in die von der Klägerin vorgelegten Preislisten nicht aus. Soweit die Klägerin in der Berufung vorgetragen habe, der Geschädigte sei nicht in der Lage gewesen, bei anderen Vermietern ein Fahrzeug anzumieten, weil er über keine Kreditkarte verfügt habe, sei dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass der Geschädigte nicht in der Lage gewesen sei, eine Kaution zu leisten, und er hätte gegebenenfalls bei der Beklagten anfragen müssen, ob diese bereit sei, die anfallende Kaution zu stellen.
- 6
- Die Klägerin könne die Angemessenheit ihrer Preise nicht auf einen Vergleich mit dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 für das Postleitzahlen-Gebiet des Wohnorts des Geschädigten stützen. Maßgeblich sei der Tarif, der auf dem örtlichen Markt der Anmietung angeboten werde. Diesen sog. "Normaltarif" ermittle die Kammer in Abkehr von ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung und der Auffassung des Amtsgerichts nunmehr gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Fraunhofer-Mietpreisspiegels. Die Schwacke-Listen stellten keine geeignete Schätzgrundlage dar, weil sie erhebliche Defizite in der Methodik der Datenerhebung aufwiesen. Angesichts der methodischen und inhaltlichen Vorzüge des Fraunhofer-Mietpreisspiegels lege die Kammer gemäß § 287 ZPO nunmehr diesen zugrunde. Daran sei die Kammer nicht dadurch gehindert, dass das Erstgericht seine Schätzung auf die Schwacke-Liste 2006 gestützt habe.
- 7
- Bei der Berechnung der Mietwagenkosten seien die Reduzierungen des Fraunhofer-Mietpreisspiegels bei Wochen-, Drei-Tages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen. Ausgehend von dieser Studie müsse nicht geklärt werden, ob auf den Wohnort des Geschädigten oder den Ort der Anmietung abzustellen sei, weil beide im Postleitzahlengebiet 36 lägen. Ein pauschaler Aufschlag von 25 % wegen spezifischer Unfallersatzleistungen sei nicht gerechtfertigt, da keine Not- oder Eilsituation vorgelegen habe und auch nicht dargelegt worden sei, dass dem Geschädigten im Anmietzeitpunkt ein so genannter Normaltarif nicht zugänglich gewesen sei.
II.
- 8
- Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar durfte das Berufungsgericht grundsätzlich der Berechnung des von ihm angewendeten "Normaltarifs" den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde legen. Zu beanstanden ist aber, dass es den zweitinstanzlichen Vortrag der Klägerin, der Geschädigte sei nicht in der Lage gewesen, bei anderen Vermietern ein Fahrzeug anzumieten, so dass ein Aufschlag zum "Normaltarif" zu gewähren sei, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat.
- 9
- 1. Trotz der im Tenor des Berufungsurteils enthaltenen Einschränkung der Zulassung der Revision, ist diese uneingeschränkt statthaft, weil die Parteien ausschließlich über die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten streiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269 Rn. 8; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6). Dies ist hier nicht der Fall.
- 10
- 2. a) Das Berufungsgericht ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (vgl. etwa Senatsurteile vom 12. Oktober 2004 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 7; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rn. 9 mwN). Darüber hinausgehende , mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 210/07, VersR 2009, 83 Rn. 6 mwN).
- 11
- b) Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht es für die Zubilligung eines Aufschlags wegen spezifischer Unfallersatzleistungen nicht als ausreichend angesehen hat, dass der Geschädigte zwei erfolglose Telefonate mit anderen Mietwagenunternehmen geführt und sodann lediglich in die ihm von der Klägerin vorgelegte Preisliste sowie in den Schwacke-Mietpreisspiegel Einblick genommen hat. Insbesondere, weil die vorgelegten Preislisten lediglich das Unfallersatzgeschäft bei der Anmietung infolge eines unverschuldet erlittenen Verkehrsunfalls betrafen, machte dies aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten die Nachfrage nach einem günstigeren Tarif für Selbstzahler nicht entbehrlich (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 15 ff.; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 210/07, aaO, Rn. 10). Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Notund Eilsituation verneint hat, die möglicherweise höhere Mietwagenkosten gerechtfertigt hätte. Obgleich sich der Unfall am 23. Dezember 2006, also kurz vor dem Weihnachtsfest ereignete, hatte der Geschädigte genügend Zeit, Angebote anderer Mietwagenunternehmen einzuholen.
- 12
- c) Zu Recht rügt allerdings die Revision, dass das Berufungsgericht den in der Berufungsinstanz erfolgten Vortrag der Klägerin, der Unfallgeschädigte habe keine Kreditkarte besessen, er habe als Leiharbeiter nur einen Monatsverdienst von 800 € netto gehabt und habe bei einem Minus im Kontostand keine Sicherheitsleistung oder Barkaution aufbringen können, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen und nicht berücksichtigt hat. Das neue Vorbringen des in erster Instanz siegreichen Klägers war zuzulassen, weil das Berufungsgericht die Sach- und Rechtslage anders als das Amtsgericht beurteilt hat, welches die Schwacke-Liste seiner Schadensschätzung zugrunde gelegt und wegen spezifischer Leistungen des Unfallersatztarifgeschäfts auf den danach gegebenen Normaltarif einen pauschalen Aufschlag von 25 % hinzugerechnet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der siegreiche Berufungsbeklagte darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern er muss dann auch Gelegenheit erhalten , seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 25 mwN). Das Gericht muss sachdienlichen Vortrag der Partei auf einen nach der Prozesslage gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO zulassen. Die Hinweispflicht des Berufungsgerichts und die Berücksichtigung neuen Vorbringens gehören insoweit zusammen. Die Hinweispflicht liefe ins Leere, wenn von dem Berufungsbeklagten darauf vorgebrachte entscheidungserhebliche Angriffs - und Verteidigungsmittel bei der Entscheidung über das Rechtsmittel unberücksichtigt blieben. Neues Vorbringen des Berufungsbeklagten, das auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts erfolgt und den Prozessverlust wegen einer von der ersten Instanz abweichenden rechtlichen oder tatsächlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht vermeiden soll, ist zuzulassen, ohne dass es darauf ankommt, ob es schon in erster Instanz hätte vorgebracht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08, aaO, Rn. 26 mwN).
- 13
- Der Zulassung steht auch nicht die Hilfserwägung des Berufungsgerichts entgegen, der Vortrag könne auch in der Sache nicht überzeugen. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass der Geschädigte nicht etwa eine Barkaution hätte erbringen können, stehen dem schon das vorgetragene monatliche Gehalt von 800 € netto und der Hinweis entgegen, das Konto habe einen Minusstand ausgewiesen. Das Verlangen, der Geschädigte hätte zumindest bei der Beklagten anfragen müssen, ob diese bereit sei, die anfallende Kaution zu stellen, überspannt die Anforderungen an einen Geschädigten. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine solche Kaution gestellt hätte.
- 14
- Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags einen Aufschlag auf den zugrunde gelegten Normaltarif des Fraunhofer-Mietpreisspiegels vorgenommen hätte. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , um diesem Gelegenheit zu geben, seine Schadensschätzung unter Berücksichtigung des übergangenen Vortrags der Klägerin zu überprüfen.
- 15
- 3. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene, vom Amtsgericht abweichende Ermittlung des so genannten Normaltarifs auf der Grundlage des FraunhoferMietpreisspiegels revisionsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.
- 16
- a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 86 f.; vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330; vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07, VersR 2009, 408 Rn. 12; vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, VersR 2009, 1092 Rn. 10; vom 18. Mai 2010 - VI ZR 293/08, VersR 2010, 1054 Rn. 3; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09 Rn. 6, z.V.b.).
- 17
- Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 9; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rn. 22; vom 18. Mai 2010 - VI ZR 293/08, aaO, Rn. 4; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09 Rn. 7, z.V.b.). Demgemäß hat der erkennende Senat mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels" 2003 oder 2006 im maßgebenden Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, aaO, Rn. 10; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 Rn. 6; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 26 sowie - VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn. 9; vom 18. Mai 2010 - VI ZR 293/08, aaO). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen grundsätzlich rechtsfehlerhaft wäre (vgl. Senatsurteile vom 18. Mai 2010 - VI ZR 293/08, aaO; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09, aaO). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, aaO, Rn. 9; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, aaO, Rn. 19; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 139/08, aaO, Rn. 25 sowie - VI ZR 7/09, aaO, Rn. 19; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09, z.V.b.). Der Tatrichter ist bei der Verwendung geeigneter Listen grundsätzlich frei. Insbesondere , wenn das Gericht berechtigte Zweifel an der Eignung einer Liste hat, kann es die Heranziehung einer bestimmten Liste ablehnen (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rn. 22).
- 18
- b) Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter entgegen der Auffassung der Revision grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen (ebenso OLG Stuttgart, DAR 2009, 705; OLG Köln, NZV 2010, 514 f.; KG, DAR 2010, 642, 643). Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Demgemäß wird in der Rechtsprechung nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Listen teils der Anwendung der Schwacke-Liste (vgl. etwa OLG Dresden, SP 2010, 17; OLG Karlsruhe, NZV 2010, 472 f.; OLG Köln (5. ZS), NZV 2010, 614, 615; OLG Köln (24. ZS), NZV 2009, 447, 448; OLG Köln (15. ZS), NZV 2010, 144 ff.; OLG Köln (2. ZS), Mietwagen Rechtswissen 2010, Nr. 1, 15 f.; OLG Köln (13. ZS), Beschluss vom 20. April 2009 - 13 U 6/09, juris; OLG Stuttgart, VersR 2009, 1680, 1681 f.) und teils dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel (vgl. etwa OLG Köln (6. ZS), SVR 2008, 469, 470 und NZV 2009, 600; OLG Bamberg, SP 2009, 330; OLG München, DAR 2009, 36, 37; HansOLG Hamburg, NZV 2009, 394, 395; OLG Frankfurt, SP 2010, 401; KG, aaO, 642 f.) der Vorzug eingeräumt. Dies zeigt, dass von den Instanzgerichten - je nach Bewertung der Vor- und Nachteile - beide Listen grundsätzlich als geeignet angesehen werden, dem Tatrichter als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO zu dienen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Listen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO dienen und er im Rahmen seines Ermessens von diesen - etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif - abweichen kann. Er kann mithin auch berücksichtigen, dass die Erhebung des Fraunhofer-Instituts InternetBuchungen mit Besonderheiten einbezieht und die Anwendung des jeweiligen Mietpreisspiegels im Einzelfall zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
- 19
- c) Die Rügen der Revision beziehen sich auf die grundsätzliche Eignung des Fraunhofer-Mietpreisspiegels im Hinblick auf die in der Instanzrechtsprechung erörterten Gesichtspunkte. Es werden keine konkreten Tatsachen aufgezeigt , aus denen sich darüber hinaus Mängel der Schätzungsgrundlage ergeben , die sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die geltend gemachten, allgemein gegen den Fraunhofer-Mietpreisspiegel angeführten Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht gesehen und diesen Mietpreisspiegel dennoch als gegenüber dem Schwacke-Mietpreisspiegel vorzugswürdig eingestuft. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu beanstanden.
- 20
- d) Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht bei Anwendung des Fraunhofer-Mietpreisspiegels vom Amtsgericht abgewichen ist, welches die Schwacke-Liste zugrunde gelegt hat.
- 21
- aa) Auch wenn für die Bestimmung der Schadenshöhe der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem der Schaden eintritt, ist im Streitfall nicht zu beanstanden , dass das Berufungsgericht den erst 2008 erstellten FraunhoferMietpreisspiegel angewendet hat. Der Umstand, dass die Erhebung nach der grundsätzlich geeigneten Methode Fraunhofer erst 2008 stattfand, dürfte sich allenfalls zugunsten der Klägerin ausgewirkt haben, da seit 2006 eher von einer Preissteigerung auszugehen ist. Dass die Mietwagenpreise in der Zeit zwischen 2006 und 2008 gesunken seien, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
- 22
- bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden , dass das Berufungsgericht eine andere Schätzungsgrundlage gewählt hat als das Amtsgericht. Das Berufungsgericht kann im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten. Selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend , darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2006 - VI ZR 46/05, VersR 2006, 710 Rn. 29 f.; BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 86 ff.; OLG Brandenburg, VersR 2005, 953, 954; OLG Köln, OLGR Köln 2008, 545, 547; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2008 - I-1 U 98/07, juris Rn. 45; OLG Jena, SVR 2008, 464; OLG Köln, NZV 2010, 144 f.).
- 23
- 4. Nach allem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit dieses prüfen kann, ob der Klägerin ein Unfallersatztarif zuzu- sprechen und bei dem zugrunde gelegten Tarif des FraunhoferMietpreisspiegels gegebenenfalls ein Zuschlag angemessen ist. Galke Zoll Diederichsen Pauge Stöhr
AG Bad Hersfeld, Entscheidung vom 30.12.2008 - 10 C 575/08 (10) -
LG Fulda, Entscheidung vom 18.09.2009 - 1 S 4/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger und seine Ehefrau machten der Beklagten mit notarieller Urkunde vom 13. Februar 1998 das Angebot zum Kauf einer vermieteten, zu sanierenden Eigentumswohnung in B. zu einem Gesamtpreis von 135.500 DM (97.560 DM Kaufpreis für die Wohnung und 37.940 DM Werklohn für Bauleistungen), das die Beklagte mit notarieller Erklärung vom 24. Februar 1998 annahm. Die Vermarktung der Wohnungen der Beklagten erfolgte über eine von dieser beauftragte Vermittlerin.
- 2
- Mit der Klage hat der Kläger aus eigenem und von seiner Ehefrau abgetretenem Recht die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Kauf- vertrags wegen falscher Beratung über die mit der Finanzierung zu übernehmenden Belastungen des Erwerbs verlangt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Kammergericht hat sie unter Zurückweisung des Vorbringens des Klägers zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht verneint Schadensersatzansprüche aus jedem in Betracht kommenden Rechtsgrund, weil der Kläger nach Würdigung der von dem Berufungsgericht erneut durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen habe, dass der Vermittler über die Kosten der Finanzierung des Erwerbs der Wohnung fehlerhaft beraten oder den Käufern andere falsche Auskünfte erteilt habe.
- 4
- Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Er habe zwar in zweiter Instanz vorgetragen, dass der Kaufvertrag wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB oder als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Dieses Vorbringen sei aber neu und stelle nicht lediglich eine Substantiierung erstinstanzlichen Vorbringens dar. Der Kläger habe zwar in erster Instanz behauptet, dass ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliege, er habe aber nicht zu den subjektiven Merkmalen des § 138 BGB vorgetragen. Das neue Vorbringen sei nicht zuzulassen, weil keiner der in § 531 Abs. 2 ZPO bestimmten Ausnahmegründe vorliege.
II.
- 5
- Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision, welche die Abweisung des auf die Schlechterfüllung eines Beratungsvertrags gestützten Schadensersatzanspruchs (vgl. dazu Senat, BGHZ 140, 111, 117; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814) hinnimmt, rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB) nicht ohne eine sachliche Prüfung hätte verneinen dürfen.
- 6
- 1. Unbegründet ist allerdings die Sachrüge, dass das Berufungsgericht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB verkannt habe. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass ein Kaufvertrag, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 301 m.w.N.). Es hat beide Tatbestände des § 138 BGB behandelt und auch die Voraussetzungen für die Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags nach § 138 BGB richtig erkannt. Zu dem objektiv auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung muss stets ein subjektiver Umstand hinzukommen, damit der Vertrag sich als sittenwidrig darstellt. Das gilt für beide Tatbestände des § 138 BGB gleichermaßen. Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags als wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB ist das subjektive Merkmal eines Handelns des Begünstigten in verwerflicher Gesinnung unerlässlich (Senat, BGHZ 160, 8, 14; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166).
- 7
- 2. Im Ergebnis begründet ist jedoch die auf eine Verletzung des § 531 ZPO gestützte Verfahrensrüge, dass das Berufungsgericht dem unter Beweis gestellten streitigen Vortrag zum Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hätte nachgehen müssen.
- 8
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings - entgegen der Ansicht der Revision - kein erstinstanzliches Vorbringen des Klägers zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB übergangen. Die Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist unbegründet, weil der Kläger dazu in erster Instanz nichts vorgetragen hat.
- 9
- Soweit die Revision auf die Behauptung in der Klageschrift hinweist, die Käufer hätten wegen ihrer Unerfahrenheit in immobilien- und steuerrechtlichen Dingen die Lücken in der durch den Vermittler erteilten Beratung nicht erkannt, kommt diesem Vortrag nicht die Bedeutung zu, die ihm die Revision beilegen möchte. Der erstinstanzliche Vortrag zur Unerfahrenheit der Käufer diente der Begründung des in der Klageschrift allein geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen Schlechterfüllung eines Beratungsvertrags. Aus dem Umstand , dass ein Käufer in Angelegenheiten der Finanzierung unerfahren ist, ergibt sich nicht zugleich, dass er auch keine Kenntnisse über die für vergleichbare Immobilien am Markt geforderten Preise hatte und der Verkäufer das ausgenutzt hat. Dieser darf vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, dass sein künftiger Vertragspartner sich insoweit selbst im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat (Senat, Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2002, 1811, 1812; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 821).
- 10
- Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB ist erforderlich, dass der von einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begünstigte Verkäufer in verwerflicher Gesinnung handelt. Das setzt voraus, dass diesem bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Käufer nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen , wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblicher Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt (Senat, BGHZ 146, 298, 302; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432). Die Revision zeigt nicht auf, dass so etwas von dem Kläger in der ersten Instanz vorgebracht worden wäre.
- 11
- b) Ein Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB war entgegen der Ansicht der Revision auch nicht angesichts dessen entbehrlich, dass schon in der Klageschrift (wenngleich ebenfalls in einem anderen Zusammenhang, nämlich zur Darlegung einer behaupteten Aufklärungspflichtverletzung zu ungewöhnlich hohen, 35 bis 40 % des Kaufpreises ausmachenden Innenprovisionen) das Vorliegen eines groben Missverhältnisses zwischen dem vereinbarten Preis und dem Wert der Wohnung behauptet worden ist.
- 12
- Zwar trifft es zu, dass ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung - wovon bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung - den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulässt (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842). Zu Unrecht leitet die Revision jedoch daraus ab, dass - wenn ein solches Äquivalenzmissverhältnis dargelegt wird - es keines Vortrags mehr zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB bedarf. Damit legt sie einer tatsächlichen Vermutung eine zu weitgehende, nämlich einer gesetzlichen Vermutung nach § 292 ZPO gleichkommende Wirkung bei.
- 13
- aa) Bei einer gesetzlichen Vermutung hat die begünstigte Partei nur die diese begründenden Tatsachen (die Vermutungsbasis) darzulegen, muss je- doch nicht (auch) die vom Gesetz vermutete Tatsache vortragen (MünchKommZPO /Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 21; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 292 Rdn. 4; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl. § 292, Rdn. 14; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl. § 292, Rdn. 21). Eine solche Vermutung enthebt die Partei nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast für die vermutete Tatsache (BGH, Urt. v. 19. Januar 1977, VIII ZR 42/75, JR 1978, 18, 20; Urt. v. 4. Februar 2002, II ZR 37/00, NJW 2002, 2101, 2102). Der Gegner, zu dessen Lasten die Vermutung wirkt, hat nach § 292 Satz 1 ZPO das Gegenteil vorzutragen, einen Beweis dafür anzutreten und zu führen.
- 14
- bb) Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung der davon begünstigten Partei beruht hingegen auf einer tatsächlichen Vermutung.
- 15
- (1) Auf tatsächliche Vermutungen, die nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, findet § 292 ZPO nach ganz herrschender, wenn auch nicht völlig unbestrittener Meinung im Schrifttum keine Anwendung (MünchKomm-ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 27; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 292 Rdn. 1; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 292 Rdn. 7; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 292 Rdn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., v. § 284 Rdn. 33; Baumgärtel, Festschrift für Karl Heinz Schwab, 43, 47; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 57; a.A. Bruns, Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Rdn. 171 c; Hirte, MDR 1998, 182, 185). Den tatsächlichen Vermutungen wird nur eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung zugemessen, als sie einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können (MünchKomm-ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 27; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 292 Rdn. 13; Baumgärtel, aaO, 57; Prütting, aaO, 58).
- 16
- (2) Das gilt auch für den aus einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu ziehenden Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des hiervon begünstigten Vertragsteils. Dieser Schluss leitet sich von dem Erfahrungssatz her, dass außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne Not oder einen anderen den Benachteiligenden hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (Senat, BGHZ 146, 298, 302 f.; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841). Das trägt die den Beweis der subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erleichternde tatsächliche Vermutung, die von dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden muss und nur dann nicht zur Anwendung kommt, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (Senat, BGHZ 146, 296, 305; Urt. v. 5. Okt. 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842; ebenso BGH, Urt. v. 18. Dezember 2002, VIII ZR 123/02, NJW-RR 2003, 558).
- 17
- Die tatsächliche Vermutung hilft der von einem groben Äquivalenzmissverhältnis nachteilig betroffenen Vertragspartei allerdings auch bei ihrem Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen des wucherähnlichen Geschäfts. Deren Darlegung wird wesentlich erleichtert, wenn hierfür der Hinweis auf das besonders grobe Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausreicht, weil das in der Regel einen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils zulässt (vgl. Senat, Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842).
- 18
- Das ändert jedoch nichts daran, dass die Vermutung die von dem groben Missverhältnis nachteilig betroffene Partei nicht von der Behauptungslast für das Vorliegen des subjektiven Merkmals eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts befreit. Ein bei der Beweiswürdigung anzuwendender Erfahrungssatz setzt streitiges Vorbringen zum subjektiven Tatbestand voraus.
- 19
- An den Vortrag der benachteiligten Partei sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese muss die verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei nicht ausdrücklich behaupten; es genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem groben objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die davon benachteiligte Vertragspartei sich auf die daraus begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft (Senat, Beschl. v. 2. April 2009, V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236, 1237). Darauf kann aber nicht verzichtet werden, weil ein grobes Äquivalenzmissverhältnis allein nicht zur Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 BGB führt und die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des davon begünstigten Vertragsteils durch den Vortrag besonderer Umstände erschüttert werden kann (Senat, BGHZ 160, 8, 15; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166; Urt. v. 27. September 2002, V ZR 218/01, NJW 2003, 283, 284). Der von dem objektiven Äquivalenzmissverhältnis begünstigte Vertragsteil hat deshalb erst dann Anlass, auf den Vortrag der benachteiligten Vertragspartei zu erwidern, wenn diese zugleich ein die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB begründendes Handeln in verwerflicher Gesinnung behauptet.
- 20
- c) Im Ergebnis hat die Revision jedoch Erfolg. Das Berufungsgericht durfte den neuen Vortrag des Klägers zum Vorliegen eines wucherähnlichen Tatbestands nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen.
- 21
- aa) Die Verweigerung der Zulassung neuen Vorbringens kann von dem Revisionsgericht nur auf eine Verfahrensrüge hin überprüft werden. Eine solche Rüge liegt hier - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - vor.
- 22
- Richtig ist zwar deren Hinweis, dass die Revision den Verfahrensmangel nicht richtig begründet, indem sie - wie ausgeführt - zu Unrecht von einem bereits in erster Instanz vorgetragenen, in zweiter Instanz nur konkretisierten Vortrag ausgeht. Diese fehlerhafte Begründung bindet das Revisionsgericht jedoch nicht. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt allein die ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensmangels nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO voraus, verlangt jedoch keinen schlüssigen Vortrag des Revisionsklägers (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1980, VIII ZR 208/79, NJW 1981, 1453; Beschl. v. 26. Juni 2003, III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533).
- 23
- Den förmlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge nach §§ 551 Abs. 3, 554 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO genügt das Vorbringen in der Revisionsbegründung, wenn die Verletzung des § 531 Abs. 2 ZPO durch die Zurückweisung des Vorbringens in zweiter Instanz gerügt wird und die den Verfahrensfehler ergebenden Tatsachen benannt werden, indem auf das Vorbringen in dem in zweiter Instanz eingereichten Schriftsatz (unter Angabe der Aktenstelle) hingewiesen wird, welches das Berufungsgericht zurückgewiesen hat. Die rechtliche Beurteilung, ob sich aus den angeführten Umständen die von der Revision geltend gemachte Verletzung des § 531 Abs. 2 ZPO ergibt, hat der Senat selbst vorzunehmen.
- 24
- bb) Die Zurückweisung des neuen Vorbringens war rechtsfehlerhaft. Das neue Vorbringen des in erster Instanz siegreichen Klägers zu dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung war zuzulassen, weil das Berufungsgericht die Sach- und Rechtslage anders als das Gericht des ersten Rechtszuges beurteilt hat.
- 25
- Nach ständiger Rechtsprechung darf der siegreiche Berufungsbeklagte darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten (BVerfG NJW 2003, 2524; BGH, Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, Rz. 11, juris; Beschl. v. 15. März 2006, IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937; Senat, Beschl. v. 26. Juni 2008, V ZR 225/07, Rz. 5, juris).
- 26
- Das Gericht muss sachdienlichen Vortrag der Partei auf einen nach der Prozesslage gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO zulassen (vgl. BGHZ 127, 254, 260; Urt. v. 27. November 1996, VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441). Die Hinweispflicht des Berufungsgerichts und die Berücksichtigung neuen Vorbringens gehören insoweit zusammen, woran auch die Vorschrift des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, die die Zulässigkeit neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz einschränkt, nichts geändert hat. Die Hinweispflicht auf eine von der ersten Instanz abweichende Beurteilung liefe nämlich leer, wenn ein von dem Berufungsbeklagten darauf vorgebrachtes entscheidungserhebliches Vorbringen bei der Entscheidung über das Rechtsmittel unberücksichtigt bliebe (vgl. BGH, Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, aaO). Neues Vorbringen des Berufungsbeklagten, das auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts erfolgt und den Prozessverlust wegen einer von der ersten Instanz abweichenden rechtlichen oder tatsächlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht vermeiden soll, ist zuzulassen, ohne dass es darauf ankommt, ob es schon in erster Instanz hätte vorgebracht werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 1996, VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, Rz. 11, juris; Senat, Beschl. v. 26. Juni 2008, V ZR 225/07, Rz. 5, juris).
III.
- 27
- Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens des Klägers zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zurückzuverweisen.
- 28
- 1. Für die neue Verhandlung wird darauf hingewiesen, dass der Kläger die Berechnung seiner Klageforderung im Hinblick auf einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB zu überprüfen haben wird.
- 29
- 2. Für die Feststellung eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung bei dem zusammengesetzten Vertrag, aus dem Kaufvertrag über die Wohnung und dem Werkvertrag zu deren Modernisierung, verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 6. Juli 2007 (V ZR 274/06, Rz. 22 bis 24, juris). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2006 - 23 O 667/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 01.07.2008 - 4 U 190/06 -
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (XI ZR 191/10, WM 2011, 925 ff.) Bezug genommen. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
- 2
- 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist ein Zulassungsgrund im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650 f.) nicht gegeben. Die Rechtsfrage, was unter aufklärungspflichtigen Rückvergütungen zu verstehen ist, ist - wie im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt - aufgrund der bisherigen Senatsrechtsprechung beantwortbar, so dass weder grundsätzliche Bedeutung noch Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 Fall 1 ZPO) die Zulassung der Revision erfordern. Da das Berufungsgericht sich insgesamt in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung befindet, erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) die Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren nicht, selbst wenn das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main einen von der Senatsrechtsprechung abweichenden Obersatz aufgestellt hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 16).
- 3
- 2. Die Revision hat auch aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 9. März 2011 (aaO Rn. 17 ff.) genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Die Stellungnahme der Revision vom 11. Mai 2011 bietet keinen Anlass, von der Beurteilung im Hinweisbeschluss abzuweichen.
- 4
- a) Zum unterschiedlichen dogmatischen Ansatz für die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen einerseits und Innenprovisionen andererseits wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 21 ff.) verwiesen. Soweit die Revision sich nunmehr insgesamt gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Pflicht einer anlageberatenden Bank, einen Anleger, dem sie eine Kapitalanlage empfiehlt, ungefragt über erhaltene Rückvergütungen aufzuklären, wendet, hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 aaO Rn. 20 mwN). Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, WM 2011, 682 Rn. 38). Dabei verkennt sie, dass es in jenem Urteil um die Frage der Aufklärung über den in die Vertragsbedingungen einkalkulierten Gewinn des Verkäufers im Zweipersonenverhältnis ging. Vorliegend geht es hingegen um verheimlichte Provisionsrückflüsse von einem Dritten an den Berater des Kapitalanlegers. In diesem Dreipersonenverhältnis ist der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig und muss darüber aufgeklärt werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 31d WpHG.
- 5
- Im Übrigen verkennt die Revision - worauf die Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 30. Mai 2011 zutreffend hinweist -, dass nach ihrem eigenen Vortrag bei V 4 auch zumindest teilweise Rückvergütungen aus dem Agio geflossen sind. Die Beklagte hat vorgetragen, bis zu 8,72% bei V 4 erhalten zu haben, die aus den ausgewiesenen 4,9% Eigenkapitalvermittlung + 2% Platzierungsgarantie + 2% Finanzvermittlungsgebühr zurückzuführen seien. Da Vertriebsprovision , Finanzierungsvermittlungsprovision und Platzierungsgarantieprovision verschiedene Lebenssachverhalte betreffen und die beiden letzteren kein Entgelt für den Vertrieb darstellen, sind - unabhängig davon, ob, wie die Revisionserwiderung vorträgt, in einem Parallelverfahren ein Bankmitarbeiter als Zeuge ausgesagt hat, dass in der Vergütung das Agio in Höhe von 5% mitenthalten war (§ 138 Abs. 1 ZPO) - bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zumindest Teile des Agios an sie geflossen.
- 6
- b) Entgegen der Ansicht der Revision liegt - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 28 ff.) ausgeführt hat - auch keine Divergenz zur Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vor. Der III. Zivilsenat hat im Gegenteil in seinem Urteil vom 3. März 2011 (III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 18 ff.) noch einmal bekräftigt, dass sich die Pflichten einer Bank und eines freien Anlageberaters bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise unterscheiden und die Bank danach in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Aufklärung über Rückvergütungen verpflichtet ist.
- 7
- c) Der Senat hat entgegen der Ansicht der Revision hinsichtlich der Kausalität auch kein Neuland betreten. Der Senat hat im Beschluss vom 9. März 2011 (aaO Rn. 33 mwN) die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beweislastumkehr infolge der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 122; Senatsurteile vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124, 151, 159 f.; vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216; vom 7. Mai 2002 - XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5, 12; vom 13. Juli 2004 - XI ZR 178/03, WM 2004, 1774, 1777 und BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 266/07, WM 2009, 789 Rn. 6, jeweils mwN).
- 8
- Soweit die Revision meint, die Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (u.a. Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, WM 2006, 668, 671) weiche von der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, so trifft das nicht zu. Die in einem obiter dictum angedeuteten Zweifel an einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen keine Abweichung in einer Rechtsfrage dar.
- 9
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Indizien, die gegen die Kausalitätsvermutung sprächen, nicht gewürdigt und angebotene Beweise nicht erhoben, vermag sie damit nicht durchzudringen. Es obliegt dem Tatrichter, die zur Verfügung stehenden Indizien nach § 286 ZPO zu würdigen. Die tatrichterliche Würdigung kann in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob sie vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN). Dieser Überprüfung hält das Berufungsurteil stand. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision die relevanten Indizien vollständig gewürdigt und sie für nicht durchgreifend erachtet. Es hat auch entgegen der Ansicht der Revision keine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen, sondern unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten rechtsfehlerfrei als Behauptung ins Blaue hinein gewertet. Soweit die Revision einer mangelnden Nachfrage des Zedenten Bedeutung beimessen will, verkennt sie, dass der Bankberater - anders als ein freier Anlageberater (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rn. 21) - ungefragt nicht nur über das Ob, sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen aufklären muss (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 24). Es ist auch entgegen der Ansicht der Revision nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft. Weiter kann entgegen der Ansicht der Revision aus dem Einverständnis des Zedenten mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften nicht auf sein Einverständnis mit Rückvergütungen im vorliegenden Fall geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn der Anleger vergleichbare Produkte in Kenntnis dort geflossener Rückvergütungen erworben hätte (vgl. Ellenberger in Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft , AGB in der Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 2010, S. 37, 49 f. mwN). Das ist hier aber nicht der Fall.
- 10
- d) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend das Verschulden der Beklagten festgestellt.
- 11
- Das Verschulden wird bei Vorliegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Aufklärungspflichtige muss danach darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 18 und Senatsurteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 17).
- 12
- Soweit sich die Revision auf einen Rechtsirrtum beruft, übersieht sie, dass die Haftung wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entfällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 303; Urteile vom 14. Juni 1994 - XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614 und vom 4. Juli 2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014). Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353 f. mwN). Wie der Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. mwN) entschieden und eingehend begründet hat, kann sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Soweit die Revision aus der Unterscheidung der Rechtsprechung zu Innenprovisionen und Rückvergütungen etwas anderes herleiten will, kann sie damit nicht durchdringen. Dass verheimlichte Rückflüsse aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufklärungspflichtig sind, konnte der veröffentlichten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der streitigen Anlageberatung in den Jahren 2003 und 2004 entnommen werden (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 - XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235, 239). Entgegen der Ansicht der Revision gab es keine Rechtsprechung, die das Verheimlichen von Rückvergütungen erlaubt hätte, so dass keine rückwirkende Rechtsprechungsänderung vorliegt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 11). Die Revision kann sich für ihre Ansicht auch nicht auf die Ausführungen von Nobbe (WuB I G. 1. - 5.10. S. 126) berufen. Diese betreffen Innenprovisionen, nicht jedoch Rückvergütungen.
- 13
- e) Soweit sich die Revision gegen die Haftung der Beklagten in Bezug auf V 3 wegen falscher Darstellung der Kapitalgarantie wendet, kommt es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nach oben Gesagtem nicht mehr an. Das Berufungsgericht hat aber auch insofern einen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu Recht bejaht.
- 14
- Zunächst ist die Einschätzung des Berufungsgerichts zutreffend, dass durch die Kurzübersicht (GA I 150) das Risiko der Fondsbeteiligung falsch dargestellt worden ist. Ferner hat das Berufungsgericht bindend festgestellt (§ 314 ZPO), dass unstreitig das Beratungsgespräch zu V 3 auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist und dass diese Übersicht dem Zedenten ausgehändigt worden ist.
- 15
- Da die Falschberatung durch die Übergabe der Kurzübersicht und die Feststellung des Berufungsgerichts, dass anhand dieser Übersicht beraten wurde, feststeht, trifft die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie den Fehler richtig gestellt hat (Senatsbeschluss vom 17. September 2009 - XI ZR 264/08, BKR 2009, 471 Rn. 5 mwN).
- 16
- Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Vortrag der darlegungspflichtigen Beklagten über die Richtigstellung sei nicht ausreichend, ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) und hält dieser Überprüfung stand. Der von der Revision angeführte Vortrag, es seien keine vom Fondsprospekt abweichenden Angaben oder Zusicherungen gemacht worden, steht im Widerspruch zu den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das Beratungsgespräch auf der Grundlage der Kurzübersicht geführt worden ist. In dieser ist eine falsche Zusicherung über die Kapitalgarantie expressis verbis enthalten.
- 17
- Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte nach § 139 ZPO einen Hinweis darauf erteilen müssen, dass es von einer nicht ausreichenden Richtigstellung der Kurzübersicht ausgehe, so trifft das nicht zu. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht keine vom Berufungsgericht abweichende Auffassung vertreten, sondern die Falschberatung unterstellt und lediglich die Kausalität verneint, weil der Zedent wegen des auf informierter Grundlage erfolgten Erwerbs von V 4 sich auch für V 3 entschieden hätte. Die Beklagte konnte daher nicht darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtverletzung annehmen würde.
- 18
- Entgegen der Ansicht der Revision ist eine ordnungsgemäße Richtigstellung auch nicht durch den Prospekt erfolgt. Die ordnungsgemäße Aufklärung durch einen Prospekt setzt voraus, dass er dem Anleger so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung übergeben wird, dass der Anleger sich mit dem Prospektinhalt vertraut machen kann (Senatsurteil vom 25. September 2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 17). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann dem Zedenten der Prospekt frühestens einen Tag vor der Zeichnung zugegangen sein. Ob ein Tag ausreicht, sich mit dem Inhalt eines Verkaufsprospektes vertraut zu machen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese hat das Berufungsgericht gewürdigt und die Zeit für nicht ausreichend erachtet. Diese in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20 mwN) hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
- 19
- Soweit das Berufungsgericht die Kausalität aufgrund der Umstände des Einzelfalls als gegeben angesehen hat, ist auch diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 09.07.2009 - 8 O 183/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.04.2010 - 3 U 202/09 -
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der V. 3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 3) in Anspruch.
- 2
- Der Ehemann der Klägerin H. (im Folgenden: Zedent) zeichnete nach vorheriger Beratung durch den Mitarbeiter W. der Beklagten am 12. September 2003 eine Beteiligung an V 3 im Nennwert von 25.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 1.250 €.
- 3
- Nach dem Inhalt des Verkaufsprospekts sollten 8,9% der Zeichnungssumme und außerdem das Agio in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe von 8,25% der Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Zedenten im Beratungsgespräch offengelegt wurde.
- 4
- Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklärungs - und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung, Rückzahlung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 26.250 €, entgangenen Gewinn in Höhe von 8% p.a. ab 12. September 2003 und, jeweils nebst Prozesszinsen , die Erstattung von 1.166 € an das Finanzamt gezahlter Zinsen wegen Aberkennung der zunächst gewährten Steuervorteile sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.737,64 €. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz jedes weiteren Schadens aus der Beteiligung verpflichtet ist, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, entgangenen Gewinn jedoch nur in Höhe von 4% zuerkannt. Des Weiteren hat es den Feststellungsantrag hinsichtlich der weiteren Schäden abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht diese Schadensersatzpflicht der Beklagten, gerichtet auf das negative Interesse , festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den Antrag auf Ersatz entgangenen Gewinns abgewiesen, jedoch Verzugszinsen ab 9. August 2007 zuerkannt. Im Übrigen sind beide Berufungen ohne Erfolg geblieben.
- 5
- Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel den Antrag auf Ersatz des entgangenen Gewinns in Höhe von 4% p.a. bis zum Verzugseintritt weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Revision der Beklagten
- 6
- Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Aufgrund des zwischen dem Zedenten und der Beklagten zustande gekommenen Beratungsvertrags sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Zedenten ungefragt darauf hinzuweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen erhalte. Der Beklagten sei unstreitig eine umsatzabhängige Provision von 8,25% zugeflossen. Die gebotene Aufklärung des Zedenten sei nicht erfolgt. Aus dem Fondsprospekt könne nicht abgeleitet werden, dass und in wel- cher Höhe die Beklagte Provisionen erhalte. Die Beklagte habe zumindest fahrlässig gehandelt.
- 9
- Dass der Zedent den Medienfonds bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht gezeichnet hätte, ergebe sich aus der von der Beklagten nicht widerlegten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die Beklagte habe nicht substantiiert Anhaltspunkte dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der Zedent den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Unerheblich sei die Behauptung , dass für die Anlageentscheidung des Zedenten allenfalls die Höhe des Agios, die Möglichkeit einer Steuerersparnis und Renditeerzielung sowie die Absicherung der Anlage relevant gewesen seien. Dass der Zedent dies dem Anlageberater mitgeteilt habe, heiße nicht, dass er bei Kenntnis der Provisionshöhe nicht insgesamt von dieser Anlageform abgesehen hätte. Im Übrigen sei der Beweisantritt durch Vernehmung des Beraters W. untauglich, soweit damit eine Kenntnis innerer Tatsachen behauptet werden solle, ohne darzulegen , woher der Zeuge diese Kenntnis habe.
- 10
- Soweit die Beklagte behaupte, der mangelnde Einfluss der Provision auf die Anlageentscheidung des Zedenten ergebe sich auch aus der früheren Beteiligung des Zedenten an dem Filmfonds " Zweite A. GmbH & Co. KG" (nachfolgend: A II) trotz der dort erfolgten Unterrichtung über Provisionen in vergleichbarer Höhe durch den rechtzeitig übergebenen Prospekt, sei das - hinsichtlich der Kenntnis des Zedenten bestrittene - Vorbringen prozessual verspätet und deshalb nach § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Es handele sich um neuen, nämlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorgebrachten Sachvortrag, der in gleicher Weise den berufungsrechtlichen Verspätungsregeln unterliege wie solcher, der erst mit der Berufungsbegründung verspätet vorgetragen werde.
II.
- 11
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 12
- 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus dem - nicht mehr im Streit stehenden - Beratungsvertrag nach den Grundsätzen des Bond-Urteils (Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128) folgende Pflicht, den Zedenten über die ihr zufließende Provision in Höhe von 8,25% des Zeichnungskapitals aufzuklären, schuldhaft verletzt hat.
- 13
- Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen , er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17).
- 14
- Bei den von der Beklagten empfangenen Provisionen handelte es sich, wie der Senat für die Parallelfonds V 3 und V 4 bereits mehrfach entschieden hat, um aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 26 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 18). Wie der Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls schon mehrfach entschieden hat, konnte eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen durch die Übergabe des streitgegenständlichen Fondsprospekts nicht erfolgen, weil die Beklagte in diesem nicht als Empfängerin der dort ausgewiesenen Provisionen genannt ist (Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22 mwN).
- 15
- Schließlich hat das Berufungsgericht rechts- und verfahrensfehlerfrei ein Verschulden der Beklagten angenommen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 4 ff. und vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 10 ff. sowie Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25, jeweils mwN).
- 16
- 2. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand, soweit es die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Erwerb der Fondsbeteiligung durch den Zedenten bejaht hat.
- 17
- a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Zedent hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung erworben.
- 18
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweis- pflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff. mwN).
- 19
- Das Berufungsgericht hat des Weiteren im Ergebnis zutreffend angenommen , dass von dieser Beweislastumkehr nicht nur dann auszugehen ist, wenn der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff. mwN), ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonflikts mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht vereinbar. Die Beweislastumkehr greift vielmehr bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein.
- 20
- b) Die Revision rügt allerdings - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils zu einem Parallelfall entschieden hat (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 37 ff.) - zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, ihr Provisionsinteresse habe keinen Einfluss auf die Anlageentscheidung des Zedenten gehabt, insgesamt als unbeachtlich angesehen und angebotene Beweise nicht erhoben hat.
- 21
- aa) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Vernehmung des Zedenten als Zeugen für ihre Behauptung, der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, sei für die Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen, unberücksichtigt gelassen.
- 22
- Dem Vortrag der Beklagten lässt sich noch ein hinreichender Bezug zur Person des Zedenten entnehmen. Dem Beklagtenvortrag ist die Behauptung zu entnehmen, der Zedent hätte die Anlage auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben. Damit wird die entscheidungserhebliche Tatsache - Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung ohne weiteres fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags daher grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39 mwN).
- 23
- Es liegt auch kein unzulässiger Ausforschungsbeweis vor. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn der Beweisführer ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 40 mwN). Die Beklagte hat Anhaltspunkte vorgetragen, die nach ihrer Auffassung zumindest in der Gesamtschau dafür sprechen, dass der Zedent auch in Kenntnis der Rückvergütungen V 3 gezeichnet hätte. Hierzu gehört das behauptete Anlageziel des Zedenten, dass es ihm allein auf die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen und das Sicherungskonzept der Schuldübernahme ankam. Angesichts dessen kann eine Behauptung "ins Blaue hinein" nicht angenommen werden (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 41).
- 24
- bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch den von der Beklagten vorgetragenen Hilfstatsachen (Indizien) keine Bedeutung beigemessen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff. mwN).
- 25
- (1) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings den Vortrag der Beklagten, der Zedent, der unstreitig bereits zuvor den Filmfonds A II gezeichnet hatte, sei bei A II vor dessen Zeichnung über eine der Beklagten zufließende Provision in Höhe von 8,5% des Zeichnungskapitals informiert gewesen, als prozessual verspätet gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Soweit die Revision insofern Verfahrensfehler geltend macht, hat der Senat diese geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
- 26
- (2) Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht aber dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Motiv des Zedenten, sich an V 3 zu beteiligen (Steuerersparnis bzw. allenfalls noch Renditechancen und das Sicherungskonzept ), nicht nachgegangen.
- 27
- Zwar steht der Umstand, dass ein Anleger eine steueroptimierte Anlage wünscht, für sich gesehen der Kausalitätsvermutung nicht entgegen. Ist die vom Anleger gewünschte Steuerersparnis aber nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen, kann das den Schluss darauf zulassen, dass an die Bank geflossene Rückvergütungen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich waren (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53 mwN).
- 28
- Dem Vortrag der Beklagten kann entnommen werden, dass sie behauptet , dem Zedenten sei es vordringlich um die bei V 3 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zu Unrecht nicht gewürdigt und den insoweit angetretenen Beweis durch Vernehmung des Beraters W. als Zeugen unbeachtet gelassen.
III.
- 29
- Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 30
- 1. Das Berufungsgericht wird den Zedenten als Zeugen zu der Behauptung der Beklagten, dass der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, für die Anlageentscheidung ohne Bedeutung war, zu vernehmen haben. Gegebenenfalls wird es die Behauptung der Beklagten zu würdigen haben, dem Zedenten sei es allein um die bei V 3 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien. Gegebenenfalls wird es dazu den Zeugen W. und gegebenenfalls den Zedenten zu vernehmen haben (vgl. auch Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, WM 2012, 1337 Rn. 42 ff.).
- 31
- Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verschwiegene Rückvergütungen als widerlegt ansehen , wird es einer Haftung der Beklagten wegen falscher Darstellung der Kapitalgarantie nachzugehen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 13 ff. sowie Henning, WM 2012, 153 ff. mwN). Sollte das Berufungsgericht insoweit eine Aufklärungspflichtverletzung bejahen, dürfte die Widerlegung der dann eingreifenden Kausalitätsvermutung bereits nach dem Vortrag der Beklagten, dem Zedenten sei es auch auf das Sicherungskonzept der Schuldübernahme angekommen, ausscheiden.
- 32
- 2. Bezüglich der nur vorsorglichen Revisionsangriffe gegen die vom Berufungsgericht zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weist der Senat auf Folgendes hin:
- 33
- Die Revision hat keinen Erfolg mit ihrem Einwand, es bestehe allenfalls Anspruch auf Ersatz einer Gebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG, weil es sich bei dem vorgerichtlichen Schreiben des Klägervertreters vom 26. Juli 2007 um ein vorformuliertes Massenschreiben gehandelt habe. Bei dem Anspruchsschreiben handelt es sich offensichtlich nicht um ein solches "einfacher Art" (vgl. Jungbauer in Bischof, RVG, 5. Aufl., VV 2302 Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., VV 2302 Rn. 3 mwN). Im Übrigen kommt es nicht nur auf die tatsächlich entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts, sondern maßgeblich auf Art und Umfang des erteilten Mandats an (BGH, Urteil vom 23. Juni 1983 - III ZR 157/82, NJW 1983, 2451, 2452 zu § 120 Abs. 1 BRAGO).
- 34
- Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass das Anspruchsschreiben auch auf einem Mandat zur gerichtlichen Forderungsdurchsetzung beruhen könnte und in diesem Fall durch die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG abgegolten wäre (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 RVG; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., VV 2300, 2301 Rn. 6; Onderka/Wahlen in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 6. Aufl., VV Vorbem. 2.3 Rn. 12 f. mwN). Ob auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, hängt wiederum von Art und Umfang des vom Zedenten erteilten Mandats ab, wozu die Klägerin bislang noch nicht ausreichend vorgetragen hat. Ein nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG, entgegen der Auffassung der Revision, allerdings nicht entgegen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67, NJW 1968, 2334, 2335; OLG Celle, JurBüro 2008, 319; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242; Jungbauer in Bischof, RVG, 5. Aufl., Vorbem. 2.3 VV Rn. 27; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., 2300 VV Rn. 18; aA OLG München, WM 2010, 1622, 1623; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., VV 2300 Rn. 3).
- 35
- Der Revision ist des Weiteren zuzugeben, dass ein Schädiger nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur jene durch das Schadensereignis verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen hat, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5 und vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446, jeweils mwN). Ist der Schuldner bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig (vgl. OLG Celle, JurBüro 2008, 319; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242, 243; OLG München, WM 2010, 1622, 1623). Insoweit kommt es allerdings auf die (Gesamt-)Umstände des Einzelfalls an, deren Würdigung dem Tatrichter obliegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 70).
- 36
- 3. Bezüglich des Feststellungsantrags hinsichtlich der weiteren Schäden aus der Beteiligung weist der Senat schließlich darauf hin, dass der Antrag dahingehend ausgelegt werden kann und auszulegen ist, dass die Ersatzpflicht der Beklagten nicht jene steuerlichen Nachteile umfasst, die aus der Einkommensbesteuerung der Ersatzleistung resultieren. Diese Nachteile wurden bereits abschließend (und zutreffend) bei Bemessung der Ersatzleistung aufgrund pauschalisierender Betrachtungsweise der steuerlichen Vor- und Nachteile im Rahmen der Vorteilsausgleichung berücksichtigt (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8 f. und vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 40).
- 37
- Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
- 38
- Die Revision der Klägerin ist unzulässig, jedoch als Anschlussrevision fortzuführen.
- 39
- Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugunsten der Beklagten, nicht jedoch zugunsten der Klägerin zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils, jedoch durch Auslegung der Urteilsgründe, wie der Senat bereits mehrfach für vergleichbare Formulierungen entschieden hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2012 - XI ZR 140/10 und XI ZXI ZR 147/10 jeweils juris Rn. 6 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, WM 2012, 1211 Rn. 6 f. mwN). Die unzulässige Revision kann indes- sen in eine Anschlussrevision umgedeutet werden (vgl. Senatsbeschlüsse aaO, jeweils Rn. 9). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anschlussrevision liegen vor, insbesondere wurde das Rechtsmittel bereits vor Beginn der Monatsfrist des § 554 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO begründet.
II.
- 40
- Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
- 41
- Die Klägerin habe die Voraussetzungen des Anspruchs auf entgangenen Gewinn nicht substantiiert dargetan. Die Klägerin habe nicht ausreichend vorgetragen , dass und gegebenenfalls wie der Zedent den in den Medienfonds investierten Betrag anderweitig angelegt hätte, wenn es zu der streitgegenständlichen Anlage nicht gekommen wäre. Das pauschale Vorbringen, der Zedent hätte den Betrag "anderweitig gewinnbringend angelegt" und dabei eine Rendite von "wenigstens 8%" erzielt, rechtfertige keine Schätzung des entgangenen Gewinns gemäß § 252 BGB, § 287 ZPO. Es sei kein ausreichender Anhaltspunkt dafür gegeben, welche Art von Anlageform der Zedent alternativ gewählt hätte. Dass es sich hierbei, wie vom Landgericht angenommen, um Festgeld und nicht um eine andere, risikoreichere und im Ergebnis weniger gewinnbringende Anlage gehandelt hätte, lasse sich in Anbetracht des der Beteiligung vorausgehenden Anlageverhaltens des Zedenten, der nach dem nicht hinreichend widersprochenen Vorbringen der Beklagten in geschlossene Fonds zwecks Steueroptimierung investiert habe, nicht sicher feststellen. Das gelte auch für den zweitinstanzlichen Vortrag, der Zedent hätte eine "der sich bekanntlich bie- tenden, sicheren alternativen Anlageformen…, als da sind u.a. längerfristige Bundesanleihen, Festgeld oder Geldmarktfonds" gewählt.
III.
- 42
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ersatz entgangener Anlagezinsen in Höhe von 4% p.a. von der Zeichnung der Beteiligung bis zum Verzugseintritt zu Recht verneint.
- 43
- 1. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB allerdings auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehören grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 Satz 2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (Senatsurteile vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 11 und vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64, jeweils mwN).
- 44
- 2. Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht jedoch den Ersatz von Anlagezinsen vorliegend rechtsfehlerfrei abgelehnt.
- 45
- a) Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein Gewinn entgangen ist. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Darlegungs- und Beweiserleichterung. Der Geschädigte kann sich deshalb zwar auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreift. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsent- scheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (Senatsurteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 13). Die dem Tatrichter obliegende Würdigung des Prozessstoffs gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO dahingehend, ob die behaupteten Anknüpfungstatschen für wahr oder für nicht wahr zu erachten sind, ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar.
- 46
- b) Das Berufungsgericht hat sich von der Behauptung der Klägerin, dass der Zedent das Kapital bei ordnungsgemäßer Aufklärung in eine "sichere alternative Anlageform" investiert hätte, aufgrund der vorgetragenen Umstände nicht mit ausreichender Sicherheit überzeugen können. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin überhaupt ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung vorgetragen hat, ist jedenfalls diese tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei das vorangegangene - unstreitige - Anlageverhalten des Zedenten berücksichtigt und angenommen , dass eine erneute Investition des Zedenten in eine andere steuerwirksame , unternehmerische Beteiligung nicht ausgeschlossen werden könne.
- 47
- Zu Recht hat das Berufungsgericht daher eine Beweislastentscheidung zulasten der Klägerin getroffen. Die von der Anschlussrevision erhobene Verfahrensrüge , das Berufungsgericht habe Vortrag der Klägerin nicht berücksichtigt , hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
- 48
- c) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils außerdem klargestellt hat, hat der Geschädigte auch keinen Anspruch auf einen (gesetzlichen) Mindestschaden analog § 246 BGB unabhängig vom Parteivortrag (Senatsurteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 18).
Pamp Menges
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 26.11.2009 - 15 O 302/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.03.2011 - 13 U 215/09 -
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 05.09.2006 - 2 O 223/06 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 9.236,23 EUR nebst 4 % Zinsen p.a. aus 142,73 EUR seit 17.03.1999 und aus 5.283,35 EUR seit 21.02.2006 sowie 10,-- EUR vorgerichtliche Kosten zu bezahlen,
2. die Klägerin sowie Herrn F freizustellen in Bezug auf Ansprüche der V Leasing GmbH i.L., wegen Rückzahlung eines Restdarlehens an die Klägerin in Höhe von 5.453,78 EUR zzgl. Zinsen und an Herrn F in Höhe von 14.316,17 EUR zzgl. Zinsen jeweils seit 01.04.2005
jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen und mit Pfandrechten behafteten Kommanditanteile in Höhe von 30.000,-- DM der Klägerin und 40.000,-- DM ihres Ehemannes F an der KG auf die Beklagte.
II. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin
z u r ü c k g e w i e s e n .
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
Antrag Ziff. 1: | 13.854,34 EUR |
Antrag Ziff. 2: | 8.180,67 EUR |
zzgl. | 21.474,26 EUR |
Summe: | 43.509,27 EUR |
Gründe
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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.