Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Jan. 2017 - 3 OLG 6 Ss 4/17

bei uns veröffentlicht am31.01.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tenor

I.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 29. September 2016 mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung, ausgenommen der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen, die bestehen bleiben, aufgehoben.

II.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 14.07.2015 wegen Zuwiderhandlungen gegen eine bestimmte vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GewSchG) in 20 Fällen, hiervon in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Beleidigung und Sachbeschädigung, unter Auflösung der aus einer seit dem 19.05.2015 rechtskräftigen Vorverurteilung vom 11.05.2015 wegen Diebstahls und Betrugs in 4 Fällen resultierenden Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und Einbeziehung der zugrundeliegenden Einzelstrafen im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren; die Vollstreckung der aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe aus der Vorverurteilung war zur Bewährung ausgesetzt worden. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht, das von der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen ist und das Rechtsmittel deshalb als unbeschränkt behandelt hat, mit Urteil vom 29.09.2016 das Urteil 1. Instanz im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass es den Angeklagten nach Auflösung der aus der Vorverurteilung vom 11.05.2015 resultierenden Gesamtfreiheitsstrafe in ihre Einzelstrafen und deren Einbeziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt hat. Im Hinblick auf die vom Angeklagten aufgrund der Vorverurteilung als Bewährungsauflage vollständig abgeleisteten 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit hat die Berufungskammer bestimmt, dass diese gemäß §§ 58 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 56f Abs. 3 Satz 2 StGB mit zwei Wochen auf die Dauer der von ihm erkannten Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen sind.

Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässigen Revision des Angeklagten zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil es das Landgericht versäumt hat, die materielle Rechtmäßigkeit der auf Antrag der Nebenklägerin mit Beschluss des Familiengerichts vom 21.02.2014 nach mündlicher Verhandlung erlassenen vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG zu überprüfen, nämlich deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig festzustellen und im Urteil darzustellen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 28.11.2013 - 3 StR 40/13 = BGHSt 59, 94 = NJW 2014, 1749 = JZ 2014, 630 = NStZ 2014, 651 und vom 28.01.2016 - 3 StR 521/15 = NStZ-RR 2016, 135). Die getroffenen Feststellungen der Berufungskammer genügen den genannten Anforderungen nicht.

Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlungen gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Schutzanordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH a. a. O.). Das Landgericht hätte daher die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GewSchG feststellen und im Übrigen auch die Rechtmäßigkeit der familiengerichtlichen Anordnung wertend prüfen müssen, was es indes unterlassen hat.

III. Der aufgezeigte Erörterungs- und Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuld- und Strafausspruch. Jedoch können die bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Verwirklichung des Schuldspruchs in vollem Umfang bestehen bleiben, weil sie von dem aufgezeigten, die Urteilsaufhebung bedingenden Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Falle einer neuerlichen Verurteilung des Angeklagten bedürfen sie allerdings - wie ausgeführt - der Ergänzung.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin: Aufgrund des bereits dem Urteil des Amtsgerichts anhaftenden gleichartigen Erörterungs- und Darstellungsmangel ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht von der Unwirksamkeit der vom Angeklagten erklärten Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, weshalb das Rechtsmittel weiterhin als unbeschränkt zu behandeln ist.

Im Hinblick auf die Möglichkeit einer fakultativen Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB werden gegebenenfalls die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Voraussetzungen (sog. kommunikativer Prozess') näher in den Blick zu nehmen sein (vgl. neben BGH, Urteil vom 19.10.2011 - 2 StR 344/11 = StV 2012, 150 = BGHR StGB § 46a Nr. 1 und BGH, Beschluss vom 20.09.2016 - 3 StR 174/16 [bei juris] auch OLG Bamberg, Urteil vom 19.09.2006 - 3 Ss 106/05 = NStZ-RR 2007, 37, jeweils m. w. N.).

Bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe ist nicht die einer Vorverurteilung zugrunde liegende Gesamtstrafe einzubeziehen, sondern die jeweiligen Einzelstrafen.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Jan. 2017 - 3 OLG 6 Ss 4/17

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Jan. 2017 - 3 OLG 6 Ss 4/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die
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Gewaltschutzgesetz - GewSchG | § 1 Gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen


(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforde

Strafprozeßordnung - StPO | § 333 Zulässigkeit


Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

Gewaltschutzgesetz - GewSchG | § 4 Strafvorschriften


Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren 1. Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, zuwiderhandelt oder2. Verpflichtung aus einem

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Okt. 2011 - 2 StR 344/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 344/11 vom 19. Oktober 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober 2011, an der

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 174/16

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 174/16 vom 20. September 2016 in der Strafsache gegen 1. alias: 2. wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a. zu 2.: räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0 Der 3. Strafsenat d

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Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren

1.
Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, zuwiderhandelt oder
2.
Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach § 214a Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3 dieses Gesetzes, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 dieses Gesetzes, bestätigt worden ist.
Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.
die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2.
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3.
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4.
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5.
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a)
in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b)
eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren

1.
Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, zuwiderhandelt oder
2.
Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach § 214a Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3 dieses Gesetzes, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 dieses Gesetzes, bestätigt worden ist.
Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.
die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2.
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3.
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4.
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5.
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a)
in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b)
eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 344/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin in der Verhandlung
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. März 2011 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Revision die Verletzung sachlichen Rechts, insbesondere die rechtsfehlerhafte Annahme des § 46a Nr. 1 StGB. Ihr Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB durch das Landgericht begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2
1. § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (Senat BGH NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH 1 StR 204/02). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie NStZ 2002, 29).
3
2. Das Landgericht hat diese Maßstäbe beachtet. Es hat die rechtlichen Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich zutreffend erkannt und dabei insbesondere ausdrücklich bedacht, dass bei Sexualstraftaten eine gelungene Konfliktlösung aus tatsächlichen Gründen schwerer herbeizuführen ist als bei anderen Straftaten (UA 13). Ohne Rechtsfehler hat es in den Fällen 1 bis 12, 14 und 15 der Urteilsgründe eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen sowie § 46a Nr. 1 StGB im Fall 13 bei der Annahme eines minderschweren Falles im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB berücksichtigt.
4
Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer auch die Übernahme von Verantwortung durch den Angeklagten als eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs tragfähig begründet. Sie hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte sich gegenüber der Nebenklägerin zu seiner Schuld bekannt und sich sowohl bei ihr als auch bei ihrer Familie entschuldigt hat. Außerdem hat der Angeklagte zum Ausdruck gebracht , dass er sich für seine Taten schämt, und er hat durch sein umfassendes Geständnis der Nebenklägerin eine erneute Konfrontation in der Hauptverhandlung erspart. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es der Mitteilung von Einzelheiten der Entschuldigung nicht.
5
Die Urteilsgründe weisen auch hinreichend aus, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben einen Vergleich geschlossen, der den Angeklagten zu monatlichen Zahlungen von 200 Euro verpflichtet. Die Kammer hat dazu in Übereinstimmung mit den in der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs gemachten Vorgaben festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Zahlungsverpflichtung tatsächlich zu erfüllen und dass er die Zahlung bereits aufgenommen hat. Sie hat dabei auch erwogen , dass die Nebenklägerin die Entschuldigung des Angeklagten nicht angenommen hat. Soweit die Revision insoweit rügt, es fehle an dem erforderlichen Willen des Opfers zur Versöhnung, stehen dem die Urteilsgründe entgegen. Daraus ergibt sich, dass die Nebenklägerin einen förmlichen Vergleich geschlossen hat, der per se eine friedensstiftende Funktion besitzt, dass sie die Zahlungen akzeptiert hat und dass dies ersichtlich nicht lediglich geschehen ist, weil sie sich etwa in einer Notlage befunden hätte. Die Kammer hat hieraus ohne Rechtsfehler den Schluss gezogen, dass die Nebenklägerin die Leistung des Angeklagten als Ausgleich akzeptiert hat.
6
Entgegen dem Revisionsvorbringen begegnet es weiter keinen rechtlichen Bedenken, dass sich den Urteilsgründen - was wünschenswert gewesen wäre - die exakte Vergleichssumme nicht entnehmen lässt. Die Feststellung in den Urteilsfeststellungen, dass ein Vergleich abgeschlossen wurde, die Mitteilung der monatlichen zu zahlenden Summe und die Tatsache, dass die Nebenklägerin die Zahlungen angenommen hat, reichen hier in Verbindung mit den weiteren im Urteil aufgeführten Umständen aus, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB für den Senat zu belegen.
7
Soweit die Revision im Übrigen meint, die vereinbarten Zahlungen und die versuchte Entschuldigung genügten mit Rücksicht auf das Tatbild und die Tatfolgen für das Opfer nicht für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs, ersetzt sie lediglich die Wertung des Landgerichts durch ihre eigene, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/16
vom
20. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
alias:
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verbrachten die Angeklagten die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2015 gemeinsam mit den Zeugen de V. und Sch. sowie den Zeuginnen de B. und G. auf dem Schrebergartengrundstück von de V. . Nachdem die Angeklagten sich eine Zeitlang von dem Grundstück entfernt hatten, wurden sie bei ihrer Rückkehr auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen de V. und G. aufmerksam, die sich während ihrer Abwesenheit entwickelt hatte. Der Angeklagte N. "ging" nun "auf de V. los und schlug ihm mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht". Währenddessen schlug der Angeklagte S. Sch. in gleicher Weise. Anschließend schlug N. auch Sch. , während S. seinerseits de V. Schläge versetzte; die Strafkammer vermochte sich insoweit nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagten in dieser Situation zeitgleich auf einen der beiden Zeugen einwirkten.
3
Anschließend wiesen die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. an, sich auf eine Bank zu setzen, und bedrängten sie, wegen des Vorfalls nicht die Polizei einzuschalten. N. setzte sich sodann zwischen de V. und Sch. , legte seine Arme um sie und drohte ihnen sinngemäß an, dass "man ihnen ihre Beine abschneiden würde, wenn sie zur Polizei gehen würden". S. hatte einen Schraubendreher und einen Rechen an sich genommen , hielt de V. und Sch. die Gegenstände vor das Gesicht und drohte ihnen, dass "man die beiden auch an Ort und Stelle 'wegmachen' könne".
4
"Relativ am Anfang des ganzen Geschehens" forderten die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. , die durch die Schläge Nasenbluten davongetragen hatten, auf, sich das Blut abzuwaschen, woraufhin diese nacheinander zu einem Wasserhahn gingen. Dabei versuchte S. noch einmal, Sch. zu schlagen, der jedoch ausweichen konnte. Daraufhin trat N. hinzu und versetzte Sch. einen heftigen Tritt gegen den rechten Oberschenkel.
5
S. "entschloss sich nunmehr", de V. "um sein Geld zu erleichtern". Er forderte ihn auf, ihm sein Geld auszuhändigen, worauf de V. ihm "unter dem Eindruck der zuvor geäußerten Drohungen und Schläge" insgesamt 100 € aushändigte.
6
Nachdem S. anschließend die Gartenlaube von de V. erfolglos nach Wertgegenständen durchsucht hatte, redeten die Angeklagten erneut auf de V. und Sch. ein, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen. Zu diesem Zweck drohten sie ihnen nochmals, dass "man sie sonst 'fertig' machen" werde und dass sich ihre Familie sowie Freunde um die Zeugen "kümmern" würden, falls sie ins Gefängnis kämen. N. nahm dabei "billigend in Kauf, dass er durch die weitere Bekräftigung seiner Drohungen auch die vorherige Entwendung des Geldes durch S. unterstützte".
7
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung nicht. Das Landgericht hat dazu ausgeführt :
8
Es sei zwar nicht nachzuweisen, dass S. im Zeitpunkt der Geldforderung zur Erreichung seines Zieles unmittelbar Gewalt angewendet oder de V. konkret bedroht habe. Dies sei aber auch nicht erforderlich, da ihm bewusst gewesen sei, dass de V. ihm das Geld nur wegen der bereits vorangegangenen Schläge und Drohungen aushändigen werde, die er selbst sowie N. ausgesprochen hätten. De V. habe wegen des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs noch unter dem Eindruck der Gewaltanwendung bzw. Drohungen gestanden, die mithin fortgewirkt hätten. S. habe die Furcht von de V. vor weiteren Schlägen erkannt und diesen Umstand bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt.
9
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen , die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, juris Rn. 4; vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12, juris Rn. 5; vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, StV 2014, 545, 546). Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung ist die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters mit Rücksicht darauf , dass eine dem § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechende Vorschrift im Bereich von Raub und Erpressung fehlt, nicht entbehrlich.
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Hier hat der Angeklagte S. den Urteilsgründen zufolge indes lediglich die Furcht des Zeugen de V. vor weiteren Schlägen ausgenutzt, ohne ihm zumindest konkludent mit erneuter Gewaltanwendung zu drohen.
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3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen räuberischer Erpressung führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung und versuchten Nötigung. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten N. .
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4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Soweit das Landgericht die Hilfeleistung des Angeklagten N. zu der von dem Angeklagten S. begangenen räuberischen Erpressung darin gesehen hat, dass er de V. und Sch. erneut drohte, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen, bevor er das Grundstück gemeinsam mit S. verließ, würden entsprechende Feststellungen - falls sie auch aufgrund der neuen Hauptverhandlung getroffen werden - eine Verurteilung des Angeklagten N. wegen (sukzessiver) Beihilfe zur räuberischen Erpressung (vor deren Beendigung) tragen. Die ergänzenden Ausführungen des Landgerichts , dass N. aufgrund der früheren Schläge und Drohungen außerdem eine Garantenstellung aus Ingerenz innegehabt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, die Verwirklichung der räuberischen Erpressung durch S. zu verhindern, gehen demgegenüber fehl. Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellung aus vorangegangenem gefährdenden Tun nicht ergeben; erforderlich ist vielmehr , dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 f.). Davon wird hier im Hinblick auf das nach den vorherigen Drohungen und Körperverletzungshandlungen begangene Vermögensdelikt kaum die Rede sein können.
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b) Die Annahme des Landgerichts, dass sich der Angeklagte N. unter dem Gesichtspunkt des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe, indem er den Zeugen Sch. trat, nachdem der Angeklagte S. zuvor erfolglos versucht hatte, Sch. zu schlagen, während eine Strafbarkeit von S. unter diesem Gesichtspunkt ausscheide, begegnet rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Beteiligte (Täter oder Teilnehmer, § 28 Abs. 2 StGB) am Tatort bewusst zusammenwirken; es genügt, wenn eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv physisch oder psychisch unterstützt (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573). Eine rein passive Anwesenheit am Tatort reicht dagegen nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwesende die Körperverletzungstat des anderen innerlich billigt oder befürwortet (KG, Beschluss vom 12. März 2013 - (4) 121 Ss 30/13 (49/13), StV 2014, 349).
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c) Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Angeklagte S. dem Zeugen de V. kein Schmerzensgeld gezahlt habe, wird Folgendes zu bedenken sein: Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muss; das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139 ff.). Erforderlich ist, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutmacht, wobei es auch ausreichend sein kann, dass er dieses Ziel ernsthaft erstrebt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 StR 109/13, juris Rn. 11). Den Urteilsgründen zufolge hat der geständige Angeklagte S. sich hier bei dem Zeugen de V. entschuldigt und dessen materiellen Schaden ersetzt; de V. hat die Entschuldigung akzeptiert und ausdrücklich erklärt, dass die Sache für ihn mit der Rückzahlung des Geldes "erledigt" sei. In Anbetracht dessen schließt allein die unterbliebene - von de V. indes auch nicht beanspruchte - Zahlung von Schmerzensgeld eine Strafmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht unbedingt aus.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Berg