Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 6 U 19/18

bei uns veröffentlicht am20.11.2018

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 06.03.2018, Az. 22 O 2199/16, abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.797,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.100,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit dem 10.01.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 06.03.2018, Az. 22 O 2199/16, wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/8, der Beklagte 7/8.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer und macht auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers gegen den Beklagten geltend, der diesen als Rechtsanwalt vertreten hat.

Der bei der Klägerin rechtsschutzversicherte W. (im Folgenden: Versicherungsnehmer oder Mandant) beauftragte den Beklagten 2011 mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die Z. AG und die X. AG im Zusammenhang mit dem „Fonds Nr. ...“, dem er 1993 beigetreten war.

Kurz vor dem ihm bekannten Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2011 beantragte der Beklagte am 21.12.2011 einen Mahnbescheid gegen beide Anspruchsgegner, der die Rückzahlung der Beteiligungssumme am Fonds Nr. ... an den Versicherungsnehmer zum Gegenstand hatte. Im Antragsformular gab er bewusst wahrheitswidrig an, die Gegenleistung, von der der Anspruch abhänge, sei bereits erbracht. In der nach Zustellung des Mahnbescheids eingereichten Anspruchsbegründung beantragte der Beklagte, die beiden Anspruchsgegner zur Rückzahlung der Beteiligungssumme Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung zu verurteilen. Das Verfahren gegen die X. AG wurde später abtrennt und vor dem Landgericht Düsseldorf weitergeführt, das Verfahren gegen die Z. AG vor dem Landgericht Coburg.

Beide Prozesse gingen verloren. Die Klage gegen die Z. AG wurde vom Landgericht Coburg wegen Verjährung abgewiesen. Eine hiergegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Bamberg blieb erfolglos. Die Klage vor dem Landgericht Düsseldorf nahm der Beklagte nach Erhebung der Verjährungseinrede wegen fehlender Erfolgsaussichten zurück. Für die Einleitung der gerichtlichen Schritte und für das Einlegen einer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg hatte die Klägerin zuvor jeweils eine Deckungszusage erteilt.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Klägerin fordert den Ersatz entstandener Prozesskosten in Höhe von insgesamt 20.319,56 €. Zur genauen Zusammensetzung dieses Betrags wird auf die Aufstellung auf Seite 15 im Schriftsatz der Klägerseite vom 10.05.2017 verwiesen (Bl. 58 d.A.).

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 14.259,58 € stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt, indem er nicht hinreichend über Risiken aufgeklärt, das Gebot des sichersten Wegs verletzt und den Eintritt der Verjährung nicht verhindert habe. Auf den Ausgang des Schadensersatzprozesses bei rechtzeitiger Klage komme es nicht an, weil der Beklagte aufgrund seines eigenen Vortrags, eine Klageerhebung sei wegen der defizitären Informationspolitik des Versicherungsnehmers nicht möglich gewesen, diesem von jeglichem gerichtlichen Vorgehen hätte abraten müssen. Allerdings bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten, die im Verfahren gegen die Z. AG in zweiter Instanz vor dem OLG Bamberg entstanden seien. Insoweit treffe die Klägerin, die trotz Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils eine Deckungszusage erteilt habe, ein überwiegendes Mitverschulden nach § 254 BGB.

Die Klägerin und der Beklagte haben jeweils form- und fristgerecht Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt.

Die Klägerin strebt eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und eine Verurteilung des Beklagten in voller Höhe an. Sie ist der Auffassung, eine Kürzung des Anspruchs wegen eines Mitverschuldens sei nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

Das Urteil des Landgerichts Würzburg, 22 O 2199/16, vom 6. März 2018 ist teilweise abzuändern und der Beklagte ist zu verurteilen,

  • 1.an die Klägerin 20.391,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit dem 21. Oktober 2016 zu zahlen,

  • 2.an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:

1. Unter Abänderung des am 06.03.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Würzburg, 22 O 2199/16, wird die Klage im vollen Umfang kostenpflichtig abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte erhebt gegen das Urteil des Landgerichts im Wesentlichen folgende Einwendungen:

Es sei nicht zutreffend, dass eine Pflichtverletzung vorliege. Er habe davon ausgehen dürfen, dass eine wirksame Verjährungshemmung gegeben sei.

Dem Versicherungsnehmer sei aufgrund der Deckungszusage kein eigener Vermögensschaden entstanden.

Im Falle einer Klageerhebung hätte die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits ohnehin tragen müssen, weil eine Klage in der Sache nicht erfolgreich gewesen wäre.

Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich der Versicherungsnehmer aufgrund des Vorliegens einer Deckungszusage bewusst für das Mahnverfahren ausgesprochen habe, obwohl er über Bedenken gegen das Mahnverfahren aufgeklärt worden sei. Es sei nicht nachgewiesen, dass sich der Versicherungsnehmer bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen ein Mahnverfahren entschieden hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens dürfe beim rechtsschutzversicherten Mandanten nicht vorbehaltlos angewendet werden.

Bei der entstandenen Gebühr nach VV Nr. 2300 RVG (Geschäftsgebühr) handele es sich um Sowieso-Kosten, die ohnehin zu zahlen gewesen wären.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird zu den weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien auf die im Berufungsverfahren sowie die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise erfolgreich. Die zulässige Berufung des Beklagten ist dagegen unbegründet.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten in Höhe von 17.797,36 € aus übergegangenem Recht wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung des Beklagten zu.

1. Gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, § 17 Abs. 9 ARB gehen Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen Dritte auf Erstattung von Kosten, die der Versicherer getragen hat, mit ihrer Entstehung auf den Versicherer über. Davon erfasst werden auch Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen seinen Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Prozessführung, etwa bei einem Kostenschaden aufgrund der gerichtlichen Geltendmachung einer verjährten Forderung (OLG Köln, Urt. v. 29.06.1993, 9 U 237/92, NJW-RR 1994, 27, 28; Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Auflage, § 17 ARB 2000, Rn. 158; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 17 ARB 2010, Rn. 59). Die Klägerin ist daher zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen entstandener Prozesskosten aktivlegitimiert.

2. Der Versicherungsnehmer hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen Verletzung der Pflichten aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag erlangt, der vollumfänglich auf die Klägerin übergegangen ist.

a) Die Klägerin hat das Vorliegen einer Pflichtverletzung nachgewiesen. Der Beklagte hat pflichtwidrig gerichtliche Schritte eingeleitet, die Kosten auslösten, aber zur Durchsetzung der Rechte des Versicherungsnehmers nicht geeignet waren.

aa) Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Beklagten bestand ein Anwaltsvertrag, der sich rechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter darstellt. Gegenstand des Vertrags war die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Z. AG und die X. AG im Zusammenhang mit dem „Fonds Nr. ...“, dem der Versicherungsnehmer im Jahr 1993 beigetreten war.

bb) Ein Rechtsanwalt hat die Pflicht, keine kostenauslösenden rechtlichen Schritte zu ergreifen, die nicht geeignet sind, den Rechten des Mandanten zur Durchsetzung zu verhelfen. Pflichtwidrig ist es daher etwa, einen verjährten Anspruch einzuklagen, wenn mit der Erhebung der Verjährungseinrede zu rechnen ist (OLG Celle, Urt. v. 09.11.2005, 3 U 83/05, Tz. 10; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer, Die Haftung des Rechtsanwalts, 9. Aufl., Rn. 2306).

Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt, indem er wenige Tage vor Ablauf der gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB am 31.12.2011 endenden Verjährungsfrist den Erlass eines Mahnbescheids unter der bewusst wahrheitswidrigen Angabe beantragt hat, dass die Gegenleistung, von der der Anspruch abhänge, bereits erbracht sei. Die Falschangabe hatte zur Folge, dass sich der Versicherungsnehmer im anschließenden Gerichtsverfahren nach § 242 BGB nicht auf die eingetretene Verjährungshemmung berufen konnte (LG Coburg, Urt. v. 26.07.2013, 22 O 407/02 = Anl. K 1; ebenso BGH, Urt. v. 23.06.2015 - XI ZR 536/14, Tz. 19 ff.; Urt. v. 16.07.2015 - III ZR 238/14, Tz. 18/23).

cc) Unbeachtlich ist der Einwand des Beklagten, der Versicherungsnehmer habe sich bewusst für das Mahnverfahren entschieden. Denn der Beklagte behauptet selbst nicht, dass er den Versicherungsnehmer darüber aufgeklärt hat, dass er falsche Angaben in den Mahnantrag aufnimmt und dies im Falle eines Widerspruchs gegen den Mahnbescheid eine Berufung auf die eingetretene Verjährungshemmung nach § 242 BGB ausschließt. Von einer Weisung des Versicherungsnehmers nach vorheriger Aufklärung kann daher nicht ausgegangen werden.

b) Der Beklagte handelte auch fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB.

aa) Das Verschulden des Schuldners wird vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass er bis zur Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 21.12.2011 (VIII ZR 157/11), die zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheids noch nicht veröffentlicht war, von der Statthaftigkeit seiner Verfahrensweise ausgehen durfte.

Es trifft nicht zu, dass bis zu diesem Zeitpunkt außer einem Urteil des OLG Koblenz vom 11.02.2005 (8 U 141/04) keine Rechtsprechung und keine Literaturmeinung zu der Frage existiert hat, ob die Berufung auf eine eingetretene Hemmung der Verjährung im Einzelfall wegen § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein kann. Hiervon ging vielmehr schon der Gesetzgeber des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts aus (BT-Drucks. 14/6857, S. 44). Im Rahmen des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB ist die Fallgruppe des unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsposition seit jeher anerkannt (vgl. nur Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 242 Rn. 43 ff.). Auch der Bundesgerichtshof hatte bereits entschieden, dass einem Missbrauch im Rahmen der verjährungshemmenden Tatbestände mit § 242 BGB zu begegnen ist (BGH, Urt. v. 06.07.1993, VI ZR 306/92, Tz. 22 a. E.; Urt. v. 28.09.2004, IX ZR 155/03, Tz. 20), ebenso das Oberlandesgericht München in einem dem vorliegenden Fall gleich gelagerten Sachverhalt (OLG München, Urt. v. 04.12.2007, 5 U 3479/07, Tz. 84 ff). Im Übrigen wurden die aus der zitierten älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im Jahr 2005 in der Literatur dargestellt (Wagner, ZfIR 2005, 856, 857).

Der Bundesgerichtshof ist deshalb in einem vergleichbar gelagerten Fall, der ebenfalls den Beklagten betraf, zu der Auffassung gelangt, dass dieser nicht von der Statthaftigkeit seines Vorgehens ausgehen durfte (BGH, Urt. v. 23.06.2015, XI ZR 536/14, Tz. 27). Dem schließt sich der Senat an.

bb) Das Argument, die Rechtsschutzversicherung habe eine Deckungszusage erteilt, entlastet den Beklagten ebenfalls nicht. Denn das Vertragsverhältnis des Mandanten zu seinem Anwalt ist von dem des Mandanten zum Rechtsschutzversicherer zu unterscheiden. Die Rechtsschutzversicherung wird nicht als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig (OLG Hamm, Urt. v. 23.08.2016, 28 U 57/15, Rn. 43; OLG Koblenz, Urt. v. 16.02.2011, 1 U 358/10, Rn. 30 f.; Klumpp in Staudinger, BGB, 2015, § 328, Rn. 169). Zudem träfe den Mandanten auch keine Überprüfungspflicht der Arbeit seines Rechtsanwalts (OLG Hamm a.a.O.). Die Deckungszusage gab dem Beklagten daher nicht das Recht, bei der Prüfung, ob das Auslösen von Verfahrenskosten zur Erreichung des vom Mandanten angestrebten Rechtsschutzziels geeignet und angemessen ist, beim Versicherungsnehmer einen geringeren Sorgfaltsmaßstab anzulegen als bei einem Mandanten ohne Rechtsschutz.

c) Dem Versicherungsnehmer ist durch die Pflichtverletzung des Beklagten auch ein eigener Schaden in Höhe von 17.797,36 € entstanden.

aa) Die eingeleiteten gerichtlichen Schritte haben Gerichts- und Anwaltskosten ausgelöst, die dem Versicherungsnehmer in Rechnung gestellt wurden.

Die Erstattung dieser Kosten durch die Klägerin ändert nichts daran, dass es sich um einen Schaden des Versicherungsnehmers handelt. Denn der Anspruch des Kostengläubigers ist gegen ihn gerichtet. Eine Berücksichtigung der Versicherungsleistung im Wege der Vorteilsausgleichung kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Versicherungsnehmer einen Freistellungsanspruch in Höhe der Prozesskosten gegen den Versicherer. Diesen Anspruch hat er sich jedoch durch die Zahlung von Versicherungsprämien erkauft. Eine Anrechnung der Leistungen scheidet daher aus, weil durch die Versicherung der Geschädigte und nicht der Schädiger begünstigt werden soll (OLG Köln, Urt. v. 29.06.1993, 9 U 237/92, NJW-RR 1994, 27, 28).

bb) An dieser Stelle muss nicht geprüft werden, ob der Schaden auch entstanden wäre, wenn sich der Beklagte vertragsgerecht verhalten hätte. Dieser Prüfungsschritt ist im Rahmen der Schadensfeststellung bei der Anwaltshaftung zwar geboten, wenn ein Mandant von seinem Rechtsanwalt die Zahlung eines Geldbetrags als Schadenersatz verlangt, weil der Anwalt den auf die Zahlung dieses Geldbetrags gerichteten Anspruch pflichtwidrig hat verjähren lassen. Die Pflichtverletzung des Anwalts besteht in diesem Fall in einem Unterlassen. Ein Unterlassen ist für einen Schaden aber nur dann kausal, wenn die Vornahme der geforderten Handlung den Eintritt des Schadens verhindert hätte (BGH, Urt. v. 22.03.1990, IX ZR 128/99, Tz. 18; Urt. v. 07.02.2012, VI ZR 63/11, Tz. 10). Hätte der Mandant einen Prozess ohnehin verloren, weil der Anspruch tatsächlich nicht bestand oder die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachweisbar waren, ist ihm durch das Verjährenlassen des Anspruchs von vorneherein kein Schaden entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2002, IX ZR 3/01, Tz. 11; G. Fischer in Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5, Rn. 4).

Beim hier geltend gemachten Kostenschaden ist Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Kausalzusammenhangs jedoch das Einreichen eines Mahnantrags mit falschen Angaben, also eine Handlung. Diese Handlung hat Prozesskosten ausgelöst und damit unmittelbar einen realen Schaden hervorgerufen, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf (BGH, Urt. v. 13.11.2008, IX ZR 69/07, Tz. 9).

cc) Die Schadenshöhe beträgt 17.797,36 €. Darin beinhaltet sind alle Kosten, die ab Stellung des mit falschen Angaben versehenen Mahnantrags entstanden sind. Anwaltsgebühren, die bereits vorher entstanden sind, können keine Berücksichtigung finden. Insoweit fehlt es an einem kausalen Zusammenhang zur Pflichtverletzung. Die Gebührenrechnung des Beklagten vom 02.10.2013 (K 15) kann deshalb nicht in voller Höhe angesetzt werden. Denn sie enthält auch eine 1,8 Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 2.160,00 € netto, die bereits vor der gegenständlichen Pflichtverletzung ausgelöst worden ist und die im Übrigen - soweit die Klägerin auch eine Falschberatung behauptet - auch bei ordnungsgemäßer Beratung entstanden wäre.

Dies führt gemäß der von der Klägerin vorgelegten Kostenaufstellung, deren Positionen durch Rechnungen belegt bzw. nicht substantiiert bestritten sind, zu folgendem Schadensbetrag:

Datum

Zweck

Betrag

X. AG

01.07.2014

Gebührenrechnung des Beklagten abzüglich der Gebühren für vorgerichtliche Tätigkeit

805,51 €

30.07.2014

Gerichtskosten

786,00 €

01.12.2014

Gebühren der anwaltl. Vertreter der X. AG

1.554,84 €

Z. AG

05.08.2013

Gerichtskosten 1. Instanz

1.968,00 €

02.04.2014

Gerichtskosten 2. Instanz

1.332,00 €

02.10.2013

Gebührenrechnung des Beklagten bis einschließlich 1. Instanz abzüglich Geschäftsgebühr

3.026,94 €

05.07.2014

Gebührenrechnung des Beklagten 2. Instanz

2.399,99 €

2014

Gebühren der anwaltl. Vertreter der Z. AG

5.924,08 €

Summe

17.797,36 €

Soweit die Klägerin einen höheren Betrag fordert, war die Berufung zurückzuweisen.

d) Der Beklagte erhebt gegen seine Haftung für diese Verfahrenskosten zwei Einwendungen, die beide den Aspekt der Schadenszurechnung betreffen. Er behauptet zum einen, der Versicherungsnehmer hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gleichwohl dafür entschieden, das Mahnverfahren durchzuführen, was zu entsprechenden Verfahrenskosten geführt hätte. Zum anderen wendet er ein, der Versicherungsnehmer hätte im Falle einer rechtzeitigen Hemmung der Verjährung die entstandenen Kosten ohnehin tragen müssen, weil ein Klageverfahren in der Sache nicht erfolgreich gewesen wäre.

Beide Einwendungen sind dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zuzuordnen. Dieser Begriff umschreibt Fälle, in denen der Schuldner geltend macht, der durch sein rechtswidriges Verhalten tatsächlich verursachte Schaden wäre auch dann eingetreten, wenn er eine andere, von der verletzten Pflicht verschiedene Pflicht erfüllt hätte (BGH, Urt. v. 17.10.2002, IX ZR 3/01, Tz. 12; G. Fischer, a.a.O., § 5, Rn. 81; Fahrendorf, a.a.O., Rn. 911). Ob der Einwand im Einzelfall erheblich ist, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm zu entscheiden. Es ist zu prüfen, ob dem Schadensverursacher die Folgen seines pflichtwidrigen Verhaltens bei wertender Betrachtung billigerweise zugerechnet werden können (BGH, a.a.O., Tz. 12; Urt. v. 20.07.2006, IX ZR 94/03, Tz. 22).

Die Einwendungen sind im konkreten Fall jedoch nicht geeignet, eine Haftung des Beklagten für den von ihm verursachten Schaden entfallen zu lassen.

aa) Der Einwand, der Versicherungsnehmer hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung dafür entschieden, das Mahnverfahren durchzuführen, ist grundsätzlich beachtlich. Insoweit behauptet der Beklagte, die Erfüllung einer anderen Pflicht als der verletzten (hier: der Pflicht zur Aufklärung über Prozessrisiken) hätte aufgrund einer dann ergangenen Weisung des Versicherungsnehmers zur Durchführung des Mahnverfahrens geführt und in der Folge denselben Schaden herbeigeführt. Der Beklagte, der als Schädiger die Darlegungs- und Beweislast trägt (Oetker in MüKo BGB, 7. Aufl., § 249, Rn. 224), ist zu diesem Einwand jedoch beweisfällig geblieben. Er hat auf die Einvernahme des Versicherungsnehmers als Zeuge bereits in erster Instanz verzichtet, nachdem der Zeuge eine schriftliche Erklärung eingereicht hat. Weitere Beweismittel wurden in der Berufungsbegründung nicht benannt. Die vom Zeugen eingereichte schriftliche Stellungnahme bestätigt den Vortrag des Beklagten nicht.

bb) Der Einwand des Beklagten, die Klägerin hätte im Falle einer rechtzeitigen Hemmung der Verjährung die dann entstandenen Kosten ohnehin tragen müssen, weil ein Klageverfahren nicht erfolgreich gewesen wäre, ist von vorneherein unbeachtlich.

Die vom Beklagten verletzte Pflicht soll den Mandanten gerade vor der Belastung mit Prozesskosten schützen. Der Umstand, dass ein bei wirksamer Verjährungshemmung durchgeführter Prozess aus anderen Gründen möglicherweise ebenfalls verloren gegangen wäre, entlastet den Beklagten nicht, weil es sich bei den dann entstandenen Kosten um einen anderen Schaden gehandelt hätte. Die in einem anderen Verfahren nach einer negativen Sachentscheidung möglicherweise entstehenden Kosten sind nicht mit dem Kostenschaden identisch, der aufgrund der pflichtwidrigen Einleitung eines Prozesses tatsächlich entstanden ist.

Aus diesem Grund ist der Einwand auch nicht schlüssig. Der Beklagte legt nicht dar, warum bei rechtzeitiger Klageerhebung dem Versicherungsnehmer ein Schaden in genau derselben Höhe, also in Höhe von 17.797,36 €, hätte entstehen sollen. Dies würde voraussetzen, dass sich ein möglicher Prozess genau so entwickelt hätte, wie es die beiden Verfahren nach Durchführung des Mahnverfahrens und anschließender Prozesstrennung getan haben. Hierzu müsste der Beklagte etwa vortragen, dass sich das Verfahren gegen die Fa. Z. AG auch über zwei Instanzen erstreckt hätte und identische oder mindestens gleich hohe Verfahrenskosten entstanden wären. Ein solcher Vortrag könnte nur ins Blaue hinein erfolgen und wäre - etwa zu der Frage, ob der Versicherungsnehmer gegen ein klageabweisendes Urteil Berufung eingelegt hätte - mit den Mitteln des Zivilprozesses auch nicht nachweisbar.

Schließlich handelt es sich lediglich um den Verweis auf die bloße Möglichkeit, dass bei rechtmäßigem Verhalten ebenfalls ein Schaden eingetreten wäre. Ein bloß möglicher Schadenseintritt bei rechtmäßigem Verhalten entlastet den Schädiger jedoch nicht (BGH, Urt. v. 25.11.1992, VIII ZR 170/91, Tz. 17; Oetker, a.a.O., Rn. 221).

e) Ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB aufgrund des Umstands, dass für die Berufungsinstanz eine Deckungszusage erteilt worden ist, kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht angenommen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die Klägerin einen auf sie übergegangenen Anspruch ihres Versicherungsnehmers geltend macht. Abzustellen ist daher auf ein etwaiges Mitverschulden des Versicherungsnehmers. Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziffer 2 b) cc) verwiesen werden, wonach der Rechtsschutzversicherer nicht als Erfüllungsgehilfe des Mandanten tätig wird und eine Prüfungspflicht des Mandanten nicht besteht.

Der Beklagte hat daher die in beiden Instanzen entstandenen Kosten im Prozess gegen die Z. AG zu erstatten.

3. Der Beklagte befand sich ab dem 21.10.2016 im Verzug. Insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil unter Ziffer IV Bezug genommen werden.

II.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten, §§ 286, 288 Abs. 4, 249 BGB. Die Klägervertreter wurden erst nach Verzugseintritt am 21.10.2016 von der Klägerin beauftragt. Die Höhe der zu erstattenden Anwaltsgebühren errechnet sich aus einem Streitwert von 17.797,36 € bei einer 1,3 Wertgebühr nach dem RVG.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Der Fall hat weder Grundsatzbedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 86 Übergang von Ersatzansprüchen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 688 Zulässigkeit


(1) Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zum Gegenstand hat, ist auf Antrag des Antragstellers ein Mahnbescheid zu erlassen. (2) Das Mahnverfahren findet nicht statt:1.für Ansprüche eines Unternehmers aus eine

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Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 6 U 19/18 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 6 U 19/18 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2012 - VI ZR 63/11

bei uns veröffentlicht am 07.02.2012

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 94/03 Verkündet am: 20. Juli 2006 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2008 - IX ZR 69/07

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 69/07 Verkündet am: 13. November 2008 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BRAO § 51b; EGBGB

Landgericht Würzburg Endurteil, 06. März 2018 - 22 O 2199/16

bei uns veröffentlicht am 06.03.2018

Tenor 1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.259,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen. 2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Kläg

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 23. Aug. 2016 - 28 U 57/15

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.02.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 16.687,01 € nebst Zinsen in

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2015 - III ZR 238/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 238/14 Verkündet am: 16. Juli 2015 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 204 Abs. 1

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X I Z R 5 3 6 / 1 4 Verkündet am: 23. Juni 2015 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.259,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 30 % und der Beklagte 70 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 20.391,56 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Schlechtleistung geltend.

Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer des Zeugen ... der sich u.a. an den Anlagefonds „Medico Fonds Nr. 31“ beteiligte.

Im Jahr 2011 beauftragten der Zeuge ... den Beklagten mit der Wahrnehmung seiner Interessen, nämlich zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die ... sowie die ... denn er sei bei Beteiligung an den Kapitalanlagefonds nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Dem Zeugen ... seien im Prospekt nicht in der gebotenen Weise alle erheblichen Umstände, die für die Anlageentscheidung maßgebend waren, umfassend, zutreffend und verständlich dargelegt worden. Er sei diesbezüglich nicht informiert und aufgeklärt worden.

Am 24.08.2009 stellte der Beklagte Kostendeckungsanfrage bei der Klägerin zur Durchsetzung der Ansprüche gegen die ... (Vgl. Anlage B 2). Mit Schreiben vom 09.12.2011 bat der Beklagte Deckungsschutz für ein Mahn- oder Schiedsgerichtsverfahren gegen die ... (vgl. Anlage K 11).

Der Beklagte beantragte sodann am 21.12.2011 beim Amtsgericht Coburg einen Mahnbescheid gegen die ... sowie gegen die ... unter anderem mit folgender Erklärung:

„Der Antragsteller hat erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei.“

Nachdem Widerspruch gegen die Mahnbescheide eingelegt wurde, wurde das Verfahren gegen die ... an das Landgericht Coburg abgegeben und unter dem Aktenzeichen 22 O 407/12 dort geführt. Das Verfahren gegen die ... wurde an das Landgericht Düsseldorf abgegeben und dort unter dem Aktenzeichen 10 O 395/13 geführt. Mit Urteil vom 09.07.2013 wies das Landgericht Coburg die Klage gegen die ... ab (vgl. Anlage K 1). Das Gericht führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, weil der Anspruch verjährt und daher jedenfalls nicht mehr durchsetzbar sei. Der Mahnbescheidsantrag vom 21.12.2011 könne wegen bewusst wahrheitswidriger Angaben die Verjährung nicht hemmen.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte für den Zeugen ... Berufung zum OLG Bamberg ein. Durch Beschluss des OLG Bamberg vom 26.03.2014 erklärte das Gericht, dass der Zeuge ... seines Rechtsmittels der Berufung verlustig sei.

Die Klage gegen die ... vor dem Landgericht Düsseldorf nahm der Beklagte zurück. In diesem Verfahren war die Einrede der Verjährung auch bereits erhoben.

Die Klägerin trug die Kosten der Mahnverfahren, der Verfahren vor dem Landgericht Coburg und Düsseldorf sowie dem OLG Bamberg. Vor dem Landgericht Coburg und dem OLG Bamberg entstanden Gerichtsgebühren in Höhe von 1.968,00 € und 1.332,00 € und Bruttogebühren des Beklagten in Höhe von 5.621,14 und 2.399,99 €. Ferner zahlte die Klägerin Rechtsanwaltskosten der Gegenpartei in Höhe von 5.924,08 €. Sie trug außerdem die Gerichtskosten für die 1. Instanz vor dem Landgericht Düsseldorf in Höhe von 805,51 € sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 786 € und 1.554,84 €. Insgesamt leistete die Klägerin Zahlungen in Höhe von 17.245,21 €.

Mit außergerichtlichen Schreiben vom 07.09.2016 und 01.09.2016 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung der genannten Beträge auf (vgl. Anlage K 2 und 5). Auf Mahnung der Klägerin vom 29.09.2016 wurde seitens des Beklagten jegliche Zahlung zurückgewiesen (vgl. Anlage K 3 und K 6). Auch nach nochmaligen Schreiben der Klägerin vom 12.10.2016 unter Fristsetzung zum 20.10.2016 erfolgte seitens der Beklagtenpartei keine Zahlung. Nachdem die Klägerin den Beklagten erneut unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe mit Schreiben vom 09.12.2016 zur Zahlung aufforderte, lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2016 jegliche Leistung endgültig und ernsthaft ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe das Verfahren für den Zeugen ... beim Landgericht Coburg und Düsseldorf sowie dem OLG Bamberg fehlerhaft geführt, weil er einen verjährten Anspruch eingeklagt habe. Die verjährungshemmenden Maßnahmen des Beklagten seien fehlerhaft gewesen. Der Mahnbescheidsantrag sei aufgrund der Falschangabe von Leistung und. Gegenleistung rechtsmißbräuchlich und deshalb unzulässig gewesen. Eine Hemmungswirkung habe der Antrag daher nicht entfalten können. Dies habe dem Beklagten klar sein müssen. Er hätte keine Klage erheben dürfen. Das Mahnverfahren sei wegen § 688 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig gewesen.

Der Beklagte habe nicht den sichersten Weg für die Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten gewählt, wozu er nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des BGH verpflichtet gewesen sei. Statt eines Mahnbescheidsantrags zu stellen, hätte der Beklagten richterweise eine Klage formulieren müssen. Hätte der Beklagte den Zeugen ... auf die Unzulässigkeit des Mahnbescheidsantrags hingewiesen, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese beratungsgemäß verhalten hätten und der Mahnbescheidsantrag nicht beantragt worden wäre.

Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Rechtsauffassung, dass die gegenständlichen Ansprüche nicht verjährt seien. Die ARB eines Versicherers würden das Versicherungsverhältnis regeln und nicht den Regress eines Versicherers aus übergegangenem Recht.

Die Klägerin beantragt:

  • 1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 20.319,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

  • 2.Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von € 1.171,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Beklagtenseits wird

Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er ist der Auffassung, dass nach § 14 ARB der Anspruch als Anspruch aus dem Versicherungsvertrag innerhalb von zwei Jahren verjährt sei. Jedenfalls sei der Klägerin der Anspruch aus Verwirkungsgrundsätzen des § 242 BGB zu versagen, nachdem insoweit der Gedanke des § 14 ARB herangezogen werden müsse.

Der Beklagte trägt vor, er habe am 21.12.2011 den streitgegenständlichen Mahnbescheid im guten Glauben beantragt und keine Übervorteilung der ... und ... beabsichtigt. Er habe keine bewusste Täuschungshandlung vorgenommen und habe die ... und ... nicht durch eine bewusste Täuschung des Mahngerichts übervorteilen wollen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass ihm der Vorwurf einer schadensursächlichen Pflichtverletzung nicht gemacht werden könne. Bei Beantragung des streitgegenständlichen Mahnbescheides sei das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015 überhaupt noch nicht existent gewesen. Es sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht absehbar gewesen, dass in der dort vertretenen Weise Mahnbescheide in ihrer verjährungshemmenden Wirkung abgesprochen werde. Die Rechtsprechung des BGH vom 21.12.2011 verhalte sich nur zu dem Kauf von Möbeln und sei als einzelfallabhängig anzusehen. Es handele sich dabei gerade nicht um eine verallgemeinerungsfähige Entscheidung. Erst mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015 sowie 16.07.2015 sei auch für die hier streitgegenständlichen Fälle über die Frage der verjährungshemmenden Wirkung eines Mahnbescheides bei Verfolgung eines großen Schadensersatzes abschließend entschieden worden. Eine solche Entwicklung habe von dem Beklagten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Mahnbescheide nicht antizipiert werden müssen.

Der Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens könne nicht in Anspruch genommen werden. Vielmehr treffe die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich haftungsausfüllender Kausalität sowie Schaden. Die Klägerin habe eine Deckungszusage für das gerichtliche Tätigwerden des Beklagten erteilt. Im Übrigen habe der Zeuge ... trotz des von Seiten des Beklagten erteilten Hinweises zu Risiken an einer prozessualen Verfolgung seiner Ansprüche festgehalten. Der Anscheinsbeweis des beratungsgerechten Verhaltens könne auch deswegen nicht greifen, weil sich bei einer bestehenden Rechtsschutzversicherung und einer Deckungszusage kein Erfahrungssatz konstruieren lassen, wonach ein Mandant bei entsprechenden Risikohinweisen ebenfalls von einer kostenträchtigen Weiterung absehe. Gerade bei rechtsschutzversicherten Mandanten sei häufig eine überdurchschnittliche Wagnisbereitschaft zu konstatieren. Daher komme in Fällen der vorliegenden Art die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens nicht zur Anwendung.

Im Übrigen hätte die Klage auch unabhängig von der Verjährungseinrede keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Schadensersatzpositionen könne auch der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegengehalten werden.

Die Kosten für den von der Klägerin eingeschalteten vorgerichtlich tätigen Rechtsanwalt seien nicht erstattungsfähig, weil die Einschaltung des Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen sei, da die Klägerin schon durch ihre Hausjuristen die angeblichen Schadensersatzansprüche beim Beklagten anmelden ließ.

Zur Ergänzung des Vortrags der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Auf die Einvernahme des Zeugen ... ist von beiden Seiten verzichtet worden, nachdem sich der Zeuge schriftlich erklärt hatte (vgl. Bl. 119 der Akte).

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

A.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Würzburg gem. §§ 73, 25 GVG i.V.m. §§ 2 ff. ZPO sachlich sowie gem. §§ 12, 13, 29 ZPO örtlich zuständig.

B.

Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht im Sinne von § 214 Abs. 1 BGB verjährt.

Die Einrede der Verjährung wurde zwar beklagtenseits im Prozess erhoben. Die Verjährung lässt sich allerdings nicht auf die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 14 der ARB stützen. Im vorliegenden Fall wird ein Schadensersatzanspruch aus anwaltlicher Schlechtleistung geltend gemacht. Insoweit handelt es sich nicht um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag selbst. Nur für diesen gilt die zweijährige Verjährungsfrist des § 14 der ARB.

Vielmehr greift insoweit die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Diese begann mit Schluss des Jahres 2014, da die Klägerin am 27.06.2014 von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis im Sinnes des § 199 BGB erlangte. Am 27.07.2014 wurde ihr der Beschluss des OLG Bamberg zugefaxt. Die Klageeinreichung bei Gericht am 16.12.2016 konnte daher noch rechtzeitig verjährungshemmend nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgen.

Auch aus § 242 BGB ergibt sich hier nichts anderes. Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, aus § 14 Abs. 1 S. 2 ARB 2000 ließe sich der Rechtsgedanke entnehmen, dass nach zwei Jahren aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine Auseinandersetzung um etwaige aus dem Versicherungsvertrag erwachsende Rechte ausgeschlossen sein solle, so ist erneut darauf zu verweisen, dass es vorliegend nicht um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sondern um solche aus dem Mandatsverhältnis geht.

II.

Der Beklagte hat gegen die im Rahmen des Mandatsverhältnisses mit dem Zeugen ... bestehenden anwaltlichen Sorgfaltspflichten verstoßen.

Der Beklagte reichte einen Antrage auf Erlass eines Mahnbescheids ein und gab hierbei an, dass die Geltendmachung des Anspruchs von einer Gegenleistung abhängig sei und diese bereits erbracht sei. Dieses Vorgehen wählte er, obwohl er wusste, dass die Gegenleistung tatsächlich nicht im Sinne von § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erbracht war. Nach Widerspruch der damaligen Gegenpartei wurde das Verfahren in das streitige Verfahren übergeleitet und die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Mahnbescheid sei keine verjährungshemmende Wirkung zugekommen.

Dieses Vorgehen stellt eine Pflichtverletzung dar, die dem Grunde nach zu einer anwaltlichen Haftung führt. Es stellt eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts dar, wenn er einen Anspruch seines Auftraggebers erst so spät geltend macht, dass der Gegner erfolgreich die Einrede der Verjährung erheben kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dafür zu sorgen, dass er vermeidbare Nachteile für den Mandanten auch tatsächlich vermeidet. Er hat, soweit mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist, und soweit mehrere Wege möglich sind, den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urteil vom 14.01.1975, Az. VI ZR 102/74).

Diesen Maßstäben wurde der Beklagte nicht gerecht. Denn der Beklagte hätte dem Zeugen ... von der Einleitung jeglicher gerichtlicher Schritte abraten müssen. So hätte er zur Verhinderung der drohenden Verjährung wenn, dann Klage erheben müssen und gerade nicht einen Mahnbescheid beantragen dürfen, welcher auf wissentlich falschen Tatsachen beruhte. Die Einreichung einer Klage war dem Beklagten - nach seinen eigenen Angaben - im Dezember 2011 jedoch nicht möglich, da die Unterlagen des Zeugen ..., die zur Erhebung einer Klage sowie zur Berechnung der Klageforderung erforderlich waren, diesem nicht vorlagen. Er hätte daher von der Einleitung jeglicher Schritte abraten müssen.

Folgende Erwägungen sind diesem Ergebnis zugrunde zu legen:

1. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandaten umfassend und möglichst erschöpfend zu prüfen und hierüber auch den Mandanten zu belehren. Dazu hat er im Rahmen des Mandats den Sachverhalt zu klären, den er seiner fachlichen Tätigkeit zugrunde zu legen hat. Pflichtgemäß handelt der Rechtsanwalt nur dann, wenn er dem Mandanten die Rechtslage offenbart, sodass dieser eine aufgeklärte Entscheidung treffen kann (Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Zivilrechtliche Anwaltshaftung, Rdnr. 201).

Dabei darf er in der Regel auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Mandanten ohne eigene Nachforschungen vertrauen, solange er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit weder kennt noch erkennen muss. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen und rechtlichen Wertungen, da solche Angaben des regelmäßig rechtsunkundigen Auftraggebers unzuverlässig sind. Insoweit muss der Anwalt die zugrunde liegenden, für die rechtliche Prüfung bedeutsamen Umstände und Vorgänge klären, indem er seinen Mandanten befragt und von diesem die einschlägigen Unterlagen erbittet. Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich dazu angehalten, den für seinen Auftraggeber sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 11.02.1999, Az. IX ZR 14/98; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Rdnr. 165).

Der Rechtsanwalt muss also auch sicherstellen, dass seinem Mandanten keine Rechtsnachteile durch eine mögliche drohende Verjährung entstehen. Er muss den Verjährungsbeginn und die Länge der Verjährungsfrist prüfen (Palandt/Grüneberg, § 280 Rdnr. 66). Er muss für eine rechtzeitige Hemmung oder einen rechtzeitigen Neubeginn der Verjährung sorgen (BGH, Urteil vom 23.06.1981, Az. VI ZR 42/80). Bei Zweifeln über das Ende der Verjährungsfrist hat der Rechtsanwalt den Grundsatz des sichersten Weges zu beachten (Palandt/Grüneberg, § 280 Rdnr. 66).

2. Im vorliegenden Fall war dem Beklagten im Zeitpunkt von Annahme und Durchführung des Mandatsverhältnisses eine Verletzung dieser Pflichten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vorzuwerfen.

Der im damaligen Verfahren geltend gemachte Schadensersatzanspruch des Zeugen ... gegen die ... sowie die ... war bereits verjährt. Mit dem vom Beklagten zuvor beantragten Mahnbescheid konnte die Verjährung nicht gehemmt werden, sodass im Zeitpunkt der Durchführung des streitigen Verfahrens der Schadensersatzanspruch bereits verjährt war. Zu Recht hat das Landgericht Coburg als erstinstanzliches Gericht des Vorprozesses den dort eingeforderten Schadensersatzanspruch als verjährt angesehen und die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Auch eine Entscheidung des Landgericht Düsseldorf wäre gleichlautend gewesen.

Im Rahmen des Regressprozesses hat das erkennende Gericht den Ausgangsprozess selbst zu überprüfen.

a) Der im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Coburg und Düsseldorf geltend gemachte Schadensersatzanspruch des Zeugen ... gegen die ... sowie die ... war verjährt. Der vom Beklagten beantragte Mahnbescheid konnte die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht hemmen, da sein Erlass jeweils auf im Antrag bewusst wahrheitswidrig angegebenen Tatsachen beruhte.

(1) Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.07.2011, Az. III ZR 90/10) entsteht der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage bereits mit deren Erwerb. Im Zuge der Schuldrechtsreform wurde auch die nach § 195 BGB a.F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB) vormals geltende 30-jährige Verjährungsfrist modifiziert. Gemäß Übergangsvorschrift nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB unter Anpassung der Verjährungsvorschriften sollte für Schadensersatzansprüche, die bis Ende 2001 noch nicht verjährt waren, das seit dem 01.01.2002 geltende Verjährungsrecht Anwendung finden. Danach unterliegen die von dem Zeugen ... im Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche den Verjährungshöchstfristen des § 199 Abs. 3 BGB. Gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Die Hemmung der Verjährung konnte durch den am 21.12.2011 beantragten Mahnbescheid nicht erfolgen. Vielmehr kam das mit dem Ausgangsverfahren erstinstanzlich befasste Landgericht Coburg zu dem Ergebnis, dass die absolute, kenntnisunabhängige Verjährung bereits noch vor Eingang der Anspruchsbegründung eingetreten war und die Klage deshalb als unbegründet abzuweisen war.

(2) Eine Hemmung der Verjährung konnte mit den durch den Beklagten beantragten Mahnbescheid nicht eintreten. Das Ausgangsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es dem Zeugen ... als damaligem Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB jedenfalls verwehrt war, sich auf eine durch die beantragten Mahnbescheide dem Grunde nach ausgelöste Hemmung der Verjährung zu berufen.

Zwar kommt es für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den Mahnantrag erlassenen und zugestellten Mahnbescheid an, sodass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der Mahnantrag an Mängeln leidet oder sogar - im Hinblick auf § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - unzulässig ist (ständige Rspr., vgl. nur BGHZ 104, 268; BGHZ 172, 42; BGH NJW 2012, 995).

Die Berufung auf die durch Zustellung eines Mahnbescheids eingetretene Verjährungshemmung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids die bewusst wahrheitswidrige Erklärung enthält, dass die Gegenleistung, von welcher der Anspruch abhänge, bereits erbracht sei (BGH NJW 2012, 995; BGH NJW 2004, 3772; OLG München, Urteil vom 04.12.2007 - 5 U 3479/07; OLG Bamberg, BKR 2014, 334).

Das Mahnverfahren findet nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist. Dementsprechend muss der Mahnantrag nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Erklärung enthalten, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet (Zöller/Vollkommer, § 688 Rdnr. 3).

Vom Anwendungsbereich der Regelung in §§ 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO werden nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die Zug um Zug zu erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sog. „großen“ Schadensersatz, bei dem Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Hierzu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist vielmehr von vornherein nur mit dieser Einschränkung begründet (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 170; BGH NJW-RR 2009, 603; zuletzt auch BGH NJW 2015, 3160). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt noch stärker als in den Fällen zu sehen, in denen sich der Schuldner erst auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen muss, um die Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen.

(3) Die demnach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des „großen“ Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar mit der Folge, dass es dem Antragssteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt ist, sich auf die Hemmung der Verjährung nach Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt auf diese Weise zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung zu Gunsten des Antragsgegners vorsieht. Insoweit hat sich der Mandant das Verhalten seines vorinstanzlich tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten - hier also des Beklagten - nach den § 166 BGB i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen, wenn letzterer bewusst wahrheitswidrig angibt, dass die Gegenleistung erbracht sei.

b) Entgegen der Erklärung im Mahnantrag war die dem Zeugen ... als Gläubiger des im Ausgangsverfahren behaupteten Schadensersatzanspruches obliegende Gegenleistung, nämlich die Rückübertragung seiner im Rahmen des streitgegenständlichen Vorgangs erlangten Beteiligungen, nicht erbracht worden.

Der Zeuge ... als Kläger des Ausgangsverfahrens verhielt sich damit rechtsmissbräuchlich, sodass es sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung auch nicht auf die von einem Mahnbescheid grundsätzlich ausgehende Hemmungswirkung berufen konnte. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des Landgerichts Coburg im erstinstanzlichen Urteil des Ausgangsverfahrens an.

Da der Zeuge ... im Ausgangsverfahren Schadensersatz in Form eines „großen“ Schadensersatzes geltend machen, der auf Rückabwicklung der gesamten Fondsbeteiligung gerichtet war, konnte die Rückabwicklung nur Zug um Zug gegen Übertragung seiner Fondsbeteiligungen auf die ... verlangt werden. Nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs stellt die Fondsbeteiligung eine „Gegenleistung“ im Sinne von §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dar (BGH, Urteil vom 05.08.2014, Az. XI ZR 172/13; OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2013, Az. 4 U 55/13; OLG München, Urteil vom 04.12.2007, Az. 5 U 347/07; Zöller/Vollkommer, § 688 Rdnr. 6). Zwischen den Parteien des Ausgangsrechtsstreits war es unstreitig, dass die Fondsbeteiligung vom Zeugen ... an die damalige Beklagte nicht übertragen wurde. Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch stand dem Versicherungsnehmer das Mahnverfahren daher nicht zur Verfügung. Wären im Rahmen des Mahnverfahrens wahrheitsgemäße Angaben in Bezug auf die Gegenleistung getroffen worden, hätte der Antrag vom Mahngericht als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 688 Abs. 2 S. 2 BGB gerade auch ein Übertragen. Ein Anerbieten reicht hierfür noch nicht aus.

3. Die Pflichtverletzung ist dem Beklagten nach § 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB auch vorzuwerfen. Das Verschulden wird insoweit vermutet.

Dem Grunde nach hat der Rechtsanwalt jeden Rechtsirrtum zu vertreten. Der Rechtsanwalt ist gehalten, die einschlägigen Gesetze zu kennen oder sich die zur Beurteilung des Falles erforderliche Rechtskenntnis zu verschaffen. Der Rechtsanwalt hat im Interesse des Mandanten den sichersten Weg zu wählen (Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Rdnr. 261).

Hierbei ist es nicht entscheidend, dass das Urteil des BGH vom 23.06.2015 zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides durch den Beklagten noch nicht existierte und dem Beklagten damit naturgemäß nicht bekannt sein konnte. Aufgrund folgender Erwägungen war für eine sorgfältigen Rechtsanwalt bereits zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides erkennbar, dass das Risiko bestand, dass die bewusste Falschangabe im Mahnbescheidsantrag zu einem Fehlen der verjährungshemmenden Wirkung und damit zu einer Verjährung der geltend zu machenden Ansprüche führen würde.

a) Der Beklagte kreuzte im Mahnbescheidsantrag die Variante an

„(...) abhängt, diese aber bereits erbracht sei“,

obwohl er Kenntnis davon hatte, dass tatsächlich die Rückübertragung der Fondsanteile weder in den Annahmeverzug begründender Weise angeboten noch tatsächlich erfolgt war. Die Pflichtwidrigkeit dieses Vorgehens ergibt sich dabei bereits aus dem allgemeinen Grundgedanken, dass sich derjenige, der sich Vorteile durch bewusst wahrheitswidrige Angaben verschafft, nicht auf diese Vorteile berufen darf. Im vorliegenden Fall hätte die bewusst wahrheitswidrige Falschangabe zur Gegenleistung - wenn die vormalige Beklagte aus welchen Gründen auch immer keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid erhoben hätte - dazu führen können, dass der vormalige Kläger einen Vollstreckungstitel erlangt, in dem die unstreitig von ihm zu erbringende Gegenleistung keine Berücksichtigung findet. Das Erschleichen eines solchen Titels aufgrund bewusst unwahrer Angaben wäre insoweit als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB einzustufen. Dieser allgemeine Grundsatz war von dem Beklagten bei der Wahl des sichersten Weges zu berücksichtigen und in die nähere Vorgehensweise einzubeziehen. Eine Aufklärung über die möglichen Konsequenzen eines auf bewusst wahrheitswidrigen Angaben beruhenden Mahnantrags erfolgte durch die Beklagten gegenüber dem Zeugen nicht. Dies wurde vom Beklagten schon nicht behauptet.

b) Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach derjenige, der durch falsche Angaben, Vorteile erlangt, sich letztlich auf diese Vorteile nicht berufen kann. Dieser Grundsatz war auch der Beklagtenseite bekannt. Bereits im Zeitpunkt der Antragsstellung bestand diesbezüglich umfangreiche Rechtsprechung, die diesen Grundsatz manifestierte (OLG München, Urteil vom 04.12.2007 - 5 U 347/07). Der Beklagte beantragte einen Mahnbescheid, in dem er ankreuzte, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge und diese bereits erbracht sei. Weder entsprach dies zum Zeitpunkt der Beantragung den vorliegenden Tatsachen noch der rechtlichen Lage.

c) Die Unrichtigkeit dieser Angabe war dem Beklagten auch bekannt.

(1) Nachdem auf den Widerspruch ins streitige Verfahren übergegangen wurde, machte der Beklagte als Prozessvertreter des Zeugen ... die Schadenersatzansprüche Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen geltend. Ihm war daher auch im Zeitpunkt des Antrags auf Mahnbescheid sowohl bewusst, dass die geltend gemachten Ansprüche nur gegen eine Gegenleistung zu erbringen waren als auch, dass diese gerade noch nicht erbracht war.

(2) Zum Anderen zeigt sich, dass der Beklagte die rechtliche Erwägung, dass die Geltendmachung der jeweiligen Ansprüche von einer Gegenleistung abhinge, traf, da er insoweit das auf dem Formular des Mahnbescheidsantrags vorgesehene Feld

„(...) abhängt, diese aber bereits erbracht ist“

ankreuzte. Alternativ hätte der Beklagte auch ein Kreuz bei dem Feld

„(...) nicht abhängt“

setzen können. Hierfür nahm der Beklagte selbst eine rechtliche Wertung vor und ging nach eigenem Handeln davon aus, dass die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches von einer Gegenleistung abhinge. Insoweit nimmt auch der Beklagte diejenige rechtliche Bewertung vor, wie sie später in den vergleichbaren Fällen von Seiten des BGH abschließend entschieden wurde (BGH, Urteil vom 05.08.2014 - XI ZR 172/13).

Wenngleich er zu dieser rechtlich zutreffenden Einschätzung kam, wusste er jedoch in tatsächlicher Hinsicht genauestens, dass die mit diesem Mahnbescheid erklärte Gegenleistung, also die Rückübertragung bzw. das Anbieten der jeweiligen Fondsanteile tatsächlich nicht erfolgt war. Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um eine fehlerhafte rechtliche Bewertung der bestehenden Rechtslage, hinsichtlich derer er möglicherweise eines unvermeidbaren Rechtsirrtums hätte unterliegen können. Es handelt sich vielmehr um bewusst falsch gemachte Angaben, da der Beklagte bei Antragstellung des Mahnbescheidantrags positiv wusste, dass die erforderliche Gegenleistung tatsächlich nicht erbracht worden war. Gleichwohl setzte der Beklagte das Kreuz in dem Kästchen, wonach die Gegenleistung bereits erbracht sei. Dies tat er in dem Bewusstsein, sich hierdurch einen Vorteil zu verschaffen und den Mahnbescheid zu erhalten. Wäre er einer rechtlich falschen Beurteilung unterlegen, so hätte der Beklagte vielmehr das Kästchen angekreuzt, wonach der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge.

Der Beklagte machte damit im Mahnbescheidantrag bewusst wahrheitswidrig falsche Angaben. Seinem Vortrag, wonach zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei, dass tatsächlich ein „großer“ Schadensersatz geltend gemacht werden musste, welcher auch einem klägerischen Begehren zugrunde zu legen gewesen wäre, folgt das Gericht aufgrund dieser Umstände daher nicht. Zwar handelt es sich bei der Einordnung, ob das jeweilige Begehren auf Schadensersatz aus einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung als großer oder kleiner Schadensersatzanspruch geltend zu machen gewesen sei, um eine Frage, die einer rechtlichen Bewertung unter Heranziehung der im Zeitpunkt der Prüfung vorgegebenen und in die Bewertung einzubeziehenden Rechtsprechung zu unterziehen ist. Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bereits zum Zeitpunkt der damaligen Mandatsverhältnisse von Seiten des Beklagten eine rechtlich richtige Bewertung dahingehend vorgenommen wurde, wonach er selbst davon ausging, einen großen Schadensersatzanspruch aus fehlerhafter Kapitalanlageberatung klageweise geltend machen zu müssen.

c) Dem von den Beklagten angebotenen Zeugenbeweis der ... sowie Rechtsanwalt ... war nicht nachzugehen. Ob es sich bei der Entscheidung des BGH vom 21.12.2011 um eine einzelfallabhängige Rechtsprechung handelt, ist letztlich keine Tatsachenfrage, sondern eine der rechtlichen Bewertung auf Seiten des erkennenden Gerichts obliegende Fragestellung.

d) Bei gewissenhafter Prüfung und zutreffenden Wertung hätte der Beklagte zu dem Ergebnis kommen müssen und auch kommen können, dass das Betreiben des Ausgangsverfahrens durch Beantragung eines Mahnbescheides mit bewusst falschen Angaben jedenfalls nicht den sichersten Weg darstellt.

Eine Klage in nichtverjährter Zeit einzureichen, wäre dem Beklagten nach seinen eigenen Angaben nicht möglich gewesen. Denn dieser hat selbst vorgetragen, dass er den Zeugen ... immer wieder aufgeforderte, die erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Dies erfolgte jedoch nicht.

Der Beklagte hätte dem Zeugen ... daher von der Einleitung jeglicher rechtlicher Schritte abraten müssen.

4. Die den Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung war auch kausal für den Schaden in der eingeklagten Höhe. Durch die Pflichtverletzung sind der Klägerin Schäden in Form unnütz aufgewandter Rechtsanwalts- und Gerichtskosten entstanden.

Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ist von Beklagtenseite nicht widerlegt worden. So kann der Beklagte nicht damit durchdringen, dass der Zeuge ... nach umfassender Belehrung und Aufklärung explizit ein Mahnverfahren wünschte. Denn der Beklagte hätte dem Zeugen weder das Mahn- noch das Klageverfahren anraten dürfen. Vielmehr hätte er von der Einleitung jeglicher gerichtlicher Schritte abraten müssen, was - nach dem eigenen Vortrag des Beklagten - nicht erfolgte.

Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Belehrung durch den rechtlichen Berater verhalten hätte, ist unter den Gesichtspunkt der haftungsausfüllenden Kausalität zu fassen, die klägerseits nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen ist (BGHZ 129, 386; BGH, NJW-RR 2006, 1645). Auf einen Beweis des ersten Anscheins kann sich der Anspruchssteller hingegen nicht berufen (BGH, NJW 1987, 1694).

Zugunsten des Mandanten wird schließlich grundsätzlich vermutet, dass dieser bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt wäre, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig denkenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung beratungsgerechten Verhaltens kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten. Außerdem besteht die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens auch dann nicht, wenn der Mandant einen zutreffenden Vorschlag des Rechtsanwalts ablehnt (BGH, NJW 2007, 2485; BGHZ 123, 311). Die Beweiserleichterung setzt also einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist und damit auf Umständen beruht, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Es sind die Handlungsalternativen zu überprüfen. Die jeweils hieraus ergebenden Rechtsfolgen sind zu ermitteln und anschließend mit den Handlungszielen des jeweiligen Mandanten zu vergleichen (BGH, NJW 2009, 1591; BGH, NJW-RR 2006, 1645).

Eine ausreichende, an den oben aufgestellten Maßstäben und insbesondere den im konkreten Fall vorliegenden Risiken orientierte Aufklärung des Zeugen durch den Beklagten über die Auswirkungen von Mahnantrag bzw. Klageverfahren erfolgte zur Überzeugung des Gerichts nicht.

Der Beklagte hat den Zeugen ... nicht auf den sichersten Weg hingewiesen. Der Beklagte hätte dem Zeugen von jeglichem gerichtlichen Vorgehen abraten müssen. Dies tat der Beklagte nicht. Nach seinen eigenen Angaben hat der Beklagte den Zeugen ... dahingehend beraten, dass „der sicherste Weg der Klageerhebung wegen der defizitären Informationspolitik des Zeugen ... nicht mehr gangbar sei und allenfalls über ein Güte- oder Mahnverfahren versucht werden könne, Ansprüche vor der Verjährung zu bewahren.“ Der Beklagte zeigte die Einleitung des Mahnverfahrens mithin als gangbaren Weg auf. Auch im Schreiben an die Klägerin vom 08.12.2011 (Anlage K 11) kommt dies zum Ausdruck. Nach obigen Ausführungen stellt dies jedoch nicht den sichersten Weg dar. Der Beklagte hätte von jeglichen Schritten gänzlich abraten müssen. Da bereits nach den eigenen schriftsätzlichen Ausführungen des Beklagten sowie den eingereichten Anlagen für das Gericht zur Überzeugung feststeht, dass der Beklagte den Zeugen nicht auf den sichersten Weg hingewiesen hat, sondern ihm vielmehr das Mahnverfahren als gangbaren Weg darstellte, ist in eine weitere Beweisaufnahme nicht einzutreten. Der Beklage ist daher nicht - wie von der Beklagtenpartei im Termin vom 25.01.2018 beantragt - als Partei zu vernehmen.

Auf die Frage, ob das Ausgangsverfahren gegen ... sowie die ... als solches ohnehin nicht erfolgreich gewesen wäre, kommt es daher vorliegend nicht an. Denn - wie dargelegt - hätte der Beklagte den Zeugen von jeglichem gerichtlichen Verfahren abraten müssen.

5. Der Beklagte kann der Klägerin jedoch gemäß § 254 BGB den Einwand des Mitverschuldens entgegengehalten, soweit die Klagepartei die Gerichts- und Anwaltskosten für die Durchführung der Berufung vor dem OLG Bamberg beansprucht.

Hier war die Rechtsschutzversicherung bereits durch Vorlage der erstinstanzlichen Urteile des LG Coburg vom (Anlage K 1) über die rechtliche Einordnung hinsichtlich der Verjährungsproblematik informiert gewesen. Sie verfügte bereits über die entscheidenden Informationen, die erforderlich waren, um über die Voraussetzungen eines Deckungsschutzes auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu entscheiden.

Aus den Versicherungsbedingungen nach § 3 a ARB (Anlage K 10) ergibt sich, dass der Versicherer durchaus berechtigt ist, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, deren Finanzierung ihm angetragen worden ist, zu überprüfen. Nach § 3 lit. a der ARB kann der Versicherer schließlich Deckungsschutz verweigern, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen durch den Versicherungsnehmer keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies zu beurteilen setzt allerdings denknotwendigerweise eine rechtliche Prüfung voraus. Es wird deshalb für die Kosten zweiter Instanz der Entscheidung des OLG Celle mit Urteil vom 05.07.2010 (Az.: 3 U 83/10) gefolgt, wonach zu Gunsten des Beklagten für die zweite Instanz durch die Erteilung des Deckungsschutzes trotz der durch das Erstgericht festgestellten eingetretenen Verjährung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Die Beklagten durften deshalb in der zweiten Instanz berechtigterweise davon ausgehen, dass die entstehenden Kosten von der Rechtsschutzversicherung nach ihrer Deckungszusage übernommen werden.

Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, dass die Klägerin lediglich für die erstinstanzlich entstandenen Kosten einen Regressanspruch gegen die Beklagten durchsetzen kann. Sie kann mithin die Gerichts- sowie Rechtsanwaltskosten für das Mahnverfahren, die erste Instanz vor dem Landgericht Coburg (1.968 € (Gerichtsgebühr) + 5.621,14 € (RA-Gebühr) + 3.524,09 € (RA-Gebühr = 11.113,23 €) und Düsseldorf (3.146,35 €) verlangen.

III.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Form einer Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 in Höhe von 1.029,35 € nach §§ 280 Abs. 1 BGB zu. Die Klägerin durfte sich zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Beklagten auch eines Rechtsanwaltes bedienen. Allein der Umstand, dass sie selbst als Rechtsschutzversicherer mit rechtlichen Fragestellungen beschäftigt ist, hindert dies nicht, da es vorliegend um die Problematik einer anwaltliche Pflichtverletzung ging. Dass die Ansprüche zuvor bereits von ihr gegenüber dem Beklagten geltend gemacht wurden, ist ebenfalls kein Hindernis für eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes, wenn - wie hier - der Schuldner der Zahlungsaufforderung nicht nachkommt.

IV.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Schadensersatzforderung sowie der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten (unter anderem) mit Schreiben vom 12.10.2016 (Anlage K 7) zur Zahlung bis spätestens 21.10.2016 aufgefordert. Hiernach traten die Verzugswirkungen (spätestens) am 21.10.2016 ein, so dass die ab diesem Zeitpunkt beantragten Verzugszinsen zu gewähren sind.

C.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

 Verkündet am 06.03.2018

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.259,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 30 % und der Beklagte 70 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 20.391,56 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Schlechtleistung geltend.

Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer des Zeugen ... der sich u.a. an den Anlagefonds „Medico Fonds Nr. 31“ beteiligte.

Im Jahr 2011 beauftragten der Zeuge ... den Beklagten mit der Wahrnehmung seiner Interessen, nämlich zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die ... sowie die ... denn er sei bei Beteiligung an den Kapitalanlagefonds nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Dem Zeugen ... seien im Prospekt nicht in der gebotenen Weise alle erheblichen Umstände, die für die Anlageentscheidung maßgebend waren, umfassend, zutreffend und verständlich dargelegt worden. Er sei diesbezüglich nicht informiert und aufgeklärt worden.

Am 24.08.2009 stellte der Beklagte Kostendeckungsanfrage bei der Klägerin zur Durchsetzung der Ansprüche gegen die ... (Vgl. Anlage B 2). Mit Schreiben vom 09.12.2011 bat der Beklagte Deckungsschutz für ein Mahn- oder Schiedsgerichtsverfahren gegen die ... (vgl. Anlage K 11).

Der Beklagte beantragte sodann am 21.12.2011 beim Amtsgericht Coburg einen Mahnbescheid gegen die ... sowie gegen die ... unter anderem mit folgender Erklärung:

„Der Antragsteller hat erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei.“

Nachdem Widerspruch gegen die Mahnbescheide eingelegt wurde, wurde das Verfahren gegen die ... an das Landgericht Coburg abgegeben und unter dem Aktenzeichen 22 O 407/12 dort geführt. Das Verfahren gegen die ... wurde an das Landgericht Düsseldorf abgegeben und dort unter dem Aktenzeichen 10 O 395/13 geführt. Mit Urteil vom 09.07.2013 wies das Landgericht Coburg die Klage gegen die ... ab (vgl. Anlage K 1). Das Gericht führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, weil der Anspruch verjährt und daher jedenfalls nicht mehr durchsetzbar sei. Der Mahnbescheidsantrag vom 21.12.2011 könne wegen bewusst wahrheitswidriger Angaben die Verjährung nicht hemmen.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte für den Zeugen ... Berufung zum OLG Bamberg ein. Durch Beschluss des OLG Bamberg vom 26.03.2014 erklärte das Gericht, dass der Zeuge ... seines Rechtsmittels der Berufung verlustig sei.

Die Klage gegen die ... vor dem Landgericht Düsseldorf nahm der Beklagte zurück. In diesem Verfahren war die Einrede der Verjährung auch bereits erhoben.

Die Klägerin trug die Kosten der Mahnverfahren, der Verfahren vor dem Landgericht Coburg und Düsseldorf sowie dem OLG Bamberg. Vor dem Landgericht Coburg und dem OLG Bamberg entstanden Gerichtsgebühren in Höhe von 1.968,00 € und 1.332,00 € und Bruttogebühren des Beklagten in Höhe von 5.621,14 und 2.399,99 €. Ferner zahlte die Klägerin Rechtsanwaltskosten der Gegenpartei in Höhe von 5.924,08 €. Sie trug außerdem die Gerichtskosten für die 1. Instanz vor dem Landgericht Düsseldorf in Höhe von 805,51 € sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 786 € und 1.554,84 €. Insgesamt leistete die Klägerin Zahlungen in Höhe von 17.245,21 €.

Mit außergerichtlichen Schreiben vom 07.09.2016 und 01.09.2016 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung der genannten Beträge auf (vgl. Anlage K 2 und 5). Auf Mahnung der Klägerin vom 29.09.2016 wurde seitens des Beklagten jegliche Zahlung zurückgewiesen (vgl. Anlage K 3 und K 6). Auch nach nochmaligen Schreiben der Klägerin vom 12.10.2016 unter Fristsetzung zum 20.10.2016 erfolgte seitens der Beklagtenpartei keine Zahlung. Nachdem die Klägerin den Beklagten erneut unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe mit Schreiben vom 09.12.2016 zur Zahlung aufforderte, lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2016 jegliche Leistung endgültig und ernsthaft ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe das Verfahren für den Zeugen ... beim Landgericht Coburg und Düsseldorf sowie dem OLG Bamberg fehlerhaft geführt, weil er einen verjährten Anspruch eingeklagt habe. Die verjährungshemmenden Maßnahmen des Beklagten seien fehlerhaft gewesen. Der Mahnbescheidsantrag sei aufgrund der Falschangabe von Leistung und. Gegenleistung rechtsmißbräuchlich und deshalb unzulässig gewesen. Eine Hemmungswirkung habe der Antrag daher nicht entfalten können. Dies habe dem Beklagten klar sein müssen. Er hätte keine Klage erheben dürfen. Das Mahnverfahren sei wegen § 688 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig gewesen.

Der Beklagte habe nicht den sichersten Weg für die Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten gewählt, wozu er nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des BGH verpflichtet gewesen sei. Statt eines Mahnbescheidsantrags zu stellen, hätte der Beklagten richterweise eine Klage formulieren müssen. Hätte der Beklagte den Zeugen ... auf die Unzulässigkeit des Mahnbescheidsantrags hingewiesen, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese beratungsgemäß verhalten hätten und der Mahnbescheidsantrag nicht beantragt worden wäre.

Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Rechtsauffassung, dass die gegenständlichen Ansprüche nicht verjährt seien. Die ARB eines Versicherers würden das Versicherungsverhältnis regeln und nicht den Regress eines Versicherers aus übergegangenem Recht.

Die Klägerin beantragt:

  • 1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 20.319,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

  • 2.Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von € 1.171,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Beklagtenseits wird

Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er ist der Auffassung, dass nach § 14 ARB der Anspruch als Anspruch aus dem Versicherungsvertrag innerhalb von zwei Jahren verjährt sei. Jedenfalls sei der Klägerin der Anspruch aus Verwirkungsgrundsätzen des § 242 BGB zu versagen, nachdem insoweit der Gedanke des § 14 ARB herangezogen werden müsse.

Der Beklagte trägt vor, er habe am 21.12.2011 den streitgegenständlichen Mahnbescheid im guten Glauben beantragt und keine Übervorteilung der ... und ... beabsichtigt. Er habe keine bewusste Täuschungshandlung vorgenommen und habe die ... und ... nicht durch eine bewusste Täuschung des Mahngerichts übervorteilen wollen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass ihm der Vorwurf einer schadensursächlichen Pflichtverletzung nicht gemacht werden könne. Bei Beantragung des streitgegenständlichen Mahnbescheides sei das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015 überhaupt noch nicht existent gewesen. Es sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht absehbar gewesen, dass in der dort vertretenen Weise Mahnbescheide in ihrer verjährungshemmenden Wirkung abgesprochen werde. Die Rechtsprechung des BGH vom 21.12.2011 verhalte sich nur zu dem Kauf von Möbeln und sei als einzelfallabhängig anzusehen. Es handele sich dabei gerade nicht um eine verallgemeinerungsfähige Entscheidung. Erst mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015 sowie 16.07.2015 sei auch für die hier streitgegenständlichen Fälle über die Frage der verjährungshemmenden Wirkung eines Mahnbescheides bei Verfolgung eines großen Schadensersatzes abschließend entschieden worden. Eine solche Entwicklung habe von dem Beklagten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Mahnbescheide nicht antizipiert werden müssen.

Der Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens könne nicht in Anspruch genommen werden. Vielmehr treffe die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich haftungsausfüllender Kausalität sowie Schaden. Die Klägerin habe eine Deckungszusage für das gerichtliche Tätigwerden des Beklagten erteilt. Im Übrigen habe der Zeuge ... trotz des von Seiten des Beklagten erteilten Hinweises zu Risiken an einer prozessualen Verfolgung seiner Ansprüche festgehalten. Der Anscheinsbeweis des beratungsgerechten Verhaltens könne auch deswegen nicht greifen, weil sich bei einer bestehenden Rechtsschutzversicherung und einer Deckungszusage kein Erfahrungssatz konstruieren lassen, wonach ein Mandant bei entsprechenden Risikohinweisen ebenfalls von einer kostenträchtigen Weiterung absehe. Gerade bei rechtsschutzversicherten Mandanten sei häufig eine überdurchschnittliche Wagnisbereitschaft zu konstatieren. Daher komme in Fällen der vorliegenden Art die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens nicht zur Anwendung.

Im Übrigen hätte die Klage auch unabhängig von der Verjährungseinrede keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Schadensersatzpositionen könne auch der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegengehalten werden.

Die Kosten für den von der Klägerin eingeschalteten vorgerichtlich tätigen Rechtsanwalt seien nicht erstattungsfähig, weil die Einschaltung des Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen sei, da die Klägerin schon durch ihre Hausjuristen die angeblichen Schadensersatzansprüche beim Beklagten anmelden ließ.

Zur Ergänzung des Vortrags der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Auf die Einvernahme des Zeugen ... ist von beiden Seiten verzichtet worden, nachdem sich der Zeuge schriftlich erklärt hatte (vgl. Bl. 119 der Akte).

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

A.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Würzburg gem. §§ 73, 25 GVG i.V.m. §§ 2 ff. ZPO sachlich sowie gem. §§ 12, 13, 29 ZPO örtlich zuständig.

B.

Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht im Sinne von § 214 Abs. 1 BGB verjährt.

Die Einrede der Verjährung wurde zwar beklagtenseits im Prozess erhoben. Die Verjährung lässt sich allerdings nicht auf die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 14 der ARB stützen. Im vorliegenden Fall wird ein Schadensersatzanspruch aus anwaltlicher Schlechtleistung geltend gemacht. Insoweit handelt es sich nicht um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag selbst. Nur für diesen gilt die zweijährige Verjährungsfrist des § 14 der ARB.

Vielmehr greift insoweit die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Diese begann mit Schluss des Jahres 2014, da die Klägerin am 27.06.2014 von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis im Sinnes des § 199 BGB erlangte. Am 27.07.2014 wurde ihr der Beschluss des OLG Bamberg zugefaxt. Die Klageeinreichung bei Gericht am 16.12.2016 konnte daher noch rechtzeitig verjährungshemmend nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgen.

Auch aus § 242 BGB ergibt sich hier nichts anderes. Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, aus § 14 Abs. 1 S. 2 ARB 2000 ließe sich der Rechtsgedanke entnehmen, dass nach zwei Jahren aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine Auseinandersetzung um etwaige aus dem Versicherungsvertrag erwachsende Rechte ausgeschlossen sein solle, so ist erneut darauf zu verweisen, dass es vorliegend nicht um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sondern um solche aus dem Mandatsverhältnis geht.

II.

Der Beklagte hat gegen die im Rahmen des Mandatsverhältnisses mit dem Zeugen ... bestehenden anwaltlichen Sorgfaltspflichten verstoßen.

Der Beklagte reichte einen Antrage auf Erlass eines Mahnbescheids ein und gab hierbei an, dass die Geltendmachung des Anspruchs von einer Gegenleistung abhängig sei und diese bereits erbracht sei. Dieses Vorgehen wählte er, obwohl er wusste, dass die Gegenleistung tatsächlich nicht im Sinne von § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erbracht war. Nach Widerspruch der damaligen Gegenpartei wurde das Verfahren in das streitige Verfahren übergeleitet und die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Mahnbescheid sei keine verjährungshemmende Wirkung zugekommen.

Dieses Vorgehen stellt eine Pflichtverletzung dar, die dem Grunde nach zu einer anwaltlichen Haftung führt. Es stellt eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts dar, wenn er einen Anspruch seines Auftraggebers erst so spät geltend macht, dass der Gegner erfolgreich die Einrede der Verjährung erheben kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dafür zu sorgen, dass er vermeidbare Nachteile für den Mandanten auch tatsächlich vermeidet. Er hat, soweit mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist, und soweit mehrere Wege möglich sind, den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urteil vom 14.01.1975, Az. VI ZR 102/74).

Diesen Maßstäben wurde der Beklagte nicht gerecht. Denn der Beklagte hätte dem Zeugen ... von der Einleitung jeglicher gerichtlicher Schritte abraten müssen. So hätte er zur Verhinderung der drohenden Verjährung wenn, dann Klage erheben müssen und gerade nicht einen Mahnbescheid beantragen dürfen, welcher auf wissentlich falschen Tatsachen beruhte. Die Einreichung einer Klage war dem Beklagten - nach seinen eigenen Angaben - im Dezember 2011 jedoch nicht möglich, da die Unterlagen des Zeugen ..., die zur Erhebung einer Klage sowie zur Berechnung der Klageforderung erforderlich waren, diesem nicht vorlagen. Er hätte daher von der Einleitung jeglicher Schritte abraten müssen.

Folgende Erwägungen sind diesem Ergebnis zugrunde zu legen:

1. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandaten umfassend und möglichst erschöpfend zu prüfen und hierüber auch den Mandanten zu belehren. Dazu hat er im Rahmen des Mandats den Sachverhalt zu klären, den er seiner fachlichen Tätigkeit zugrunde zu legen hat. Pflichtgemäß handelt der Rechtsanwalt nur dann, wenn er dem Mandanten die Rechtslage offenbart, sodass dieser eine aufgeklärte Entscheidung treffen kann (Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Zivilrechtliche Anwaltshaftung, Rdnr. 201).

Dabei darf er in der Regel auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Mandanten ohne eigene Nachforschungen vertrauen, solange er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit weder kennt noch erkennen muss. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen und rechtlichen Wertungen, da solche Angaben des regelmäßig rechtsunkundigen Auftraggebers unzuverlässig sind. Insoweit muss der Anwalt die zugrunde liegenden, für die rechtliche Prüfung bedeutsamen Umstände und Vorgänge klären, indem er seinen Mandanten befragt und von diesem die einschlägigen Unterlagen erbittet. Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich dazu angehalten, den für seinen Auftraggeber sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 11.02.1999, Az. IX ZR 14/98; Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Rdnr. 165).

Der Rechtsanwalt muss also auch sicherstellen, dass seinem Mandanten keine Rechtsnachteile durch eine mögliche drohende Verjährung entstehen. Er muss den Verjährungsbeginn und die Länge der Verjährungsfrist prüfen (Palandt/Grüneberg, § 280 Rdnr. 66). Er muss für eine rechtzeitige Hemmung oder einen rechtzeitigen Neubeginn der Verjährung sorgen (BGH, Urteil vom 23.06.1981, Az. VI ZR 42/80). Bei Zweifeln über das Ende der Verjährungsfrist hat der Rechtsanwalt den Grundsatz des sichersten Weges zu beachten (Palandt/Grüneberg, § 280 Rdnr. 66).

2. Im vorliegenden Fall war dem Beklagten im Zeitpunkt von Annahme und Durchführung des Mandatsverhältnisses eine Verletzung dieser Pflichten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vorzuwerfen.

Der im damaligen Verfahren geltend gemachte Schadensersatzanspruch des Zeugen ... gegen die ... sowie die ... war bereits verjährt. Mit dem vom Beklagten zuvor beantragten Mahnbescheid konnte die Verjährung nicht gehemmt werden, sodass im Zeitpunkt der Durchführung des streitigen Verfahrens der Schadensersatzanspruch bereits verjährt war. Zu Recht hat das Landgericht Coburg als erstinstanzliches Gericht des Vorprozesses den dort eingeforderten Schadensersatzanspruch als verjährt angesehen und die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Auch eine Entscheidung des Landgericht Düsseldorf wäre gleichlautend gewesen.

Im Rahmen des Regressprozesses hat das erkennende Gericht den Ausgangsprozess selbst zu überprüfen.

a) Der im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Coburg und Düsseldorf geltend gemachte Schadensersatzanspruch des Zeugen ... gegen die ... sowie die ... war verjährt. Der vom Beklagten beantragte Mahnbescheid konnte die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht hemmen, da sein Erlass jeweils auf im Antrag bewusst wahrheitswidrig angegebenen Tatsachen beruhte.

(1) Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.07.2011, Az. III ZR 90/10) entsteht der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage bereits mit deren Erwerb. Im Zuge der Schuldrechtsreform wurde auch die nach § 195 BGB a.F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB) vormals geltende 30-jährige Verjährungsfrist modifiziert. Gemäß Übergangsvorschrift nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB unter Anpassung der Verjährungsvorschriften sollte für Schadensersatzansprüche, die bis Ende 2001 noch nicht verjährt waren, das seit dem 01.01.2002 geltende Verjährungsrecht Anwendung finden. Danach unterliegen die von dem Zeugen ... im Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche den Verjährungshöchstfristen des § 199 Abs. 3 BGB. Gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Die Hemmung der Verjährung konnte durch den am 21.12.2011 beantragten Mahnbescheid nicht erfolgen. Vielmehr kam das mit dem Ausgangsverfahren erstinstanzlich befasste Landgericht Coburg zu dem Ergebnis, dass die absolute, kenntnisunabhängige Verjährung bereits noch vor Eingang der Anspruchsbegründung eingetreten war und die Klage deshalb als unbegründet abzuweisen war.

(2) Eine Hemmung der Verjährung konnte mit den durch den Beklagten beantragten Mahnbescheid nicht eintreten. Das Ausgangsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es dem Zeugen ... als damaligem Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB jedenfalls verwehrt war, sich auf eine durch die beantragten Mahnbescheide dem Grunde nach ausgelöste Hemmung der Verjährung zu berufen.

Zwar kommt es für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den Mahnantrag erlassenen und zugestellten Mahnbescheid an, sodass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der Mahnantrag an Mängeln leidet oder sogar - im Hinblick auf § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - unzulässig ist (ständige Rspr., vgl. nur BGHZ 104, 268; BGHZ 172, 42; BGH NJW 2012, 995).

Die Berufung auf die durch Zustellung eines Mahnbescheids eingetretene Verjährungshemmung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids die bewusst wahrheitswidrige Erklärung enthält, dass die Gegenleistung, von welcher der Anspruch abhänge, bereits erbracht sei (BGH NJW 2012, 995; BGH NJW 2004, 3772; OLG München, Urteil vom 04.12.2007 - 5 U 3479/07; OLG Bamberg, BKR 2014, 334).

Das Mahnverfahren findet nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist. Dementsprechend muss der Mahnantrag nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Erklärung enthalten, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet (Zöller/Vollkommer, § 688 Rdnr. 3).

Vom Anwendungsbereich der Regelung in §§ 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO werden nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die Zug um Zug zu erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sog. „großen“ Schadensersatz, bei dem Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Hierzu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist vielmehr von vornherein nur mit dieser Einschränkung begründet (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 170; BGH NJW-RR 2009, 603; zuletzt auch BGH NJW 2015, 3160). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt noch stärker als in den Fällen zu sehen, in denen sich der Schuldner erst auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen muss, um die Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen.

(3) Die demnach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des „großen“ Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar mit der Folge, dass es dem Antragssteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt ist, sich auf die Hemmung der Verjährung nach Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt auf diese Weise zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung zu Gunsten des Antragsgegners vorsieht. Insoweit hat sich der Mandant das Verhalten seines vorinstanzlich tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten - hier also des Beklagten - nach den § 166 BGB i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen, wenn letzterer bewusst wahrheitswidrig angibt, dass die Gegenleistung erbracht sei.

b) Entgegen der Erklärung im Mahnantrag war die dem Zeugen ... als Gläubiger des im Ausgangsverfahren behaupteten Schadensersatzanspruches obliegende Gegenleistung, nämlich die Rückübertragung seiner im Rahmen des streitgegenständlichen Vorgangs erlangten Beteiligungen, nicht erbracht worden.

Der Zeuge ... als Kläger des Ausgangsverfahrens verhielt sich damit rechtsmissbräuchlich, sodass es sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung auch nicht auf die von einem Mahnbescheid grundsätzlich ausgehende Hemmungswirkung berufen konnte. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des Landgerichts Coburg im erstinstanzlichen Urteil des Ausgangsverfahrens an.

Da der Zeuge ... im Ausgangsverfahren Schadensersatz in Form eines „großen“ Schadensersatzes geltend machen, der auf Rückabwicklung der gesamten Fondsbeteiligung gerichtet war, konnte die Rückabwicklung nur Zug um Zug gegen Übertragung seiner Fondsbeteiligungen auf die ... verlangt werden. Nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs stellt die Fondsbeteiligung eine „Gegenleistung“ im Sinne von §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dar (BGH, Urteil vom 05.08.2014, Az. XI ZR 172/13; OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2013, Az. 4 U 55/13; OLG München, Urteil vom 04.12.2007, Az. 5 U 347/07; Zöller/Vollkommer, § 688 Rdnr. 6). Zwischen den Parteien des Ausgangsrechtsstreits war es unstreitig, dass die Fondsbeteiligung vom Zeugen ... an die damalige Beklagte nicht übertragen wurde. Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch stand dem Versicherungsnehmer das Mahnverfahren daher nicht zur Verfügung. Wären im Rahmen des Mahnverfahrens wahrheitsgemäße Angaben in Bezug auf die Gegenleistung getroffen worden, hätte der Antrag vom Mahngericht als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 688 Abs. 2 S. 2 BGB gerade auch ein Übertragen. Ein Anerbieten reicht hierfür noch nicht aus.

3. Die Pflichtverletzung ist dem Beklagten nach § 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB auch vorzuwerfen. Das Verschulden wird insoweit vermutet.

Dem Grunde nach hat der Rechtsanwalt jeden Rechtsirrtum zu vertreten. Der Rechtsanwalt ist gehalten, die einschlägigen Gesetze zu kennen oder sich die zur Beurteilung des Falles erforderliche Rechtskenntnis zu verschaffen. Der Rechtsanwalt hat im Interesse des Mandanten den sichersten Weg zu wählen (Gaier/Wolf/Göcken/Schultz, Anwaltliches Berufsrecht, Rdnr. 261).

Hierbei ist es nicht entscheidend, dass das Urteil des BGH vom 23.06.2015 zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides durch den Beklagten noch nicht existierte und dem Beklagten damit naturgemäß nicht bekannt sein konnte. Aufgrund folgender Erwägungen war für eine sorgfältigen Rechtsanwalt bereits zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides erkennbar, dass das Risiko bestand, dass die bewusste Falschangabe im Mahnbescheidsantrag zu einem Fehlen der verjährungshemmenden Wirkung und damit zu einer Verjährung der geltend zu machenden Ansprüche führen würde.

a) Der Beklagte kreuzte im Mahnbescheidsantrag die Variante an

„(...) abhängt, diese aber bereits erbracht sei“,

obwohl er Kenntnis davon hatte, dass tatsächlich die Rückübertragung der Fondsanteile weder in den Annahmeverzug begründender Weise angeboten noch tatsächlich erfolgt war. Die Pflichtwidrigkeit dieses Vorgehens ergibt sich dabei bereits aus dem allgemeinen Grundgedanken, dass sich derjenige, der sich Vorteile durch bewusst wahrheitswidrige Angaben verschafft, nicht auf diese Vorteile berufen darf. Im vorliegenden Fall hätte die bewusst wahrheitswidrige Falschangabe zur Gegenleistung - wenn die vormalige Beklagte aus welchen Gründen auch immer keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid erhoben hätte - dazu führen können, dass der vormalige Kläger einen Vollstreckungstitel erlangt, in dem die unstreitig von ihm zu erbringende Gegenleistung keine Berücksichtigung findet. Das Erschleichen eines solchen Titels aufgrund bewusst unwahrer Angaben wäre insoweit als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB einzustufen. Dieser allgemeine Grundsatz war von dem Beklagten bei der Wahl des sichersten Weges zu berücksichtigen und in die nähere Vorgehensweise einzubeziehen. Eine Aufklärung über die möglichen Konsequenzen eines auf bewusst wahrheitswidrigen Angaben beruhenden Mahnantrags erfolgte durch die Beklagten gegenüber dem Zeugen nicht. Dies wurde vom Beklagten schon nicht behauptet.

b) Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach derjenige, der durch falsche Angaben, Vorteile erlangt, sich letztlich auf diese Vorteile nicht berufen kann. Dieser Grundsatz war auch der Beklagtenseite bekannt. Bereits im Zeitpunkt der Antragsstellung bestand diesbezüglich umfangreiche Rechtsprechung, die diesen Grundsatz manifestierte (OLG München, Urteil vom 04.12.2007 - 5 U 347/07). Der Beklagte beantragte einen Mahnbescheid, in dem er ankreuzte, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge und diese bereits erbracht sei. Weder entsprach dies zum Zeitpunkt der Beantragung den vorliegenden Tatsachen noch der rechtlichen Lage.

c) Die Unrichtigkeit dieser Angabe war dem Beklagten auch bekannt.

(1) Nachdem auf den Widerspruch ins streitige Verfahren übergegangen wurde, machte der Beklagte als Prozessvertreter des Zeugen ... die Schadenersatzansprüche Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen geltend. Ihm war daher auch im Zeitpunkt des Antrags auf Mahnbescheid sowohl bewusst, dass die geltend gemachten Ansprüche nur gegen eine Gegenleistung zu erbringen waren als auch, dass diese gerade noch nicht erbracht war.

(2) Zum Anderen zeigt sich, dass der Beklagte die rechtliche Erwägung, dass die Geltendmachung der jeweiligen Ansprüche von einer Gegenleistung abhinge, traf, da er insoweit das auf dem Formular des Mahnbescheidsantrags vorgesehene Feld

„(...) abhängt, diese aber bereits erbracht ist“

ankreuzte. Alternativ hätte der Beklagte auch ein Kreuz bei dem Feld

„(...) nicht abhängt“

setzen können. Hierfür nahm der Beklagte selbst eine rechtliche Wertung vor und ging nach eigenem Handeln davon aus, dass die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches von einer Gegenleistung abhinge. Insoweit nimmt auch der Beklagte diejenige rechtliche Bewertung vor, wie sie später in den vergleichbaren Fällen von Seiten des BGH abschließend entschieden wurde (BGH, Urteil vom 05.08.2014 - XI ZR 172/13).

Wenngleich er zu dieser rechtlich zutreffenden Einschätzung kam, wusste er jedoch in tatsächlicher Hinsicht genauestens, dass die mit diesem Mahnbescheid erklärte Gegenleistung, also die Rückübertragung bzw. das Anbieten der jeweiligen Fondsanteile tatsächlich nicht erfolgt war. Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um eine fehlerhafte rechtliche Bewertung der bestehenden Rechtslage, hinsichtlich derer er möglicherweise eines unvermeidbaren Rechtsirrtums hätte unterliegen können. Es handelt sich vielmehr um bewusst falsch gemachte Angaben, da der Beklagte bei Antragstellung des Mahnbescheidantrags positiv wusste, dass die erforderliche Gegenleistung tatsächlich nicht erbracht worden war. Gleichwohl setzte der Beklagte das Kreuz in dem Kästchen, wonach die Gegenleistung bereits erbracht sei. Dies tat er in dem Bewusstsein, sich hierdurch einen Vorteil zu verschaffen und den Mahnbescheid zu erhalten. Wäre er einer rechtlich falschen Beurteilung unterlegen, so hätte der Beklagte vielmehr das Kästchen angekreuzt, wonach der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge.

Der Beklagte machte damit im Mahnbescheidantrag bewusst wahrheitswidrig falsche Angaben. Seinem Vortrag, wonach zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei, dass tatsächlich ein „großer“ Schadensersatz geltend gemacht werden musste, welcher auch einem klägerischen Begehren zugrunde zu legen gewesen wäre, folgt das Gericht aufgrund dieser Umstände daher nicht. Zwar handelt es sich bei der Einordnung, ob das jeweilige Begehren auf Schadensersatz aus einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung als großer oder kleiner Schadensersatzanspruch geltend zu machen gewesen sei, um eine Frage, die einer rechtlichen Bewertung unter Heranziehung der im Zeitpunkt der Prüfung vorgegebenen und in die Bewertung einzubeziehenden Rechtsprechung zu unterziehen ist. Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bereits zum Zeitpunkt der damaligen Mandatsverhältnisse von Seiten des Beklagten eine rechtlich richtige Bewertung dahingehend vorgenommen wurde, wonach er selbst davon ausging, einen großen Schadensersatzanspruch aus fehlerhafter Kapitalanlageberatung klageweise geltend machen zu müssen.

c) Dem von den Beklagten angebotenen Zeugenbeweis der ... sowie Rechtsanwalt ... war nicht nachzugehen. Ob es sich bei der Entscheidung des BGH vom 21.12.2011 um eine einzelfallabhängige Rechtsprechung handelt, ist letztlich keine Tatsachenfrage, sondern eine der rechtlichen Bewertung auf Seiten des erkennenden Gerichts obliegende Fragestellung.

d) Bei gewissenhafter Prüfung und zutreffenden Wertung hätte der Beklagte zu dem Ergebnis kommen müssen und auch kommen können, dass das Betreiben des Ausgangsverfahrens durch Beantragung eines Mahnbescheides mit bewusst falschen Angaben jedenfalls nicht den sichersten Weg darstellt.

Eine Klage in nichtverjährter Zeit einzureichen, wäre dem Beklagten nach seinen eigenen Angaben nicht möglich gewesen. Denn dieser hat selbst vorgetragen, dass er den Zeugen ... immer wieder aufgeforderte, die erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Dies erfolgte jedoch nicht.

Der Beklagte hätte dem Zeugen ... daher von der Einleitung jeglicher rechtlicher Schritte abraten müssen.

4. Die den Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung war auch kausal für den Schaden in der eingeklagten Höhe. Durch die Pflichtverletzung sind der Klägerin Schäden in Form unnütz aufgewandter Rechtsanwalts- und Gerichtskosten entstanden.

Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ist von Beklagtenseite nicht widerlegt worden. So kann der Beklagte nicht damit durchdringen, dass der Zeuge ... nach umfassender Belehrung und Aufklärung explizit ein Mahnverfahren wünschte. Denn der Beklagte hätte dem Zeugen weder das Mahn- noch das Klageverfahren anraten dürfen. Vielmehr hätte er von der Einleitung jeglicher gerichtlicher Schritte abraten müssen, was - nach dem eigenen Vortrag des Beklagten - nicht erfolgte.

Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Belehrung durch den rechtlichen Berater verhalten hätte, ist unter den Gesichtspunkt der haftungsausfüllenden Kausalität zu fassen, die klägerseits nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen ist (BGHZ 129, 386; BGH, NJW-RR 2006, 1645). Auf einen Beweis des ersten Anscheins kann sich der Anspruchssteller hingegen nicht berufen (BGH, NJW 1987, 1694).

Zugunsten des Mandanten wird schließlich grundsätzlich vermutet, dass dieser bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt wäre, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig denkenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung beratungsgerechten Verhaltens kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten. Außerdem besteht die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens auch dann nicht, wenn der Mandant einen zutreffenden Vorschlag des Rechtsanwalts ablehnt (BGH, NJW 2007, 2485; BGHZ 123, 311). Die Beweiserleichterung setzt also einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist und damit auf Umständen beruht, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Es sind die Handlungsalternativen zu überprüfen. Die jeweils hieraus ergebenden Rechtsfolgen sind zu ermitteln und anschließend mit den Handlungszielen des jeweiligen Mandanten zu vergleichen (BGH, NJW 2009, 1591; BGH, NJW-RR 2006, 1645).

Eine ausreichende, an den oben aufgestellten Maßstäben und insbesondere den im konkreten Fall vorliegenden Risiken orientierte Aufklärung des Zeugen durch den Beklagten über die Auswirkungen von Mahnantrag bzw. Klageverfahren erfolgte zur Überzeugung des Gerichts nicht.

Der Beklagte hat den Zeugen ... nicht auf den sichersten Weg hingewiesen. Der Beklagte hätte dem Zeugen von jeglichem gerichtlichen Vorgehen abraten müssen. Dies tat der Beklagte nicht. Nach seinen eigenen Angaben hat der Beklagte den Zeugen ... dahingehend beraten, dass „der sicherste Weg der Klageerhebung wegen der defizitären Informationspolitik des Zeugen ... nicht mehr gangbar sei und allenfalls über ein Güte- oder Mahnverfahren versucht werden könne, Ansprüche vor der Verjährung zu bewahren.“ Der Beklagte zeigte die Einleitung des Mahnverfahrens mithin als gangbaren Weg auf. Auch im Schreiben an die Klägerin vom 08.12.2011 (Anlage K 11) kommt dies zum Ausdruck. Nach obigen Ausführungen stellt dies jedoch nicht den sichersten Weg dar. Der Beklagte hätte von jeglichen Schritten gänzlich abraten müssen. Da bereits nach den eigenen schriftsätzlichen Ausführungen des Beklagten sowie den eingereichten Anlagen für das Gericht zur Überzeugung feststeht, dass der Beklagte den Zeugen nicht auf den sichersten Weg hingewiesen hat, sondern ihm vielmehr das Mahnverfahren als gangbaren Weg darstellte, ist in eine weitere Beweisaufnahme nicht einzutreten. Der Beklage ist daher nicht - wie von der Beklagtenpartei im Termin vom 25.01.2018 beantragt - als Partei zu vernehmen.

Auf die Frage, ob das Ausgangsverfahren gegen ... sowie die ... als solches ohnehin nicht erfolgreich gewesen wäre, kommt es daher vorliegend nicht an. Denn - wie dargelegt - hätte der Beklagte den Zeugen von jeglichem gerichtlichen Verfahren abraten müssen.

5. Der Beklagte kann der Klägerin jedoch gemäß § 254 BGB den Einwand des Mitverschuldens entgegengehalten, soweit die Klagepartei die Gerichts- und Anwaltskosten für die Durchführung der Berufung vor dem OLG Bamberg beansprucht.

Hier war die Rechtsschutzversicherung bereits durch Vorlage der erstinstanzlichen Urteile des LG Coburg vom (Anlage K 1) über die rechtliche Einordnung hinsichtlich der Verjährungsproblematik informiert gewesen. Sie verfügte bereits über die entscheidenden Informationen, die erforderlich waren, um über die Voraussetzungen eines Deckungsschutzes auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu entscheiden.

Aus den Versicherungsbedingungen nach § 3 a ARB (Anlage K 10) ergibt sich, dass der Versicherer durchaus berechtigt ist, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, deren Finanzierung ihm angetragen worden ist, zu überprüfen. Nach § 3 lit. a der ARB kann der Versicherer schließlich Deckungsschutz verweigern, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen durch den Versicherungsnehmer keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies zu beurteilen setzt allerdings denknotwendigerweise eine rechtliche Prüfung voraus. Es wird deshalb für die Kosten zweiter Instanz der Entscheidung des OLG Celle mit Urteil vom 05.07.2010 (Az.: 3 U 83/10) gefolgt, wonach zu Gunsten des Beklagten für die zweite Instanz durch die Erteilung des Deckungsschutzes trotz der durch das Erstgericht festgestellten eingetretenen Verjährung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Die Beklagten durften deshalb in der zweiten Instanz berechtigterweise davon ausgehen, dass die entstehenden Kosten von der Rechtsschutzversicherung nach ihrer Deckungszusage übernommen werden.

Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, dass die Klägerin lediglich für die erstinstanzlich entstandenen Kosten einen Regressanspruch gegen die Beklagten durchsetzen kann. Sie kann mithin die Gerichts- sowie Rechtsanwaltskosten für das Mahnverfahren, die erste Instanz vor dem Landgericht Coburg (1.968 € (Gerichtsgebühr) + 5.621,14 € (RA-Gebühr) + 3.524,09 € (RA-Gebühr = 11.113,23 €) und Düsseldorf (3.146,35 €) verlangen.

III.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Form einer Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 in Höhe von 1.029,35 € nach §§ 280 Abs. 1 BGB zu. Die Klägerin durfte sich zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Beklagten auch eines Rechtsanwaltes bedienen. Allein der Umstand, dass sie selbst als Rechtsschutzversicherer mit rechtlichen Fragestellungen beschäftigt ist, hindert dies nicht, da es vorliegend um die Problematik einer anwaltliche Pflichtverletzung ging. Dass die Ansprüche zuvor bereits von ihr gegenüber dem Beklagten geltend gemacht wurden, ist ebenfalls kein Hindernis für eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes, wenn - wie hier - der Schuldner der Zahlungsaufforderung nicht nachkommt.

IV.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Schadensersatzforderung sowie der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten (unter anderem) mit Schreiben vom 12.10.2016 (Anlage K 7) zur Zahlung bis spätestens 21.10.2016 aufgefordert. Hiernach traten die Verzugswirkungen (spätestens) am 21.10.2016 ein, so dass die ab diesem Zeitpunkt beantragten Verzugszinsen zu gewähren sind.

C.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

 Verkündet am 06.03.2018

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I Z R 5 3 6 / 1 4 Verkündet am:
23. Juni 2015
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen"
Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten
Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1
Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, grundsätzlich einen Missbrauch
des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB verwehrt,
sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu
berufen (Bestätigung von Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM
2014, 1763 Rn. 11).
BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Freiburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter
Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung.
2
Der Kläger erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum in G. . Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten, die noch nicht vollständig zurückgeführt sind.
3
Der Kläger, der (spätestens) im Jahr 2005 von den anspruchsbegründenden Umständen einer Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung Kenntnis hatte, hat am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung in Höhe von 134.198,62 € verlangt hat. Dabei hat er als geldwerten Vermögensschaden ohne Anrechnung des Werts des Wohnungseigentums 75.000 € veranschlagt. Dem hat er die noch offene Darlehensforderung der Beklagten in Höhe von 59.198,62 € zugeschlagen.
4
In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat der Kläger erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet.
5
In der Anspruchsbegründungsschrift hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 75.000 € und Freigabe bestellter Sicherheiten Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums zu verurteilen. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen kein Anspruch gegen ihn zustehe und die Beklagte ihm zum Ersatz künftig noch entstehender Schäden verpflichtet sei. Seinen Zahlungsantrag hat er im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens auf 104.936,97 € erhöht.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Verjährung habe spätestens am 31. Dezember 2005 zu laufen begonnen. Sie sei durch Verhandlungen zwischen den Parteien nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus gehemmt worden. Die Beklagte habe nicht auf das Erheben der Einrede der Verjährung verzichtet.
10
Auf die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids im Januar 2009 könne sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht berufen, da er bewusst wahrheitswidrig im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids angegeben habe, der geltend gemachte Anspruch hänge nicht von einer Gegenleistung ab, obwohl er nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung die erworbene Eigentumswohnung Zug um Zug gegen den von ihm verlangten "großen" Schadensersatz an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen habe. Hätte der Kläger bei der Antragstellung erklärt, dass sein Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, hätte das Mahngericht keinen Mahnbescheid erlassen, sondern den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger habe sich treuwidrig einen Vorteil verschafft, indem er das Mahngericht durch seine wahrheitswidrigen Angaben zur fehlenden Gegenleistung zum Erlass des Mahnbescheids veranlasst habe. Eine weitere Hemmung durch die Begründung des Anspruchs am 6. Mai 2010 sei nicht erfolgt.

II.

11
Dagegen wendet sich die Revision des Klägers ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, die Beklagte könne ihrer Inanspruchnahme durch den Kläger erfolgreich die Einrede des § 214 Abs. 1 BGB entgegensetzen.
12
1. Das Berufungsgericht ist, wovon auch im Revisionsverfahren auszugehen ist, zu dem Resultat gelangt, die Verjährung von Ansprüchen sei im äußersten Fall nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus durch Verhandlungen gehemmt worden, § 203 BGB.
13
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Kläger könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf eine Hemmung der Verjährung nach Maßgabe des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB berufen.
14
a) Dabei kann offen bleiben, ob für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von mehr als 75.000 €, auf Freigabe bestellter Sicherheiten und auf Ersatz künftiger Schäden die Zustellung des Mahnbescheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil sie nicht Gegenstand des Mahnverfahrens waren.
15
b) Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen , der Kläger könne sich nach § 242 BGB nicht auf eine Hemmung der Verjährung berufen.
16
aa) Richtig hat das Berufungsgericht dabei zum Ausgangspunkt genommen , die Zustellung des Mahnbescheids hemme trotz eines Verstoßes gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (dazu sogleich unter bb 2) nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 8; OLG Koblenz, OLGR 2005, 349, 350; OLG München, Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 U 3479/07, juris Rn. 84 f.; OLG Stuttgart, ZIP 2014, 2447, 2449).
17
bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage erkannt, der Kläger könne sich gemäß § 242 BGB auf eine Hemmung der Verjährung nicht berufen, weil er das Mahnverfahren missbraucht habe.
18
(1) Die Anwendung des § 242 BGB unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat. Die Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, ist keine reine Tat-, sondern zugleich eine der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Rechtsfrage (BGH, Urteile vom 29. September 1960 - II ZR 25/59, BGHZ 33, 216, 219, vom 18. Mai 1966 - IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 266 und vom 14. Dezember 1965 - V ZR 116/64, LM Nr. 22 zu § 242 [Ca] BGB).
19
(2) Die Handhabung des § 242 BGB zulasten des den "großen" Schadensersatz beanspruchenden Klägers ist rechtsfehlerfrei.
20
(a) Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Das gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet (OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rn. 18; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 688 Rn. 7a; aA Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 157).
21
(b) Macht ein Geschädigter als Antragsteller "großen" Schadensersatz geltend, den er nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines von ihm durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beanspruchen darf, ist die Geltendmachung des Anspruchs in diesem Sinne von einer Gegenleistung abhängig.
22
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 21; BGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14 und vom 18. Dezember 1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429). Solange Ersatzanspruch und Vorteil - wie hier bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 aaO; BGH, Urteile vom 12. Mai 1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f. und vom 15. Januar 2009 aaO mwN). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet.
23
Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an (vgl. schon BGH, Urteil vom 12. Mai 1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f.). Insbesondere bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (vgl. BGH, Urteile vom 12. Mai 1958 aaO, vom 18. Dezember 1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429 und vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt stärker als in den Fällen, in denen sich der Schuldner auf §§ 320, 322, 348 BGB berufen muss, um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen, und in denen ein Mahnverfahren ebenfalls nicht stattfindet (das übersieht Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 148 ff.).
24
(c) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (vgl. Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11; BGH, Urteile vom 6. Juli 1993 - VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 345, vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 266 und vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 9 ff.; OLG Bamberg, BKR 2014, 334 Rn. 53 ff.; OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rn. 14 ff.; OLG Stuttgart, ZIP 2014, 2447, 2448 f.; Aurich, GWR 2014, 352; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 20/2014 Anm. 2; Guski, EWiR 2014, 779, 780; Harnos, ZBB 2015, 176, 188; Klose, NJ 2012, 384, 385; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Mahler, AG 2014, R 335 f.; MünchKommZPO/Schüler, 4. Aufl., § 688 Rn. 12 aE; Sujecki, NJW 2014, 3436; aA Corzelius, EWiR 2014, 763, 764; Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 149 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt damit zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. September 1987 - III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 382 ff.; BT-Drucks. 7/2729, S. 47 f., 97, 103) zugunsten des Antragsgegners vorsieht.
25
Macht der Geschädigte seinen Anspruch auf Leistung "großen" Schadensersatzes im Klageverfahren geltend und ist der Schädiger säumig, kann der Geschädigte aufgrund des von Amts wegen zu berücksichtigenden Grundsatzes der Vorteilsausgleichung nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eine Verurteilung nur Zug um Zug erlangen. Die Schlüssigkeit seines Begehrens setzt im Klageverfahren die Schilderung des schädigenden Ereignisses, hier des darlehensfinanzierten Erwerbs von Wohnungseigentum aufgrund einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung der Bank als Schädigerin, voraus. Damit ist das Erlangen eines schadensersatzrechtlich beachtlichen Vorteils Teil des nach § 331 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO zu berücksichtigenden Vortrags. Der Richter wird deshalb von Amts wegen, sollte der Klageantrag nicht schon auf eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils lauten, einen Zug-um-Zug-Vorbehalt aussprechen (Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; aA offenbar Corzelius, EWiR 2014, 763, 764).
26
Wählt der Geschädigte stattdessen das Mahnverfahren und gibt im Bewusstsein der die Vorteilsausgleichung beherrschenden Grundsätze eine nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO falsche Erklärung ab, erreicht er, weil im Mahnverfahren nur eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung stattfindet, ein vorbehaltloses Erkenntnis zulasten des Schädigers. Er nutzt damit - anders als ein Antragsteller, der etwa mangels juristischer Vorbildung die Vorteilsausgleichung in ihren Rechtsfolgen nicht einzuordnen weiß - die gegenüber dem Klageverfahren andere Verfahrensgestaltung des Mahnverfahrens mit der Aussicht, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber der ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage zu verschaffen.
27
(d) Dass der Kläger, der sich das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass diese Feststellung im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler aufwiese, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, auf dessen verjährungshemmende Zustellung er sich beruft, durch einen Rechtsanwalt stellen lassen, der durch seinen Zug-um-Zug-Vorbehalt in der Anspruchsbegründungsschrift deutlich zu erkennen gegeben hat, um die Unvereinbarkeit seiner Verfahrensweise mit § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu wissen. Im Übrigen wurden die aus der oben zitierten älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im Jahr 2005 in der Literatur dargestellt (vgl. Wagner, ZfIR 2005, 856, 857). Damit ist die Behauptung widerlegt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe bis zur Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 21. Dezember 2011 (VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 9 ff.) von der Statthaftigkeit seiner Verfahrensweise ausgehen dürfen.
28
c) Auch für den vom Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Darlehensrückzahlung eingewandten Anspruch auf Vertragsaufhebung gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB (BGH, Urteile vom 20. Februar 1967 - III ZR 134/65, BGHZ 47, 207, 214 und vom 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1066) trifft das Ergebnis des Berufungsgerichts zu.
29
aa) Das Berufungsgericht hat der Sache nach richtig unterstellt, dass das vom Kläger geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB als unselbständige Einwendung mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, Rn. 47 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
30
bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht dem Kläger auch insoweit zutreffend gemäß § 242 BGB den Rekurs auf § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB verwehrt. Unabhängig davon, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu einer Entlassung des Klägers aus seinen Vertragspflichten eben- falls nur gegen eine Vorteilsausgleichung verpflichtet war, kommt hier hinzu, dass der Kläger im Mahnverfahren das Bestehen einer Geldforderung behauptet hat, die ihm schlechterdings nicht zustand. Wie er selbst in der Anspruchsbegründungsschrift eingeräumt hat, hat er, um überhaupt nach § 688 Abs. 1 ZPO vorgehen zu können, bewusst wahrheitswidrig einen eigenen Zahlungsanspruch in Höhe der noch offenen Darlehensrestforderung der Beklagten von 59.198,62 € behauptet, der ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zukommen konnte.
31
3. Überdies richtig hat das Berufungsgericht gesehen, dass die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht geeignet war, eigenständig die Hemmung der Verjährung zu bewirken. Muss sich der Kläger so behandeln lassen , als sei die Verjährungsfrist durch die Zustellung des Mahnbescheids nicht gehemmt worden, sondern abgelaufen, konnte die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht mehr zu seinen Gunsten hemmend wirken.
32
4. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht (wenigstens) den "kleinen" Schadensersatz zugesprochen.
33
a) Allerdings ist die Frage, ob der Geschädigte "kleinen" oder"großen" Schadensersatz geltend macht, lediglich eine solche der Schadensberechnung. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11; BGH, Urteile vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 88/90, BGHZ 115, 286, 289 ff. und vom 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89, WM 1990, 1748, 1749 f.). Entsprechend hält sich das Gericht im Rahmen seiner Antragsbindung nach § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dem Geschädigten statt des "großen" den "kleinen" Schadensersatz zuerkennt (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1990 aaO und vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 16). Soweit in der Literatur in Fällen wie dem vorliegenden die Anwendung des § 242 BGB mit dem Argument in Frage gestellt wird, der Geschädigte habe ja auch unter Anrechnung des Vorteils im Mahnverfahren lediglich die Differenz geltend machen können, was § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegenstehe (vgl. Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds , 2010, 154 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.; Stackmann NJW 2013, 341, 344), liegt dem ersichtlich der daran anknüpfende Gedanke zugrunde, das Berufen auf die Hemmung der Verjährung sei wenigstens in dem auf den "kleinen" Schadensersatz reduzierten Umfang nicht treuwidrig.
34
b) Macht indessen der Geschädigte im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben der § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht, ist es ihm im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Der Geschädigte hat sich, was Voraussetzung dafür ist, dass er sich auf die Hemmungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit seines Handelns gegen eine Beschränkung seines Begehrens auf das zulässige Maß entschieden. Damit stünde es nach § 242 BGB nicht in Übereinstimmung, wenn ihm die Früchte seines Tuns - gleichsam risikolos - in dem Umfang erhalten blieben, der einer redlichen Vorgehensweise entspräche.

Ellenberger Grüneberg Maihold Menges Derstadt

Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 05.10.2012 - 5 O 15/11 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 10.12.2014 - 13 U 203/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 238/14
Verkündet am:
16. Juli 2015
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die mit der Zustellung eines Mahnbescheids verbundene Hemmungswirkung
erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiellrechtlichen
Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt
sich die Hemmungswirkung bei hinreichender Individualisierung des geltend
gemachten prozessualen Anspruchs im Mahnantrag auf alle im Rahmen
der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler (Fortführung der Senatsurteile
vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14 und III ZR 198/14).

b) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen"
Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten
Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1
Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens
dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich
auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen
(Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14).
BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14 - OLG Bamberg
LG Schweinfurt
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juli 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und Dr. Remmert

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. Juni 2014 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Auf Empfehlung des für die Beklagte als Handelsvertreter tätigen W. R. zeichnete die Klägerin am 6. September 1996 eine Beteiligung als Kommanditistin an der M. Fonds Nr. 37 D. W. M. K. KG (im Folgenden: M. Fonds Nr. 37), einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage von 25.000 DM zuzüglich 1.250 DM (= 5 %) Agio. Diese Kapitalanlage finanzierte die Klägerin in Höhe von 20.000 DM durch ein Bankdarlehen.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 4. November 2011 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung auf, eine Haftungserklärung abzugeben, ohne den geltend gemachten Schaden zu beziffern. In diesem Schreiben heißt es weiter- hin: "Selbstverständlich überträgt Ihnen unsere Mandantschaft Zug um Zug die entsprechenden Beteiligungsrechte." Die Beklagte wies die Forderungen der Klägerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 zurück.
4
Am 21. Dezember 2011 beantragte die Klägerin durch ihre vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den Erlass eines Mahnbescheids über eine Forderung von 16.972,57 € nebst Zinsen und Anwaltskosten. In dem Mahnantrag wurde der Anspruch mit "Schadensersatz aus Beratungsvertrag, Beteiligung M. Fonds Nr. 37 vom 06.09.96" bezeichnet und erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei. Der Mahnbescheid wurde antragsgemäß am 11. Januar 2012 erlassen und der Beklagten am 16. Januar 2012 zugestellt. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe der Sache an das Prozessgericht hat die Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung vom 4. Februar 2013 Schadensersatz in Höhe von 15.630,42 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der streitgegenständlichen Beteiligung, Freistellung von sämtlichen aus ihrer Gesellschaftsbeteiligung resultierenden Ansprüchen Dritter, insbesondere bezüglich erhaltener Ausschüttungen, sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.
5
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei in Bezug auf die Sicherheit und Werthaltigkeit der Immobilie, die mangelnde Fungibilität, eine mangelnde Plausibilitätsprüfung , das Totalverlustrisiko, die Rechtsform der Kommanditgesellschaft sowie ein mögliches Wiederaufleben der Haftung gemäß § 172 HGB (Nachhaftung) fehlerhaft beraten worden. Zudem sei weder über die Höhe der Provision von 21 % noch über eine erhaltene Rückvergütung aufgeklärt worden.
6
Die Beklagte ist diesen Vorwürfen entgegengetreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe


8
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach zusteht, weil dem Anspruch jedenfalls die Einrede der Verjährung entgegenstehe. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien mit dem Erwerb der Beteiligung im Jahre 1996 entstanden und hätten zunächst der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB aF unterlegen. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB sei die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährung gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen habe , mit dem 31. Dezember 2011 abgelaufen.
11
Eine Hemmung der Verjährung durch den Mahnantrag sei allenfalls hinsichtlich der im Anspruchsschreiben vom 4. November 2011 angeführten Beratungsfehler eingetreten (bezüglich Totalverlustrisiko, Nachhaftungsrisiko und Eignung der Anlage als sichere Altersvorsorge), nicht aber hinsichtlich der weiteren mit der Klage geltend gemachten Pflichtverletzungen (betreffend die fehlende Fungibilität, die mangelnde Plausibilitätsprüfung und Provisionen bzw. Rückvergütungen). Zwar sei der Lebenssachverhalt durch die Bezeichnung des Anspruchs im Mahnantrag hinreichend umrissen worden. Er enthalte aber keine Angaben zu den geltend gemachten Beratungsfehlern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei für jeden Beratungsfehler, auf den ein Schadensersatzanspruch gestützt werde, die Verjährung gesondert zu berechnen. Es handele sich um einen Lebenssachverhalt mit mehreren materiell-rechtlichen Ansprüchen, die jeweils einer eigenständigen Verjährung unterlägen. Da es dem Anleger bei mehreren Beratungsfehlern und Pflichtverletzungen freistehe , seinen Schadensersatzanspruch entweder auf sämtliche oder nur auf bestimmte Pflichtverletzungen zu stützen, müsse er dem Anspruchsgegner zu verstehen geben, auf welche konkrete Pflichtverletzung er seinen Antrag stützen wolle. Hier sei für die Beklagte aus dem vorangegangenen Anspruchsschreiben vom 4. November 2011 hinreichend erkennbar gewesen, dass die darin genannten Pflichtverletzungen auch im Mahnverfahren geltend gemacht werden sollten. Die Hemmungswirkung erstrecke sich jedoch nicht auf die weiteren , erst in der Anspruchsbegründung beschriebenen Pflichtverletzungen.
12
Soweit hinsichtlich der ausreichend individualisierten Beratungsfehler eine Hemmung der Verjährung vorliege, sei es der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB allerdings verwehrt, sich auf die hemmende Wirkung des Mahnbescheids zu berufen, da sie diesen mit der bewusst unzutreffenden Angabe erwirkt habe, die Forderung hänge von einer Gegenleistung ab, die bereits erbracht sei. Das Mahnverfahren finde gemäß § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig sei. Dies gelte nicht nur für die Fälle der §§ 273, 320 BGB, sondern auch dann, wenn Schadensersatz verlangt werde und eine Gegenleistung im Wege der Vorteilsausgleichung erbracht werden müsse. Werde wegen fehlerhafter Anlageberatung die Rückzahlung des investierten Kapitals begehrt, sei der Restwert der Beteiligung im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen und das Zahlungsverlangen damit zu verbinden, den erlangten Vorteil in Gestalt der Beteiligung Zug um Zug herauszugeben. Der geltend gemachte Anspruch hänge auch hier von einer Gegenleistung ab. Bei zutreffender Angabe hätte der Mahnantrag der Klägerin als unzulässig zurückgewiesen werden müssen, denn die Klägerin habe die ihr obliegende Gegenleistung nicht erbracht. Die gegenteilige Erklärung der Klägerin sei objektiv und subjektiv unrichtig erfolgt. Den Rechtsanwälten der Klägerin sei bewusst gewesen, dass die geltend gemachte Forderung auch weiterhin von einer Gegenleistung abhängig gewesen sei. Das unstatthafte Mahnverfahren sei nur gewählt worden, um auf einfache Art und Weise möglichst schnell noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen , ohne die Klage sofort begründen zu müssen. Wenn sich die Klägerin auf die Verjährungshemmung des Mahnantrags berufe, nutze sie die durch bewusst wahrheitswidrige Angaben erlangte Rechtsposition in rechtsmissbräuchlicher Weise aus.

II.


13
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
14
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts würde sich allerdings, wie die Revision zu Recht rügt, eine durch die Zustellung des Mahnbescheids bewirkte und auf den Eingang des Mahnantrags bei Gericht zurückwirkende Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3, § 209 BGB, § 167 ZPO) nicht auf die im Antrag - beziehungsweise im vorgängigen Anspruchsschreiben vom 4. November 2011 - eigens erwähnten Pflichtverletzungsvorwürfe beschränken.
15
Zwar ist die Verjährung mehrerer eigenständiger und hinreichend deutlich voneinander abgrenzbarer Pflichtverletzungsvorwürfe in Anlageberatungsfällen materiell-rechtlich selbständig zu beurteilen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden dieser Beratungsfehler gesondert, so dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 Rn. 14 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die Reichweite der Hemmungswirkung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen gemäß § 204 Abs. 1 BGB beurteilt sichjedoch - ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO - nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitgegenstand bildenden prozessualen Anspruch. Dieser erfasst alle materiellrechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des Rechtsschutzbegehrens aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in Anlageberatungsfällen folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer Anlageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht darauf , ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294, 298 ff Rn. 15 ff sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1, 59 ff Rn. 142 ff; s. auch Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 - III ZR 53/14, BeckRS 2015, 04823 Rn. 1). Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 aaO S. 60 f Rn. 145 f; Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14 Rn. 8 ff und III ZR 198/14 Rn. 15, jeweils mwN). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.
16
2. Ob - was von der Revisionserwiderung beanstandet wird - die Angabe der Beteiligung ("M. Fonds Nr. 37") und des Zeichnungsdatums ("06.09.96") zur Individualisierung des geltend gemachten (Zahlungs-)Anspruchs genügt, kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob für den von der Klägerin geltend gemachten Freistellungsanspruch die Zustellung des Mahnbescheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil dieser Anspruch nicht Gegenstand des Mahnverfahrens war. Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass es der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu berufen.
17
a) Zwar kommt es für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den Mahnantrag erlassenen und zugestellten Mahnbescheids an, so dass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der Mahnantrag an Mängeln leidet oder sogar (etwa im Hinblick auf § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig ist (s. etwa BGH, Urteile vom 5. Mai 1988 - VII ZR 119/87, BGHZ 104, 268, 273; vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42, 57 Rn. 43; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 157/11, NJW 2012, 995, 996 Rn. 8 und vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14 Rn. 16 mwN).
18
b) Die Berufung auf die durch Zustellung eines Mahnbescheids eingetretene Verjährungshemmung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids die bewusst wahrheitswidrige Erklärung enthält, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei (s. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 aaO Rn. 9 ff, vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, NJW 2014, 3435 Rn. 11 und vom 23. Juni 2015 aaO Rn 17 ff; OLG München, Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 U 3479/07, BeckRS 2010, 00584 und BKR 2015, 260, 262 Rn. 18 ff; OLG Bamberg, BKR 2014, 334, 337 Rn. 53 ff; OLG Stuttgart , WM 2014, 1998 ff; OLG Hamm, BKR 2015, 125, 127 Rn. 14 ff; vgl. auch bereits BGH, Urteil vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 266).
19
c) So liegt es nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts auch hier.
20
aa) Das Mahnverfahren findet gemäß § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist. Dementsprechend muss der Mahnantrag gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Erklärung enthalten, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung im Annahmeverzug befindet (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 20; OLG Bamberg aaO S. 338 Rn. 62; OLG Hamm aaO Rn. 18; OLG München, BKR 2015, 260, 262 Rn. 21; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 688 Rn. 7a; Zöller/Vollkommer , ZPO, 30. Aufl., § 688 Rn. 3; aA Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 157).
21
Vom Anwendungsbereich der Regelung in § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO werden nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die Zug um Zug zu erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sogenannten "großen" Schadensersatz , bei dem Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 21 ff; OLG Bamberg aaO S. 337 Rn. 56 ff; OLG Stuttgart aaO S. 1998 f; OLG München , BKR 2015, 260, 262 Rn. 20; aA Schultz, NJW 2014, 827, 828 sowie Reinthaler aaO S. 150). Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollten sämtliche Rechtsverhältnisse, bei denen von keiner Seite voraus, sondern Zug um Zug zu leisten ist, dem Mahnverfahren entzogen werden, weil es sich hierbei nicht um voraussichtlich unstreitige Ansprüche handele (s. Begründung des Entwurfs zu § 581 CPO, S. 380 in Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 2. Band, 1. Abteilung, 1880, S. 415; s. auch Protokolle der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes CLXXXIV. bis CCLIV. Sitzung, 1869, S. 1187, 1196, 1258, 1468).
22
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Hierzu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers; der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist vielmehr von vornherein nur mit dieser Einschränkung begründet (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 22 sowie Senatsurteile vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03, NJW-RR 2005, 170, 171 und vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, NJW-RR 2009, 603, 604, jeweils mwN). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt noch stärker als in den Fällen, in denen sich der Schuldner erst auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen muss (§§ 273, 274, 320, 322, 348 BGB), um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 23).
23
bb) Die demnach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (BGH, Urteile vom 5. August 2014 aaO und vom 23. Juni 2015Rn. 24 mwN; OLG München, Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 U 3479/07, BeckRS 2010, 00584 und BKR 2015, 260, 262 Rn. 18 ff; OLG Bamberg aaO S. 337 Rn. 53 ff; OLG Stuttgart aaO S. 1998 ff; OLG Hamm aaO Rn. 14 ff; aA Reinthaler aaO S. 149 ff und Schultz, NJW 2014, 827, 828 f). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt auf diese Weise zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung zugunsten des Antragsgegners vorsieht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 24 ff).
24
cc) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Klägerin, die sich das Verhalten ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), in ihrem Mahnantrag bewusst wahrheitswidrig angeben ließ, dass ihre Gegenleistung erbracht sei.
25
(1) Entgegen der Erklärung im Mahnantrag war die der Klägerin obliegende Gegenleistung, nämlich die Übertragung ihrer Beteiligung am M. Fonds Nr. 37 auf die Beklagte, nicht erbracht worden. Zu Recht hat das Berufungsgericht die (Absichts-)Erklärung im Anspruchsschreiben vom 4. November 2011 für die Erbringung der Gegenleistung nicht ausreichen lassen. Hiergegen erhebt die Revision auch keine Einwände.
26
(2) Die Unrichtigkeit dieser Angabe war den Rechtsanwälten der Klägerin auch bewusst.
27
Bereits aus dem Angebot im Anspruchsschreiben vom 4. November 2011, Zug um Zug gegen Schadensersatz die Beteiligungsrechte der Klägerin am M. Fonds Nr. 37 auf die Beklagte zu übertragen, und aus der damit korrespondierenden Zug-um-Zug-Beschränkung des Zahlungsbegehrens in der Anspruchsbegründung vom 4. Februar 2013 ist ersichtlich, dass den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Unvereinbarkeit ihrer Verfahrensweise mit § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vor Augen stand. Vor dem Hintergrund dieser Angaben und der einschlägigen juristischen Erfahrung der Rechtsanwälte der Klägerin ist es auszuschließen, dass mit der laut Mahnantrag bereits erbrachten "Gegenleistung" guten Glaubens die Zahlung der Zeichnungssumme nebst Agio oder die Offerte zur Übereignung der Beteiligung im Anspruchsschreiben vom 4. November 2011 gemeint gewesen sein könnte.
28
Unbeschadet dessen hat das Berufungsgericht aufgrund des Vortrags der Parteien und der dazu eingereichten Unterlagen beanstandungsfrei festgestellt , dass das Mahnverfahren von den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gezielt gewählt wurde, um angesichts der Vielzahl der Mandate kostensparend und ohne größeren Aufwand noch rechtzeitig vor dem Ablauf der (für alle sogenannten "Altfälle" geltenden) kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 2. Januar 2012 (Montag) eine Verjährungshemmung herbeizuführen - obschon ihnen bewusst war, dass seitens der Klägerin die Verpflichtung besteht, die erworbene Beteiligung Zug um Zug an die Beklagte zu übertragen. Dass es zur Herbeiführung der Verjährungshemmung auch möglich gewesen wäre, eine kurze einfache - gegebenenfalls auch unschlüssige - Klage zu erheben , hilft der Revision nicht weiter, weil dieser Weg gerade nicht eingeschlagen wurde, sondern der gemäß § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO von Gesetzes wegen versperrte Weg des Mahnverfahrens. Ebenso unbehelflich ist der Verweis der Revision auf die Alternative der Geltendmachung des "kleinen" Schadensersatzes (Differenzschaden), denn ein solches Verlangen stand hier zu keiner Zeit im Raum.
29
dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Ergebnis des Berufungsgerichts auch unter Wertungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Wenn der Gläubiger eine unzulässige oder unschlüssige Klage erhebt, wird der Schuldner durch die richterliche Zulässigkeits- und Schlüssigkeitsprüfung vor einem klagestattgebenden (Versäumnis-)Urteil bewahrt, wohingegen im Mahnverfahren lediglich eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung stattfindet (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 25 f). Im Übrigen kommt auch einem unzulässigen Mahnantrag eine verjährungshemmende Wirkung zu (s. oben, unter a). Ob sich der Gläubiger jedoch auf diese Hemmungswirkung berufen kann, ist davon abhängig , ob er sich insoweit - etwa durch bewusst unwahre Angaben - rechtsmissbräuchlich verhalten hat. Letzteres ist hier indes, wie ausgeführt, der Fall.
30
3. Den "kleinen" Schadensersatz (Differenzschaden) macht die Klägerin nicht geltend. Abgesehen davon ist es dem Gläubiger im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich (wenigstens) auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen, wenn er im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben in § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 aaO Rn. 34).
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Schweinfurt, Entscheidung vom 09.12.2013 - 22 O 464/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 04.06.2014 - 3 U 4/14 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zum Gegenstand hat, ist auf Antrag des Antragstellers ein Mahnbescheid zu erlassen.

(2) Das Mahnverfahren findet nicht statt:

1.
für Ansprüche eines Unternehmers aus einem Vertrag gemäß den §§ 491 bis 508 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn der gemäß § 492 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzugebende effektive Jahreszins den bei Vertragsschluss geltenden Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs um mehr als zwölf Prozentpunkte übersteigt;
2.
wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist;
3.
wenn die Zustellung des Mahnbescheids durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müsste.

(3) Müsste der Mahnbescheid im Ausland zugestellt werden, so findet das Mahnverfahren nur insoweit statt, als das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. November 2015 (BGBl. I S. 2146) und das Auslandsunterhaltsgesetz vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 898), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018) geändert worden ist, dies vorsehen oder die Zustellung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgen soll.

(4) Die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399 vom 30.12.2006, S. 1; L 46 vom 21.2.2008, S. 52; L 333 vom 11.12.2008, S. 17), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, bleiben unberührt. Für die Durchführung gelten die §§ 1087 bis 1096.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I Z R 5 3 6 / 1 4 Verkündet am:
23. Juni 2015
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen"
Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten
Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1
Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, grundsätzlich einen Missbrauch
des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB verwehrt,
sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu
berufen (Bestätigung von Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM
2014, 1763 Rn. 11).
BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Freiburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter
Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung.
2
Der Kläger erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum in G. . Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten, die noch nicht vollständig zurückgeführt sind.
3
Der Kläger, der (spätestens) im Jahr 2005 von den anspruchsbegründenden Umständen einer Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung Kenntnis hatte, hat am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung in Höhe von 134.198,62 € verlangt hat. Dabei hat er als geldwerten Vermögensschaden ohne Anrechnung des Werts des Wohnungseigentums 75.000 € veranschlagt. Dem hat er die noch offene Darlehensforderung der Beklagten in Höhe von 59.198,62 € zugeschlagen.
4
In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat der Kläger erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet.
5
In der Anspruchsbegründungsschrift hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 75.000 € und Freigabe bestellter Sicherheiten Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums zu verurteilen. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen kein Anspruch gegen ihn zustehe und die Beklagte ihm zum Ersatz künftig noch entstehender Schäden verpflichtet sei. Seinen Zahlungsantrag hat er im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens auf 104.936,97 € erhöht.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Verjährung habe spätestens am 31. Dezember 2005 zu laufen begonnen. Sie sei durch Verhandlungen zwischen den Parteien nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus gehemmt worden. Die Beklagte habe nicht auf das Erheben der Einrede der Verjährung verzichtet.
10
Auf die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids im Januar 2009 könne sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht berufen, da er bewusst wahrheitswidrig im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids angegeben habe, der geltend gemachte Anspruch hänge nicht von einer Gegenleistung ab, obwohl er nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung die erworbene Eigentumswohnung Zug um Zug gegen den von ihm verlangten "großen" Schadensersatz an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen habe. Hätte der Kläger bei der Antragstellung erklärt, dass sein Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, hätte das Mahngericht keinen Mahnbescheid erlassen, sondern den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger habe sich treuwidrig einen Vorteil verschafft, indem er das Mahngericht durch seine wahrheitswidrigen Angaben zur fehlenden Gegenleistung zum Erlass des Mahnbescheids veranlasst habe. Eine weitere Hemmung durch die Begründung des Anspruchs am 6. Mai 2010 sei nicht erfolgt.

II.

11
Dagegen wendet sich die Revision des Klägers ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, die Beklagte könne ihrer Inanspruchnahme durch den Kläger erfolgreich die Einrede des § 214 Abs. 1 BGB entgegensetzen.
12
1. Das Berufungsgericht ist, wovon auch im Revisionsverfahren auszugehen ist, zu dem Resultat gelangt, die Verjährung von Ansprüchen sei im äußersten Fall nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus durch Verhandlungen gehemmt worden, § 203 BGB.
13
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Kläger könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf eine Hemmung der Verjährung nach Maßgabe des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB berufen.
14
a) Dabei kann offen bleiben, ob für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von mehr als 75.000 €, auf Freigabe bestellter Sicherheiten und auf Ersatz künftiger Schäden die Zustellung des Mahnbescheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil sie nicht Gegenstand des Mahnverfahrens waren.
15
b) Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen , der Kläger könne sich nach § 242 BGB nicht auf eine Hemmung der Verjährung berufen.
16
aa) Richtig hat das Berufungsgericht dabei zum Ausgangspunkt genommen , die Zustellung des Mahnbescheids hemme trotz eines Verstoßes gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (dazu sogleich unter bb 2) nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 8; OLG Koblenz, OLGR 2005, 349, 350; OLG München, Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 U 3479/07, juris Rn. 84 f.; OLG Stuttgart, ZIP 2014, 2447, 2449).
17
bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage erkannt, der Kläger könne sich gemäß § 242 BGB auf eine Hemmung der Verjährung nicht berufen, weil er das Mahnverfahren missbraucht habe.
18
(1) Die Anwendung des § 242 BGB unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat. Die Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, ist keine reine Tat-, sondern zugleich eine der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Rechtsfrage (BGH, Urteile vom 29. September 1960 - II ZR 25/59, BGHZ 33, 216, 219, vom 18. Mai 1966 - IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 266 und vom 14. Dezember 1965 - V ZR 116/64, LM Nr. 22 zu § 242 [Ca] BGB).
19
(2) Die Handhabung des § 242 BGB zulasten des den "großen" Schadensersatz beanspruchenden Klägers ist rechtsfehlerfrei.
20
(a) Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Das gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet (OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rn. 18; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 688 Rn. 7a; aA Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 157).
21
(b) Macht ein Geschädigter als Antragsteller "großen" Schadensersatz geltend, den er nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines von ihm durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beanspruchen darf, ist die Geltendmachung des Anspruchs in diesem Sinne von einer Gegenleistung abhängig.
22
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 21; BGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14 und vom 18. Dezember 1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429). Solange Ersatzanspruch und Vorteil - wie hier bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 aaO; BGH, Urteile vom 12. Mai 1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f. und vom 15. Januar 2009 aaO mwN). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet.
23
Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an (vgl. schon BGH, Urteil vom 12. Mai 1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f.). Insbesondere bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (vgl. BGH, Urteile vom 12. Mai 1958 aaO, vom 18. Dezember 1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429 und vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt stärker als in den Fällen, in denen sich der Schuldner auf §§ 320, 322, 348 BGB berufen muss, um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen, und in denen ein Mahnverfahren ebenfalls nicht stattfindet (das übersieht Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 148 ff.).
24
(c) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (vgl. Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11; BGH, Urteile vom 6. Juli 1993 - VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 345, vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 266 und vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 9 ff.; OLG Bamberg, BKR 2014, 334 Rn. 53 ff.; OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rn. 14 ff.; OLG Stuttgart, ZIP 2014, 2447, 2448 f.; Aurich, GWR 2014, 352; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 20/2014 Anm. 2; Guski, EWiR 2014, 779, 780; Harnos, ZBB 2015, 176, 188; Klose, NJ 2012, 384, 385; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Mahler, AG 2014, R 335 f.; MünchKommZPO/Schüler, 4. Aufl., § 688 Rn. 12 aE; Sujecki, NJW 2014, 3436; aA Corzelius, EWiR 2014, 763, 764; Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 149 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt damit zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. September 1987 - III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 382 ff.; BT-Drucks. 7/2729, S. 47 f., 97, 103) zugunsten des Antragsgegners vorsieht.
25
Macht der Geschädigte seinen Anspruch auf Leistung "großen" Schadensersatzes im Klageverfahren geltend und ist der Schädiger säumig, kann der Geschädigte aufgrund des von Amts wegen zu berücksichtigenden Grundsatzes der Vorteilsausgleichung nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eine Verurteilung nur Zug um Zug erlangen. Die Schlüssigkeit seines Begehrens setzt im Klageverfahren die Schilderung des schädigenden Ereignisses, hier des darlehensfinanzierten Erwerbs von Wohnungseigentum aufgrund einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung der Bank als Schädigerin, voraus. Damit ist das Erlangen eines schadensersatzrechtlich beachtlichen Vorteils Teil des nach § 331 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO zu berücksichtigenden Vortrags. Der Richter wird deshalb von Amts wegen, sollte der Klageantrag nicht schon auf eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils lauten, einen Zug-um-Zug-Vorbehalt aussprechen (Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; aA offenbar Corzelius, EWiR 2014, 763, 764).
26
Wählt der Geschädigte stattdessen das Mahnverfahren und gibt im Bewusstsein der die Vorteilsausgleichung beherrschenden Grundsätze eine nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO falsche Erklärung ab, erreicht er, weil im Mahnverfahren nur eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung stattfindet, ein vorbehaltloses Erkenntnis zulasten des Schädigers. Er nutzt damit - anders als ein Antragsteller, der etwa mangels juristischer Vorbildung die Vorteilsausgleichung in ihren Rechtsfolgen nicht einzuordnen weiß - die gegenüber dem Klageverfahren andere Verfahrensgestaltung des Mahnverfahrens mit der Aussicht, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber der ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage zu verschaffen.
27
(d) Dass der Kläger, der sich das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass diese Feststellung im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler aufwiese, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, auf dessen verjährungshemmende Zustellung er sich beruft, durch einen Rechtsanwalt stellen lassen, der durch seinen Zug-um-Zug-Vorbehalt in der Anspruchsbegründungsschrift deutlich zu erkennen gegeben hat, um die Unvereinbarkeit seiner Verfahrensweise mit § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu wissen. Im Übrigen wurden die aus der oben zitierten älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im Jahr 2005 in der Literatur dargestellt (vgl. Wagner, ZfIR 2005, 856, 857). Damit ist die Behauptung widerlegt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe bis zur Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 21. Dezember 2011 (VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 9 ff.) von der Statthaftigkeit seiner Verfahrensweise ausgehen dürfen.
28
c) Auch für den vom Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Darlehensrückzahlung eingewandten Anspruch auf Vertragsaufhebung gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB (BGH, Urteile vom 20. Februar 1967 - III ZR 134/65, BGHZ 47, 207, 214 und vom 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1066) trifft das Ergebnis des Berufungsgerichts zu.
29
aa) Das Berufungsgericht hat der Sache nach richtig unterstellt, dass das vom Kläger geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB als unselbständige Einwendung mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, Rn. 47 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
30
bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht dem Kläger auch insoweit zutreffend gemäß § 242 BGB den Rekurs auf § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB verwehrt. Unabhängig davon, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu einer Entlassung des Klägers aus seinen Vertragspflichten eben- falls nur gegen eine Vorteilsausgleichung verpflichtet war, kommt hier hinzu, dass der Kläger im Mahnverfahren das Bestehen einer Geldforderung behauptet hat, die ihm schlechterdings nicht zustand. Wie er selbst in der Anspruchsbegründungsschrift eingeräumt hat, hat er, um überhaupt nach § 688 Abs. 1 ZPO vorgehen zu können, bewusst wahrheitswidrig einen eigenen Zahlungsanspruch in Höhe der noch offenen Darlehensrestforderung der Beklagten von 59.198,62 € behauptet, der ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zukommen konnte.
31
3. Überdies richtig hat das Berufungsgericht gesehen, dass die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht geeignet war, eigenständig die Hemmung der Verjährung zu bewirken. Muss sich der Kläger so behandeln lassen , als sei die Verjährungsfrist durch die Zustellung des Mahnbescheids nicht gehemmt worden, sondern abgelaufen, konnte die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht mehr zu seinen Gunsten hemmend wirken.
32
4. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht (wenigstens) den "kleinen" Schadensersatz zugesprochen.
33
a) Allerdings ist die Frage, ob der Geschädigte "kleinen" oder"großen" Schadensersatz geltend macht, lediglich eine solche der Schadensberechnung. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11; BGH, Urteile vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 88/90, BGHZ 115, 286, 289 ff. und vom 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89, WM 1990, 1748, 1749 f.). Entsprechend hält sich das Gericht im Rahmen seiner Antragsbindung nach § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dem Geschädigten statt des "großen" den "kleinen" Schadensersatz zuerkennt (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1990 aaO und vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 16). Soweit in der Literatur in Fällen wie dem vorliegenden die Anwendung des § 242 BGB mit dem Argument in Frage gestellt wird, der Geschädigte habe ja auch unter Anrechnung des Vorteils im Mahnverfahren lediglich die Differenz geltend machen können, was § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegenstehe (vgl. Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds , 2010, 154 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.; Stackmann NJW 2013, 341, 344), liegt dem ersichtlich der daran anknüpfende Gedanke zugrunde, das Berufen auf die Hemmung der Verjährung sei wenigstens in dem auf den "kleinen" Schadensersatz reduzierten Umfang nicht treuwidrig.
34
b) Macht indessen der Geschädigte im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben der § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht, ist es ihm im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Der Geschädigte hat sich, was Voraussetzung dafür ist, dass er sich auf die Hemmungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit seines Handelns gegen eine Beschränkung seines Begehrens auf das zulässige Maß entschieden. Damit stünde es nach § 242 BGB nicht in Übereinstimmung, wenn ihm die Früchte seines Tuns - gleichsam risikolos - in dem Umfang erhalten blieben, der einer redlichen Vorgehensweise entspräche.

Ellenberger Grüneberg Maihold Menges Derstadt

Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 05.10.2012 - 5 O 15/11 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 10.12.2014 - 13 U 203/12 -

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.02.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 16.687,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 17 % und die Beklagte zu 83 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 63/11 Verkündet am:
7. Februar 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa; § 249 Bb; ZPO § 286 A, G

a) Besteht die Pflichtverletzung in einer Unterlassung, ist diese für den Schaden
nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens
verhindert hätte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt regelmäßig der
Geschädigte.

b) Die haftungsbegrenzende Rechtsfigur des hypothetischen Kausalverlaufs bei
rechtmäßigem Alternativverhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn die
Ursächlichkeit der durchgeführten rechtswidrigen Behandlung für den behaupteten
Schaden festgestellt und mithin die Haftung grundsätzlich gegeben
ist.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Februar 2011 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten für durch seine Geburt entstandene Gesundheitsschäden in Anspruch.
2
Die Mutter des Klägers suchte in der 25. Schwangerschaftswoche aufgrund der Überweisung mit der Therapieempfehlung "Tokolyse und Cerclage" durch den die Schwangerschaft betreuenden niedergelassenen Gynäkologen das örtliche Krankenhaus auf. Nach einer Erstversorgung wurde sie am 17. Mai 1993 in die Frauenklinik der Beklagten zu 1 verlegt. Dort wurden bis zum 19. Mai 1993 eine intravenöse Tokolyse und eine Celestan-Prophylaxe durch- geführt. Am 19. Mai 1993 untersuchte der Beklagte zu 2 die Mutter des Klägers zur Klärung der Indikation für eine Cerclage. Wegen einer Infektion wurde von der Cerclage abgesehen und strikte Bettruhe verordnet. Ab dem 24. Mai 1993 war die Infektion abgeklungen. Die bisherige Behandlung wurde trotzdem fortgesetzt. Am 30. Mai 1993 um 21.30 Uhr musste die Schwangerschaft durch sectio beendet werden. Der Kläger wurde um 22.26 Uhr in schlaffem, zyanotischem Zustand ohne Eigenatmungsbestrebungen geboren. Das Geburtsgewicht betrug 960 g bei einer Körperlänge von 38 cm und einem Kopfumfang von 26 cm. Der Kläger wurde in das Perinatalzentrum verlegt. Am 31. Mai 1993 trat bei ihm eine Hirnblutung 4. Grades auf. Der Kläger stützt, nachdem er anfänglich den Beklagten Behandlungsfehler angelastet hatte, nunmehr sein Schadensersatzbegehren auf eine wegen unterbliebener Aufklärung seiner Mutter über die Möglichkeit der Cerclage rechtswidrige Fortführung der konservativen Behandlung.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert, den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach zugesprochen und die Ersatzpflicht der Beklagten für entstandene und künftig entstehende materielle Schäden unter Vorbehalt der auf Dritte übergegangenen Ansprüche festgestellt. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
5
Die Behandlung der Mutter des Klägers sei jedenfalls ab dem 24. Mai 1993 wegen einer mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksamen Einwilligung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung rechtswidrig gewesen. Zwar sei anfänglich eine Cerclage aufgrund der bei der Schwangeren aufgetretenen Infektion kontraindiziert gewesen. Nach dem Abklingen der Infektion wäre eine solche aber in Frage gekommen. Darüber hätte die Mutter des Klägers aufgeklärt werden müssen. Die konservative Behandlung einerseits und die Cerclage andererseits hätten unterschiedliche Chancen und Risiken mit sich gebracht und seien beide als Mittel in Betracht gekommen, den Frühgeburtsbestrebungen bei der Mutter des Klägers entgegenzuwirken. Die Cerclage habe die Möglichkeit einer Stabilisierung mit der Folge der Verlängerung der Tragezeit geboten. Allerdings hätten die Risiken einer Verletzung der Fruchtblase und des Wiederaufflammens der Infektion bestanden. Eine Tragezeitverlängerung sei bei der konservativen Behandlung, die eine geringere mechanische Stabilisierung geboten habe, nicht ausgeschlossen. Zwar habe der Sachverständige betont, dass er persönlich eine Cerclage auch in der Zeit ab dem 24. Mai 1993 wegen des hohen Risikos der Verletzung der Fruchtblase und der aus seiner Sicht fehlenden Vorteile gegenüber der konservativen Behandlung nicht vorgenommen hätte. Doch hätte die weitere Verfahrensweise unter Aufklärung über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit der Patientin besprochen werden müssen. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten hätten nicht dargelegt und bewiesen, dass die Mutter des Klägers sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Fortsetzung der konservativen Behandlung entschieden hätte. Aufgrund der persönlichen Anhörung der Mutter des Klägers sei plausibel, dass diese im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Die Behandlung der Mutter des Klägers sei dementsprechend jedenfalls ab dem 24. Mai 1993 nicht mehr von ihrer Einwilligung gedeckt und damit rechtswidrig.
6
Es sei auch davon auszugehen, dass die Frühgeburt des Klägers und die damit verbundenen gravierenden gesundheitlichen Schäden zumindest mit auf der rechtswidrigen Fortsetzung der konservativen Behandlung der Mutter beruhen. Mit dem konservativen Behandlungsregime sollte zwar den Frühgeburtsbestrebungen entgegengewirkt und erreicht werden, dass die Tragezeit so lange wie möglich verlängert würde. Dazu sei dieses Behandlungsregime allerdings letztlich nicht geeignet gewesen. Es sei vielmehr trotz des konservativen Behandlungsregimes zu der Frühgeburt des Klägers mit den damit verbundenen gravierenden Folgen gekommen. Der Annahme der Kausalität der rechtswidrigen Behandlung für den eingetretenen Schaden stehe nicht entgegen, dass die Geburt des Klägers auch bei Durchführung einer Cerclage möglicherweise bereits am 30. Mai 1993 eingetreten wäre. Insoweit liege die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlerseite beweispflichtig sei. Die Beklagten trügen das Beweisrisiko dafür, dass es auch nach einer Cerclage in gleicher Weise zu der Frühgeburt des Klägers gekommen wäre. Ein solcher Beweis sei nicht geführt. Der Beklagte zu 2 hafte für die Behandlung der Mutter des Klägers als verantwortlicher und an der Behandlung beteiligter Oberarzt. Die Beklagten hätten ihren erstinstanzlichen Vortrag, dass der Beklagte zu 2 die Klägerin ab dem 19. Mai 1993 nicht mehr persönlich untersucht und behandelt habe , nicht aufrechterhalten und nicht mehr in Abrede gestellt, dass der Beklagte zu 2 als zuständiger Oberarzt für die Behandlung der Mutter des Klägers auch nach dem 19. Mai 1993 verantwortlich gewesen sei.

II.

7
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Berufungsgericht hat den Ursachenzusammenhang zwischen der infolge der unterlassenen Aufklärung rechtswidrigen, aber aus ärztlicher Sicht vertretbaren Fortsetzung der konservativen Behandlung der Mutter des Klägers und den geltend gemachten Schäden aufgrund einer unzutreffenden Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast bejaht. Das rügt die Revision mit Recht.
9
a) Das Berufungsgericht hätte dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, dass bei Durchführung der Cerclage, in die seine Mutter bei pflichtgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte, die extreme Frühgeburt und die damit verbundenen gravierenden Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wären. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich dabei nicht um die Behauptung eines hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten, sondern um Darlegungen des Klägers zur Kausalität der infolge der unterbliebenen Aufklärung rechtswidrigen Fortsetzung der konservativen Behandlung für den geltend gemachten Schaden. Nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen trägt dafür der Kläger und nicht die Beklagtenseite die Darlegungs- und Beweislast.
10
aa) Nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen trifft in den Fällen, in denen aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, die Behauptungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung den Arzt. Der Patient trägt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, auch wirklich durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf anderes zurückgeht (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 19/84, VersR 1986, 183 und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86, VersR 1987, 667, 668; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kap. C Rn. 147; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 702 mwN). Der Beweis, dass der ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommene ärztliche Eingriff bei dem Patienten auch zu einem Schaden geführt hat, ist ebenso wie im Fall des Behandlungsfehlers Sache des Patienten. Es besteht kein Sachgrund, bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht den Arzt insoweit beweismäßig schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gilt sowohl bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht über die Risiken eines Eingriffs wie auch über bestehende Behandlungsalternativen (Selbstbestimmungsaufklärung). Der Patient hat nicht nur in den Fällen, in denen die rechtswidrige Behandlung in einem Eingriff, beispielsweise in einer Operation, liegt, sondern auch in den Fällen der rechtswidrigen Fortsetzung konservativer Behandlungsmethoden trotz Bestehens gleichwertiger Behandlungsalternativen zu beweisen, dass die bei ihm vorgenommene Behandlung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - Schadensersatzansprüche nicht aus der konservativen Behandlung hergeleitet werden, sondern daraus, dass weitergehende Behandlungsmaßnahmen unterblieben sind. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1961 - III ZR 225/59, BGHZ 34, 206, 215; vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 120 auch zur Umkehr der Beweislast im - hier nicht gegebenen Fall - eines groben Behandlungsfehlers; vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 51; vom 22. März 1990 - IX ZR 128/89, WM 1990, 1161, 1163 und vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, WM 2002, 2325, 2326 Rn. 11). Die bloße Möglichkeit , ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nach § 286 ZPO nicht.
11
bb) Im Streitfall besteht die Pflichtverletzung in der Unterlassung der Beklagten , die Mutter des Klägers nach dem Abklingen der Infektion über die Behandlungsalternative einer Cerclage aufzuklären. Mithin hat der Kläger darzule- gen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass bei pflichtgemäßer Aufklärung seiner Mutter mittels der Cerclage die Geburt in einer für seine Entwicklung maßgeblichen Weise verzögert und der durch seine frühe Geburteingetretene Schaden vermieden worden wäre.
12
Hierzu hat der Kläger vorgetragen, dass seine Mutter bei entsprechender Aufklärung sich ohne Zweifel für die Cerclage entschieden hätte. Bei Durchführung der Cerclage hätten die extreme Frühgeburt des Klägers und die damit verbundenen gravierenden Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Die Beklagten haben dem entgegen gesetzt, eine Cerclage hätte die Schwangerschaft nicht verlängert. Sie haben damit den Kausalzusammenhang bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, aaO Rn. 12).
13
cc) Dieser Vortrag kann nicht als Einwand eines hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten verstanden werden, was das Berufungsgericht irrigerweise angenommen hat. Ein solcher Einwand setzt die Feststellung voraus, dass das vom Schädiger zu verantwortende Verhalten für den Schaden kausal geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - KZR 3/95, NJW 1996, 311, 312; Urteil vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01 aaO; Larenz, Schuldrecht Bd. I, 14. Aufl., S. 527; Staudinger/Schiemann (2005) BGB, § 249 Rn. 102, 107). Danach erst betrifft er die unter Umständen auftretende Frage, ob die auf der Pflichtverletzung beruhenden Folgen dem Schädiger billigerweise auch zugerechnet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695; vom 24. Oktober 1995 - KZR 3/95, aaO und vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01 aaO).
14
Darum handelt es sich hier nicht. Der Vortrag des Klägers bezieht sich auf die den Anspruchsgrund betreffende Frage der Kausalität. Dafür ist der Klä- ger nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtig, abgesehen von den Fällen der Beweislastumkehr wie beispielsweise bei einem groben Behandlungsfehler. Den Beklagten fällt hingegen die Beweislast für entlastenden Vortrag - wie etwa zum Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens - erst dann zu, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und eingetretenem Schaden feststeht (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast Bd. I, 2. Aufl., Anh. § 282 BGB Rn. 30).
15
b) Das Urteil beruht mithin auf einer unzutreffenden Zuweisung der Darlegungs - und Beweislast. Richtigerweise obliegt es dem Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass - nachdem das Berufungsgericht die hypothetische Einwilligung der Mutter in die Cerclage angenommen hat - nach der Cerclage die Geburt in einer für seine Entwicklung maßgeblichen Weise verzögert worden wäre. Für eine Verlagerung der Beweislast für den Ursachenzusammenhang auf die Beklagten ist insoweit kein Raum. Mit seiner Auffassung kann sich das Berufungsgericht auch nicht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15. März 2005 (VI ZR 313/03, VersR 2005, 836 f.) stützen. Dort wurde aus prozessrechtlichen Gründen für das Revisionsverfahren unterstellt, dass die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhten (Senatsurteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, aaO unter 3. b aa). In dem von der Revisionserwiderung herangezogenen Senatsurteil vom 6. Dezember 1998 (VI ZR 132/88, BGHZ 106, 153 ff.) stand der Kausalzusammenhang im Revisionsverfahren nicht in Frage.
16
2. Das Berufungsurteil begegnet außerdem hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zu 2 durchgreifenden Bedenken. Die Auffassung des Berufungsgerichts , dass der Beklagte zu 2 seine Verantwortlichkeit in der zweiten Instanz nicht mehr in Abrede gestellt habe, steht in Widerspruch zur Feststellung im Tatbestand des Berufungsurteils, dass die Beklagten ihren Vortrag in erster Instanz wiederholt und vertieft haben. Der Beklagte zu 2 hat im Schriftsatz vom 28. September 2009 vorgetragen, dass er die Mutter des Klägers nach dem 19. Mai 1993 nicht mehr behandelt habe. Am 19. Mai 1993 war jedenfalls die Cerclage medizinisch nicht indiziert, weil die Schwangere an einer Infektion litt. Somit traf den Beklagten zu 2 auch keine Aufklärungspflicht. Umstände, aus denen sich eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 im Übrigen ergibt, sind nicht festgestellt. Über den Vortrag des Beklagten zu 2, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt am 24. Mai 1993 nicht mit der Betreuung der Schwangeren befasst war, durfte das Berufungsgericht danach nicht hinweggehen.

III.

17
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung und erneuter Entscheidung zurückzuverweisen. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 07.01.2009 - 25 O 497/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.02.2011 - 5 U 15/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 69/07
Verkündet am:
13. November 2008
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BRAO § 51b; EGBGB Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1
Satz 2
Bestimmt sich bei einer einem Rechtsanwalt unterlaufenen Fehlberatung die
Verjährung des Primäranspruchs auf der Grundlage des maßgeblichen Übergangsrechts
nach § 51b BRAO, so gilt dies auch für den Sekundäranspruch.
BGH, Urteil vom 13. November 2008 - IX ZR 69/07 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die
Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. März 2007 und das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Februar 2006 aufgehoben: Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger beauftragte als Mitglied einer Erbengemeinschaft die beklagten Rechtsanwälte, einen Anspruch auf Rückübertragung eines in Dresden gelegenen , durch das "Gesetz über den Aufbau der Städte in der DDR und der Hauptstadt Deutschlands, Berlin" in Volkseigentum überführten Grundstücks zu verfolgen. Die zuständige Behörde lehnte im Jahre 1997 sowohl die Rückübertragung des Grundstücks als auch die Zahlung einer Entschädigung ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhob der durch die Beklagten vertretene Kläger am 8. April 1999 Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Im Verhandlungstermin vom 24. April 2002 regte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Aussichtslosigkeit des Klagebegehrens die Rücknahme der Klage an. Der Kläger lehnte nach Rücksprache mit dem Beklagten zu 1, der das Mandat federführend betreute, eine Klagerücknahme ab. Gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. April 2002 legten die Beklagten für den Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 13. Januar 2003 unter Hinweis auf eine seit dem Jahre 1994 geübte Rechtsprechung zurück.
2
Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Ersatz der in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden und vor dem Bundesverwaltungsgericht entstandenen Gerichtskosten und Anwaltsgebühren über 24.545,67 €. Die Beklagten, die einen Pflichtverstoß in Abrede stellen, erheben die Einrede der Verjährung. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 22.898,87 € stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

I.


4
Das Berufungsgericht, das von einer anwaltlichen Pflichtverletzung der Beklagten ausgeht, hat ausgeführt, der Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht verjährt. Die Verjährung bestimme sich im Streitfall nach § 51b BRAO, weil die Primärverjährung vor dem 15. Dezember 2004 eingetreten sei; die Verjährung eines sekundären Schadensersatzanspruchs richte sich folglich ebenfalls nach dieser Vorschrift. Der Anwalt, der eine aussichtslose Klage erhebe, unterliege einer aus dem Anwaltsvertrag folgenden Hinweispflicht, dass er einen Fehler gemacht habe. Unterlasse der Anwalt diesen Hinweis, beginne die Sekundärverjährung mit Ablauf der Primärverjährung. Ausgehend von der Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage am 8. April 1999 sei die Primärverjährung im April 2002 abgelaufen. Sekundärverjährung sei folglich erst im April 2005 und damit nach der am 28. Januar 2005 erfolgten Klagezustellung eingetreten.
5
Der Einwand der Beklagten, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. April 2002 und damit nach Ablauf der Primärverjährung von der möglichen Unrichtigkeit ihrer Beratung erfahren zu haben, dringe nicht durch. Bei gewissenhafter Prüfung hätten die Beklagten schon vor Klageerhebung zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine verwaltungsgerichtliche Klage keinen Erfolg verspreche. Dieses pflichtwidrige Unterlassen dürfe ihnen nicht zum Vorteil gereichen. Andernfalls käme es zu einer umso größeren Privilegierung des Rechtsanwalts, je weniger er seinen anwaltlichen Beratungsund Prüfungspflichten genüge. Der pflichtwidrig arbeitende Anwalt könne dann stets erfolgreich einwenden, ihm sei die Fehlberatung seines Mandanten nicht bewusst gewesen, weshalb die Sekundärverjährung nie zu laufen beginne.

II.



6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift, wie die Revision mit Recht rügt, durch, weil die Verjährungsfrist des § 51b BRAO sowohl im Blick auf einen Primär - als auch einen Sekundäranspruch abgelaufen ist.
7
1. § 51b BRAO, der durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehoben wurde, ist im Streitfall noch anzuwenden. Die danach maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen.
8
a) Die Regelung des § 51b BRAO ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946, 948 Rn. 30, 33; Zugehör in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1265; Fahrendorf in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 947; Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321, 325 f).
9
b) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist mit Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden am 8. April 1999 entstanden. Der Kostenschaden verwirklicht sich bereits durch die Erhebung einer aussichtslosen Klage , weil damit ein erster Teil des Schadens in Form der Gerichtskosten entsteht , für die der Kläger als Zweitschuldner haftet (BGH, Urt. v. 7. Februar 1995 - X ZR 32/93, NJW 1995, 2039, 2041; Urt. v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, NJW 2001, 3543, 3545, insoweit in BGHZ 148, 156 ff nicht abgedruckt). Da der Anspruch vor dem 15. Dezember 2004 begründet wurde, richtet sich die Verjährung nach § 51b BRAO. Die dreijährige Verjährungsfrist war gerechnet von der am 8. April 1999 bewirkten Klageerhebung bereits am 9. April 2002 und damit - selbst wenn man von einer alsbaldigen Zustellung (§ 167 ZPO) ausginge - lange vor der hier am 23. Dezember 2004 erfolgten Klageeinreichung abgelaufen. In der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden liegt keine einen neuen Primäranspruch auslösende Pflichtwidrigkeit der Beklagten, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das - in unverjährter Zeit - die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann.
10
2. Der Eintritt der Verjährung kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs abgelehnt werden.
11
a) Für den Anwalt kann sich bei der Wahrnehmung des Mandats ein begründeter Anlass ergeben zu prüfen, ob er dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Unterlässt er die erforderliche Überprüfung seines eigenen Verhaltens oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt er infolgedessen nicht den erforderlichen Hinweis auf § 51b BRAO, kann dies den Sekundäranspruch auslösen (BGHZ 94, 380, 386). Der Sekundäranspruch setzt also eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Die den Regressfall auslösende Pflichtwidrigkeit kann nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs darstellen. Der Sekundäranspruch entsteht vielmehr nur, wenn eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu der der Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGHZ aaO S. 387; BGH Urt. v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 583; v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826, 828; v. 7. Februar 2008 aaO Rn. 34).
12
b) Nach Erhebung der Klage am 8. April 1999 war für die Beklagten mangels neuer tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. April 2002 keine Veranlassung gegeben, ihre Rechtsauffassung zu überprüfen. Da der Sekundäranspruch eine neue, eigenständige Pflichtwidrigkeit des Rechtsanwalts voraussetzt , war er bis zum Ablauf der Verjährungsfrist am 9. April 2002 nicht entstanden. Der im Anschluss an das Berufungsgericht vertretenen Auffassung der Revisionserwiderung, während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens habe eine wenigstens halbjährliche Wiedervorlage- und Kontrollpflicht bestanden , kann nicht gefolgt werden. Mangels eines konkreten verfahrensbezogenen Anlasses war der Beklagte auch nicht gehalten, mit Rücksicht auf im Zeitraum zwischen der Klageerhebung und der mündlichen Verhandlung veröffentlichte , dem Anspruch des Klägers möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seine Rechtsauffassung zu überprüfen. Der Sekundäranspruch kann - was das Berufungsgericht verkannt hat - nicht aus der Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs hergeleitet werden, weil andernfalls mit dem Primäranspruch zugleich der Sekundäranspruch ausgelöst würde (BGHZ aaO). Vielmehr beruht die eingetretene Verjährung nicht auf einem Verhalten des Anwalts und kann ihm nicht als Verletzung seines Auftrags zugerechnet werden, wenn für ihn - wie im Streitfall - während des Verjährungslaufs kein verfahrensbezogener Anlass bestand , eine durch seine Pflichtwidrigkeit verursachte Schädigung des Mandanten zu erkennen und diesem die Durchsetzung des Regressanspruchs zu ermöglichen (BGHZ aaO S. 388).
13
3. Infolge Entscheidungsreife (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann das Revisionsgericht in der Sache entscheiden. Die Klage ist wegen Ablaufs der Verjährungsfrist auf die von den Beklagten erhobene Einrede abzuweisen.
Ganter Kayser Gehrlein Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.02.2006 - 29 O 405/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.03.2007 - 17 U 49/06 -

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 94/03 Verkündet am:
20. Juli 2006
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Erweist sich eine Unterlassungsverfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, reicht
es aus, dass der die Ersatzpflichtigkeit des Verfügungsklägers auslösende Vollstreckungsdruck
bei Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestandes besteht;
unerheblich ist, dass sich der Schaden erst später konkretisiert.

b) Der Einwand des Verfügungsklägers, der in dem Verlust einer laufenden Erwerbsmöglichkeit
liegende Schaden hätte sich auch ohne Unterlassungsverfügung verwirklicht
, kann eine Reserveursache darstellen, welche die Zurechnung des Schadens
betrifft und vom Verfügungskläger zu beweisen ist; insoweit gilt der Beweismaßstab

c) Hat sich der Verfügungsbeklagte nach Verwirklichung des haftungsbegründenden
Tatbestandes rechtsgeschäftlich dazu verpflichtet, den durch die einstweilige Verfügung
titulierten Unterlassungsanspruch zu erfüllen, lässt dies den inneren Zusammenhang
zwischen dem Vollstreckungsdruck und dem Schaden nicht entfallen. Das
Schadensersatzverlangen ist in einem solchen Fall jedenfalls dann nicht treuwidrig,
wenn sich der Verfügungsbeklagte Schadensersatzansprüche aus § 945 ZPO vorbehalten
hat.

d) Den Verfügungsbeklagten trifft nicht deshalb ein Mitverschulden an dem Vollziehungsschaden
, weil die rechtliche Zulässigkeit des die einstweilige Verfügung auslösenden
Verhaltens bei Erwirken der einstweiligen Verfügung rechtlich noch nicht geklärt
war (hier: Beteiligung eines Rechtsanwalts an einer Anwalts-Hotline).
BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter
Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist ein Rechtsanwalt, der seit Januar 1998 für eine "Rechtsberatungs -Hotline" tätig war. Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Hotline und dem Kläger war ein Rahmennutzungsvertrag, nach dem der Kläger Beratungszeiträume pro Tag, sogenannte Zeitscheiben, buchen konnte. Rechtsuchende, welche die Telefonnummer der Betreiber wählten, wurden - unter anderem - an den Kläger weitergeleitet. Für die Beratungstätigkeit wurde er an den von den Anrufern zu entrichtenden Telefongebühren beteiligt. Nach eigenen Angaben hat der Kläger durch diese Tätigkeit in den Monaten Januar und Februar 1998 insgesamt 333,51 € zuzüglich Umsatzsteuer eingenommen.

2
Auf den Antrag unter anderem des beklagten Rechtsanwalts untersagte das Landgericht München I im Wege einer dem Kläger am 14. April 1998 zugestellten einstweiligen Verfügung den Hotline-Betreibern den Betrieb der Hotline und dem Kläger die Mitwirkung hieran. Der Kläger, der gegen diesen Beschluss zunächst Widerspruch eingelegt hatte, nahm diesen am 7. Mai 1998 wieder zurück und gab am 18. Mai 1998 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die übernommene Unterlassungsverpflichtung war davon abhängig gemacht , dass seine Handlung vom Hauptsachegericht als rechtswidrig angesehen werden würde. Der Kläger behielt sich alle Rechte einschließlich Schadensersatz vor. Auf den Widerspruch der Betreiber der Hotline hob das Oberlandesgericht München die einstweilige Verfügung am 23. Juli 1998 diesen gegenüber auf, nachdem der Beklagte und die weiteren Antragsteller gegenüber den Betreibern der Hotline bereits am 24. Juni 1998 auf ihre Rechte verzichtet hatten. Der Kläger legte seinerseits am 17. August 1998 erneut Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein. Der Beklagte nahm den Verfügungsantrag daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I am 24. September 1998 zurück.
3
Schon am 8. Mai 1998 hatten die Betreiber der Hotline den Kläger mit sofortiger Wirkung aus der Rechtsberatungs-Hotline herausgenommen, wobei sie ihm in Aussicht gestellt hatten, ihn wieder an ihrem Dienst teilnehmen zu lassen, sollte die einstweilige Verfügung aufgehoben werden. Hierzu kam es jedoch nicht.
4
Im Hauptsacheverfahren eines der Betreiber entschied der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 26. September 2002 (I ZR 102/00, DStR 2003, 1852), dass ein Rechtsanwalt, der sich an einer Anwalts-Hotline beteiligt, damit nicht gegen berufsrechtliche Verbote verstößt, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage auch des Beklagten ab.
5
Der Kläger begehrt Ersatz seines Verdienstausfallschadens für die Zeit vom 8. Mai 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe von 155.115,45 €, Schadensersatz wegen vorzeitiger Auflösung zweier Lebensversicherungen in Höhe von 55.987,82 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


7
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2003, 1708 veröffentlicht ist, hat einen Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO mit der Begründung verneint, es fehle an einem erkennbaren Vollstreckungsdruck auf den Kläger. Der durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung hervorgerufene Vollstreckungsdruck sei durch die Unterlassungserklärung des Klägers vom 18. Mai 1998 wieder beseitigt worden. Da der Beklagte die Ausräumung der Wiederholungsgefahr schon mit Schriftsatz vom 29. April 1998 anerkannt habe, sei mit Zugang der Unterlassungserklärung des Klägers vom 18. Mai 1998 ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen, welcher der einstweiligen Verfügung nachträglich die Grundlage entzogen habe, so dass der Kläger diese durch Widerspruch oder im Aufhebungsverfahren hätte zu Fall zu bringen können. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen dem Vollstreckungsdruck und dem Schaden. Es stehe nicht fest, dass der Kläger nach Wegfall der ihm gegenüber erlassenen einstweiligen Verfügung zur Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen der Rechtsberatungs-Hotline in der Lage gewesen wäre. Bis zum Verzicht der Verfügungskläger vom 24. Juni 1998 gegenüber den Betreibern auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung habe der Geschäftsbetrieb eingestellt werden müssen. Anschließend hätten sich die Betreiber unabhängig von der einstweiligen Verfügung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger entschieden. Schließlich treffe den Kläger ein zum Ausschluss des Schadensersatzanspruchs führendes Mitverschulden, weil er nach Abgabe der Unterlassungserklärung eine Beseitigung der einstweiligen Verfügung versäumt habe. Auch habe er nicht dargelegt, welche Anstrengungen er unternommen habe, um die aufgrund der Untersagung laufend eintretenden Schäden durch anderweitige Tätigkeiten aufzufangen.

II.


8
Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Revision ohne Erfolg geltend , das Urteil des Berufungsgerichts sei schon deshalb aufzuheben, weil es nicht erkennen lasse, welches Ziel der Kläger mit seiner Berufung verfolgt habe.
10
Nach a) der hier anzuwendenden Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO (n.F.) reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils anstelle eines Tatbestandes aus. Eine solche Bezugnahme kann sich indes nicht auf die in der zweiten Instanz gestellten Berufungsanträge erstrecken. Eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist daher auch nach neuem Recht, welches eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt, nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100 f; 156, 97, 99; 156, 216, 218). Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muss aber wenigstens sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei einer Berufung des Klägers mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrags gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser Tatsache genügen (BGHZ 154, 99, 101; BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - IV ZR 91/03, NJW 2004, 1390, 1391; Saenger/Wöstmann, ZPO § 540 Rn. 3).
11
b) Diesen an die Wiedergabe der Berufungsanträge zu stellenden Anforderungen wird das Berufungsurteil noch gerecht. Aus ihm ergibt sich zum einen , dass der in erster Instanz gestellte und abgewiesene Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz weiterverfolgt wird. Gegenstand des Feststellungsantrags ist ersichtlich die Ersatzpflicht des Beklagten für den aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 2. April 1998 entstandenen Schaden. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich weiter mit hinreichen- der Deutlichkeit, dass der Kläger seine Klage in der Berufungsinstanz teilweise beziffert hat und in Höhe von 211.113,36 € zuzüglich Zinsen zur Leistungsklage übergegangen ist. Die Aufrechterhaltung des Feststellungsantrags neben dem bezifferten Leistungsantrag kann bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden werden, dass in der Berufungsinstanz die Feststellung der Ersatzpflicht wegen der weiteren, nicht vom Leistungsantrag umfassten Schäden begehrt worden ist.
12
2. In der Sache selbst kann der auf § 945 ZPO gestützte Schadensersatzanspruch mit der gegebenen Begründung nicht verneint werden. Nach dieser Vorschrift ist die Partei, welche die Anordnung einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der Anordnung entsteht.
13
Nach a) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt ein Rechtsanwalt, der sich an einer Rechtsberatungs-Hotline der vorliegenden Art beteiligt, nicht ohne weiteres gegen berufsrechtliche Verbote (BGH, Urt. v. 26. September 2002 - I ZR 102/00 u.a., DStR 2003, 1852). Weder ist die Vereinbarung einer nach Gesprächsminuten berechneten Zeitvergütung generell berufswidrig noch liegt in der Beteiligung notwendig ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), gegen das Provisionsverbot (§ 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO) oder gegen das Verbot der Abtretung von Gebührenansprüchen (§ 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO). Die Anordnung der Unterlassungsverfügung stellt sich daher als von Anfang an ungerechtfertigt dar.
14
b) Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten und von der Revisionserwiderung nicht mit Gegenrügen angegriffenen Sachverhalt hat der Beklagte den haftungsbegründenden Tatbestand des § 945 ZPO Anfang Mai 1998 vollumfänglich verwirklicht, als der Kläger nach Zustellung der einstweiligen Verfügung aus der Rechtsberatungs-Hotline herausgenommen worden ist. Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt bestand der notwendige Vollstreckungsdruck noch fort.
15
aa) Ein nach § 945 ZPO ersatzfähiger Vollziehungsschaden kann bereits eintreten, wenn der Verfügungskläger mit der Vollziehung lediglich begonnen hat. Bei Unterlassungsverfügungen leitet der Titelgläubiger die Vollstreckung durch die zur Wirksamkeit der Beschlussverfügung erforderliche Parteizustellung (§ 922 Abs. 2 ZPO) ein, wenn der zugestellte Titel - wie hier - die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zugleich androht (BGHZ 131, 141, 143 f). In diesem Fall tritt die mögliche Schadensersatzansprüche auslösende Zwangswirkung unabhängig von einer Zuwiderhandlung des Verfügungsbeklagten ein. Der durch die Anordnung von Ordnungsmitteln durch den Verfügungskläger aufgebaute Vollstreckungsdruck stellt die innere Rechtfertigung für dessen scharfe, verschuldensunabhängige Haftung dar, wenn sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist (BGHZ 131, 141, 144). Von diesen Grundsätzen geht das angefochtene Urteil zutreffend aus.
16
bb) Nicht zugestimmt werden kann dem Berufungsgericht dagegen in dem Punkt, dass ein nach dem 18. Mai 1998 zwischen den Parteien zustande gekommener Unterlassungsvertrag die Ersatzpflichtigkeit des Beklagten von vornherein ausschließe, weil die einstweilige Verfügung ab Vertragsschluss nur noch formalen Charakter gehabt habe und von ihr kein Vollstreckungsdruck mehr ausgegangen sei.

17
(1) Diese Begründung erweist sich schon deshalb nicht als tragfähig, weil der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Gesamtschaden einen Verdienstausfallschaden beinhaltet, den der Kläger aus entgangenen Beratungsgebühren ab dem 9. Mai 1998 errechnet. Zu diesem Zeitpunkt war der vom Berufungsgericht angenommene Unterlassungsvertrag, welcher der einstweiligen Verfügung den Vollstreckungsdruck genommen haben soll, noch nicht zustande gekommen.
18
(2) Im Übrigen vermischt das Berufungsgericht in unzulässiger Weise die Frage nach der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestandes mit Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schadenszurechnung. Der haftungsbegründende Tatbestand war im Streitfall spätestens mit der unbefristeten Suspendierung der aus dem Rahmennutzungsvertrag erwachsenen Rechte des Klägers verwirklicht. Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall, als der Kläger auf Weisung des Geschäftsführers des Betreibers der Rechtsberatungs-Hotline S. mit Wirkung vom 9. Mai 1998 aus dem Beratungsdienst herausgenommen und ihm angeraten wurde, von der weiteren Buchung von Zeitscheiben abzusehen, bis die Angelegenheit abschließend geregelt sei. Damit waren dem Kläger die auf der Grundlage des Rahmennutzungsvertrages eröffneten laufenden Erwerbsmöglichkeiten schon vor Abgabe der Unterlassungserklärung und mithin unter dem erforderlichen Vollstreckungsdruck abgeschnitten worden.
19
Die c) Ausführungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität und zur Zurechnung erweisen sich ebenfalls als nicht tragfähig. Für die Bemessung des Schadens nach § 945 ZPO gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 249 ff BGB (BGHZ 96, 1, 2; 122, 172, 179; BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 23, zur Veröffentlichung bestimmt). Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich den durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung adäquat-kausal verursachten, unmittelbaren oder mittelbaren Schaden einschließlich des infolge des Vollzugs von Verbotsverfügungen entgangenen Gewinns des Schuldners (vgl. MünchKomm-ZPO/Heinze, 2. Aufl. § 945 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO 3. Aufl. § 945 Rn. 22).
20
Das aa) Berufungsgericht verneint die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der gegen den Kläger erwirkten einstweiligen Verfügung und der im Zeitraum vom 15. Mai 1998 bis 24. Juni 1998 entgangenen Erwerbsmöglichkeit, weil die Betreiber der Rechtsberatungs-Hotline den Geschäftsbetrieb aufgrund der gegen sie ergangenen einstweiligen Verfügung in dieser Zeit hätten einstellen müssen. Bis zum Verzicht der Verfügungskläger auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber der Hotline am 24. Juni 1998 wäre es jenen deshalb aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen, dem Kläger eine Tätigkeit innerhalb der Hotline anzubieten.
21
(1) Diese Auffassung verkennt die zu hypothetischen Schadensursachen und rechtmäßigem Alternativverhalten entwickelten Grundsätze. Das Berufungsgericht hat zwar nicht festgestellt, an welchem Tage die einstweilige Verfügung gegenüber den Betreibern vollzogen worden ist. Laut Urteil des Landgerichts München I vom 14. Mai 1998 hatten die Betreiber allerdings mit Schriftsatz vom 30. April 1998, bei Gericht eingegangen am 4. Mai 1998, Widerspruch eingelegt. Fest steht nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts außerdem, dass die Hotline ihren Betrieb auf Grund der Unterlassungsverfügung gegenüber den Betreibern erst vom 15. Mai bis zum 24. Juni 1998 einstellen musste. Da die Unterlassungsverfügung gegen den Kläger mit der Parteizustellung am 14. April 1998 vollzogen und der Kläger am 8. Mai 1998 von den Betreibern der Hotline mit sofortiger Wirkung aus der Rechtsberatungshotline herausgenommen worden war, ist der behauptete Schaden des Klägers real vor der vorübergehenden Einstellung des Geschäftsbetriebs bewirkt worden.
22
(2) Im Schadensersatzrecht besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei der so genannten hypothetischen Kausalität - ebenso wie beim Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, NJW 2003, 295, 296) - nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der Schadenszurechnung handelt. Dass der durch das haftungsbegründende Ereignis real bewirkte Schaden später durch einen anderen Umstand (die Reserveursache) ebenfalls herbeigeführt worden wäre, kann an der Kausalität der realen Ursache nichts ändern. Ob die Reserveursache beachtlich ist und zu einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage, die für verschiedene Fallgruppen unterschiedlich beantwortet wird (BGHZ 104, 355, 359 f). Sind mehrere denkbare Verursachungsbeiträge jeweils von einer bestimmten Rechtsperson zu verantworten, ist für die Rechtsfigur der Reserveursache kein Raum (BGHZ 78, 209, 213).
23
Unabhängig von der Frage, ob man das rechtmäßige Alternativverhalten als Unterfall der hypothetischen Kausalität oder als eigenständige Fallgruppe auffasst (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 4 XII 1), vermag die Erwirkung der von Anfang an unrechtmäßigen einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber auch unter diesem Gesichtspunkt die Schadenszurechnung nicht zu beeinflussen; denn die Berufung auf ein rechtswidriges Alternativverhalten ist unzulässig (OLG Köln VersR 1996, 456, 458 [Revision nicht angenommen , vgl. BGH, Beschl. v. 28. September 1995 - III ZR 202/94, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 29]; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 107).
24
bb) In Bezug auf den nachfolgenden Zeitraum hat das Berufungsgericht die haftungsausfüllende Kausalität ebenfalls verneint. Der insoweit darlegungsund beweispflichtige Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit durch S. auf die Vollziehung der einstweiligen Verfügung zurückzuführen sei. Mit dieser Erwägung kann die haftungsrechtliche Einstandspflicht des Beklagten für den behaupteten Schaden nicht in Frage gestellt werden. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist insbesondere der Zurechnungszusammenhang zwischen der Vollziehung der einstweiligen Verfügung und dem Verdienstausfallschaden nicht unterbrochen.
25
(1) Während die im Streitfall von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogene Ursächlichkeit der Erwirkung der einstweiligen Verfügung für die Beendigung der Tätigkeit des Klägers bei der Rechtsberatungs-Hotline als haftungsbegründender Umstand von dem (geschädigten) Kläger zu beweisen ist, dem allerdings insoweit die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen, ist der (beklagte) Schädiger dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass der Schaden ohnehin aufgrund einer rechtlich beachtlichen Reserveursache eingetreten wäre (BGHZ 78, 209, 214; 104, 355, 359 f; BGH, Urt. v. 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, WM 1996, 2074, 2077). Denn nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen hat derjenige, der für den Schaden in Anspruch genommen wird, die von ihm eingewendete hypothetische Geschehenskette, soweit sie überhaupt erheblich ist, zu beweisen. Insoweit gelten ebenfalls die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO (vgl. BGHZ 78, 209, 214; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1081).

26
(2) Als Reserveursache für die Beendigung der Tätigkeit des Klägers kommt hier allenfalls eine von der Unterlassungsverfügung unabhängige Kündigung von Seiten der Betreiber, nicht aber das Unterbleiben einer Wiederaufnahme in den Kreis der im Rahmen der Hotline eingesetzten Rechtsanwälte in Betracht. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte behauptet nicht, die Betreiber der Rechtsberatungs-Hotline hätten dem Kläger auch ohne die einstweilige Verfügung gekündigt. Abgesehen davon liegen konkrete Anhaltspunkte für eine vom Beklagten in der Berufungserwiderung ohne Beweisantritt erwogene ungenügende Leistungserbringung des Klägers oder eine mit Spannungen behaftete Zusammenarbeit mit den Betreibern der Hotline nicht vor.
27
Ist (3) der Verfügungsbeklagte ohnehin, etwa aus bußgeldbewehrten Ordnungsvorschriften oder aus sonstigen materiellrechtlichen Gründen verpflichtet , das mit der einstweiligen Verfügung verbotene Verhalten zu unterlassen , so hat er durch die Unterlassung keinen nach § 945 ZPO zu ersetzenden Schaden erlitten (RGZ 65, 66, 68; BGHZ 15, 356, 359; 126, 368, 374 f; BGH, Urt. v. 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 125; Wieczorek/ Schütze/Thümmel, aaO § 945 Rn. 22).
28
Im Streitfall hat sich der Kläger am 18. Mai 1998 unter anderem gegenüber dem Beklagten materiellrechtlich verpflichtet, es zu unterlassen, für sich und die von ihm zu erbringende anwaltliche Dienstleistung in einer näher beschriebenen Weise werben zu lassen und an der unzulässigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch die Betreibergesellschaft in der Weise mitzuwirken, dass er auf die ihm vermittelten Anrufe telefonisch Rechtsrat erteile. Diese materiellrechtliche Verpflichtung ist jedoch erst infolge der Vollziehung der Unterlassungsverfügung abgegeben worden. Sie stellt keinen "sonstigen Grund" dar, das mit der einstweiligen Verfügung verbotene Verhalten zu unterlassen und lässt den inneren Zusammenhang zwischen der erwirkten Verfügung und dem Vollziehungsschaden unberührt.
29
Soweit d) das Berufungsgericht ein die Haftung des Beklagten ausschließendes Mitverschulden des Klägers angenommen hat, kann die Entscheidung ebenfalls nicht bestehen bleiben.
30
aa) Da auf den Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB anzuwenden sind, ist ein mitwirkendes Verschulden des Verfügungsbeklagten allerdings zu berücksichtigen (BGHZ 122, 172, 179; BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 23, zur Veröffentlichung bestimmt).
31
Nach (1) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1965 - Ib ZR 141/63, BB 1966, 267; v. 22. März 1990 - IX ZR 23/89, NJW 1990, 2689, 2690; zustimmend Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 22. Aufl. § 945 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Heinze, aaO § 945 Rn. 14) ist ein Ausschluss oder eine Minderung des Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arrestbeklagten dem Arrestkläger Anlass zur Ausbringung des Arrestes gegeben hat. Im Falle einer einstweiligen Verfügung gilt Entsprechendes (vgl. BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 25, zur Veröffentlichung bestimmt). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Einen Verfügungsbeklagten, der in einer rechtlichen Grauzone handelt, die sich erst im Nachhinein als rechtlich einwandfrei herausstellt, trifft kein Mitverschulden, wenn der Verfügungskläger das Handeln vor der juristischen Klärung nicht hinnimmt und durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung unterbindet.
32
(2) Ohne Belang ist der vom Berufungsgericht zu Lasten des Klägers verwertete Vorwurf, im Anschluss an die Unterlassungserklärung die formal fortbestehende Unterlassungsverfügung nicht beseitigt zu haben. Im Rahmen des § 254 BGB kann ein Umstand nur dann berücksichtigt werden, wenn er sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juni 2000 - VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069, 3071). Der Kläger konnte jedoch - wie die Revision zutreffend bemerkt - den Schaden durch die Beseitigung der Unterlassungsverfügung nicht beheben, weil er infolge der strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin zur Unterlassung verpflichtet war.
33
Wie bb) die Revision mit Recht rügt, lässt sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden schließlich nicht damit rechtfertigen, der Kläger habe nicht dargelegt, welche Anstrengungen er unternommen habe, um die Verluste aus der untersagten Mitwirkung an der Rechtsberatungs-Hotline durch anderweitige Tätigkeiten aufzufangen.
34
(1) Allerdings obliegt es dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (BGH, Urt. v. 5. Dezember 1995 - VI ZR 398/94, NJW 1996, 652, 653). Die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände trägt grundsätzlich der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will. Indessen darf dem Schädiger nichts Unmögliches angesonnen werden. Er kann namentlich beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Um- stände aus seiner Sphäre handelt (BGHZ 91, 243, 260; BGH, Urt. v. 29. September 1998 - VI ZR 296/97, NJW 1998, 3706, 3707). Insbesondere ist es bei einem Streit über die Frage, ob er eine andere zumutbare Arbeit hätte finden können, Sache des Geschädigten, darzulegen, welche Arbeitsmöglichkeiten für ihn zumutbar und durchführbar seien und was er bereits unternommen habe, um einen entsprechende Tätigkeit zu finden. Muss somit zwar der Schädiger die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, so ändert das nichts daran, dass der Verletzte zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Dazu wird er in der Regel, wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber zu unterrichten haben, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen, und was er bereits unternommen hat, um eine angemessene Tätigkeit zu erhalten. Demgegenüber ist es Sache des Schädigers zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte entgegen seiner Darstellung in einem konkret bezeichneten Fall ihm zumutbare Arbeit hätte aufnehmen können (BGH, Urt. v. 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, NJW 1979, 2142 f). Maßgeblich für die Zumutbarkeit sind die Umstände des Einzelfalls wie die Art der bisher ausgeübten Tätigkeit, Alter und Vorbildung des Geschädigten oder Schwierigkeiten beim Finden einer neuen Stelle (MünchKomm/Oetker, BGB 4. Aufl., § 254 Rn. 84).
35
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte das Berufungsgericht zumindest nicht für den gesamten Zeitraum seit Vollziehung der einstweiligen Verfügung annehmen, der Kläger habe seiner Darlegungslast nicht genügt. Dieser hat im Einzelnen vorgetragen, dass er in der Wohnung, die zugleich als Anwaltskanzlei gewerblich genutzt werde, seine krebskranke, pflegebedürftige, am 31. Dezember 2000 verstorbene Ehefrau rund um die Uhr hätte betreuen müssen. In Anbetracht dessen konnte dem Kläger bis zum Tode seiner Ehefrau nicht angesonnen werden, nach Vollziehung der Unterlassungsverfügung eine forensische Tätigkeit aufzunehmen.
36
Weiter hat der Kläger unter Vorlage des Schriftverkehrs mit den Betreibern dargelegt, seine Bemühungen um Wiederaufnahme in die Rechtsberatungs -Hotline seien erfolglos geblieben, weil für Rechtsanwälte die sich nicht schon - wie er - Anfang 1998 durch Voranmeldung Zeitscheiben hätten reservieren lassen, keine Kapazitäten mehr verfügbar gewesen seien. Darüber hinaus gehende Bemühungen konnten dem Kläger ohnehin nicht abverlangt werden. Aufgrund seiner Erklärung vom 18. Mai 1998 und später aufgrund des im Hauptsacheverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleichs vom 23. März 2000 war der Kläger weiterhin verpflichtet, eine Mitwirkung an der hier interessierenden Hotline zu unterlassen. Im Falle einer Bewerbung bei anderen Betreibern musste er gewärtigen, dass die Antragsteller auch insoweit - konsequent - eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken würden.
37
Soweit die Revisionserwiderung - ohne Nennung eines Beispiels - eine sonstige anwaltliche Tätigkeit, die zeitlich flexibel zu handhaben gewesen wäre, für zumutbar hält, ist eine solche Beschäftigung für einen über keine Zusatzqualifikation verfügenden Einzelanwalt, der seine Ehefrau häuslich zu pflegen und zu betreuen hat, nicht aussichtsreich.
38
(3) Allerdings war der Kläger nach dem Tode seiner Ehefrau am 31. Dezember 2000 an der Aufnahme einer normalen anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr gehindert. Welche Bemühungen er insoweit entfaltet hat, hat er nicht dargelegt. Auch der Beklagte hat diese Frage offenbar nicht gesehen. Da das Berufungsgericht die Parteien auf diesen von Amts wegen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juni 1990 - X ZR 19/89, NJW 1991, 166, 167) nicht gemäß § 139 Abs. 1 bis 3 ZPO hingewiesen hat, durfte das Berufungsgericht die Klageabweisung hierauf nicht stützen.
39
cc) Die am 18. Mai 1998 abgegebene Unterlassungserklärung begründet kein Mitverschulden des Klägers.
40
Wer (1) nach Vollziehung der Unterlassungsverfügung eine Unterlassungserklärung abgibt, verstößt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ab diesem Zeitpunkt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Auffassung, die hierin ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) erblicken will (OLG Frankfurt a.M. OLGReport 1998, 228, 229), kann nicht gefolgt werden. Die Vorschrift des § 945 ZPO beruht ebenso wie § 717 Abs. 2, 3, § 302 Abs. 4 S. 3, § 600 Abs. 2, § 641g ZPO und § 1065 Abs. 2 S. 2 ZPO auf dem allgemeinen Rechtsgedanken , dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Titel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt (Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. II, 3. Aufl., ZPO § 945 Rn. 2). Der Schuldner wird nicht zum Ungehorsam gegenüber dem Unterlassungsgebot gezwungen, um einen Anspruch nach § 945 ZPO zu erlangen; denn die für die Vollziehung ausreichende Zwangswirkung und damit die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Verfügungsbeklagten tritt unabhängig von einer Zuwiderhandlung bereits mit der Androhung von Ordnungsmitteln ein (BGHZ 131, 141, 143 f).
41
Überdies (2) hat sich der Kläger in der Unterlassungserklärung vom 18. Mai 1998 ausdrücklich alle Rechte einschließlich der Geltendmachung von Schadensersatz vorbehalten. Das steht nicht im Widerspruch zu einer anspruchsvernichtenden Wirkung der Unterlassungserklärung. Ein Schadenser- satzanspruch gemäß § 945 ZPO setzt, soweit hier von Interesse, eine von Anfang an ungerechtfertigte Anordnung voraus. Mithin wird durch die Unterlassungserklärung weder ein Schadensersatzanspruch erst begründet noch verbessert sich die Rechtslage für den Gläubiger, der eine von Anfang an ungerechtfertigte Anordnung erwirkt hat. Deshalb kann dem Kläger die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch nicht mit der Begründung verwehrt werden, er habe dem titulierten Anspruch durch seine Unterlassungserklärung selbst die gesetzliche Grundlage entzogen.

III.


42
Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO); es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
43
Entgegen 1. der Auffassung der Revisionserwiderung hat der Kläger durch den am 23. März 2000 im Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht München abgeschlossenen Vergleich nicht auf Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten verzichtet.
44
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss insbesondere bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden. Hierbei haben die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei eindeutig er- scheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH, Urt. v. 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, WM 2002, 822, 824 m.w.N.).
45
b) Der Vergleich vom 23. März 2000 bezieht sich seinem Wortlaut nach allein auf das Hauptsacheverfahren wegen Unterlassung der Mitwirkung an der Rechtsberatungs-Hotline und enthält keinen Anhaltspunkt für einen Verzicht auf Schadensersatzansprüche. Auch wenn der Kläger sich darin im Unterschied zur Unterlassungserklärung vom 18. Mai 1998 Schadensersatzansprüche nicht ausdrücklich vorbehielt, kann das Fehlen eines erneuten Vorbehalts nach dem in der Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt nicht im Sinne eines Verzichts gewertet werden. Nachdem die einstweilige Verfügung gegenüber den Betreibern bereits durch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 1998 (NJW 1999, 150) aufgehoben worden war, hatte der Beklagte für die Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den Kläger am 24. September 1998 erklärt, er verzichte auf die Rechte aus der Unterlassungsverfügung , was das Landgericht München I als Antragsrücknahme gewertet hatte. Daraufhin hat der Kläger bereits am 28. September 1998 die Schadensersatzklage gegen den Beklagten eingereicht. Der Vergleichsvorschlag im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 22. März 2000 sah neben der Unterlassungserklärung einen Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen "im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sachverhalt" und eine Verpflichtung zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits - dessen Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollten - durch Klagerücknahme vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestätigte mit Schreiben vom gleichen Tage unter Bezugnahme auf ein Telefonat den Vergleichsvorschlag, wobei lediglich die Unterlassungserklärung mit Kos- tenfolge noch protokolliert und der Verzicht und die Verpflichtung zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits nicht Gegenstand sein sollten. Da der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten überdies die Streichung des im Vergleichsvorschlag vorgesehenen Verzichts mit dem Fehlen eines Mandats für das Schadensersatzverfahren erklärt hatte, verbleibt für die Auslegung als Verzicht kein Raum.
46
2. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird, nachdem die Parteien Gelegenheit erhalten haben, ihren Vortrag an den rechtlichen Vorgaben des Senats zum Mitverschulden auszurichten, die dann gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu treffen und die das Vorliegen eines Schadens betreffenden Einwände des Beklagten zu berücksichtigen haben. Fischer Ganter Raebel Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.06.2002 - 4 O 137/02 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.03.2003 - 6 U 181/02 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.