Oberlandesgericht München Endurteil, 21. Dez. 2017 - 1 U 454/17

bei uns veröffentlicht am21.12.2017

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.01.2017, Az. 9 O 5246/14, abgeändert:

Der Beklagte hat an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 74%, und der Beklagte 26% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

A.

I.

Der Kläger macht als Alleinerbe seines am 19.10.2011 verstorbenen Vaters Heinrich S. sen. (i.F. auch: Patient) gegenüber dem Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit dessen künstlicher Ernährung mittels PEG-Sonde in den Jahren 2010 und 2011 geltend. Er ist der Auffassung, die Sondenernährung sei spätestens ab Anfang 2010 medizinisch nicht mehr indiziert gewesen, vielmehr habe sie ausschließlich zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens seines Vaters ohne Aussicht auf Besserung des gesundheitlichen Zustands geführt. Der Beklagte sei als Hausarzt daher zur Änderung des Therapieziels dahingehend verpflichtet gewesen, das Sterben des Patienten unter palliativmedizinischer Betreuung durch Beendigung der Sondenernährung zuzulassen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Endurteils des Landgerichts München I vom 18.01.2017 wird im Übrigen Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Erholung eines allgemeinmedizinischen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. Sch. und Dr. W. vom 20.01.2016 und mündliche Anhörung des Dr. W. vom 28.11.2016) die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe aus ererbtem Recht des Patienten gegen den Beklagten weder wegen Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag noch nach Deliktsrecht Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Eine medizinische Indikation zur Fortsetzung der künstlichen Ernährung des Patienten mit PEG-Sonde habe zwar jedenfalls seit Anfang 2010 nicht mehr vorgelegen. Denn es habe kein über die reine Lebenserhaltung bzw. -verlängerung hinausgehendes Behandlungsziel, insbesondere keine Aussicht auf Besserung oder zumindest Stabilisierung des gesundheitlichen Zustands des Patienten gegeben. Ungeachtet dessen sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die Beendigung der künstlichen Ernährung in eigener Verantwortung anzuordnen. Er habe allerdings seine Pflicht aus § 1901b Abs. 1 BGB verletzt, spätestens ab Anfang 2010 den Betreuer des Patienten davon in Kenntnis zu setzen, dass ein über die bloße Lebenserhaltung hinausgehendes Therapieziel nicht mehr erreichbar war, und mit ihm zu erörtern, ob vor diesem Hintergrund die Sondenernährung fortgesetzt oder abgebrochen werden solle. Der Kläger habe jedoch den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass dieses Versäumnis ursächlich für die Fortsetzung der künstlichen Ernährung bis zum Versterben des Patienten geworden sei. Denn es habe weder eine Patientenverfügung vorgelegen, noch sei der mutmaßliche Wille des Patienten zu ermitteln gewesen, auch nicht unter Einbeziehung des Klägers, der seinen Vater seit 2008 nicht mehr besucht habe. Die für andere Fallkonstellationen entwickelte Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens könne hier nicht angewendet werden, weil die Entscheidung über das Grundrecht auf Leben und ob es als lebenswert empfunden werde, fundamental und höchstpersönlich sei. Eine Haftung des Beklagten ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsmangels. Der ohne die erforderliche Aufklärung und wirksame Einwilligung des Patienten bzw. seines Betreuers durchgeführte Heileingriff - darunter falle auch die Ernährung durch eine PEG-Sonde - stelle zwar grundsätzlich eine rechtswidrige Körperverletzung und zugleich eine Verletzung der vertraglichen Pflichten des Arztes dar. Die §§ 1901a ff. BGB hätten hier jedoch eine spezielle Regelung für die Entscheidungsfindung getroffen, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte die Behandlung des Patienten erst nach Anlage der Sonde übernommen habe. Mangels eines Nachweises, dass bei der Erörterung nach § 1901b Abs. 1 BGB die Entscheidung zugunsten des Abbruchs der künstlichen Ernährung getroffen worden wäre, könne deren Fortführung dem Beklagten deshalb nicht als rechtswidrige Körperverletzung zugerechnet werden.

II.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23.01.2017 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.02.2017, eingegangen am 09.02.2017, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 19.04.2017 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er meint, seinem Vater sei durch die weder indizierte noch durch einen feststellbaren Willen gerechtfertigte Weiterbehandlung durch den Beklagten schweres Leid zugefügt worden. Der Betreuer habe die Zustimmung zur Anlage der PEG-Sonde im Jahr 2006 eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Kläger erteilt. Als der Kläger später davon erfahren habe, habe er sich sofort schriftlich bei der Heimleitung beschwert und in der Folge die Rechtsanwaltskanzlei Sch. beauftragt, alles zu unternehmen, um die Behandlung und Pflege seines Vaters zu überprüfen und ggf. die Einstellung einer weiteren Leidensverlängerung durchzusetzen. Der Kläger habe nicht gewollt, dass der Vater in seiner terminalen Erkrankung weiterhin „konserviert“, also künstlich am Leben gehalten werde. Diesen Wunsch habe er in den Jahren 2009 und 2010 gegenüber dem Beklagten telefonisch geäußert, woraufhin ihm dieser polemisch geantwortet habe „Wollen Sie Ihren Vater verdursten lassen?“.

Das Landgericht habe es auf Grundlage seiner Rechtsauffassung fehlerhaft unterlassen, den Kläger persönlich zu der Frage anzuhören, wie er sich nach der gebotenen Aufklärung durch den Beklagten, dass eine Weiterbehandlung nicht indiziert sei, verhalten hätte. Darüber hinaus müsste gerade hier die von der Rechtsprechung entwickelte Beweislastverteilung gelten, wonach sich der Kläger grundsätzlich aufklärungsrichtig verhalten hätte. Ferner ergebe sich aus den allgemeinen Beweisregeln, dass dem Kläger ohne ermittelbaren Patientenwillen gar keine Wahl geblieben wäre, als sich gegen die nicht indizierte Fortsetzung der Lebens- und Leidensverlängerung auszusprechen. Hilfsweise käme dem Kläger auch der Anscheinsbeweis zugute, weil die Lebenserfahrung zeige, dass Angehörige beim Erleben eines qualvollen Leidens eines hochbetagten und nicht mehr entscheidungsfähigen Menschen, welches zudem entgegen dem natürlichen Verlauf der Krankheit seit Jahren künstlich erzeugt werde, die Erlösung durch ein natürliches Versterben wünschten. Schließlich habe der Beklagte erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Kläger sich gegen eine Einstellung der künstlichen Ernährung ausgesprochen hätte, wenn sich der Beklagte an den Betreuer und über diesen an die Familie mit dem Ansinnen gewandt hätte, die lediglich leidensverlängernde Behandlung einzustellen. Das Landgericht habe versäumt, den Kläger darauf hinzuweisen, dass ihm nach gerichtlicher - wenn auch unzutreffender - Auffassung unter den gegebenen Umständen ein Entscheidungsspielraum nach eigener Wertvorstellung ohne Rücksicht auf den Patientenwillen zugestanden habe. Tatsächlich hätte der Kläger der gebotenen Therapiezieländerung eines palliativ und pflegerisch begleiteten Zulassens des Sterbens zugestimmt, weil dies seiner eigenen Wertvorstellung entsprochen habe und er zudem nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen gegenteiligen Willen seines Vaters gehabt habe. Hilfsweise werde für die zweite Instanz erneut der Vorwurf einer nicht ausreichend palliativen Versorgung des Patienten im streitgegenständlichen Behandlungszeitraum erhoben, auf den der Kläger auf Anregung des Landgerichts für die erste Instanz verzichtet habe.

Weil es der Beklagte versäumt habe, mit dem Betreuer die Frage der gebotenen Therapiezieländerung zu diskutieren, sei dieser gar nicht auf die Idee gekommen, seiner rechtlichen Verpflichtung gemäß bei den Angehörigen zu recherchieren, ob der Patient eine weitere nicht indizierte leidens- und lebensverlängernde Behandlung wünsche. Der Beklagte habe damit schuldhaft die Feststellung des Fehlens eines solchen Willens vereitelt.

Soweit das Landgericht im Anschluss an die Feststellungen des Sachverständigen darauf abgestellt habe, dass es immer wieder Patienten gebe, die bei vergleichbarem Leiden für sich trotzdem eine Fortsetzung der lebenserhaltenden Maßnahmen wünschten, habe es verkannt, dass im vorliegenden Fall der Patient diesen Willen gar nicht mehr habe äußern können, weil er unendlich viel schwerer und extremer krank gewesen sei als jene, die ihren Zustand noch bewerten und dazu einen Willen bilden könnten. Auch die Schlussfolgerung des Landgerichts, nur höchstpersönliche Entscheidungen eines Patienten könnten zur Beendigung von Lebenserhaltung durch medizinische Maßnahmen führen, sei unzulässig und stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Entgegen der Auffassung des Landgerichts mache es keinen rechtlichen Unterschied, ob eine nicht indizierte Behandlung erstmals angeordnet oder aber eine nicht indizierte Behandlung fortgesetzt werde. Denn es gehe vorliegend um eine Dauerbehandlung, bei der der Arzt verpflichtet sei, die Indikation nicht nur zu Beginn, sondern weiterhin laufend zu stellen bzw. zu wiederholen. An der Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung ändere nichts, dass der Gesetzgeber im Jahr 2009 mit den §§ 1901a ff. BGB zu dieser strafrechtlichen Situation prozedurale Vorgaben im Betreuungsrecht geschaffen habe. Ein pflichtgemäßes Vorgehen des Beklagten nach § 1901b Abs. 1 BGB hätte ihn lediglich während der Dauer der Erörterung strafrechtlich entschuldigt.

Nach den Empfehlungen der zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis mit Stand 2013 dürfe eine Maßnahme nicht (mehr) durchgeführt werden, wenn keine medizinische Indikation zu ihrer Einleitung oder Weiterführung bestehe. Bei Nichtfeststellbarkeit des Patientenwillens sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht einfach für das Rechtsgut Leben zu entscheiden. Das Wohl des Betreuten geböte es, Lebenserhaltung und Leidensverlängerung gegeneinander abzuwägen und nur in Zweifelsfällen dem Schutz des Lebens Vorrang einzuräumen. Die ärztliche Behandlung habe entweder nur das Grundrecht des Patienten auf Leben ( = Lebens-und damit zugleich Leidensverlängerung) oder sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (= Zulassen des Sterbens) schützen können. Das Gesetz kenne keine Rechtfertigung, dass ohne Indikation und mangels eines feststellbaren Patientenwillens der Vertreter des Patienten berechtigt wäre, eine eigene höchstpersönliche Entscheidung über Leben und Tod des Patienten zu treffen. Hierin läge auch ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte des Patienten auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Da im konkreten Fall kein Patientenwille feststellbar gewesen sei, habe allein nach Indikation gehandelt werden müssen. Eine Entscheidung, die der Patient selbst gar nicht mehr habe treffen können, sei nicht „höchstpersönlich“. Es erscheine mehr als fraglich, ob § 1901b BGB überhaupt auf die Erörterung einer nicht mehr indizierten Behandlung anwendbar sei. Denn bei fehlender Indikation bedürfe es weder einer Entscheidung des Betreuers noch einer gerichtlichen Genehmigung, und auch der Wille des Betreuten spiele keine Rolle mehr. Die Vorschrift ziele nach Wortlaut und Sinn lediglich auf die Erörterung einer medizinisch indizierten Therapiezieländerung. Das Betreuungsrecht decke sich mit dem Medizinrecht. Eine Entscheidung nach eigenen Wertvorstellungen des Betreuers bzw. Bevollmächtigten oder der Familie sei deshalb entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zulässig gewesen.

Der Kläger meint, die Anrechnung eines Mitverschuldens des Betreuers auf den ererbten Schadensersatzanspruch des Patienten komme nicht in Betracht, weil es einem Betreuer als medizinischem Laien nicht obliege, die ärztliche Behandlung des Betreuten laufend auf Beachtung des Facharztstandards zu kontrollieren. Die ärztliche Fehlbehandlung des Patienten habe dem Betreuer vorliegend nicht ins Auge springen müssen.

Hilfsweise rügt der Kläger auch die Unwirksamkeit der vom Betreuer des Patienten erteilten Einwilligung in die Fortführung der PEG-Sondenernährung wegen mangelhafter Aufklärung durch den Beklagten über das Fehlen der medizinischen Indikation.

Der Kläger hält auch in der Berufung an seiner Auffassung fest, dass der materielle Schaden des Patienten in der Differenz zwischen den für seine Lebenserhaltung notwendigen Kosten und den Leistungen von Kranken- und Pflegekasse, somit in Höhe von 52.592,- € bestehe. Hilfsweise macht der Kläger die Minderung des Barvermögens des Patienten zwischen dem 01.01.2010 und dem 19.10.2011 entsprechend den Vermögensabrechnungen des Betreuers in Höhe von 9.872,- € als Mindestschaden geltend. Der Einwand des Beklagten, der geltend gemachte Vermögensschaden werde durch eine Wertsteigerung der Immobilie des Patienten in diesem Zeitraum ausgeglichen, sei in der Berufung als verspätet zurückzuweisen. Außerdem sei das durch das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten bedingte Weiterleben des Patienten nicht ursächlich für eine etwaige Wertsteigerung gewesen.

Der Kläger beantragt,

  • 1.Das Urteil des Landgerichts München I vom 18.01.2017, 9 O 5246/14, wird aufgehoben.

  • 2.Der Beklagte hat an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 100.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

  • 3.Der Beklagte hat an den Kläger 52.592,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie 1.368,61 € als außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, er habe keine Pflichten gemäß §§ 1901a ff. BGB verletzt. Er habe dem Betreuer in mehreren Gesprächen den Gesundheitszustand des Patienten geschildert. Eine Beendigung der Sondenernährung habe er mit dem Betreuer, der die Situation des Patienten gekannt habe, nicht diskutiert. Der Betreuer habe ausdrücklich die weitere symptomatische Behandlung und pflegerische Versorgung des Patienten bis hin zu einer Krankenhauseinweisung bei Zustandsverschlechterung gewünscht. Dieser Anordnung habe der Beklagte Folge geleistet. Eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger habe ihm der Betreuer untersagt. Der Kläger sei auch nicht von sich aus an ihn herangetreten, um über einen Abbruch der künstlichen Ernährung zu sprechen. Der Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass der Betreuer sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechungen ein Bild davon gemacht habe, welche Vorstellungen der Betreute gehabt habe, und was er gewollt bzw. nicht gewollt habe. Der Betreuer habe hunderte von Telefonaten und Gespräche mit der Vertrauensperson des Patienten, Frau Vogl geführt, die ihn ausführlich über dessen jeweilige Situation informiert habe. Der Betreuer habe daraufhin die wohlüberlegte Entscheidung getroffen, dass die Fortsetzung der Sondenernährung dem Wunsch des Patienten entspreche. In diesem Zusammenhang sei von entscheidender Bedeutung gewesen, dass der Patient gegenüber der Vertrauensperson geäußert habe, „ich will alt werden“. Auch habe er auf Zuwendung und die Ansprache durch Frau V. „Herr S., sie wollen doch alt werden“, eindrucksvoll mit Entspannung und einem Öffnen der Augen reagiert. Das lasse keine andere Deutung als diejenige zu, dass der Patient sein Leben offensichtlich subjektiv noch als lebenswert empfunden und die aktive Herbeiführung seines Todes durch Einstellung der künstlichen Ernährung gerade nicht gewollt habe.

Eine Lebensverlängerung und insbesondere die Vermeidung qualvoller Aspirationspneumonien könne im Übrigen durchaus subjektiv wertvoll sein und habe die weitere Sondenernährung gerechtfertigt. Der Beklagte habe nach seiner ärztlichen und ethischen Auffassung den Tod des an keiner lebensverkürzenden internistischen Krankheit leidenden Patienten nicht herbeiführen oder empfehlen dürfen. Das Entfernen der Magensonde hätte nach Auffassung des Beklagten und des Betreuers zum damaligen Zeitpunkt eine verbotene aktive Sterbehilfe durch Verhungern/Verdursten des Patienten bedeutet. Das Belassen einer Magensonde sei anders zu beurteilen als das Legen der Sonde. Allenfalls könne dem Beklagten ein nicht sanktionierter Diagnoseirrtum vorgeworfen werden.

Es fehle jedenfalls an einer schuldhaften Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und / oder den §§ 1901a ff. BGB. Denn weder habe der Sachverständige ein Abweichen des Beklagten vom Facharztstandard erkennen können, noch sei das (angebliche) Unterlassen eines abwägenden Zusammenwirkens nach §§ 1901a ff. BGB bisher in einem Gerichtsurteil als Behandlungsfehler gewertet worden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen gebe es weder in der Literatur noch in Leitlinien einen klaren Handlungshinweis, ab welchem Zeitpunkt eine Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nicht mehr fortgeführt werden solle. Es gelte weiterhin der Grundsatz, dass dem Schutz des Lebens Vorrang eingeräumt werden müsse, mit anderen Worten „in dubio pro vita“. Weiterhin habe sich der Beklagte als Hausarzt auf die Beurteilung der Spezialisten in der Klinik, unter anderem eines Facharztes für Neurologie, verlassen dürfen, die ebenfalls keine eindeutige Indikation zur Beendigung der Nahrungszufuhr gesehen hätten. Schließlich habe der Beklagte auch deshalb nicht schuldhaft gehandelt, weil die Sach- und Rechtslage schwierig gewesen sei, was sich unter anderem daran zeige, dass selbst eine spezialisierte Arzthaftungskammer und ein Arzthaftungssenat voneinander divergierende und im Lauf des Verfahrens wandelnde Auffassungen geäußert und sich mit der Einordnung der Problematik erkennbar schwer getan hätten.

Die von dem Kläger erstmals in der Berufung erhobene Aufklärungsrüge sei verspätet. Der Beklagte beruft sich zudem auf die hypothetische Einwilligung des Betreuers in die Fortführung der PEG-Sondenernährung im Fall einer noch eingehenderen Besprechung der Situation des Patienten. Ein angeblicher Entscheidungskonflikt des Betreuers reiche nicht aus, eine fehlende Einwilligung in die Fortdauer der Sondenernährung und damit eine Haftung des Arztes für das Weiterleben des Patienten anzunehmen.

Das Landgericht habe sich zu Recht nicht davon überzeugen können, dass die PEG-Sondenernährung des Patienten vorzeitig beendet worden wäre, wenn der Beklagte mit dem Betreuer enger abwägend zusammengewirkt hätte.

Der Vortrag zum fiktiven Verhalten des Klägers im Fall der Information durch den Beklagten, dass die Fortführung der PEG-Sondenernährung lediglich der Lebenserhaltung und Verhinderung von Aspirationspneumonien diene, sei in der Berufung ebenfalls als verspätet zurückzuweisen. Dasselbe gelte für den neuen Vortrag in Bezug auf die behaupteten straf- und zivilrechtlichen Aktivitäten des Klägers gegen den Betreuer.

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz wieder den unbegründeten Vorwurf einer mangelhaften palliativen Therapie erhebe, könne wegen des erstinstanzlich erklärten Verzichts kein mit der Berufung angreifbarer Rechtsfehler des Landgerichts vorliegen. Außerdem sei der auf eine Instanz beschränkte Verzicht unzulässig, der Kläger habe vielmehr insoweit insgesamt auf Ansprüche verzichtet.

Der Beklagte erhebt auch in zweiter Instanz die Einrede der Verjährung.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

III.

Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.08.2017 die Parteien informatorisch zur Sache angehört und den Betreuer des Patienten, Rechtsanwalt Müller als Zeugen vernommen.

B.

I.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten aus ererbtem (§ 1922 Abs. 1 BGB) Recht seines Vaters einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung aus Behandlungsvertrag (§ 611 Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB), gerichtet auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 BGB) in Höhe von 40.000,- € nebst Prozesszinsen. Ein Vermögensschaden des Patienten ist demgegenüber nicht hinreichend dargelegt. Der Beklagte schuldet dem Kläger auch keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren, weil er deren Zahlung nicht dargelegt hat. Weitergehende deliktische Ansprüche sind nicht gegeben.

Im Einzelnen:

1. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Beklagte gegenüber dem Patienten die ihm aus § 1901b Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Behandlungsvertrag erwachsenden Pflichten verletzt hat. Danach hat der behandelnde Arzt zu prüfen, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des - zur Entscheidung selbst nicht mehr fähigen - Patienten indiziert ist, und diese Maßnahme mit dem Betreuer unter Berücksichtigung des Patientenwillens zu erörtern. Der Arzt schuldet mithin dem Betreuer eine Aufklärung (vgl. MünchKomm-BGB/Schwab, 7. Aufl. § 1901b Rn. 6) entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, die seit dem 26.02.2013 in § 630e Abs. 1 BGB normiert sind. Auf dieser Grundlage obliegt dem Betreuer sodann die Entscheidung darüber, ob er in die ärztliche Maßnahme nach § 1901a BGB einwilligt oder sie untersagt.

1.1. Ob der Beklagte demnach den Zeugen M. spätestens Anfang 2010 ausdrücklich darauf hinweisen musste, dass mit der künstlichen Ernährung kein Therapieziel im eigentlichen Sinn mehr verfolgt werden konnte, weil es keinerlei begründete Hoffnung und Aussicht auf eine Besserung des Zustandes gab (Gutachten Prof. Dr. Sch. / Dr. W. v. 20.01.2016, S. 21), kann offen bleiben. Ein Informationsbedarf dürfte insoweit auf Seiten des Betreuers allerdings nicht bestanden haben. Denn nach der glaubhaften Aussage des Zeugen M. war ihm zum damaligen Zeitpunkt bewusst, dass es nur noch darum ging, den bestehenden Zustand des Patienten weitestgehend zu erhalten, wobei allen Beteiligten klar gewesen sei, dass sich dieser Zustand sukzessive nur noch verschlechtern würde, und dass zu irgendeinem Zeitpunkt die „Sonde zu ziehen“ sei.

1.2. Der Beklagte war im Rahmen seiner Aufklärungspflicht vor diesem Hintergrund aber jedenfalls verpflichtet, mit dem Betreuer die Frage der Fortsetzung oder Beendigung der Sondenernährung eingehend zu erörtern (vgl. jetzt auch § 630e Abs. 1 Satz 1 BGB: „Der Behandelnde ist verpflichtet, … über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, … der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit … im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie“), was jedoch unstreitig unterblieben ist. Bei unklarer bzw. zweifelhafter Indikation für einen ärztlichen Eingriff ist regelmäßig eine besonders umfassende Aufklärung erforderlich (vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.10.2014 - VI ZR 14/14, juris-Rn. 12 mwN; zum vorliegenden Fall Duttge MedR 2017, 892, 894 - Besprechung des Urteils der Vorinstanz -). Dazu im Einzelnen:

1.2.1. Die Sachverständigen führen aus (Gutachten S. 14 f, 20 f), die künstliche Ernährung von Demenzpatienten mittels PEG sei im streitgegenständlichen Zeitraum in Fachkreisen intensiv diskutiert worden. Die im Gutachten bezeichneten Leitlinien/Empfehlungen aus dem Zeitraum bis 2010/2011 verhalten sich zu diesem Thema wie folgt:

„(1) Auszug aus der „DGEM-Leitlinie Enterale Ernährung: Ethische und rechtliche Gesichtspunkte“ (Aktuel Ernaehr Med 2003; 28, Supplement 1: S36-41, U. Körner et al):

„Anwendung der Sondenernährung“

Der Einsatz der Sondennahrungen erfolgt stets auf der Basis eines medizinisch begründeten Behandlungszieles. Eine Ernährungssonde darf nicht allein zum Zweck der Reduktion des Pflegeaufwandes gelegt werden.

Bei unsicherer Indikation empfehlen wir den Therapieversuch. Beim Eintreten von Komplikationen oder bei Ausbleiben des gewünschten Therapieerfolges ist von dem Therapieversuch Abstand zu nehmen.

Das Fortbestehen der Indikation für eine Sondenernährung muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Der Arzt muss in Situationen, in denen die Indikation (bei Komplikationen, im Sterbeprozess …) nicht mehr gegeben ist, bereit sein, die Entscheidung für eine Behandlungsalternative einschließlich Behandlungsabbruch zu treffen und muss dies den Entscheidungsberechtigten auch nachvollziehbar vermitteln.

Der Anspruch an die Sorgfalt und Begründung von Entscheidungen über die Anwendung einer Ernährung über eine Sonde ist besonders in solchen Fällen hoch, bei denen für einen Patienten (wie insbesondere einen Patienten im apallischen Syndrom) die Ernährungstherapie als einzige intensive kontinuierliche Maßnahme zur Lebenserhaltung erforderlich ist. Abgesehen davon, dass bei jedem Menschen einmal die Therapiebemühung an natürliche Grenzen stößt und einen Lebensgewinn für den Patienten nicht mehr ermöglicht, ist die Ernährung jedenfalls bei diesen Patienten indiziert und fortzusetzen, solange Möglichkeiten der Remission nicht ausgeschlossen sind.“

Umfang der Aufklärung

Die Aufklärung muss alternative Behandlungsmöglichkeiten (d.h. alternative Ernährungswege) einschließlich des Verzichts auf Sondenernährung und dessen Konsequenzen umfassen.

Einwilligungssubstitute

In Eilfällen, in denen die Entscheidung des gesetzlichen Vertreters nicht oder nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, ist der mutmaßliche Wille des Patienten maßgebend. Soweit keine anderen Anhaltspunkte erkennbar sind, gilt „in dubio pro vita“. Im Übrigen ist der mutmaßliche Patientenwille mit großer Sorgfalt zu ermitteln, insbesondere wenn es um die Beendigung einer Ernährungstherapie geht.

Medizinisch-ethische Bewertungsmaßstäbe

Die Lebensqualität als Entscheidungskriterium

Bei schwersten Krankheitszuständen und im Sterben kann die Sicherung von Lebensqualität zum alleinigen Behandlungsziel werden und tritt die Sicherung der Lebensdauer und des Überlebens als therapeutisches Ziel zurück. …

Anhang 1

Kommentar zur aktuellen Rechtslage zur Frage einer richterlichen Entscheidung über das Einstellen künstlicher Ernährung beim Fehlen eindeutiger Belege für den mutmaßlichen Willen (vgl. s. Rothärmel 2001)

Bis zu einer höchstrichterlichen oder parlamentarischen Entscheidung des Streites der Fachgerichte um die richterliche Genehmigungspflicht wird man aufgrund der heterogenen Rechtsprechung zur Einschaltung des Vormundschaftsgerichts raten müssen, wenn die Einstellung künstlicher Ernährung beim noch nicht sterbenden Patienten erwogen wird und wenn dessen mutmaßlicher Wille auch nach gründlicher Bemühung nicht zu erfahren ist. Dementsprechend lauten auch die Richtlinien der Bundesärztekammer.“

(2) Auszug aus der „Leitlinie Enterale Ernährung der DGEM und DGG: Trink- und Sondennahrung in der Geriatrie und geriatrisch-neurologischen Rehabilitation“ (Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198-225, D. Volker et al):

Zusammenfassung Nicht indiziert ist Sondenernährung dagegen in finalen Krankheitsstadien einschließlich finalen Stadien der Demenz sowie zur Pflegeerleichterung oder Zeitersparnis. Unabhängig von der Indikation muss die Entscheidung für oder gegen Sondenernährung immer individuell unter Berücksichtigung des (mutmaßlichen) Patientenwillens, vorhandener Komorbiditäten, des Krankheitsgrades und der Prognose getroffen werden.“

2.6. Ist bei Patienten mit Demenz eine enterale Ernährung indiziert?

Obwohl Auswirkungen einer Ernährungstherapie auf die Überlebenszeit und funktionelle Parameter bisher nicht adäquat untersucht sind, werden orale Supplemente bei Demenzkranken in frühen und mittleren Krankheitsstadien empfohlen. Die Entscheidung für Sondenernährung bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz bleibt eine Einzelfallentscheidung. Für final demente Patienten wird Sondenernährung nicht empfohlen.

Die Datenlage lässt es nicht zu, eine Sondenernährung für fortgeschrittene Demenzstadien zu empfehlen. Vor diesem Hintergrund bleibt jede Entscheidung zur PEG bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz und erkennbarem Risiko für Mangelernährung eine Einzelfallentscheidung (IV).

Für final Demenzkranke (irreversibel, immobil, kommunikationsunfähig, vollständig pflegeabhängig, mangelnde körperliche Reserven) wird eine Sondenernährung nicht empfohlen (IV).“

Anmerkung: Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. weist im Gutachten v. 20.01.2016, S. 15 darauf hin, „IV“ klassifiziere den niedrigsten wissenschaftlichen Evidenzgrad

1. Aus „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ (Deutsches Ärzteblatt 2004; Heft 19: A 1298-9)":

„II. Verhalten bei Patienten mit infauster Prognose

Bei Patienten, die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit sterben werden, weil die Krankheit weit fortgeschritten ist, kann eine Änderung des Behandlungszieles indiziert sein, wenn lebenserhaltende Maßnahmen Leiden nur verlängern würden und die Änderung des Therapieziels dem Willen des Patienten entspricht. An die Stelle von Lebensverlängerung und Lebenserhaltung treten dann palliativ-medizinische Versorgung einschließlich pflegerischer Maßnahmen.

Lässt sich der mutmaßliche Wille des Patienten nicht anhand der genannten Kriterien ermitteln, so soll der Arzt für den Patienten die ärztlich indizierten Maßnahmen ergreifen und sich in Zweifelsfällen für Lebenserhaltung entscheiden. Dies gilt auch bei einem apallischen Syndrom.“

(4) Nach Inkrafttreten des Dritten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes aktualisierte Fassung der „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ (Deutsches Ärzteblatt 2011; Heft 7 v. 18. Februar 2011: A 346-8):

II. Verhalten bei Patienten mit infauster Prognose

Bei Patienten, die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit sterben werden, ist eine Änderung des Behandlungsziels geboten, wenn lebenserhaltende Maßnahmen Leiden nur verlängern würden oder die Änderung des Behandlungsziels dem Willen des Patienten entspricht. An die Stelle von Lebensverlängerung und Lebenserhaltung tritt dann die palliativmedizinische Versorgung einschließlich pflegerischer Maßnahmen.“

III. Behandlung bei schwerster zerebraler Schädigung

Patienten mit schwersten zerebralen Schädigungen und kognitiven Funktionsstörungen haben, wie alle Patienten, ein Recht auf Behandlung, Pflege und Zuwendung. Art und Ausmaß ihrer Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten; eine anhaltende Bewusstseinsbeeinträchtigung allein rechtfertigt nicht den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen. Soweit bei diesen Patienten eine Situation eintritt, wie unter I. und II beschrieben, gelten die dort dargelegten Grundsätze.“

(5) „Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis“ (Deutsches Ärzteblatt 2007; Heft 13: A 891-6):

„Die Grundsätze der Bundesärztekammer enthalten wesentliche Aussagen zur ärztlichen Sterbebegleitung. Die vorliegenden Empfehlungen knüpfen daran an;

Sehr hilfreich kann es sein, das Ziel ärztlichen und pflegerischen Handelns jeweils zu überprüfen. Der Arzt hat zu hinterfragen, ob im konkreten Fall noch eine medizinische Indikation für eine bestimmte Therapie vorliegt. Wenn eine Behandlung nicht medizinisch indiziert ist, stellt sich die Frage nicht, ob der Patient mit dem Abbruch einverstanden wäre. An die Stelle von Lebensverlängerung und Lebenserhaltung treten dann palliativ-medizinische Versorgung und pflegerische Maßnahmen.“

(6) Weitere „Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis“ (Deutsches Ärzteblatt 2010; Heft 18: A 877-):

„Behandlungswünsche sind immer an die ärztliche Indikation gebunden. Ärztlicherseits besteht keine Verpflichtung, den Behandlungswünschen Folge zu leisten, wenn keine Indikation für eine Behandlung (mehr) besteht…

Konfliktsituationen

b) Der Patientenvertreter oder die Angehörigen des Patienten verlangen die Durchführung oder Weiterführung einer medizinisch nicht (mehr) indizierten Maßnahme. Besteht keine medizinische Indikation zur Einleitung oder Weiterführung einer Maßnahme, so darf diese nicht (mehr) durchgeführt werden. Die Übermittlung der Information über eine fehlende medizinische Indikation für lebensverlängernde Maßnahmen und die damit verbundene Therapiezieländerung hin zu palliativen Zielen stellt für Patienten und deren Angehörige meist eine extrem belastende Situation dar, die vom aufklärenden Arzt hohe kommunikative Kompetenzen verlangt Weder der Patient noch seine Vertreter oder seine Angehörigen können verlangen, dass der Arzt eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme durchführt. Ein Gesprächsangebot sollte immer bestehen bleiben ".

(7) „Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses Dezember 2008: Künstliche Ernährung und Flüssigkeitsversorgung“, S. 28:

„Regelmäßige Überprüfung der Indikation

Eine einmal begonnene Sondenernährung bedeutet nicht zwangsläufig deren Durchführung bis zum Lebensende. In regelmäßigen Abständen ist zu überprüfen, ob die Notwendigkeit der Sondenernährung noch besteht.

Übersteigt die Belastung in Folge der Sondenernährung die möglichen Vorteile (z.B. im Sinne einer verbesserten Lebensqualität) für die Patientin oder den Patienten, sollte sie eingestellt werden.“

1.2.2. Die Sachverständigen schlussfolgern daraus, dass eine medizinische Indikation für die Fortsetzung der Sondenernährung jedenfalls seit 2010 „möglicherweise“ nicht mehr vorgelegen habe. Die Unsicherheit in Bezug auf die Indikationsstellung wird maßgeblich damit begründet, dass der Wille des Patienten nicht zu ermitteln gewesen sei und es (äußerungsfähige) Patienten gebe, die bei vergleichbarem Leiden mit allen Mitteln am Leben erhalten werden wollten. Eine infauste Prognose habe bis September 2011 nicht bestanden, weil es keine Hinweise gegeben habe, dass der an keiner lebensverkürzenden internistischen Krankheit leidende Patient in absehbarer Zeit verstorben wäre (Gutachten S. 22, mündliche Anhörung v. 28.11.2016, S. 4). Betont wird die Notwendigkeit einer gemeinsamen Entscheidungsfindung aller Beteiligter (Gutachten, S. 20 ff).

1.2.3. Ob der Einschätzung der Sachverständigen uneingeschränkt vor dem Hintergrund gefolgt werden kann, dass

1. die zitierten Leitlinien / Empfehlungen durchaus zwischen der medizinischen Indikation einerseits und dem zu beachtenden tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen andererseits differenzieren,

2. die - nicht indizierte - Anlage einer PEG im Stadium finaler Demenz (siehe oben, insbesondere Leitlinien „Enterale Ernährung“) medizinisch eigentlich nicht anders bewertet werden kann als die Einstellung der Ernährung über eine bereits vorhandene Sonde in diesem Krankheitsstadium,

3. eine infauste Prognose (übliche Definition: der Zustand des Patienten ermöglicht keine Heilung mehr und mit dem Tod ist zu rechnen) von den Sachverständigen allein deshalb verneint wird, weil der Patient ausschließlich aufgrund der künstlichen Ernährung noch auf unbestimmte Zeit am Leben erhalten werden konnte, und

4. das Gutachten eine fundierte Auseinandersetzung mit den abweichenden Feststellungen des Privatgutachters Dr. med. T. zur Frage der Indikation (vgl. Anlage K2) partiell vermissen lässt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls bleibt festzuhalten, dass die einschlägigen Leitlinien / Empfehlungen übereinstimmend die Beendigung der künstlichen Ernährung in dem weit fortgeschrittenen und irreversiblen Krankheitsstadium, in dem sich der Patient befand, nicht verbieten, sondern eher die Entscheidung für einen Behandlungsabbruch nahelegen, wobei die Leitlinien „Enterale Ernährung“ hier am deutlichsten sind, die recht vage gehaltenen Empfehlungen der Bundesärztekammer - insbesondere die überarbeitete Fassung aus dem Jahr 2007 - grundsätzlich aber auch in diese Richtung weisen. Der Beklagte hat es unterlassen, dies dem Betreuer, der auch nicht anderweitig, etwa von den Ärzten im Klinikum N. h, darüber informiert worden war, zu kommunizieren. In diesem Zusammenhang wäre von dem Beklagten auch noch einmal klarzustellen gewesen, dass

(1) sich die Situation des Betreuten von der etwa eines Wachkomapatienten mit apallischem Syndrom wesentlich dadurch unterschied, dass vorliegend jegliche „Möglichkeit der Remission“ (vgl. „DGEM-Leitlinie Enterale Ernährung: Ethische und rechtliche Gesichtspunkte“, aaO) ausgeschlossen war,

(2) das bei Anlage der Sonde im Jahr 2006 maßgeblich verfolgte Ziel der Verhinderung von Aspirationspneumonien nicht erreicht worden war, sondern diese Komplikation trotzdem mehrfach aufgetreten war, und mit weiteren Komplikationen gerechnet werden musste,

(3) der Grundsatz „in dubio pro vita“ nach den einschlägigen ärztlichen Leitlinien (vgl. z.B. „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, aaO) nur dann eingreift, wenn eine Maßnahme medizinisch indiziert ist, aber insbesondere wegen Eilbedürftigkeit die Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann,

(4) ärztlicherseits keine Verpflichtung besteht, Behandlungswünschen bei fehlender medizinischer Indikation Folge zu leisten (vgl. „Empfehlungen der Bundesärztekammer und der zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer“ aus den Jahren 2007 und 2010, aaO), und

(5) die Einstellung der Sondenernährung und Umstellung der Behandlung auf eine rein palliative Versorgung erwogen werden sollte, wenn die aus der Fortführung resultierenden gesundheitlichen Belastungen für den Patienten die möglichen Vorteile (insbesondere eine verbesserte Lebensqualität) übersteigen (vgl. „Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses“, aaO), was vorliegend in Anbetracht des desaströsen Zustands des bereits jahrelang bettlägerigen Patienten - mit Dekubiti, zunehmendem Rigor, regelmäßigem Fieber, Schmerzen, Atembeschwerden, viermaligen Lungenentzündungen, Gallenblasenentzündung, vollkommener Immobilität, Kommunikationsunfähigkeit, Inkontinenz etc. - nahe lag.

Eine solche Diskussion hat zwischen dem Beklagten und dem Betreuer unstreitig nicht stattgefunden.

2. Die Beweisaufnahme durch den Senat hat nicht eindeutig ergeben, welche Entscheidung nach § 1901a BGB der Zeuge M. als Betreuer des Patienten im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch den Beklagten getroffen hätte.

2.1. Der Zeuge gab an, eine Frau V., die den Patienten bis zu dessen Ableben regelmäßig im Pflegeheim besucht habe und mit der er in Kontakt gestanden sei, habe ihm berichtet, der Patient habe ihr früher, als er noch sprechen konnte, gesagt, „ich will alt werden“. Weiter könne er sich an eine Begebenheit erinnern, als er im Heim gemeinsam mit Frau V. am Bett des völlig verkrampften Patienten gewesen sei. Auf ihre Ansprache „Herr S., sie wollen doch so alt werden“, habe sich dieser spürbar entspannt und sogar die Augen geöffnet. Während eines Krankenhausaufenthalts habe ihm ein dort tätiger Arzt gesagt, man könne den Patienten nicht verhungern lassen. Wenn ihm der Beklagte nahegelegt hätte, die Sondenernährung zu beenden, hätte er sich mit anderen Ärzten, dem Betreuungsgericht und auf eine entsprechende Aufforderung des Gerichts auch mit dem Kläger als Sohn des Betreuten verständigt. Er habe ja den mutmaßlichen Willen des Betreuten beachten müssen. Für ihn sei der Wille des Patienten darauf gerichtet gewesen, am Leben erhalten zu werden. Das habe er aus der früheren Äußerung des Patienten gegenüber Frau V. geschlossen, er wolle möglichst alt werden, aus der geschilderten Reaktion des Patienten auf die Ansprache von Frau V., und daraus, dass der Patient auf Zuwendung von Frau V. immer noch reagiert habe. Er sei allerdings nicht der Überzeugung, dass ein Betreuter um jeden Preis und in allen Fällen am Leben erhalten werden müsse. Am Ende eines Entscheidungsprozesses unter Einbeziehung weiterer Ärzte und des Betreuungsgerichts hätte auch die Beendigung einer Sondenernährung stehen können. Auf jeden Fall hätte er sich vor einer solchen Entscheidung medizinisch und rechtlich beraten lassen.

2.2. Hätte sich der Betreuer, wie von ihm angegeben, im Fall des Aufwerfens der Frage einer Beendigung der Sondenernährung durch den Beklagten an das Betreuungsgericht gewendet, kann davon ausgegangen werden, dass das Gericht dem Betreuer aufgegeben hätte, zur Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens eine Äußerung des Klägers nach § 1901b Abs. 2 BGB einzuholen. Wie der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat noch einmal glaubhaft dargelegt hat, hätte er sich in Anbetracht des „schrecklichen Zustandes“ seines Vaters gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung ausgesprochen, wobei er zur Ermittlung eines mutmaßlichen Willens des Betreuten selbst nichts hätte beitragen können. Möglicherweise hätte das Betreuungsgericht von Amts wegen noch weitere Erkundigungen eingezogen, etwa in Form einer Befragung des Pflegepersonals. So kann der Umstand, ob ein mit PEG-Sonde ernährter Patient auf natürlichem Wege angebotene Nahrung zurückweist oder sie zumindest aufzunehmen versucht, durchaus ein Indiz für seinen nach § 1901a Abs. 2 BGB zu ermittelnden Willen sein. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit kann weiter angenommen werden, dass das Betreuungsgericht den Zeugen M. darauf hingewiesen hätte, dass die von ihm gesehenen Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Lebenswillen des Patienten trotz seines desolaten Zustands (frühere Aussage „ich will alt werden“ sowie eine vermeintliche Entspannungsreaktion auf Ansprache der Frau Vogel) im Rahmen einer Gesamtbewertung nach § 1901a Abs. 2 BGB nicht hinreichend tragfähig sind. Entsprechend ist auch zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits unstreitig, dass sich ein mutmaßlicher Wille des Patienten bezüglich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen, insbesondere durch künstliche Ernährung, nicht feststellen ließ.

2.3. Vor diesem Hintergrund wäre eine Entscheidung des Zeugen M. zugunsten einer Fortsetzung der Sondenernährung nach Einschaltung des Betreuungsgerichts und weiterer Ärzte nicht von vornherein determiniert gewesen, vielmehr hätten die dort gewonnenen Informationen seine Einschätzung, die Ernährung durch Sonde müsse aufrechterhalten werden, in Frage stellen können. Das Pendel hätte nach eigener Aussage des Zeugen also auch - ggf. nach Einholung einer Genehmigung des Betreuungsgerichts nach § 1904 BGB im Fall eines Dissenses zwischen Arzt und Betreuer (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 08.02.2017 - XII ZB 604/15, juris-Rn. 28 ff; Palandt/Götz, BGB 77. Aufl. § 1901a Rn. 8) - zugunsten einer Einstellung der künstlichen Ernährung mit der Folge des alsbaldigen Todes des Patienten, der nach den Feststellungen der Sachverständigen dann frühestens Mitte / Ende Januar 2010 eingetreten wäre, ausschlagen können.

2.4. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von dem Beklagten angeführten Grundsatz „in dubio pro vita“. Lässt sich der mutmaßliche Wille des Betreuten nicht feststellen, gilt für den Betreuer die allgemeine Regel des § 1901 Abs. 2 BGB, sodass das (subjektive) „Wohl des Betreuten“ Maßstab seines Handelns ist. Was dem Wohl - Definition Duden: der Zustand, in dem sich jemand in seinen persönlichen Verhältnissen wohlfühlt - eines schwerkranken und nicht mehr äußerungsfähigen Patienten am Ende seines Lebens entspricht, hängt von allgemeinen Wertvorstellungen ab, die wiederum von medizinischen Wertungen beeinflusst werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2003 - XII ZB 2/03, juris-Rn. 46). In der Gesetzesbegründung zu § 1901a Abs. 2 BGB (BT-Drucks. 16/8442 S. 16) heißt es: „Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinleitung oder die Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille des Betreuten auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisse nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betreuten zu entscheiden und dabei dem Schutz des Lebens Vorrang einzuräumen.“ (zitiert auch von BGH, Beschluss vom 06.07.2016 - XII ZB 61/16, juris-Rn. 37) Allerdings beziehen sich diese Ausführungen auf nach § 1901a BGBindizierte ärztliche Maßnahmen bzw. Eingriffe. Entsprechend formulieren die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ 2004 (s.o.): „Lässt sich der mutmaßliche Wille des Patienten nicht anhand der genannten Kriterien ermitteln, so soll der Arzt für den Patienten die ärztlich indizierten Maßnahmen ergreifen und sich in Zweifelsfällen für Lebenserhaltung entscheiden. Vorliegend war jedoch schon die medizinische Indikation für die Sondenernährung sehr zweifelhaft, weshalb auch der Grundsatz „Im Zweifel für das Leben“, ebenso wie bei offensichtlich fehlender Indikation oder Kontraindikation, nicht eingreifen kann (wie hier Weigl, MittBayNot 2017, 346, 353; a.A. Huber, GesR 2017, 613, 618 - Anmerkung zum Urteil der Vorinstanz -; wohl auch Kutzer, MedR 2010, 531, 533) und weder die Entscheidung des Betreuers noch ggf. des Betreuungsgerichts im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens präjudiziert hätte.

3. Der Kläger hat im gesamten Rechtsstreit das - weitgehend unstreitige - Verhalten des Beklagten als behandlungsfehlerhaft und pflichtwidrig gerügt. Bereits im Schriftsatz vom 11.09.2014 wurde ein Verstoß des Beklagten gegen § 1901b BGB geltend gemacht, und dazu weiter ausgeführt im (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 01.12.2016. Auf die Unwirksamkeit der von dem Betreuer des Patienten erteilten Einwilligung in die Fortführung der PEG-Sondenernährung wegen mangelhafter Aufklärung durch den Beklagten hat sich der Kläger in der ersten Instanz allerdings nicht ausdrücklich berufen. Das Landgericht hat sich in Ziffer 2.4. der Entscheidungsgründe dennoch auch mit der Frage eines Aufklärungsmangels befasst. Im zweiten Rechtszug hat der Kläger im Schriftsatz vom 16.08.2017 auf Nachfrage erklärt, dass er seine Ansprüche hilfsweise auch auf fehlende Aufklärung stützt. Der Senat ordnet einen Verstoß des behandelnden Arztes gegen § 1901b Abs. 1 BGB jedenfalls bei unsicherer bzw. zweifelhafter Indikationslage nach den herkömmlichen Kategorien des Arzthaftungsrechts abweichend von der Auffassung des Landgerichts nicht als Behandlungsfehler und auch nicht als Problem der therapeutischen Aufklärung bzw. Sicherungsaufklärung (seit dem 26.02.2013: § 630c Abs. 2 BGB) ein, sondern als Verletzung der Pflicht zur Eingriffsaufklärung als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung des Betreuers in die Fortsetzung der lebenserhaltenden Behandlung. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung klägerischen Vorbringens in der Berufungsinstanz liegen insoweit nicht vor, weil es sich schon nicht um ein neues Angriffsmittel im Sinn der §§ 531 Abs. 2, 146 ZPO handelt, sondern um die rechtliche Bewertung eines bereits in erster Instanz in den Rechtsstreit eingeführten Sachverhalts.

4. Die Folge der Nichtaufklärbarkeit der Frage, ob sich der Betreuer bei gehöriger Information durch den Beklagten für oder gegen die Fortsetzung der Sondenernährung entschieden hätte und der Patient dann möglicherweise bereits im Januar 2010 verstorben wäre, trifft den Beklagten. Grundsätzlich trägt zwar der Gläubiger die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden (vgl. Palandt/Grüneberg aaO § 280 Rn. 38 mwN). Nach allgemeinen Grundsätzen des Arzthaftungsrechts muss jedoch der Behandelnde beweisen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. Urt. v. 22.01.1980 - VI ZR 263/78, juris-Rn. 20; seit dem 26.02.2013: § 630h Abs. 2 BGB). Der Kläger hat einen Entscheidungskonflikt plausibel dargelegt, wobei er sogar der Auffassung ist, dass der Betreuer nur eine einzige vertretbare Entscheidungsmöglichkeit gehabt hätte, nämlich für die Einstellung der künstlichen Ernährung. Von einer hypothetischen Einwilligung - im vorliegenden Fall: des Betreuers - konnte sich der Senat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht überzeugen, wie vorstehend ausgeführt. Die vom Landgericht erörterte Frage, ob die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. dazu Palandt/Grüneberg aaO Rn. 39) in dieser Konstellation eingreift oder wegen „Höchstpersönlichkeit“ der Entscheidung des Betreuers außen vor zu bleiben hat, kann offenbleiben.

5. Der Beklagte hat den ihm obliegenden Entlastungsbeweis (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, nicht geführt.

5.1. Der Beklagte kann sich nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum (vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2006 - VI ZR 206/05, juris-Rn. 8; im Strafrecht: § 17 Satz 1 StGB) berufen, weil die für den vorliegenden Fall relevante Rechtsfrage jedenfalls mit Einführung der Erörterungspflicht über die medizinisch indizierte Maßnahme zwischen Arzt und Betreuer des Patienten in § 1901b Abs. 1 BGB geklärt war. Die §§ 1901a und b BGB wurden nach jahrelanger intensiver Diskussion in juristischen wie ärztlichen Fachkreisen über die Bindungswirkung und Reichweite von Patientenverfügungen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 17.03.2003 - XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205; v. 08.06.2005 - XII ZR 177/03, BGHZ 163, 195) durch das am 01.09.2009 in Kraft getretene 2. BtÄndG vom 29.07.2009 (BGBl. I S. 2286) eingefügt. Sofern nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs v. 17. März 2003 (aaO, juris-Rn. 42) und 08. Juni 2005 (aaO, juris-Rn. 9 ff) noch Unsicherheiten bestanden haben mögen, unter welchen Voraussetzungen ein Behandlungsabbruch bei schwerstkranken Patienten grundsätzlich zulässig war - ob erst bei „Eintritt in eine mutmaßlich unmittelbar zum Tod führende Phase der Grunderkrankung“ oder bereits dann, wenn die Grunderkrankung einen „irreversibel tödlichen Verlauf“ angenommen hatte, wurde durch § 1901a Abs. 3 BGB auch klargestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.2014 aaO, juris-Rn. 22), dass es auf Art und Stadium der Erkrankung für die von dem Betreuer unter Einbeziehung des Arztes zu treffende Entscheidung nicht ankommt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst eingeräumt, sich nicht im Detail mit der Gesetzeslage und der diesbezüglichen Diskussion in der Ärzteschaft beschäftigt zu haben. Dies wäre indes für ihn als Allgemeinmediziner, der nach eigenen Angaben regelmäßig Patienten behandelt hat, die unter Betreuung standen und in Pflegeheimen untergebracht waren, geboten und zumutbar gewesen.

5.2. In diesem Zusammenhang entlastet es den Beklagten auch nicht, dass das OLG Naumburg in einer Entscheidung vom 22.08.2013 (1 U 118/11, BeckRS 2013, 22072, unter Ziffer 4b) im Fall eines hoffnungslosen Wachkomapatienten bei Fehlen einer Patientenverfügung, nicht feststellbarem Patientenwillen und fehlendem Konsens mit den Angehörigen über einen Behandlungsabbruch auf eine Verpflichtung der behandelnden Krankenhausärzte erkannt hat, den Patienten nach Auftreten einer Komplikation intensivmedizinisch weiterzubehandeln. Denn zum Einen ging es hier um einen Sachverhalt aus dem Jahr 2004, mithin vor Inkrafttreten der §§ 1901 a ff BGB. Zum Anderen hat der Beklagte, wie vorstehend ausgeführt, die nötige Erörterung über das Für und Wider einer Fortsetzung der künstlichen Ernährung oder des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme mit dem Betreuer gar nicht erst vorgenommen, sodass dieser auch keinen „informed consent“ in die Behandlung erteilen konnte.

5.3. Der Beklagte kann sich gegen den Vorwurf einer fahrlässig ungenügenden Erörterung der Situation des Patienten und der für ihn medizinisch indizierten Maßnahme mit dem Betreuer nach § 1901b Abs. 1 BGB nicht erfolgreich damit verteidigen, dass in ärztlichen Leitlinien und Literatur eine klare Handlungsanweisung gefehlt habe, ab welchem Zeitpunkt eine Sondenernährung nicht mehr fortgeführt werden solle. Denn auch wenn die einschlägigen Richtlinien dem Arzt insoweit einen Ermessensspielraum eröffnet haben, bedeutet das keine Entbindung von der Pflicht des Behandelnden zur Aufklärung des Patienten - bzw. hier: seines Betreuers -, vielmehr erforderte die vorliegende Situation mit zweifelhafter Indikationslage gerade eine besonders gründliche Erörterung.

5.4. Weiter durfte der Beklagte nicht wegen seiner persönlichen Einstellung in Fragen der passiven Sterbehilfe, die bei nicht feststellbarem Patientenwillen eine Beendigung der künstlichen Ernährung mit der Folge des Todeseintritts nicht zuließe (vgl. Anhörung v. 24.08.2017, Protokoll S. 3), dem Betreuer die erforderlichen Informationen vorenthalten und sich dessen Behandlungswünschen in Bezug auf den Patienten diskussionslos unterordnen. Der Beklagte hätte sich unter Berufung auf seine ethische Auffassung zwar gänzlich aus der Behandlung des Patienten zurückziehen können, das hat er aber nicht getan.

5.5. Schließlich kann sich der Beklagte seiner Verantwortung als Hausarzt nicht damit entziehen, dass Fachärzte in der Klinik, in die er den Patienten bei Komplikationen mehrfach hatte einweisen lassen, nicht von sich aus eine Beendigung der Sondenernährung zur Diskussion gestellt hatten. Die Sachverständigen haben zwar ausgeführt, dass ein Hausarzt grundsätzlich davon ausgehen könne, dass beteiligte spezialisierte Fachkollegen ihrer Behandlungspflicht gerecht würden und sie die fachgebietliche Verantwortung übernähmen. Der Hausarzt müsse sich auf die Beurteilungen der Spezialisten verlassen (Gutachten v. 20.01.2016, S. 13 und 22). Der Patient befand sich von Anfang 2010 bis zu seinem Tod am 19.10.2011 allerdings nur zweimal für jeweils kürzere Zeiträume in stationärer Behandlung im Klinikum N. (28.05.2010 - 18.06.2010 und vom 08.10.2011 bis zum Versterben), wobei es nachvollziehbar ist, dass sich die dortigen (Fach-)Ärzte weniger mit der Gesamtsituation des Patienten befasst haben als mit der punktuellen Behandlung der jeweiligen Komplikation bzw. akuten Erkrankung. Nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts entlastet es einen Schädiger nicht, dass verschiedene Beteiligte gemeinschaftlich oder unabhängig voneinander denselben Schaden verursacht haben. Die Problematik der PEG-Sondenernährung final demenzkranker Patienten fällt schließlich auch nicht exklusiv in das Spezialgebiet eines Neurologen, Geriatrers oder eines anderen Facharztes, vielmehr sind insoweit gerade Allgemeinmediziner und Internisten angesprochen, die in der hausärztlichen Versorgung von Patienten speziell in Alten- und Pflegeheimen tätig sind.

6. Die aus der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beklagten - möglicherweise -resultierende Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stellt nach Auffassung des Senats grundsätzlich einen nach den §§ 249 ff BGB ersatzfähigen Schaden dar.

6.1. Soweit ersichtlich, gibt es zu dieser Problematik bisher im Inland keine Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat allerdings im sog. „Röteln“-Fall (BGH, Urt. v. 18.01.1983 - VI ZR 114/81, BGHZ 86, 240), in dem ein Arzt die Gefahr einer Schädigung des Fötus infolge Röteln-Erkrankung der Mutter während der Frühschwangerschaft schuldhaft nicht erkannt hatte, einen eigenen Schadensersatzanspruch des mit schwersten Schädigungen geborenen Kindes, das nach dem Vortrag der Eltern bei pflichtgemäßem Verhalten des Arztes abgetrieben worden wäre, aus dem Rechtsgrund des „wrongful life“ abgelehnt. Der BGH hat die Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass die deliktischen Verhaltensnormen auf Integritätsschutz ausgerichtet seien, nicht aber dazu dienten, die Geburt einer Leibesfrucht deshalb zu verhindern, weil das Kind voraussichtlich mit Gebrechen behaftet sein würde, die sein Leben als „unwert“ erscheinen ließen. Das menschliche Leben sei ein absolut erhaltenswertes, höchstrangiges Rechtsgut; keinem Dritten stehe darüber ein Werturteil zu. Deshalb dürfe auch die Pflicht, das Leben eines Erkrankten oder schwer Verletzten zu erhalten, nicht von dem Urteil über den Wert des erhaltbaren Lebenszustandes abhängig gemacht werden. Nur bei der Frage, inwieweit nur noch einzelne Lebensfunktionen durch künstliche Maßnahmen ohne Hoffnung auf Besserung aufrecht zu erhalten seien, könne dieser Grundsatz eine gewisse Grenze finden. Weiter entziehe es sich einer allgemeinverbindlichen Beurteilung, ob Leben mit schweren Behinderungen gegenüber der Alternative des Nichtlebens überhaupt im Rechtssinne einen Schaden oder aber eine immer noch günstigere Lage darstelle. Der Mensch habe grundsätzlich sein Leben so hinzunehmen, wie es von der Natur gestaltet sei, und habe keinen Anspruch auf seine Verhütung oder Vernichtung durch andere. Hier fange ein Bereich an, in dem eine rechtliche Regelung der Verantwortung für weitgehend schicksalhafte und naturbedingte Verläufe nicht mehr sinnvoll und tragbar sei. Das Kind könne auf den Abbruch dieses schicksalhaften Verlaufs keinen Anspruch haben.

Die für die Verneinung eines kindlichen Schadensersatzanspruchs wegen „wrongful life“ maßgeblichen Erwägungen kommen in der vorliegenden Fallkonstellation im Wesentlichen nicht zum Tragen. Zunächst einmal geht es nicht darum, das Leben eines schwerkranken Patienten als „unwert“ zu qualifizieren, sondern um die Frage, ob die Fortsetzung der Sondenernährung oder nicht eher das Zulassen des Sterbens seinem Wohl besser dient. Der Bundesgerichtshof plädiert in der Entscheidung selbst nicht für eine absolute Pflicht zur Lebenserhaltung in Situationen, in denen durch künstliche Maßnahmen lediglich einzelne körperliche Funktionen ohne Aussicht auf Besserung aufrechterhalten werden können. Soweit die Begründung auf den natürlichen und schicksalhaften Verlauf der Dinge abstellt - mit anderen Worten: das Schicksal bzw. die Natur habe es gewollt, dass die werdende Mutter an Röteln erkrankt und ihr Fötus dadurch geschädigt wird, was die Rechtsordnung hinzunehmen habe -, liegt der Fall hier gänzlich anders. Denn die Zuführung von Nährstoffen über eine PEG-Sonde bei einem Patienten, der infolge schwerer und irreversibler zerebraler Schäden auf natürlichem Wege trotz Hilfeleistung keine Nahrung mehr zu sich nehmen kann, ist gerade ein widernatürlicher Eingriff in den normalen Verlauf des Lebens, zu dem auch das Sterben gehört.

6.2. Es verbleibt allerdings das grundsätzliche Problem, ob das (Weiter-) Leben, wenn auch unter schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Leiden, gegenüber dem Tod bzw. der Nichtexistenz einen Schaden im Rechtssinn darstellen kann. Der Senat bejaht dies im vorliegenden Fall. Wenn nach Beweislastregeln zu unterstellen ist, dass der Betreuer den Patienten hätte sterben lassen, weil der Tod für ihn eine Erlösung gewesen wäre, muss das auch schadensrechtlich so gesehen werden. Es würde zudem einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn man einerseits die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe durchgeführte, lebenserhaltende künstliche Ernährung als fortdauernden einwilligungsbedürftigen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten ansieht (BGH, Beschluss vom 17.03.2003 aaO, juris-Rn. 31; v. 08.06.2005 aaO, juris-Rn. 9), und anderseits diesem Sachverhalt eine schadensbegründende Qualität von vornherein abspräche.

6.3. Der Senat schließt sich einer in der Literatur vertretenen Auffassung, die einen Schadensersatzanspruch wegen nicht gerechtfertigter Lebensverlängerung nur im Fall eindeutig unvertretbaren ärztlichen Handelns in Betracht ziehen will (vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 7. Aufl. Rn. 986), nicht an. Für eine Haftungsbeschränkung auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Verschulden des Arztes sind keine triftigen Gründe ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass vorliegend ein vertraglicher Schadensersatzanspruch im Raum steht, erscheint auch eine Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze zur schuldhaften Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht angebracht, wonach ein Anspruch auf eine Geldentschädigung nur bei schwerwiegenden Eingriffen besteht, deren Folgen nicht auf andere Weise befriedigend aufgefangen werden können (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, juris-Rn. 38). Ein ersatzfähiger Schaden des Patienten wird unter normativen Gesichtspunkten weiter nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch typischerweise in den Nachlass fällt und erst von den Erben geltend gemacht wird. In Fällen, in denen die schädigende Handlung den Tod des Geschädigten zur Folge hat, ist dies die Regel (vgl. jetzt auch Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, BGBl. 2017 I Nr. 48, S. 2421). Schließlich wird ein Schadensersatzanspruch gegen den Arzt (oder Betreuer) wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die aus §§ 1901a und b BGB erwachsenden Pflichten nicht dadurch ausgeschlossen, dass Angehörigen des Patienten grundsätzlich die Möglichkeit offensteht, nach § 1904 BGB das Betreuungsgericht anzurufen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17.09.2014 - XII ZB 202/13, juris-Rn. 18 aE mit Verweis auf BT-Drucks. 16/8442 S. 19).

7. Der Kläger muss sich auf den ererbten Schadensersatzanspruch des Patienten kein Mitverschulden des Betreuers anrechnen lassen. Nach §§ 254 Abs. 2 Satz 3, 278 BGB ist bei Vorliegen vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien dem Geschädigten das Mitverschulden seiner gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen bereits beim haftungsbegründenden Vorgang anzurechnen, soweit er sich ihrer zur Wahrnehmung seiner Interessen im Schuldverhältnis bedient hat (vgl. BGH, Urt v. 27.11.2008 - VII ZR 206/06, juris-Rn. 31). Der Betreuer ist innerhalb seines Aufgabenkreises gesetzlicher Vertreter des Betreuten (vgl. Palandt/Grüneberg aaO § 278 Rn. 5; Palandt/Götz aaO § 1902 Rn. 2). Hier erscheint allerdings schon zweifelhaft, ob der Patient im Rahmen des Behandlungsvertrages mit dem Beklagten überhaupt (noch) Obliegenheiten hatte (vgl grundsätzlich zu Patientenobliegenheiten Palandt/Weidenkaff aaO § 630c Rn. 2). Letztendlich kann dies offenbleiben, denn zur Überzeugung des Senats hätte sich jedenfalls an dem Verlauf für den Patienten nichts geändert, wenn der Zeuge M. von sich aus im Gespräch mit dem Beklagten die Frage aufgeworfen hätte, ob die Fortsetzung der künstlichen Ernährung tatsächlich noch medizinisch indiziert war, oder ob es nicht doch eher ratsam wäre, die Behandlung auf ein rein palliative Versorgung unter Beendigung der Sondenernährung umzustellen. Nach dem persönlichen Eindruck und den Angaben des Beklagten im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Senat besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass der Beklagte dem Betreuer auf eine entsprechende Frage nicht die vorstehend unter Ziffer 1.2.3 aufgeführten Informationen gegeben, sondern ihn lediglich mit den Worten „Wir können Herrn S. doch nicht verhungern und verdursten lassen“ oder einer ähnlichen Bemerkung verbeschieden hätte. Mehr als die Erkundigung bei dem Beklagten schuldete der Zeuge M. auch in seiner Stellung als Berufsbetreuer und Rechtsanwalt nicht, vielmehr durfte er sich als medizinischer Laie auf die ärztliche Beurteilung durch den Beklagten verlassen.

Die Anrechnung eines eigenen Mitverschuldens des Klägers auf den ererbten Anspruch kommt von vornherein nicht in Betracht, weil der Kläger weder gesetzlicher Vertreter noch Erfüllungsgehilfe seines Vaters im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten war.

8. Bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch umfasst die Ersatzpflicht des Schädigers für eine Körper- oder Gesundheitsverletzung dann nach § 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld, wenn der Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht dies gebietet (vgl. BGH, Urt. v. 09.07.2009 - IX ZR 88/08, juris-Rn. 12). Dies ist für die Pflicht des behandelnden Arztes aus § 1901b Abs. 1 BGB zur Erörterung der für den Patienten medizinisch indizierten Maßnahmen, die regelmäßig die Grundlage weitreichender Entscheidungen des Betreuers bildet, zu bejahen. Der Schmerzensgeldanspruch ist, im Gegensatz zu einem Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2014 -VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45, juris-Rn. 8), nach der Streichung des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF auch uneingeschränkt vererblich.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist zunächst zu beachten, dass bereits die Verletzung des Integritätsinteresses des Patienten, dem ohne wirksame Einwilligung über einen längeren Zeitraum mittels einer Magensonde Nahrung verabreicht wurde, für sich betrachtet ein Schmerzensgeld rechtfertigt. Hier kommt erschwerend hinzu, dass der bettlägerige und inkontinente Patient über einen Zeitraum von ca. 21 Monaten bis zum Eintritt des Todes massive gesundheitliche Beeinträchtigungen (inbesondere Dekubiti, Krämpfe, Fieber, Schmerzen, Atembeschwerden, Pneumonien, Gallenblasenentzündung) durchleiden musste, auch wenn seine Wahrnehmungsfähigkeit infolge des fortgeschrittenen zerebralen Abbaus -möglicherweise stark - eingeschränkt gewesen sein mag. Der Beklagte hat zwar weder die weitgehende Zerstörung der Persönlichkeit des Patienten als Folge der degenerativen Gehirnerkrankung noch die beschriebenen gesundheitlichen Komplikationen zu vertreten. Er ist aber mitverantwortlich dafür, dass der Patient in diesem Zustand weiter gelebt hat und leben musste. Das rechtfertigt es, mit Blick auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung in Art. 1 GG und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung in Fällen schwerer Geburtsschäden (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1992 - VI ZR 201/91, juris-Rn. 28 ff) auf ein über eine bloß symbolhafte Entschädigung hinausgehendes Schmerzensgeld zu erkennen, dessen Höhe jedenfalls nicht in erster Linie davon abhängt, in welchem Ausmaß der Patient die Beeinträchtigungen tatsächlich empfunden hat. Unter Berücksichtigung aller Umstände erachtet der Senat im vorliegenden Fall deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- € als angemessen.

9. Ein Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens besteht demgegenüber nicht. Ist - wie hier - Naturalrestitution (§ 249 BGB) nicht möglich, ist nach § 251 BGB die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert zu ersetzen (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2010 - IX ZR 104/08, juris-Rn. 29). Vorliegend ist somit das Vermögen des Patienten zum Zeitpunkt des hypothetischen Versterbens im Januar 2010 mit seinem Vermögen am Todestag zu vergleichen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats vorgetragen, nach der Abrechnung des Betreuers habe sich das Barvermögen des Patienten von 94.281,- € am 01.01.2010 auf 84.409,- € am 19.10.2011 vermindert. Der Patient war jedoch unstreitig auch Eigentümer eines Hausgrundstücks in München, von dem der Beklagte behauptet hat, dass es im maßgeblichen Zeitraum zwischen 2010 und 2012 erheblich an Wert gewonnen habe. Es ist gerichtsbekannt, dass die Preise für Bestands-Wohnimmobilien im Raum München in dieser Zeitspanne im Durchschnitt erheblich gestiegen sind, nämlich um ca. 10% p.a. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen, konkret vorzutragen, aus welchen Gründen die von ihm ererbte Immobilie im genannten Zeitraum an der allgemeinen Wertentwicklung nicht teilgenommen hat. Er hat aber lediglich Verspätung des Sachvortrags des Beklagten eingewendet. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des neuen Verteidigungsmittels liegen indes nicht vor, weil es einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Landgericht für unerheblich gehalten worden ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Nach allem hat der Kläger eine Minderung des Vermögens seines Vaters infolge der Pflichtverletzung des Beklagten nicht hinreichend dargelegt.

10. Der Kläger kann aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB keine Erstattung nicht anrechenbarer vorgerichtlicher Anwaltskosten (aus einem Geschäftswert von 40.000,- €) verlangen. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war zwar wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage erforderlich und zweckmäßig. Der Beklagte hat jedoch bestritten, dass der Kläger das Honorar für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten bezahlt hat, wozu sich der Kläger nicht weiter eingelassen hat. Die Umdeutung des Zahlungsantrags in einen Freistellungsantrag ist nicht möglich. Die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang weiter aufgeworfenen Fragen, ob der Kläger überhaupt einen Auftrag zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung erteilt hat, und ob bejahendenfalls eine Kostenerstattung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht wegen Sinnlosigkeit eines solchen Mandats ausgeschlossen wäre, können offenbleiben.

11. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus §§ 823 ff BGB würde aus den vorstehend unter Ziffer 8. bis 10. genannten Gründen jedenfalls nicht weiter reichen als der vertragliche Anspruch, sodass die Klage in Bezug auf die überschießend geltend gemachten Schadensersatzforderungen abzuweisen war.

12. Der Kläger hat schließlich Anspruch auf Prozesszinsen aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB aus dem zugesprochenen Betrag.

13. Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt, weil der Kläger die bis zum 31.12.2014 laufende Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) durch Klageerhebung am 21.03.2014 rechtzeitig gehemmt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung des Beklagten rechtlich als Behandlungsfehler und / oder als Verstoß gegen eine Aufklärungspflicht zu bewerten ist, ist der Streitgegenstand der Klage von Beginn an unverändert geblieben.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für beide Parteien aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Rechtsstreit wirft die Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, ob das Weiterleben eines Patienten, der bei pflichtgemäßem Verhalten des Arztes früher verstorben wäre, einen ersatzfähigen Schaden in der Person des Patienten darstellen kann.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 21. Dez. 2017 - 1 U 454/17

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Endurteil, 21. Dez. 2017 - 1 U 454/17

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
Oberlandesgericht München Endurteil, 21. Dez. 2017 - 1 U 454/17 zitiert 25 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

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(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung


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Strafgesetzbuch - StGB | § 17 Verbotsirrtum


Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dr

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(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

1.
mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
2.
so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
3.
für den Patienten verständlich sein.
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.

(3) Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat.

(4) Ist nach § 630d Absatz 1 Satz 2 die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, ist dieser nach Maßgabe der Absätze 1 bis 3 aufzuklären.

(5) Im Fall des § 630d Absatz 1 Satz 2 sind die wesentlichen Umstände nach Absatz 1 auch dem Patienten entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit dieser aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Absatz 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR14/14 Verkündet am:
21. Oktober 2014
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch der Arzt, der einen Patienten ausschließlich über den von einem
anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt, kann
dem Patienten im Falle einer fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung
aus unerlaubter Handlung haften.

b) Zur Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - VI ZR 14/14 - OLG München
LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen, die Richterin von Pentz und den Richter
Offenloch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Dezember 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen angeblicher Aufklärungsversäumnisse im Zusammenhang mit zwei bei der Klägerin durchgeführten Knieoperationen.
2
Die Klägerin, die an Beschwerden in beiden Knien litt und deshalb bereits mehrfach voroperiert war, stellte sich Anfang Oktober 2000 erstmals Dr. T., Arzt und damaliger Geschäftsführer der Privatklinik "A.-Klinik M.", vor. Für die Voruntersuchung war Dr. Z. zuständig, der der Klägerin bereits anlässlich dieses Termins einen konkreten operativen Therapievorschlag unterbreitete. An- fang November 2000 unterzog sich die Klägerin hierauf einer Arthroskopie. Im Februar 2001 vereinbarte die Klägerin mit Dr. T., sich einer Operation am rechten Knie zu unterziehen, für die nach mehrfacher Verlegung schließlich der 31. Mai 2001 als Termin vereinbart wurde.
3
Am Operationstag begab sich die Klägerin in die A.-Klinik. Nach einem Gespräch mit der Beklagten, die als niedergelassene Fachärztin für Orthopädie freiberuflich in der A.-Klinik tätig und mit Dr. T. über eine sogenannte "Kooperationsvereinbarung" verbunden war, unterzeichnete sie eine ihr vorgelegte Einverständniserklärung , in der es unter anderem heißt, die Klägerin sei über die Erfolgsaussichten des Eingriffs aufgeklärt worden. Der Bogen wurde von der Beklagten mit dem Zusatz "i. V." gegengezeichnet. Anschließend führte Dr. T. am rechten Knie der Klägerin eine arthroskopische und offene Operation mit partieller Synovektomie, Lateral Release, Versetzung der Tuberositas Tibiae und Shaving-Chondroplastik Patella und Trochlea durch.
4
In der Folgezeit entschloss sich die Klägerin, auch ihr linkes Knie von Dr. T. operieren zu lassen. Der Operationstermin wurde am 11. Januar 2002 auf den 28. Januar 2002 festgesetzt. Wie vor der ersten Operation unterzeichnete die Klägerin am Operationstag nach einem mit der Beklagten geführten Gespräch eine ihr vorgelegte Einverständniserklärung, die inhaltlich der anlässlich der ersten Operation unterzeichneten entsprach. Auch diese Erklärung wurde von der Beklagten mit dem Zusatz "i. V." gegengezeichnet. Anschließend führte Dr. T. auch am linken Knie eine partielle Synovektomie, eine ShavingChondroplastik Patella und eine laterale Retinakulotomie durch.
5
Beide Operationen erbrachten nicht das von der Klägerin gewünschte Ergebnis. Bezüglich beider Knie wurden Revisionsoperationen erforderlich.
6
Mit der Behauptung, von der Beklagten inhaltlich unzureichend und zu spät aufgeklärt worden zu sein, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 40.000 € nebst Zinsen sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.879,80 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat sie die Feststellung der Pflicht der Beklagten begehrt, ihr den aus den Operationen vom 31. Mai 2001 und 28. Januar 2002 sowie den Folgeoperationen bereits entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden sowie den zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder sonstige Dritte übergegangen sind.
7
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000 € und im Übrigen voll stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

8
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei dem Landgericht darin zu folgen, dass die Klägerin über die begrenzten bzw. geringen Erfolgsaussichten der Eingriffe nur unzureichend oder überhaupt nicht aufgeklärt worden sei, weshalb ihre Einverständniserklärungen rechtsunwirksam und die Operationen rechtswidrig gewesen seien. Auch treffe es zu, dass ein Arzt, der nur die Aufklärung des Patienten übernehme, Täter einer unerlaubten Handlung sein könne. Dabei sei nicht erforderlich, dass der betreffende Arzt dem Patienten auch zur Operation geraten und insoweit ausdrücklich die Aufklärung übernommen habe. Vorliegend scheitere eine Haftung der Beklagten aber daran, dass sie keine Pflichten im Rahmen des von ihr übernommenen Behandlungsteils verletzt habe.
9
Zu differenzieren sei nämlich zwischen dem Teil der Aufklärung, der die Information über die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen betreffe, und dem Teil, der die Aufklärung über allgemeine Risiken des beabsichtigten Eingriffs betreffe. Der erste Teil sei eng mit der Indikationsstellung, der Auswertung der klinischen und bildgebenden Untersuchung sowie der Krankengeschichte des Patienten verbunden und könne "im Grunde genommen" nur von dem Arzt, der die Operationsindikation in Kenntnis des genauen Krankheitsbildes und Krankheitsverlaufes gestellt habe, vorgenommen werden. Die Aufklärung über die allgemeinen Risiken der gewählten Operation könne dagegen auch von einem Facharzt ohne Untersuchung und genaue Kenntnis des Krankheitsbildes des Patienten erfolgen. Werde nunmehr ein in keiner Weise in das Behandlungsgeschehen involvierter Arzt nach der Indikationsstellung und Anmeldung des Patienten zur Operation mit der Aufklärung beauftragt, so übernehme er nur insoweit Behandlungsverantwortung für die Aufklärung, als es um die Darstellung der allgemeinen Operationsrisiken gehe. Nur insoweit nehme er eine Garantenstellung gegenüber dem Patienten ein.
10
Danach scheide im Streitfall eine Pflichtverletzung der Beklagten aus. Da sie unstreitig weder an den Untersuchungen der Klägerin noch an der Indikationsstellung in irgendeiner Form beteiligt gewesen und "sogar sehr kurzfristig" mit der Durchführung der Aufklärung am Operationstage beauftragt worden sei, könne ihr nicht vorgeworfen werden, die von ihr übernommenen Pflichten dadurch verletzt zu haben, dass sie die Klägerin nicht auf die geringen Erfolgsaussichten der geplanten Operation hingewiesen habe. Auch könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass die Aufklärung erst unmittelbar vor der Operation und damit verspätet erfolgt sei. Denn es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Beklagte für die Operationsplanung und den Zeitpunkt der Risikoaufklärung verantwortlich sei und gegenüber der Patientin insoweit eine Garantenstellung übernommen habe.

II.

11
1. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
12
a) Aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern ist zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es sei erforderlich gewesen, die Klägerin auch über die eingeschränkten Erfolgsaussichten der Operationen aufzuklären. Der erkennende Senat hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass über die Erfolgsaussichten einer Behandlung jedenfalls dann aufzuklären ist, wenn das Misserfolgsrisiko hoch und die Indikation zweifelhaft ist (Senatsurteile vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 48/91, VersR 1992, 358, 359; vom 6. November 1990 - VI ZR 8/90, VersR 1991, 227, 228; vom 23. September 1980 - VI ZR 189/79, VersR 1980, 1145, 1146; ohne die genannte Einschränkung: Senatsurteile vom 14. März 2006 - VI ZR 279/04, BGHZ 166, 336 Rn. 6, 8; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89, VersR 1990, 1010, 1011 f.; vom 14. Februar 1989 - VI ZR 65/88, BGHZ 106, 391, 394; ferner Senatsurteile vom 22. Mai 2007 - VI ZR 35/06, BGHZ 172, 254 Rn. 24; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93, VersR 1994, 1235, 1236; vgl. auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., C Rn. 8 f.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 433 f.; für den Behandlungsvertrag jetzt auch § 630e Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden bezüglich des rechten Knies nur geringe Chancen, durch die Operation eine durchgreifende Besserung zu erzielen. Bezüglich des linken Knies war die Situation etwas günstiger bei gleichwohl nur begrenzten Erfolgsaussichten des Eingriffs.
13
b) Im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats steht auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, ein Arzt, der nur die Aufklärung des Patienten über die ihm angeratene Operation übernommen habe, könne eine unerlaubte Handlung begehen (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 Rn. 14; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89, VersR 1990, 1010, 1011; vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79, VersR 1981, 456, 457). Denn mit der Aufklärung übernimmt der Arzt einen Teil der ärztlichen Behandlung, was - wie auch sonst die tatsächliche Übernahme einer ärztlichen Behandlung (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 48/78, VersR 1979, 376, 377) - seine Garantenstellung gegenüber dem sich ihm anvertrauenden Patienten begründet (Senatsurteil vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79, aaO). Ist die Aufklärung unvollständig und die Einwilligung des Patienten in die Operation unwirksam, kann der aufklärende Arzt deshalb gemäß § 823 BGB zum Ersatz des durch die Operation entstandenen Körperschadens verpflichtet sein (Senatsurteil vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, aaO). Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass dies nicht nur dann gilt, wenn der aufklärende Arzt - wie in der Senatsentscheidung vom 22. April 1980 (VI ZR 37/79, aaO) zugrundeliegenden Fall - dem Patienten als zunächst behandelnder Arzt auch zur Operation geraten hat (so allerdings OLG Bamberg, GesR 2004, 135, 136; anders aber bereits Senatsurteil vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, aaO; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., C Rn. 108; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. A 1764).
14
c) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte habe nur die Aufklärung über die allgemeinen Risiken der beabsichtigten Operation, nicht aber die Aufklärung über die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen übernommen. Der vom Berufungsgericht zur Begründung dieser Annahme aufgestellte Rechtssatz, der mit der Aufklärung beauftragte Arzt übernehme dann, wenn er an der Indikationsstellung und Vereinbarung der Operation nicht beteiligt gewesen sei, nur den Teil der Aufklärung, der die Information über die allgemeinen Risiken der zwischen dem Patienten und den behandelnden Ärzten vereinbarten Operation betreffe, und nehme auch nur insoweit eine Garantenstellung gegenüber dem Patienten ein, trifft - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - nicht zu.
15
Die Annahme einer Garantenpflicht bei tatsächlicher Übernahme einer ärztlichen Behandlung hat ihren Grund in der Übernahme eines Auftrags (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 StR 289/01, BGHSt 47, 224 Rn. 20; Senatsurteil vom 8. Februar 2000 - VI ZR 325/98, VersR 2000, 1107) oder in dem Vertrauen, das der betreffende Arzt beim Patienten durch sein Tätigwerden hervorruft und diesen davon abhält, anderweitig Hilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 48/78, VersR 1979, 376, 377). Feststellungen, dass die Beklagte es gegenüber den behandelnden Ärzten übernommen hätte, die Klägerin über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Operationen aufzuklären, sind - ohne dass dem Berufungsgericht insoweit Rechtsfehler unterlaufen wären - nicht getroffen worden.
16
In der vorgenannten zweiten Fallgruppe ist für die Reichweite der Garantenstellung des Arztes indes der Umfang des Vertrauens entscheidend, das sich der Patient aufgrund des konkreten Auftretens des Arztes berechtigterweise bilden darf. Dies lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei kommt es darauf an, wie ein objektiver Dritter in der Lage des Patienten das Verhalten des Arztes in der konkreten Behandlungssituation verstehen durfte. Hierzu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
17
Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird zu berücksichtigen sein, dass der Klägerin im Rahmen der von der Beklagten geführten Gespräche Einwilligungsbögen, nach deren Inhalt sie auch bestätigte, über die Erfolgsaussichten des jeweiligen Eingriffs aufgeklärt worden zu sein, übergeben und anschließend von der Beklagten gegengezeichnet wurden. Ebenfalls zu berücksichtigen sein werden etwaige (Aufklärungs-)Gespräche mit den behandelnden Ärzten, die im Vorfeld des jeweils von der Beklagten durchgeführten Aufklärungsgesprächs stattgefunden haben. Vor diesem Hintergrund konnte auch nicht offen bleiben, ob und inwieweit die behandelnden Ärzte die Klägerin bereits über die Erfolgsaussichten der Eingriffe aufgeklärt hatten.
18
2. Das Berufungsgericht wird im Rahmen der erneuten Befassung Gelegenheit haben, auch das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.04.2013 - 9 O 8128/12 -
OLG München, Entscheidung vom 05.12.2013 - 1 U 1890/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 604/15
vom
8. Februar 2017
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1901 a, 1904 Abs. 1 Satz 1, 1904 Abs. 4

a) Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn
sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller
einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation
Geltung beanspruchen soll.

b) Die schriftliche Äußerung, dass "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben"
sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung
notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.

c) Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend
konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend
spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille
des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung
enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an den Senatsbeschluss
vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671).
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 - XII ZB 604/15 - LG Landshut
AG Freising
ECLI:DE:BGH:2017:080217BXIIZB604.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen und des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 17. November 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand (ICD-10: F03). Sie wird seitdem über eine Magensonde (PEG) künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.
2
Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet: "Für den Fall, daß ich (...) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinstrübung (...) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben , wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, - daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde , bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder - daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht , oder - daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder - daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt. Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung."
3
In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, dem Beteiligten zu 1 (im Folgenden : Sohn) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht, "an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (...) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (...) berücksichtigen soll."
4
Zu nicht genauer festgestellten Zeitpunkten von 1998 bis zu ihrem Schlaganfall äußerte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren.
5
Im Juni 2008 erhielt die Betroffene einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: "Ich möchte sterben."
6
Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen, und erklärte sich zur Übernahme der Betreuung bereit. Gleichzeitig bat er darum, den Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Ehemann) zum Ersatzbetreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern der Betroffenen.
7
Der Sohn der Betroffenen ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden, da dies dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen entspreche. Ihr Ehemann lehnt dies ab.
8
Den Antrag der Betroffenen, vertreten durch ihren Sohn, auf Genehmigung der Therapiezieländerung dahingehend, dass künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr eingestellt werden sollten, hat das Amtsgericht abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wenden sich die Betroffene und der Beteiligte zu 1 gegen diese Entscheidungen.

II.

9
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
10
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es habe sich keine ausreichende Überzeugung davon bilden können, dass es dem Willen der Betroffenen entspräche, die künstliche Ernährung in der gegenwärtigen Lage einzustellen. Aus der Patientenverfügung ergebe sich ein entsprechender Wille der Betroffenen nicht eindeutig. Es sei naheliegend, dass die Betroffene den hier in Frage stehenden Abbruch der künstlichen Ernährung als aktive Sterbehilfe verstanden habe, die sie in der Patientenverfügung ausdrücklich abgelehnt habe. Auch ein mutmaßlicher Wille der Betroffenen für einen Abbruch der künstlichen Ernährung sei nicht feststellbar. Da die Betroffene in der Patientenverfügung aktive Sterbehilfe abgelehnt habe und die Einstellung der Ernährung und Flüssigkeitsgabe nach dem Wertesystem der Betroffenen eine solche darstelle, komme ein Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen schon nicht in Betracht. Darüber hinaus sei auch ein auf Ernährungsabbruch gerichteter mutmaßlicher Wille nicht feststellbar, obwohl die Betroffene gegenüber mehreren Zeugen geäußert hatte, nicht in eine Situation der künstlichen Ernährung geraten zu wollen. Denn sie habe sich gegenüber den Zeugen nicht dazu geäußert , was passieren solle, wenn eine solche Situation schon bestehe und über den Abbruch zu entscheiden sei. Die Äußerungen gegenüber den Zeugen seien auch deswegen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens ungeeignet, weil sie sich auf die Schicksale Dritter bezogen, die im Pflegeheim versorgt wurden , während die Betroffene zuhause von ihrem Ehemann gepflegt werde. Auch ihr in der Patientenverfügung festgehaltener Wunsch, möglichst in vertrauter Umgebung zu bleiben, stehe dem Behandlungsabbruch entgegen, da in einem solchen Fall die Verlegung auf eine Palliativstation erforderlich wäre, denn der Ehemann der Betroffenen könne die häusliche Pflege bei Abbruch der Ernährung nicht gewährleisten. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass die Festlegungen der Betroffenen in der Patientenverfügung so verstanden werden könnten, dass sie kein weiteres zusätzliches Leid erleben oder empfinden wolle. Missempfindungen seien jedoch bei Einstellung von Ernährung und Flüssigkeitsgabe nicht auszuschließen. Die letzte sprachliche Äußerung, die die Betroffene vor Verfall in den jetzigen Zustand habe tätigen können, sei unbeachtlich , weil sie sich nicht auf den nun eingetretenen Zustand bezogen habe. Es sei auch nicht klar, ob die Betroffene ihre vorher geäußerten Wünsche angesichts der jetzigen Haltung ihres Ehemanns, der sehr an ihr hänge und die Einstellung der Ernährung und Flüssigkeitsgabe vehement ablehne, noch aufrechterhalten würde. Insgesamt sei daher ein auf die aktuelle Situation bezogener mutmaßlicher Wille der Betroffenen nicht feststellbar.
11
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die angegriffene Entscheidung kann bereits deshalb keinen Bestand haben , weil das Beschwerdegericht sich nicht ausreichend mit der Frage befasst hat, ob es im vorliegenden Fall deshalb einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 1904 Abs. 2, Abs. 3 BGB nicht bedarf, weil in der von der Betroffenen errichteten Patientenverfügung gemäß § 1901 a Abs. 1 BGB eine wirksame Einwilligung in den vom Sohn der Betroffenen erstrebten Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung enthalten ist.
13
a) Gemäß § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Abbruchs der Maßnahme stirbt. Der hier vom Sohn der Betroffenen beabsichtigte Widerruf der Einwilligung in die mit Hilfe einer PEG-Magensonde ermöglichte künstliche Ernährung wird vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst und bedarf grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn - wie hier - durch den Abbruch der Maßnahme die Gefahr des Todes droht (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 12 mwN).
14
b) Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf jedoch dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Enthält die schriftliche Patientenverfügung eine Entscheidung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen, die auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, ist eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt , in die Maßnahme nicht erforderlich, da der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen hat. Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nach § 1901 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 13 f.).
15
Das Genehmigungserfordernis gemäß § 1904 Abs. 2 BGB greift indes ein, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfü- gung nach § 1901 a Abs. 1 BGB vorliegen oder die Patientenverfügung nicht auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Da in diesem Fall der Willensbekundung des Betreuten keine unmittelbare Bindungswirkung zukommt, hat der Betreuer nach § 1901 a Abs. 2 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Entschließt sich der Betreuer danach, in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen einzuwilligen, bedarf diese Entscheidung - vorbehaltlich der Regelung in § 1904 Abs. 4 BGB - der Genehmigung durch das Betreuungsgericht (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 15).
16
c) Im vorliegenden Fall ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Betroffene eine den Anforderungen des § 1901 a Abs. 1 BGB genügende Patientenverfügung, der sich eine in der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation bindende Entscheidung für den Abbruch der künstlichen Ernährung entnehmen lässt, nicht erstellt hat. Diese Annahme ist nicht frei von Rechtsfehlern.
17
aa) Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29). Neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwilligt oder die er untersagt, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz aber auch, dass die Patientenverfügung erkennen lässt, ob sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll (vgl. MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. § 1901 a Rn. 19, 22). Eine Patientenverfügung ist nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen (vgl. BeckOK BGB/G. Müller [Stand: 1. November 2016] § 1901 a Rn. 9). Zudem ermöglichen Angaben zu den Behandlungssituationen, in der die Patientenverfügung eingreifen soll, dem Betreuer, der in § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Prüfungspflicht nachzukommen, ob die in der Patientenverfügung enthaltenen Festlegungen zu den Behandlungsmaßnahmen auf die aktuelle Lebens- und Handlungssituation des Erstellers der Patientenverfügung zutreffen.
18
Danach genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung , künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29). Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt. Insbesondere kann nicht ein gleiches Maß an Präzision verlangt werden, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden kann (Senatsbeschlüsse BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29 und vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 46).
19
Nicht ausreichend sind allerdings allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung , ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29 mwN). Auch die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 46 f.; BT-Drucks. 16/8442 S. 15). Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall aber auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (vgl. BeckOK BGB/G. Müller [Stand: 1. November 2016] § 1901 a Rn. 9).
20
bb) Danach geht das Beschwerdegericht schon zu Unrecht davon aus, dass die Betroffene in ihrer "Patientenverfügung" eine konkrete Entscheidung dahingehend getroffen hat, in der nun eingetretenen Situation eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung zu wollen. Das Beschwerdegericht möchte dies ableiten aus der Formulierung "aktive Sterbehilfe lehne ich ab", der es "nach dem Wertesystem der Betroffenen" jeglichen Behandlungsabbruch unterfallen lässt.
21
Dies überschreitet die Grenzen der zulässigen Auslegung. Als eine der Schriftform unterfallende Erklärung muss die Patientenverfügung primär nach ihrem schriftlich niedergelegten Inhalt ausgelegt werden. Dabei ist der Gesamtzusammenhang der Urkunde zu berücksichtigen und festzustellen, ob sich daraus insgesamt ein hinreichend eindeutig zu bestimmender Patientenwille ergibt.
22
Die von der Betroffenen verfasste Urkunde beinhaltet in ihrem Gesamtzusammenhang keine eindeutige Aussage dahingehend, dass die Betroffene die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in ihrem derzeitigen Zustand wünscht. Die voranstehende Erklärung, "keine lebensverlängernden Maßnahmen" zu wünschen, wenn eine der in der Patientenverfügung benannten Behandlungssituationen eintritt, spricht in mindestens gleichem Umfang für den Abbruch der künstlichen Ernährung, wie die vom Beschwerdegericht herangezogene Formulierung der Ablehnung aktiver Sterbehilfe deren Fortsetzung begründen könnte. Die von der Betroffenen verfasste Urkunde ist damit allenfalls widersprüchlich. Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang von einer eindeutigen, konkreten Festlegung für die aktuell bestehende Situation gegen den Abbruch und für die Fortsetzung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung ausgeht, hat es weitere für die Auslegung wesentliche Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt.
23
cc) Im Übrigen hat das Beschwerdegericht in seine Auslegungserwägungen nicht eingestellt, dass die Betroffene in ihrer Patientenverfügung nicht nur pauschal bestimmt hat, lebensverlängernde Maßnahmen sollen in den von ihr beschriebenen Behandlungssituationen unterbleiben. Im weiteren Text der Verfügung findet sich vielmehr auch eine Konkretisierung der ärztlichen Maßnahmen , die sie in diesen Fällen wünscht. Danach sollen Behandlung und Pflege auf Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist.
24
Zudem hat das Beschwerdegericht bei der Auslegung die in der Patientenverfügung bezeichneten Behandlungssituationen nicht ausreichend berücksichtigt. Zwar ist die hier in Frage kommende Alternative eines schweren Dauerschadens des Gehirns so wenig präzise, dass sie keinen Rückschluss auf einen gegen konkrete Behandlungsmaßnahmen - hier die künstliche Ernährung mittels PEG-Sonde - gerichteten Willen der Betroffenen erlaubt (vgl. zu einer gleichlautenden "Patientenverfügung" Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 47 f.). Etwas Anderes könnte sich jedoch aus der weiteren Alternative ergeben, wonach die Betroffene ihre Regelungen zu ärztlichen Maßnahmen an die medizinisch eindeutige Feststellung knüpft, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Damit bezeichnet die Betroffene in ihrer Patientenverfügung konkret eine Behandlungssituation, in der sie keine weiteren lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Betroffenen, dass die Behandlung und Pflege in diesem Fall auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein soll, könnte die Patientenverfügung dahingehend auszulegen sein, dass die Betroffene in dieser besonderen gesundheitlichen Situation, die aus medizinischer Sicht irreversibel ist, in den Abbruch der künstlichen Ernährung eingewilligt hat.
25
Ob der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen im Wachkoma auf diese konkret bezeichnete Behandlungssituation zutrifft, hat das Beschwerdegericht bislang allerdings nicht festgestellt. Dies wird es - gegebenenfalls sachverständig beraten - nachholen müssen.
26
3. Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben. Da noch Feststellungen dazu zu treffen sind, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, ist das Verfahren zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Wenn das Landgericht auf dieser Grundlage eine wirksame Patientenverfügung iSv § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB feststellen kann, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, hat es ein sogenanntes Negativattest zu erteilen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 20).
27
Sollte das Beschwerdegericht hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen nicht den Festlegungen der Patientenverfügung entspricht, weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
28
a) Die Genehmigungsbedürftigkeit der Einwilligung des Sohns der Betroffenen in die beabsichtigte Therapiezieländerung entfiele nicht auf Grund von § 1904 Abs. 4 BGB.
29
Nach dieser Vorschrift werden die Entscheidungen des Betreuers nach § 1904 Abs. 1 und 2 BGB von der Genehmigungspflicht des Betreuungsgerichts ausgenommen, soweit der Betreuer und der behandelnde Arzt Einvernehmen darüber erzielen können, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a Abs. 2 BGB festgestellten Willen des Betroffenen entsprechen. Stellt das Gericht dieses Einvernehmen im Sinne von § 1904 Abs. 4 BGB fest, hat es den Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung ohne weitere Ermittlungen abzulehnen und ebenfalls ein sogenanntes Negativattest zu erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 19 f.).
30
Im vorliegenden Fall bestand zwar zwischen dem alleinvertretungsberechtigten Sohn der Betroffenen und dem zunächst behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, dass die künstliche Ernährung der Betroffenen nach ihrem Willen eingestellt werden soll. Dem steht jedoch die Haltung des zweiten alleinvertretungsberechtigten Betreuers, des Ehemanns der Betroffenen entgegen. Diese unterschiedlichen Auffassungen der beiden alleinvertretungsberechtigten Betreuer darüber, ob die Einstellung der künstlichen Ernährung in der derzeitigen Situation dem Willen der Betroffenen entspricht, lassen ein Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelndem Arzt entfallen und stehen somit einem Wegfall des Genehmigungserfordernisses nach § 1904 Abs. 4 BGB entgegen.
31
b) Die betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist allerdings zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht, § 1904 Abs. 3 BGB. Das Betreuungsgericht hat die Entscheidung des Betreuers zum Schutz des Betreuten dahingehend zu überprüfen, ob diese Entscheidung tatsächlich dem ermittelten Patientenwillen entspricht. Gerichtlicher Überprüfungsmaßstab ist nach § 1901 a Abs. 2 BGB der individuelle Patientenwille (BT-Drucks. 16/8442 S. 18). Dabei differenziert § 1901 a Abs. 2 Satz 1 BGB zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 24).
32
aa) Behandlungswünsche im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB können etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB, die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden. Behandlungswünsche sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen. An die Behandlungswünsche des Betroffenen ist der Betreuer nicht nur nach § 1901 a Abs. 2 BGB, sondern bereits nach § 1901 Abs. 2 und 3 BGB gebunden (Senatsbeschlüsse BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 25 mwN und vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 53).
33
Ebenso wie bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB genügt allein der ermittelte Behandlungswunsch nicht, wenn sich dieser auf allgemein gehaltene Inhalte beschränkt (Senatsbeschlüsse BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 28 f. mwN und vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 54). Sollte das Beschwerdegericht daher zu dem Ergebnis gelangen, dass die Patientenverfügung auch für die derzeitige Behandlungssituation der Betroffenen keine hinreichend bestimmten Angaben zu den medizinischen Maßnahmen enthält, in die die Betroffene einwilligt oder die sie ablehnt, dürften sich aus der Patientenverfügung ebenfalls keine ausreichend konkreten Behandlungswünsche der Betroffenen entnehmen lassen.
34
bb) Das Beschwerdegericht wird dann zu prüfen haben, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insbesondere anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (die jedoch keinen Bezug zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation aufweisen ), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB). Der Betreuer stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte (Senatsbeschlüsse BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 26 mwN und vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - FamRZ 2016, 1671 Rn. 56).
35
(1) Die Betroffene hatte sich nach Angaben der genannten Zeugen ausweislich des gerichtlichen Anhörungsvermerks immer wieder dahingehend ge- äußert, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle. Diese Äußerungen habe sie insbesondere angesichts zweier künstlich ernährter Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld getätigt. Zumindest einer dieser Patienten habe über sieben Jahre hinweg im Wachkoma gelegen; die Betroffene habe gegenüber den Zeugen angegeben, sie wolle nicht so daliegen, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle in einer solchen Situation lieber sterben. Weiterhin habe sie sich auf ihre Patientenverfügung berufen und gemeint, ihr könne so etwas nicht passieren.
36
(2) Soweit das Beschwerdegericht bei der Würdigung der Zeugenaussagen davon ausgeht, dass die von den Zeugen wiedergegebene Aussage der Betroffenen, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle, auf die aktuelle Situation nicht zutrifft, weil der Abbruch der laufenden künstlichen Ernährung mit der Nichtaufnahme einer künstlichen Ernährung nicht gleichgesetzt werden könne, ist dies weder aus dem "Wertesystem der Betroffenen" noch aus der heute bzw. 1998 geltenden Rechtslage heraus begründbar.
37
(a) Zum zugrunde gelegten Wertesystem der Betroffenen hat das Beschwerdegericht lediglich feststellen können, dass diese nach Aussage einer Zeugin "gläubig und praktizierende Katholikin" gewesen sei, die auch Wallfahrten unternommen habe. Keiner der Zeugen konnte jedoch angeben, mit der Betroffenen über Glaubensinhalte gesprochen zu haben. Damit sind keine Feststellungen verbunden, die einem Abbruch der Behandlung entgegenstehen würden. Im Gegenteil: Festgestellt ist, dass die Betroffene gegenüber vielen Zeugen mehrfach betonte, sie wolle nicht künstlich ernährt werden. Das Wertesystem der Betroffenen trägt daher nicht die Annahme, die Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr sei vom ausdrücklich geäußerten Willen der Betroffenen, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, nicht erfasst.
38
(b) Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, zur Zeit der Abfassung der Patientenverfügung im Jahr 1998 habe man allgemein den Behandlungsabbruch als "aktive Sterbehilfe" verstanden, beruht nicht auf einer tragfähigen Begründung. Vielmehr wurde zu dieser Zeit, anders als heute, ein Eingreifen in der Situation der Betroffenen überhaupt nicht als "Sterbehilfe" verstanden , da sie sich nicht im unmittelbaren Sterbeprozess befindet. Auch zu dieser Zeit wurde jedoch ein derartiger "Abbruch einer einzelnen lebenserhaltenden Maßnahme" als passiver und nicht als aktiver Eingriff verortet, demzufolge die Frage gestellt, ob es sich um "passive Sterbehilfe" handeln könnte, und nicht die Frage, ob "aktive Sterbehilfe" geleistet worden sei (vgl. BGHSt 40, 257 = NJW 1995, 204 mwN). Die Rechtslage in der Zeit ab 1998 unterscheidet sich von der heutigen Rechtslage insofern, als heute - seit der Entscheidung BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 28 ff. - ein Behandlungsabbruch (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) als straffrei angesehen wird, unabhängig davon, ob er durch Unterlassen der weiteren Behandlung oder durch aktives Tun, etwa durch Durchschneiden der versorgenden Schläuche, verwirklicht wird. Sie unterscheidet sich jedoch nicht in dem Punkt, dass auch schon vor 2010 der Abbruch einer Behandlung in Form der Unterlassung der Fortführung (also konkret: Abbruch der künstlichen Ernährung dadurch, dass an die Magensonde keine neue Flasche mit Nahrung angehängt wird) genauso behandelt wurde wie das Unterlassen des Beginns der künstlichen Ernährung. Beides wurde in den 90er Jahren strafrechtlich als Unterlassen angesehen (dazu explizit etwa BGHSt 40, 257 = NJW 1995, 204; die frühere Rechtslage darstellend auch BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 27).
39
(3) Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass sich die Situation der Betroffenen, die sich in der häuslichen Pflege durch ihren Ehemann befindet , von der ihrer Tante und ihres Nachbarn, die im Pflegeheim versorgt wurden , unterscheidet, so ist dies bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens oh- ne Belang. In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, dass die frühere Willensäußerung der Betroffenen situativ genau die nun eingetretene Lage beschreibt. Vielmehr besteht die Ermittlung des mutmaßlichen Willens - im Gegensatz zum Behandlungswunsch - gerade notwendig darin, allgemein gehaltene oder der konkreten Situation nicht vollständig entsprechende frühere Willensäußerungen auf die eingetretene Situation zu übertragen.
40
Die Betroffene hat sich zwar in ihrer "Patientenverfügung" für häusliche Pflege, wo möglich, ausgesprochen. Sie hat jedoch nicht ihre weiteren Wünsche , nämlich den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen, von der Pflegesituation abhängig gemacht. Es besteht daher kein Anhaltspunkt dafür, dass die von der Betroffenen mündlich geäußerten Wünsche unter dem Vorbehalt gestanden hätten, nur im Fall der Versorgung im Pflegeheim zu gelten. Aus den Äußerungen der Betroffenen, soweit sie von den Zeugen wiedergegeben wurden oder sich in der unterzeichneten "Patientenverfügung" finden, ergibt sich kein Anhalt dafür, dass die Betroffene ihr derzeitiges Leben anders beurteilen würde als das der Patienten, die sie selbst kennengelernt hatte. Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass die Betroffene auch aus dem Bett kommt, ins Freie gefahren wird und nicht ununterbrochen von Sauerstoffzufuhr abhängig ist, ergeben sich daraus wiederum keine Rückschlüsse auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen.
41
(4) Die Annahme des Beschwerdegerichts, ein Sterben ohne Begleitung durch den Ehemann dürfte dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen zuwiderlaufen , ist nicht auf hinreichende Tatsachen gegründet. Der Ehemann der Betroffenen beruft sich auf ein besonders enges Verhältnis, das zwischen ihm und der Betroffenen gerade in den Jahren der Pflege gewachsen sei. Aus der Zeit vor dem Wachkomazustand der Betroffenen hat jedoch weder der Ehemann der Betroffenen noch einer der Zeugen Angaben dazu gemacht, dass die Be- troffene in besonderer Weise ihre Wünsche von der Anwesenheit ihres Ehemanns abhängig gemacht hätte.
42
(5) Gleiches gilt für die Überlegung, dass die Betroffene heute mit Rücksicht auf die Wünsche des Ehemanns möglicherweise auf ihren Sterbewunsch verzichten würde. Auch diesbezüglich sind bisher keine Feststellungen getroffen , etwa dass die Betroffene auch in der Vergangenheit regelmäßig ihre eigenen Vorstellungen zurückgestellt hätte, um denen ihres Ehemanns gerecht zu werden. Derartige Feststellungen wären jedoch für einen dahingehenden mutmaßlichen Willen Voraussetzung. Auch insoweit kann nicht allein auf die vom Ehemann geschilderte Bindung in den Jahren der Pflege abgestellt werden.
43
Eine Berücksichtigung des Willens des Ehemanns kommt nur dann in Betracht, wenn dieser mutmaßlich den Willen der Betroffenen beeinflusst hätte. Dagegen scheidet ein unmittelbares Abstellen auf den Willen des Ehemanns, auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG, aus. Durch die Ehe ist die Betroffene aber nicht in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, in den rechtlichen Grenzen über ihr eigenes Leben oder dessen Beendigung genauso wie eine nicht verheiratete Person zu entscheiden. Demzufolge kann auch bei der hier zu entscheidenden Frage ausschließlich der mutmaßliche Wille der Betroffenen, daneben aber nicht auch der Wille des Ehemanns als entscheidend berücksichtigt werden (zu einer vergleichbaren Abwägung zwischen Grundrechten des Betroffenen und Grundrechten Dritter - dort Art. 4 GG - Senatsbeschluss BGHZ 163, 195 = FamRZ 2005, 1474, 1475 f.).
44
(6) Dagegen hat das Beschwerdegericht bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass die Betroffene in ihrer "Patientenverfügung" gerade ausschließlich ihren Sohn und nicht ihren Ehemann als Vertrauensperson benannt hat. Auch dieser Umstand ist als Hin- weis dahin zu sehen, dass aus Sicht der Betroffenen im Zweifel eher der Sohn als der Ehemann in der Lage sein wird, ihren eigenen - mutmaßlichen - Willen zu artikulieren.
45
(7) Ebenfalls fehlerhaft sind die Überlegungen des Beschwerdegerichts zu möglichen Schmerzen oder Missempfindungen bei der Einstellung der Ernährung und Flüssigkeitszufuhr. Zutreffend geht das Beschwerdegericht zwar davon aus, dass die Betroffene möglichst keine Schmerzen und Missempfindungen erleiden möchte. Dies ergibt sich auch aus ihrer "Patientenverfügung". Insofern ist es als Aspekt zu berücksichtigen, der gegen die Durchführung einer bestimmten Maßnahme spricht, wenn diese Maßnahme mit Schmerzen oder Missempfindungen verbunden wäre. Unzulässig ist es allerdings, hier auf den reinen Abbruch der Ernährung und Flüssigkeitszufuhr abzustellen, ohne die beabsichtigten begleitenden medizinischen Maßnahmen zu berücksichtigen. Aus den eingeholten Gutachten ergibt sich, dass etwaige Schmerzen und Missempfindungen , die (noch nicht einmal sicher oder wahrscheinlich, aber möglicherweise ) auftreten können, palliativmedizinisch behandelt werden müssen, aber auch können. Unter entsprechender medikamentöser und pflegerischer Versorgung ist jedoch davon auszugehen, dass die Betroffene im Wesentlichen schmerzfrei wird versterben können. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass , hinsichtlich der konkret in Rede stehenden Maßnahme den mutmaßlichen Willen der Betroffenen als von Angst vor Schmerzen beeinflusst anzusehen.
46
(8) Schließlich hat das Beschwerdegericht zu Unrecht den kurz vor Beginn des Wachkomas ausdrücklich geäußerten Sterbewunsch der Betroffenen unberücksichtigt gelassen. Zwar lag darin kein auf die aktuelle Situation bezogener Behandlungswunsch, da, wie das Beschwerdegericht richtig festgestellt hat, die Betroffene zu diesem Zeitpunkt noch eine gute Prognose hatte und ihre Situation mit der heutigen nicht vergleichbar war. Dennoch spielt bei der Ermitt- lung des mutmaßlichen Willens auch eine Rolle, wie ein Betroffener sich grundsätzlich oder in anderen Situationen zum Sterben verhält. Hier durfte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die letzte willentliche Äußerung der Betroffenen - nach dem Schlaganfall, aber vor dem hypoxischen Hirnschaden - den spontanen Wunsch zu sterben beinhaltete.
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Freising, Entscheidung vom 29.06.2015 - XVII 157/12 -
LG Landshut, Entscheidung vom 17.11.2015 - 64 T 1826/15 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 2/03
vom
17. März 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja

a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen
tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde
Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung
- geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen,
die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht
auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden
nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht
festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen
, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber
Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe
des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine
ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der
Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern.
Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts
ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung
nicht angeboten wird - sei es daß sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit
des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung
des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

c) Zu den Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung.
BGH, Beschluß vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03 - OLG Schleswig
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Mai 2002 und des Landgerichts Lübeck vom 25. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik, in welcher der Betroffene behandelt wurde, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 18. Januar 2001 den Sohn des Betroffenen - den Beteiligten - u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber Behörden ... und Einrichtungen
(z.B. Heimen) ..." zum Betreuer; die Betreuung wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 2001 verlängert. Am 8. April 2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht "die Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde" für seinen Vater beantragt, da eine Besserung des Zustandes seines Vaters nicht zu erwarten sei und die Einstellung dem früher geäußerten Wunsch seines Vaters entspreche. Der Beteiligte verweist hierzu auf eine maschinenschriftliche und vom Betroffenen handschriftlich unter Angabe von Ort und Datum unterzeichnete Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit , wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind ... (es folgen die Namen und Adressen der Ehefrau sowie des Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. " Die Ehefrau und die Tochter des Betroffenen haben erklärt, mit dem Antrag des Beteiligten einverstanden zu sein und ihn voll zu unterstützen.
Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt, da er keine Rechtsgrundlage habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Beteiligten möchte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Juli 1998 - 20 W 224/98 - FamRZ 1998, 1137 und vom 20. November 2001 - 20 W 419/01 - FamRZ 2002, 575 sowie des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 - 19 Wx 21/01 - FamRZ 2002, 488 gehindert. In diesen Entscheidungen haben die Oberlandesgerichte ausgesprochen, daß die Einwilligung des Betreuers eines selbst nicht mehr entscheidungsfähigen, irreversibel hirngeschädigten Betroffenen in den Abbruch der Ernährung mittels einer PEG-Magensonde anlog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist demgegenüber der Ansicht, daß die Einwilligung des Betreuers in einem solchen Fall nicht genehmigungsbedürftig sei; es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe anschlösse, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage an-
kommt. An diese Ansicht ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Das vorlegende Gericht geht - insoweit in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe - davon aus, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwillligungsfähigen Patienten die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich ist. Die Einwilligung in den Behandlungsabbruch sei nicht höchstpersönlich; denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfalle auch dem Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge", der alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen umfasse, und zwar auch dann, wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen sei. Für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Einwilligung fehle es - entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - allerdings an einer rechtlichen Grundlage: Eine Analogie zu § 1904 BGB scheitere, da eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit dem Betreuungsgesetz das gesamte Betreuungsrecht geregelt habe. Dabei habe er, wie sich aus den Materialien ergebe, auch den Fall des zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Gleichwohl habe er davon abgesehen , diesen Fall in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen aufzunehmen. Jedenfalls sei § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen; denn die dort geregelten Tatbestände seien
wertungsmäßig dem hier zu behandelnden Fall des Behandlungsabbruchs nicht gleich. So gehe es bei der nach § 1904 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen Einwilligung des Betreuers um ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet seien, die Gesundheit des Betroffenen wiederherzustellen; die Genehmigung der Einwilligung zu einem Behandlungsabbruch würde dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen abzielen. Beide Ziele stünden nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr"; vielmehr habe die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität, die auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedürfe. Außerdem regele § 1904 Abs. 1 BGB die Genehmigung der Einwilligung in ein ärztliches Tun, während bei der Genehmigung der Einwilligung in den Behandlungsabbruch ein ärztliches Unterlassen im Vordergrund stehe. Genau genommen gehe es hier nicht um eine Einwilligung des Betreuers in eine medizinische Maßnahme, sondern um den Widerruf oder die Verweigerung einer solchen Einwilligung; diese seien aber nach § 1904 BGB gerade genehmigungsfrei. Selbst wenn aber eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre eine Ergänzung durch Gerichte ausgeschlossen, weil die staatliche Mitwirkung bei einem auf Lebensbeendigung eines Menschen gerichteten Verhalten so wesentlich sei, daß sie einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen sei und ob, wie es der Bundesgerichtshof formuliert habe, dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden ließen, auf "Kriterien zurückgegriffen werden" müsse, die "allgemeinen Wertvorstellungen" entsprächen. Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen oder "den Schritt in eine andere Republik" befürchten zu lassen. Ferner machte ein möglicherweise religiös oder
sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

III.

Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 1. Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft; der Beteiligte ist gemäß § 20 Abs. 1 FGG auch beschwerdeberechtigt. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Beteiligte hat beantragt, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen. Damit möchte er erreichen, daß das Vormundschaftsgericht seiner Entscheidung, nicht länger in die künstliche Ernährung des Betroffenen einzuwilligen, zustimmt. Die Vorinstanzen haben es zu Unrecht abgelehnt, in der Sache tätig zu werden.
a) Die gegen eine weitere künstliche Ernährung des Betroffenen gerichtete Entscheidung des Beteiligten ist nicht schon deshalb einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts entzogen, weil sie sich rechtlich als ein Unterlassen darstellt. Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten (Hufen NJW 2001, 849, 853 m.w.N.). Solche Eingriffe bedürfen - ebenso wie das ursprüngliche Legen der Sonde - grundsätzlich der Einwilli-
gung des Patienten. Ist der Patient im Zeitpunkt der Maßnahme nicht einwilligungsfähig , so gilt: Eine frühere Willensbekundung, mit welcher der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, wirkt, falls der Patient sie nicht widerrufen hat, fort (V. Lipp in May et al. Passive Sterbehilfe 2002, 37, 43 und Fn. 37 m.w.N.; Taupitz Verhandlungen des 63. DJT 2000 Gutachten A 41); die inzwischen eingetretene Einwilligungsunfähigkeit ändert nach dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB an der fortdauernden Maßgeblichkeit des früher erklärten Willens nichts. Ist eine solche frühere Willensbekundung nicht bekannt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Maßnahme, falls unaufschiebbar , nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, bis für diesen ein Betreuer bestellt ist (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1904, 38). Ist - wie hier - für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen (Taupitz aaO A 71). Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten "durchgreifen" (Taupitz aaO A 70 f.). Eine Willensbekundung, mit welcher der Betroffene seine Einwilligung in die in Frage stehenden Maßnahmen und für die jetzt eingetretene Situation erklärt oder verweigert hat, wirkt weiterhin - als Ausfluß seines Selbstbestimmungsrechts - fort. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer die exklusive Aufgabe, dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die Beibehaltung der Sonde und die Fortführung der über sie ermöglichten künstlichen Ernährung bedürfen,
da eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt, der Einwilligung des Beteiligten. Mit dem Verlangen, diese Behandlung nicht fortzusetzen, hat der Betei- ligte die erforderliche Einwilligung verweigert. Ob der Beteiligte früher zumindest konkludent in die Behandlung eingewilligt hat und sich das Verlangen nach Abbruch der Behandlung deshalb (auch) als Widerruf dieser Einwilligung darstellt , mag dahinstehen. Bereits das Unterlassen der erforderlichen Einwilligungserklärung kann - für sich genommen - auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden; es ist damit einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht schon per se entzogen. Soweit in der Literatur nur der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung , nicht aber die erstmalige Verweigerung der Einwilligung (Fröschle JZ 2000, 72, 80: "nullum") als "an sich" genehmigungsfähig angesehen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Unterlassen des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, kann nicht anders beurteilt werden als das Unterlassen, in die Weiterbehandlung einzuwilligen. Zwar liegt im zweiten Fall unter Umständen auch ein aktives Handeln - nämlich der Widerruf einer zuvor erteilten Einwilligung - vor. Die Abgrenzung ist jedoch - etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Einwilligung vom Betreuer konkludent erteilt worden ist oder ob eine einmal erteilte Einwilligung die in Frage stehenden Maßnahmen für die jetzt eingetretene Situation noch abdeckt - fließend; sie rechtfertigt jedenfalls keine rechtliche Differenzierung. Wollte man nur den Widerruf einem vormundschaftsgerichtlichen Kontrollvorbehalt unterstellen , bestünde im übrigen die Gefahr, daß von lebenserhaltenden Maßnahmen nur noch zögerlich Gebrauch gemacht wird, um deren späteren - an die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle gebundenen - Abbruch zu vermeiden; der mit dem Kontrollvorbehalt (auch) verfolgte Lebensschutz würde in sein Gegenteil verkehrt.
Auch kann ein Kontrollerfordernis nach Auffassung des Senats sinnvoll nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Betreuer die Erteilung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung nur schlechthin unterlassen oder ob er seine Einwilligung verweigert und damit aktiv gehandelt hat (so aber wohl - jedenfalls für die analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB - Taupitz aaO A 87 und Lipp aaO 51). Da für eine die körperliche Integrität verletzende medizinische Behandlung oder Weiterbehandlung eine Einwilligung notwendig ist, ist deren Verweigerung nichts anderes als eine Bekräftigung des Unterlassens, die Einwilligung zu erteilen. Hinge die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von einer solchen Bekräftigung ab, wäre das Erfordernis dieser Kontrolle beliebig manipulierbar.
b) Ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts wird, wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Entscheidung gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung des Betroffenen höchstpersönlicher Natur ist. In der Rechtsprechung und Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, daß dem Betreuer die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen, weil höchstpersönlich, nicht zustehe und deshalb auch einer Überprüfung durch das den Betreuer kontrollierende Vormundschaftsgericht entzogen sei (vgl. etwa LG München I FamRZ 1999, 742; Landgericht Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Lilie in Wienke/Lippert , Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben 2001, 75, 83, Seitz ZRP 1998, 417, 420; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42). Diese Ansicht würde es jedoch, recht verstanden, nicht hindern, das Verlangen des Beteiligten nach Abbruch der künstlichen Ernährung einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen. Da der Beteiligte sein Verlangen auf den erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen stützt, trifft er insoweit
keine eigene Entscheidung; er setzt vielmehr nur eine im voraus getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um. Die richtige Umsetzung des Willens des Betroffenen und die damit einhergehende Unterlassung einer eigenen, den Willen des Betroffenen ersetzenden Einwilligung des Beteiligten in die Weiterbehandlung des Betroffenen ist - wie dargelegt - aber ein tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung. Auch generell läßt sich aus der Höchstpersönlichkeit einer Entscheidung kein zwingendes Argument gegen die Entscheidungszuständigkeit eines Betreuers und die Überprüfung seiner Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht herleiten; denn einem Betreuer werden vom Gesetz - etwa bei der Sterilisation (§ 1905 BGB) - durchaus höchstpersönliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Zudem ergäbe sich, wenn man die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme oder die Durchsetzung einer solchen Entscheidung generell von der Aufgabenzuweisung an den Betreuer ausnähme, eine mißliche Wahl: Entweder würde damit ein striktes Gebot zur Durchführung lebensverlängernder oder -erhaltender medizinischer Maßnahmen statuiert - also auch gegen einen vom Betroffenen früher geäußerten Willen. Oder die Entscheidung über die Frage der Behandlung oder Weiterbehandlung bliebe dem Arzt und/oder den nahen Angehörigen überlassen - dies allenfalls mit der Auflage, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. An die Stelle der Willensbestimmung durch den Betreuer als den gesetzlichen Vertreter träte die Willensbestimmung durch den Arzt oder die Angehörigen, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht mehr legitimieren würde, unter Umständen mit Eigeninteressen kollidieren könnte und im System des geltenden Rechts einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle von vornherein nicht zugänglich wäre (vgl. zum Ganzen Taupitz aaO A 89; Fröschle aaO 74).
Eine andere Frage ist, ob das Vormundschaftsgericht dem Beteiligten mit der Übertragung des Aufgabenkreises "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen" auch die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen der hier in Frage stehenden Art übertragen hat. Da sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht die Bestellung des Beteiligten nicht einschränkend ausgelegt haben, kann auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde von einer umfassenden Zuständigkeit des Beteiligten für die medizinischen Belange des Betroffenen ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als bei einer einschränkenden Auslegung des Aufgabenkreises die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht fortgeführt, sondern von den behandelnden Ärzten im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem vom Betroffenen früher erklärten und als maßgebend fortdauernden Willen überprüft und, falls der Aufgabenkreis des Beteiligten nicht erweitert oder ein weiterer Betreuer bestellt würde, gegebenenfalls eingestellt werden müßten.
c) Gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts läßt sich auch nicht anführen, daß es an Kriterien fehle, anhand derer das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, rechtlich überprüft werden könne, daß die Entscheidung des Beteiligten mithin nicht justiziabel sei. aa) Die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzungen die Rechtsordnung gestattet, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen oder nicht fortzuführen, hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache dahin entschieden , daß das Grundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben müsse (Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204). Werde in einem solchen Fall der Tod in kurzer Zeit eintreten, so rechtfertige die unmittelbare Todesnähe es, von einer Hilfe für den Sterbenden und "Hilfe beim
Sterben", kurz von Sterbehilfe zu sprechen und dem Arzt den Abbruch lebens- verlängernder Maßnahmen zu erlauben. In Fällen, in denen das Grundleiden zwar einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe aber nicht gegeben sei und der Sterbevorgang somit noch nicht eingesetzt habe, liege eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinne nicht vor. Auch wenn der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (auch im damals entschiedenen Fall: einer künstlichen Ernährung über eine Magensonde) unter solchen Umständen zum Teil bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne oder als "Hilfe zum Sterben" bezeichnet werde und bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen sei, seien doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur eigentlichen Sterbehilfe zu stellen. Diese objektive Eingrenzung zulässiger Sterbehilfe ist auch für das Zivilrecht verbindlich; denn die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet. Aus ihr folgt, daß für das Verlangen des Betreuers, eine medizinische Behandlung einzustellen, kein Raum ist, wenn das Grundleiden des Betroffenen noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat und durch die Maßnahme das Leben des Betroffenen verlängert oder erhalten wird. Richtig ist zwar, daß der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Patienten zu achten hat und deshalb keine - auch keine lebenserhaltenden - Maßnahmen gegen dessen Willen vornehmen darf (vgl. etwa Taupitz aaO A 19 ff.). Die Entscheidungsmacht des Betreuers ist jedoch mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen Patienten nicht deckungsgleich, sondern als gesetzliche Vertretungsmacht an rechtliche Vorgaben gebunden; nur soweit sie sich im Rahmen dieser Bindung hält, kann sie sich gegenüber der Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, durchsetzen. Das bedeutet: Die medizini-
schen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine vom gesetzlichen Vertreter konsentierte Sterbehilfe (auch im weiteren Sinne) gestattet, binden den Arzt ebenso wie den gesetzlichen Vertreter. Liegen sie nicht vor, ist die Sterbehilfe rechtswidrig; sie wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der gesetzliche Vertreter in sie – und sei es auch mit Billigung des Vormundschaftsgerichts – einwilligt. Deshalb ist die Verweigerung der Einwilligung hier insoweit ebenso irrelevant wie eine etwaige Billigung dieser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht. Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, jedenfalls insoweit einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen sei, als die medizinischen Voraussetzungen, unter denen ein solches Verlangen rechtlich überhaupt erst zulässig wäre, in Frage stünden. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte vielmehr - im Gegenteil - die Möglichkeit, verantwortlich zu prüfen , ob der rechtliche Rahmen für das Verlangen des Beteiligten überhaupt eröffnet ist. Dies wäre immer dann zu verneinen, wenn eine letzte Sicherheit, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen habe, nicht zu gewinnen wäre. bb) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. September 1994 (aaO 204 f.) das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder oder lebenserhaltender Maßnahmen - bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen - allerdings nur dann als rechtmäßig erachtet, wenn das Unterlassen oder der Abbruch der Maßnahmen dem - im entschiedenen Fall: mutmaßlichen - Willen des Patienten entspricht. Diese Ausrichtung auf den Willen des Betroffenen korrespondiert mit den Vorgaben, die auch § 1901 BGB für das Betreuerhandeln normiert. Maßgebend sind nach § 1901 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB die - auch früher geäußerten (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) - Wünsche des
Betroffenen, sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB) und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Das Wohl des Betreuten ist dabei nicht nur objektiv, sondern - im Grundsatz sogar vorrangig (MünchKomm/Schwab aaO § 1901 Rdn. 14) - subjektiv zu verstehen ; denn "zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, ... sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten" (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt, wenn sich - auf die vorliegende Situation bezogene - Wünsche des Betroffenen nicht feststellen lassen: Dann hat sich der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB am "Wohl des Betreuten" zu orientieren , dies aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aus der Sicht des Betreuten - d.h. nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu bestimmen (vgl. zum Ganzen G. Fischer, FS Deutsch 1999, 545, 548 ff., 555; Fröschle aaO 76; einschränkend Taupitz aaO 41 "objektive Interessenabwägung mit subjektivem Korrekturvorbehalt"; in diese Richtung auch Lipp aaO 48 f.); man kann insoweit von einem (individuell-) mutmaßlichen Willen des Betroffenen sprechen (kritisch zu dieser Rechtsfigur Höfling JuS 2000, 111, 116). Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen (individuell-) mutmaßlichen Willens nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit nämlich eine im einwilligungsfähigem Zustand getroffene "antizipative" Willensbekundung des Betroffenen - mag sie sich als Einwilligung in oder als Veto gegen eine bestimmte medizinische Behandlung darstellen - nicht zu ermitteln ist. Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung" , vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts , aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer ; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwi-
schen verloren hat. Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt (Taupitz aaO A 41: Die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung dürfe nicht "unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden ..., daß der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes gewollt hätte"; vgl. auch aaO A 106 ff.). Auch wenn der Beteiligte somit strikt an den wirklichen und (nur) hilfsweise an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist, so spricht dies ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, das Verlangen des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht (vgl. etwa G. Fischer in Medicus et al. Schadensrecht, Arztrecht ... 2001, 37, 50). cc) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob und unter welchen Gegebenheiten ein Betreuer seine Einwilligung in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Weiterbehandlung des Betroffenen verweigern darf, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine zulässige Hilfe beim oder auch zum
Sterben vorliegen, Wünsche des Betroffenen aber nicht geäußert oder nicht ersichtlich sind und sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. In einem solchen Fall soll nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO 205) auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen. Diese Auffassung ist auf - zum Teil sehr engagierte - Kritik (vgl. etwa Dörner ZRP 1996, 93, 95 f.; Laufs NJW 1998, 3399, 3400) gestoßen, die sich das vorlegende Oberlandesgericht zu eigen macht und deren sachliche Berechtigung hier nicht im einzelnen zu erörtern ist. Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Grenzen der Hilfe im oder auch zum Sterben wird gerade durch das Fehlen verbindlicher oder doch allgemeiner Wertmaßstäbe geprägt (Taupitz aaO A 38, allerdings mit dem Versuch einer "objektiven" Interessenabwägung aaO 41 ff., 46 ff.; Knittel Betreuungsgesetz § 1904 BGB Anm. 9 f.). Auch die Verfassung bietet keine sichere Handhabe, die im Widerstreit der Schutzgüter von Leben und Menschenwürde eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verläßliche und vom subjektiven Vorverständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung ermöglicht (vgl. etwa Hufen aaO 850). Soweit vor diesem Hintergrund für ein von keinem nachgewiesenen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Betroffenen getragenes Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen überhaupt Raum bleibt (verneinend OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1556, 1557; OLG Karlsruhe aaO 492; OLG Frankfurt FamRZ 1998 aaO 1138 und 2002 aaO 577), böte sich als Richtschnur möglicherweise ein Verständnis des Wohls des Betroffenen an, das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis (in diese Richtung Lipp aaO 48 f.; vgl. aus medizinethischer Sicht auch
Schöne-Seifert Verhandlungen des 63. DJT 2000 Referat K 41, 48 mit der Forderung , "Behandlungsstandards" - unter Offenlegung ihrer notwendigen ethischen Prämissen - zu entwickeln) böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet.
d) Das Oberlandesgericht hat allerdings mit Recht angenommen, daß § 1904 BGB für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung des Verlangens des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, keine Rechtsgrundlage hergibt. Auch eine analoge Anwendung dieser Einzelvorschrift kann, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, für sich genommen eine solche Aufgabenzuweisung an das Vormundschaftsgericht schwerlich begründen. So läßt sich bereits bezweifeln, ob die Vorschriften des Betreuungsrechts , in denen einzelne Handlungen des Betreuers einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden, ein geschlossenes gedankliches System darstellen, das es erlaubt, andere, von der legislativen Problemselektion nicht aufgegriffene Konfliktsituationen als eine "planwidrige" Unvollständigkeit (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., 196 f.: "Gesetzeslücke im engeren Sinn") zu verstehen. Jedenfalls ist § 1904 BGB für sich genommen nicht geeignet, im Wege analoger Anwendung Entscheidungen des Betreuers gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende medizinische Behandlung dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Zum einen fehlt insoweit bereits die Gleichheit der Problemlage: Der Schutz eines heilungsfähigen Patienten vor dem Einsatz riskanter medizinischer Mittel ist etwas völlig anderes als die medizinische Versorgung eines tödlich und un-
heilbar erkrankten Menschen (Schwab FS Henrich 2000 511, 524; ders. MünchKomm aaO § 1904 Rdn. 38). § 1904 BGB will - anders ausgedrückt - dem Betroffenen Leben und Gesundheit erhalten, der geforderte Behandlungsabbruch will sein Leben gerade beenden. Beide Ziele stehen sich nicht im Verhältnis von "maius" und "minus" gegenüber; sie sind miteinander inkomparabel und deshalb einem "erst recht"-Schluß nicht zugänglich (LG München aaO). Auch eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu den §§ 1904 bis 1907 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen läßt sich diesen schon tatbestandlich ganz unterschiedlichen Genehmigungsvorbehalten kein "allgemeiner Grundsatz" unterlegen, dessen folgerichtige Entfaltung auch Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung bereithält. Zum anderen läßt sich diese Frage mit der in diesen Genehmigungsvorbehalten vorgesehenen Rechtsfolge auch nicht erschöpfend beantworten: Lehnt das Vormundschaftsgericht es ab, eine nach den §§ 1904 bis 1907 BGB genehmigungspflichtige Erklärung oder Maßnahme des Betreuers zu genehmigen, so ist die Erklärung unwirksam und die Maßnahme unterbleibt. Verweigert der Betreuer die notwendige Einwilligung in die lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betreuten, so wird diese Behandlung damit allein noch nicht zulässig. Das Vormundschaftsgericht müßte, falls es nicht einen anderen Betreuer bestellt, die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung ersetzen (vgl. Steffen NJW 1996, 1581; Engers/Wagenitz FamRZ 1988, 1256, 1257). Eine solche willensersetzende Entscheidungsmacht des Vormundschaftsgerichts ist dem geltenden Recht strukturell nicht fremd, aber auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt (vgl. § 1810 Satz 1 Halbs. 2, § 1837 Abs. 4 i.V. mit § 1666 Abs. 3 BGB, arg. e contr. § 1908 i Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Engler BGB 13. Bearb., § 1837 Rdn. 2, 47; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1837 Rdn. 4 ff., 35). Die §§ 1904 bis 1907 BGB bieten für sie keine Grundlage.

e) Die fehlende Möglichkeit einer analogen Heranziehung der §§ 1904 bis 1907 BGB schließt freilich die Befugnis des Senats nicht aus, für die verweigerte Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung eines nicht einwilligungsfähigen Betroffenen im Wege einer Fortbildung des Betreuungsrechts eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit zu eröffnen. Die Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht der obersten Gerichtshöfe des Bundes und wird ständig geübt (grundlegend BVerfGE 34, 296, 287 ff.; BGHZ 3, 308, 315; zu den Voraussetzungen im einzelnen Larenz Methodenlehre 6. Aufl., 366 ff., insbes. 413 ff.; Larenz/Canaris aaO 187 ff., insbes. 232 ff.). Sie ergibt sich vorliegend aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis , mit den Instrumenten dieses Rechts auch auf Fragen im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. aa) Der Vorrang des Gesetzes hindert eine solche Rechtsfortbildung nicht (dazu allgemein etwa BVerfGE 96, 56, 62). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes - wie sich aus dessen Materialien ergibt - dem Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch insoweit Beachtung zuerkennen wollte, als "dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen" (BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Richtig ist auch, daß der Gesetzgeber ein Verhalten des Betreuers, das auf Durchsetzung eines solchen Wunsches gerichtet ist, keinem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht auf ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes schließen, das es verbieten könnte, im Wege der Rechtsfortbildung die unterlassene Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zum einen lassen die in den §§ 1904 bis 1907 BGB aufgegriffenen
Konfliktsituationen kein geschlossenes Konzept erkennen, das einer rechtsfort- bildenden Erweiterung nicht zugänglich wäre; zum andern ist - wie ausgeführt - der in diesen Vorschriften normierte Genehmigungsvorbehalt schon strukturell nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung einer erschöpfenden Regelung zuzuführen; aus der Nichterstreckung der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungserfordernisse auf diese Frage läßt sich deshalb nicht schließen, der Gesetzgeber habe diese Frage generell einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entziehen wollen. Auch die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) verhält sich zur Frage eines Genehmigungserfordernisses nicht; das war nach der vorrangig auf eine Neuordnung des Rechts der Betreuervergütung gerichteten Zielsetzung dieses Gesetzes allerdings auch nicht anders zu erwarten (Knieper NJW 1998, 2720, 2721). Auch für die Folgezeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers nicht als eine legislative Entscheidung gegen eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit für das Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen deuten. Die Bundesregierung sah, wie auch ihre Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hüppe belegt, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf: Danach wirft die Entscheidung des Oberlandesgerichts "nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme ... beantwortet werden kann" (BT-Drucks. 13/11345 Frage Nr. 14 S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist berufen, hierzu ihren Beitrag zu leisten und damit zugleich mögliche Wege für die vielfach geforderte (vgl. etwa Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 1998, 161, 162; Taupitz aaO A 92; Scheffen ZRP 2000, 313, 316 f.; Hufen aaO 857) und auch
nach Auffassung des Senats wünschenswerte gesetzliche Regelung aufzuzeigen. bb) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen (so aber wohl Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 98, 161, 162; Jürgens BTPrax 98, 159, 160; Alberts NJW 1999, 835, 836). Denn durch die Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts wird nicht in die Rechte des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingegriffen, der Vormundschaftsrichter - entgegen einer gelegentlich gebrauchten plakativen Formulierung - also nicht zum "Herrn über Leben und Tod" ernannt (so aber AG Hanau BTPrax 1997, 82, 83; Deichmann MDR 1995, 983, 984; mit Recht kritisch Verrel JR 1999, 5, 6). Vielmehr werden - im Gegenteil - die Grundrechte des Betroffenen geschützt, indem die Entscheidung des Betreuers, nicht in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen einzuwilligen, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen und dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen - als Ausfluß seiner fortwirkenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - überprüft wird (OLG Karlsruhe aaO 490). cc) Eine im Wege der Fortbildung des Betreuungsrechts zu begründende Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts findet ihre natürliche Grenze dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechts, dessen Handhabung den Vormundschaftsgerichten anvertraut ist, endet. Das Betreuungsrecht regelt, soweit medizinische Maßnahmen für den Betroffenen in Frage stehen, zwar nicht nur das Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen; es schreibt auch vor, inwieweit der Betreuer die dem Betroffenen zustehenden Rechte gegenüber Ärzten oder Pflegekräften wahrnehmen kann. Der Umfang dieser Rechte selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Betreuungsrechts und deshalb von vornherein einer isolierten vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen.
Daraus ergibt sich, daß auch die Frage, welche lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen der Betroffene beanspruchen und der Betreuer folglich als sein gesetzlicher Vertreter für ihn einfordern kann, nicht vom Betreuungsrecht zu beantworten ist. Auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen läßt sich eine Antwort nicht entnehmen; denn dieses Recht läßt sich nur als Abwehrrecht gegen, nicht aber als Anspruch auf eine bestimmte Behandlung begreifen (Taupitz aaO A 23; Verrel JZ 1996, 224, 226; einschränkend Lilie FS Steffen 1995, 273, 276). Im Grundsatz gesichert erscheint, daß der Arzt - gestützt auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit - jedenfalls solche Maßnahmen verweigern kann, für die keine medizinische Indikation besteht (Taupitz aaO 23 f. m.w.N.). Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (Opderbecke MedR 1985, 23, 25), begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags (Taupitz aaO 23 ff.; vgl. auch Lilie in Wienke/Lippert aaO 80). Diese - im Schnittfeld naturwissenschaftlicher und medizinethischer Überlegungen nicht immer scharfe - Begrenzung (vgl. etwa die Umschreibung in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung NJW 1998, 3406; w.N. bei Taupitz aaO Fn. 4) ist dem Betreuungsrecht vorgegeben; denn die rechtliche Betreuungsbedürftigkeit eines Patienten verändert den Rahmen, in dem er ärztliche Behandlung beanspruchen kann, nicht (Taupitz aaO 40; Lipp aaO 53; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 397). Die Frage, ob eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung medizinisch indiziert ist und ihre Durchführung deshalb vom ärztlichen Heilauftrag geboten wird, kann deshalb für das Betreuungsrecht nur als Vorfrage - d.h. im Zusammenhang mit der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Beurteilung eines Verhaltens des Betreuers bei der Wahrnehmung von Patienteninteressen des Betroffenen - Bedeutung erlangen. Für sich genommen - also losgelöst von der Prüfung eines
derartigen Betreuerverhaltens - kann diese Frage nicht zum Gegenstand eines vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens erhoben werden. dd) Für das Betreuungsrecht kann der Inhalt des ärztlichen Heilauftrags und das aus ihm resultierende Behandlungsangebot danach allerdings mittelbar relevant werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird - sei es, daß sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert, sinnlos geworden oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist (Lipp aaO 52 f.). Das Unterlassen (erst recht die Weigerung) des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, ist - wie einleitend dargelegt - zwar tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle, setzt aber notwendig ein entsprechendes ärztliches Behandlungsangebot voraus. Fehlt es an einem solchen Angebot, kommt eine vormundschaftsgerichtliche Prüfung allenfalls insoweit in Betracht, als die Pflicht des Betreuers in Frage steht, in Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen. Die Frage, welche Möglichkeiten dem Vormundschaftsgericht hier zur Verfügung stehen, den Betreuer zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten , beantwortet sich aus der Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1908 i i.V. mit § 1837, § 1908 b BGB). Sie bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung; denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nur soweit ärztlicherseits eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung angeboten wird, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich.
Ein Unterlassen (erst recht eine Verweigerung) der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird - nach der im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Auffassung des Senats - jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsge- richts wirksam. Eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des einwilligungsunfähigen Patienten ist bei medizinischer Indikation deshalb auch ohne die Einwilligung des Betreuers zunächst - bis zu einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - durchzuführen oder fortzusetzen. Das Vormundschaftsgericht hat das Verhalten des Betreuers anhand der oben aufgeführten Kriterien auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; es trifft also keine eigene Entscheidung gegen lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen (vgl. Taupitz aaO A 85 und Fn. 410 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; Lipp aaO 52). Das Vormundschaftsgericht muß der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung zustimmen, wenn feststeht, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-)mutmaßlichen Willen widerspricht. Die Frage, ob das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung auch dann zustimmen darf, wenn sich ein entsprechender wirklicher oder mutmaßlicher Wille trotz erschöpfender Nachforschungen des Betreuers nicht feststellen läßt, wird namentlich dann praktisch, wenn das Vormundschaftsgericht zu einer Beurteilung der medizinischen Indikation gelangt, die von der - diese Indikation bejahenden - Bewertung des behandelnden Arztes abweicht; diese Frage kann, wie ausgeführt, hier offenbleiben. Stimmt das Vormundschaftsgericht der eine Behandlung oder Weiterbehandlung ablehnenden Entscheidung des Betreuers zu, ist dessen Einwilligung nicht länger entbehrlich und die Nichterteilung dieser Einwilligung wirksam. Verweigert das Vormundschaftsgericht dagegen seine Zustimmung, so gilt damit zugleich die Einwilligung des Betreuers in die angebotene Be-
handlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen als ersetzt. Das vormund- schaftsgerichtliche Verfahren ist dem Richter vorbehalten (ebenso § 14 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). § 69 d Abs. 1, 2 FGG findet eine entsprechende, den Besonderheiten des Regelungsgegenstandes Rechnung tragende Anwendung. So hat sich der Vormundschaftsrichter vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. § 69 d Abs. 1 Satz 2 FGG). Auch wird er auf die Einholung eines zusätzlichen, von einem anderen als dem behandelnden Arzt erstellten Sachverständigengutachtens (vgl. § 69 d Abs. 2 FGG) im Regelfall nicht verzichten können, wenn die medizinischen Voraussetzungen für die Forderung des Betreuers, die Behandlung einzustellen, nicht durch eine neuere, den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügende ärztliche Stellungnahme belegt sind (vgl. dazu näher OLG Karlsruhe aaO 492) oder wenn er - in Abweichung von der Beurteilung des behandelnden Arztes - die medizinische Indikation der ärztlicherseits angebotenen Behandlung verneinen will. Mit diesem Zustimmungserfordernis wird dem Schutz des Betroffenen in seinen Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde in ausgewogener Weise Rechnung getragen (Taupitz aaO A 84; Lipp aaO 52, Saliger JuS 1999, 16, 20). Zugleich zielt dieses Erfordernis auf Schutz und Fürsorge für den Betreuer: Indem das Betreuungsrecht dem Betreuer unter Umständen eine Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen abverlangt, bürdet es ihm eine Last auf, die allein zu tragen dem Betreuer nicht zugemutet werden kann (LG Duisburg NJW 1999, 2744). Da das Recht vom Einzelnen nichts Unzumutbares verlangen kann, erscheint es dem Senat zwingend geboten, den Betreuer durch das vormundschaftsgerichtliche Prüfungsverfahren zu entlasten. Dieses Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen - auch strafrechtlichen - Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder
mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen umfassend - ermittelt werden kann (OLG Karlsruhe aaO 490; Knittel aaO). Das Prüfungsverfahren vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln (Taupitz aaO 82 f.) und die ihn zudem vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützt OLG Karlsruhe aaO; Fröschle aaO 79, Saliger aaO 21). Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, daß die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, daß die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.

IV.

Der Senat sieht sich an seiner Auffassung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994 (aaO) nicht gehindert. In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Einstellung der künstlichen Ernährung der Patientin, die seit Jahren infolge einer irreversiblen Hirnschädigung zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in
der Lage war, für die deshalb deren Sohn zum Pfleger mit dem Aufgabenkreis "Zuführung zu ärztlicher Behandlung" bestellt worden war und deren Grundleiden einen tödlichen Verlauf angenommen hatte, für rechtswidrig erachtet, weil für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin hinreichend sichere Anhaltspunkte gefehlt hätten und die Zustimmung des Pflegers zur Einstellung der künstlichen Ernährung schon mangels einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam gewesen sei. § 1904 BGB sei nach seinem Sinn und Zweck in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden, wenn eine ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung bestehe und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt habe. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen seien, dann müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten , die eine ärztliche Behandlung beenden sollten und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führten. Diese - von der dargelegten Rechtsmeinung des erkennenden Senats unterschiedliche - Sicht des § 1904 BGB begründet indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG, die zu einer Anfrage an den 1. Strafsenat Anlaß geben und, falls dieser an seiner Auffassung festhielte, eine Vorlage an die Vereinigten Großen Senate erfordern würde; denn der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich. § 132 GVG räumt den Vereinigten Großen Senaten die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung ergibt sich mittelbar aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Sie entspricht im übrigen auch dem Verständnis, das der Bundesgerichtshof dem Be-
griff der Entscheidungserheblichkeit für die Zulässigkeit der Vorlagen anderer Gerichte - etwa, wie im vorliegenden Fall, nach § 28 Abs. 2 FGG - beimißt; danach muß sich, wie anfangs ausgeführt, aus dem Vorlagebeschluß ergeben, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die Vorlagefrage ankommt, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308; ebenso BGHZ 82, 34, 36 f.; 112, 127, 129; 117, 217, 221). Für eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG kann - wovon auch die Vereinigten Großen Senate ausgehen (BGHZ 126, 63, 71 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 88, 353, 357; 112, 127, 129; 117, 217, 221) - nichts anderes gelten. Daher ist es unstatthaft , den Vereinigten Großen Senaten Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt (BGH NJW 2000, 1185 f.; Kissel GVG 3. Aufl. § 132 Rdn. 20 i.V. mit § 121 Rdn. 21; zustimmend Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 132 GVG; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 132 GVG Rdn. 7). So liegen die Dinge hier. Auch wenn man der Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs folgte und aus § 1904 BGB herleitete, daß in Fällen der Sterbehilfe (im weiteren Sinne) die Zustimmung des Betreuers zur Einstellung der künstlichen Ernährung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderte, müßte das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten hin tätig werden und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Beteiligte seine Einwilligung in die Beibehaltung der Magensonde und die Fortdauer der künstlichen Ernährung des Betroffenen unterlassen darf. Für das in § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG vorgeschriebene Verfahren ist mithin im vorliegenden Fall kein Raum.

V.

Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht können danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Vormundschafts- und Beschwerdegericht haben eine gerichtliche Prüfungszuständigkeit verneint und folgerichtig keine Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen getroffen, die den Beteiligten berechtigen könnten, seine Einwilligung in eine Fortführung der bisherigen Behandlung des Betroffenen nicht zu erteilen. Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen und auf dieser Grundlage die ihm zuerkannte Prüfungsaufgabe wahrnehmen kann.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 61/16
vom
6. Juli 2016
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1901 a, 1901 b, 1904
a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannten
Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen
, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz
des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen
Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen
vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden,
dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines
schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein
kann.
b) Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang
mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen
im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB durch eine Bevollmächtigung
erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der
Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen
hinwegsetzen würde.
c) Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen,
enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige
konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche
Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter
ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte
Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - LG Mosbach
AG Adelsheim
ECLI:DE:BGH:2016:060716BXIIZB61.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 26. Januar 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Wert: 5.000 €

Gründe:

A.

1
Die im Jahre 1941 geborene Betroffene erlitt Ende November 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine PEG-Sonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor die Betroffene infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013.
2
Aus der Ehe der Betroffenen mit ihrem - im Februar 2013 verstorbenen - Ehemann sind drei volljährige Töchter (die Beteiligten zu 1 bis 3) hervorgegangen. Bereits am 10. Februar 2003 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet: "Für den Fall, daß ich (…) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußt- seinstrübung (…) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben , wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, - daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder - daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, oder - daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder - daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt. Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung."
3
In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, der Beteiligten zu 2 (im Folgenden : Bevollmächtigte) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht, "an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (…) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (…) berücksichtigen soll."
4
Patientenverfügung und Vollmacht erneuerte die Betroffene am 18. November 2011 wortlautidentisch. Darüber hinaus erteilten die Betroffene und ihr Ehemann sich mit notarieller Urkunde vom 26. Februar 2003 gegenseitige Generalvollmacht und setzten als Ersatzbevollmächtigte an erster Stelle die Bevollmächtigte und an zweiter Stelle die Beteiligte zu 1 ein. In der Vollmachtsurkunde heißt es unter anderem: "Die Vollmacht berechtigt auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, insbesondere im Sinne von § 1904 BGB. Der Bevollmächtigte kann auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes , in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen, Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. (…) Die Vollmacht enthält die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Wir wurden darüber belehrt, dass solche Entscheidungen unter bestimmten engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung legen wir keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn feststeht, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Vollmachtgeber wünschen eine angemessene und insbesondere schmerzlindernde Behandlung, nicht jedoch die künstliche Lebensverlängerung durch Gerätschaften. Die Schmerzlinderung hat nach Vorstellung der Vollmachtgeber Vorrang vor denkbarer Lebensverkürzung, welche bei der Gabe wirksamer Medikamente nicht ausgeschlossen werden kann."
5
Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter, die Beteiligten zu 1 und zu 3, die gegenteilige Meinung.
6
Die Beteiligte zu 1 hat daher im März 2015 beim Betreuungsgericht die Anträge "auf Umsetzung der Patientenverfügung und auf Befolgung des Patientenwillens" sowie "auf Entzug des Betreuungsrechtes" der Bevollmächtigten gestellt; die Beteiligte zu 3 hat sich dem angeschlossen. Das Amtsgericht hat dies als Antrag auf Anordnung einer Kontrollbetreuung ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die Beteiligte zu 1 "zur Be- treuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der von der Betroffenen (…) er- teilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge, bestellt."
7
Hiergegen wendet sich die Bevollmächtigte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.

B.

8
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Bevollmächtigte berechtigt, die Rechtsbeschwerde im eigenen Namen einzulegen. Dies folgt zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde weder aus § 303 Abs. 4 FamFG, der lediglich die Befugnis des Bevollmächtigten zur Einlegung im Namen des Betroffenen regelt, noch aus einer unmittelbaren Beeinträchtigung eigener Rechte im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 330/14 - FamRZ 2015, 1015 Rn. 9 mwN). Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich aber aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, weil die Bevollmächtigte als Tochter der Betroffenen zu dem von dieser Vorschrift genannten Personenkreis gehört, in den vorhergehenden Rechtszügen beteiligt worden ist und die Rechtsbeschwerde jedenfalls auch im Interesse der Betroffenen eingelegt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 2015 - XII ZB 396/14 - FamRZ 2015, 843 Rn. 6 ff. mwN).
9
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

I.

10
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung lägen vor. Die Betroffene befinde sich seit zweieinhalb Jahren in einem Zustand massiver Beeinträchtigung der Hirnfunktion, unfähig zur Kommunikation mit der Umwelt. Die Vollmacht stehe der Bestellung eines Kontrollbetreuers nicht entgegen. Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, sei unwiederbringlich ein Dauerschaden am Gehirn der Betroffenen eingetreten. Mithin wäre es die Pflicht der Bevollmächtigten gewesen, den Willen der Betroffenen umzusetzen, die gewünscht habe, dass lebensverlängernde Maßnahmen - zu denen das Befüllen einer gelegten PEG-Sonde mit Nahrung gehöre - unterblieben. Denn es stehe fest, dass auf Grund von Krankheit ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. Für diesen Fall habe die Betroffene in der Patientenverfügung aber festgelegt, dass die Behandlung und Pflege nur noch auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein solle.
11
Davon, dass das Unterlassen der Nahrungszufuhr zu einem qualvollen Verhungern führen werde, sei nach dem Sachverständigengutachten nicht auszugehen. Die fehlende Flüssigkeitszufuhr habe den Ausfall der Nierenfunktion zur Folge, wodurch es zum urämischen Koma mit Bewusstlosigkeit und nachfolgender Beeinträchtigung der Herz-, Kreislauf- und Atemfunktion komme. Durch angemessene palliativmedizinische Versorgung könne unnötigem Leid im Rahmen des Sterbeprozesses wirksam begegnet werden.

II.

12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde eine so genannte Kontrollbetreuung im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB angeordnet, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses eindeutig ergibt. Es hat aber zu Unrecht das Vorliegen derer Voraussetzungen bejaht.
13
1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht die Beteiligte zu 2 als Bevollmächtigte der Betroffenen im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB für den Bereich der gesamten Gesundheitsfürsorge und insbesondere auch für Fragen im Zusammenhang mit Fortführung oder Abbruch der künstlichen Ernährung angesehen hat.
14
a) Mit der notariellen Urkunde vom 26. Februar 2003 hat die Betroffene der Beteiligten zu 2 eine Vorsorgevollmacht für den Bereich der Gesundheitsfürsorge erteilt, indem sie ihr die Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung übertragen hat.
15
Damit ist die Bevollmächtigte auch ohne weiteres ermächtigt, zu entscheiden , dass lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen nicht beendet wer- den. Insoweit muss die Vollmacht nicht den Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügen. Nach dieser Vorschrift ist einem Bevollmächtigten das Recht, in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff bei Vorliegen der in § 1904 Abs. 1 und 2 BGB genannten besonderen Gefahrensituation einzuwilligen, nicht einzuwilligen oder die Einwilligung zu widerrufen, nur unter der Voraussetzung eingeräumt, dass die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist. § 1904 Abs. 1 BGB erfasst die Einwilligung in Maßnahmen, mit deren Durchführung die begründete Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden ist. Dies ist bei der bloßen Fortführung einer lebenserhaltenden künstlichen Ernährung - anders als bei deren Abbruch (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 11 ff. mwN) - gerade nicht der Fall. § 1904 Abs. 2 BGB wiederum betrifft die Unterlassung oder Beendigung von lebenserhaltenden Maßnahmen, nicht jedoch deren Fortführung (zur strafrechtlichen Bewertung vgl. Haas JZ 2016, 714 ff.).
16
b) Die der Bevollmächtigten erteilte notarielle Vollmacht würde aber auch zur Abgabe des für die Beendigung der künstlichen Ernährung der Betroffenen erforderlichen Widerrufs der Einwilligung ermächtigen, weil sie die von § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB für die rechtliche Gleichstellung des Bevollmächtigten mit dem Betreuer (§ 1904 Abs. 5 Satz 1 BGB) geforderten Voraussetzungen erfüllt.
17
aa) Voraussetzung dafür, dass der Bevollmächtigte nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen kann, ist neben der Schriftform (§ 126 BGB) der Vollmacht, dass diese inhaltlich § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügt. Aus dem Sinn des Gesetzes, dem Vollmachtgeber die Tragweite der Bevollmächtigung deutlich vor Augen zu führen (vgl.
MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 75), folgt zwar nicht, dass der Wortlaut von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB wiedergegeben werden muss. Nicht ausreichend ist jedoch allein der Verweis auf die gesetzliche Bestimmung , weil ein solcher keine ausdrückliche Nennung der Maßnahmen beinhaltet und damit den mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB bezweckten Schutz des Vollmachtgebers (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 34; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 BGB Rn. 127) nicht gewährleisten kann (Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rn. 116). Der Vollmachttext muss vielmehr hinreichend klar umschreiben, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen (vgl. MünchKommBGB/ Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 75).
18
Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann (LG Hamburg FamRZ 1999, 1613, 1614; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 Rn. 127; Dodegge/Fritsche NJ 2001, 176, 181; Müller DNotZ 2010, 169, 186; tendenziell ebenso: jurisPK-BGB/Jaschinski [Stand: 7. September 2015] § 1904 Rn. 121; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2010] § 1904 Rn. 145; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 113, 114 zu § 1904 Abs. 2 BGB aF; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 74; Diehn FamRZ 2009, 1958; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326, 329; Müller DNotZ 1999, 107, 112 zu § 1904 Abs. 2 BGB aF).
19
(1) Dies legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe. In § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB werden als Maßnahmen nicht allgemein die den Bereich der Gesundheitsfürsorge beschreibenden Elemente der Untersuchung des Gesundheitszustands, der Heilbehandlung und des ärztlichen Eingriffs ge- nannt, sondern nur solche, bei denen die dort näher beschriebene begründete Gefahr besteht. Nur auf Maßnahmen mit dieser qualifizierten Gefahrensituation bezieht sich § 1904 BGB, und nur für solche schreibt § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB die besonderen Anforderungen an eine Bevollmächtigung vor.
20
(2) Das Erfordernis, dass diese Gefahrenlage in der Vollmacht zum Ausdruck kommt, ergibt sich jedenfalls eindeutig aus dem Gesetzeszweck. Zum einen soll dem Vollmachtgeber durch den Vollmachttext unmissverständlich vor Augen geführt werden, dass er dem Bevollmächtigten (auch) für Situationen, in denen die Gefahr des Todes oder schwerer und länger dauernder Gesundheitsschäden besteht, die Entscheidungsbefugnis überträgt, die dann gegebenenfalls auch Fragen der passiven Sterbehilfe umfasst. Zum anderen soll der Vollmachttext es auch Dritten ermöglichen, zweifelsfrei nachzuvollziehen, dass es dem Willen des Betroffenen entspricht, dem Bevollmächtigten die Entscheidung in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge gerade auch in den von § 1904 BGB erfassten Situationen zu überantworten, in denen es buchstäblich um Leben oder Tod geht.
21
(3) Dies steht mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang.
22
Eine dem § 1904 Abs. 5 BGB vergleichbare Regelung wurde erstmals mit dem Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts und weiterer Vorschriften vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580; Betreuungsrechtsänderungsgesetz - BtÄndG) eingeführt, mit dem der bis zum 31. August 2009 geltende Absatz 2 an § 1904 BGB angefügt wurde. Danach galt § 1904 Abs. 1 BGB auch für Bevollmächtigte, wobei die Einwilligung des Bevollmächtigten nur wirksam war, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt war und die in Absatz 1 Satz 1 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasste. Nach den Gesetzesmaterialien sollte sich die Vollmacht "ausdrücklich - zumindest auch - auf Untersuchungen des Gesundheitszustandes, auf Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe" beziehen (BT-Drucks 13/7158 S. 34). Die Bezeichnung der Gefahrensituation war in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht genannt.
23
Selbst wenn sich daraus entnehmen ließe, dass der Gesetzgeber ursprünglich die Rechtsmacht zur Einwilligung in eine Maßnahme nach § 1904 Abs. 1 BGB nicht an die Bezeichnung der Gefahrenlage in der Vollmacht knüpfen wollte, wäre dies durch die weitere Gesetzgebung überholt. Mit der zum 1. September 2009 in Kraft getretenen Neuregelung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2286; sog. Patientenverfügungsgesetz) hat der Gesetzgeber nicht nur in § 1904 Abs. 2 BGB Regelungen mit Blick auf die so genannte passive Sterbehilfe erlassen. Er hat darüber hinaus in § 1904 Abs. 4 BGB auch vorgesehen, dass bei Einvernehmen zwischen Betreuer oder Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung entfällt, und zwar sowohl bei passiver Sterbehilfe als auch in den Fällen des weiter geltenden § 1904 Abs. 1 BGB. Mit der Änderung des § 1904 Abs. 5 BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen , dass von der Vollmacht "Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 ausdrücklich umfasst sind" (BT-Drucks. 16/8442 S. 19). Solche Entscheidungen sind aber nur diejenigen, bei denen die qualifizierte Gefahrensituation besteht. Damit korrespondiert der Umstand, dass durch die Gesetzesänderung die einem Bevollmächtigten übertragbaren Befugnisse bei gleichzeitiger Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle deutlich erweitert worden sind. Dies verstärkt die mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB verbundene Notwendigkeit erheblich, dem Vollmachtgeber die möglichen schwerwiegenden Konsequenzen der Vollmachterteilung und damit auch die besondere Gefahrenlage eindeutig vor Augen zu führen.
24
Diese inhaltlichen Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB an die Vollmacht führen nicht zu einer ungerechtfertigten "Benachteiligung" des Bevollmächtigten gegenüber einem Betreuer (so aber wohl allgemein Spickhoff Medizinrecht 2. Aufl. § 1904 BGB Rn. 18). Denn die Vollmacht erteilt der Bevollmächtigte , ohne dass zuvor zwingend eine rechtliche Beratung oder gar eine gerichtliche Überprüfung hinsichtlich der Eignung des Bevollmächtigten erfolgt. Dann entspricht es aber dem wohlverstandenen Schutz des Vollmachtgebers , ihm durch die Vollmacht selbst zu verdeutlichen, dass er dem Bevollmächtigten die Entscheidung über sein Schicksal in ganz einschneidenden Gefahrenlagen anvertraut. Demgegenüber hat der Betreuerbestellung eine umfassende gerichtliche Prüfung vorauszugehen, wegen der es keines weiteren Schutzes vor einer unüberlegten Übertragung der entsprechenden Rechtsmacht auf den Betreuer als den Dritten bedarf.
25
bb) Ob die von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt den gesetzlichen Anforderungen.
26
(1) Indem die mit "Vollmacht" überschriebenen Texte vom 10. Februar 2003 und vom 18. November 2011 auf die jeweils in derselben Urkunde enthaltenen und von der Unterschriftsleistung mit erfassten "Patientenverfügungen" Bezug nehmen, in denen lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen ebenso wie ihre Vornahme und ihr Unterbleiben ausdrücklich genannt sind, werden die Maßnahmen zwar in einer § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügenden Weise umschrieben. Der jeweilige Text der Vollmacht enthält jedoch lediglich die Ermächtigung , an Stelle der Betroffenen die erforderlichen Entscheidungen mit den Ärzten "abzusprechen". Dabei soll die Bevollmächtigte den in der Patientenver- fügung geäußerten Willen "einbringen" sowie "Einwendungen vortragen", die die Ärzte dann "berücksichtigen" sollen.
27
Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass der Bevollmächtigten in diesen Urkunden nicht das Recht zur Letztentscheidung übertragen ist, das allein der Befugnis der (noch) einwilligungsfähigen Betroffenen entsprechen würde, im Außenverhältnis gegebenenfalls auch gegen ärztlichen Rat über die Frage von Erfolgen oder Unterbleiben der in § 1904 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen zu entscheiden. Denn nach ihrem Wortlaut beinhaltet die Vollmacht jeweils lediglich die Ermächtigung der Bevollmächtigten zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen , nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise. Dies entspräche nicht der § 1904 Abs. 1 bis 4 BGB zugrundeliegenden Rechtsmacht des Betreuers, die (Nicht-)Einwilligung oder den Widerruf der Einwilligung abzugeben. Vielmehr würde es allenfalls die den Bevollmächtigten bei Vorliegen einer Patientenverfügung allgemein nach § 1901 a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 BGB treffende Pflicht abdecken, dem Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
28
(2) Jedenfalls die notarielle Vollmacht vom 26. Februar 2003 überträgt der Bevollmächtigten aber zweifelsfrei die Entscheidungsbefugnis im Bereich der Gesundheitsfürsorge und bedient sich dabei teilweise des Wortlauts von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB, indem Untersuchung des Gesundheitszustands , Heilbehandlung und ärztlicher Eingriff sowie die Einwilligung - nebst Verweigerung und Zurücknahme - benannt sind. Darüber hinaus ist in der Vollmacht ausdrücklich die Befugnis aufgeführt, über den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen zu entscheiden, womit zugleich auch die mit dem Widerruf der Einwilligung verbundene begründete Gefahr des Todes und damit die von § 1904 Abs. 2 BGB insoweit erfasste besondere Gefahrensituation ausreichend deutlich im Text bezeichnet ist.
29
2. Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht weiter davon aus, dass gemäß § 1896 Abs. 3 BGB ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt und unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Widerruf der Vollmacht ermächtigt werden kann.
30
a) Mit einer Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen , geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und gegebenenfalls die Vollmacht zu widerrufen. Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 14 f. mwN).
31
Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 16 mwN).
32
b) Dem Kontrollbetreuer kann auch der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf übertragen werden. Dies setzt tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 17 mwN).
33
3. Entgegen der Annahme des Landgerichts sind bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabs die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung mit Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf hier aber nicht erfüllt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf nicht ausreichend genügt wird, und Umstände, die die Ermächtigung zum Widerruf einer Vollmacht rechtfertigen, können sich zwar grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bevollmächtigten zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rn. 121). Hierfür müsste sich der Bevollmächtigte offenkundig über den - insbesondere in einer Patientenverfügung niedergelegten - Willen des Betroffenen hinwegsetzen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
34
a) Die den Bevollmächtigten treffenden Pflichten bei der Entscheidung darüber, ob lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen, folgen aus der Systematik der §§ 1901 a, 1901 b, 1904 BGB.
35
aa) Der Bevollmächtigte muss nach § 1901 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BGB prüfen, ob eine eigene, in einer Patientenverfügung im Sinne der Legaldefinition des § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegte Entscheidung des Betroffenen vorliegt und ob diese auf die aktuell eingetretene Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen zutrifft. In diesem Zusammenhang hat der Bevollmächtigte auch zu hinterfragen, ob die Entscheidung noch dem Willen des Betroffenen entspricht, was die Prüfung einschließt, ob das aktuelle Verhalten des nicht mehr entscheidungsfähigen Betroffenen konkrete Anhaltspunkte dafür liefert, dass er unter den gegebenen Umständen den zuvor schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lassen will, und ob er bei seinen Festlegungen diese Lebenssituation mitbedacht hat (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 14/15). Dabei hat er gemäß § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB die Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens mit dem behandelnden Arzt zu erörtern; nach § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/8442 S. 15).
36
Liegt eine wirksame und auf die aktuelle Situation zutreffende Patientenverfügung vor, hat der Betroffene die Entscheidung selbst getroffen. Dem Bevollmächtigten obliegt es dann gemäß § 1901 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 14 mwN). Anderenfalls hat der Bevollmächtigte gemäß § 1901 a Abs. 2 und 5 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 25 ff. mwN), hierbei wiederum §§ 1901 a, 1901 b BGB zu beachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden.
37
Dabei kann es im Einzelfall schwierig oder auch unmöglich sein, den Behandlungswillen eines entscheidungsunfähigen Betroffenen festzustellen (BT-Drucks. 16/8442 S. 12). Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinleitung oder die Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille des Betroffenen auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betroffenen zu entscheiden und dabei dem Schutz seines Lebens Vorrang einzuräumen (BT-Drucks. 16/8442 S. 16).
38
bb) Besteht zwischen dem Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, welche Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen nach § 1901 a Abs. 1 und 2 BGB entspricht, bedarf selbst eine Maßnahme im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1904 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB). Einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch etwa einer künstlichen Ernährung als lebensverlängernder Maßnahme müsste das Betreuungsgericht dann ohne weitere gerichtliche Ermittlungen ablehnen und ein sogenanntes Negativattest erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 20). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist.
39
Dem Schutz des Patienten vor einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse des Bevollmächtigten wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen kann jeder Dritte, insbesondere Ehegatte , Lebenspartner, Verwandter oder Vertrauensperson des Betreuten, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips im Betreuungsverfahren jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Entscheidung des Bevollmächtigten in Gang setzen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 18; BT-Drucks. 16/8442 S. 19).
40
cc) Darüber hinaus kann zum einen die Patientenverfügung Nähereszu den Pflichten des Bevollmächtigten bei der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen regeln, etwa dass sie trotz konkreter Entscheidungen nicht unmittelbar gelten soll, sondern der Bevollmächtigte immer die Entscheidung über die Behandlung zu treffen und welchen Entscheidungsspielraum er hierbei hat (BT-Drucks. 16/8442 S. 15). Zum anderen kann auch die Vollmacht weitere Pflichten des Bevollmächtigten festlegen oder Pflichten und Befugnisse in ihrem Umfang näher konkretisieren.
41
b) Bei der Beurteilung, ob mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf Genüge getan wird und ob bei Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht sogar - wie für die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf erforderlich - eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere zu befürchten ist, muss die gesetzgeberische Wertung zum Pflichtenprogramm des Bevollmächtigten und zur gerichtlichen Kon- trolldichte von Entscheidungen bei lebensverlängernden Maßnahmen Berücksichtigung finden.
42
Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in §§ 1901 a und b, 1904 BGB das Ziel verfolgt, dem Betroffenen eine vorsorgende privatautonome Entscheidung der Fragen zu ermöglichen, die sich im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt stellen können, in dem der Betroffene zu einer eigenen rechtlich maßgeblichen Entscheidung mangels Einwilligungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist. Hierfür hat er einerseits die Möglichkeit der Patientenverfügung vorgesehen; andererseits kann der Betroffene eine Vertrauensperson mit der Umsetzung des Willens, aber auch mit einer eigenständigen Entscheidung auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Betroffenen bevollmächtigen. Dem Grundsatz nach soll bei Vorliegen einer wirksamen Vollmacht eine betreuungsgerichtliche Befassung auf die Fälle des Konflikts zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt beschränkt und ansonsten lediglich eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen sein. Dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob es einer Kontrollbetreuung - ggf. mit der Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - bedarf, Rechnung zu tragen. Anderenfalls würde die durch die Instrumente der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung erfolgte Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen über den Umweg der Kontrollbetreuung wieder entwertet.
43
Daraus erhellt, dass ein Kontrollbetreuer erst dann bestellt werden darf, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde. Dies wird gerade bei Einvernehmen zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt nur selten der Fall sein. Bedeutung erlangt insoweit zum einen, wie verlässlich der Wille des Betroffenen ermittelt werden kann und inwieweit seine Äußerungen einer Wertung zugänglich sind. Zum anderen ist auch in den Blick zu nehmen, ob der Betroffene die Bindungswirkung seiner etwaigen Willensäußerung für den Bevollmächtigten eingeschränkt hat.
44
c) Dass die Bevollmächtigte sich in dieser Weise über den Willen der Betroffenen hinwegsetzt, wenn sie in den Abbruch der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde nicht einwilligt, wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.
45
aa) Die Betroffene hat entgegen der der Beschwerdeentscheidung offensichtlich zugrunde liegenden Annahme keine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB erstellt, der sich eine in der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation bindende Entscheidung für die Fortführung oder den Abbruch der künstlichen Ernährung entnehmen lässt.
46
(1) Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt , was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29).
47
Die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 15; Palandt/Götz BGB 75. Aufl. § 1901 a Rn. 5). Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
48
(2) Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende , auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen , sondern benennen ganz allgemein "lebensverlängernde Maßnahmen". Auch im Zusammenspiel mit den weiteren Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung. Die notarielle Vollmacht bezeichnet mit einer "zum Tode führenden Krankheit" eine bei der Betroffenen nicht vorliegende Behandlungssituation. Die "Patientenverfügungen" stellen alternativ auf vier verschiedene Behandlungssituationen ab. Gerade die vom Landgericht angenommene eines schweren Dauerschadens des Gehirns ist so wenig präzise, dass sie keinen Rückschluss auf einen gegen konkrete Behandlungsmaßnahmen - hier die künstliche Ernährung mittels PEG-Sonde - gerichteten Willen der Betroffenen erlaubt.
49
bb) Die Bevollmächtigte hat bei der Ermittlung von auf den Abbruch oder die Fortsetzung der künstlichen Ernährung bezogenen Behandlungswünschen bzw. des mutmaßlichen Willens der Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 BGB) keine eine Kontrollbetreuung rechtfertigenden Pflichtverstöße begangen. Insbesondere ist sie ihrer aus § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB folgenden Pflicht nachgekommen , die ärztliche Maßnahme mit der behandelnden Ärztin zu erörtern.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts steht sie mit dieser im engen Kontakt und hat die Entscheidung mit ihr abgesprochen, also Einvernehmen darüber erzielt, dass ein auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen nicht feststellbar ist. Wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt, besucht sie die Betroffene regelmäßig, so dass sie sich ein Bild über die aktuelle Situation machen kann.
50
Tatrichterliche Feststellungen dazu, ob die Bevollmächtigte auch nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen der Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben und so § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB genügt hat, liegen zwar nicht vor. Bei dieser Regelung handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut jedoch lediglich um eine Soll-Vorschrift, deren Nichtbeachtung nicht zur Rechtswidrigkeit der (Nicht-)Einwilligung des Bevollmächtigten führt (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 b Rn. 9). Zudem erlegt die "Patientenverfügung" der Bevollmächtigten vorliegend nur eine Absprache mit der behandelnden Ärztin, nicht aber mit sonstigen Dritten auf (vgl. auch MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 a Rn. 57).
51
cc) Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von der Bevollmächtigten gefundene Ergebnis offenkundig dem - als Behandlungswunsch geäußerten oder mutmaßlichen - Willen der Betroffenen widerspricht.
52
(1) Ein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch der Betroffenen im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB ist vom Landgericht nicht festgestellt und insbesondere den von der Betroffenen unterzeichneten Schriftstücken nicht zu entnehmen.
53
Einen solchen Behandlungswunsch können alle Äußerungen eines Betroffenen darstellen, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB, die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden. Behandlungswünsche sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen. An die Behandlungswünsche des Betroffenen ist der Bevollmächtigte nach § 1901 a Abs. 2 und 3 BGB gebunden (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 25). Für die Annahme eines Behandlungswunsches ist ein mit einer Patientenverfügung vergleichbares Maß an Bestimmtheit zu verlangen. Wann eine Maßnahme hinreichend bestimmt benannt ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ebenso wie eine schriftliche Patientenverfügung sind auch mündliche Äußerungen des Betroffenen der Auslegung zugänglich (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 30).
54
Hier fehlt es der in den beiden handschriftlichen Patientenverfügungen sowie in der notariellen Vollmacht enthaltenen Bezeichnung "lebensverlängernde Maßnahmen" auch unter Berücksichtigung der weiteren in den Schriftstücken enthaltenen Angaben an der für einen auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Behandlungswunsch erforderlichen Bestimmtheit. Das Vorliegen eines mündlich geäußerten Behandlungswunschs hat das Landgericht nicht geprüft.
55
(2) Dass der mutmaßliche Wille der Betroffenen eindeutig auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet wäre, ist derzeit nicht feststellbar.
56
Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist abzustellen, wenn sich sein auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezogener Wille nicht feststellen lässt. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insbesondere anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (die jedoch keinen Bezug zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation aufweisen), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB). Der Bevollmächtigte stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 26).
57
Die Rechtsbeschwerde verweist hierzu mit Recht zum einen darauf, dass die Betroffene der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde zu der Zeit, als sie selbst noch kommunikationsfähig war, nicht widersprochen hat, und zum anderen auf die von der Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung gezeigten Reaktionen, die im Übrigen auch der Schilderung der Betreuungsbehörde entsprechen. Hinzu kommt, dass die Betroffene nach dem Text der zuletzt im November 2011 und damit kurz vor dem Hirnschlag erteilten privatschriftlichen Vollmacht ihren in der "Patientenverfügung" geäußerten Willen lediglich in den Entscheidungsprozess eingebracht und berücksichtigt wissen wollte, woraus eine nur eingeschränkte Bindung und ein weiter Ermessensspielraum der Bevollmächtigten bei der im Dialog mit der behandelnden Ärztin zu findenden Entscheidung folgen. Zudem lässt die "Patientenverfügung" mit der Anknüpfung an die "Erhaltung eines erträglichen Lebens" und an die "angemessenen Möglichkeiten" sowie mit dem unscharfen Begriff des "schweren" Dauerschadens einen weiten Interpretationsspielraum. Dass die Bevollmächtigte diesen nur in dem vom Landgericht vertretenen Sinne, also auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet, hätte ausfüllen dürfen, ist nicht ansatzweise ersichtlich.
58
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Dass nach Einschätzung des Sachverständigen ein "Dauerschaden des Gehirns" der Betroffenen eingetreten und bei Einstellung der künstlichen Ernährung nicht mit einem "qualvollen Verhungern" zu rechnen ist, erlaubt keinen Rückschluss auf einen gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willen der Betroffenen.
59
d) Soweit das Landgericht die Kontrollbetreuung über die mit der Entscheidung über Abbruch oder Fortführung der künstlichen Ernährung zusammenhängenden Fragen hinaus auf die gesamte Gesundheitsfürsorge erstreckt hat, hat das aus Rechtsgründen ebenfalls keinen Bestand. Es wird weder im angefochtenen Beschluss aufgezeigt noch ist anderweitig ersichtlich, dass insoweit die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung vorliegen. Der Begründung der Beschwerdeentscheidung sind Erwägungen allein im Zusammenhang mit der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen, nicht aber bezogen auf die übrige Gesundheitsfürsorge zu entnehmen. Dass die Bevollmächtigte ihre Vollmacht in den Angelegenheiten der sonstigen Gesundheitsfürsorge nicht zum Wohl der Betroffenen ausgeübt hätte, haben nicht einmal die Beteiligten zu 1 und zu 3 behauptet.

III.

60
Danach ist der angefochtene Beschluss gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
61
Dieses wird der Frage nachzugehen haben, ob die in den schriftlichen Stellungnahmen der Beteiligten zu 1 und zu 3 sowie der Schwester und der Cousine der Betroffenen behaupteten Äußerungen der Betroffenen gefallen sind und ob sich ihnen Behandlungswünsche oder - falls das nicht der Fall ist - jedenfalls Hinweise auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen entnehmen lassen. Außerdem gibt die Zurückverweisung dem Landgericht die Gelegenheit, die - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - bislang rechtsfehlerhaft im Beschwerdeverfahren unterbliebene persönliche Anhörung der Betroffenen nachzuholen. Nur wenn nach den weiteren Ermittlungen trotz des weiten Ermessensspielraums der Bevollmächtigten und der für die Auffassung der Bevollmächtigten sprechenden Umstände offenkundig sein sollte, dass die Bevollmächtigte sich über den auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Willen der Betroffenen hinwegsetzen würde, lägen die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung vor. Das Landgericht wird sich dann auch mit den Einwänden der Rechtsbeschwerde zur Betreuerauswahl und dazu, ob die Voraussetzungen für die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht vorliegen, auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff.).
Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Adelsheim, Entscheidung vom 14.10.2015 - XVII 39/15 -
LG Mosbach, Entscheidung vom 26.01.2016 - 3 T 7/15 -

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

(2) Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.

(3) Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

(4) War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.

(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 2/03
vom
17. März 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja

a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen
tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde
Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung
- geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen,
die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht
auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden
nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht
festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen
, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber
Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe
des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine
ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der
Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern.
Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts
ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung
nicht angeboten wird - sei es daß sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit
des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung
des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

c) Zu den Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung.
BGH, Beschluß vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03 - OLG Schleswig
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Mai 2002 und des Landgerichts Lübeck vom 25. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik, in welcher der Betroffene behandelt wurde, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 18. Januar 2001 den Sohn des Betroffenen - den Beteiligten - u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber Behörden ... und Einrichtungen
(z.B. Heimen) ..." zum Betreuer; die Betreuung wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 2001 verlängert. Am 8. April 2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht "die Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde" für seinen Vater beantragt, da eine Besserung des Zustandes seines Vaters nicht zu erwarten sei und die Einstellung dem früher geäußerten Wunsch seines Vaters entspreche. Der Beteiligte verweist hierzu auf eine maschinenschriftliche und vom Betroffenen handschriftlich unter Angabe von Ort und Datum unterzeichnete Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit , wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind ... (es folgen die Namen und Adressen der Ehefrau sowie des Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. " Die Ehefrau und die Tochter des Betroffenen haben erklärt, mit dem Antrag des Beteiligten einverstanden zu sein und ihn voll zu unterstützen.
Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt, da er keine Rechtsgrundlage habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Beteiligten möchte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Juli 1998 - 20 W 224/98 - FamRZ 1998, 1137 und vom 20. November 2001 - 20 W 419/01 - FamRZ 2002, 575 sowie des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 - 19 Wx 21/01 - FamRZ 2002, 488 gehindert. In diesen Entscheidungen haben die Oberlandesgerichte ausgesprochen, daß die Einwilligung des Betreuers eines selbst nicht mehr entscheidungsfähigen, irreversibel hirngeschädigten Betroffenen in den Abbruch der Ernährung mittels einer PEG-Magensonde anlog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist demgegenüber der Ansicht, daß die Einwilligung des Betreuers in einem solchen Fall nicht genehmigungsbedürftig sei; es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe anschlösse, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage an-
kommt. An diese Ansicht ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Das vorlegende Gericht geht - insoweit in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe - davon aus, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwillligungsfähigen Patienten die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich ist. Die Einwilligung in den Behandlungsabbruch sei nicht höchstpersönlich; denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfalle auch dem Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge", der alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen umfasse, und zwar auch dann, wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen sei. Für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Einwilligung fehle es - entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - allerdings an einer rechtlichen Grundlage: Eine Analogie zu § 1904 BGB scheitere, da eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit dem Betreuungsgesetz das gesamte Betreuungsrecht geregelt habe. Dabei habe er, wie sich aus den Materialien ergebe, auch den Fall des zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Gleichwohl habe er davon abgesehen , diesen Fall in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen aufzunehmen. Jedenfalls sei § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen; denn die dort geregelten Tatbestände seien
wertungsmäßig dem hier zu behandelnden Fall des Behandlungsabbruchs nicht gleich. So gehe es bei der nach § 1904 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen Einwilligung des Betreuers um ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet seien, die Gesundheit des Betroffenen wiederherzustellen; die Genehmigung der Einwilligung zu einem Behandlungsabbruch würde dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen abzielen. Beide Ziele stünden nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr"; vielmehr habe die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität, die auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedürfe. Außerdem regele § 1904 Abs. 1 BGB die Genehmigung der Einwilligung in ein ärztliches Tun, während bei der Genehmigung der Einwilligung in den Behandlungsabbruch ein ärztliches Unterlassen im Vordergrund stehe. Genau genommen gehe es hier nicht um eine Einwilligung des Betreuers in eine medizinische Maßnahme, sondern um den Widerruf oder die Verweigerung einer solchen Einwilligung; diese seien aber nach § 1904 BGB gerade genehmigungsfrei. Selbst wenn aber eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre eine Ergänzung durch Gerichte ausgeschlossen, weil die staatliche Mitwirkung bei einem auf Lebensbeendigung eines Menschen gerichteten Verhalten so wesentlich sei, daß sie einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen sei und ob, wie es der Bundesgerichtshof formuliert habe, dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden ließen, auf "Kriterien zurückgegriffen werden" müsse, die "allgemeinen Wertvorstellungen" entsprächen. Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen oder "den Schritt in eine andere Republik" befürchten zu lassen. Ferner machte ein möglicherweise religiös oder
sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

III.

Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 1. Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft; der Beteiligte ist gemäß § 20 Abs. 1 FGG auch beschwerdeberechtigt. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Beteiligte hat beantragt, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen. Damit möchte er erreichen, daß das Vormundschaftsgericht seiner Entscheidung, nicht länger in die künstliche Ernährung des Betroffenen einzuwilligen, zustimmt. Die Vorinstanzen haben es zu Unrecht abgelehnt, in der Sache tätig zu werden.
a) Die gegen eine weitere künstliche Ernährung des Betroffenen gerichtete Entscheidung des Beteiligten ist nicht schon deshalb einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts entzogen, weil sie sich rechtlich als ein Unterlassen darstellt. Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten (Hufen NJW 2001, 849, 853 m.w.N.). Solche Eingriffe bedürfen - ebenso wie das ursprüngliche Legen der Sonde - grundsätzlich der Einwilli-
gung des Patienten. Ist der Patient im Zeitpunkt der Maßnahme nicht einwilligungsfähig , so gilt: Eine frühere Willensbekundung, mit welcher der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, wirkt, falls der Patient sie nicht widerrufen hat, fort (V. Lipp in May et al. Passive Sterbehilfe 2002, 37, 43 und Fn. 37 m.w.N.; Taupitz Verhandlungen des 63. DJT 2000 Gutachten A 41); die inzwischen eingetretene Einwilligungsunfähigkeit ändert nach dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB an der fortdauernden Maßgeblichkeit des früher erklärten Willens nichts. Ist eine solche frühere Willensbekundung nicht bekannt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Maßnahme, falls unaufschiebbar , nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, bis für diesen ein Betreuer bestellt ist (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1904, 38). Ist - wie hier - für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen (Taupitz aaO A 71). Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten "durchgreifen" (Taupitz aaO A 70 f.). Eine Willensbekundung, mit welcher der Betroffene seine Einwilligung in die in Frage stehenden Maßnahmen und für die jetzt eingetretene Situation erklärt oder verweigert hat, wirkt weiterhin - als Ausfluß seines Selbstbestimmungsrechts - fort. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer die exklusive Aufgabe, dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die Beibehaltung der Sonde und die Fortführung der über sie ermöglichten künstlichen Ernährung bedürfen,
da eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt, der Einwilligung des Beteiligten. Mit dem Verlangen, diese Behandlung nicht fortzusetzen, hat der Betei- ligte die erforderliche Einwilligung verweigert. Ob der Beteiligte früher zumindest konkludent in die Behandlung eingewilligt hat und sich das Verlangen nach Abbruch der Behandlung deshalb (auch) als Widerruf dieser Einwilligung darstellt , mag dahinstehen. Bereits das Unterlassen der erforderlichen Einwilligungserklärung kann - für sich genommen - auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden; es ist damit einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht schon per se entzogen. Soweit in der Literatur nur der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung , nicht aber die erstmalige Verweigerung der Einwilligung (Fröschle JZ 2000, 72, 80: "nullum") als "an sich" genehmigungsfähig angesehen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Unterlassen des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, kann nicht anders beurteilt werden als das Unterlassen, in die Weiterbehandlung einzuwilligen. Zwar liegt im zweiten Fall unter Umständen auch ein aktives Handeln - nämlich der Widerruf einer zuvor erteilten Einwilligung - vor. Die Abgrenzung ist jedoch - etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Einwilligung vom Betreuer konkludent erteilt worden ist oder ob eine einmal erteilte Einwilligung die in Frage stehenden Maßnahmen für die jetzt eingetretene Situation noch abdeckt - fließend; sie rechtfertigt jedenfalls keine rechtliche Differenzierung. Wollte man nur den Widerruf einem vormundschaftsgerichtlichen Kontrollvorbehalt unterstellen , bestünde im übrigen die Gefahr, daß von lebenserhaltenden Maßnahmen nur noch zögerlich Gebrauch gemacht wird, um deren späteren - an die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle gebundenen - Abbruch zu vermeiden; der mit dem Kontrollvorbehalt (auch) verfolgte Lebensschutz würde in sein Gegenteil verkehrt.
Auch kann ein Kontrollerfordernis nach Auffassung des Senats sinnvoll nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Betreuer die Erteilung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung nur schlechthin unterlassen oder ob er seine Einwilligung verweigert und damit aktiv gehandelt hat (so aber wohl - jedenfalls für die analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB - Taupitz aaO A 87 und Lipp aaO 51). Da für eine die körperliche Integrität verletzende medizinische Behandlung oder Weiterbehandlung eine Einwilligung notwendig ist, ist deren Verweigerung nichts anderes als eine Bekräftigung des Unterlassens, die Einwilligung zu erteilen. Hinge die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von einer solchen Bekräftigung ab, wäre das Erfordernis dieser Kontrolle beliebig manipulierbar.
b) Ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts wird, wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Entscheidung gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung des Betroffenen höchstpersönlicher Natur ist. In der Rechtsprechung und Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, daß dem Betreuer die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen, weil höchstpersönlich, nicht zustehe und deshalb auch einer Überprüfung durch das den Betreuer kontrollierende Vormundschaftsgericht entzogen sei (vgl. etwa LG München I FamRZ 1999, 742; Landgericht Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Lilie in Wienke/Lippert , Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben 2001, 75, 83, Seitz ZRP 1998, 417, 420; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42). Diese Ansicht würde es jedoch, recht verstanden, nicht hindern, das Verlangen des Beteiligten nach Abbruch der künstlichen Ernährung einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen. Da der Beteiligte sein Verlangen auf den erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen stützt, trifft er insoweit
keine eigene Entscheidung; er setzt vielmehr nur eine im voraus getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um. Die richtige Umsetzung des Willens des Betroffenen und die damit einhergehende Unterlassung einer eigenen, den Willen des Betroffenen ersetzenden Einwilligung des Beteiligten in die Weiterbehandlung des Betroffenen ist - wie dargelegt - aber ein tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung. Auch generell läßt sich aus der Höchstpersönlichkeit einer Entscheidung kein zwingendes Argument gegen die Entscheidungszuständigkeit eines Betreuers und die Überprüfung seiner Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht herleiten; denn einem Betreuer werden vom Gesetz - etwa bei der Sterilisation (§ 1905 BGB) - durchaus höchstpersönliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Zudem ergäbe sich, wenn man die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme oder die Durchsetzung einer solchen Entscheidung generell von der Aufgabenzuweisung an den Betreuer ausnähme, eine mißliche Wahl: Entweder würde damit ein striktes Gebot zur Durchführung lebensverlängernder oder -erhaltender medizinischer Maßnahmen statuiert - also auch gegen einen vom Betroffenen früher geäußerten Willen. Oder die Entscheidung über die Frage der Behandlung oder Weiterbehandlung bliebe dem Arzt und/oder den nahen Angehörigen überlassen - dies allenfalls mit der Auflage, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. An die Stelle der Willensbestimmung durch den Betreuer als den gesetzlichen Vertreter träte die Willensbestimmung durch den Arzt oder die Angehörigen, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht mehr legitimieren würde, unter Umständen mit Eigeninteressen kollidieren könnte und im System des geltenden Rechts einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle von vornherein nicht zugänglich wäre (vgl. zum Ganzen Taupitz aaO A 89; Fröschle aaO 74).
Eine andere Frage ist, ob das Vormundschaftsgericht dem Beteiligten mit der Übertragung des Aufgabenkreises "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen" auch die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen der hier in Frage stehenden Art übertragen hat. Da sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht die Bestellung des Beteiligten nicht einschränkend ausgelegt haben, kann auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde von einer umfassenden Zuständigkeit des Beteiligten für die medizinischen Belange des Betroffenen ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als bei einer einschränkenden Auslegung des Aufgabenkreises die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht fortgeführt, sondern von den behandelnden Ärzten im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem vom Betroffenen früher erklärten und als maßgebend fortdauernden Willen überprüft und, falls der Aufgabenkreis des Beteiligten nicht erweitert oder ein weiterer Betreuer bestellt würde, gegebenenfalls eingestellt werden müßten.
c) Gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts läßt sich auch nicht anführen, daß es an Kriterien fehle, anhand derer das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, rechtlich überprüft werden könne, daß die Entscheidung des Beteiligten mithin nicht justiziabel sei. aa) Die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzungen die Rechtsordnung gestattet, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen oder nicht fortzuführen, hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache dahin entschieden , daß das Grundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben müsse (Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204). Werde in einem solchen Fall der Tod in kurzer Zeit eintreten, so rechtfertige die unmittelbare Todesnähe es, von einer Hilfe für den Sterbenden und "Hilfe beim
Sterben", kurz von Sterbehilfe zu sprechen und dem Arzt den Abbruch lebens- verlängernder Maßnahmen zu erlauben. In Fällen, in denen das Grundleiden zwar einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe aber nicht gegeben sei und der Sterbevorgang somit noch nicht eingesetzt habe, liege eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinne nicht vor. Auch wenn der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (auch im damals entschiedenen Fall: einer künstlichen Ernährung über eine Magensonde) unter solchen Umständen zum Teil bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne oder als "Hilfe zum Sterben" bezeichnet werde und bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen sei, seien doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur eigentlichen Sterbehilfe zu stellen. Diese objektive Eingrenzung zulässiger Sterbehilfe ist auch für das Zivilrecht verbindlich; denn die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet. Aus ihr folgt, daß für das Verlangen des Betreuers, eine medizinische Behandlung einzustellen, kein Raum ist, wenn das Grundleiden des Betroffenen noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat und durch die Maßnahme das Leben des Betroffenen verlängert oder erhalten wird. Richtig ist zwar, daß der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Patienten zu achten hat und deshalb keine - auch keine lebenserhaltenden - Maßnahmen gegen dessen Willen vornehmen darf (vgl. etwa Taupitz aaO A 19 ff.). Die Entscheidungsmacht des Betreuers ist jedoch mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen Patienten nicht deckungsgleich, sondern als gesetzliche Vertretungsmacht an rechtliche Vorgaben gebunden; nur soweit sie sich im Rahmen dieser Bindung hält, kann sie sich gegenüber der Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, durchsetzen. Das bedeutet: Die medizini-
schen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine vom gesetzlichen Vertreter konsentierte Sterbehilfe (auch im weiteren Sinne) gestattet, binden den Arzt ebenso wie den gesetzlichen Vertreter. Liegen sie nicht vor, ist die Sterbehilfe rechtswidrig; sie wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der gesetzliche Vertreter in sie – und sei es auch mit Billigung des Vormundschaftsgerichts – einwilligt. Deshalb ist die Verweigerung der Einwilligung hier insoweit ebenso irrelevant wie eine etwaige Billigung dieser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht. Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, jedenfalls insoweit einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen sei, als die medizinischen Voraussetzungen, unter denen ein solches Verlangen rechtlich überhaupt erst zulässig wäre, in Frage stünden. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte vielmehr - im Gegenteil - die Möglichkeit, verantwortlich zu prüfen , ob der rechtliche Rahmen für das Verlangen des Beteiligten überhaupt eröffnet ist. Dies wäre immer dann zu verneinen, wenn eine letzte Sicherheit, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen habe, nicht zu gewinnen wäre. bb) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. September 1994 (aaO 204 f.) das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder oder lebenserhaltender Maßnahmen - bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen - allerdings nur dann als rechtmäßig erachtet, wenn das Unterlassen oder der Abbruch der Maßnahmen dem - im entschiedenen Fall: mutmaßlichen - Willen des Patienten entspricht. Diese Ausrichtung auf den Willen des Betroffenen korrespondiert mit den Vorgaben, die auch § 1901 BGB für das Betreuerhandeln normiert. Maßgebend sind nach § 1901 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB die - auch früher geäußerten (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) - Wünsche des
Betroffenen, sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB) und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Das Wohl des Betreuten ist dabei nicht nur objektiv, sondern - im Grundsatz sogar vorrangig (MünchKomm/Schwab aaO § 1901 Rdn. 14) - subjektiv zu verstehen ; denn "zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, ... sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten" (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt, wenn sich - auf die vorliegende Situation bezogene - Wünsche des Betroffenen nicht feststellen lassen: Dann hat sich der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB am "Wohl des Betreuten" zu orientieren , dies aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aus der Sicht des Betreuten - d.h. nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu bestimmen (vgl. zum Ganzen G. Fischer, FS Deutsch 1999, 545, 548 ff., 555; Fröschle aaO 76; einschränkend Taupitz aaO 41 "objektive Interessenabwägung mit subjektivem Korrekturvorbehalt"; in diese Richtung auch Lipp aaO 48 f.); man kann insoweit von einem (individuell-) mutmaßlichen Willen des Betroffenen sprechen (kritisch zu dieser Rechtsfigur Höfling JuS 2000, 111, 116). Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen (individuell-) mutmaßlichen Willens nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit nämlich eine im einwilligungsfähigem Zustand getroffene "antizipative" Willensbekundung des Betroffenen - mag sie sich als Einwilligung in oder als Veto gegen eine bestimmte medizinische Behandlung darstellen - nicht zu ermitteln ist. Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung" , vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts , aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer ; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwi-
schen verloren hat. Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt (Taupitz aaO A 41: Die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung dürfe nicht "unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden ..., daß der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes gewollt hätte"; vgl. auch aaO A 106 ff.). Auch wenn der Beteiligte somit strikt an den wirklichen und (nur) hilfsweise an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist, so spricht dies ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, das Verlangen des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht (vgl. etwa G. Fischer in Medicus et al. Schadensrecht, Arztrecht ... 2001, 37, 50). cc) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob und unter welchen Gegebenheiten ein Betreuer seine Einwilligung in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Weiterbehandlung des Betroffenen verweigern darf, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine zulässige Hilfe beim oder auch zum
Sterben vorliegen, Wünsche des Betroffenen aber nicht geäußert oder nicht ersichtlich sind und sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. In einem solchen Fall soll nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO 205) auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen. Diese Auffassung ist auf - zum Teil sehr engagierte - Kritik (vgl. etwa Dörner ZRP 1996, 93, 95 f.; Laufs NJW 1998, 3399, 3400) gestoßen, die sich das vorlegende Oberlandesgericht zu eigen macht und deren sachliche Berechtigung hier nicht im einzelnen zu erörtern ist. Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Grenzen der Hilfe im oder auch zum Sterben wird gerade durch das Fehlen verbindlicher oder doch allgemeiner Wertmaßstäbe geprägt (Taupitz aaO A 38, allerdings mit dem Versuch einer "objektiven" Interessenabwägung aaO 41 ff., 46 ff.; Knittel Betreuungsgesetz § 1904 BGB Anm. 9 f.). Auch die Verfassung bietet keine sichere Handhabe, die im Widerstreit der Schutzgüter von Leben und Menschenwürde eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verläßliche und vom subjektiven Vorverständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung ermöglicht (vgl. etwa Hufen aaO 850). Soweit vor diesem Hintergrund für ein von keinem nachgewiesenen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Betroffenen getragenes Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen überhaupt Raum bleibt (verneinend OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1556, 1557; OLG Karlsruhe aaO 492; OLG Frankfurt FamRZ 1998 aaO 1138 und 2002 aaO 577), böte sich als Richtschnur möglicherweise ein Verständnis des Wohls des Betroffenen an, das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis (in diese Richtung Lipp aaO 48 f.; vgl. aus medizinethischer Sicht auch
Schöne-Seifert Verhandlungen des 63. DJT 2000 Referat K 41, 48 mit der Forderung , "Behandlungsstandards" - unter Offenlegung ihrer notwendigen ethischen Prämissen - zu entwickeln) böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet.
d) Das Oberlandesgericht hat allerdings mit Recht angenommen, daß § 1904 BGB für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung des Verlangens des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, keine Rechtsgrundlage hergibt. Auch eine analoge Anwendung dieser Einzelvorschrift kann, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, für sich genommen eine solche Aufgabenzuweisung an das Vormundschaftsgericht schwerlich begründen. So läßt sich bereits bezweifeln, ob die Vorschriften des Betreuungsrechts , in denen einzelne Handlungen des Betreuers einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden, ein geschlossenes gedankliches System darstellen, das es erlaubt, andere, von der legislativen Problemselektion nicht aufgegriffene Konfliktsituationen als eine "planwidrige" Unvollständigkeit (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., 196 f.: "Gesetzeslücke im engeren Sinn") zu verstehen. Jedenfalls ist § 1904 BGB für sich genommen nicht geeignet, im Wege analoger Anwendung Entscheidungen des Betreuers gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende medizinische Behandlung dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Zum einen fehlt insoweit bereits die Gleichheit der Problemlage: Der Schutz eines heilungsfähigen Patienten vor dem Einsatz riskanter medizinischer Mittel ist etwas völlig anderes als die medizinische Versorgung eines tödlich und un-
heilbar erkrankten Menschen (Schwab FS Henrich 2000 511, 524; ders. MünchKomm aaO § 1904 Rdn. 38). § 1904 BGB will - anders ausgedrückt - dem Betroffenen Leben und Gesundheit erhalten, der geforderte Behandlungsabbruch will sein Leben gerade beenden. Beide Ziele stehen sich nicht im Verhältnis von "maius" und "minus" gegenüber; sie sind miteinander inkomparabel und deshalb einem "erst recht"-Schluß nicht zugänglich (LG München aaO). Auch eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu den §§ 1904 bis 1907 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen läßt sich diesen schon tatbestandlich ganz unterschiedlichen Genehmigungsvorbehalten kein "allgemeiner Grundsatz" unterlegen, dessen folgerichtige Entfaltung auch Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung bereithält. Zum anderen läßt sich diese Frage mit der in diesen Genehmigungsvorbehalten vorgesehenen Rechtsfolge auch nicht erschöpfend beantworten: Lehnt das Vormundschaftsgericht es ab, eine nach den §§ 1904 bis 1907 BGB genehmigungspflichtige Erklärung oder Maßnahme des Betreuers zu genehmigen, so ist die Erklärung unwirksam und die Maßnahme unterbleibt. Verweigert der Betreuer die notwendige Einwilligung in die lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betreuten, so wird diese Behandlung damit allein noch nicht zulässig. Das Vormundschaftsgericht müßte, falls es nicht einen anderen Betreuer bestellt, die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung ersetzen (vgl. Steffen NJW 1996, 1581; Engers/Wagenitz FamRZ 1988, 1256, 1257). Eine solche willensersetzende Entscheidungsmacht des Vormundschaftsgerichts ist dem geltenden Recht strukturell nicht fremd, aber auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt (vgl. § 1810 Satz 1 Halbs. 2, § 1837 Abs. 4 i.V. mit § 1666 Abs. 3 BGB, arg. e contr. § 1908 i Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Engler BGB 13. Bearb., § 1837 Rdn. 2, 47; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1837 Rdn. 4 ff., 35). Die §§ 1904 bis 1907 BGB bieten für sie keine Grundlage.

e) Die fehlende Möglichkeit einer analogen Heranziehung der §§ 1904 bis 1907 BGB schließt freilich die Befugnis des Senats nicht aus, für die verweigerte Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung eines nicht einwilligungsfähigen Betroffenen im Wege einer Fortbildung des Betreuungsrechts eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit zu eröffnen. Die Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht der obersten Gerichtshöfe des Bundes und wird ständig geübt (grundlegend BVerfGE 34, 296, 287 ff.; BGHZ 3, 308, 315; zu den Voraussetzungen im einzelnen Larenz Methodenlehre 6. Aufl., 366 ff., insbes. 413 ff.; Larenz/Canaris aaO 187 ff., insbes. 232 ff.). Sie ergibt sich vorliegend aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis , mit den Instrumenten dieses Rechts auch auf Fragen im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. aa) Der Vorrang des Gesetzes hindert eine solche Rechtsfortbildung nicht (dazu allgemein etwa BVerfGE 96, 56, 62). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes - wie sich aus dessen Materialien ergibt - dem Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch insoweit Beachtung zuerkennen wollte, als "dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen" (BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Richtig ist auch, daß der Gesetzgeber ein Verhalten des Betreuers, das auf Durchsetzung eines solchen Wunsches gerichtet ist, keinem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht auf ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes schließen, das es verbieten könnte, im Wege der Rechtsfortbildung die unterlassene Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zum einen lassen die in den §§ 1904 bis 1907 BGB aufgegriffenen
Konfliktsituationen kein geschlossenes Konzept erkennen, das einer rechtsfort- bildenden Erweiterung nicht zugänglich wäre; zum andern ist - wie ausgeführt - der in diesen Vorschriften normierte Genehmigungsvorbehalt schon strukturell nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung einer erschöpfenden Regelung zuzuführen; aus der Nichterstreckung der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungserfordernisse auf diese Frage läßt sich deshalb nicht schließen, der Gesetzgeber habe diese Frage generell einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entziehen wollen. Auch die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) verhält sich zur Frage eines Genehmigungserfordernisses nicht; das war nach der vorrangig auf eine Neuordnung des Rechts der Betreuervergütung gerichteten Zielsetzung dieses Gesetzes allerdings auch nicht anders zu erwarten (Knieper NJW 1998, 2720, 2721). Auch für die Folgezeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers nicht als eine legislative Entscheidung gegen eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit für das Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen deuten. Die Bundesregierung sah, wie auch ihre Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hüppe belegt, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf: Danach wirft die Entscheidung des Oberlandesgerichts "nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme ... beantwortet werden kann" (BT-Drucks. 13/11345 Frage Nr. 14 S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist berufen, hierzu ihren Beitrag zu leisten und damit zugleich mögliche Wege für die vielfach geforderte (vgl. etwa Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 1998, 161, 162; Taupitz aaO A 92; Scheffen ZRP 2000, 313, 316 f.; Hufen aaO 857) und auch
nach Auffassung des Senats wünschenswerte gesetzliche Regelung aufzuzeigen. bb) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen (so aber wohl Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 98, 161, 162; Jürgens BTPrax 98, 159, 160; Alberts NJW 1999, 835, 836). Denn durch die Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts wird nicht in die Rechte des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingegriffen, der Vormundschaftsrichter - entgegen einer gelegentlich gebrauchten plakativen Formulierung - also nicht zum "Herrn über Leben und Tod" ernannt (so aber AG Hanau BTPrax 1997, 82, 83; Deichmann MDR 1995, 983, 984; mit Recht kritisch Verrel JR 1999, 5, 6). Vielmehr werden - im Gegenteil - die Grundrechte des Betroffenen geschützt, indem die Entscheidung des Betreuers, nicht in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen einzuwilligen, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen und dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen - als Ausfluß seiner fortwirkenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - überprüft wird (OLG Karlsruhe aaO 490). cc) Eine im Wege der Fortbildung des Betreuungsrechts zu begründende Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts findet ihre natürliche Grenze dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechts, dessen Handhabung den Vormundschaftsgerichten anvertraut ist, endet. Das Betreuungsrecht regelt, soweit medizinische Maßnahmen für den Betroffenen in Frage stehen, zwar nicht nur das Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen; es schreibt auch vor, inwieweit der Betreuer die dem Betroffenen zustehenden Rechte gegenüber Ärzten oder Pflegekräften wahrnehmen kann. Der Umfang dieser Rechte selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Betreuungsrechts und deshalb von vornherein einer isolierten vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen.
Daraus ergibt sich, daß auch die Frage, welche lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen der Betroffene beanspruchen und der Betreuer folglich als sein gesetzlicher Vertreter für ihn einfordern kann, nicht vom Betreuungsrecht zu beantworten ist. Auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen läßt sich eine Antwort nicht entnehmen; denn dieses Recht läßt sich nur als Abwehrrecht gegen, nicht aber als Anspruch auf eine bestimmte Behandlung begreifen (Taupitz aaO A 23; Verrel JZ 1996, 224, 226; einschränkend Lilie FS Steffen 1995, 273, 276). Im Grundsatz gesichert erscheint, daß der Arzt - gestützt auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit - jedenfalls solche Maßnahmen verweigern kann, für die keine medizinische Indikation besteht (Taupitz aaO 23 f. m.w.N.). Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (Opderbecke MedR 1985, 23, 25), begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags (Taupitz aaO 23 ff.; vgl. auch Lilie in Wienke/Lippert aaO 80). Diese - im Schnittfeld naturwissenschaftlicher und medizinethischer Überlegungen nicht immer scharfe - Begrenzung (vgl. etwa die Umschreibung in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung NJW 1998, 3406; w.N. bei Taupitz aaO Fn. 4) ist dem Betreuungsrecht vorgegeben; denn die rechtliche Betreuungsbedürftigkeit eines Patienten verändert den Rahmen, in dem er ärztliche Behandlung beanspruchen kann, nicht (Taupitz aaO 40; Lipp aaO 53; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 397). Die Frage, ob eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung medizinisch indiziert ist und ihre Durchführung deshalb vom ärztlichen Heilauftrag geboten wird, kann deshalb für das Betreuungsrecht nur als Vorfrage - d.h. im Zusammenhang mit der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Beurteilung eines Verhaltens des Betreuers bei der Wahrnehmung von Patienteninteressen des Betroffenen - Bedeutung erlangen. Für sich genommen - also losgelöst von der Prüfung eines
derartigen Betreuerverhaltens - kann diese Frage nicht zum Gegenstand eines vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens erhoben werden. dd) Für das Betreuungsrecht kann der Inhalt des ärztlichen Heilauftrags und das aus ihm resultierende Behandlungsangebot danach allerdings mittelbar relevant werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird - sei es, daß sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert, sinnlos geworden oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist (Lipp aaO 52 f.). Das Unterlassen (erst recht die Weigerung) des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, ist - wie einleitend dargelegt - zwar tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle, setzt aber notwendig ein entsprechendes ärztliches Behandlungsangebot voraus. Fehlt es an einem solchen Angebot, kommt eine vormundschaftsgerichtliche Prüfung allenfalls insoweit in Betracht, als die Pflicht des Betreuers in Frage steht, in Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen. Die Frage, welche Möglichkeiten dem Vormundschaftsgericht hier zur Verfügung stehen, den Betreuer zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten , beantwortet sich aus der Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1908 i i.V. mit § 1837, § 1908 b BGB). Sie bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung; denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nur soweit ärztlicherseits eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung angeboten wird, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich.
Ein Unterlassen (erst recht eine Verweigerung) der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird - nach der im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Auffassung des Senats - jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsge- richts wirksam. Eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des einwilligungsunfähigen Patienten ist bei medizinischer Indikation deshalb auch ohne die Einwilligung des Betreuers zunächst - bis zu einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - durchzuführen oder fortzusetzen. Das Vormundschaftsgericht hat das Verhalten des Betreuers anhand der oben aufgeführten Kriterien auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; es trifft also keine eigene Entscheidung gegen lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen (vgl. Taupitz aaO A 85 und Fn. 410 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; Lipp aaO 52). Das Vormundschaftsgericht muß der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung zustimmen, wenn feststeht, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-)mutmaßlichen Willen widerspricht. Die Frage, ob das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung auch dann zustimmen darf, wenn sich ein entsprechender wirklicher oder mutmaßlicher Wille trotz erschöpfender Nachforschungen des Betreuers nicht feststellen läßt, wird namentlich dann praktisch, wenn das Vormundschaftsgericht zu einer Beurteilung der medizinischen Indikation gelangt, die von der - diese Indikation bejahenden - Bewertung des behandelnden Arztes abweicht; diese Frage kann, wie ausgeführt, hier offenbleiben. Stimmt das Vormundschaftsgericht der eine Behandlung oder Weiterbehandlung ablehnenden Entscheidung des Betreuers zu, ist dessen Einwilligung nicht länger entbehrlich und die Nichterteilung dieser Einwilligung wirksam. Verweigert das Vormundschaftsgericht dagegen seine Zustimmung, so gilt damit zugleich die Einwilligung des Betreuers in die angebotene Be-
handlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen als ersetzt. Das vormund- schaftsgerichtliche Verfahren ist dem Richter vorbehalten (ebenso § 14 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). § 69 d Abs. 1, 2 FGG findet eine entsprechende, den Besonderheiten des Regelungsgegenstandes Rechnung tragende Anwendung. So hat sich der Vormundschaftsrichter vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. § 69 d Abs. 1 Satz 2 FGG). Auch wird er auf die Einholung eines zusätzlichen, von einem anderen als dem behandelnden Arzt erstellten Sachverständigengutachtens (vgl. § 69 d Abs. 2 FGG) im Regelfall nicht verzichten können, wenn die medizinischen Voraussetzungen für die Forderung des Betreuers, die Behandlung einzustellen, nicht durch eine neuere, den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügende ärztliche Stellungnahme belegt sind (vgl. dazu näher OLG Karlsruhe aaO 492) oder wenn er - in Abweichung von der Beurteilung des behandelnden Arztes - die medizinische Indikation der ärztlicherseits angebotenen Behandlung verneinen will. Mit diesem Zustimmungserfordernis wird dem Schutz des Betroffenen in seinen Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde in ausgewogener Weise Rechnung getragen (Taupitz aaO A 84; Lipp aaO 52, Saliger JuS 1999, 16, 20). Zugleich zielt dieses Erfordernis auf Schutz und Fürsorge für den Betreuer: Indem das Betreuungsrecht dem Betreuer unter Umständen eine Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen abverlangt, bürdet es ihm eine Last auf, die allein zu tragen dem Betreuer nicht zugemutet werden kann (LG Duisburg NJW 1999, 2744). Da das Recht vom Einzelnen nichts Unzumutbares verlangen kann, erscheint es dem Senat zwingend geboten, den Betreuer durch das vormundschaftsgerichtliche Prüfungsverfahren zu entlasten. Dieses Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen - auch strafrechtlichen - Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder
mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen umfassend - ermittelt werden kann (OLG Karlsruhe aaO 490; Knittel aaO). Das Prüfungsverfahren vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln (Taupitz aaO 82 f.) und die ihn zudem vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützt OLG Karlsruhe aaO; Fröschle aaO 79, Saliger aaO 21). Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, daß die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, daß die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.

IV.

Der Senat sieht sich an seiner Auffassung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994 (aaO) nicht gehindert. In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Einstellung der künstlichen Ernährung der Patientin, die seit Jahren infolge einer irreversiblen Hirnschädigung zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in
der Lage war, für die deshalb deren Sohn zum Pfleger mit dem Aufgabenkreis "Zuführung zu ärztlicher Behandlung" bestellt worden war und deren Grundleiden einen tödlichen Verlauf angenommen hatte, für rechtswidrig erachtet, weil für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin hinreichend sichere Anhaltspunkte gefehlt hätten und die Zustimmung des Pflegers zur Einstellung der künstlichen Ernährung schon mangels einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam gewesen sei. § 1904 BGB sei nach seinem Sinn und Zweck in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden, wenn eine ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung bestehe und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt habe. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen seien, dann müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten , die eine ärztliche Behandlung beenden sollten und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führten. Diese - von der dargelegten Rechtsmeinung des erkennenden Senats unterschiedliche - Sicht des § 1904 BGB begründet indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG, die zu einer Anfrage an den 1. Strafsenat Anlaß geben und, falls dieser an seiner Auffassung festhielte, eine Vorlage an die Vereinigten Großen Senate erfordern würde; denn der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich. § 132 GVG räumt den Vereinigten Großen Senaten die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung ergibt sich mittelbar aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Sie entspricht im übrigen auch dem Verständnis, das der Bundesgerichtshof dem Be-
griff der Entscheidungserheblichkeit für die Zulässigkeit der Vorlagen anderer Gerichte - etwa, wie im vorliegenden Fall, nach § 28 Abs. 2 FGG - beimißt; danach muß sich, wie anfangs ausgeführt, aus dem Vorlagebeschluß ergeben, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die Vorlagefrage ankommt, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308; ebenso BGHZ 82, 34, 36 f.; 112, 127, 129; 117, 217, 221). Für eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG kann - wovon auch die Vereinigten Großen Senate ausgehen (BGHZ 126, 63, 71 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 88, 353, 357; 112, 127, 129; 117, 217, 221) - nichts anderes gelten. Daher ist es unstatthaft , den Vereinigten Großen Senaten Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt (BGH NJW 2000, 1185 f.; Kissel GVG 3. Aufl. § 132 Rdn. 20 i.V. mit § 121 Rdn. 21; zustimmend Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 132 GVG; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 132 GVG Rdn. 7). So liegen die Dinge hier. Auch wenn man der Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs folgte und aus § 1904 BGB herleitete, daß in Fällen der Sterbehilfe (im weiteren Sinne) die Zustimmung des Betreuers zur Einstellung der künstlichen Ernährung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderte, müßte das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten hin tätig werden und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Beteiligte seine Einwilligung in die Beibehaltung der Magensonde und die Fortdauer der künstlichen Ernährung des Betroffenen unterlassen darf. Für das in § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG vorgeschriebene Verfahren ist mithin im vorliegenden Fall kein Raum.

V.

Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht können danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Vormundschafts- und Beschwerdegericht haben eine gerichtliche Prüfungszuständigkeit verneint und folgerichtig keine Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen getroffen, die den Beteiligten berechtigen könnten, seine Einwilligung in eine Fortführung der bisherigen Behandlung des Betroffenen nicht zu erteilen. Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen und auf dieser Grundlage die ihm zuerkannte Prüfungsaufgabe wahrnehmen kann.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 211/12 Verkündet am:
17. Dezember 2013
Holmes
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 823 Abs. 2 Bd;

a) Eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
durch eine Internetveröffentlichung ist nicht generell höher oder niedriger
zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien.

b) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann demjenigen, der
persönlichkeitsrechtsverletzende eigene Inhalte im Internet zum Abruf bereit
hält, auch insoweit zuzurechnen sein, als sie erst durch die Weiterverbreitung
des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner und Stöhr, die Richterin von Pentz und den Richter Offenloch

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Mai 2012 aufgehoben, soweit die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung zurückgewiesen worden ist. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben , soweit das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 11. November 2011 auf die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 abgeändert und die Klage auf Zahlung einer Geldent- schädigung gegen die Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 25.000 € abgewiesen worden ist. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil ferner aufgehoben, soweit seine Anschlussberufung gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung gegen die Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von weiteren 25.000 € zurückgewiesen worden ist. Die Revision der Beklagten zu 3 gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Freistellung des Klägers von Rechtsanwaltskosten richtet. Die weitergehenden Revisionen der Beklagten werden zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
2
Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
3
Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
4
Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
5
Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
6
Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
7
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.

Entscheidungsgründe:

A.

8
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
9
Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
10
Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
11
Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.

B.

I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2
12
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
13
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
14
a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
15
aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
16
bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
17
Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
18
cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
19
(1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
20
(2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
21
dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
22
(1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
23
Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
24
(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
25
(3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
26
(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 26, 28 mwN; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62; EGMR, Entscheidung vom 4. Mai 2010 - 38059/07, Effectenspiegel AG gegen Deutschland, juris Rn. 42). Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
27
(b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
28
(aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
29
Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
30
Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
31
Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
32
Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
33
Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
34
(bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
35
(cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
36
Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
37
b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
38
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
39
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
40
Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
41
Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
42
Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
43
cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
44
Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
45
2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
46
a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
47
b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
48
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
49
d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
50
e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
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Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
II. Revision des Klägers
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Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
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1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
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2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
55
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
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b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
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c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
III. Revision der Beklagten zu 3
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1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
60
b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
61
Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
62
2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
63
a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
64
aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
65
bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
66
(1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
67
(2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
68
b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
69
aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
70
bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
71
cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
72
dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
IV. Anschlussrevision des Klägers
73
Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
74
1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
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2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn.  7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
76
3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
77
V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 und zu 3 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 11. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO).

Verfahrenswert: 3.000 €

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in den Abbruch der künstlichen Ernährung einer einwilligungsunfähigen Betroffenen.

2

Die 1963 geborene Betroffene erlitt am 18. September 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird über eine PEG-Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich.

3

Mit Beschluss vom 22. September 2009 bestellte das Amtsgericht den Ehemann und die Tochter der Betroffenen, die Beteiligten zu 2 und 3 (im Folgenden: Betreuer) im Wege der einstweiligen Anordnung zu deren Betreuern unter anderem für die Aufgabenkreise Gesundheits- und Vermögenssorge und die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden. Die Betreuung wurde mit Beschluss vom 12. April 2010 mit einer Überprüfungsfrist zum 1. April 2017 auch in der Hauptsache angeordnet. Am 27. Juli 2010 beantragten die Betreuer, ihnen zu genehmigen, in weitere lebenserhaltende ärztliche Maßnahmen nicht mehr einzuwilligen bzw. ihre Einwilligung in die Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen zu widerrufen bzw. die Genehmigung zur Einstellung der künstlichen Ernährung zu erteilen. Am 29. September 2011 und am 15. Februar 2012 wiederholten sie diese Anträge und beantragten weiter hilfsweise festzustellen, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung gemäß § 1904 Abs. 4 BGB nicht genehmigungsbedürftig sei. Mit der behandelnden Ärztin der Betroffenen bestehe Einvernehmen darüber, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung dem Willen der Betroffenen entspreche.

4

Das Amtsgericht hat den Antrag und den Hilfsantrag abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuer zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

6

1. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, es habe nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, dass die Betroffene eine Einstellung der künstlichen Ernährung im hier vorliegenden Fall gewollt hätte. In der Entscheidung, die künstliche Ernährung über die PEG-Magensonde einzustellen, liege ein Widerruf der früheren Einwilligung der Betreuer in die Behandlung und eine Verweigerung der Zustimmung in die hierauf gerichtete Behandlung. Die Genehmigung zur Nichteinwilligung oder zum Widerruf der Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff durch die Betreuer sei nach § 1904 Abs. 3 BGB zu erteilen, wenn dies dem Willen des Betreuten entspreche. In einem Fall, in dem - wie hier - keine Patientenverfügung vorliege, habe der Betreuer den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. An die Annahme des mutmaßlichen Willens seien erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn zwar das Grundleiden des Betroffenen unumkehrbar sei und einen tödlichen Verlauf angenommen habe, aber der Tod nicht unmittelbar bevorstehe.

7

Auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens sei festzustellen, dass das Leiden der Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, ohne dass ihr Tod in kurzer Zeit bevorstehe. Da eine Kommunikation mit der Betroffenen aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich sei, sei für die vorliegend zu treffende Entscheidung auf ihren mutmaßlichen Willen abzustellen. Die Betreuer und die im Beschwerdeverfahren vernommenen Zeuginnen - die Mutter, die Schwester und die Freundin der Betroffenen - hätten grundsätzlich übereinstimmend und auch plausibel und nachvollziehbar berichtet, dass die Betroffene in der Vergangenheit mehrfach geäußert habe, keine lebenserhaltenden Maßnahmen in Anspruch nehmen, sondern für immer einschlafen zu wollen, wenn sie im Koma liege, ihren Willen nicht mehr äußern und am Leben nicht mehr aktiv teilnehmen könne. Der als Betreuer eingesetzte Ehemann der Betroffenen habe zudem dargetan, dass noch im September 2009 entsprechende Formulare für eine Patientenverfügung zu Hause gelegen hätten, man aber keine Zeit mehr gefunden habe, diese auszufüllen.

8

Es sei offenbar geworden, dass sich die Betroffene in der Vergangenheit bereits ernsthaft mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe. Anlass hierfür sei meistens eine schwere Erkrankung Dritter gewesen, etwa die der Eltern der Betroffenen, der Nichte ihrer Freundin und weiterer fremder Personen, die aufgrund einer schweren Erkrankung auf einen (Liege-)Rollstuhl angewiesen gewesen seien. Auch wenn diese Meinungsäußerungen der Betroffenen sehr ernst zu nehmen seien, hätten sie gleichwohl nicht die Qualität und Tiefe von Erklärungen, die im Rahmen einer Patientenverfügung abgegeben werden. Soweit sich die Betroffene anlässlich der schweren Erkrankung ihres Vaters, der 2001 kurzzeitig ins Koma gefallen und sodann im Alter von 72 Jahren verstorben sei, zur Frage von lebenserhaltenden Maßnahmen geäußert habe, sei diese Situation mit der der Betroffenen nicht vergleichbar. Beim Vater der Betroffenen habe Todesnähe bestanden; zudem sei er wesentlich älter gewesen als die Betroffene. Den Äußerungen der Betroffenen anlässlich schwerer Schicksalsschläge Dritter komme nicht die Wertigkeit einer konkreten Selbstbestimmtheit für die Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen beim Eintritt der jetzigen Situation zu. Die Freundin der Betroffenen habe dargelegt, dass die Frage, ob ein Anschluss an lebenserhaltende Geräte in jedem Fall ausgeschlossen werden solle oder nur, wenn es keine Chance auf Genesung und ein Wiedererwachen gebe, zwischen ihr und der Betroffenen nicht erörtert worden sei.

9

Der Ehemann der Betroffenen habe erklärt, dass die Betroffene keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewollt habe, falls sie sich in einem Zustand des Leidens und der Qual befinde. Das Gericht habe jedoch nicht den Eindruck gewonnen, dass der derzeitige Zustand von der Betroffenen selbst als leidvoll oder quälend empfunden werde. Es habe daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, ob für die Betroffene in der aktuell bestehenden Lebens- und Behandlungssituation lebenserhaltende Maßnahmen akzeptabel gewesen wären oder ob sie diese abgebrochen hätte. Gegen die Annahme, dass sich die Betroffene zu der hier relevanten Lebenssituation konkret und verbindlich positioniert haben könnte, spreche zudem der Umstand, dass mit dem Ehemann noch nicht tiefergehend darüber gesprochen worden sei, welches konkrete Formular der Entwürfe von Patientenverfügungen gewählt werden sollte.

10

2. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Überprüfung stand.

11

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht zunächst davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die von den Betreuern beabsichtigte Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung der einwilligungsunfähigen Betroffenen nach § 1904 Abs. 2 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Denn es liegt weder eine wirksame Patientenverfügung gemäß § 1901 a Abs. 1 BGB vor noch besteht zwischen den Betreuern und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen der Betroffenen entspricht (§ 1904 Abs. 4 BGB).

12

aa) Gemäß § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Abbruchs der Maßnahme stirbt. Die Vorschrift ist Bestandteil einer umfassenden betreuungsrechtlichen Neuregelung einer am Patientenwillen orientierten Behandlungsbegrenzung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2286) - so genanntes Patientenverfügungsgesetz. Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz führt erstmals eine gesetzliche Regelung zur Genehmigungspflicht von Entscheidungen des Betreuers ein, wenn dieser in bestimmte medizinisch angezeigte Maßnahmen entsprechend dem Willen des Betroffenen nicht einwilligen oder eine früher erteilte Einwilligung widerrufen will (§ 1904 Abs. 2 bis 4 BGB). Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Widerruf der Einwilligung in die mit Hilfe einer PEG-Magensonde ermöglichte künstliche Ernährung vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst wird und grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn - wie hier - durch den Abbruch der Maßnahme die Gefahr des Todes droht (NK-BGB/Heitmann 3. Aufl. § 1904 Rn. 16; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 750).

13

bb) Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf jedoch dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.

14

Nach der Legaldefinition des § 1901 a Abs. 1 BGB ist eine Patientenverfügung eine schriftliche Willensbekundung eines einwilligungsfähigen Volljährigen, mit der er Entscheidungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit trifft. Enthält die schriftliche Patientenverfügung eine Entscheidung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen, die auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, ist eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, in die Maßnahme nicht erforderlich, da der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen hat (BT-Drucks. 16/8442 S. 14; BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 750; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1901 a Rn. 2; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1901 a BGB Rn. 50; HK-BUR/Bauer [Stand: Juli 2011] § 1901 a BGB Rn. 27 f.; a.A. Erman/Roth BGB 13. Aufl. § 1901 a BGB Rn. 8; Albrecht/Albrecht MittBayNot 2009, 426, 432 f.). Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (§ 1901 a Abs. 1 Satz 2 BGB).

15

Das Genehmigungserfordernis des § 1904 Abs. 2 BGB greift indes ein, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 BGB vorliegen oder die Patientenverfügung nicht auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Da in diesem Fall der Willensbekundung des Betreuten keine unmittelbare Bindungswirkung zukommt (BT-Drucks. 16/8442 S. 11; vgl. auch BeckOK BGB/G. Müller § 1901 a Rn. 23; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1901 a Rn. 17), hat der Betreuer nach § 1901 a Abs. 2 BGB die Entscheidung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in eine anstehende ärztliche Maßnahme zu treffen, wobei er den Behandlungswünschen oder dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen Geltung zu verschaffen hat. Entschließt sich der Betreuer danach, in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen einzuwilligen, bedarf diese Entscheidung - vorbehaltlich der Regelung in § 1904 Abs. 4 BGB - der Genehmigung durch das Betreuungsgericht.

16

Im vorliegenden Fall hat die Betroffene nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen eine den formellen Anforderungen des § 1901 a Abs. 1 BGB genügende schriftliche Patientenverfügung nicht erstellt. Die Betroffene und ihr Ehemann hatten sich zwar noch im September 2009 entsprechende Formulare für eine Patientenverfügung beschafft. Diese wurden jedoch nicht mehr ausgefüllt.

17

cc) Eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Entscheidung des Betreuers ist gemäß § 1904 Abs. 4 BGB dann nicht erforderlich, wenn zwischen diesem und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

18

(1) In § 1901 b BGB findet sich nunmehr eine klarstellende gesetzliche Regelung des zur Ermittlung des Patientenwillens erforderlichen Gesprächs zwischen dem behandelnden Arzt und dem Betreuer. Liegt eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB vor und besteht Einvernehmen zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt darüber, dass deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen, ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung bereits deshalb entbehrlich, weil es wegen des Fortwirkens der eigenen Entscheidung des Betroffenen keiner Nichteinwilligung und keines Widerrufs der Einwilligung in die ärztliche Maßnahme durch den Betreuer bedarf (BT-Drucks. 16/8442 S. 11). Für den Fall des Nichtvorliegens einer bindenden Patientenverfügung kommt es auf die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gemäß § 1901 a Abs. 2 BGB an. Soweit der Betreuer und der behandelnde Arzt Einvernehmen darüber erzielen können, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a Abs. 2 BGB festgestellten Willen des Betroffenen entsprechen, werden die Entscheidungen des Betreuers nach § 1904 Abs. 4 BGB von der Genehmigungspflicht des Betreuungsgerichts ausgenommen (BT-Drucks. 16/8442 S. 18; vgl. auch BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 17 sowie Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1904 BGB Rn. 137; Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1904 BGB Rn. 97; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1904 Rn. 22; HK-BUR/Bauer [Stand: Juni 2013] § 1904 BGB Rn. 96; a.A. BtKomm/Roth E Rn. 24, demzufolge eine gerichtliche Genehmigung auch dann erforderlich ist, wenn Arzt und Betreuer übereinstimmend von einem mutmaßlichen Willen des Betroffenen ausgehen). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist. Liegt kein Verdacht auf einen Missbrauch vor, soll die Umsetzung des Patientenwillens nicht durch ein sich gegebenenfalls durch mehrere Instanzen hinziehendes betreuungsgerichtliches Verfahren belastet werden. Die Durchsetzung des Patientenwillens würde erheblich verzögert oder unmöglich gemacht, da für die Dauer des Verfahrens die in Rede stehenden ärztlichen Maßnahmen in der Regel fortgeführt werden müssten und damit gegebenenfalls massiv in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen wird. Dem Schutz des Patienten vor einem etwaigen Missbrauch der Betreuerbefugnisse wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen kann jeder Dritte, insbesondere der Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte oder Vertrauenspersonen des Betreuten, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips im Betreuungsverfahren jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Betreuerentscheidung in Gang setzen (BT-Drucks. 16/8442 S. 19).

19

Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs ist allerdings die Schwelle für ein gerichtliches Einschreiten nicht zu hoch anzusetzen (Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1904 BGB Rn. 13). Das Betreuungsgericht muss das Genehmigungsverfahren nach § 1904 Abs. 2 BGB immer dann durchführen, wenn einer der Handelnden Zweifel daran hat, ob das geplante Vorgehen dem Willen des Betroffenen entspricht (vgl. MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 53; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1904 BGB Rn. 14; vgl. auch BT-Drucks. 16/8442 S. 19). Das Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen - ermittelt werden kann. Dies vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln, und die ihn vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützen kann (Senatsbeschluss BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 755 mwN; vgl. Spickhoff Medizinrecht § 1901 a BGB Rn. 14). Daher ist die Prüfungskompetenz des Betreuungsgerichts auch dann eröffnet, wenn zwar ein Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelndem Arzt besteht, aber gleichwohl ein Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung gestellt wird (Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1904 BGB Rn. 77 f.).

20

Stellt das Gericht dieses Einvernehmen im Sinne von § 1904 Abs. 4 BGB fest, hat es den Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung ohne weitere gerichtliche Ermittlungen abzulehnen und ein sogenanntes Negativattest zu erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (LG Kleve FamRZ 2010, 1841, 1843; AG Nordenham FamRZ 2011, 1327, 1328; vgl. auch LG Oldenburg FamRZ 2010, 1470, 1471; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 56; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1904 Rn. 13; HK-BUR/Bauer [Stand: Juni 2013] § 1904 Rn. 106; a.A. Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1904 BGB Rn. 11; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1904 Rn. 22, wonach die Erteilung eines Negativattests nicht angezeigt sei). Gleiches gilt, wenn das Gericht trotz Einvernehmens zunächst einen Anlass für die Ermittlung des Patientenwillens mit den ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten sieht, aber nach der Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen entspricht. Bei unterschiedlichen Auffassungen oder bei Zweifeln des behandelnden Arztes und des Betreuers über den Behandlungswillen des Betreuten muss das Betreuungsgericht hingegen nach der Kontrolle, ob die Entscheidung des Betreuers über die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung tatsächlich dem ermittelten Patientenwillen entspricht, eine Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB erteilen oder versagen.

21

(2) Danach hat sich das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall zu Recht nicht lediglich auf eine Prüfung nach § 1904 Abs. 4 BGB beschränkt, obwohl die Betreuer mit ihrem Antrag vom 15. Februar 2012 eine gemeinsame schriftliche Erklärung mit der behandelnden Ärztin der Betroffenen vorgelegt haben, wonach Einvernehmen darüber bestehe, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung in die künstliche Ernährung dem Willen der Betroffenen entspreche. Nachdem ein Einvernehmen zwischen Betreuern und behandelnder Ärztin zunächst nicht vorgelegen hatte und die Gerichte Zweifel an einem entsprechenden Willen der Betroffenen hatten, waren sie aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes gehalten, diesen im gerichtlichen Verfahren zu ermitteln (a.A. MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 a Rn. 56, wonach das Gericht auch bei eigenem Missbrauchsverdacht ein Negativattest zu erstellen und dann ein Kontrollverfahren nach § 1908 i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1837 Abs. 2 bis 4 BGB einzuleiten habe). Jedenfalls im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung konnte darüber hinaus ein Einvernehmen zwischen Betreuern und behandelnder Ärztin nicht mehr festgestellt werden, nachdem die Betroffene in ein anderes Pflegeheim verlegt worden war und sich die Person der behandelnden Ärztin geändert hatte.

22

b) Ebenfalls zu Recht ist das Beschwerdegericht noch unter Bezugnahme auf den zur früheren Rechtslage ergangenen Senatsbeschluss vom 17. März 2003 (BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 751) zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorliegen einer Grunderkrankung mit einem „irreversibel tödlichen Verlauf“ nicht Voraussetzung für den zulässigen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ist. Nach neuer Rechtslage ist in § 1901 a Abs. 3 BGB klargestellt, dass es für die Verbindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung ankommt (BT-Drucks. 16/8442 S. 16; BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 14 ff.; Fröschle/Guckes/Kuhrke/Locher Betreuungs- und Unterbringungsverfahren § 298 FamFG Rn. 19). Auch wenn die Grunderkrankung noch keinen unmittelbar zum Tod führenden Verlauf genommen hat, d.h. der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat, ist das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu achten, gegen dessen Willen eine ärztliche Behandlung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden darf. Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme ist bei entsprechendem Willen des Betroffenen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) grundsätzlich zulässig. Der Betroffene darf eine Heilbehandlung auch dann ablehnen, wenn sie seine ohne Behandlung zum Tod führende Krankheit besiegen oder den Eintritt des Todes weit hinausschieben könnte (BT-Drucks. 16/8442 S. 9).

23

c) Soweit das Beschwerdegericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu der Würdigung gelangt ist, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht, ist dies dagegen nicht frei von Rechtsfehlern. Zudem hat es sich nicht mit der vorrangigen Frage befasst, ob ein entsprechender Behandlungswunsch der Betroffenen vorliegt.

24

aa) Die betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht, § 1904 Abs. 3 BGB. Das Betreuungsgericht hat die Entscheidung des Betreuers zum Schutz des Betreuten dahingehend zu überprüfen, ob diese Entscheidung tatsächlich dem ermittelten Patientenwillen entspricht. Gerichtlicher Überprüfungsmaßstab ist der individuelle Patientenwille, wobei für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens die in § 1901 a Abs. 2 BGB genannten Anhaltspunkte heranzuziehen sind (BT-Drucks. 16/8442 S. 18). Dabei differenziert § 1901 a Abs. 2 Satz 1 BGB zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits.

25

(1) Behandlungswünsche im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB können etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB, die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden (Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1901 a BGB Rn. 57; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1901 a Rn. 28; Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1901 a BGB Rn. 16; HK-BUR/Bauer [Stand: Juli 2011] § 1901 a BGB Rn. 71). Behandlungswünsche sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen (MünchKommStGB/Schneider 2. Aufl. Vorbem. zu §§ 211 ff. Rn. 156). An die Behandlungswünsche des Betroffenen ist der Betreuer nicht nur nach § 1901 a Abs. 2 BGB, sondern bereits nach § 1901 Abs. 3 BGB gebunden (a.A. wohl Kutzer FS Rissing-van Saan 2011, 337, 353, wonach der lediglich mündlich geäußerte Behandlungswunsch den Betreuer nicht unmittelbar binde, sondern nur in die Würdigung der Gesamtsituation durch den Betreuer miteinzubeziehen sei).

26

(2) Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist demgegenüber abzustellen, wenn sich ein auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezogener Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insbesondere anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (die jedoch keinen Bezug zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation aufweisen), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 Satz 2 und 3). Der Betreuer stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte (Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht § 1901 a BGB Rn. 67 ff.).

27

Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen mutmaßlichen Willen des Betroffenen nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit der wirkliche vor Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit geäußerte Wille des Betroffenen nicht zu ermitteln ist (Senatsbeschluss BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 752; BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 17). Liegt eine Willensbekundung des Betroffenen vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts den Betreuer. Der Wille des Patienten muss stets beachtet werden, unabhängig von der Form, in der er geäußert wird (BT-Drucks. 16/13314 S. 22 zu § 1901 b BGB). Die Willensbekundung für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen korrigiert werden (BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 752).

28

(3) Ebenso wie bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB genügt auch der ermittelte Behandlungswunsch nicht, wenn sich dieser auf allgemein gehaltene Inhalte beschränkt.

29

Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist (HK-BUR/Bauer [Stand: Juli 2011] § 1901 a BGB Rn. 39; Spickhoff Medizinrecht § 1901 a BGB Rn. 7). Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt (vgl. Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1901 a Rn. 18). Insbesondere kann nicht ein gleiches Maß an Präzision verlangt werden, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden kann (vgl. Spickhoff FamRZ 2014, 1848 f.). Andernfalls wären nahezu sämtliche Patientenverfügungen unverbindlich, weil sie den Anforderungen an die Bestimmtheit nicht genügten (vgl. auch MünchKommStGB/Schneider 2. Aufl. Vorbem. zu §§ 211 ff. Rn. 146; Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1901 a BGB Rn. 8).

30

Ein vergleichbares Maß an Bestimmtheit ist auch bei der Beurteilung eines Behandlungswunsches im Sinn des § 1901 a Abs. 2 BGB zu verlangen. Wann eine Maßnahme hinreichend bestimmt benannt ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ebenso wie eine schriftliche Patientenverfügung sind auch mündliche Äußerungen des Betroffenen der Auslegung zugänglich.

31

(4) Maßgeblich ist weiter, ob die entsprechenden Anweisungen, welche zu einem Zeitpunkt erteilt wurden, als ein bestimmter ärztlicher Eingriff noch nicht unmittelbar bevorstand, auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zugeschnitten sind (sog. Kongruenz von Patientenverfügung und ärztlich erforderlichem Eingriff).

32

bb) Diesen Grundsätzen wird die angegriffene Entscheidung nicht in vollem Umfang gerecht.

33

(1) Nachdem eine schriftliche Patientenverfügung im Sinn des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht vorlag, hat das Beschwerdegericht zur Ermittlung des Willens der Betroffenen zutreffend auf § 1901 a Abs. 2 BGB abgestellt. Allerdings ist das Beschwerdegericht ohne weitere Differenzierung zwischen Behandlungswunsch einerseits und mutmaßlichem Willen andererseits davon ausgegangen, dass der mutmaßliche Wille der Betroffenen zu ermitteln sei. Hierbei hat das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde insoweit zu Recht rügt, die Bekundungen der Zeugin L.      nicht hinreichend berücksichtigt.

34

Das Beschwerdegericht hätte Anlass zur Prüfung gehabt, ob es sich bei der mündlichen Äußerung der Betroffenen gegenüber der Zeugin L.      um einen Behandlungswunsch im Sinne des § 1901 a Abs. 2 Satz 1 BGB handelte, mit dem sie Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation getroffen hat, welche mit der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation übereinstimmt. Ein Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen wäre in Anbetracht dessen ausgeschlossen (vgl. auch BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 5, 17).

35

Die Betroffene hatte sich nach den Angaben der Zeugin L.      auch anlässlich der Erkrankung von deren Nichte geäußert, die im Alter von 39 Jahren ins Wachkoma gefallen war. Ausweislich des Vermerks über die Anhörung der Zeugin L.      hat die Betroffene angegeben, dass sie selbst, sollte sie sich in einem Zustand wie die Nichte befinden, nicht künstlich am Leben erhalten bleiben wolle. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts haben zudem beide Betreuer sowie die Zeuginnen übereinstimmend, plausibel und nachvollziehbar erklärt, dass die Betroffene in der Vergangenheit mehrfach geäußert habe, keine lebensverlängernden Maßnahmen in Anspruch nehmen zu wollen, wenn sie im Koma liege, ihren Willen nicht mehr äußern und am Leben nicht mehr aktiv teilnehmen könne.

36

(2) Die angegriffene Entscheidung begegnet zudem rechtlichen Bedenken, weil sie darüber hinaus erhöhte Anforderung an die Ermittlung und Annahme des mutmaßlichen Willens stellt, wenn der Tod des Betroffenen - wie hier - nicht unmittelbar bevorsteht.

37

Diese Auffassung steht nicht im Einklang mit § 1901 a Abs. 3 BGB, der in erster Linie klarstellen will, dass es für die Beachtung und Durchsetzung des Patientenwillens nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung ankommt. Aus § 1901 a Abs. 3 BGB folgt aber zugleich, dass keine höheren Anforderungen an die Ermittlung und die Annahme von Behandlungswünschen oder des mutmaßlichen Willens zu stellen sind, wenn der Tod des Betroffenen nicht unmittelbar bevorsteht. Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten beweismäßig strenge Maßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter - dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Selbstbestimmungsrecht einerseits (vgl. insoweit auch BVerfG FamRZ 2011, 1927 Rn. 35 f.) und dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutz des Lebens andererseits - Rechnung zu tragen haben. Dies hat insbesondere zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlich geäußerten Patientenwillens geht (vgl. auch BGHSt 55, 191 = FamRZ 2010, 1551 Rn. 38; BGH Beschluss vom 10. November 2010 - 2 StR 320/10 - FamRZ 2011, 108 Rn. 12). Insbesondere bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen ist darauf zu achten, dass nicht die Werte und Vorstellungen des Betreuers zum Entscheidungsmaßstab werden. Die bei der Ermittlung und der Annahme des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten aber unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht (a.A. LG Kleve FamRZ 2010, 1841, 1843; AG Nordenham FamRZ 2011, 1327, 1328; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 a Rn. 50; Kutzer FS Rissing-van Saan, 2011, 337, 354; zur früheren Rechtslage: Senatsbeschluss BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 751 unter Bezugnahme auf BGH Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204).

38

Das Beschwerdegericht geht demgegenüber von einem falschen Maßstab aus, wenn es ausführt, an die Ermittlung und Annahme des mutmaßlichen Willens seien höhere Anforderungen zu stellen, wenn der Tod des Betroffenen noch nicht unmittelbar bevorsteht.

39

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann demnach keinen Bestand haben. Bei seiner erneuten Prüfung wird das Beschwerdegericht etwaige Behandlungswünsche und gegebenenfalls den mutmaßlichen Willen der Betroffenen unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin L.      und unter Anlegung des korrekten Prüfungsmaßstabs erneut zu ermitteln haben. Der Senat weist dazu auf Folgendes hin:

40

a) Die Äußerung der Betroffenen ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil sie bei ihrem Gespräch mit der Zeugin L.     nicht im Einzelnen danach differenziert hat, ob lebenserhaltende Maßnahmen für alle Fälle ausgeschlossen werden sollten oder nur, wenn es keine Chance auf Genesung und ein Wiedererwachen gebe. Denn das Beschwerdegericht hat sich dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten angeschlossen, wonach das Leiden der Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe. Weiter haben die Sachverständigen ausgeführt, dass - auch wenn es immer wieder vereinzelte Fallberichte zu klinischen Besserungen nach langer Zeit gebe - die Wahrscheinlichkeit für ein bewusstes, unabhängiges Leben bei 0 % liege, wenn der fortdauernde vegetative Status eines Patienten, wie bei der Betroffenen, länger als sechs Monate andauere.

41

b) Die mündlichen Äußerungen der Betroffenen werden nicht dadurch relativiert, dass die Betroffene keine schriftliche Patientenverfügung angefertigt hatte, obwohl entsprechende Vordrucke bei ihr zu Hause gelegen hatten. Diesem Umstand kann weder entnommen werden, dass die Betroffene von der Errichtung einer Patientenverfügung (vorerst) Abstand nehmen wollte, weil sie sich noch nicht konkret und verbindlich positionieren wollte, noch dass sie schon inhaltlich festgelegt wäre. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kann lediglich als sicher angenommen werden, dass die Betroffene zu einem Zeitpunkt, als ihre Erkrankung noch gänzlich ungewiss war, eine Patientenverfügung erstellen wollte, aber noch keines der unterschiedlichen Formulare ausgewählt hatte, bevor sie unvorhersehbar erkrankte.

Dose                               Schilling                     Günter

            Nedden-Boeger                        Botur

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 88/08
Verkündet am:
9. Juli 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter
des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, begründet in der Regel keinen
Schmerzensgeldanspruch.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 88/08 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2009 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Vill, die Richterin Lohmann,
die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bis 30. November 2004 ein Einfamilienhaus gemietet. Am 26. Dezember 2002 hantierten ihre damals fünfjährigen Zwillingssöhne mit brennenden Wunderkerzen, wodurch in der weiteren Folge das Haus in Brand geriet und nicht mehr bewohnbar war. Die Vermieterin lastete den Brand der Klägerin an und verlangte, die Miete weiterzuzahlen. Hierauf ersuchten die Eheleute die beklagten Rechtsanwälte um Rechtsauskunft. Die Beklagten vertraten die Eheleute in dem von der Vermieterin angestrengten Verfahren auf Zahlung der Miete. Am 25. Juni 2003 kündigten die Eheleute das Mandat, weil der Beklagte zu 1 sie grob fehlerhaft beraten habe. Er habe erklärt, die private Haftpflichtversicherung müsse für das Schadensereignis nicht einstehen, wenn sich erweise, dass die Eheleute oder deren Kindermädchen den Brand grob fahrlässig mit verursacht hätten. Die Eheleute hät- ten deshalb damit gerechnet, den Wiederaufbau des zerstörten Hauses aus eigenen Mitteln in Höhe von 600.000 € übernehmen zu müssen.
2
Die Klägerin begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schmerzensgeld wegen der fehlerhaften Beratung. Sie und ihr Ehemann hätten sich im Anschluss an den Brand in Dauerpanik und seelischer Auflösung im Sinne einer postraumatischen Belastungsstörung befunden. Hierfür seien die sie belastenden gänzlich unvertretbaren Rechtsauskünfte mitursächlich gewesen. Wegen ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung stehe ihr - der Klägerin - ein Schmerzensgeld von mindestens 4.000 € zu; für ihren Ehemann sei ein Betrag von mindestens 2.000 € anzusetzen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.


5
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2008, 1396 abgedruckt ist, hat ausgeführt, die geltend gemachten Beeinträchtigungen wiesen zwar eine psychische Belastungsstörung mit Krankheitswert auf, gleichwohl scheide eine Ersatzpflicht der Beklagten aus. Es fehle an dem notwendigen Zusammenhang zwischen dem Schutzweck der verletzten Pflicht und dem eingetretenen Schaden. Die Klägerin laste dem Beklagten zu 1 an, im Rahmen seiner Beratungstätigkeit eine falsche Auskunft erteilt zu haben. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung folge aus dem Anwaltsvertrag, der im vorliegenden Fall allein auf die Vermögensinteressen der Klägerin und ihres Ehemanns ausgerichtet gewesen sei. Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten seien nicht Gegenstand des Mandats gewesen und seien auch nicht anlässlich der Frage, ob die Eheleute den Wiederaufbau des Hauses bezahlen müssten, erörtert worden. Im Rahmen des Anwaltsvertrages hätten deshalb keine Obhutspflichten für die psychische und geistige Verfassung der Mandanten bestanden. Die psychische Verarbeitung fehlerhafter Auskünfte und Hinweise werde im allgemeinen Verkehr regelmäßig dem Empfänger überantwortet, jedenfalls soweit es allein Risiken und Bedrohungen in Bezug auf die eigene Vermögenslage betreffe. Belastungen hieraus müssten dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
7
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Nichtvermögensschaden werde vom Schutzzweck der verletzten Beratungsverpflichtung der Beklagten nicht erfasst, ist rechtlich zutreffend.
8
1. Revisionsrechtlich ist vom Vorbringen der Klägerin auszugehen. Danach hat der Beklagte zu 1 nach der Mandatserteilung auf Frage der Klägerin erklärt, sie müssten die Kosten der Haussanierung tragen, wenn das für den Brand kausale Verhalten der Eheleute als grob fahrlässig eingestuft werden sollte. Aus dem von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgelegten Schreiben des Beklagten zu 1 an die Eheleute vom 12. Februar 2003 geht hervor , dass der Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf § 61 VVG a.F. die Ansicht vertreten hat, die private Haftpflichtversicherung müsse bei einem grob fahrlässigem Fehlverhalten der Klägerin nicht leisten.
9
Das Berufungsgericht ist auf dieser tatsächlichen Grundlage zutreffend davon ausgegangen, dass die Auskunft unrichtig war und der Beklagte zu 1 damit seine anwaltliche Beratungspflicht verletzt hat. Ein Rechtsanwalt ist innerhalb der Grenzen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, seinen Auftraggeber umfassend und erschöpfend zu belehren, um ihm eine eigenverantwortliche , sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen will (BGHZ 171, 261, 263 f Rn. 9 f; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 136/07, WM 2008, 1560, 1561 Rn. 14 f, v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, WM 2009, 571, 572 Rn. 10; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 483). Das den Beklagten erteilte vorgerichtliche Beratungsmandat war auf die Wahrnehmung der Interessen der Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit dem Brandschaden und den hierauf gerichteten Ansprüchen der Vermieterin bezogen und erfasste damit auch die hier in Rede stehende Frage nach einer Einstandspflicht der Haftpflichtversicherung. Die erteilte Auskunft war unrichtig, weil nach § 152 VVG a.F. - jetzt § 103 VVG - für die Haftpflichtversicherung der subjektive Risikoausschluss nur für vorsätzliches und widerrechtliches Handeln des Versicherungsnehmers gilt und § 61 VVG a.F. hierdurch eingeschränkt wird (BGH, Urt. v. 30. Mai 1963 - II ZR 14/61, VersR 1963, 742, 743). Dementsprechend besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AHB ein Risikoausschluss nur für Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Damit sind die Beklagten zum Ersatz des durch die unzutreffende Auskunft entstandenen Schadens verpflichtet.
10
2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens ist § 253 Abs. 2 BGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl I 2674), der mit Wirkung zum 1. August 2002 die Vorschrift des § 847 BGB ersetzt hat. Die Neuregelung fasst den Anwendungsbereich der Ersatzpflicht für immaterielle Schäden erheblich weiter. Sie sieht sowohl bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung den Ersatz immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht mit umfasst waren (BAG NZA 2007, 262, 264 f Rn. 23 f; Palandt/Heinrichs, BGB 68. Aufl. § 253 Rn. 8; Wagner NJW 2002, 2049, 2055). Deshalb schließt nunmehr auch die vertragliche Haftung des rechtlichen Beraters aus § 675 Abs. 1 in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld ) mit ein (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl. Rn. 769; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl. § 20 Rn. 43; Zugehör, Grundsätze der zivilrechtlichen Haftung der Rechtsanwälte , Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Rn. 103 ).
11
Nach dem - bestrittenen - Vortrag der Klägerin, den das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, ist bei der Klägerin sowie ihrem Ehemann ein Nichtvermögensschaden entstanden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, sie habe aufgrund der fehlerhaften Beratung angenommen, für die Sanierung des Hauses 600.000 € zahlen zu müssen, was für sie und ihre Familie existenzbedrohend gewesen wäre. Bis zum Anwalts- wechsel im Juni 2003 habe sie in jeder Nacht stundenlange Schlaflosigkeit, dauernde schwere Erschöpfungszustände sowie Zustände von Verzweiflung, Mutlosigkeit, Dauerpanik und seelischer Auflösung erlitten. In abgeschwächter Form hat sie dies auch für ihren Ehemann behauptet. Eine äquivalente und adäquate (Mit-)Verursachung der geltend gemachten körperlichen und psychischen Beeinträchtigung durch die fehlerhafte Beratung lässt sich unter diesen Umständen nicht verneinen. Nach dem behaupteten Ausmaß der Belastungen handelt es sich nicht mehr um geringfügige Einwirkungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung, wie sie etwa bei für das Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens aufkommen können und die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1992 - VI ZR 120/91, NJW 1992, 1043; v. 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, 2175 insoweit in BGHZ 122, 363 nicht abgedruckt). Es ist auch davon auszugehen, dass die beschriebenen Beeinträchtigungen trotz der "Vorschädigung" auf Grund des Brandgeschehens letztlich erst durch die anwaltliche Fehlinformation ausgelöst worden sind.
12
3. Die Kriterien der äquivalenten und adäquaten Verursachung führen nicht in allen Fällen zu einer sachgerechten Eingrenzung der Haftung für schadensursächliches Verhalten. Dem Anspruchsgegner darf deshalb nur der Schaden zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm eingetreten ist. Diese Wertung gilt auch im Vertragsrecht. Die Haftung des Schädigers ist dort durch den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht beschränkt. Dies bedeutet für den Bereich der Anwalts- (und Steuerberater )haftung, dass der Berater vertraglich nur für solche Nachteile einzustehen hat, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat (BGHZ 116, 209, 212; 163, 223, 230; BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2947; v. 6. Februar 2002 - III ZR 206/01, NJW 2002, 2459, 2460; v. 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02, WM 2003, 1621, 1622; v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, WM 2007, 567, 568 Rn. 8; v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, aaO Rn. 9; Fischer, in Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 756 f). Der Schutzzweck der Beratung ergibt sich hierbei aus dem für den Anwalt erkennbaren Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung verfolgt, und ist objektiv aus Inhalt und Zweck der vom Anwalt geschuldeten Tätigkeit zu bestimmen (BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO). Nach diesen Grundsätzen scheidet ein Schmerzensgeldanspruch aus.
13
a) Nach der im Schrifttum vertretenen Ansicht kommt im Rahmen der vertraglichen Anwaltshaftung ein Schmerzensgeldanspruch aus § 253 Abs. 2 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schutz der in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter des Mandanten in den Bereich der vom Anwalt übernommenen Pflichten fällt. Dies wird etwa bejaht, wenn der Mandant infolge eines Fehlers seines Verteidigers in Haft genommen oder ihm die beantragte Haftverschonung versagt wird (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 769; Chab AnwBl 2005, 497, 498). Für den Regelfall wird dagegen angenommen, dass ein Anwaltsauftrag nicht auf die Wahrnehmung oder Förderung eines Interesses zur Wahrung der Körperintegrität oder Gesundheit gerichtet ist (Fahrendorf, in Rinsche /Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 766; Fischer, in Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033, 1035 Fallgestaltung 7) und durch Beratungsfehler verursachte Gesundheitsschäden deshalb keinen Schmerzensgeldanspruch des Mandanten begründen können (Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO; Chab, BRAK-Mitt. 2008, 158, 159). Diese Auffassung schließt an die zu § 847 BGB ergangene Rechtsprechung an, nach der Gesundheitsschädigungen von Mandanten infolge anwaltlicher Fehler bei der Rechtsberatung und Rechtsvertretung außerhalb des Schutzzwecks der Anwaltshaftung liegen und deshalb keinen Schmerzensgeldanspruch auslösen können (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1142, 1143; OLG Braunschweig, Urt. v. 2. November 2000 - 2 U 13/00, n.v., m. Anm. Borgmann BRAK-Mitt. 2001, 290).
14
Der b) Literaturmeinung ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, kann nicht Grundlage eines Schmerzensgeldanspruchs sein. Die Neuregelung des § 253 Abs. 2 BGB schließt es nicht von vornherein aus, die Haftung aus dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm für immaterielle Schäden einzuschränken. Die Grundsätze über den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht gelten für das gesamte Schadensersatzrecht und lassen sich nicht auf den Bereich von Vermögensschäden beschränken. Sie sind auch im Rahmen der vertraglichen Anwaltshaftung zu berücksichtigen (BGHZ 163, 223, 230; BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO; v. 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02, aaO; v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, aaO). Die von der Revision befürchtete Privilegierung des Anwaltstandes scheidet auch deshalb aus, weil bei der Berücksichtigung der Grundsätze über den Schutzzweck wie auch bei anderen Schuldverhältnissen zu prüfen ist, ob das in § 253 Abs. 2 BGB aufgeführte und verletzte Rechtsgut in den Schutzbereich der im Einzelfall übernommenen Vertragspflicht fällt.
15
(1) So kann etwa im Bereich der Strafverteidigung das in § 253 Abs. 2 BGB genannte Rechtsgut der Freiheit in den Schutzzweck der verletzten Pflicht fallen. In Betracht kann dies kommen, wenn ein Verteidiger den aussichtsreichen Antrag auf Verlegung eines Termins zur Hauptverhandlung unterlässt und sein Mandant infolgedessen nach Ausbleiben im Termin in Untersuchungshaft genommen wird (vgl. KG NJW 2005, 1284, 1285, zu § 847 BGB; Chab BRAKMitt. 2008 aaO; allgemein für den Fall der Freiheitsentziehung auch Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 769). Gleiches wird zu gelten haben, falls infolge eines Fehlers des Anwalts die beantragte Haftverschonung versagt wird (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092). Entsprechende Erwägungen kommen ferner für Mandate bei Unterbringungsmaßnahmen und sonstigen auf Freiheitsentziehung gerichteten Verfahren in Betracht.
16
Eine vertragliche Verpflichtung auf Ersatz des Nichtvermögensschadens kann sich schließlich bei Verletzung einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht ist der Anwalt etwa gehalten, seine Kanzleiräume so einzurichten und zu unterhalten, dass sich seine Mandanten keine Körper- oder Gesundheitsschäden zuziehen (Zugehör , Beraterhaftung nach der Schuldrechtsreform Rn. 150). Bei unzureichender Verkehrssicherung kann deshalb im Verletzungsfalle die Zuerkennung eines Schmerzensgelds in Frage kommen, ohne dass es einer unerlaubten Handlung bedarf (vgl. Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 766).
17
(2) Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung. Der geltend gemachte Anwaltsfehler betrifft eine Hauptpflicht der Beklagten. Er bezieht sich auf einen vorgerichtlichen Beratungsauftrag, der eine vermögensrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand hatte, nämlich Zahlungs- und Schadensersatzansprüche Dritter abzuwehren. Das Mandat betraf ausschließlich die Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen der Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit den Folgen, die sich aus dem durch die Kinder verursachten Brand des angemieteten Wohnhauses ergaben. Der Inhalt des Vertrages war auf die Erteilung ordnungsgemäßer Rechtsauskünfte in diesem vermögensrechtlichen Bereich gerichtet. Der Schutz der Gesundheit der Mandanten gehörte hingegen nicht zu den von den Beklagten übernommenen Pflichten.
Kayser Vill Lohmann
RiBGH Dr. Pape kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben. Fischer Kayser
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.08.2007 - 2/17 O 9/07 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 30.04.2008 - 4 U 176/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 246/12 Verkündet am:
29. April 2014
Böhringer-Mangold
Justizinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung
ist grundsätzlich nicht vererblich.
BGH, Urteil vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge, Stöhr und Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 3. Mai 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der H. B. Zeitschriften Verlag KG (im Folgenden ebenfalls: Beklagte), die im Zeitraum von März 2009 bis August 2010 mehrfach in von ihr herausgegebenen Zeitschriften über den bekannten Entertainer P. A. (im Folgenden: Erblasser) berichtete. Gegenstand der Berichte waren unter anderem die Trauer des Erblassers um seine verstorbene Tochter sowie der Gesundheitszustand des Erblassers. Im Hinblick auf die von ihm in diesem Zusammenhang angenommene Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nahm der Erblasser die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines Mindestbetrags von 30.000 € nebst Zinsen in Anspruch. Seine Klage ist beim Landgericht am 11. Februar 2011 eingegangen. Am 12. Februar 2011 verstarb der Erblasser. Im März 2011 ist die Klage zugestellt worden. Der Kläger führt den Prozess als Erbe fort. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Veröffentlichungen überhaupt einen Geldentschädigungsanspruch zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen könnten. Denn der Anspruch sei höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht vererblich. Ob dies anders zu beurteilen sei, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Verletzten rechtshängig werde, könne ebenfalls offenbleiben, da die Zustellung der Klage vorliegend erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Aus § 167 ZPO folge nichts anderes. Weder lasse sich der Vorschrift der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass zugunsten des Klägers bereits der Eingang der Klage bei Gericht ausreichend sei, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge, noch setze die Vorschrift die Anhängigkeit der Klage mit ihrer Rechtshängigkeit gleich.

II.

3
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
4
1. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der - unterstellte - Geldentschädigungsanspruch des Erblassers mangels Vererblichkeit nicht auf den Kläger übergehen konnte.
5
a) Die Frage, ob der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 208; BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 39 f.). Im Schrifttum ist die Frage umstritten.
6
Eine Reihe von Autoren bejaht die Vererblichkeit (z.B. Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl., Anh. IV § 823 Rn. 25; Brändel in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 36 Rn. 24; Cronemeyer, AfP 2012, 10 ff.; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., KUG § 22 Rn. 37 und §§ 33-50 Rn. 21, anders allerdings noch Dreier in der 3. Aufl., KUG § 33-50 Rn. 21; Fechner, Medienrecht, 14. Aufl., Kap. 4 Rn. 157; Kutschera, AfP 2000, 147, 148 f.; Leipold, Erbrecht, 19. Aufl., Rn. 635 Fn. 51; MünchKommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 237 aE). Begründet wird diese Auffassung zunächst mit der uneingeschränkten Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs seit Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF zum 1. Juli 1990, aus der entsprechende Konsequenzen auch für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu ziehen seien (Soergel /Beater, aaO; Cronemeyer, aaO, 11 f.; Kutschera, aaO). Darüber hinaus wird angenommen, die unterschiedliche Behandlung des Schmerzensgeldanspruchs einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts andererseits verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Cronemeyer, aaO, 11; Kutschera, aaO, 148). Andere gehen davon aus, eine unberechtigte Besserstellung des Verletzers durch den Tod des Verletzten vor Leistung des Geldersatzes müsse vermieden werden (Dreier/Specht, aaO, KUG § 22 Rn. 37). Überdies löse sich der auf eine Geldzahlung gerichtete Anspruch mit seiner Entstehung von den ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts (Dreier/Specht, aaO).
7
Die Gegenauffassung (z.B. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 140; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011 ff.; Erman /N. Klass, BGB, 13. Aufl., Anh. § 12 Rn. 320; Müller in: Götting /Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 28; Soehring in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 23; Löffler/Steffen, Presse- recht, 5. Aufl., LPG § 6 Rn. 344) stützt sich auf den Zweck der Geldentschädigung , der darin liege, die - nicht vererblichen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; vom 20. März 1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto) - ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen (so ausdrücklich Burkhard, aaO; Steffen, aaO). Weiter wird darauf verwiesen, die überwiegende Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ihr höchstpersönlicher Bezug zur Individualität des Betroffenen lasse eine Vererblichkeit nicht zu (vgl. Damm/Rehbock, aaO, Rn. 1012; Erman/N. Klass, aaO).
8
b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist grundsätzlich nicht vererblich.
9
aa) Unmittelbar aus der nach wie vor zutreffenden Erkenntnis, dass die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich , also nicht übertragbar und nicht vererblich sind (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 38; vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; vom 20. März 1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto), ergibt sich dies freilich - worauf die Revision zutreffend hinweist - noch nicht. Denn der Geldentschädigungsanspruch hat zwar seine Grundlage im Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; jeweils mwN; BVerfGE 34, 269, 292 - Soraya) und dient gerade den vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten ideellen Interessen. Als Geldzahlungsanspruch ist er aber nicht selbst Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/11, BGHZ 189, 65 Rn. 39 f.).
10
bb) Die Unvererblichkeit ergibt sich aber aus Natur und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs selbst.
11
(1) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch auf Entschädigung in Geld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht abtretbar ist. Er hat dies "aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften, die für die gesetzlich normierten Fälle ideellen Schadensersatzes gegeben sind", gefolgert. Konkret hat er dabei auf die damals geltenden Regelungen des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und des § 1300 Abs. 2 BGB aF abgestellt (Senatsurteil vom 25. Februar 1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519, 521). Die genannten Vorschriften regelten dabei nicht nur die fehlende Abtretbarkeit der Ansprüche aus § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB aF bzw. § 1300 Abs. 1 BGB aF, sondern auch ihre grundsätzliche Unvererblichkeit. Grund für den Ausschluss von Abtretbarkeit und Vererblichkeit dieser Ansprüche war, dass sie der Gesetzgeber aufgrund ihres an die Person des Berechtigten gebundenen Charakters für höchstpersönlich erachtete (vgl. für § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB aF: Senatsurteile vom 22. Juni 1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890; vom 14. März 1961 - VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575; für § 1300 Abs. 2 BGB aF: Palandt /Lauterbach, BGB, 28. Aufl. 1969, § 1300 unter 1). Durch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und des § 1300 Abs. 2 BGB aF auf den auch zum damaligen Zeitpunkt bereits aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1961 - VI ZR 259/60, BGHZ 35, 363, 366 ff.) Geldentschädigungsanspruch hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass er diesem Anspruch denselben Charakter zumisst.
12
(2) An dieser Einschätzung und der sich daraus ergebenden Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hält der Senat - wie bereits im Urteil vom 6. Dezember 2005 (VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 208) zum Ausdruck gebracht - trotz der inzwischen erfolgten Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und von § 1300 Abs. 2 BGB aF fest. Weder lässt sich der Wille des Gesetzgebers feststellen, auch den Geldentschädigungsanspruch wegen Ver- letzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten (a), noch führen Sinn und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs unabhängig von einer entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers zur Annahme, der Geldentschädigungsanspruch sei heute vererblich (b).
13
(a) Unmittelbar hat sich der Gesetzgeber mit der Frage der Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs bislang nicht befasst. Eine mittelbare Aussage des Gesetzgebers, der Geldentschädigungsanspruch sei vererblich, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
14
(aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille zunächst nicht aus der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und entsprechender Vorschriften in anderen Gesetzen durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1990 (BGBl. I, S. 478). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier seine bis dahin und auch später (vgl. nur Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 742/01, S. 58; ferner Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/7752, S. 55) geübte Zurückhaltung, den vom erkennenden Senat unmittelbar aus dem Schutzauftrag des Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Geldentschädigungsanspruch in irgendeiner Weise zu regeln, hätte aufgeben und eine Aussage zur Vererblichkeit dieses Anspruchs hätte treffen wollen, sind nicht ersichtlich.
15
Im Gegenteil sollte mit der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und entsprechender Vorschriften im Luftverkehrsgesetz, im Bundesgrenzschutzgesetz sowie im Atomgesetz ein spezifisches Problem im Bereich des Schmerzensgeldes einer Lösung zugeführt werden. Dieses Problem lag ausweislich der Gesetzesmaterialien im "Wettlauf mit der Zeit", dem sich "insbesondere die nächsten Angehörigen" ausgesetzt sahen, wenn sie "gerade bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr" Schmerzensgeldansprüche auch für den Fall des Todes des Verletzten wahren wollten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/4415, S. 1, 4; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum genannten Gesetzentwurf, BT-Drucks. 11/5423, S. 1, 4). Auch wenn sich die Reichweite der Gesetzesänderung nicht auf die Fälle schwerster Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr beschränkte, sondern auch leichtere Verletzungen, im Falle des § 34 Bundesgrenzschutzgesetz sogar Ehrverletzungen einschloss, waren mithin doch gerade die Fälle schwerster Körperverletzungen Grund für die Streichung der Unvererblichkeit der genannten Ansprüche. Damit bezweckte die Gesetzesänderung die Beseitigung einer Problemlage, die typischerweise bei Ansprüchen infolge von Körperverletzungen , nicht aber bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht (vgl. auch Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1012). Dass der Gesetzgeber mit der Streichung unter anderem des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF nicht alle Ansprüche auf Ausgleich immaterieller Nachteile für vererblich erklären wollte, zeigt im Übrigen auch die Regelung des § 1300 Abs. 2 BGB aF. Sie wurde bis zur Abschaffung des Kranzgeldes zum 1. Juli 1998 beibehalten.
16
(bb) Die Aufhebung des § 1300 Abs. 2 BGB aF im Jahr 1998 lässt offensichtlich keinen Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers zu, den Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten. Die Streichung war notwendige Folge der Abschaffung des Kranzgeldes überhaupt durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 (BGBl. I, S. 833). Grund für die Abschaffung war die Annahme, das Kranzgeld als solches, nicht seine Unvererblichkeit, sei rechtspolitisch überholt (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts , BR-Drucks. 79/96, S. 37).
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(b) Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs spricht seine Funktion.
18
Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rn. 16; Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206 f. mwN; vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht.
19
Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 38; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 207 mwN; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 7, 10; jeweils mwN). Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung - auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung - aber nicht alleine zu tragen (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 aaO mwN; vom 5. März 1974 - VI ZR 228/72, VersR 1974, 756, 758). Dies wirkt sich nicht nur - wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen - auf die Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er - wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - bei Fortfall dieser Funktion weiterbestehen kann.
20
cc) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Annahme der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht gegen § 1922 BGB. Denn die von § 1922 Abs. 1 BGB vorgesehene Universalsukzession ist von vornherein auf die vererblichen Vermögensgegenstände beschränkt (vgl. Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1922 Rn. 53).
21
dd) Auch der Einwand der Revision, es stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und verstoße deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch auf Schmerzensgeld und andere Immaterialgüterrechte nicht vererblich wäre, geht fehl.
22
Zwar ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Auch liegt eine solche Grundrechtsverletzung nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfG, VersR 2000, 897 mwN). Vorliegend scheitert die Annahme einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aber daran, dass für die im Hinblick auf die Frage der Vererblichkeit unterschiedliche Behandlung des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts einerseits und des Schmerzensgeldanspruchs sowie anderer Immaterialgüterrechte andererseits sachliche Gründe bestehen. Denn die Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hat - wie dargelegt - ihren Grund letztlich in der Genugtuungsfunktion, die bei ihm im Vergleich zu sonstigen Ansprüchen auf Ersatz immaterieller Nachteile und gerade auch im Vergleich zum Schmerzensgeldanspruch in besonderem Maße ausgeprägt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rn. 14 ff.; Senatsurteile vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95, VersR 1997, 325, 327).
23
Soweit die Revision auf die Vererblichkeit des Urheberrechts nach § 28 Abs. 1 UrhG verweist, die sich nicht nur auf die vermögensrechtlichen Elemente des Urheberrechts, sondern auch auf das Urheberpersönlichkeitsrecht bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 28/12, WRP 2014, 68 Rn. 25 - BeuysAktion ; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG 4. Aufl., § 28 Rn. 2), ist ihr zuzugeben, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht insoweit anders behandelt wird als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese Ungleichbehandlung hat ihren sachlichen Grund aber darin, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht so mit den vermögensrechtlichen Elementen des Urheberrechts verflochten ist, dass sie sich nicht voneinander trennen lassen (vgl. Schulze, aaO), und sich das Urheberpersönlichkeitsrecht gerade hierin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterscheidet. In der unterschiedlichen Ausgestaltung des Urheberpersönlichkeitsrechts als vererbliches und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als grundsätzlich unvererbliches Recht liegt zugleich ein (weiterer) sachlicher Grund für die insoweit unterschiedliche Behandlung auch des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden bei Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG) einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des (allgemeinen) Persönlichkeitsrechts andererseits. Denn die Entschädigungsansprüche sind mit dem Rechtsgut, dessen Verletzung sie entspringen , eng verknüpft.
24
c) Entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Revision wurde der - unterstellte - Geldentschädigungsanspruch vorliegend auch nicht deshalb vererblich, weil er noch zu Lebzeiten des Erblassers anhängig gemacht wurde. Denn die bloße Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage ändert nichts daran, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert.
25
Ob - wie dies etwa § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und § 1300 Abs. 2 BGB aF für die Ansprüche auf Schmerzens- bzw. Kranzgeld vorgesehen haben - anderes gilt, wenn der Geldentschädigungsanspruch rechtshängig geworden ist, kann offenbleiben. Denn die Klage wurde der Beklagten erst nach dem Tod des Erblassers zugestellt.
26
Aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Die dort angeordnete Rückwirkung beschränkt sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Für sonstige Wirkungen der Zustellung gilt sie hingegen nicht (allg. M.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 178/09, NJW 2011, 528 Rn. 8 mwN; Urteil vom 21. April 1982 - IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812, 1813; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 4; MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl., § 167 Rn. 6). Zu diesen sonstigen Wirkungen zählen insbesondere rechtsbegründende und rechtsverstärkende Folgen, die die Vorschriften des materiellen Rechts an die Rechtshängigkeit und damit an die Zustellung der Klageschrift knüpfen (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 178/09, aaO Rn. 9; Zöller/Greger, aaO). Für § 847 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB aF hat auch der erkennende Senat eine Anwendung solcher Vorschriften wiederholt abgelehnt, die zur Fristwahrung die Wirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückbeziehen (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890 f.; vom 10. Oktober 1961 - VI ZR 40/61, NJW 1961, 2347; vom 14. März 1961 - VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575 f.; Palandt /Thomas, BGB, 49. Aufl. 1990, § 847 unter 5 c). Durchgreifende Gründe dafür, diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aufzugeben, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
27
2. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO). Galke Diederichsen Pauge Stöhr Offenloch
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 21.06.2011 - 27 O 145/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.05.2012 - 10 U 99/11 -

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 104/08
Verkündet am:
11. März 2010
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat ein Rechtsanwalt in einem Scheidungsverbundverfahren bezifferte Ansprüche
seines Mandanten auf Hausratsteilung geltend gemacht, kann er sich in
einem später gegen ihn geführten Regressprozess nicht darauf beschränken,
den Wert der Gegenstände unsubstantiiert zu bestreiten.
Hat ein Rechtsanwalt dem Mandanten pflichtwidrig zum Abschluss eines Vergleichs
geraten, der zu einem Verlust von Versorgungsausgleichsansprüchen
geführt hat, kann der Mandant lediglich die Feststellung begehren, vom Zeitpunkt
der Rentenberechtigung an so gestellt zu werden, als sei dieser Betrag
auf sein Versicherungskonto eingezahlt worden, wenn eine die Rente erhöhende
Zahlung an den Rentenversicherungsträger nach dem Sozialversicherungsrecht
nicht zulässig ist.
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die
Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Mai 2008 aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 29. August 2007 wie folgt abgeändert : Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung an fortlaufend Beträge zu zahlen, die erforderlich sind, um den Kläger so zu stellen, als sei auf seinem Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berlin (Versicherungsnummer mit Wirkung zum 30. Juni 2003 ein Betrag von 27.591 € eingezahlt worden.
Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3, die Kosten des Berufungsrechtszugs die Kläger zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3 sowie die Kosten des Revisionsrechtszugs der Kläger zu 1/5 und die Beklagten zu 4/5 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Kläger Der wurde in dem Scheidungsverfahren gegen seine Ehefrau durch die in einer Anwaltssozietät verbundenen beklagten Rechtsanwälte vertreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht schloss der Kläger am 10. Januar 2003 einen Scheidungsfolgenvergleich, durch den er sich unter weitgehendem Verzicht auf wechselseitige Ansprüche zur Zahlung von 28.000 € an seine Ehefrau verpflichtete.
2
Der Kläger meint, die Beklagten hätten ihm pflichtwidrig zum Abschluss des Vergleichs geraten. Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 74.524 € gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Auf die in Höhe eines Betrages von 33.600 € verfolgte Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagten zur Zahlung von 27.591 € verurteilt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Revision Die hat teilweise Erfolg; die Klage ist nur hinsichtlich eines Feststellungsbegehrens begründet.

I.


4
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte zu 1 sei als sachbearbeitender Anwalt, für dessen Beratungsfehler der Beklagte zu 2 als Mitgesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft gesamtschuldnerisch hafte, verpflichtet gewesen, dem Kläger von dem Abschluss des Vergleichs abzuraten. Im Bewusstsein der von ihm vorprozessual gefertigten Schreiben hätte der Beklagte zu 1 erkennen müssen, dass der Vergleich mit ganz überwiegenden Nachteilen für den zugewinn - und versorgungsausgleichsberechtigten Kläger verbunden gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei pflichtgemäßer Beratung den Vergleich nicht geschlossen hätte. Eine überlange, einer raschen Wiederverheiratung des Klägers entgegenstehende Verfahrensdauer sei nicht zu befürchten gewesen.
5
Durch den Vergleichsschluss seien dem Kläger Nachteile in Höhe von 57.978 € entstanden, wovon 34.989 € auf einen unterbliebenen Versorgungsausgleich entfielen. Wegen durch den Vergleichsabschluss erzielter Vorteile mindere sich der Schaden im Wege des Vorteilsausgleichs um 24.888 € auf 33.778 €. Da dem Kläger in einem weiteren Verfahren gegen die Beklagten ein aufrechenbarer Betrag von 5.499 € rechtskräftig aberkannt worden sei, belaufe sich die berechtigte Klageforderung auf 27.591 €.

II.


6
Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagten verpflichtet waren, dem Kläger wegen der für ihn damit verbundenen Nachteile vom Abschluss des Vergleichs abzuraten.
8
a) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Erwägt der Mandant den Abschluss eines Vergleichs, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Dies gilt in besonderem Maße , wenn es sich - wie im Streitfall - um einen Abfindungsvergleich handelt (BGH, Urt. v. 13. April 2000 - IX ZR 372/98, WM 2000, 1353 f). Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden (OLG Saarbrücken VersR 2002, 1378, 1380; OLG Frankfurt NJW 1988, 3269 f). Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt (Sieg in: Zugehör /Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 718) und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 - IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325, 1328; v. 7. Dezember 1995 - IX ZR 238/94, NJW-RR 1996, 567, 568; Terbille in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 1724). In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, aaO S. 1329).
9
b) In Einklang mit diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu der Würdigung gelangt, die mit dem Vergleich für den Kläger verbundenen Nachteile hätten die ihm durch einen wechselseitigen Anspruchsverzicht entstandenen Vorteile so deutlich überwogen, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet gewesen sei, dem Kläger von einem Vergleichsschluss abzuraten.
10
aa) Das Berufungsgericht hat die an die Beratung durch den Beklagten zu 1 zu stellenden Anforderungen nicht überspannt. Es hat lediglich eine überschlägige Bewertung der mit einem Vergleichsschluss verbundenen Vor- und Nachteile anhand der bei einer streitigen Auseinandersetzung zu berücksichtigenden Rechnungsposten auf der Grundlage der von dem Beklagten zu 1 hinsichtlich der einzelnen Positionen selbst ermittelten Werte verlangt. Die darauf aufbauende tatrichterliche Würdigung, bereits bei dieser Betrachtungsweise hätte dem Beklagten zu 1 deutlich werden müssen, ein Vergleichsschluss sei so unvorteilhaft, dass er von einem solchen hätte abraten müssen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
11
bb) Für den Vorwurf einer Fehlberatung ist es ohne Bedeutung, dass der nicht hinreichend berücksichtigte Versorgungsausgleichsanspruch des Klägers keinen Zahlungsanspruch gegen die frühere Ehefrau zum Gegenstand hatte. Im Rahmen der Beratung über die Vor- und Nachteile des Vergleichsschlusses musste dieser Anspruch vermögensmäßig bewertet werden. Ein tauglicher Maßstab hierfür war der Betrag, den die frühere Ehefrau des Klägers im Rahmen eines ohne den Vergleichsschluss durchzuführenden Versorgungsausgleichs auf das Rentenversicherungskonto des Klägers einzuzahlen und den der Beklagte zu 1 in einem Schreiben an die Gegenseite zutreffend in der Größenordnung eines Kapitalbetrages von 30.000 € angegeben hatte. Die danach gegebene Pflichtwidrigkeit wird nicht durch die in anderem Zusammenhang zu erörternde (vgl. hierzu unten II 4 a) Frage berührt, in welcher Form der Rechtsanwalt für den Verlust der Durchführung des Versorgungsausgleichs Schadensersatz zu leisten hat.

12
Vergeblich 2. beanstandet die Revision, das Oberlandesgericht habe Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt, wonach sich der Kläger wegen der von ihm gewünschten raschen Ehescheidung und zwecks Vermeidung weiterer trennungsbedingter Unterhaltszahlungen zum Abschluss des ihm nachteiligen Vergleichs bereit gefunden habe.
13
Das Oberlandesgericht hat die Darstellung der Beklagten zur voraussichtlichen Dauer eines streitigen Verfahrens zur Kenntnis genommen und ausdrücklich gewürdigt. Es ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine längere Verfahrensdauer mit Rücksicht auf die möglichen Gegenstände eines Verbundverfahrens nicht zu befürchten war. Ansprüche auf Ausgleich des Zugewinns und Hausratsverteilung konnten nach den unbeanstandeten Ausführungen des Berufungsgerichts außerhalb des Scheidungsverbunds verfolgt werden. Ferner hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Ehescheidungsverfahren auch bei Einbringung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs durch die Ehefrau in das Verbundverfahren binnen weniger Wochen oder Monate beendet gewesen wäre, weil der Unterhaltsanspruch wegen der weitgehend unstreitigen Einkünfte der Eheleute keine besonderen Schwierigkeiten aufgeworfen habe. Dieser Würdigung steht die Aussage der vor dem Landgericht vernommenen, mit dem Ausgangsverfahren betrauten Familienrichterin nicht entgegen, die insoweit ebenfalls größere Schwierigkeiten verneint hat. Die Beklagten wären gehalten gewesen, die Prozessführung vor dem Familiengericht auch in zeitlicher Hinsicht auf die objektiv gegebene Rechtslage einzurichten. Mithin bestand für den Kläger kein Anlass, wegen der Befürchtung einer längeren Verfahrensdauer auf den Vergleich einzugehen.
14
3. Das Berufungsgericht hat die dem Kläger durch den Vergleichsschluss - abgesehen von dem Versorgungsausgleich - entstandenen Nachteile zutreffend mit insgesamt 22.989 € bemessen. Zu Unrecht wenden sich die Beklagten gegen die dem Kläger bezogen auf Hausrat und Maklerkosten zuerkannten Schadenspositionen.
15
a) Ohne Erfolg beanstanden die Beklagten, das Berufungsgericht habe im Blick auf die Werte der bei der Hausratsverteilung zu berücksichtigenden Gegenstände ihr Bestreiten nicht berücksichtigt.
16
aa) Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären; Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, sofern nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Die erklärungsbelastete Partei hat - soll ihr Vortrag beachtlich sein - auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich "substantiiert" (d.h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern (BGH, Urt. v. 11. Juni 1985 - VI ZR 265/83, NJW-RR 1986, 60). Ein substantiiertes Vorbringen kann also grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BAG NJW 2004, 2848, 2851). Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt aber voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1989 - V ZR 223/87, NJW-RR 1990, 78, 81).
17
bb) Dieser prozessualen Obliegenheit haben die Beklagten durch das bloß pauschale Bestreiten sämtlicher Einzelpositionen nicht genügt. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagten die von dem Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Werte im Rahmen des zuvor geführten Scheidungsverfahrens schriftsätzlich selbst als "maßvoll" bezeichnet haben. Diese Stellungnahme war zwar sicherlich auch von der damaligen Interessenlage der Wahrnehmung der Rechte des Klägers geleitet. Immerhin hat aber die Prozessvertretung den Beklagten ausweislich ihrer eigenen Darlegung umfassende Einblicke in die Vermögensverhältnisse des Klägers verschafft, die es ihnen ermöglichten, Aussagen zum Wert des Hausrats zu treffen. Vor diesem Hintergrund war von den Beklagten zu erwarten, dass sie sich zu den insoweit verfolgten Schadenspositionen jeweils substantiiert äußern (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1989, aaO). Sie standen infolge ihrer Vorbefassung den Geschehnissen nicht so fern, dass sie sich auf einfaches Bestreiten beschränken durften (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 1985, aaO).
18
cc) Soweit die Beklagten beanstanden, das Berufungsgericht habe den Vortrag, ein zum Hausrat der Eheleute gehörendes Bild im Wert von 10.000 € habe aufgrund einer Schenkung im Alleineigentum der Ehefrau gestanden, nicht berücksichtigt, ist die Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO).
19
(1) Nach dieser Vorschrift müssen die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, in den wesentlichen Punkten genau und bestimmt angegeben werden. Um dieser Vorschrift, die der Entlastung des Revisionsgerichts zu dienen bestimmt ist, zu genügen, muss die Revision mindestens auf die entsprechenden Stellen und Blattzahlen der von der Partei vorgetragenen Schriftsätze hinweisen, welche die von ihr behaupteten und nach ihrer Meinung übergangenen Behauptungen und Beweisangebote ent halten sollen (BGHZ 14, 205, 209 f).
20
(2) Die in der Revisionsbegründung enthaltenen Bezugnahmen lassen den substantiierten Vortrag einer Schenkung an die Ehefrau des Klägers nicht erkennen: Die Ausführungen der Beklagten befassen sich lediglich mit den Kosten für die Beauftragung einer Maklerin und dem Versorgungsausgleich, aber nicht dem Gemälde. Die außerdem in Bezug genommene Stellen sind entweder unergiebig oder bringen widersprüchlichen Sachvortrag, weil dort einerseits von einer Schenkung an die Ehefrau, andererseits an beide Ehegatten gesprochen wird. Da auch in dem von der Revision weiter angeführten Vorbringen nur allgemein von einer Schenkung die Rede is t, brauchte das Berufungsgericht mangels eines schlüssigen Vortrags keinen Beweis darüber zu erheben, ob das Bild der Ehefrau des Klägers geschenkt worden war.
21
Schließlich dd) hat das Berufungsgericht zum Ausgleich für mögliche Unsicherheiten bei der Bewertung einzelner geltend gemachter Positionen des Hausrats im Wege einer Schadensschätzung (§ 287 ZPO) zugunsten der Beklagten einen deutlichen Abschlag vorgenommen (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 2001 - IX ZR 64/01, NJW 2002, 292, 294). Damit hat es zugleich auch dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dem Vortrag der Beklagten einzelne Gegenstände des Hausrats bereits vor der Eheschließung vorhanden gewesen bzw. zum Zeitpunkt der Scheidung nicht mehr vorhanden gewesen sein sollen.
22
b) Unter dem Gesichtspunkt der Maklerkosten hat das Oberlandesgericht das als übergangen gerügte Vorbringen zur Weigerung der Ehefrau des Klägers , sich an den Kosten der Einschaltung einer Maklerin zu beteiligen, ersichtlich zur Kenntnis genommen. Es hat jedoch in revisionsrechtlich unbedenklicher tatrichterlicher Würdigung angenommen, dass die Ehefrau nachträglich die Beauftragung der Maklerin gebilligt hat.

23
4. Jedoch kann der Kläger von den Beklagten nicht Zahlung in Höhe von 27.591 € verlangen. Dieser von dem Berufungsgericht zutreffend ermittelte Schadensrestbetrag betrifft nur noch den dem Kläger durch den Vergleich entgangenen Versorgungsausgleich. Der Kläger kann insoweit lediglich die im Leistungsbegehren enthaltene unbeschränkte Feststellung verlangen, dass die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung fortlaufend die Beträge zu bezahlen, die erforderlich sind, um ihn so zu stellen, als hätten die Beklagten am 1. Juli 2003 den Betrag von 27.591 € auf sein Versicherungskonto bezahlt.
24
a) Dem Kläger ist durch das Unterbleiben eines Versorgungsausgleichs ein Schaden entstanden (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05, WM 2007, 1425, 1427 Rn. 19). Das Berufungsgericht ist ohne weitere Begründung davon ausgegangen, dieser Schaden sei durch Zahlung des für die Begründung von Rentenanwartschaften in der entgangenen Höhe erforderlichen Betrages auszugleichen. Eine solche Schadensberechnung kommt jedoch wegen Unmöglichkeit einer Naturalrestitution (§ 249 BGB) nicht in Betracht, sondern geschuldet wird allein Geldentschädigung nach § 251 BGB.
25
Im Streitfall scheidet aus Rechtsgründen ein Ersatz im Wege der Naturalrestitution aus. Die hier gegebene rechtliche Unmöglichkeit steht einer tatsächlichen Unmöglichkeit gleich (Staudinger/Schiemann, BGB Neubearbeitung 2005, § 251 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Oetker, 5. Aufl. § 251 Rn. 6). Nach den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts kann das Rentenkonto des Klägers um die durch den anwaltlichen Beratungsfehler entgangenen Rentenanwartschaften nicht erhöht werden. In § 187 Abs. 1 SGB VI werden die Fälle, in de- nen im Rahmen des Versorgungsausgleichs Beiträge gezahlt werden können, abschließend aufgeführt (BGHZ 137, 11, 26; Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht /Gürtner, § 187 SGB VI Rn. 2). Nach § 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI können Beiträge gezahlt werden, um Rentenanwartschaften, die um einen Abschlag an Entgeltpunkten gemindert worden sind, ganz oder teilweise wieder aufzufüllen. Diese Vorschrift ist anwendbar, wenn eine Entscheidung des Familiengerichts zu einer solchen Minderung geführt hat (Kreikebohm/von Koch, SGB VI 3. Aufl. § 187 Rn. 6; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung Teil II - SGB VI, § 187 Rn. 2). Hier hat der durch die anwaltliche Pflichtverletzung zustande gekommene Vergleich gerade umgekehrt bewirkt, dass es nicht zu einer Entscheidung des Familiengerichts gekommen ist. Auch ein Fall von § 187 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, wonach Beiträge gezahlt werden können, um aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts oder aufgrund einer vom Familiengericht genehmigten Vereinbarung Rentenanwartschaften zu begründen, liegt nicht vor. Die Vorschrift des § 187 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI betrifft nur den Finanzausgleich zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Träger der Versorgungslast (Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht /Gürtner, § 187 SGB VI Rn. 7). Eine Begründung von Rentenanwartschaften im Wege des Schadensersatzes kommt daher rentenrechtlich nicht in Betracht, wenn infolge des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses versäumt wurde, zugunsten des Geschädigten durch eine Entscheidung des Familiengerichts Rentenanwartschaften in der ihm nach der materiellen Rechtslage zustehenden Höhe zu begründen (vgl. BGHZ 137, 11, 26 f zu einem Amtshaftungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger wegen einer dem Familiengericht erteilten unrichtigen Auskunft).
26
b) Scheidet eine Naturalrestitution aus, ist zugleich ein auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gestützter Zahlungsanspruch nicht gegeben.

27
aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zur Schadensersatz Verpflichtete den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierbei handelt es sich um eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (BGHZ 63, 182, 184; BGH, Urt. v. 11. Dezember 1992 - V ZR 118/92, NJW 1993, 727, 728). Wenn er von diesem Recht Gebrauch macht, ist er in der Verwendung der Ersatzleistung frei, ohne den Schadensbetrag zur Wiederherstellung verwenden zu müssen (BGHZ 66, 239, 241; 133, 155, 158; 154, 395, 398; BGH, Urt. v. 25. Oktober 1996 - V ZR 158/96, WM 1997, 422, 423).
28
Im bb) Streitfall fehlt es bereits an den Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil weder eine Verletzung der Person noch die Beschädigung einer Sache gegeben ist. Eine entsprechende Anwendung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf andere Rechtsgutsverletzungen oder auf durch Beratungsfehler entstandene Vermögensschäden wird - soweit ersichtlich - nicht in Betracht gezogen. Mithin besteht nur ein Anspruch auf Ersatzleistung in Form von Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB oder nach Maßgabe des § 251 BGB.
29
c) Ist eine Herstellung nicht möglich (§ 249 Abs. 1 BGB) und mithin ein Anspruch aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gegeben, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen (§ 251 BGB). Zu ersetzen ist hierbei die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und dem durch das schädigende Ereignis ver- minderten Wert (Staudinger/Schiemann, aaO § 251 Rn. 3; MünchKommBGB /Oetker, aaO § 251 Rn. 14; Gehrlein in Budewig/Gehrlein/Leipold, Der Unfall im Straßenverkehr 2008 20. Kap. Rn. 72).
30
aa) Ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger eine gesicherte Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt, die einen auf das hypothetische Ende der Ehezeit (1. Juli 2003) bezogenen Wert von monatlich 162,61 € gehabt hätte. Der Vermögenswert dieser Anwartschaft ist nicht mit dem zu ihrer Erlangung erforderlichen Geldbetrag von 34.989 € zu bemessen. Eine derartige Betrachtungsweise ließe außer Acht, dass die Anwartschaft zweckgebunden gewesen wäre und für den Kläger nach dem Rentenversicherungsrecht - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Sonderfall des § 210 SGB VI - keine Möglichkeit bestanden hätte, sich diesen Betrag auszahlen zu lassen oder die Rentenanwartschaft gegen Entgelt zu veräußern. Den in ihr verkörperten Wert hätte sich der Kläger vor Eintritt in das Rentenalter in keiner Weise zunutze machen können. Eine Schadensberechnung nach einem Vergleich mit einem ähnlichen Objekt - das könnten hier die für den Abschluss einer privaten Versicherung erforderlichen Mittel oder entsprechende Rücklagen sein - scheidet aus. Es ist unmöglich, das eigenständige System der gesetzlichen Pflichtversicherungen auf die von diesem wesensverschiedenen, dem Deckungsprinzip verhafteten Systeme privater Existenzvorsorge umzusetzen, was zur Bemessung der für einen solchen Ausgleich erforderlichen Aufwendungen nötig wäre (BGHZ 87, 181, 189). Ähnlich wie bei der Einbuße eines Verlustvortrags , der gleichfalls nur zweckgebunden - zur Verrechnung mit positiven Einkünften - verwendet werden kann und bei dem ein ersatzfähiger Schaden erst entstanden ist, wenn sich der Verlust konkret ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 2009 - IX ZR 6/06, WM 2009, 715, 718 Rn. 20), ist der Kläger daher auf die Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls angewiesen.
Derzeit kann er folglich lediglich Feststellung der aus § 251 Abs. 1 BGB folgenden Ersatzpflicht beanspruchen.
31
Dieses bb) Ergebnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats in den Fällen, in denen eine durch einen Dritten verschuldete Verletzung des Versicherten zu einer Beitragslücke in der sozialen Rentenversicherung geführt hat. Ein sofortiger Leistungsanspruch besteht danach nur dann, wenn das Rentenversicherungsrecht dem Verletzten einen Weg zur Fortentrichtung von Beiträgen eröffnet, auf dem er in wirtschaftlich sinnvoller Weise einem späteren Rentennachteil vorbeugen kann (BGHZ 69, 347, 348; 97, 330, 332; 101, 207, 211; 116, 260, 263). Fehlt es hieran, bleibt der Verletzte mit seinem Ausgleichsanspruch für eine Rentenverkürzung auf die konkrete Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls angewiesen (BGHZ 87, 181, 188 f; 97, 330, 332; 101, 207, 211; 151, 210, 214). Auch der III. Zivilsenat hat bei der Verkürzung von Rentenanwartschaften durch eine unrichtige Auskunft des Versorgungsträgers lediglich die konkrete Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls für möglich gehalten (BGHZ 137, 11, 26).
32
cc) Vorliegend ist mithin die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in die gesetzliche Rentenversicherung fortlaufend die Beträge zu bezahlen, die erforderlich sind, um ihn so zu stellen, als wäre mit Rechtskraft des Urteils in dem Scheidungsverbund eine entsprechende Versorgungsanwartschaft begründet worden (BGH, Urt. v. 25. Mai 2007, aaO S. 1428 Rn. 26). Dieser Zeitpunkt ist entsprechend den Feststellungen des Berufungsgerichts auf den 1. Juli 2003 festzusetzen, weil bei Fortsetzung des streitigen Verfahrens zu diesem Zeitpunkt ein Scheidungsurteil ergangen wäre.

33
d) Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO Berufungsvorbringen zu britischen Versorgungsanwartschaften des Klägers, die seinen Anspruch auf Versorgungsausgleich und mithin den hier verfolgten Schadensersatzanspruch ermäßigen, außer Acht gelassen.
34
aa) Es handelte sich hierbei um neuen Vortrag im Berufungsverfahren. Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass sich eine Partei auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Erklärung die in einer Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände hilfsweise zu Eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind (vgl. BGH, Urt. v. 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, 1542; v. 3. April 2001 - VI ZR 203/00, NJW 2001, 2177, 2178; v. 26. Juli 2005 - X ZR 109/03, NJW 2006, 63, 65). Die Aussage der erstinstanzlich als Zeugin vernommenen, mit dem Ausgangsverfahren betrauten Familienrichterin entbehrt zu dem Punkt britischer Versorgungsanwartschaften des Klägers jeder auch nur annäherungsweisen Konkretisierung. Neu ist jedoch Vortrag , wenn erstinstanzliches Vorbringen erstmals im Berufungsverfahren substantiiert wird (BGHZ 159, 245, 251; 164, 330, 333).
35
bb) Für die Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügt nicht, dass allein das Urteil des Landgerichts ergibt, inwieweit ein Gesichtspunkt für unerheblich gehalten wird. Vielmehr ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Zulassung des neuen Vorbringens nur dann geboten, wenn die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien auch beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-) ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert (BGH, Urt. v. 19. Februar 2004 - III ZR 147/03, NJW-RR 2004, 927, 928; BGH, Urt. v. 23. September 2004 - VII ZR 173/03, NJW-RR 2005, 167, 168). Der unzureichende Sachvortrag der Beklagten ist nicht durch das Landgericht veranlasst worden. Vielmehr haben die Beklagten zu der fraglichen Schadensposition bereits erstinstanzlich Stellung genommen, sich aber mit zusätzlichen Versorgungsanwartschaften des Klägers nicht befasst, obwohl hierzu der Vortrag des Klägers Anlass bot. Er hat bereits in seiner Anspruchsbegründung vorgetragen, Rentenanwartschaften aus seiner Militärzeit nicht erworben zu haben. Dies haben die Beklagten in erster Instanz nicht bestritten.

III.


36
Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die von dem Kläger geltend gemachten Gegenrügen ist nicht einzugehen, weil der Senat den von dem Beru- fungsgericht zu Gunsten des Klägers ermittelten Schadensbetrag ebenfalls zugrunde legt (BFH NJW 1971, 168).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 29.08.2007 - 25 O 142/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.05.2008 - 33 U 24/07 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.