Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17

bei uns veröffentlicht am22.12.2017
vorgehend
Landgericht München I, 19 O 6894/13, 05.01.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 08.02.2017 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.01.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2009 zu zahlen.

II. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, samtverbindlich an den Kläger weitere 360,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2013 zu zahlen.

III. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, samtverbindlich den Kläger von einer Inanspruchnahme vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter in Höhe von 606,28 € freizustellen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz).

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Klägerin begehrt von den Beklagten den Ersatz materiellen Schadens sowie Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 17.03.2009 gegen 01.40 Uhr auf der Kreuzung F. Str. / M. Str. in N. (im Landkreis M.). Es kam auf der Kreuzung zur Kollision, weil der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw die Vorfahrt des Klägers missachtete. Die alleinige Haftung der Beklagten ist unstreitig. Streitig sind der Umfang der Verletzungen sowie der entsprechenden Ansprüche des Klägers.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.01.2017 (Bl. 188/209 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage überwiegend abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 11.01.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 08.02.2017 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 217/218 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 13.04.2017 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 225/254 d.A.) begründet.

Ferner haben die Beklagten gegen dieses Urteil mit einem beim Oberlandesgericht München am 12.05.2017 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung (Bl. 259/276 d.A.) eingelegt, und zwar mit dem Ziel einer vollständigen Abweisung der Klage. Die Anschlussberufung ist sodann mit einem am 14.09.2017 beim Oberlandesgericht München eingegangenen Schriftsatz (Bl. 297 d.A.) zurückgenommen worden.

Der Kläger beantragt,

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die bisherige Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 2.500,00 € sowie durch das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.01.2017 ausgeurteilte weitere Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € ein darüber hinausgehendes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.09.2009 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Schadensereignis vom 17.03.2009 entstanden und noch bezifferbar sind, bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.500,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz hieraus seit dem 15.04.2010 zu bezahlen.

IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 45.000,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

V. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 2.866,72 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

VI. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die vom Erstgericht ausgeurteilten 360,00 € weitere 2.190,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2013 zu bezahlen.

VII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Inanspruchnahme vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter in Höhe von 1.310,76 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.01.2017 wird zurückgewiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 12.05.2017 (Bl. 259/276 d.A.), den Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.06.2017 (Bl. 280/285 d.A.), den Beschluss des Senats vom 16.08.2017 (Bl. 286/295 d.A.), den Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.09.2017 (Bl. 298/302 d.A.) sowie das Protokoll der Sitzung des Senats vom 22.12.2017 (Bl. 305/310 d.A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur geringen Erfolg. Denn das Ersturteil ist, soweit vom Kläger angefochten, nur insoweit zu beanstanden, als die Klage hinsichtlich des Antrags auf Freistellung bzgl. vorprozessualer Anwaltskosten nicht vollständig hätte abgewiesen werden dürfen.

I.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Senat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

1.) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis (behandelnde Ärzte sowie Lebensgefährtin, Zeugin S.) nicht erhoben hat. Denn für die Frage, ob der Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls die von ihm dargelegten Verletzungen / gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlitten hat, sind nicht Zeugenaussagen, sondern Sachverständigengutachten relevant. Die behandelnden Ärzte könnten zwar als sachverständige Zeugen ggf. Angaben zur jeweiligen Diagnose und jeweiligen Therapie machen, nicht aber zur Kausalität. Im Übrigen lagen den Sachverständigen die vom Kläger eingereichten ärztlichen Atteste vor.

Die Zeugin S. wiederum könnte zwar ggf. Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers insb. auch vor dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, soweit für sie erkenn- und beurteilbar, machen. Die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende gefühlsmäßige Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht jedoch nicht aus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 04.11.2003, Az.: VI ZR 28/03, NJW 2004, 777). Einer solchen Wertung liegt nämlich der verbreitete Fehlschluss „post hoc, ergo propter hoc“ – also der Schluss aus der bloßen Zeitfolge auf ein Ursachenverhältnis, aus dem bloßen Folgen auf ein Erfolgen – zugrunde (vgl. z.B. Senat, Urteil vom 21.5.2010, Az.: 10 U 2853/06, juris).

Im Übrigen ist anzumerken, dass der Kläger unstreitig als Kind einen Schädelbasisbruch erlitten hatte und deswegen monatelang intensivmedizinisch versorgt werden musste (vgl. die Anlage B6) und dass er erst am 25.02.2005 wegen eines Sturzes auf den Rücken und den Hinterkopf und damit verbundener gesundheitlicher Probleme neurologisch untersucht worden war, mit dem Ergebnis des Verdachts auf posttraumatischen Otolithenschwindel (vgl. die Anlage B5).

2.) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die vom Erstgericht erholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht zu beanstanden. Zu den diesbezüglich einzelnen Berufungsrügen:

– Soweit sich der Sachverständige Dr. Ma. ausweislich S. 3 des Protokolls der erstinstanzlichen Sitzung vom 22.01.2015 (= Bl. 136 d.A.) im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines neurologischen Schadens beim Kläger auch auf die Anlage K4 berufen hat, ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass dies fragwürdig ist. Entscheidend ist indes, dass die Sachverständigen Dr. H., Dr. K. und Dr. M. keine unfallbedingten neurologischen Schäden beim Kläger festgestellt haben. Denn nur auf solche, kausale Schäden kam es für den Sachverständigen Dr. Ma. an (vgl. auch S. 46 seines Gutachtens, Bl. 109 ff d.A., wo es heißt: „Unfallbedingte neurologische Ausfälle sind nicht beschrieben worden.“).

– Soweit der Kläger beanstandet, der Sachverständige Dr. Ma. habe eine schwerere HWS-Distorsion sowie einen orthopädischen Dauerschaden ausgeschlossen, ohne die Wirbelsäulenuntersuchung beim Kläger abgeschlossen zu haben, ist zu bemerken, dass der Sachverständige gleichwohl hinreichende Erkenntnisse gewonnen hatte, um auf S. 47 seines o.g. Gutachtens die entscheidenden Feststellungen treffen zu können, nämlich dass die paravertebrale Muskulatur beim Kläger normal entwickelt ist und dass keine Hinweise auf einen vorzeitigen Verschleiß oder destabilisierende Veränderungen vorliegen. Der Sachverständige ist zudem angehört worden; weitere Fragen hatten der Kläger bzw. der Klägervertreter an ihn nicht gestellt (vgl. S. 3 des o.g. Sitzungsprotokolls = Bl. 136 d.A.).

– Soweit sich der Kläger daran stört, dass der Sachverständige Dr. Ma. die Frage des Einflusses psychovegetativer Faktoren zwar angeschnitten, aber nicht untersucht hat, ist darauf hinzuweisen, dass solche Fragen in das Sachgebiet des psychiatrischen Sachverständigen fallen, nicht des orthopädischen, und dass ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erholt worden ist.

– Soweit das Erstgericht zu der Überzeugung gekommen ist, dass die unfallbedingten Verletzungen des Klägers nach 5 ½ Monaten folgenlos ausgeheilt waren, steht dies – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ma., sondern entspricht diesen exakt. Der Sachverständige Dr. Ma. hat nämlich auf S. 53 seines o.g. Gutachtens eine vollständige Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen nach dem Unfall sowie eine verminderte Belastbarkeit für die Dauer von weiteren vier Monaten festgestellt bzw. eine MdE für sechs Wochen von 100%, für weitere vier Wochen von 50%, für weitere zwei Monate von 20% und für einen weiteren Monat von 10%.

– Es ist nicht ersichtlich, was der Kläger aus seiner Kritik, die Sachverständige Dr. H. habe nur den Verdacht (die Vermutung) des Vorliegens einer Otosklerose geäußert, zu seinen Gunsten herleiten will. Der Kläger verkennt, dass er die Beweislast dafür trägt, die von ihm dargelegten Verletzungen aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls erlitten zu haben. Es geht nicht darum, dass die Beklagten eine andere Ursache nachweisen müssten.

– Soweit der Kläger rügt, die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. auf S. 39 ihres Gutachtens (Bl. 153ff d.A.) seien unzutreffend, wonach der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung angegeben habe, eine Hörminderung erst ca. zwei Wochen nach dem streitgegenständlichen Unfall bemerkt zu haben, gilt wiederum Folgendes: Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Frage, wann die behauptete Hörminderung erstmals auftrat (dazu beantragt der Kläger die Vernehmung der Zeugin S.) und der Frage, was der Kläger gegenüber der Sachverständigen geäußert hat (dass der Kläger etwas anderes geäußert hätte, trägt er bereits nicht substantiiert vor). Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständigen ausweislich S. 5 ihres o.g. Gutachtens bereits bei Abfassung des Gutachtens sehr wohl bekannt war, dass – den klägerischen Angaben zur Folge – die Lebensgefährtin des Klägers meine, dass alle Beschwerden direkt nach dem Unfall begonnen hätten. Im Übrigen müssen die Ausführungen der Sachverständigen im Zusammenhang gewürdigt werden: Demnach kommt es gem. S. 39 ihres o.g. Gutachtens nicht nur auf die Frage des zeitlichen Abstandes zwischen dem Unfall und dem erstmaligen Auftreten der Hörminderung an, sondern auch auf den Verlauf der Hörkurve und die beim Kläger gemessene Schallleitungskomponente.

– Soweit der Kläger meint, es komme nicht auf die Dauer, sondern die Intensität der Abknickbewegung an, erschließt sich nicht, inwiefern er über eine höhere Sachkunde als die Sachverständige Dr. H., einer Fachärztin für HNO-Heilkunde, verfügen sollte.

– Soweit der Kläger weiterhin beanstandet, die Sachverständige Dr. H. habe die Frage nicht beantwortet, ob aus dem Umstand, dass eine Verletzung des Gleichgewichtsorgans in der Bildgebung nicht nachgewiesen worden ist, folgt, dass Koordinationsstörungen ausgeschlossen sind, erschließt sich bereits die Relevanz dieser Frage nicht: Denn selbst wenn ein solcher Ausschluss nicht statthaft sein sollte, hätte der Kläger nicht nachgewiesen, dass er unter auf dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall beruhenden Koordinationsstörungen leidet. Im Übrigen hätte der Kläger in der erstinstanzlichen Sitzung vom 06.10.2016 Gelegenheit gehabt, diese Frage (nochmals) an die Sachverständige zu richten, wovon jedoch explizit kein Gebrauch gemacht worden ist (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls = Bl. 175 d.A.), und zwar auch nicht im Rahmen des klägerischen Schriftsatzes im 30.11.2016 (Bl. 180/183 d.A.).

– Entsprechendes gilt für die – pauschale – Kritik des Klägers an den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. M.: Weder in der o.g. Sitzung vom 06.10.2016 noch im Rahmen des o.g. Schriftsatzes vom 30.11.2016 wurden weitere Fragen an diese Sachverständigen gerichtet. Darüber hinaus lässt sich der Berufungsbegründung nicht entnehmen, was im Einzelnen an den gutachtlichen Feststellungen falsch sein sollte. Dass der Kläger mit den Ergebnissen der Sachverständigen nicht einverstanden ist, stellt keinen rechtlich relevanten Berufungsgrund dar.

II.

Das Erstgericht hat auch die sachlich-rechtlichen Fragen ganz überwiegend zutreffend beantwortet.

1.) Soweit das Erstgericht, ausgehend von den von ihm getroffenen Feststellungen, ein Schmerzensgeld i.H.v. insg. 4.000,00 € für angemessen erachtet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger demgegenüber die Auffassung vertritt, selbst bei diesen Feststellungen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens noch 6.000,00 €, d.h. insg. 8.500,00 €, zuzusprechen (vgl. S. 5 des klägerischen Schriftsatzes vom 21.06.2017 = Bl. 284 d.A.), zeigt er schon keinen Fehler des Ersturteils in Form der nicht vollständigen oder nicht richtigen Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände oder der greifbar fehlerhaften Bewertung des Schmerzensgelds auf. Der Senat ist im Übrigen aufgrund eigenständiger Überprüfung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.03.2006, Az.: VI ZR 46/05, NJW 2006, 1589; Senat, Urt. vom 30.7.2010, Az.: 10 U 2930/10, juris) der Ansicht, dass das zugesprochene Schmerzensgeld angemessen ist.

2.) Auch soweit das Erstgericht bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens nicht von einem Stundensatz i.H.v. 8,50 €, sondern nur von 8,00 € ausgeht, ist dies nicht zu beanstanden. Insb. entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 21.03.2014, Az.: 10 U 1750/13, juris).

3.) Unzutreffend ist das Ersturteil hingegen bzgl. der vorprozessualen Anwaltskosten. Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Freistellung von vorprozessualen Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter, Rechtsanwalt Sorg, in Höhe von 606,28 €.

a) Anzuwenden ist die Gebührentabelle gem. Anlage 2 zu § 13 I RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Dabei ist von einem Gegenstandswert i.H.v. bis 19.000,00 € auszugehen. Gegenstand der vorprozessualen Rechtsverfolgung waren die Positionen Schmerzensgeld (hiervon 4.000,00 € zu Recht begehrt), Verdienstausfall (hiervon mindestens 6.412,50 € und höchstens 7.250,00 € zu Recht begehrt) und Behandlungskosten (hiervon 7.398,56 € unstreitig zu Recht begehrt). Bzgl. des Verdienstausfalls gilt dabei Folgendes: Ausgehend von den vertretbaren und von den Parteien insoweit auch nicht beanstandeten Ausführungen des Erstgerichts errechnet sich der Verdienstausfall auf 7.250,00 €, nämlich 3.750,00 € (nicht nur „3.700,00 €“) zuzüglich 1.500,00 € zuzüglich 2 x 750,00 € zuzüglich 500,00 €. Ob hiervon Abzüge i.H.v. 500,00 € (bzgl. des letzten Monats; MdE nur noch 20%) und/oder i.H.v. 5% im Hinblick auf ersparte berufsbedingte Aufwendungen vorzunehmen sind, kann dahingestellt bleiben, weil sich an der bei Anwendung der o.g. Tabelle maßgeblichen Einstufung (über 16.000,00 € bis 19.000,00 €) nichts ändert.

Soweit das Erstgericht demgegenüber von einem Gegenstandswert in Höhe von 21.758,00 € ausgeht, ist dies in mehrfacher Hinsicht unzutreffend:

– Addiert man zu dem Betrag i.H.v. 19.898,56 € den vom Erstgericht zugesprochenen Betrag i.H.v. 1.860,00 €, so errechnen sich nicht 21.758,00 €, sondern 21.758,56 €.

– Es ist jedoch bereits nicht zutreffend, von dem Betrag i.H.v. 19.898,56 € auszugehen. Denn in diesem Betrag enthalten ist auch ein Betrag i.H.v. 10.000,00 €, welchen die Beklagte zu 2) vorprozessual auf die Position Verdienstausfall gezahlt hat, ohne dass damit ein Anerkenntnis verbunden gewesen wäre.

– Ebenso wenig zutreffend ist es, den Betrag i.H.v. 1.860,00 € hinzuzurechnen. Denn darin enthalten ist zum einen ein Betrag i.H.v. 350,00 € bzgl. der Position Haushaltsführungsschaden, welcher nicht Gegenstand der vorprozessualen Rechtsverfolgung war, und zum anderen ein Betrag i.H.v. 10,00 € („Eigenbeteiligung“), welcher vom Erstgericht zu Unrecht zugesprochen worden ist (s.u.).

b) Die Gebühr in Höhe von 606,00 € ist – entsprechend der Auffassung des Klägers und unter Korrektur des anderslautenden Hinweises des Senats im Beschluss vom 16.08.2017, worauf wiederum der Senat in der Sitzung vom 22.12.2017 hingewiesen hat – mit dem Faktor 2,0 zu multiplizieren. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2012, 2813; NJW-RR 2013, 1020 unter Aufgabe von VersR 2012, 1056) eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Auch macht der Umstand, dass nach einem Verkehrsunfall mit Körperverletzung ärztliche Berichte und Gutachten zu übersenden und neben Schmerzensgeld auch Sachschäden und Haushaltsführungsschaden geltend zu machen sind und Teilzahlungen unter Ablehnung weitergehender Regulierung erfolgen, die Angelegenheit grundsätzlich weder schwierig noch umfangreich (vgl. Senat in st. Rspr., z.B. Beschluss vom 21.08.2014, Az.:10 U 1252/14). Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Rechtsverfolgung aus den vom Kläger genannten Gründen als deutlich überdurchschnittlich umfangreich dar.

c) Zu dem sich errechnenden Betrag in Höhe von 1.212,00 € ist die Pauschale in Höhe von 20,00 € hinzuzurechnen, so dass sich 1.232,00 € ergeben.

d) Abschließend – und dies hat das Erstgericht übersehen – sind 19% Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Denn zwar war der Kläger ursprünglich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Allerdings hat er, wie auf S. 10 der Replik (= Bl. 56 d.A.) vorgetragen und von den Beklagten nicht bestritten, bereits im Jahre 2010 sein Gewerbe abgemeldet und ist seitdem nicht mehr vorsteuerabzugsberechtigt.

e) So errechnet sich ein Betrag i.H.v. 1.466,08 €, von welchem die bereits vorprozessual regulierten 859,80 € abzuziehen sind, so dass noch 606,28 € offen sind.

III.

Die Kostenentscheidung bzgl. der Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO. Denn das teilweise Unterliegen der Beklagten ist in der Hauptsache mit 1.860,00 € im Verhältnis zum Streitwert i.H.v. 100.416,72 €, d.h. mit ca. 2%, verhältnismäßig geringfügig. Die Rechtsverteidigung hat insoweit, mangels Gebührensprungs, auch keine höheren Kosten verursacht.

IV.

Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

V.

Auch die Kostenentscheidung bzgl. der Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO (vgl. auch Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 516 ZPO, Rdnr. 22). Die Berufung des Klägers hatte in der Hauptsache keinen Erfolg. Zwar haben die Beklagten die Anschlussberufung zurückgenommen. Diese machte jedoch mit 1.860,00 € nur ca. 2% des Streitwertes des Berufungsverfahrens (insg. 100.416,72 €) aus.

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Nur dem Kläger, nicht auch den Beklagten, steht die Abwendungsbefugnis gem. § 711 ZPO zu, weil nur seine Beschwer (98.556,72 €), und nicht auch die der Beklagten (1.860,00 €), den Betrag i.H.v. 20.000,00 € gem. § 26 Nr. 8 EGZPO übersteigt.

VII.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e
Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2003 - VI ZR 28/03

bei uns veröffentlicht am 04.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 28/03 Verkündet am: 4. November 2003 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Z

Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2006 - VI ZR 46/05

bei uns veröffentlicht am 28.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 46/05 Verkündet am: 28. März 2006 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 28/03 Verkündet am:
4. November 2003
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 287 Abs. 1 ZPO findet bei der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität
auch dann keine Anwendung, wenn der durch einen Verkehrsunfall Betroffene den
Beweis, daß eine zeitlich nach dem Unfall aufgetretene Erkrankung auf den Unfall
zurückzuführen ist, wegen der Art der Erkrankung (hier: Morbus Sudeck) nach dem
Maßstab des § 286 ZPO nicht führen kann.
BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - OLG Celle
LG Verden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Dezember 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen gesundheitlicher Schäden in Anspruch, die bei ihr nach ihrer Behauptung aufgrund eines Verkehrsunfalls eingetreten sind, der sich Anfang Dezember 1997 ereignete. Die volle Haftung der Beklagten ist außer Streit. Die Klägerin befand sich als Beifahrerin in einem der unfallbeteiligten Fahrzeuge. Nach dem Unfall hatte sie zunächst keine gesundheitlichen Beschwerden. Später spürte sie ein Kribbeln in der linken Hand, das mit der Zeit an Intensität zunahm. Ende Januar 1998 suchte die Klägerin deswegen erstmals einen Arzt auf, der sie arbeitsunfähig schrieb. Die Schmerzen in der linken Hand nahmen zu. Es entwickelte sich das Krankheitsbild eines Morbus Sudeck. Die Krankheit hat sich inzwischen derart verschlimmert, daß es zu einer Versteifung der Hand mit geschlossenen Fingern gekommen ist. Eine Besserung ist nicht zu erwarten. Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich bei dem Unfall
mit der linken Hand am Armaturenbrett abgestützt und auf Grund der Kollision mit dem von der Beklagten zu 1 geführten Fahrzeug einen kurzen schweren Anstoß in der Hand verspürt. Aufgrund dieses Vorgangs habe sich der Morbus Sudeck entwickelt. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen ergänzend gehört und die Berufung alsdann zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht bewiesen, daß ihre Erkrankung an dem Morbus Sudeck eine kausale Folge des Unfallgeschehens ist, für das die Beklagten einzustehen haben. Die Klägerin müsse eine Primärverletzung nach den Grundsätzen des § 286 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Sachverständige habe sein schriftliches Gutachten mündlich dahin erläutert, daß zwar auch Bagatellunfälle und Bagatellverletzungen, wie beispielsweise Prellungen oder Verstauchungen, die Sudecksche Dystrophie verursachen könnten. Das bloße Abstützen mit der Hand allein reiche jedoch als Ursache nicht aus. Es müsse schon irgendeine traumatische Einwirkung gegeben sein. Über die Frage, ob bei der Klägerin ein solches Trauma stattgefunden habe, könne er nur spekulieren. Es komme darauf an, wie die Abstützung erfolgt sei. Hierzu hebt das Berufungsgericht hervor, nach ihrem eigenen Vortrag habe die Klägerin unmittel-
bar nach dem Unfall keinerlei Beschwerden beklagt. Vielmehr hätten sich Beschwerden in Form eines Kribbelns an der linken Hand erst zwei Wochen nach dem Unfallereignis eingestellt. Aus diesem Vorbringen ergebe sich nicht der juristische Tatbestand der Körperverletzung. Bei dem bloßen Spüren eines schweren Anstoßes sei die Erheblichkeitsschwelle für eine Körperverletzung noch nicht überschritten. Im übrigen reiche selbst ein schwerer Anstoß nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen. Der Senat sei deshalb mit dem Landgericht nicht vollends davon überzeugt, daß der Verkehrsunfall den Morbus Sudeck bei der Klägerin verursacht habe. In den Genuß der Beweismaßerleichterung des § 287 ZPO komme die Klägerin nicht, weil schon der Haftungsgrund in Frage stehe, der allein nach § 286 ZPO zu beweisen sei; die Anwendung des § 287 ZPO auf diese Frage wäre systemwidrig.

II.

Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. 1. Die Revision macht geltend, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin aufgrund des Zusammenstoßes der Fahrzeuge verspürt habe, sei juristisch auch dann als Körperverletzung zu qualifizieren, wenn er keine erkennbaren körperlichen Folgen nach sich ziehe. Deshalb hätte das Berufungsgericht eine Primärverletzung bejahen und die Ursächlichkeit des Unfalls für den Morbus Sudeck nach § 287 ZPO beurteilen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anstoß, den ein Fahrzeuginsasse beim Abstützen am Armaturenbrett spürt, als Körperverletzung zu qualifizieren ist, müßte nur dann nachgegangen werden, wenn die
Folgeerkrankung, nämlich der Morbus Sudeck, durch eine solche Primärverletzung verursacht sein könnte. Davon ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht den Ausführungen des Sachverständigen entnimmt, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin beim Abstützen auf das Armaturenbrett verspürt habe, reiche nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen; hierzu bedürfe es einer traumatischen Einwirkung, wie einer Verstauchung oder Prellung, die für die Klägerin fühlbar gewesen wäre. Das sei jedoch bereits nach ihrem Vorbringen nicht der Fall. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann aber der von der Klägerin vorgetragene Anstoß nicht die Ursache für das vorliegende Krankheitsbild sein.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe jedenfalls das Kribbeln in der Hand der Klägerin als Primärverletzung ansehen müssen. Sie übersieht, daß das Berufungsgericht keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Kribbeln festgestellt hat. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht das Kribbeln als erstes Anzeichen der beginnenden Erkrankung angesehen hat, seine Ursache aber gerade nicht hat feststellen können.
c) Daß ansonsten ausreichende Tatsachen festgestellt sind oder feststellbar wären, die die Ursächlichkeit des Unfalls für eine den Morbus Sudeck auslösende Körperverletzung nach dem Maßstab des § 286 ZPO als ausreichend sicher erscheinen lassen, macht die Revision nicht geltend. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die bloße zeitliche Nähe der Entstehung der Erkrankung zu dem Unfallereignis reicht dazu nicht aus. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht auch im Hinblick darauf, daß nach
den weiteren Ausführungen des Sachverständigen andere Möglichkeiten als Auslöser für die Erkrankung als möglich erscheinen (Entwicklung ohne äußeren Anlaß bei ca. 10 % der Patienten oder ein bisher nicht bekanntes Trauma vor oder unmittelbar nach dem Unfall), die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung nicht hat bilden können. Diese verlangt zwar keine absolute oder unumstößliche Gewißheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ; ausreichend ist vielmehr ein unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung gewonnener für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit , der den Zweifeln Schweigen gebietet (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475 m.w.N.). Die von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht indes auch nach diesem Maßstab ohne Rechtsfehler nicht für ausreichend gehalten, um die erforderliche Überzeugung zu gewinnen. 2. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe, soweit es um die Frage gehe, ob § 287 ZPO für den Beweis einer Primärverletzung jedenfalls dann Anwendung finden könne , wenn der Vollbeweis nach § 286 ZPO wegen der Art der Unfallfolge nicht geführt werden kann.
a) Das Revisionsgericht ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gebunden. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene grundsätzliche Frage stellt sich allerdings im Streitfall nicht. Der Tatrichter kann auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen , wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Dabei werden lediglich geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt;
es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 476 m.w.N.). Bei der Feststellung von Kausalbeziehungen ist der Tatrichter nach § 287 ZPO insofern freier gestellt, als er in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang andere, weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten nicht mit der sonst erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausschließen muß (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 1970 - VI ZR 233/69 - VersR 1970, 924, 926; vom 27. Februar 1973 - VI ZR 27/72 - VersR 1973, 619, 620; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO). Weder das Berufungsgericht noch die Revision zeigen auf, inwiefern die Klägerin bei Anwendung dieses Maßstabes angesichts der vorstehend bereits beschriebenen Beweislage den Kausalitätsbeweis sollte führen können. Wenn ein Vorgang, der Ursache der jetzigen Erkrankung der Klägerin sein kann, nicht vorgetragen ist und die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß sich die Krankheit schicksalhaft entwickelt hat, können andere Kausalverläufe nicht ausgeschlossen und die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden der Klägerin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende "gefühlsmäßige" Wertung, beide Ereignisse müßten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht dazu nicht aus. Die Tatsache , daß die Beklagte zu 1 den Unfall pflichtwidrig verursacht hat, mag als Grundlage für die Anwendung des § 287 ZPO zu diskutieren sein (vgl. etwa Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 119 ff., 127 ff.; dagegen Arens, ZZP 88 (1975), 1, 20; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 187); sie ist aber für sich genommen kein Element der nach dem Maßstab dieser Vorschrift erforderlichen Überzeugungsbildung.

b) Darüber hinaus gibt die vorliegende Fallgestaltung keinen Anlaß, den Anwendungsbereich des § 287 ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität auszudehnen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats unterliegt der Nachweis des Haftungsgrundes (die haftungsbegründende Kausalität) den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, während der Tatrichter nur bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (der haftungsausfüllenden Kausalität) nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO, S. 475, jew. m.w.N.). Davon abzuweichen besteht kein Anlaß. Der Grund für die Differenzierung im Beweismaß ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 287 ZPO und auch aus der Überlegung, daß eine Haftung des Schädigers nur in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des gesetzlichen Haftungsgrundes (hier § 823 Abs. 1 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG), insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einem ersten Verletzungserfolg feststehen. Das Handeln des Schädigers als solches ohne festgestellte Rechtsgutverletzung (hier Körperverletzung) scheidet als Haftungsgrundlage aus (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - aaO). In der Literatur vertretene Ansichten, die - etwa im Hinblick auf die Gefährdung der Rechtsgüter des Geschädigten durch den Schädiger und die von diesem letztlich veranlaßten Beweisschwierigkeiten - § 287 ZPO auch im Bereich der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität anwenden wollen (vgl. Hanau , aaO; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 78 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 116 II 3 m.w.N.), nehmen eine Haftung des Schädigers für eine nur möglicherweise von
ihm verursachte Rechtsgutverletzung in Kauf und dehnen damit seine Haftung ohne gesetzliche Grundlage zu weit aus. Erst wenn eine vom Schädiger verursachte Primärverletzung feststeht, ist es gerechtfertigt, den Richter hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zu verweisen. Die Notwendigkeit, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einer bestimmten Rechtsgutverletzung nach Maßgabe des § 286 ZPO beweisen zu müssen, führt freilich für den Geschädigten oft zu erheblichen Beweisschwierigkeiten. In geeigneten Fällen können diese durch gesetzliche (z.B. § 84 Abs. 2 AMG, § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder tatsächliche Vermutungen, einen Anscheinsbeweis oder durch sonstige Beweiserleichterungen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 104, 323, 332 ff. zur Produzentenhaftung und BGHZ 132, 47, 49 ff. zur Arzthaftung) gemildert werden. Darüber hinaus kann den Beweisschwierigkeiten des Geschädigten je nach den Umständen des Falles durch angemessene Anforderungen an den Sachvortrag, Ausschöpfung der angebotenen Beweismittel und sorgfältige, lebensnahe Würdigung der erhobenen Beweise Rechnung getragen werden. Eine weitergehende Beweiserleichterung durch Anwendung des § 287 ZPO bei Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität ist indes abzulehnen (so auch Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 287 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 287 Rn. 13 ff.; vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rn. 47, § 287 Rn. 10 ff.).

III.

Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 46/05 Verkündet am:
28. März 2006
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Importeur eines in großer Stückzahl aus China importierten technischen Arbeitsmittels
(hier: Tapetenkleistermaschine) ist verpflichtet, das Gerät zu Beginn des
Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die Beschaffenheit
den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine Verletzung
dieser Pflicht kann zur Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB führen, wenn es bei der
bestimmungsgemäßen Verwendung des Geräts (hier: Reinigung) zu einem Körperschaden
des Verwenders kommt.
Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche
Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen
Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu
überprüfen, ob sie überzeugt. Es darf sich nicht darauf beschränken, die Ermessensausübung
der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen.
BGH, Urteil vom 28. März 2006 - VI ZR 46/05 - LG Bonn
AG Bonn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. März 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner
, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10. Februar 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen Schadens und Schmerzensgeld wegen Schnittverletzungen an der linken Hand, die er sich nach seiner Behauptung beim Reinigen der Kleisterwanne einer bei der Supermarktkette A. S. erworbenen Tapetenkleistermaschine im Mai 2001 zugezogen habe. Die Beklagte importiert diese Maschinen aus China und vertreibt sie in Deutschland unter der Marke "K. C.".
2
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des materiellen Schadens teilweise stattgegeben und dem Kläger ein Schmerzensgeld von 4.000 € zuerkannt. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 ProdSG. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die nach Durchführung einer Beweisaufnahme vom Amtsgericht getroffene Feststellung, der Kläger habe sich beim Reinigen der Tapetenkleistermaschine verletzt, sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte sei als Quasi-Herstellerin verantwortlich nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ProdSG. Sie vertreibe unter der Marke "K. C." die Tapetenkleistermaschine zum Weiterverkauf unter anderem an A. S.. Einen Hinweis auf den chinesischen Hersteller wiesen die Tapetenkleistermaschine und deren Verpackung nicht auf. Darüber hinaus sei die Herstellerdefinition in § 3 Abs. 1 Satz 3 ProdSG zu berücksichtigen. Danach gelte hilfsweise der Importeur als Hersteller. Der Hersteller verletze ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn er gemäß § 4 Abs. 2 ProdSG ein nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 ProdSG sicheres Produkt in den Verkehr gebracht habe. Nach dem Gutachten des Sachverständigen H. seien die Gratkanten der Kleisterwanne, die nach innen ragten, messerscharf. Eine Reinigung entsprechend der auf dem Karton aufgedruckten Anleitung alleine durch Ausspülen sei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich. Rechtswidrigkeit und Verschulden seien zu bejahen. Der Beklagten sei vorzuwerfen, dass sie sich nicht durch eine eingehende Überprüfung der frei zugänglichen Kanten der Kleisterwanne Gewissheit über die Sicherheit der Geräte verschafft habe. Auch habe sie es unterlassen, zusammen mit der Reinigungsanleitung der Kleisterwanne auf der Verpackung einen Warnhinweis auf die Möglichkeit der Verletzung beim Hineingreifen anzu- bringen. Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der Beklagten , bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um einen "Ausreißer" , sei aus prozessualen Gründen unbeachtlich.

II.

4
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
5
1. Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass für die Beurteilung des Streitfalls nicht das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), sondern das Gerätesicherheitsgesetz (GSG) einschlägig ist. Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz vom 6. Januar 2004 (GPSG), welches die vorgenannten Gesetze außer Kraft gesetzt hat, findet auf den Vorfall aus 2001 noch keine Anwendung. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 g ProdSG findet der zweite Abschnitt des Produktsicherheitsgesetzes über Produktsicherheit - mit Ausnahme der im Streitfall nicht relevanten Bestimmungen über Warnungen und Rückruf - keine Anwendung auf Produkte, deren sicherheitsrelevante Beschaffenheit im Gerätesicherheitsgesetz geregelt ist.
6
So liegt es hier. Das Gerätesicherheitsgesetz gilt für das Inverkehrbringen technischer Arbeitsmittel (§ 1 Abs. 1 GSG). Technische Arbeitsmittel sind unter anderem verwendungsfertige Arbeitseinrichtungen, vor allem Werkzeuge und Arbeitsgeräte (§ 2 Abs. 1 GSG). Es muss sich um Einrichtungen handeln, die zu dem Zweck benutzt werden, Arbeit zu verrichten (vgl. Jeiter/Klindt, Gerätesicherheitsgesetz , 3. Aufl., § 2 Rn. 5 f.). Jedes für die Erzielung eines Arbeitserfolgs einsetzbare und nicht vollkommen ungefährliche Gerät ist ein technisches Arbeitsmittel im Sinne des Gerätesicherheitsgesetzes (Peine, Gerätesicherheitsgesetz , 3. Aufl., §§ 1, 1a, 2 Rn. 14; zur weiteren Eingrenzung derselbe Rn. 17 ff.; vgl. die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaf- tung, VI/97, 2450 S. 10). Nach der Absicht des Gesetzgebers sollen alle technischen Geräte erfasst werden, unabhängig davon, wo sie zum Einsatz gelangen: sei es im Betrieb, im Haushalt oder in einer Dienststelle (Peine, aaO, §§ 1, 1a, 2 Rn. 12).
7
Dazu zählt auch die von der Beklagten importierte und vertriebene Tapetenkleistermaschine. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GSG liegt nicht vor. Spezialvorschriften für Tapetenkleistermaschinen sind nicht ersichtlich (vgl. etwa die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 16 f.).
8
2. Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO), da die Beklagte dem Kläger, der sich nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen bei der Reinigung der Tapetenkleistermaschine verletzt hat, für die Verletzungsfolgen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG, § 847 Abs. 1 BGB a.F. haftet.
9
a) § 3 Abs. 1 und 3 GSG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Senat, Urteile vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - VersR 1980, 380, 382 m.w.N. und vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80 - VersR 1983, 346, 347; Beschlüsse vom 17. Januar 1984 - VI ZR 35/83 - VersR 1984, 270 und vom 28. April 1987 - VI ZR 247/86 - VersR 1988, 635, 636; vgl. auch OLG Düsseldorf , VersR 1989, 1158 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 7. März 1989 - VI ZR 257/88 -; OLG Bremen, VersR 2004, 207, 208 mit Nichtzulassungsbeschluss des Senats vom 15. Juli 2003 - VI ZR 11/03 -; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 3).
10
b) Die Beklagte hat den äußeren Tatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG erfüllt, weil sie ein technisches Arbeitsmittel in den Verkehr gebracht hat, das nicht der von der Norm geforderten Beschaffenheit entsprach.
11
aa) Die Tapetenkleistermaschine fällt nicht in den Regelungsbereich einer in § 3 Abs. 1 Satz 1 GSG angesprochenen Rechtsverordnung. Die insoweit in Betracht kommende Neunte Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (9. GSGV = Maschinenverordnung; vgl. dort § 1 Abs. 2) gilt nicht für Maschinen, deren einzige Kraftquelle die unmittelbar angewandte menschliche Arbeitskraft ist (§ 1 Abs. 5 Nr. 1 der 9. GSGV; vgl. Jeiter/Klindt, aaO, § 3 Rn. 32 f.). Es gilt also § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG. Danach dürfen technische Arbeitsmittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften so beschaffen sind, dass Benutzer oder Dritte bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung gegen Gefahren aller Art für Leben oder Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Art der bestimmungsgemäßen Verwendung gestattet (vgl. Senat , Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO).
12
bb) Die Tapetenkleistermaschine war nicht dementsprechend beschaffen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die nach innen ragenden Gratkanten der Kleisterwanne messerscharf. Sämtliche Blechkanten sind nicht abgerundet, so dass eine erhöhte Verletzungsgefahr für den Benutzer besteht. Dieser Zustand entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, denn die Blechkanten sind nach den auf sachverständiger Beratung beruhenden Feststellungen des Amtsgerichts, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, bei der Produktion nach dem Abschneiden der Bleche zu entgraten. Bei dieser Sachlage liegt auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen, die der erkennende Senat insoweit stellt (vgl. etwa Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; Beschluss vom 17. Januar 1984 - VI ZR 35/83 - aaO; Kullmann in Kullmann /Pfister, aaO, S. 27 f.; Peine, aaO, § 3 Rn. 24 ff.), ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik ersichtlich vor.
13
cc) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Haftung der Beklagten nicht deshalb aus, weil § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG anders als § 6 Abs. 1 ProdSG dem Wortlaut nach nur die bestimmungsgemäße Verwendung erfasst.
14
(1) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG ist der gesetzlich gebotene Schutz bei "bestimmungsgemäßer Verwendung" zu gewährleisten. Bestimmungsgemäße Verwendung in diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 5 GSG die Verwendung, für die die technischen Arbeitsmittel nach den Angaben derjenigen, die sie in den Verkehr bringen, insbesondere nach ihren Angaben zum Zwecke der Werbung, geeignet sind (Nr. 1) oder die übliche Verwendung, die sich aus der Bauart und Ausführung der technischen Arbeitsmittel ergibt (Nr. 2). Demgegenüber stellt das Produktsicherheitsgesetz nicht allein auf die bestimmungsgemäße Verwendung , sondern in § 6 Abs. 1 ProdSG daneben auf die zu erwartende Verwendung ab. Es wird nicht einheitlich beurteilt, ob es sich hierbei um mehr als einen sprachlichen Unterschied handelt (vgl. Jeiter/Klindt, aaO, § 3 Rn. 51), oder ob nicht der Schutzbereich des Gerätesicherheitsgesetzes, auch ohne dies ausdrücklich zu benennen, eine nahe liegende Fehlanwendung, einen üblichen Fehlgebrauch (Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 7 m.w.N.) oder eine für den Hersteller vorhersehbare Verwendung erfasst (Jeiter/Klindt, aaO, § 3 Rn. 55 im Hinblick auf EG-Produktsicherheitsrichtlinie 92/59/EWG vgl. aaO § 2 Rn. 53 und § 3 Rn. 47, 49, 52; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 7; Peine, aaO, § 3 Rn. 82 [für Spielzeug]).
15
(2) Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Beantwortung. Denn der Unfall hat sich bei bestimmungsgemäßer Verwendung ereignet. Der Kläger hat die Maschine entsprechend ihrer Bestimmung zum Einkleistern von Tapeten verwendet. Das Reinigen der Kleisterwanne nach dem Gebrauch ist zur Sicherstellung wiederholter Nutzung unerlässlich und gehört ebenso zum Verwendungsvorgang wie das Einfüllen des Kleisters davor (vgl. auch OLG Frankfurt, VersR 1977, 1133). Durch den Begriff der bestimmungsgemäßen Verwendung sollen die Nutzung zu anderen Zwecken, wie etwa die eines Rasenmähers zum Heckenschneiden , oder offensichtlicher Fehlgebrauch ausgeschlossen werden (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 7; LG Frankfurt, NJW-RR 1986, 658, 659), nicht aber notwendige Nach- und Vorbereitungshandlungen an technischen Arbeitsmitteln. Diese sind Teil des einheitlichen Verwendungsbegriffs im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG.
16
Auch die auf der Verpackung abgedruckte Reinigungsanleitung nimmt das Hineingreifen in die Wanne zum Zweck der Reinigung bereits dem Wortsinn nach nicht aus dem Verwendungsbegriff heraus. Sie lautet: "Kleisterreste ausgießen und die Wanne unter fließendem Wasser reinigen. Kleistermaschine an der Luft trocknen lassen und im Originalkarton aufbewahren". Eine Beschränkung der Reinigung auf bloßes Ausspülen ohne manuelle Unterstützung ist hieraus nicht zu entnehmen.
17
dd) Die Beklagte hat die Tapetenkleistermaschine dadurch in den Verkehr gebracht, dass sie diese aus China importierte und an die Handelskette A. S. weiterverkaufte, wo sie der Kläger erwarb (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GSG). Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 GSG ist Inverkehrbringen jedes Überlassen technischer Arbeitsmittel an andere. Hierunter fällt die Lieferung des inländischen Importeurs an den inländischen Händler oder Verbraucher (vgl. Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 - VIII ZR 113/80 - NJW 1981, 2640, 2641; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 19 und 23; ders., Produkthaftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 318).
18
ee) Das Berufungsgericht stellt verfahrensfehlerfrei fest, dass sich der Kläger beim Reinigen der Kleisterwanne verletzt hat. Die Kausalität der Schutzgesetzverletzung für den beim Kläger eingetretenen Körperschaden wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
19
c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft.
20
aa) Ein Verstoß gegen den objektiven bzw. äußeren Tatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG begründet in einem Schadensfall noch keine Haftung. Eine Schadensersatzpflicht besteht für den Produktverantwortlichen nur, wenn ihn ein Verschulden an dem Gesetzesverstoß trifft (vgl. Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 33; ders., aaO, Rn. 280 f.; Peine, aaO, § 3 Rn. 157). Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG dem Importeur nicht dieselben Pflichten wie einem Hersteller auferlegt. Jedem Produktverantwortlichen kann nur der Standard seines Berufskreises abverlangt werden (Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 34, 35; ders., aaO, Rn. 325, 330; Peine, aaO, § 3 Rn. 159; BT-Drucks. 12/2693 S. 17, 21).
21
bb) Die Beklagte, die das von ihr aus China importierte Produkt in hoher Stückzahl vertreibt, wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, die Tapetenkleistermaschinen zu Beginn des Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die Beschaffenheit den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine dahingehende Überprüfungspflicht des Importeurs hat der erkennende Senat bereits bejaht (Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO). Sie ist auch in der Literatur anerkannt (Kullmann in Kullmann /Pfister, aaO, S. 35 f.; ders., aaO, Rn. 330 f.; Peine, aaO, § 3 Rn. 159; Köhler, BB 1985, Beilage 4, 10, 12; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446; vgl. auch BT-Drucks. 12/2693 S. 17, 21). Der Fehler wäre bei pflichtgemäßer Untersuchung ohne weiteres entdeckt worden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO).
22
cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Überprüfungspflicht der Beklagten keine näheren Feststellungen getroffen hat. Da die Beklagte § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG objektiv verletzt hat, spricht eine Vermutung dafür, dass diese Verletzung des Schutzgesetzes auch schuldhaft erfolgt ist. Es lag an der Beklagten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die geeignet sind, die Annahme zumindest fahrlässigen Verhaltens auszuräumen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 1984 - VI ZR 35/83 - aaO, 271; OLG München, VersR 1975, 605, 606; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446; alle zu § 3 Abs. 1 GSG; OLG Stuttgart, NJW-RR 1992, 670, 671; Kullmann, aaO, Rn. 286 zu § 3 Abs. 3 Satz 2 GSG).
23
dd) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, die Beklagte sei insoweit ihrer Darlegungspflicht nicht nachgekommen.
24
Welche Prüfungen der Importeur anstellen und in welchem Umfang er die importierten Geräte untersuchen oder untersuchen lassen muss, ist eine Frage des Einzelfalls (Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 36; Kullmann, aaO, Rn. 331; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446). Die Häufigkeit der notwendigen Stichproben hängt unter anderem davon ab, ob die importierten Maschinen aus einem Fertigungsvorgang stammen oder nicht. Im letztgenannten Fall sind häufigere Stichproben erforderlich, um die Entdeckung von Fehlern wahrscheinlich zu machen. Ferner kann den Importeur bei Importen aus dem außereuropäischen Bereich eine besondere Verantwortung treffen (Kollmer, NJW 1997, 2015, 2017; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446).
25
Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte insoweit erstinstanzlich in dem erforderlichen Maße vorgetragen habe. Das Berufungsgericht hat insoweit entgegen der Annahme der Revision auch nicht verfahrensfehlerhaft die Beklagte entlastenden zweitinstanzlichen Sachvortrag übergangen. Es hat ausgeführt , die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der Beklagten , bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um einen "Ausreißer", sei neu und unsubstantiiert. Es werde nicht vorgetragen, wie viele Stichproben in Anbetracht der nach Behauptung der Beklagten mehr als zehntausendfach ver- triebenen Maschinen die Beklagte selbst durchgeführt habe oder habe durchführen lassen.
26
Das Berufungsgericht hat den zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten entgegen der Auffassung der Revision zu Recht als neu angesehen und deshalb unberücksichtigt gelassen. Er war sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch aus rechtlichen Gründen neu im Sinne der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hatte im Schriftsatz vom 29. Juli 2004 an das Amtsgericht lediglich dargelegt, dass die Tapetenkleistermaschine zehntausendfach im EGRaum vertrieben werde. Die Frage eines Ausreißers wird in diesem Zusammenhang nur spekulativ behandelt. Zudem handelte es sich um Vorbringen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz. Dieses ist in zweiter Instanz neu (BGH, Urteil vom 2. April 2004 - V ZR 107/03 - NJW 2004, 2382; vgl. Musielak /Huber, ZPO, 4. Aufl., § 296 a Rn. 5 m.w.N.; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 296 a Rn. 3). Die Revision zeigt keine Gründe auf, die das Amtsgericht hätten veranlassen müssen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die Erheblichkeit eines erstmals in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Vorbringens allein wäre nicht ausreichend (vgl. Musielak/Stadler, aaO, § 156 Rn. 4; Zöller/Greger, aaO, § 156 Rn. 4). Das Amtsgericht war auch nicht verpflichtet, die Beklagte auf zuvor in ihrem Vortrag nicht andeutungsweise enthaltenes entlastendes Vorbringen hinzuweisen (vgl. BGHZ 156, 269, 270 f.; BGH, Urteil vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05 - NJW 2006, 434, 435; Musielak/Stadler, aaO, § 139 Rn. 5, 7, 9; Zöller/Greger, aaO, § 139 Rn. 3, 17), so dass auch insoweit kein zwingender Grund zur Wiedereröffnung bestand (hierzu Zöller/Greger, aaO, § 156 Rn. 3; § 283 Rn. 5).
27
Dass die Berücksichtigung der neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht hier ausnahmsweise zulässig gewesen sein könnte (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO), legt die Revision nicht dar. Auf ihre im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht angenommenen fehlenden Substantiierung des Vorbringens erhobenen Rügen kommt es danach nicht mehr an.
28
3. Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe sich hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes darauf beschränkt zu prüfen, ob eine Ermessensüberschreitung des Amtsgerichts vorliege. Zwar wäre es fehlerhaft gewesen, wenn sich das Berufungsgericht auf eine bloße Überprüfung der Ermessensausübung des Amtsgerichts beschränkt hätte. So sind seine Ausführungen indes nicht zu verstehen.
29
a) Die Frage, inwieweit das Berufungsgericht nach der Neuregelung des Rechtsmittelrechts die Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Vorinstanz überprüfen kann, wird nicht einheitlich beurteilt. Einerseits wird vertreten, eine Überprüfung sei auf Rechtsfehler beschränkt. Lägen solche nicht vor, dürfe die Berufungsinstanz nicht eigenes Ermessen an die Stelle der Bestimmung durch die Vorinstanz setzen (OLG Braunschweig, VersR 2004, 924, 925; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 398, 399; OLG Hamm, VersR 2006, 134, 135; vgl. auch OLG Hamm, VersR 2004, 757; OLG München, NJW 2004, 959). Nach der Gegenmeinung darf und muss das Berufungsgericht ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts, allerdings im Rahmen seiner Bindung an die Tatsachenfeststellungen gemäß § 529 Abs. 1 ZPO, selbst über die Bemessung des im Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldes befinden (OLG Brandenburg, VersR 2005, 953, 954).
30
b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Eine Beschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts - entsprechend der des Revisionsgerichts - hat der Bundesgerichtshof bereits für den Bereich der Vertragsauslegung abgelehnt (BGHZ 160, 83 ff.) und darauf hingewiesen, dass im Bereich der rechtlichen Bewertung festgestellter Tatsachen eine Bindung des Berufungsgerichts an eine lediglich mögliche, aber nicht überzeugende Wertung der Vorinstanz nicht besteht (BGHZ 160, 83, 92). Die insoweit angestellten Erwägungen gelten für die Überprüfung der Schmerzensgeldbemessung in gleicher Weise (vgl. OLG Brandenburg, aaO; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 33/2004 Anm. 6). Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. Senat BGHZ 138, 388, 391 m.w.N.).
31
d) Hier hat das Berufungsgericht ausgeführt, das zuerkannte Schmerzensgeld von 4.000 € bewege sich an der oberen Grenze des zuzubilligenden Rahmens. Eine Abänderung sei jedoch nicht gerechtfertigt, da das Amtsgericht das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten habe. Auch wenn dieser Satz missverständlich sein könnte, lassen die nachfolgenden Ausführungen erkennen, dass das Berufungsgericht sich selbst mit den für die Schmerzensgeldbemessung maßgebenden Faktoren auseinandergesetzt hat und das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld als angemessenen Ausgleich für den immateriellen Schaden des Klägers ansieht. Es heißt nämlich, 4.000 € seien angesichts der Art der Verletzung, der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und des Dauerschadens vertretbar. Die Sehnen des linken Handgelenks seien ebenso teilweise durchtrennt gewesen, wie Nerven der Hand. An der Daumenwurzel des Klägers seien eine sichtbare Narbe sowie Gefühlsminderungen geblieben.
Der Kläger sei vom 19. Mai 2001 bis zum 10. Juni 2001 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen.
32
Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 19.08.2004 - 3 C 55/04 -
LG Bonn, Entscheidung vom 10.02.2005 - 6 S 242/04 -

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.