Oberlandesgericht München Endurteil, 07. Okt. 2016 - 10 U 767/16

bei uns veröffentlicht am07.10.2016

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 22.02.2016 wird das Endurteil des LG München I vom 12.01.2016 (Az.: 17 O 14907/14) abgeändert und wie folgt neugefasst:

I.

Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 5.131,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.08.2014 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 610,81 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.08.2014 zu bezahlen.

II.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) werden gegeneinander aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Gründe

B. I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung (der Beklagten) hat in der Sache teilweise, nämlich zur Hälfte, Erfolg.

1.) Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 5.131,50 € aus §§ 7 I StVG, 115 I S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG.

a) Zur Haftung dem Grunde nach:

aa) Der Unfall hat sich bei dem Betrieb i. S. d. § 7 I StVG beider streitgegenständlicher Pkws ereignet.

Dies gilt, obwohl es sich um einen berührungslosen Unfall handelt, insbesondere auch für den Beklagten-Pkw. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. Urteil vom 21.01.2014, Az.: VI ZR 253/13, NZV 2014, 207) ist dieses Haftungsmerkmal („bei dem Betrieb“) entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Ein Geschehen ist demnach dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, wenn sich die von diesem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, also das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Maßgeblich bestimmend für die Zurechnung der Betriebsgefahr ist, wie vom BGH weiter ausgeführt, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. Urteil vom 21.09.2010, Az.: VI ZR 263/09, NZV 2010, 612) gilt ferner, dass eine Haftung aus § 7 I StVG auch dann in Betracht kommen kann, wenn es sich, wie hier, um einen berührungslosen Unfall handelt. Hierzu hat der BGH im o.g. Urteil vom 21.09.2010 wörtlich ausgeführt: „Eine Haftung kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben. Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einer Reaktion wie z. B. zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. In einem solchen Fall kann der für eine Haftung erforderliche Zurechnungszusammenhang je nach Lage des Falles zu bejahen sein. (...) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann auch ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder Ausweichreaktion gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat. Es ist auch nicht erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden.“

Der streitgegenständliche Unfall hat sich - entsprechend den o.g. Grundsätzen - in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Beklagten-Pkws ereignet hat, nämlich der Parkplatzsuche der Beklagten zu 1). Ein solcher naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstreitig; so hat die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der Sitzung vom 07.10.2016 wörtlich bekundet: „Wieviel Zeit zwischen dem Beginn meines Blinkens und dem Unfall vergangen ist, kann ich nicht sagen, es ging alles sehr schnell“ (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls = Bl. 119 d. A.). Streitig sind zwischen den Parteien nur die weiteren Einzelheiten des Unfallgeschehens, insbesondere ob die Beklagte im Rahmen ihrer Parkplatzsuche nicht blinkte, aber plötzlich nach links abbog (so der klägerische Vortrag) oder ob sie nach links blinkte, aber zum Unfallzeitpunkt stand (so die Version der Beklagten). Der Senat ist angesichts dieser Umstände davon überzeugt, dass sich das zum Unfall führende Fahrmanöver des klägerischen Fahrers, nämlich ein Lenken nach links, weg vom Beklagten-Pkw, in jedem Fall als eine Reaktion auf die o.g. Parkplatzsuche der Beklagten zu 1) darstellt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Reaktion objektiv und /oder subjektiv erforderlich war.

bb) Beide Parteien haben jeweils den ihnen obliegenden Nachweis des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses i. S. d. § 17 III StVG nicht geführt. Denn der Senat ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass sich der klägerische Fahrer und/oder die Beklagte zu 1) wie ein Idealfahrer verhalten haben. Die Angaben des klägerischen Fahrers im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vom 07.10.2016 und die Angaben der Beklagten zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vom 07.10.2016 stehen unauflösbar im Widerspruch. Zwar erscheint die klägerische Version gegenüber derjenigen der Beklagten etwas plausibler; auch hat sich die ursprüngliche Behauptung der Beklagten zu 1), der klägerische Pkw habe sich so schnell genähert, dass er letztlich ins Schleudern gekommen sei, angesichts des gegenteiligen Ergebnisses des vom Senat erholten mündlichen unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. nicht bestätigt. Da aber auch mittels dieses Gutachtens nicht sicher festgestellt werden kann, von welcher Position aus der klägerische Fahrer zum Überholen ansetzte, mit welcher Geschwindigkeit er ursprünglich fuhr, wo der Beklagten-Pkw stand und ob er während des Überholvorgangs losfuhr oder nicht, ist der streitgegenständliche Verkehrsunfall letztlich unaufklärbar.

cc) Entsprechend konnte keine der beiden Parteien der jeweils anderen einen Verursachungsbeitrag nachweisen. Dies gilt insbesondere auch bzgl. des Verhaltens der Beklagten zu 1). Denn diese befand sich zwar zum Unfallzeitpunkt bereits beim Abbiegen nach links in ein Grundstück i. S. d. § 9 I 1, 2, V StVO. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts begründet dies hier allerdings noch keinen Anscheinsbeweis, weil es sich um einen berührungslosen Unfall handelte. Wie vom Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 16.06.1959 (Az.: VI ZR 140/58, VersR 59, 792) und in der Folge auch vom Senat (vgl. z. B. Urteil vom 16.09.2005, Az.: 10 U 2787/05, NZV 2005, 582; Urteil vom 08.10.2010, Az.: 10 U 2128/10, BeckRS 2010, 25052) entschieden, fehlt es in solchen Fällen an einer konstitutiven Voraussetzung eines Anscheinsbeweises, nämlich dem typischen Geschehensablauf (vgl. im Übrigen auch Geipel: „Der Anscheinsbeweis unter besonderer Berücksichtigung des Verkehrsrechts“, NZV 2015, 1).

dd) Da sich die (allgemeinen) Betriebsgefahren der beiden streitgegenständlichen Pkws gleichgewichtig gegenüberstehen, ergibt sich eine hälftige Haftungsverteilung.

b) Zur Haftung der Höhe nach:

Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 50% der geforderten 10.263,00 €.

Diesbezüglich kann Bezug genommen werden auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil, welche insoweit im Übrigen auch von den Beklagten nicht beanstandet worden sind.

2.) Der Kläger hat gegen die Beklagten weiterhin Anspruch auf samtverbindliche Zahlung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 610,81 € aus §§ 7 I StVG, 115 I S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG.

Dieser Anspruch berechnet sich wie folgt: Auszugehen ist von einem Gegenstandswert von 5.131,50 €. Eine 1,3-fache Geschäftsgebühr beträgt dabei 460,20 €. Hinzuzuaddieren sind die Nebenkostenpauschale in Höhe von 20,00 € und (nicht bestrittene) Kopierkosten in Höhe von insg. 23,00 €, was 503,20 € ergibt. Weiterhin hinzuzuaddieren sind 19% Umsatzsteuer sowie abschließend (ebenfalls nicht bestrittene) Akteneinsichtskosten in Höhe von 12,00 €.

3.) Der jeweilige Zinsanspruch folgt aus §§ 286 I, 288 I BGB bzw. §§ 291, 288 I BGB, jeweils i. V. m. § 187 I BGB analog. Ausweislich der entsprechenden Postzustellungsurkunden (zu Bl. 5/6 d. A.) erfolgte die Klageerhebung (§ 286 I 2 BGB; entspricht dem Begriff der Rechtshängigkeit i. S. d. § 291 BGB) bzgl. der Beklagten zu 1) am 29.08.2014 und bzgl. der Beklagten zu 2) am 28.08.2014. Trotz § 425 BGB muss sich dabei die Beklagte zu 1) die bereits einen Tag früher bzgl. der Beklagten zu 2) erfolgte Klageerhebung zurechnen lassen. Denn gem. A.1.1.4 AKB (entspricht § 10 V AKB a. F.), d. h. der der Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) erteilten Regulierungsvollmacht, ergibt sich hier aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ i. S. d. § 425 I BGB.

II. Die Kostenentscheidungen beruhen jeweils auf § 92 I ZPO. Sie entsprechen dem jeweiligen teilweisen Obsiegen und teilweisen Unterliegen der Parteien, gemessen am jeweiligen Streitwert.

1.) In der ersten Instanz hat der Kläger letztlich zu 50% obsiegt, nämlich in Höhe von 5.131,50 € bei einem Streitwert in Höhe von 10.263,00 €.

2.) Die Berufung (der Beklagten) war zu 50% erfolgreich, nämlich in Höhe von 5.131,50 € bei einem Berufungsstreitwert in Höhe von 10.263,00 €.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1 ZPO, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 07. Okt. 2016 - 10 U 767/16

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
Oberlandesgericht München Endurteil, 07. Okt. 2016 - 10 U 767/16 zitiert 9 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 425 Wirkung anderer Tatsachen


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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2014 - VI ZR 253/13

bei uns veröffentlicht am 21.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 253/13 Verkündet am: 21. Januar 2014 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Sept. 2010 - VI ZR 263/09

bei uns veröffentlicht am 21.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 263/09 Verkündet am: 21. September 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Landgericht München I Endurteil, 12. Jan. 2016 - 17 O 14907/14

bei uns veröffentlicht am 12.01.2016

Tenor I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger € 10.263,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.08.2014 zu bezahlen. II. Die Beklagten werden samtverbindlich ver

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Tenor

I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger € 10.263,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.08.2014 zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger € 997,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.08.2014 zu bezahlen.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Der Kläger fuhr am ... mit seinem Fahrzeug, amtliches Kennzeichen ..., auf der ... stadteinwärts in östlicher Fahrtrichtung. Vor ihm fuhr das von der Beklagten zu 1 gesteuerte Fahrzeug, welches bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, mit dem Kennzeichen ... das die Fahrt verlangsamte und anhielt. Die Beklagte zu 1 wollte nach links in eine Grundstückseinfahrt einfahren. Der klägerische Fahrer fuhr links am Beklagtenfahrzeug vorbei, verriss sein Fahrzeug nach links und stieß gegen ein dort geparktes Fahrzeug. Zu einer Berührung zwischen dem Klägerfahrzeug und dem Beklagtenfahrzeug kam es nicht.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 1 habe am rechten Fahrbahnrand angehalten. Als der Zeuge ... im Begriff war, am stehenden Fahrzeug vorbeizusetzen, sei die Beklagte zu 1 plötzlich losgefahren ohne Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers und sei nach links gezogen. Der klägerische Fahrer sei nach links ausgewichen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, sei dabei aber gegen zwei dort geparkte Fahrzeuge gestoßen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte zu 1 habe durch ihr plötzliches Abbiegen den Unfall alleine verursacht und verschuldet. Der Kläger macht folgenden Schaden geltend:

Reparaturkosten, netto:

10.000,00

Sachverständigenkosten:

238,00

Auslagenpauschale:

25,00

Der Kläger beantragt:

  • 1.Die Beklagtenpartei zur Zahlung von € 10.263,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu verurteilen;

  • 2.Die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen an die Klagepartei eine 1,3 Geschäftsgebühr an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 997,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen:

Klageabweisung.

Die Beklagte zu 1 trägt vor, sie habe ca. 50 m vor der Hausnummer ... den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, ihre Geschwindigkeit verringert und sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet, da sie in der Hofeinfahrt von Hausnummer ... wenden wollte. Sie habe nach links und in den Rückspiegel geschaut, um auf den rückwärtigen Verkehr zu achten. Da sie das klägerische Fahrzeug herannahen sah, sei sie stehengeblieben. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h, obwohl eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h vorhanden war, gefahren, sei aufgrund dieser völlig überhöhten Geschwindigkeit ins Schleudern gekommen und deshalb ohne Berührung mit dem stehenden Beklagten-PKW gegen ein geparktes Fahrzeug gefahren.

Der Höhe nach bestreiten die Beklagten die geltend gemachten Reparaturkosten und die geltend gemachten Sachverständigenkosten.

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung des Zeugen ..., informatorische Anhörung der Beklagten zu 1 sowie eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ... und eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen zur Schadenshöhe.

Gründe

Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als begründet.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht die Kammer von einer alleinigen Haftung der Beklagtenseite aus.

Die Beklagte zu 1 wollte unstreitig nach links in eine Hofeinfahrt abbiegen, um dort zu wenden. Damit hat sie den Anscheinsbeweis gemäß § 9 StVO gegen sich. Diesen Anscheinsbeweis konnte die Beklagte zu 1 nicht entkräften. Die Aussagen der beiden vernommenen Unfallbeteiligten widersprechen sich. Während die Beklagte zu 1 angab, sie sei im Unfallzeitpunkt gestanden, es sei allerdings alles sehr schnell gegangen, hat der klägerische Fahrer als Zeuge ausgesagt, die Beklagte zu 1 sei plötzlich losgefahren, als er auf gleicher Höhe war. Sie habe dabei nicht geblinkt und sei vom rechten Fahrbahnrand angefahren.

Es kommt auch keine Mithaftung wegen überhöhter Geschwindigkeit in Betracht.

Der Sachverständige ..., der der Kammer seit langem als äußerst zuverlässiger und kompetenter Sachverständiger bekannt ist, hat in seinem ausführlichen und gründlichen Gutachten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, das Beklagtenfahrzeug habe sowohl eine Kollisions- wie auch eine Ausgangsgeschwindigkeit von lediglich ca. 30 km/h gehabt. Damit verbleibt es bei der vollen Haftung der Beklagten.

Zur Höhe hat der Sachverständige Nettoreparaturkosten in einer freien Werkstätte von € 10.856,04 errechnet. Auch insoweit folgt die Kammer dem überzeugenden Gutachten. Der geltend gemachte Anspruch in Höhe von € 10.000,00 ist daher in jedem Fall gerechtfertigt.

Die Sachverständigenkosten sind ebenfalls gerechtfertigt. Es ist zwar dem Beklagten zuzustimmen, dass über 200 Bilder eine große Anzahl sind. Jedoch ist insoweit auch auf die Gesamtkosten abzustellen. Mit € 238,00 ist jedenfalls der vom Kläger gewählte Weg einer Fotodokumentation wesentlich billiger als ein Sachverständigengutachten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 253/13 Verkündet am:
21. Januar 2014
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass
der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem
bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des
Kraftfahrzeuges steht.

b) Steht der Brand eines geparkten Kraftfahrzeuges in einem ursächlichen Zusammenhang
mit dessen Betriebseinrichtungen, ist der dadurch verursachte
Schaden an Rechtsgütern Dritter im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig der
Betriebsgefahr zuzurechnen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 27. November
2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung seines Fahrzeuges durch einen Brand des Fahrzeuges der Beklagten zu 2 geltend.
2
Am Nachmittag des 21. Januar 2012 stellte die Beklagte zu 2 ihren bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens ab. Der Kläger parkte seinen Pkw neben dem Fahrzeug der Beklagten zu 2. Am frühen Morgen des 23. Januar 2012 kurz nach 1.00 Uhr geriet der Pkw der Beklagten zu 2 aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand, wodurch auch der Pkw des Klägers beschädigt wurde. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner den ihm hierdurch entstandenen Schaden in Hö- he von 2.924,20 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 €, jeweils zuzüglich Zinsen, geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagten in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragen die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus § 7 Abs. 1 StVG vor. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr genüge der nahe zeitliche und örtliche Zusammenhang des Schadensereignisses mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges. Dieser sei hier gegeben und zwar unabhängig davon, ob der Brand durch einen Defekt im Bereich der Batterie oder durch einen sonstigen technischen Defekt ausgelöst worden sei. In jedem Fall habe die Selbstentzündung im Bereich einer Betriebseinrichtung des Fahrzeuges der Beklagten zu 2 stattgefunden. Welche genau dies gewesen sei, könne dahinstehen. Unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm greife § 7 Abs. 1 StVG erst dann nicht mehr ein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spiele. Hieraus ergebe sich jedoch nicht, dass der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kraftfahrzeuges durch den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt begrenzt werde. Spezifische von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren könnten ebenso aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeuges erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen, was auch nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges gelte.

II.

4
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bejaht.
5
1. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben , d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 5. Juli 1988 - VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, VersR 1989, 923, 924 f.; vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90, VersR 1991, 111, 112; vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656 Rn. 7; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 15). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1962 - VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315 ff.; vom 27. Januar 1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262 f.; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, aaO, 925; vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90, aaO; vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, aaO und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, aaO). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71, VersR 1972, 1074; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71, VersR 1973, 83; vom 10. Februar 2004 - VI ZR 218/03, VersR 2004, 529, 531; vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 9 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, aaO).
6
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers mit Recht der vom Fahrzeug der Beklagten zu 2 ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeuges verursacht worden ist. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand - etwa durch einen Kurzschluss der Batterie - unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Woll- te man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG - wie die Revision meint - auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen - im Gegensatz etwa zu einem vorsätzlichen Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeuges (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 11 f.) - durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Galke Zoll Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 05.06.2012 - 7 C 165/12 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.05.2013 - 9 S 319/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 263/09 Verkündet am:
21. September 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Unfall kann auch dann dem Betrieb eines anderen Kraftfahrzeugs zugerechnet
werden, wenn er durch eine - objektiv nicht erforderliche - Ausweichreaktion
im Zusammenhang mit einem Überholvorgang des anderen
Fahrzeugs ausgelöst worden ist. Nicht erforderlich ist, dass die von dem
Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also
subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit
darstellte, um eine Kollision zu vermeiden (im Anschluss an Senatsurteil
vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04).
BGH, Urteil vom 21. September 2010 - VI ZR 263/09 - OLG Brandenburg
LG Neuruppin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Juli 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Polizeibeamter, begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall, den er am 13. September 2004 auf dem Weg zu seiner Dienststelle erlitt und bei dem er schwer verletzt wurde. Er befuhr gegen 11:00 Uhr mit seinem Motorrad die Bundesstraße B 189 von K. in Richtung H.. Hinter dem Ortsausgang von K. ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt. Nach dem Durchfahren einer Linkskurve, hinter der ein zuvor bestehendes Überholverbot endet, wollte der Kläger zwei vor ihm fahrende Pkw überholen, nämlich den von dem Beklagten zu 2 gesteuerten Pkw VW Passat, dessen Halterin seine Ehefrau ist und der bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversichert ist, und den vor diesem fahrenden Pkw Skoda, der von dem Zeugen S. gesteuert wurde. Zu dem Unfall, dessen genauer Hergang streitig ist, kam es, weil auch der Beklagte zu 2 den Pkw Skoda überholen wollte und dazu ansetzte. Der Kläger nahm eine Notbremsung vor und leitete ein Ausweichmanöver ein. Dabei kam er nach links von der Fahrbahn ab und streifte einen Alleebaum. Danach schleuderten er und sein Motorrad zwischen dem VW Passat und dem Skoda nach rechts über die Straße und blieben dort neben der Fahrbahn liegen. Zu einer Berührung zwischen dem Motorrad des Klägers und einem der Pkw kam es nicht.
2
Das Landgericht hat der Klage teilweise auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 % stattgegeben. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht, dessen Urteil u.a. in NJW 2009, 2962 veröffentlicht ist, die Klage vollumfänglich abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der er hinsichtlich der Haftungsquote die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt und seinen Schmerzensgeldanspruch, soweit dieser den vom Landgericht zuerkannten Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens übersteigt, in eingeschränktem Umfang weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

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Das Berufungsgericht führt aus, einer Haftung der Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG stehe zwar nicht schon entgegen, dass es zu keiner Berührung zwischen dem von dem Kläger geführten Motorrad und dem Pkw Passat des Beklagten zu 2 gekommen sei, denn für das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" genüge es, dass sich eine von dem betreffenden Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht habe und diese den Schadensablauf mitgeprägt habe. Erforderlich sei aber, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Kraftfahrzeugs zu dem Unfallgeschehen beigetragen habe. In den Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung der betreffenden Kraftfahrzeuge gekommen sei, habe der Geschädigte den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des anderen Kraftfahrzeugs und dem Schadensereignis darzutun und zu beweisen; etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit gingen zu seinen Lasten. Im Streitfall stehe nicht fest, dass der Kläger sich durch die Fahrweise des Beklagten zu 2 zu einem Ausweichmanöver habe veranlasst sehen müssen, um eine Kollision mit dem zum Überholen ansetzenden Pkw des Beklagten zu 2 zu vermeiden. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich der Kläger zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 2 den Überholvorgang einleitete, noch in der rechten Fahrspur befand, sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände er sich durch die Einleitung des Überholvorgangs des Beklagten zu 2 zu der von ihm vorgenommenen Reaktion habe herausgefordert sehen dürfen. Erforderlich sei, dass das Verhalten des Beklagten zu 2 für den Kläger zu der Befürchtung hätte Anlass geben müssen, dass es ohne eine Reaktion durch ihn zu einer Kollision kommen werde. Nach den getroffenen Feststellungen stehe aber nicht fest, dass die vom Kläger vorgenommene Ausweichreaktion subjektiv vertretbar gewesen sei und insbesondere für ihn die einzige Möglichkeit dargestellt habe, einen Zusammenstoß mit dem Kraftfahrzeug des Beklagten zu 2 zu vermeiden, etwa weil ein rechtzeitiges Abbremsen nicht mehr möglich gewesen sei.

II.

4
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG und die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG auch dann eingreifen können, wenn es nicht zu einer Berührung zwischen den am Unfallgeschehen beteiligten Kraftfahrzeugen gekommen ist. Eine Haftung kommt grundsätzlich nämlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben (Senatsurteile vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71, VersR 1972, 1074, 1075; vom 4. Mai 1976 - VI ZR 193/74, VersR 1976, 927 und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641). Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einer Reaktion wie z.B. zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. In einem solchen Fall kann der für eine Haftung erforderliche Zurechnungszusammenhang je nach Lage des Falles zu bejahen sein.
6
2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Zurechnungszusammenhang im Streitfall deshalb fehle, weil der Kläger nicht subjektiv vertretbar eine Gefährdung durch das zum Überholen ansetzende Fahrzeug des Beklagten zu 2 habe annehmen dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann nämlich auch ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehroder Ausweichreaktion gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuge- rechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69, VersR 1971, 1060, 1061; vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, aaO und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993). Es ist auch nicht erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Bejahung des Zurechnungszusammenhangs insbesondere nicht darauf an, ob der Kläger einen Zusammenstoß mit dem Pkw des Beklagten zu 2 auf andere Weise, etwa durch Abbremsen, hätte verhindern können.
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3. Nach den getroffenen Feststellungen ist zwar ungeklärt geblieben, ob die Notbremsung und das Ausweichmanöver zu Beginn oder erst in der Schlussphase des von dem Beklagten zu 2 durchgeführten Überholvorgangs erfolgten. Das Motorrad hatte nach Berechnungen des Sachverständigen eine Ausgangsgeschwindigkeit zwischen 86 km/h und 124 km/h. Offen geblieben ist auch, ob sich der Kläger noch vollständig hinter dem Pkw des Beklagten zu 2 befand und das Überholmanöver noch nicht eingeleitet hatte, als der Beklagte zu 2 sich zum Überholen entschloss, oder ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt seinen Überholvorgang schon eingeleitet hatte. Nach den Darlegungen des Sachverständigen ist es möglich, dass sich der Kläger in diesem Moment noch in der rechten Fahrspur befand, gerade die Mittellinie überfuhr oder schon auf der linken Fahrspur war. Eine Haftung der Beklagten kann allein aufgrund des Umstands, dass der genaue Geschehensablauf insoweit ungeklärt ist, indessen nicht verneint werden.
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Die Revision weist nämlich zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht eine Ausweichreaktion des Klägers angenommen hat. Nach den getroffenen Feststellungen kann diese Ausweichreaktion nur dem Pkw des Beklagten zu 2 gegolten haben. Dass der Kläger einem anderen Hindernis als dem überholenden Pkw des Beklagten zu 2 ausgewichen sein könnte, macht die Revisionserwiderung nicht geltend. Ob die Ausweichreaktion notwendig oder aber wenigstens subjektiv vertretbar war, ist in Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung mit dem anderen Kraftfahrzeug gekommen ist, unerheblich. Die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG wären selbst dann erfüllt, wenn der Kläger (verkehrswidrig) versucht hätte, die beiden Pkw gleichzeitig, nämlich als diese während des Überholvorgangs auf gleicher Höhe waren, zu überholen. Anders wäre es nur, wenn das Überholmanöver des Beklagten zu 2 das des Klägers in keinerlei Weise beeinflusst hätte. Das ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen , wonach das Ausweichmanöver dem Pkw des Beklagten zu 2 galt, jedoch auszuschließen. War das Überholmanöver dieses Pkw der Anlass für das den Unfall auslösende Ausweichmanöver des Klägers, hat sich der Unfall "bei dem Betrieb" des von dem Beklagten zu 2 gesteuerten Kraftfahrzeugs ereignet.
9
4. Nach den getroffenen Feststellungen haben die Beklagten weder bewiesen , dass den Beklagten zu 2 kein Verschulden trifft (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG), noch, dass der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG war. Ebenso wenig ist festgestellt, dass der Kläger den Unfall verschuldet hat und sein Verschulden so schwer wiegt, dass die Betriebsgefahr des Pkw des Beklagten zu 2 demgegenüber völlig zurückzutreten hätte. Bei dieser Sachlage kann die vollumfängliche Klageabweisung keinen Bestand haben. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 19.11.2008 - 2 O 248/07 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 23.07.2009 - 12 U 263/08 -

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.

(2) Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem Verzug, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person eines Gesamtschuldners, von der Verjährung, deren Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung, von der Vereinigung der Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen Urteil.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.