Oberlandesgericht München Endurteil, 17. Nov. 2016 - 23 U 1928/16

bei uns veröffentlicht am17.11.2016
vorgehend
Landgericht München II, 8 O 3234/15, 25.02.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25.02.2016, Az. 8 O 3234/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung einer zugunsten der Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkung.

Mit notarieller Urkunde vom 28.02.2012 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages hinsichtlich eines Grundstückes der Gemarkung W., FlNr. 561/4 zu einem Kaufpreis von 1,8 Mio. € ab.

Ziff. III. 2 des Angebotes enthält neben den Grundvoraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises u. a. folgende Regelung: „Nach Eintritt der Grundvoraussetzungen ist der gesamte Kaufpreis innerhalb 14 Tagen, gerechnet ab dem Datum des vorgenannten Schreibens des Notars, zur Zahlung fällig.

Vereinbarungsgemäß muss der Kaufpreis innerhalb dieser Frist auf dem Konto des Verkäufers - auch Darlehenskonten - gutgeschrieben sein.“

Ziff. III. 3 des Angebotes enthält folgende Regelung:

„Der Käufer bevollmächtigt den Verkäufer, die zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung im Grundbuch zur Löschung zu bewilligen. Von dieser Vollmacht kann nur von dem beurkundenden Notar oder dessen amtlich bestelltem Vertreter oder Nachfolger im Amt Gebrauch gemacht werden.

Der vorstehend genannte Notar wird unwiderruflich angewiesen, eine derartige Löschungsbewilligung nur zu beglaubigen oder zu beurkunden und dem Grundbuchamt zum Vollzug vorzulegen, wenn

1. der Kaufpreis nach Mitteilung des Verkäufers nicht binnen vier Wochen nach Eintritt der Fälligkeit bezahlt ist und

2. dem Käufer die Löschungsabsicht vom beurkundenden Notar durch eingeschriebenen Brief an die in dieser Urkunde genannte Adresse mit einer weiteren Frist von zwei Wochen angezeigt wurde und

3. der Käufer der Löschung mit Gründen nicht widersprochen hat.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Urkunde wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Am 08.03.2012 wurde die Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen.

Mit Nachtrag vom 28.11.2012 wurde die Annahmefrist für das Angebot bis zum 30.06.2013 und mit Nachtrag vom 12.06.2013 bis zum 30.04.2014 verlängert. Mit notarieller Urkunde vom 29.04.2014 erklärte die Beklagte die Annahme des Angebots der Klägerin samt Nachträgen. In Ziff. II. 1 der notariellen Urkunde vereinbarten die Parteien, dass der Kaufpreis ab dem 15.05.2014 mit 2,5% p.a. bis zur Zahlung bzw. bis zur Erklärung des Rücktrittsrechts zu verzinsen ist. In Ziff. II. 2 wurde der Beklagten folgendes Rücktrittsrecht eingeräumt: „Sollte die bereits beantragte Baugenehmigung für den Vertragsgegenstand vollzugsfähig nicht bis spätestens 15.10.2014 erteilt worden sein, ist der Käufer berechtigt, aber nicht verpflichtet, vom schuldrechtlichen Teil dieses Kaufvertrages zurückzutreten. Das Rücktrittsrecht erlischt vorher, wenn der Rücktrittsberechtigte ausdrücklich darauf verzichtet oder der Rücktrittsgrund fortgefallen ist, spätestens mit Ablauf des 31.10.2014.“ In Ziff. II. 3 wurde geregelt, dass weitere Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises das Erlöschen des in Ziff. II. 2 eingeräumten Rücktrittsrechts ist. Ferner erklärten die Parteien in Ziff. V. die Auflassung. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Urkunde wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.

Die Beklagte betrieb seit Anfang Januar 2013 ein Bebauungsplanverfahren hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks.

Mit Schreiben vom 03.06.2014 teilte der beurkundende Notar der Beklagten mit, die Grundvoraussetzungen zur Bezahlung des Kaufpreises seien gegeben, vorausgesetzt das Rücktrittsrecht sei erloschen.

Die Beklagte übte das ihr bis 31.10.2014 eingeräumte vertragliche Rücktrittsrecht nicht aus. Am 04.11.2014 kam es in den Geschäftsräumen der Klägerin zu einem Gespräch zwischen der jetzigen Geschäftsführerin der Klägerin, deren Ehemann und dem Geschäftsführer der Beklagten, dessen Inhalt zwischen den Beteiligten streitig ist.

Mit Schreiben vom 06.11.2014 (Anlage K 9) teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit:

„Wir waren irrtümlicher Weise der Überzeugung, dass die Frist zum Rücktritt auf den 30.11.2014 vereinbart war. Somit ist also die Rechtskraft des Vertrages eingetreten, trotzdem wir im laufenden Be-Planverfahren noch keine Plansicherheit haben. Es ist gemäß Aussage des Bürgermeisters jedoch davon auszugehen, dass der noch fehlende Gemeinderatsbeschluss in der Sitzung 24.11.2014 gefasst wird.

Um letztlich Gelegenheit zu haben, das Verfahren weiter zu betreiben und durch Beschluss die Plansicherheit zu erlangen, haben Sie entgegenkommender Weise zugestimmt, die Abwicklung der Kaufpreiszahlung bis dahin auszusetzen, dies unter der Voraussetzung, dass der Kaufpreis gemäß Vereinbarung verzinst wird und entgegen ihrem Schreiben vom 22.08.2014 (Email) der von ihnen angebotene Nachlass von € 50.000 nicht mehr gewährt wird.

Wir möchten Sie bitten, die uns gemachte und hier niedergeschriebene Zusage nochmals durch Unterschrift zu bestätigen.“ Der damalige Geschäftsführer der Klägerin - der Zeuge S. - unterzeichnete dieses Schreiben unter der Überschrift „Inhalt wird bestätigt“.

Am 27.11.2014 erfolgte eine ergänzende Beschlussfassung der Gemeinde zur Abwägung der Einwände aus der Bürger- und Behördenbeteiligung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.03.2015 (Anlage K 18) wurde die Beklagte aufgefordert, den Kaufpreis unverzüglich, spätestens jedoch bis 15.04.2015 zu bezahlen. Die Beklagte teilte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.04.2015 (Anlage K 8) mit, dass entgegen der Auffassung der Klägerin der vereinbarte Kaufpreis nicht zur Zahlung fällig sei. Mit Schreiben vom 06.05.2015 (Anlage K 6) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte widersprach mit E-Mail vom 26.05.2015 (Anlage K 10) gegenüber dem beurkundenden Notar der Löschung der Auflassungsvormerkung.

Im April 2015 reichte die Beklagte einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ein; am 11.05.2015 verweigerte die Gemeinde das für die Genehmigung erforderliche Einvernehmen. Mit Schreiben vom 16.07.2015 teilte das Landratsamt Fürstenfeldbruck der Beklagten mit, dass das Vorhaben der Beklagten von den Festsetzungen des aktuellen Bebauungsplanentwurfes abweiche.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe nicht um Stundung bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes gebeten. Der Klägerin und der Beklagten sei bekannt gewesen, dass am 24.11.2014 allenfalls die zweite Auslegung des Bebauungsplans beschlossen werde. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ausdrücklich erklärt, diesen Beschlussstand mit Plansicherheit gleichzusetzen. Die Klägerin habe der Beklagten nur eine kurzzeitige Stundung bis zum 24.11.2014 gewährt.

Die Klägerin ist der Ansicht, eine über den 24.11.2014 hinausgehende Stundung sei zum einen nicht vereinbart worden, zudem fehle es an der erforderlichen notariellen Beurkundung der Stundungsvereinbarung.

Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, die nachstehende Erklärung in der Form des § 29 Abs. 1 GBO gegenüber dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck abzugeben:

Der Löschung der für die Bernd Sch. Baubetreuungs GmbH zulasten des Grundstückes FlNr. 561/4 der Gemarkung W., vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck für W., Blatt 1184 eingetragenen Auflassungsvormerkung, wird zugestimmt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und unter der innerprozessualen Bedingung des Erfolges des Klageabweisungsantrages Widerklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag wirksam ist und nicht durch den von der Klägerin mit Erklärung vom 06.05.2015 erklärten Rücktritt aufgelöst wurde.

Die Beklagte trägt vor, der Geschäftsführer der Beklagten habe im Gespräch vom 04.11.2014 um Stundung des Kaufpreises bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes gegen Verzinsung des Kaufpreises in Höhe von 2,5% und Verzicht auf den von der Klägerin angebotenen Nachlass in Höhe von 50.000 € gebeten. Die Klägerin sei mit diesem Vorschlag einverstanden gewesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine notarielle Beurkundung der Stundungsvereinbarung sei wegen der bereits erklärten Auflassung nicht erforderlich gewesen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei sowohl gemäß Ziff. III. 3 des Angebotes vom 28.02.2012 als auch gemäß § 323 Abs. 1 i. V. m. § 346 Abs. 1 BGB zur Löschung der Auflassungsvormerkung verpflichtet. Die Kaufpreiszahlung sei spätestens seit 01.12.2014 fällig. Die Beklagte sei beweispflichtig geblieben, soweit sie behauptet habe, am 04.11.2014 sei eine Stundung bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes vereinbart worden. Eine Parteieinvernahme gemäß § 448 ZPO käme nicht in Betracht. Das Schreiben vom 06.11.2014 sei nicht in der von der Beklagten gewünschten Weise auszulegen. Zudem sei eine Stundung bis zum Eintritt der Planreife nach § 33 BauGB formunwirksam.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Entgegen der Ansicht des Landgerichts lägen die Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme gemäß § 448 ZPO vor. Nach der Auflassungserklärung sei eine formlose Stundungsvereinbarung möglich; die vom Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf habe einen Fall betroffen, in dem Regelungen hinsichtlich des Eigentumsübergangs erfolgt seien.

Die Beklagte beantragt daher,

das am 25.02.2016 zu Az. 8 O 3234/15 des Landgerichts München II verkündete Endurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Unter der innerprozessualen Bedingung des Erfolges des Klageabweisungsantrages beantragt die Beklagte festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag wirksam ist und nicht durch den von der Klägerin mit Erklärung vom 06.05.2015 erklärten Rücktritt aufgelöst wurde.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vorliegen, da die Beklagte nicht „einigen Beweis“ für die Richtigkeit ihres Vortrages erbracht habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Herbert S. und hat den Geschäftsführer der Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2016 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1. Die internationale Zuständigkeit ist gegeben. Dahingestellt bleiben kann, ob ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 24 Nr. 1 oder 3 EuGVVO vorliegt oder ob der Gerichtsstand aufgrund rügeloser Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 EuGVVO begründet wurde.

2. Die Berufung ist unbegründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB hat.

2.1. Vorliegend ist deutsches Recht anwendbar. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Dies ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Indiz für eine nachträgliche Rechtswahl ist das Verhalten der Parteien im Prozess. So kann in der ausschließlichen Berufung auf deutsche Rechtsvorschriften die stillschweigende Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts gesehen werden (Palandt-Thorn, 75. Aufl., Rom I, Art. 3 Rdnr. 8). Die Parteien haben sich ausschließlich auf die Anwendung des BGB berufen, so dass von der Wahl deutschen Rechts auszugehen ist. Selbst wenn eine Rechtswahl nicht erfolgt wäre, wäre deutsches Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 c Rom I-VO anwendbar.

2.2. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 894 BGB die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung verlangen, da das Grundbuch aufgrund des Erlöschens der Auflassungsvormerkung unrichtig ist.

2.2.1. Die Vormerkung erlischt, wenn der gesicherte Anspruch durch Rücktritt vom anspruchsbegründenden Vertrag erlischt (BGH, Urteil vom 22.01.2009, IX ZR 66/07, juris Tz. 12; Palandt-Bassenge, a. a. O., § 886 Rdnr. 4).

2.2.2. Die Klägerin ist gemäß § 323 Abs. 1 BGB mit Schreiben vom 06.05.2015 (Anlage K 6) wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.

2.2.2.1. Die Kaufpreisforderung der Klägerin war fällig.

2.2.2.1.1. Unstreitig lagen die Grundvoraussetzungen der Fälligkeit gemäß Ziff. II. 2. der Anlage 1 des notariellen Angebots vom 28.02.2012 vor. Dies hat auch der beurkundende Notar mit Schreiben vom 03.06.2014 bescheinigt (Anlage K 5). Gemäß Ziff. II.3. des Nachtrags vom 29.04.2014 ist weitere Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises das Erlöschen des Rücktrittsrechtes, das der Beklagten in dieser Urkunde eingeräumt wurde. Dieses Rücktrittsrecht ist unstreitig zum 31.10.2014 erloschen. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises war damit ab 01.11.2014 fällig.

2.2.2.1.2. Die Klägerin hat die Zahlung unstreitig bis zur Sitzung des Gemeinderates am 24.11.2014 gestundet. Die Beklagte konnte den ihr obliegenden Nachweis, dass sie sich mit der Klägerin auf eine darüberhinausgehende Stundung geeinigt hat, nicht führen.

2.2.2.1.2.1. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 06.11.2014 (Anlage K 9), dessen Inhalt der Zeuge S. mit seiner Unterschrift bestätigt hat, ergibt sich keine Stundung bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes oder Vorliegen einer „Plansicherheit“. Die Beklagte führt in diesem Schreiben aus, um Gelegenheit zu haben, das Verfahren weiterzubetreiben und durch Beschluss die Plansicherheit zu erlangen, habe die Klägerin zugestimmt, die Abwicklung der Kaufpreiszahlung „bis dahin auszusetzen“. Aus der Formulierung „bis dahin auszusetzen“ ergibt sich zwar, dass die Parteien ein Hinausschieben der Fälligkeit vereinbart haben. Die Klägerin musste den Wortlaut des Schreibens jedoch so verstehen, dass eine Stundung nur bis zur Sitzung des Gemeinderates am 24.11.2014 erfolgt. Die Beklagte legt in dem Schreiben nämlich dar, dass Rechtskraft des Vertrages eingetreten ist, obwohl im laufenden Bebauungsplanverfahren noch keine Plansicherheit bestehe. Ferner führt sie aus, es sei gemäß Aussage des Bürgermeisters davon auszugehen, dass der noch fehlende Gemeinderatsbeschluss in der Sitzung vom 24.11.2014 gefasst wird. Im unmittelbar folgenden Satz legt die Beklagte dar, die Klägerin habe zugestimmt, die Abwicklung der Kaufpreiszahlung „bis dahin auszusetzen“. Aus dem Wortlaut ergibt sich daher eindeutig eine Stundung lediglich bis zur Sitzung des Gemeinderates, nicht jedoch bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans, des Vorliegens der formellen Planreife nach § 33 BauGB oder einer sonstigen „Plansicherheit“.

Der eindeutige Wortlaut ist dann nicht maßgeblich, wenn eine eindeutige Interessenlage für eine andere Auslegung der Vereinbarung spricht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Parteien gegenläufige Interessen haben. Die Beklagte ist daran interessiert, den Kaufpreis nur dann zu bezahlen, wenn sie die Sicherheit hat, auf dem Grundstück das von ihr beabsichtigte Bauvorhaben umsetzen zu können. Das Interesse der Klägerin ist hingegen darauf gerichtet, den Kaufpreis bald zu erhalten. Zu berücksichtigen ist ferner, dass eine Stundung bis zu einem ungewissen Zeitpunkt dem bisherigen Verhalten der Klägerin widersprechen würde. So haben die Parteien zwar zweimal die Frist zur Annahme des Angebots der Klägerin verlängert und in der Urkunde vom 29.04.2014 ein Rücktrittsrecht zugunsten der Beklagten vereinbart. Die Verlängerung der Annahmefrist betrug sieben Monate bzw. zehn Monate und das Rücktrittsrecht wurde für einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt. Dies belegt, dass die Klägerin der Beklagten aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Bebauungsplanverfahrens zwar mehrmals entgegengekommen ist, sie den Abschluss des Vertrages und die Erfüllung der daraus resultierenden Pflichten aber nicht auf unabsehbare Zeit aufschieben wollte.

2.2.2.1.2.2. Die Beklagte konnte auch nicht nachweisen, dass in dem Gespräch am 04.11.2014 eine über den 24.11.2014 hinausgehende Stundung vereinbart wurde. Der Senat hat den Geschäftsführer der Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört. Zwar sprach aufgrund des bisherigen Verhandlungsinhalts nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die von der Beklagten zu beweisende Tatsache. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern jedoch, dass eine Partei, die für ein Vier-Augen-Gespräch - anders als die Gegenpartei - keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen; zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO persönlich anzuhören (BGH, Urteil vom 08.07.2010, III ZR 249/09, juris Tz. 16). Dies gilt auch wenn es sich um ein Sechs-Augen-Gespräch handelt, bei dem der allein zur Verfügung stehende Zeuge als Ehemann im Lager der Prozessgegnerin steht (BGH, Urteil vom 14.05.2013, VI ZR 325/11, juris Tz. 10).

Der Geschäftsführer der Beklagten konnte bei seiner Anhörung nicht bestätigen, dass die Klägerin der Beklagten eine über den 24.11.2014 hinausgehende Stundung gewährt hat. Er hat ausgeführt, bei dem Gespräch am 04.11.2014 sei es darum gegangen, dass zwar Rechtskraft des Kaufvertrages eingetreten sei, nicht jedoch Plansicherheit. Er habe eine ausreichende Plansicherheit darin gesehen, dass die Beschlusslage die Vermutung zulasse, man könne es riskieren. Mit der Sparkasse habe er darüber gesprochen, dass im Fall der Planreife eine Finanzierung riskiert werden könne. Er und Herr und Frau S. seien davon ausgegangen, dass sie mit der Gemeinde noch das Eine oder Andere erleben würden. Am 04.11.2014 sei mit der Familie S. besprochen worden, dass das Vorhaben finanziert werden könne, sobald Plansicherheit/Planreife bestehe. Alle seien optimistisch gewesen, es in den nächsten 2 - 3 Monaten hinzubekommen. Herr S. habe gesagt, man könne jetzt damit rechnen, dass in der Gemeinderatssitzung vom 24.11.2014 Entscheidungen getroffen werden. Er habe in der Überzeugung gehandelt, dass Herr S. in „Plansicherheit“ das Gleiche gesehen habe wie er, für ihn heiße Plansicherheit Planreife, d. h. dass er auf jeden Fall eine Baugenehmigung erhalte. Herr S. und er hätten am 04.11.2014 jeder für sich den Begriff Plansicherheit und Planreife benutzt. Auch auf mehrmalige Frage des Vorsitzenden, ob er und Herr und Frau S. darüber gesprochen haben, was konkret unter „Plansicherheit/Planreife“ zu verstehen sei, hat der Geschäftsführer der Beklagten keine Angaben gemacht. Auch auf die Frage des Klägervertreters, ob eine Definition der Begriffe Plansicherheit und Planreife gesucht und gefunden wurde, gab der Geschäftsführer der Beklagten lediglich an, dass über Plansicherheit um Planreife gesprochen wurde und dies dann entsprechend schriftlich niedergelegt wurde. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte somit nicht angeben, was die Geschäftsführerin der Klägerin sowie der Zeuge S. unter den Begriffen „Plansicherheit“ und „Planreife“ verstanden haben. Aus den Angaben des Geschäftsführers der Beklagten ergibt sich damit nicht, dass am 04.11.2014 eine über den Tag der Gemeinderatssitzung vom 24.11.2014 hinausgehende Stundung vereinbart wurde.

Zudem hat der Zeuge S. - der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin - glaubhaft die Angaben der Klägerin, es sei lediglich eine Stundung bis zu der Sitzung des Gemeinderats am 24.11.2014 gewährt worden, bestätigt. Der Zeuge hat angegeben, der Geschäftsführer der Beklagten habe am 04.11.2014 um eine Verlängerung der Zahlungsfrist gebeten. Er und seine Ehefrau hätten dies zunächst abgelehnt, weil sie der Meinung waren, lange genug gewartet zu haben. Herr Sch. habe Tränen in den Augen gehabt, als er eine Verlängerung der Zahlungsfrist abgelehnt habe. Daraufhin sei er weich geworden und habe gesagt, ein paar Tage solle er noch bekommen. Dann sei der Novembertag ins Gespräch gekommen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe dann darum gebeten, wenigstens bis Ende November, den 14.11.2014 oder 24.11.2014 zu verlängern, weil zu diesem Zeitpunkt die Gemeinderatssitzung sei. Er habe gewusst, dass in nächster Zeit wieder eine Gemeinderatssitzung sei und er habe zu Herrn Sch. gesagt, wir warten noch bis zum Termin der Gemeinderatssitzung. Der Zeuge hat ausgeführt, er könne sich nicht erinnern, dass über Plansicherheit oder Planreife gesprochen worden sei. Es sei über die Gemeinderatssitzung gesprochen worden. Es sei nie darüber geredet worden, dass der Geschäftsführer der Beklagten Sicherheit brauche, bis ihm die Baugenehmigung erteilt werde. Der Zeuge S. gab ferner an, er und seine Ehefrau hätten damit gerechnet, nach der Gemeinderatssitzung das Geld zu bekommen. Als die Überweisung nicht eingetroffen sei, hätten sie mit Herrn Sch. telefoniert, der angegeben habe, er könne die Zahlung erst veranlassen, wenn sein Bankbetreuer aus dem Urlaub zurück sei. Nachdem auch danach nichts passiert sei, hätten sie noch einmal nachgefragt. Er und seine Ehefrau seien verzweifelt gewesen, weil sich nichts getan habe. Schließlich seien sie zum Rechtsanwalt gegangen. Sie hätten Herrn Sch. gesagt, dass die Finanzierung des Grundstücks an den Schweizer Franken gebunden sei und sie das Geld dringend brauchen, um das Darlehen zurückzuzahlen.

Der Zeuge ist glaubwürdig. Er hat seine Aussage ruhig, überlegt und detailliert gemacht und war ersichtlich bemüht, den Sachverhalt zutreffend wiederzugeben. Allein die Tatsache, dass der Zeuge der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin ist, er zum Zeitpunkt des Gesprächs am 04.11.2014 Geschäftsführer der Klägerin war und er ein zumindest mittelbares Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, macht den Zeugen nicht unglaubwürdig.

Die Aussage des Zeugen ist auch glaubhaft. Er hat angegeben, seine Ehefrau und er hätten mehrmals bei Herrn Sch. nachgefragt, als nach dem Termin der Gemeinderatssitzung die Überweisung nicht eingetroffen sei. Sie hätten das Geld dringend benötigt, um das Darlehen zurückzuzahlen, da die Finanzierung des Grundstücks an den Schweizer Franken gebunden war. Auf die Frage des Beklagtenvertreters, weshalb er vor der Rodung der Bäume durch die Beklagte nicht darauf bestanden habe, dass zunächst der Kaufpreis gezahlt werde, gab der Zeuge an, diese Frage sei berechtigt, das hätte er tun sollen.

2.2.2.1.3. Da die Beklagte nicht nachweisen konnte, eine langfristige Stundungsvereinbarung mit der Klägerin geschlossen zu haben, kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Vereinbarung mangels notarieller Beurkundung formunwirksam gewesen wäre.

2.2.2.2. Eine Fristsetzung war nicht gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich; das Schreiben der Beklagten vom 15.05.2014 stellt keine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung dar, da sich die Beklagte darin lediglich auf die mangelnde Fälligkeit der Kaufpreisforderung beruft. Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte aber mit Schreiben vom 20.03.2015 (Anlage K 18) zur Zahlung des Kaufpreises aufgefordert und eine Frist für die Zahlung bis 15.04.2015 gesetzt, so dass die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB vorliegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 S. 1 und 2, § 711 ZPO (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Vor § 708 Rdnr. 1; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 894 Rdnr. 4).

4. Die Revision war nicht zuzulassen, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 17. Nov. 2016 - 23 U 1928/16

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2009 - IX ZR 66/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 66/07 Verkündet am: 22. Januar 2009 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2,

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - III ZR 249/09

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 249/09 Verkündet am: 8. Juli 2010 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 195, 199 A

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(1) Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.

(2) (weggefallen)

(3) Erklärungen oder Ersuchen einer Behörde, auf Grund deren eine Eintragung vorgenommen werden soll, sind zu unterschreiben und mit Siegel oder Stempel zu versehen. Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) In Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ist ein Vorhaben zulässig, wenn

1.
die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 und § 4a Absatz 2 bis 4 durchgeführt worden ist,
2.
anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht,
3.
der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt und
4.
die Erschließung gesichert ist.

(2) In Fällen des § 4a Absatz 3 Satz 1 kann vor der erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ein Vorhaben zugelassen werden, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplanentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt und die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.

(3) Wird ein Verfahren nach § 13 oder § 13a durchgeführt, kann ein Vorhaben vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zugelassen werden, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange ist vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit hatten.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 66/07
Verkündet am:
22. Januar 2009
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tritt der durch eine Vormerkung gesicherte Käufer nach Zahlung des Kaufpreises
wegen eines Rechtsmangels von dem Grundstückskaufvertrag zurück und
wird danach ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet
, kann der Insolvenzverwalter von dem Käufer Bewilligung der Löschung der
Vormerkung verlangen, ohne an ihn den Kaufpreis aus der Masse erstatten zu
müssen.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - IX ZR 66/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 1. März 2007 und das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 1. September 2006 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Zustimmung zur Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch von V. , Blatt …… unter lfd. Nr. 5 und Blatt …. unter lfd. Nr. 4, eingetragenen Auflassungsvormerkung zu erteilen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt. Der Nebenintervenient trägt seine Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juli 2005 über das Vermögen der W. GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die Schuldnerin erwarb durch den von dem Nebenintervenienten notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Februar 2004 die im Urteilstenor bezeichneten Grundstücke von dem Verkäufer R. F. Zugleich verpflichtete sich die Schuldnerin , an den Grundstücken zugunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks eine Dienstbarkeit und eine Reallast zu bestellen. Die beklagten Eheleute schlossen am 10. Juni 2004 mit der Schuldnerin einen ebenfalls von dem Nebenintervenienten beurkundeten Vertrag über den Kauf dieser Grundstücke. Darin sicherte die Schuldnerin den Beklagten zu, ihnen die Grundstücke frei von Belastungen in Abteilungen II und III des Grundbuchs zu übertragen. Den Kaufpreis von 165.000 € entrichteten die Beklagten auf ein Notaranderkonto des Nebenintervenienten. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Schuldnerin mangels Kaufpreiszahlung noch nicht im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Zugunsten der Beklagten wurde vereinbarungsgemäß am 13. Juni 2004 für das jeweilige Grundstück eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Der Nebenintervenient ließ die Auflassungsvormerkungen am 28. Juli 2004 löschen, um rangwahrend die Eintragung der Dienstbarkeit und der Reallast vornehmen zu können. Unter Einsatz der von den Beklagten auf das Anderkonto überwiesenen Mittel bewirkte der Nebenintervenient am 3. August 2004 die Tilgung der noch offenen Kaufpreisforderung des Vorverkäufers gegen die Schuldnerin, die infolgedessen am 13. Oktober 2004 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Auf Veranlassung des Nebenintervenienten wurden am 19. Oktober 2004 erneut Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beklagten eingetragen.
3
Die Beklagten traten am 23. Februar 2005 wegen der fortbestehenden abredewidrigen Grundstücksbelastungen von dem Kaufvertrag mit der Schuldnerin zurück. Danach verkaufte diese das Grundstück an die T. GmbH. Zu einem Vollzug dieses Kaufvertrages kam es wegen des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens nicht mehr.
4
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkungen. Das Landgericht hat die Beklagten wegen des von ihnen geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts Zug um Zug gegen Zahlung von 165.000 € zur Abgabe der Erklärung verurteilt. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat - teils unter Bezugnahme auf die Darlegungen des Erstgerichts - ausgeführt: Zwar sei das den Beklagten wegen ihrer Kaufpreiszahlung aus § 273 BGB zustehende Zurückbehaltungsrecht nicht insolvenzfest und könne dem nach § 894 BGB begründeten Klaganspruch nicht entgegengehalten werden. Ein insolvenzbeständiges Zurückbehaltungsrecht folge jedoch aus der analogen Anwendung der §§ 103, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Nach der herrschenden Auffassung in der Literatur sei § 103 InsO auf beiderseits noch nicht voll erfüllte Rückabwicklungsschuldverhältnisse entsprechend anzu- wenden. Durch die Geltendmachung eines Folgeanspruchs aus dem ehemaligen Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und den Beklagten habe der Kläger erkennen lassen, dass er die Erfüllung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses verlange. Der entscheidende Unterschied zu den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fallgestaltungen, in denen dieser die Insolvenzbeständigkeit eines Zurückbehaltungsrechts verneint habe (BGHZ 149, 326 ff; 150, 138 ff; 161, 241 ff), liege hier darin, dass der Vertrag zunächst wirksam und nicht von Anfang an nichtig gewesen sei.

II.


7
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Im Ausgangspunkt zutreffend haben die Vordergerichte angenommen, dass ein im Blick auf die Kaufpreiszahlung aus § 273 BGB hergeleitetes Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem - zumindest in analoger Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 1994 - V ZR 116/93, WM 1995, 159) - auf § 894 BGB beruhenden Begehren des Klägers nicht insolvenzbeständig ist, weil es ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer rein persönlichen Forderung darstellt, dessen Zulassung mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unvereinbar wäre (BGHZ 150, 138, 145; BGH, Urt. v. 23. Mai 2003 - V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406, 1407).
9
2. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ergebe sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 103 Abs. 1 InsO. Auch in vorliegender Sache kann der Senat die Frage offenlassen (vgl. BGHZ 150, 138, 148; Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2430 f mit jeweils bejahenden Nachweisen), ob § 103 InsO auf die Geltendmachung von Ansprüchen bei Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages überhaupt anwendbar ist (in diesem Sinne außerdem: OLG Stuttgart ZInsO 2004, 1087, 1088 f; Jaeger/Henckel, InsO § 55 Rn. 45; HK-InsO/Lohmann, 5. Aufl. § 55 Rn. 16; Wegener, Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unter dem Einfluss des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, 2007, Rn. 686 ff; Kepplinger, Das Synallagma in der Insolvenz, 2000, S. 336 f) und der Kläger solche - tatsächlich in keinem Schriftsatz auch nur andeutungsweise erwähnte - Rechte neben dem Anspruch aus § 894 BGB verfolgt hat (vgl. Marotzke LM § 273 BGB Nr. 62 Bl. 6). Jedenfalls wäre selbst bei Geltendmachung auch des vertraglichen Rückgewähranspruchs durch den Kläger ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht geeignet, den dinglichen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) zu beschränken, wie der Senat für den vergleichbaren Fall der Bestellung einer Vormerkung auf der Grundlage eines formnichtigen Kaufvertrages entschieden hat (BGHZ 150, 138, 148). Überdies fehlt es als Voraussetzung für die Anwendung des § 103 InsO an einer Leistungsbewirkung seitens der Schuldnerin an die Beklagten; denn in Ermangelung einer Leistung ist auch nichts rückabzuwickeln. Selbst wenn von einer Leistung der Schuldnerin auszugehen wäre, stünde sie mit der Kaufpreiszahlung durch die Beklagten nicht in dem zu fordernden synallagmatischen Austauschverhältnis.
10
a) Der Insolvenzverwalter wählt mit der Ausübung eines Rücktrittsrechts nicht schon die Erfüllung des Rückabwicklungsverhältnisses. Vielmehr muss hinzutreten, dass er als Folge der Umgestaltung des Vertragsverhältnisses eine an den Vertragspartner bewirkte Leistung zurückverlangt (Jaeger/Henckel, aaO § 55 Rn. 45). Erklärt - wie im Streitfall - der Vertragsgegner den Rücktritt, kann eine Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter ebenfalls nur angenommen werden, wenn er die Rückgewähr der an den Vertragsgegner erbrachten Leistung beansprucht. Bei der gebotenen insolvenzrechtlichen Betrachtungsweise begehrt der Kläger mit dem Grundbuchberichtigungsanspruch nicht eine von der Schuldnerin im Rahmen des Grundstückskaufvertrages erbrachte, im Vermögen der Beklagten dauerhaft einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert verkörpernde Leistung. Vielmehr zieht der Kläger mit seinem Klageantrag lediglich die Konsequenzen aus der gesetzlich festgelegten Rechtslage, dass infolge des von den Beklagten erklärten Rücktritts ihr Eigentumsübertragungsanspruch und damit die Vormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel entfallen sind.
11
Einer aa) Vormerkung kommt selbst bei Bestehen des Erwerbsanspruchs für sich genommen kein wirtschaftlicher Wert zu. Ihr wohnt keine Leistung des Verkäufers inne, die sich nach grundbuchmäßigem Vollzug im Vermögen des Käufers wiederfindet. Die Bewilligung der Vormerkung belastet das Vermögen des Verkäufers nicht. Die Belastung liegt vielmehr allein in der Übernahme der Auflassungsverpflichtung. Spiegelbildlich vermehrt allein der Auflassungsanspruch und nicht die auf dessen Sicherung beschränkte Vormerkung das Vermögen des Käufers. Die Vormerkung ist lediglich eine "Durchgangserscheinung" auf dem Weg vom schuldrechtlichen Anspruch zur Begründung des dinglichen Rechts und erlischt, sobald es zur Begründung des dinglichen Rechts kommt und der geschützte Anspruch durch Erfüllung untergeht. Sie ist als bloßes Sicherungsrecht keine Vorstufe der Auflassung und darum von dem zu erfüllenden Anspruch zu unterscheiden (BGHZ 34, 254, 258). Eine Vormerkung bewirkt lediglich die Sicherung der Erfüllbarkeit eines Anspruchs auf eine Verfügung über ein dingliches Recht, ohne die Erfüllung in irgendeiner Weise einzuleiten (Assmann, Die Vormerkung, 1998, S. 298). Sie zwingt den Verkäufer weder zur Auflassung, noch nimmt sie diesem irgendwelche Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruch des Käufers auf Auflassung (Ass- mann, aaO S. 315). Über die Sicherung der Erfüllbarkeit des Anspruchs auf das dingliche Recht hinausgehende Rechte verleiht die Vormerkung nicht (Assmann , aaO S. 316). Folgerichtig ist die Vormerkung nicht als selbständiger wirtschaftlicher Wert von dem Auflassungsanspruch getrennt übertragbar, sondern geht mit der Abtretung des durch sie gesicherten Auflassungsanspruchs gemäß § 401 BGB auf den Zessionar über (BGHZ 25, 16, 23; Staudinger/Gursky, BGB (2008) § 883 Rn. 344 m.w.N.).
12
bb) Nach dem Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag mit der Schuldnerin ist die zu ihren Gunsten bewilligte Vormerkung erloschen, weil die durch sie gesicherte Forderung nicht mehr existiert (BGHZ 143, 175, 179 m.w.N.; 150, 138, 142). Mit dem Untergang des Auflassungsanspruchs wird das Grundbuch wegen der Akzessorietät der eingetragenen Vormerkung "unrichtig" im Sinne des § 894 BGB (BGHZ 60, 46, 50). Eine nichtige Vormerkung hat keinerlei dingliche Wirkung (BGHZ 150, 138, 145). Die Beklagten sind damit nur noch Buchberechtigte einer keinen Rechtsanspruch verkörpernden Vormerkung, die nicht mehr der Sicherung eines Erwerbsanspruchs dient und allenfalls eine formale Rechtsposition ausdrückt. Der inhaltsleeren Vormerkung kommt im Blick auf die formellen Bestimmungen des Grundbuchrechts ein reiner "Lästigkeitswert" zu: Eine zu Unrecht noch eingetragene, durch einen Rücktritt des Berechtigten vom Kaufvertrag erloschene Vormerkung kann grundsätzlich gemäß § 22 Abs. 1 GBO auch ohne Bewilligung des als vormerkungsberechtigt Eingetragenen gelöscht werden (vgl. Assmann, aaO S. 385). Dazu müsste der Nachweis des Erlöschens der Vormerkung durch den Untergang des vorgemerkten Anspruchs von dem Eigentümer gegenüber dem Grundbuchamt durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden (vgl. § 29 Abs. 1 GBO). Da der Kläger dazu nicht in der Lage ist, muss er den Klagweg beschreiten.
13
cc) Aus dem Fortbestand der Eintragung der materiell nicht mehr bestehenden Vormerkung können die Beklagten auch sonst keine Rechte herleiten. Die Vormerkung löst zugunsten der Beklagten gegenüber einem Dritterwerber weder außerhalb noch innerhalb des Insolvenzverfahrens Rechtswirkungen aus. Wäre der Kaufvertrag zwischen der T. GmbH und der Schuldnerin noch vor Insolvenzeröffnung vollzogen worden, könnten die Beklagten gegenüber dem Anspruch der Erwerberin aus § 894 BGB kein Zurückbehaltungsrecht erheben. Wegen des an die Schuldnerin gezahlten Kaufpreises könnten sie sich nicht auf § 404 BGB berufen (BGHZ 150, 138, 145, 147). Ebenso wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Kläger als Insolvenzverwalter nach § 103 InsO die Erfüllung des Vertrages mit der T. GmbH gewählt hätte.
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dd) Wie der Senat entschieden hat, ist eine Vereinbarung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig, durch die der Insolvenzverwalter dem Inhaber einer nachrangigen, offensichtlich wertlosen Grundschuld für die Erteilung der Löschungsbewilligung eine über die verauslagten Löschungskosten hinausgehende , der teilweisen Durchsetzung der faktisch ungesicherten schuldrechtlichen Forderung gleichkommende Zahlung verspricht (BGH, Beschl. v. 20. März 2008 - IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 f. Rn. 6). Im Streitfall ist das bereits seiner Rechtsnatur nach wertlose grundbuchmäßige Recht der Beklagten sogar erloschen. Folglich wäre es erst recht insolvenzzweckwidrig, wenn der Kläger den Beklagten für die grundbuchmäßige Umsetzung des auf ihrer eigenen Rücktrittserklärung beruhenden unumkehrbaren Rechtsverlusts eine Vergütung in Höhe ihres ungesicherten Rückzahlungsanspruchs zusagen würde. Eine solchermaßen verbotene Vereinbarung kann auch nicht im Wege eines Rückabwicklungsverhältnisses erzwungen werden. Eine Erfüllungswahl, die offenkundig und für den Vertragsgegner erkennbar der Insolvenzmasse keinen Nutzen bringen kann, wäre wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam (BGHZ 150, 353, 360 ff; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 55 Rn. 107; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 14.09).
15
Der b) von dem Kläger verfolgte Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) steht überdies zu dem von den Beklagten erhobenen Kaufpreisrückzahlungsverlangen nicht in einem Synallagma. § 103 InsO betrifft nur gegenseitige Verträge im Sinne der §§ 320 ff BGB, bei denen Leistung und Gegenleistung synallagmatisch verknüpft sind. Damit sind Verträge gemeint, aus denen jeder Teil dem anderen Teil eine Leistung schuldet und bei denen jede Leistung deshalb geschuldet wird, weil die andere geschuldet wird (RGZ 147, 340, 342; MünchKomm-InsO/Huber, aaO § 103 Rn. 55; Nerlich/Römermann/ Balthasar, InsO § 103 Rn. 8; Kepplinger, aaO S. 18 ff). Macht der Insolvenzverwalter einen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis wurzelnden Anspruch geltend , ist § 103 InsO unanwendbar.
16
aa) Im Verhältnis zwischen dem Kaufpreisanspruch und dem Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung fehlt es an der erforderlichen synallagmatischen Verknüpfung. Die Vormerkung kann ihre auf die Vorleistung des Käufers gerichtete sichernde Wirkung gerade nur dann entfalten, wenn sie vor der Zahlung des Käufers eingetragen wird; ihr Bestand ist mithin von der Erfüllung des Kaufpreisanspruchs gänzlich unabhängig. Die Zahlung des Kaufpreises ist nicht Voraussetzung für die Eintragung einer Vormerkung, sondern umgekehrt die Eintragung einer Vormerkung Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs und damit seiner Erfüllung (vgl. Wolf in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis 2. Aufl. Teil 2 Rn. 96 [S. 95]). Mit der Zahlung des Kaufpreises wird allein der die Vormerkung nicht berührende Zweck verfolgt , die Auflassung des Grundstücks herbeizuführen. Eine synallagmatische Verbindung liegt folglich nur zwischen Kaufpreis und Eigentumsübertragungsanspruch vor.
17
bb) Ist der Übereignungsanspruch als Folge des Rücktritts entfallen, besteht zwischen einem Anspruch auf Kaufpreisrückerstattung und einem solchen auf Löschung der Vormerkung gleichfalls kein Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Vormerkung sichert lediglich den Anspruch auf Erfüllung des Übereignungsanspruchs , auch in der Insolvenz, weil das vormerkungsgesicherte Recht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO aus der Insolvenzmasse zu erfüllen ist. Fehlt es an einem sicherungsfähigen Eigentumsübertragungsanspruch, so sichert die Vormerkung nicht etwa den Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von dem Kaufvertrag (BGHZ 150, 138, 143). Die gegenteilige Auffassung der Vordergerichte könnte nicht selten zu dem höchst unbefriedigenden Ergebnis führen, dass das Grundbuch auf Dauer unrichtigwird, weil der Verwalter angesichts des Kaufpreiserstattungsanspruchs von einer Durchsetzung seines Grundbuchberichtigungsanspruchs absieht (BGHZ 150, 138, 147). Diese Betrachtungsweise liefe nicht nur auf eine mit der eindeutigen Gesetzeslage unvereinbare Umwidmung der Sicherungsfunktion einer Vormerkung hinaus , sondern würde als weitere Folge eine der materiellen Rechtslage widersprechende formelle Rechtslage perpetuieren.
18
cc) Überdies stellt sich im hier gegebenen Fall, in dem der Kläger nach dem Rücktritt der Beklagten ein dinglich begründetes Recht der Insolvenzmasse geltend macht, die Rechtslage - wie schon eingangs unter 2. ausgeführt - bei wertender Betrachtung nicht entscheidend anders dar als bei einem von Anfang an nichtigen Vertrag (Schmitz, Die Bauinsolvenz 4. Aufl. Rn. 863; Volmer ZflR 2002, 543; Blank MittBayNot 2005, 165, 166; a.A. OLG Stuttgart aaO S. 1089). In dieser Konstellation ist das aus § 273 BGB herzuleitende Zurückbehaltungs- recht nach gefestigter Rechtsprechung, von der auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, nicht insolvenzbeständig (BGHZ 150, 138, 145; BGH, Urt. v. 23. Mai 2003, aaO).
19
3. Auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO folgt kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten.
20
a) Diese Vorschrift setzt einen Anspruch aus § 812 ff BGB gegen die Masse voraus, während eine schon vor Insolvenzeröffnung eingetretene Bereicherung des Schuldners lediglich eine Insolvenzforderung erzeugt (RGZ 94, 20, 25; Uhlenbruck/Berscheid, InsO 12. Aufl. § 55 Rn. 74; HK-InsO/Lohmann, aaO § 55 Rn. 26; Pape in Kübler/Prütting/Bork, § 55 Rn. 60). Soweit als Folge der pflichtwidrigen Weiterleitung des Kaufpreises in dem Eigentumserwerb der Schuldnerin an den Grundstücken eine ungerechtfertigte Bereicherung liegen sollte, wäre diese bereits bei der Schuldnerin und nicht erst bei der Masse eingetreten.
21
b) Aus dem Urteil vom 15. Dezember 1994 (IX ZR 252/93, NJW 1995, 1484, 1485) vermögen die Beklagten entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Berufungsgerichts nichts für sich herzuleiten. Zwar hat der Senat dort einer Bereicherungseinrede (§ 812 Abs. 2, § 813 Abs. 1 Satz 1, § 821 BGB) Wirkungen gegenüber der Masse zuerkannt. Der Senat hat aber wiederholt klargestellt, dass dieses Urteil eine besonders gelagerte Fallgestaltung betraf , in der sich die Abwehr einer ohne Rechtsgrund entstandenen Forderung auf den Wert der Masse nicht auswirkte, weil eine Forderung, der eine dauernde Einrede entgegensteht, von vornherein wertlos ist (vgl. BGHZ 150, 138, 147; 161, 241, 254 f).
22
4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
23
a) Das Berufungsgericht weist darauf hin, der Kläger könne das Grundstück nur deshalb verwerten, weil die Schuldnerin dieses mit Mitteln der Beklagten zu Eigentum erworben habe. Zu erwägen könnte daher die Anwendung des Surrogationsgedankens sein. Dieser vermag ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten jedoch nicht zu begründen. Ein gesetzlich geregelter Fall der Surrogation liegt nicht vor (vgl. Ganter NZI 2008, 583 ff). Der Surrogationsgedanke stellt für sich allein keine tragfähige dogmatische Grundlage dar, um wirkliche oder vermeintliche Gesetzeslücken zu schließen (Ganter aaO S. 588).
24
b) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hindert gleichfalls nicht die uneingeschränkte Geltendmachung des Rückgewähranspruchs. Die Vordergerichte haben es als unbillig erachtet, die Beklagten für ihren Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auf eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zu verweisen, obwohl die Grundstücke mit ihren Mitteln erworben wurden. Dieses Ergebnis beruht aber zum einen darauf, dass die Beklagten durch das - möglicherweise einen Schadensersatzanspruch nach § 19 BNotO auslösende - Handeln des Nebenintervenienten eine Vorleistung auf eine infolge der dinglichen Belastungen nicht vertragsgemäße Gegenleistung erbracht haben. Zum anderen ist dieses Ergebnis die Folge des von den Beklagten bereits vor Insolvenzeröffnung erklärten Rücktritts. Ohne dessen Ausübung hätten sie den Anspruch aus dem Kaufvertrag aufgrund der nachrangig zu den Belastungen eingetragenen Vormerkung auch in der Insolvenz der Schuldnerin noch durchsetzen können (§§ 883 BGB, 106 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Beklagten wären dann zumindest Eigentümer der durch die Rechtsmängel objektiv wohl nur geringfügig wertgeminderten Grundstücke geworden. Eine Einschränkung dinglich begründeter Ansprüche der Insolvenzmasse ist nicht dadurch zu rechtfertigen, dass sich die Beklagten selbst um ihre Sicherung gebracht haben. Bei dieser durch das eigenverantwortliche Vorgehen der Beklagten geprägten Sachlage kann von einem für sie schlechthin untragbaren Ergebnis keine Rede sein (BGHZ 149, 326, 331; 150, 138, 144).

III.


25
Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Voraussetzungen eines Zurück- behaltungsrechts der Beklagten sind nicht gegeben. Die Klage ist insgesamt begründet.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.09.2006 - 318 O 43/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 01.03.2007 - 6 U 230/06 -

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

(1) In Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ist ein Vorhaben zulässig, wenn

1.
die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 und § 4a Absatz 2 bis 4 durchgeführt worden ist,
2.
anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht,
3.
der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt und
4.
die Erschließung gesichert ist.

(2) In Fällen des § 4a Absatz 3 Satz 1 kann vor der erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ein Vorhaben zugelassen werden, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplanentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt und die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.

(3) Wird ein Verfahren nach § 13 oder § 13a durchgeführt, kann ein Vorhaben vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zugelassen werden, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange ist vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit hatten.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 249/09
Verkündet am:
8. Juli 2010
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters
oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon
allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den ihm überreichten
Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese Weise die Ratschläge und Auskünfte
des Anlageberaters oder -vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.
BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09 - OLG Köln
LG Köln
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Empfehlung Auf des Beklagten zeichnete der Kläger am 28. Oktober 1999 über eine Summe von 150.000 DM zuzüglich 5 % Agio (7.500 DM) eine Beteiligung an der C. G. GmbH & Co. Vermietungs KG (Turmcenter F. ), einem geschlossenen Immobilienfonds. Die hierfür benötigten Mittel hatte der Kläger aus dem Verkauf eines von seinem Vater ererbten Hausgrundstücks gewonnen. Der Fonds wurde zum 31. Dezember 1999 nach Vollplatzierung geschlossen. Nach anfänglichen Ausschüttungen geriet der Fonds aufgrund deutlichen Rückgangs der Mieteinnahmen ab dem Jahre 2002 in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Versuch, die im Eigentum des Fonds stehende Büroturm-Immobilie - als wesentlichen Teil des Fondsvermögens - zu veräußern, blieb ohne Erfolg. Auf Antrag der finanzierenden Bank wurde am 4. August 2005 die Zwangsverwaltung des Objekts angeordnet. Die Hauptmieterin kündigte das Mietverhältnis außerordentlich zum 31. Dezember 2005. Am 17. Februar 2006 ordnete das Amtsgericht München die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fondsgesellschaft an.
3
Der Kläger hat seine Schadensersatzforderung unter Einberechnung der Kosten für die Beteiligung an dem Fonds und entgangener anderweitiger Anlagezinsen - nach Abzug ihm verbliebener Ausschüttungen - mit 102.879,46 € beziffert und geltend gemacht, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt, da er ihm mit der Fondsbeteiligung eine Anlage empfohlen habe, die seinem erklärten Anlageziel einer sicheren Altersvorsorge widersprochen habe. Der Beklagte habe ihn nicht auf die spezifischen Risiken dieser Anlage, insbesondere nicht auf das Risiko eines Totalverlusts, hingewiesen , die gebotene Überprüfung der wirtschaftlichen Plausibilität, Seriosität und Tragfähigkeit des Beteiligungsangebots unterlassen und negative Pressestimmen nicht berücksichtigt. Als Fachmann habe der Beklagte erkennen müssen, dass das Beteiligungsangebot auf eine Täuschung der neu eintretenden Anleger abgezielt und von vornherein keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg gehabt habe.
4
Der Beklagte ist diesen Vorwürfen entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
5
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen - bis auf einen geringfügigen Teil der erstinstanzlich zugesprochenen Zinsen - ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

I.


7
Das Berufungsgericht (GWR 2010, 93) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Vertragspflichtverletzung des Beklagten zu. Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die ihm hieraus erwachsenen Pflichten habe der Beklagte verletzt, da er keine anlegergerechte - das heißt dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße - Beratung geleistet habe. Der Beklagte habe dem Kläger eine Kapitalanlage empfohlen, die für das Ziel einer Altersvorsorge erkennbar ungeeignet gewesen sei. Die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds berge das Risiko des Totalverlusts. Nach den zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts habe der Kläger eine Kapitalanlage gewünscht, die gerade auch dem Zweck der Altersversorgung habe dienen sollen. Durch den von ihm zu vertretenden Beratungsfehler habe der Beklagte einen Schaden in der mit der Klage geltend gemachten Höhe herbeigeführt. Ein anrechnungsfähiges Mitverschulden falle dem Kläger nicht zur Last, da er auf den Rat des Beklagten habe vertrauen dürfen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei auch nicht verjährt. Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger vor dem 1. Januar 2004 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen gehabt oder sich insoweit grob fahrlässig in Unkenntnis befunden habe. Für eine grob fahrlässige Unkenntnis genüge es nicht, dass er den ihm überlassenen Anlageprospekt nicht durchgelesen habe.

II.


9
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als begründet angesehen. Der Beklagte schuldet dem Kläger den geforderten Schadensersatz nach den Grundsätzen der Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
10
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei - über eine reine Anlagevermittlung hinausgehend - ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, der den Beklagten zu einer eingehenden anlegergerechten, an den konkreten Anlagezielen des Klägers orientierten Beratung verpflichtet habe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
11
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt habe, da er keine anlegergerechte - dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße - Beratung geleistet habe.
12
a) Nach den Feststellungen beider Vorinstanzen, die maßgeblich auf die Würdigung der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen R. -H.. E. , des Sohnes des Klägers, gestützt worden sind, hatte der Kläger dem Beklagten im Beratungsgespräch erklärt, dass es ihm neben dem Aspekt der Steuerersparnis gerade auch darum gehe, dass das Kapital "sicher" sei und so angelegt werden solle, dass es für das Alter reiche; der Zweck der Alterssicherung und -vorsorge sei ausdrücklich mitgeteilt worden.
13
Diese Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
14
Soweit der Beklagte einwendet, dass es weitere Gespräche zwischen den Parteien gegeben habe, an denen der Zeuge E. nicht beteiligt gewesen sei, weist die Revisionserwiderung in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass der Beklagte nicht dargetan hat, dass der Kläger in diesen weiteren Gesprächen von dem bekundeten Anlageziel abgewichen wäre, insbesondere das Ziel einer "sicheren Altersvorsorge" aufgegeben hätte. Dass die Ziele einer einerseits steuersparenden und andererseits zur Altersvorsorge geeigneten, "sicheren" Kapitalanlage in einen Konflikt geraten können - jedoch nicht: geraten "müssen" -, steht der Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit der Beweiswürdigung nicht entgegen.
15
Auch mit seiner Rüge, das Berufungsgericht habe - ebenso wie schon das Landgericht - fehlerhaft davon abgesehen, ihn selbst zum Inhalt der Beratungsgespräche als Partei zu vernehmen oder anzuhören, vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Mangels Zustimmung des Klägers (§ 447 ZPO) kam hier allein eine Parteivernehmung des Beklagten nach § 448 ZPO in Betracht. Diese setzt freilich voraus, dass aufgrund einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die durch die Parteivernehmung zu beweisende Tatsache spricht ("Anbeweis"; s. etwa BGHZ 150, 334, 342; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - NJW-RR 2003, 1002, 1003 m.w.N.). Hiervon ist das Berufungsgericht nicht ausgegangen, ohne dass ihm dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist.
16
Allerdings kann im Fall der Beweisnot einer Partei eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO oder eine Anhörung der Partei nach § 141 ZPO aus dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit notwendig sein. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK) erfordern, dass einer Partei, die für ein Vier-Augen-Gespräch - anders als die Gegenpartei - keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen; zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO persönlich anzuhören (Senat, Urteil vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06 - NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 10 sowie Beschlüsse vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 - NJW 2003, 3636 und vom 30. September 2004 - III ZR 369/03 - BeckRS 2004, 09779; BGH, Urteile vom 9. Oktober 1997 - IX ZR 269/96 - NJW 1998, 306 f; vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, 364; vom 19. Dezember 2002 aaO; vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04 - NJW-RR 2006, 61, 63 und vom 23. April 2008 - XII ZR 195/06 - NJW-RR 2008, 1086, 1087 Rn. 13; BVerfG, NJW 2001, 2531 f; NJW 2008, 2170 f; EGMR, NJW 1995, 1413 f). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Bei dem vom Zeugen E. bekundeten Gespräch handelt es sich nicht um ein Vier-Augen-Gespräch. Der Zeuge E. hat bei dem Beratungsgespräch nicht anstelle des Klägers als dessen Vertreter gehandelt, sondern als weitere Person teilgenommen. Dass er dem Kläger als dessen Sohn nahe steht, rechtfertigt es nicht ohne weiteres, das Gespräch als ein zwischen den Parteien geführtes "Vier-Augen-Gespräch" einzuordnen (s. auch BGH, Urteil vom 23. April 2008 aaO; für den Fall des Gesprächs zwischen einer Prozesspartei und einem "außenstehenden" bzw. "nicht ausschließlich im Lager" der gegnerischen Partei stehenden Zeugen s. BGHZ 150, 334, 341 ff und Senatsbeschluss vom 30. September 2004 aaO). Hinzu kommt, dass sich der Beklagte für seine gegenteilige Behauptung, dass es dem Kläger stets und allein um die Steuerersparnis - als "einzige Richtschnur" - gegangen sei, nicht aber (auch) um eine sichere, zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage, auf das Zeugnis der Steuerberaterin F. -F. berufen hat; diese Zeugin hat in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht freilich bekundet, an den Gesprächen nicht beteiligt gewesen zu sein beziehungsweise sich hieran nicht mehr erinnern zu können. Bei dieser Lage einer - behaupteten - Gesprächsbeteiligung zweier weiterer als Zeugen vernommener Personen fordert der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit nicht die Anhörung oder Vernehmung derjenigen Partei, zu deren Nachteil die Beweisaufnahme ausgegangen ist. Abgesehen davon ist den Belangen der in Beweisnot geratenen Partei zureichend Genüge getan, wenn diese bei oder nach der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung ) vor Gericht persönlich anwesend war und daher die Möglichkeit hatte, ihre Darstellung vom Verlauf des Gesprächs durch eine Wortmeldung gemäß § 137 Abs. 4 ZPO persönlich vorzutragen oder den Zeugen zu befragen (Senatsbeschlüsse vom 25. September 2003 aaO und vom 30. September 2004 aaO; BGH, Urteil vom 23. April 2008 aaO; BVerfG, NJW 2008, 2170, 2171). Der Beklagte war bei sämtlichen Verhandlungs- und Beweisterminen in beiden Vorinstanzen persönlich anwesend; zum Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht war zudem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden. Dafür, dass er daran gehindert gewesen wäre, in diesen Terminen seine Sicht der Gesprächsinhalte zu schildern, ist nichts vorgetragen noch sonst ersichtlich.
17
b) Ausgehend davon, dass der Kläger ausdrücklich - auch - eine "sichere" , zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage wünschte, hat das Berufungsgericht einen Beratungsfehler des Beklagten zu Recht schon darin gesehen, dass dieser dem Kläger die Anlage in dem hier streitgegenständlichen geschlossenen Immobilienfonds empfohlen hat.
18
Eine solche Empfehlung verletzte die Pflicht zur "anlegergerechten", auf die persönlichen Verhältnisse und Anlageziele des Kunden zugeschnittene Beratung. Soll gemäß dem Anlageziel des Kunden eine sichere Geldanlage getätigt werden, so kann, wie dies der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft sein (Senatsurteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07 - BeckRS 2008, 13080 Rn. 6 und vom 19. November 2009 - III ZR 169/08 - BKR 2010, 118, 120 Rn. 21). Zwar ist bei der Beteiligung an einem Immobilienfonds das Risiko eines anteilmäßig hohen Kapitalverlusts meist gering zu veranschlagen; dies gilt insbesondere für das Risiko eines Totalverlusts, da dem Fonds in aller Regel der Sachwert des Immobilienvermögens verbleibt (vgl. dazu BGHZ 167, 239, 249 Rn. 26 sowie BGH, Urteile vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08 - NJW-RR 2010, 115, 116 Rn. 25 und - XI ZR 338/08 - BB 2010, 15, 16 Rn. 28). Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine "unternehmerische Beteiligung", die als solche das Risiko birgt, dass das eingesetzte Kapital zumindest zu einem Teil verloren gehen kann. Dieses Risiko hängt in seinem Ausmaß unter anderem von der Eigenkapital -/Fremdkapitalquote, der Entwicklung der Immobilienpreise und Mieteinkünfte und den zu Grunde gelegten Wertansätzen ab. Da die hier empfohlene Fondsanlage - worauf der Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf entsprechende Angaben im Anlageprospekt hingewiesen haben will - sogar (im "Extremfall" ) ein "Totalverlustrisiko" aufwies, durfte diese Beteiligung nicht als praktisch (weitgehend) "risikofrei" und mithin "sichere", zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage eingeordnet werden. Gegenteiliges hat der Beklagte in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.
19
Unter diesen Umständen hätte der Beklagte dem Kläger die hier eingegangene Beteiligung nicht empfehlen dürfen, sondern davon abraten müssen. Dafür, dass der Kläger, etwa unter dem Eindruck entsprechender deutlicher Hinweise des Beklagten, von seinem Anlageziel einer "sicheren", zur Altersvorsorge geeigneten Kapitalanlage abgerückt wäre und sich letztlich bewusst auf eine diesem Anlageziel widersprechende Fondsbeteiligung eingelassen hätte, hat der Beklagte keinen tragfähigen Anhaltspunkt vorgetragen, und ein solcher ist auch im Übrigen nicht ersichtlich.
20
3. Die Kausalität des Beratungsfehlers des Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers und den ihm daraus erwachsenen Schaden hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht. Diesen Punkt greift die Revision auch nicht an. Für den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Beratung und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung (s. etwa Senatsurteile vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05 - NJW-RR 2006, 685, 687 f Rn. 22 ff; vom 19. Juni 2008 aaO Rn. 8; vom 5. November 2009 aaO S. 351 Rn. 21 und vom 19. November 2009 aaO S. 121 Rn. 26 sowie Senatsbeschluss vom 9. April 2009 - III ZR 89/08 - BeckRS 2009, 11192 Rn. 8 m.w.N.). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht zu entkräften vermocht.
21
4. Auch gegen den Umfang des zuerkannten Schadensersatzanspruchs und die Ablehnung eines anrechnungsfähigen Mitverschuldens des Klägers (§ 254 BGB) bringt die Revision nichts vor. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Mitverschulden des Anlageinteressenten im Falle eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten nur unter besonderen Umständen zur Anrechnung kommt, weil sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf (s. dazu BGHZ 100, 117, 125; BGH, Urteile vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80 - NJW 1982, 1095, 1096; vom 26. September 1997 - V ZR 65/96 - NJW-RR 1998, 16 und vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02 - NJW 2004, 1868, 1870, jeweils m.w.N.).
22
5. Entgegen der Ansicht der Revision greift auch der Einwand der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) nicht durch. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist habe nicht vor Ablauf des Jahres 2004 zu laufen begonnen und sei daher durch Zustellung des Mahnbescheids am 13. Februar 2007 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
23
a) Der hier in Rede stehende Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung ist im Jahre 1999, nämlich mit dem vom Beklagten empfohlenen Erwerb der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds, entstan- den (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) und unterlag mithin zunächst der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F.
24
Zwar ist der Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation genügt dafür grundsätzlich nicht (BGHZ 73, 363, 365; 100, 228, 231 f; 124, 27, 30; BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98 - NJW 2000, 1498, 1499). Allerdings kann der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (BGHZ 162, 306, 309 f; BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90 - NJW-RR 1991, 1125, 1127; vom 27. Januar 1994 - IX ZR 195/93 - NJW 1994, 1405, 1407; vom 26. September 1997 - V ZR 29/96 - NJW 1998, 302, 304 und vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02 - NJW-RR 2004, 1407). So liegt es auch hier.
25
b) Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt seit dem 1. Januar 2002 für den bis dahin nicht verjährten Schadensersatzanspruch die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB n.F., wobei für den Fristbeginn zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen müssen; der Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BGHZ 171, 1, 7 ff Rn. 19 ff; 179, 260, 276 Rn. 46; BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07 - NJW 2008, 506 Rn. 8; Senatsurteil vom 19. November 2009 aaO S. 119 Rn. 13). Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers trägt der Beklagte als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 171, 1, 11 Rn. 32; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - NJW 2008, 2576, 2578 Rn. 25).
26
c) Die Würdigung des Berufungsgerichts, eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich nicht schon daraus, dass dieser es unterlassen hat, den ihm übergebenen Emissionsprospekt durchzulesen und hierbei auf durchgreifende Hinweise auf die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen, hält den Angriffen der Revision stand.
27
aa) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt , bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen hat (st. Rspr.; s. nur BGHZ 10, 14, 16 f; 10, 69, 74; 145, 337, 340; 163, 351, 353; BGH, Urteile vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - NJW-RR 2009, 547 Rn. 17 m.w.N. und vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08 - VersR 2010, 214, 215 Rn. 12 m.w.N.).
28
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (s. BGH, Urteile vom 23. September 2008 aaO Rn. 16 und vom 10. November 2009 aaO Rn. 13 m.w.N.; Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 108 unter anderem mit Hinweis auf BGHZ 10, 14, 16 und 89, 153, 161; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rn. 36; MünchKommBGB/ Grothe, 5. Aufl., § 199 Rn. 28; Henrich/Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 199 Rn. 19 f). Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO m.w.N.; Grothe aaO). Ihn trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (s. BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO S. 216 Rn. 15 f m.w.N.; s. auch Grothe aaO).
29
bb) Nach diesen Maßgaben ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, genüge für sich allein noch nicht, um die grob fahrlässige Unkenntnis von einem Beratungsfehler zu begründen, nicht zu beanstanden.
30
Diese Frage wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte allerdings nicht einheitlich beantwortet. Eine Reihe von Oberlandesgerichten hält es für einen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigenden schweren Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses des Anlageinteressenten, wenn er es im Zusammenhang mit einer bedeutsamen Investitionsentscheidung unterlässt, den ihm von einem Anlageberater oder einem Anlagevermittler zur Verfügung gestellten Anlageprospekt durchzulesen, und aus diesem Grunde nicht bemerkt , dass er falsch beraten oder ihm eine unrichtige Auskunft erteilt worden ist (so OLG Frankfurt am Main, OLGR 2008, 880, 881 f und Beschluss vom 20. September 2007 - 14 W 75/07 - juris Rn. 5; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 18. April 2008 - I-16 U 275/06 - juris Rn. 58 ff; OLG Köln, Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 13 U 10/08 - juris Rn. 7 f; Brandenburgisches OLG, Urteile vom 19. Februar 2009 - 12 U 140/08 - juris Rn. 26 ff und vom 30. April 2009 - 12 U 225/08 - juris Rn. 24; OLG Celle, OLGR 2009, 121) Dabei wird teilweise grob fahrlässige Unkenntnis selbst für den Fall bejaht, dass der Prospekt erst bei oder sogar kurz nach der Zeichnung übergeben worden ist (OLG Köln aaO; Brandenburgisches OLG aaO), teilweise nur für den Fall, dass der Prospekt ausreichende Zeit vor dem abschließenden Beratungsgespräch vorgelegen hat (OLG Celle aaO). Die Gegenansicht verweist demgegenüber darauf, dass der Anlageinteressent regelmäßig auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der ihm erteilten Anlageberatung vertrauen und ihm eine unterbliebene "Kontrolle" dieser Beratung durch Lektüre des Prospekts deshalb nicht ohne weiteres als grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden dürfe (s. OLG München, Urteil vom 6. September 2006 - 20 U 2694/06 - juris Rn. 63; OLG Hamm, Urteile vom 20. November 2007 - 4 U 98/07 - juris Rn. 49 und vom 26. November 2009 - I-4 U 224/08 - juris Rn. 50).
31
Der erkennende Senat hält die letzterwähnte Ansicht für zutreffend.
32
Zwar kommt dem Anlageprospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zu. Sofern der Prospekt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden ist, kann die Aushändigung eines Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungs- und Auskunftspflichten Genüge zu tun (s. etwa Senat, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06 - NJW-RR 2007, 621, 622 Rn. 17 sowie Urteile vom 12. Juli 2007 - III ZR 145/06 - NJWRR 2007, 1692 Rn. 9; vom 19. Juni 2008 aaO Rn. 7; vom 5. März 2009 - III ZR 302/07 - NJW-RR 2009, 687, 688 Rn. 17; vom 5. März 2009 - III ZR 17/08 - WM 2009, 739, 740 Rn. 12 und vom 19. November 2009 aaO S. 120 Rn. 24 m.w.N.; s. auch BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 310/03 - NJW 2005, 1784, 1787 f). Es liegt daher zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, diesen Prospekt eingehend durchzulesen.
33
Andererseits misst der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis zurück und ist daher für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar".
34
Eine andere Betrachtungsweise stünde zum einen in einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage des anspruchsmindernden Mitverschuldens (siehe oben 4.). Zum anderen würde sie den Anleger unangemessen benachteiligen und seinen Schadensersatzanspruch oftmals leer laufen lassen. Denn die Risiken und Nachteile einer Kapitalanlage wirken sich vielfach erst einige Jahre nach dem Erwerb finanziell spürbar aus (Reduzierung oder gar Wegfall von Ausschüttungen etc.). Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn "bemerkbar" machen und er sich daher veranlasst sieht, die Richtigkeit der ihm von einem Anlageberater oder -vermittler gegebenen Empfehlungen und Auskünfte zu hinterfragen.
35
cc) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, auch nach der Zeichnung der Anlage habe sich in der Zeit bis zum 1. Januar 2004 kein dringender , den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis rechtfertigender Anlass für die Lektüre des Emissionsprospekts ergeben, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Schlick Dörr Herrmann
Hucke Tombrink
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.09.2008 - 29 O 102/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.08.2009 - 24 U 154/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 325/11 Verkündet am:
14. Mai 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 141 Abs. 1, § 448, § 348 Abs. 1 Buchst. e, § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1

a) Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich die notwendigen
Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Ob das
Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet, der
nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ausnahmsweise eine Zurückverweisung
an das Gericht des ersten Rechtszugs ermöglicht, ist allein aufgrund des materiell
-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen.

b) Sieht der Geschäftsverteilungsplan keine Spezialzuständigkeit einer Zivilkammer
nach § 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ZPO vor, ist bei einer Entscheidung
durch den Einzelrichter nicht schon wegen des Umstands, dass Arzthaftungssachen
grundsätzlich vom voll besetzten Spruchkörper zu verhandeln
sind, ein Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gegeben.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11 - OLG Frankfurt in Darmstadt
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner
und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 3 wird das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2011 aufgehoben, soweit zu deren Nachteil entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin leidet seit der Entbindung ihrer Tochter am 16. Juli 2005 unter dem sogenannten Sheehan-Syndrom (postpartale Hypophysenvorderlappeninsuffizienz ). Sie führt dies auf einen postpartalen Blutschock zurück, der durch eine rechtzeitige Gabe weiterer Bluttransfusionen nach einer Plazentalösungsstörung hätte vermieden werden können. Sie macht die Beklagten zu 1 bis 5, welche als gynäkologische bzw. anästhesistische Belegärzte im Krankenhaus tätig waren, für ihre Schädigung verantwortlich.
2
Das Landgericht hat die auf Schmerzensgeld, Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall und Feststellung von Zukunftsschäden gerichtete Klage abgewiesen , weil die Klägerin die Gabe weiterer Blutkonserven abgelehnt habe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil aufgehoben und auf den Hilfsantrag der Klägerin hin die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten zu 1 und 3 (nachfolgend : Beklagte), die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen , weil dessen Verfahren an wesentlichen Mängeln leide und deshalb in zweiter Instanz eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig wäre (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
4
Die Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe die Gabe weiterer Blutkonserven abgelehnt, sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das Landgericht hätte seine Überzeugung nicht allein auf die Parteivernehmung des Erstbeklagten nach § 448 ZPO stützen dürfen, weil keine Umstände vorlägen, die den für die Anwendung des § 448 ZPO erforderlichen "Anfangsbeweis" begründeten. Die Feststellung sei auch nicht im Wege einer Umdeutung der Parteivernehmung in eine Parteianhörung nach § 141 ZPO verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. In diesem Falle wäre es nach den Grundsätzen des sogenannten Vier-Augen-Gespräches erforderlich gewesen, die Klägerin ebenfalls persönlich anzuhören. Wenn das Landgericht der Auffassung gewesen sein sollte, eine Vier-Augen-Situation habe nicht vorgelegen, weil der Ehemann der Klägerin anwesend gewesen sei, hätte es gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO klären müssen, ob dessen Zeugenvernehmung beantragt werde.
5
Ein Verfahrensfehler liege auch darin, dass der Rechtsstreit mit seinen besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art durch den Einzelrichter statt durch die Kammer entschieden worden sei. Auch wenn der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts keine Spezialzuständigkeit für das Sachgebiet "Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen" vorsehe, hätte der Einzelrichter ihn nach § 348 Abs. 3 Nr. 1 ZPO der Kammer zur Übernahme vorlegen müssen.

II.

6
Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Sache verfahrensfehlerhaft auf der Grundlage des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Dies rügt die Revision mit Recht.
7
1. Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf gemäß § 538 Abs. 2 ZPO die Sache nur ausnahmsweise an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, u.a. soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und eine Partei die Zurückverweisung beantragt (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). In diesem Fall kommt eine Zurückverweisung nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundla- ge für eine Instanz beendende Entscheidung sein kann. Ob ein solcher Mangel vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen, auch wenn das Berufungsgericht ihn nicht teilt (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 und vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, VersR 2010, 1666 Rn. 8; BGH, Urteile vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 11; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11, NJW-RR 2012, 1207 Rn. 14 mwN). Hiernach begründet es keinen Fehler im Verfahren der Vorinstanz, wenn das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders beurteilt als das Erstgericht (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, aaO Rn. 15; BGH, Urteile vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, aaO Rn 14; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11, aaO). Ein Verfahrensfehler kann in einem solchen Fall auch nicht mit einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Fragepflicht (§ 139 ZPO) begründet werden. Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters darf nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umgedeutet werden, wenn auf der Grundlage der Auffassung des Erstgerichts kein Hinweis geboten war. Das Berufungsgericht muss vielmehr auch insoweit bei Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, den Standpunkt des Erstgerichts zugrunde legen (Senatsurteile vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, aaO, 1448; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, aaO; BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11, aaO).
8
2. Nach diesen rechtlichen Maßstäben scheidet im Streitfall eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht schon deswegen aus, weil das erstinstanzliche Verfahren nicht an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine Instanz beendende Entscheidung sein kann.
9
a) Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt nicht darin, dass das Landgericht seine Überzeugung auf die Parteivernehmung des Beklagten zu 1 gestützt hat.
10
Nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen reichte die Gabe von lediglich drei Erythrozytenkonzentraten nicht aus. Bei dieser Sachlage oblag es den Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass ein Behandlungsfehler dennoch nicht vorlag, weil die Klägerin die Gabe weiterer Blutkonserven abgelehnt hat. Unter diesen Umständen war es nicht verfahrensfehlerhaft, den Beklagten zu 1 gemäß § 448 ZPO dazu zu vernehmen, ob es zu einer Verweigerung weiterer Bluttransfusionen seitens der Klägerin gekommen ist, nachdem das Landgericht die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass eine solche Vernehmung beabsichtigt sei, und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, ohne dass die Klägerin hiergegen Einwände erhoben hätte. Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass einer Partei, die - wie die Beklagten - für ein Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2004 - III ZR 369/03, juris Rn. 3; Urteil vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63, jeweils mwN; BVerfG, NJW 2008, 2170, 2171). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich - wie hier - um ein SechsAugen -Gespräch handelt, bei dem der allein zur Verfügung stehende Zeuge als Ehemann im Lager der Prozessgegnerin steht.
11
Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO obliegt dem Ermessen des Tatrichters und ist nur darauf nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt worden sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Dass bei der vorliegenden Konstellation der einen Partei ein Zeuge zur Seite steht, während die Gegenseite sich auf keinen Zeugen stützen kann, stellt eine Benachteiligung dar, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO berücksichtigt werden kann, zumal das Gericht einer Parteianhörung der benachteiligten Partei gemäß § 141 ZPO die gleiche Bedeutung wie einer Aussage bei einer Vernehmung zumessen kann (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, VersR 1999, 994, 995; Beschluss vom 25. September 2003 - III ZR 384/02, NJW 2003, 3636).
12
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war es ohne einen - im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorliegenden - Antrag der Klägerin nicht erforderlich, diese nach der Vernehmung des Beklagten zu 1 ebenfalls persönlich anzuhören. Der Klägerin stand nämlich ihr Ehemann als Zeuge zur Verfügung. Dieser war nach der Aussage des Beklagten zu 1 bei dem Aufklärungsgespräch dabei. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten, vielmehr hat sie in ihrer Berufungsbegründung nunmehr ihren Ehemann auch zur behaupteten Verweigerung weiterer Bluttransfusionen als Zeugen benannt. Es lag mithin im Hinblick auf die Klägerin nicht die Situation eines Vier-Augen-Gesprächs vor.
13
c) Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens liegt auch nicht deswegen vor, weil das Landgericht nicht gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO geklärt hat, ob die Zeugenvernehmung des Ehemanns beantragt wird. Das Landgericht hatte vor der Beweisaufnahme darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, durch Einvernahme des Beklagten zu 1 als Partei zu klären, "ob es zu einer Verweigerung weiterer Bluttransfusionen seitens der Klägerin und/oder ihres Ehemannes gekommen" sei, und der Klägerin hierzu ausdrücklich Gelegenheit zur Stellung- nahme eingeräumt. Unter diesen Umständen bestand keine Pflicht des Gerichts zu klären, ob der Ehemann der Klägerin als Zeuge benannt werden soll, weil bereits der Gegenstand der erst vier Monate später erfolgten Beweisaufnahme der anwaltlich vertretenen Klägerin Anlass gab, deren Ehemann gegebenenfalls als Zeugen zu benennen.
14
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt auch der Umstand, dass der Einzelrichter entschieden hat, nicht eine Zurückverweisung an das Landgericht. Dessen Geschäftsverteilungsplan sieht keine Spezialzuständigkeit einer Zivilkammer für das Sachgebiet "Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen" (§ 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ZPO) vor. Aus der nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sicht des Einzelrichters bestand auch kein Anlass, den Rechtsstreit nach § 348 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ZPO der Kammer zur Übernahme vorzulegen. Danach war keine Sache gegeben, welche besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Es lag ein Sachverständigengutachten vor, welches sich zunächst auf die Frage beschränken konnte, ob weitere Bluttransfusionen geboten waren und die Nichtverabreichung weiterer Konserven für den Schaden kausal war. Zudem stellte sich die Frage, ob ein Behandlungsfehler deswegen entfiel, weil sich die Klägerin geweigert hatte, die Verabreichung weiterer Blutkonserven zuzulassen. Die Klärung dieser Frage bedurfte keiner besonderen Kenntnisse im Arzthaftungsrecht , sondern entsprach der üblichen tatrichterlichen Würdigung. Alleine der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Arzthaftungssachen grundsätzlich vom voll besetzten Spruchkörper zu verhandeln sind, reicht für die Annahme eines Verstoßes gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) im Hinblick auf die in § 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ZPO getroffene Regelung nicht aus.
15
Gemäß § 348 Abs. 4 ZPO kann ein Rechtsmittel nicht auf eine unterlassene Vorlage an die Kammer gestützt werden. Dies bestätigt den Grundsatz, dass Entscheidungen eines unzuständigen Spruchorgans grundsätzlich hingenommen werden, um Streit über Zuständigkeitsfragen zu vermeiden (MünchKommZPO /Deubner, 4. Aufl., § 348 Rn. 65 f.). Eine nicht mehr verständliche oder offensichtlich unhaltbare Missachtung der Zuständigkeitsnormen durch den Einzelrichter, die gegen das Willkürverbot verstoßen hätte und einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen könnte (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, BGHZ 170, 180 Rn. 5 zu § 526 Abs. 3 ZPO), liegt nicht vor. Der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Rechtsprechung zu § 568 Satz 3 ZPO geht ins Leere, weil die dazu getroffenen Entscheidungen Fälle betrafen, in denen der Einzelrichter mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht hat, so dass er zwingend das Verfahren an das Kollegium hätte übertragen müssen, seine Entscheidung mithin objektiv willkürlich war und gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters verstieß (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202 f.; vom 27. April 2010 - VIII ZB 81/09, juris Rn. 6; vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 9).
16
3. Nach alledem liegt eine rechtlich fehlerhafte Anwendung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch das Berufungsgericht vor. Das Berufungsurteil ist daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und eigenen Entscheidung in der Sache (§ 538 Abs. 1 ZPO) an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 04.10.2010 - 1 O 478/08 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 03.11.2011 - 22 U 179/10 -

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.