Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14

bei uns veröffentlicht am11.01.2016
vorgehend
Landgericht München I, 3 O 16256/11, 10.09.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 3. Zivilkammer, vom 10.09.2014 wird zurückgewiesen, soweit sie auf einen Widerruf der Finanzierungsvereinbarungen des Klägers mit der Beklagten zu 2) für die Beteiligungen des Klägers an dem Medienfonds M. II gestützt wird.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatsächliche Feststellungen:

Der Kläger, ein ehemaliger Mitarbeiter der Beklagten zu 1) in führender Position, stellt im Berufungsverfahren weiterhin Ansprüche im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an dem Medienfonds M. Zweite Productions GmbH & Co. KG (im Folgenden M. II).

Der Kläger erwarb nach mindestens einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) mit Zeichnungsschein vom 28.09.2004 eine mittelbare Kommanditbeteiligung an dem M. II Fonds in Höhe von nominal 310.000.- EUR, sowie mit Zeichnungsschein vom 29.09.2004 eine weitere mittelbare Kommanditbeteiligung an dem M. II Fonds in Höhe von nominal 400.000.- EUR (Anlagen K 1b und B 2; Prospekt, Stand September 2004, in Anlage K 2b). Gegenstand beider Fonds war jeweils die Produktion und Vermarktung mehrerer Filmprojekte. Beide Fonds weisen eine sog. Defeasance-Struktur auf.

Die Beklagte zu 2) übernahm für die Beteiligungen die obligatorische teilweise Anteilsfinanzierung der Anleger, so auch des Klägers. Zur Finanzierung der Beteiligung in Höhe von 310.000.- EUR nahm der Kläger ein Darlehen bei der Beklagten zu 2) in Höhe eines Nettokreditbetrags von 124.000.- EUR auf. Zur Finanzierung der Beteiligung in Höhe von 400.000.- EUR nahm der Kläger ein weiteres Darlehen in Höhe von 160.000.-EUR auf. Die Zeichnungsunterlagen enthielten Widerrufsbelehrungen, die vom Kläger eigenhändig unterschrieben wurden (vgl. Anlage B 2). Mit Schriftsatz vom 03.07.2012 (dort S. 89) erklärte der Kläger den Widerruf der Finanzierungsvereinbarungen wegen der Fondsbeteiligung an dem Fonds M. II gegenüber der Beklagten zu 2).

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich einer weiteren Beteiligung des Klägers an dem Medienfonds M. Picture l rechtskräftig stattgegeben (LGU S. 14 ff) und sie hinsichtlich der Beteiligungen des Klägers an dem Fonds M. II abgewiesen (LGU S. 19 ff).

Ein Aufklärungs- oder Beratungsverschulden der Beklagten zu 1) liege ebensowenig vor wie ein Wissensvorsprung der Beklagten zu 2). Der Prospekt, dessen nicht rechtzeitige Vorlage der Kläger nicht nachgewiesen habe, sei fehlerfrei. Dass der „Geldkreislauf“ hier ebenso wie bei den Fonds VIP 3 und 4 sowie bei anderen HL-Fonds erfolgt sei, habe der Kläger nur pauschal behauptet.

Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 1 BGB wegen des erklärten Widerrufs der Finanzierungsverträge, weil die Widerrufserklärung verfristet sei (LGU S. 31 ff.). Die Widerrufsbelehrungen entsprächen dem Gebot der formalen Deutlichkeit. Sie befänden sich nicht im Fließtext, sondern auf einer gesonderten Seite, wobei das Wort Widerrufsbelehrung zusätzlich fettgedruckt und die Belehrung als solche durch einen großen Kasten vom übrigen Text abgetrennt werde. Die Belehrung sei ohne weiteres gut lesbar. Sie sei in verschiedene Abschnitte unterteilt, die jeweils durch eine Überschrift getrennt seien. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass der Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung durch die Verwendung des Wortes „frühestens“ nicht eindeutig genug angegeben worden sei. Denn die Beklagte zu 2) habe bei der Widerrufsbelehrung das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV in der seinerzeit gültigen Fassung verwendet. Sachliche Änderungen, die die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV aufheben würden, lägen nicht vor. Der klarstellende Zusatz „Nr. 2 zum Darlehensvertrag mit der HSH N.bank AG“ stelle lediglich die Zuordnung zum betroffenen Vertragsverhältnis sicher; dadurch werde auf den ersten Blick ersichtlich, welche Widerrufsbelehrung sich auf welchen Teil des Geschäftes beziehe. Die Angabe, der Widerruf sei an die A. Beteiligungsgesellschaft mbH als Bevollmächtigte der Beklagten zu 2) zu richten, sei unbedenklich, weil die damalige Musterbelehrung und gesetzliche Regelung lediglich die Angabe eines Widerrufsadressaten samt ladungsfähiger Anschrift erfordert habe; es sei nicht vorgesehen, dass dieser Adressat selbst der Vertragspartner sein müsse.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der weiterhin meint, ihm stünden gegen beide Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungs- oder Beratungsverschulden und gegen die Beklagte zu 2) auch Ansprüche wegen des Widerrufs der Finanzierungsverträge zu. Da die Widerrufsbelehrungen hinsichtlich der Zusätze in der Überschrift und der Angaben zu dem Empfangsboten nicht dem Muster entsprochen hätten, sei der Widerruf noch möglich gewesen.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klagepartei

1. einen Betrag in Höhe von 418.566,73 EUR

2. zzgl. Zinsen in Höhe von 4% aus 426.000,00 EUR vom 29.09.2004 bis 27.12.2005, aus 422.222,94 EUR vom 28.12.2005 bis 27.12.2006, aus 420.419,68 EUR vom 28.12.2006 bis 28.12.2007, aus 418.566,73 EUR vom 29.12.2007 bis 27.01.2011

3. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 418.566,73 seit dem 27.01.2011 aus dem sich aus Ziffer I.2. ergebenden Zinsbetrag seit dem 27.01.2011 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der Kommandit-Beteiligung der Klagepartei an der M. Zweite Productions GmbH & Co KG Fonds Nr. 77 (Nominal-Kommanditbeteiligung in Höhe von 710.000,00 EUR) als Gesamtschuldner zu zahlen.

Hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung der Klagepartei an der M. Zweite Productions GmbH & Co KG Fonds Nr. 77 (Nominal-Kommanditbeteiligung in Höhe von 710.000,00 EUR) als Gesamtschuldner zu zahlen.

II.a) Es wird festgestellt, dass der Beklagten zu 2) gegenüber der Klagepartei keinerlei Zins- und Tilgungsforderungen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Finanzierung der in Ziff. näher bezeichneten Fondsbeteiligung (M. II) resultieren, zustehen.

b) Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Klagepartei von sämtlichen Zins- und Tilgungsverbindlichkeiten aus der Anteilsfinanzierung der in Ziff. I näher bezeichneten Kommanditbeteiligung (M. II) freizustellen.

III. Es wir festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind

1. der Klagepartei denjenigen Schaden zu ersetzen, den die Klagepartei infolge der nachträglichen Aberkennung der Verlustzuweisung bezüglich der in Ziffer l. näher bezeichneten Beteiligung dadurch erleidet, dass sie die Steuerzahlung nicht bereits im Zeichnungsjahr, sondern erst später leistet, wie etwa Nachzahlungszinsen gemäß § 233 a AO;

2. die Klagepartei von weiteren finanziellen Nachteilen infolge eines möglichen Wiederauflebens der Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB gegenüber Gläubigern der in Ziffer l. genannten Fondsgesellschaft freizustellen;

3. die Klagepartei von allen weiteren wirtschaftlichen Nachteilen infolge der in Ziffer näher bezeichneten Beteiligung freizustellen, wie etwa von Kosten, die infolge der Übertragung der Anteile an der Gesellschaft anfallen sowie der ggf. anfallenden Gewerbesteuer.

IV. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1) und zu 2) mit der Annahme der Zug um Zug angebotenen Übertragung der Rechte aus der in Ziffer l. näher bezeichneten Fondbeteiligung seit dem 27.01.2011 in Verzug befinden.

V. Die Beklagte zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klagepartei außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 8.047,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.01.2011, resultierend im Hinblick auf die in Ziffer l. näher benannte Kommanditbeteiligung zu bezahlen sowie Kosten der Gütestelle in Höhe von 83,30 EUR zu erstatten.

Die Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen. Der Senat hat den Parteien am 03.09.2015 Hinweise gegeben und ohne Beweisaufnahme entschieden.

Begründung:

Die zulässige Berufung der Klägers ist unbegründet, soweit sie auf einen Widerruf der Finanzierungsvereinbarungen gestützt wird.

I. Der Senat hält es für zulässig und sachgerecht, über die Wirksamkeit des Widerrufs der Finanzierungsvereinbarungen vorab gem. § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden. Der Kläger hat hier zunächst gegen beide Beklagte Klage auf Schadensersatz als Gesamtschuldner erhoben. Erst mit Schriftsatz vom 03.07.2012, S. 89, hat er die Finanzierungsverträge mit der Beklagten zu 2) widerrufen, ohne diesbezüglich Ausführungen zu den damit erstrebten Rechtsfolgen oder zum Verhältnis zu den bereits zuvor geltend gemachten Schadensersatzansprüchen zu machen.

1. Der Senat hat zwar keine grundsätzlichen Bedenken gegen die klageseits vorgenommene konsekutive Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen statt der Leistung und Ansprüchen aus dem ggf. infolge Widerrufs ex nunc entstandenen Rückgewährschuldverhältnis. Nach der für den Zeitpunkt der Anteilszeichnung geltenden Rechtslage waren gemäß § 357 I BGB a. F. auf das Widerrufs- und Rückgaberecht die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt anwendbar. Der damals bereits geltende § 325 BGB wiederum bestimmt, dass durch den Rücktritt das Recht auf Schadensersatz nicht ausgeschlossen ist.

Im Hinblick auf den vom Kläger erklärten unbedingten Widerruf der Darlehensverträge muss nach Auffassung des Senats wegen Vorgreiflichkeit aber zunächst zwingend - ggf. auch inzident im selben Urteil - über Wirksamkeit und Folgen dieses Widerrufs entschieden werden. Denn der Widerruf stellt eine Gestaltungserklärung dar, die jedenfalls bei klarer und unzweideutiger Erklärung und Zugang an den Empfänger unmittelbare Rechtswirkung entfaltet (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. A. 2016, vor § 104 Rz. 17). Eine derartige unmissverständliche Erklärung enthält hier der Schriftsatz vom 03.07.2012, S. 89. Grundsätzlich ist der Widerruf als Gestaltungserklärung bedingungsfeindlich (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O.). Ob im Prozess ein Widerruf als innerprozessualer Vorgang (vgl. z. B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. A. 2015, Einl. III Rz. 24) nur hilfsweise erklärt werden könnte, kann hier dahinstehen, da ein entsprechender Vorbehalt hier vom Kläger nicht angebracht wurde.

Folge eines wirksamen Widerrufes wäre ein - in den Rechtsfolgen von einem Schadensersatzanspruch sehr deutlich zu unterscheidendes - Rückgewährverhältnis (vgl. § 355 IV BGB a. F.) und, da es sich hier angesichts der obligatorischen Teilfinanzierung fraglos um verbundene Geschäfte gem. § 358 III BGB a. F. handelt, der Eintritt der Beklagten zu 2) in die finanzierten Beteiligungsverträge gem. § 358 IV 3 BGB a. F. (jetzt § 358 IV 5 BGB). Dabei mindert sich ein Schaden des Klägers um den Wert der Gegenleistung, deren Abgabe dem Gläubiger durch den Rücktritt erspart bleibt. Der verbleibende Schaden besteht in der Differenz zwischen den Werten der gestörten Leistung und der rücktrittsbedingt „eingesparten“ Gegenleistung (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 325 Rnr. 6). Diese Rechtsfolgen würden auch in das Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 1) ausstrahlen, insbesondere dadurch, dass wohl etwaige Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) im Zuge der Rückabwicklung an die Beklagte zu 2) abzutreten wären (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. A. 2016, § 358 Rnr. 22 m. w. N.).

Auch der Umfang der ggf. verbleibenden Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagte wäre somit von der Wirksamkeit des Widerrufs abhängig. Insoweit dürfte sich ggf. auch die Frage stellen, ob die verschiedenen Schuldner - zumindest soweit sich ihre Haftung auf Rückgewähr und aus Schadensersatz deckt - in einer planmäßigen rechtlichen Zweckgemeinschaft mit gleichstufiger Haftung stehen und sie deshalb trotz unterschiedlicher Schuldgründe als Gesamtschuldner anzusehen wären (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 75. A. 2016, § 421 Rnr. 6 ff.; BGH, Beschluss vom 01.02.1965 - GSZ 1/64, NJW 1965, 1175, für Architekt und Bauunternehmer).

2. Bei der Klage auf Schadensersatz wegen Fehlberatung bzw. Nichtaufklärung und der Klage auf Rückabwicklung wegen Widerrufs handelt es sich deshalb nach Auffassung des Senats um unterschiedliche Streitgegenstände.

Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle dabei alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (z. B. BGH, Urteil vom 22.10.2013 - XI ZR 42/12).

Eine Mehrheit von Streitgegenständen kann bei gleichem Antrag auch dann vorliegen, wenn die materiellrechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGH, Beschluss vom 27.11.2013 - III ZB 59/13 m. w. N.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rz. 70 m. w. N.). Voraussetzungen und Folgen der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Fehlberatung bzw. Nichtaufklärung und der zugleich von ihm geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche wegen Widerrufs unterscheiden sich jedoch, wie oben bereits dargelegt, nach Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sehr deutlich voneinander. Insbesondere steht der ggf. mit Gestaltungswirkung erklärte Widerruf vom 03.07.2012 schon zeitlich sehr deutlich außerhalb des zu Beratung und Zeichnung angeführten Lebenssachverhalts im Jahr 2004.

Auch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass der Gläubiger, der klageweise sowohl Schadensersatz statt der Leistung verlangt, als auch zurücktritt, sich hinsichtlich der Rückforderung seiner Leistung auf die §§ 346, 323 BGB, hinsichtlich des Schadensersatz statt der Leistung auf § 281 BGB stütze. Es handele sich deshalb um zwei Ansprüche, die nach Begründung, Inhalt und Verjährung getrennt zu beurteilen und als zwei Streitgegenstände zu behandeln seien (Mü-Ko, a. a. O., § 325 Rz. 37 BGB).

3. Das bedeutet nach Auffassung des Senats jedoch nicht, dass hier eine unzulässige alternative Klagehäufung vorliegen würde, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, und die deshalb gegen das Gebot des § 253 II Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, verstößt (BGH, Hinweisbeschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09; BGH, Beschluss vom 01.04.2014 - XI ZR 276/13; BGH, Urteil vom 25.04.2013 - IX ZR 62/12).

Um eine alternative Klagehäufung kann es sich hier nach Auffassung des Senats schon deshalb nicht handeln, weil Rückgewährschuldner nach Widerruf nur die Beklagte zu 2) wäre, und selbst dann wohl noch überschießende Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagte verbleiben würden, also nur ein im Ergebnis teilweise einheitliches Klagebegehren vorläge.

Wollte man das anders sehen, hätte der Kläger die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er die prozessualen Ansprüche geltend machen will, jedenfalls in der Berufungsinstanz nachgeholt (zur Zulässigkeit dieser Nachholung vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09). Die Rangfolge, in der der Kläger die Ansprüche zur Überprüfung durch das Gericht stellen will, muss auch nicht ausdrücklich benannt werden (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2013 - IX ZR 62/12 Rz. 13). Hier ist der Kläger dem Hinweis des Senats vom 03.09.2015, dass über den Widerruf wegen Vorgreiflichkeit vorab entschieden werden müsse, nicht entgegengetreten; er hat dies in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2016 vielmehr selbst für sachgerecht gehalten.

4. Ein Teilurteil darf allerdings nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. BGHZ 120, 376; BGH VersR 1996, 779; BGH VersR 1999, 734; BGHZ 107, 236; BGH FamRZ 2002, 1097). Das gilt auch bei Klagen gegen mehrere einfache Streitgenossen (BGH, Urteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02). Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. BGH, NJW 2004, 1452; BGH, Urteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98).

Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Falle nach Auffassung des Senats nicht. Der Senat wird - wie bereits im Hinweis vom 03.09.2015 angekündigt und von den Parteien nicht in Frage gestellt - das Restverfahren erst dann fortsetzen, wenn das vorliegende Teilurteil in Rechtskraft erwachsen ist. Diesen Gestaltungsspielraum räumt ihm die Zivilprozessordnung ein (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 - III ZR 141/14, Rz. 33). Damit sind widersprechende Entscheidungen ausgeschlossen. Ansonsten hätte der Senat den hier entschiedenen Streitgegenstand Widerruf gem. § 145 ZPO abtrennen und das Restverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung hierüber gem. § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit aussetzen müssen. Das hält er für unnötige Förmelei und Gebührenschinderei.

II. In der Sache hält der Senat die Auffassung des Landgerichts zur Verfristung des Widerrufes für zutreffend. Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug und führt ergänzend folgendes aus:

1. Das Landgericht hat zutreffend gesehen, dass die hier verwendeten Widerrufsbelehrungen nach der Rspr. des BGH einen inhaltlichen Fehler aufweisen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 18.3.2014 - II ZR 109/13, zum Beginn der Widerrufsfrist „frühestens“).

2. Die Beklagte kann sich jedoch auch nach Auffassung des Senats hier auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung in Anlage 2 zu § 14 I, III BGB-InfoV 2002 berufen. Danach genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 II BGB, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Verwendet der Unternehmer für die Belehrung dieses Muster, darf er in Format und

1. Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen.

a) Insoweit hat das Landgericht ebenso zutreffend wie unangegriffen festgestellt, dass die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen dem Gebot der formalen Deutlichkeit entsprechen, weil sie sich nicht im Fließtext, sondern auf einer gesonderten Seite befinden, wobei das Wort Widerrufsbelehrung zusätzlich fettgedruckt und die Belehrung als solche durch einen großen Kasten vom übrigen Text abgetrennt wurde. Die Belehrung ist danach auch ohne weiteres gut lesbar und in verschiedene Abschnitte unterteilt, die jeweils durch eine Überschrift getrennt sind.

b) Bei dieser Sachlage genügen die auch im Berufungsverfahren klägerseits weiterhin allein gerügten beiden angeblichen Abweichungen von der Musterbelehrung nach Auffassung des Senats nicht, um der Beklagten den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB-InfoV zu rauben.

(1) Dem Kläger ist insoweit zwar zuzugeben, dass sich der Unternehmer, der eine - wie hier - den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Widerrufsbelehrung verwendet, nach der Rspr. des BGH auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV nicht berufen kann, wenn er den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht; ob die Abweichungen von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen, sei dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 18.03.2014 - II ZR 109/13). Bei näherer Betrachtung der den bisherigen BGH-Entscheidungen zugrundeliegenden Belehrungen zeigt sich jedoch, dass die Abweichungen, die den BGH bisher zu einer Ablehnung der Gesetzlichkeitsfiktion bewogen haben, alles andere als unerheblich waren:

• In der der Entscheidung vom 01.12.2010, Gz. VIII ZR 82/10, zugrundeliegenden Belehrung fehlten u. a. die im Muster vorgeschriebene Überschrift und die die Belehrung gliedernden Zwischenüberschriften sowie der zweite Satz des Gestaltungshinweises 9. Außerdem war die dortige Widerrufsbelehrung nur mit großer Mühe lesbar, weil die Schrift extrem klein war und jegliche Untergliederung des Textes fehlte.

• Die in dem Urteil vom 28.06.2011, Gz. XI ZR 349/10, behandelte formularmäßige Nachbelehrung enthielt entgegen der dort maßgeblichen Musterbelehrung nach den Worten „mit Erhalt dieser Belehrung“ den Zusatz „in Textform“. In dem mit „Finanzierte Geschäfte“ überschriebenen Teil der Nachbelehrung fehlte die im Gestaltungshinweis (8) vorgesehene Passage „oder nur in verschlechtertem Zustand“. Darüber hinaus wich auch der vorletzte Satz des betreffenden Absatzes der Nachbelehrung vom Mustertext in Gestaltungshinweis (8) - „Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt“ - ab.

• In der dem Urteil vom 19.07.2012, Gz. III ZR 252/11, zugrundeliegenden Belehrung fehlte ein Teil der in der Musterbelehrung vorgesehenen Aufklärung über die Widerrufsfolgen.

• Im Urteil vom 18.03.2014, Gz. II ZR 109/13, entsprach die Belehrung deshalb nicht vollständig dem Muster, weil dort anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wurde, mithin der Fristbeginn zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wurde.

• Die dem Beschluss vom 10.02.2015, Gz. II ZR 163/14, zugrundeliegende Belehrung definierte Fernabsatzgeschäfte, was weder in der Musterbelehrung noch in dem Gestaltungshinweis 8 zu Fernabsatzgeschäften vorgesehen war. Zudem deckte sich diese Definition nicht mit der vollständigen Definition in § 312 b BGB aF und konnte deshalb auch nicht als eine unter Umständen unschädliche bloße ergänzende Wiedergabe des Gesetzestextes angesehen werden. Ferner wurde in dieser Widerrufsbelehrung auf die Regelung des § 312 c Abs. 2 BGB verwiesen. Einen Hinweis darauf sah die maßgebliche Musterbelehrung aber nicht vor.

(2) Die hier klägerseits in der Berufungsbegründung geltend gemachten Abweichungen von der Musterbelehrung hält der Senat für deutlich marginaler als diejenigen, die den BGH bisher zu einer Ablehnung der Gesetzlichkeitsfiktion bewogen haben:

(a) Angesichts des Umstands, dass hier zwei unterschiedliche „Vertragserklärungen“ existieren, für die jeweils eine eigene Widerrufsbelehrung zu geben war, hält der Senat die Ergänzung der Überschrift Widerrufsbelehrung „Nr. 2 zum Darlehensvertrag mit der HSH-N.bank“ als Verdeutlichung für sachgerecht und nicht für geeignet, der Beklagten den Schutz der Gesetzlichkeitsvermutung zu rauben.

Dass eine Zuordnung der beiden Widerrufsbelehrungen zu den beiden Verträgen zwingend erforderlich war, wird auch klägerseits nicht in Zweifel gezogen. Bei dieser Sachlage erschiene es dem Senat als reine Förmelei, zu verlangen, dass diese Zuordnung außerhalb der eigentlichen Belehrung vorgenommen wird, z. B. durch eine entsprechende Überschrift der jeweiligen Belehrung.

(b) Dass hier daneben in der Belehrung Nr. 2 zum Darlehensvertrag die Aurum Beteiligungstreuhandgesellschaft als Adressat des Widerrufs angegeben wurde, hält der Senat schon für keine Abweichung von dem Muster.

Denn laut Gestaltungshinweis 3 zur Musterbelehrung ist nach „Der Widerruf ist zu richten an“ einzusetzen: „Namen/Firma und ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten“. Dass dies zwingend das Kreditinstitut selbst sein müsste, ergibt sich daraus nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 360 Rz. 33).

Der Rspr. des BGH zufolge ist die Angabe der Anschrift des Widerrufsempfängers erforderlich, damit der Verbraucher, insbesondere wenn der am Verbrauchervertrag beteiligte Unternehmer einen Dritten als Empfangsvertreter oder Empfangsboten benannt hat, keinem Zweifel unterliegt, an wen er den Widerruf zu richten hat (vgl. BGH vom 11.04.2002, Gz. I ZR 306/99, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzesantrags des Landes Hessen zu § 1b AbzG, BR-Drucks. 90/73 und Beschluss des Bundesrates a. a. O. S. 9). Das wird in der klägerseits angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 08.02.2012, Gz. 19 U 26/11, übersehen - ist allerdings angesichts der dort festgestellten zahlreichen echten Abweichungen von der Musterbelehrung und Verstößen gegen das Deutlichkeitsgebot nicht allein tragend.

Wenn es aber nach der Rspr. des BGH zulässig ist, einen als Empfangsvertreter oder Empfangsboten benannten Dritten in der Belehrung als Widerrufsadressaten anzugeben, dann muss auch der erläuternde Zusatz hierzu „Die A. Beteiligungstreuhandgesellschaft mbH ist Bevollmächtige der HSH N.bank AG“ möglich sein, ohne dem Verwender den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion zu rauben. Ansonsten wäre nämlich für den Verbraucher überhaupt nicht nachvollziehbar, warum er den Widerruf an einen Dritten richten soll. Erst durch diesen Zusatz werden entsprechend der Rspr. des BGH Zweifel, an wen der Widerruf zu richten ist, vermieden.

Die Beklagte zu 2) hat hier somit den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung keiner eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Sie hat vielmehr die Musterbelehrung inhaltlich vollständig übernommen und sie nur durch zwei - im vorliegenden Einzelfall ebenso zutreffende wie zwingend gebotene - Erläuterungen ergänzt. Weitere Abweichungen von der Musterbelehrung wurden klägerseits - trotz des Hinweises des Senats vom 03.09.2015 - im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf den das Zivilverfahren beherrschenden Beibringungsgrundsatz (vgl. z. B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. A. 2015, Einl. I Rz. 1 ff.) hält sich der Senat weder für berechtigt noch für verpflichtet, von Amts wegen zu erforschen, ob vielleicht noch weitere Abweichungen vorhanden gewesen wären.

Daher kann sich die Beklagte zu 2) hier auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV berufen mit der Folge, dass der klägerische Widerruf verfristet ist.

3. Somit spielt es keine Rolle mehr, dass der Kläger trotz Hinweis des Senates weiterhin nicht schlüssig dargelegt hat, ob und inwieweit sich seine Berufungsanträge auch aus einem Rückgewährverhältnis nach Widerruf ergeben können sollen (vgl. OLG Celle vom 30.10.2003, 11 U 61/03).

4. Auch auf den beklagtenseits erhobenen Einwand der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs kommt es nicht mehr an. Hierzu sei deshalb nur kurz angemerkt, dass weiterhin schon nicht konkret ersichtlich ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufs das Darlehen bereits vollständig zurückgeführt hätte; in einem laufenden Vertragsverhältnis wird eine Verwirkung aber im allgemeinen kaum in Betracht kommen können. Daneben dürfte es auch am Umstandsmoment der Verwirkung fehlen. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte nach der Rspr. des BGH zum Versicherungsrecht schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30). Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des Anspruchs wohl auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11).

III. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Wie die Parteien im Termin übereinstimmend erklärt haben, sind zum streitgegenständlichen Fonds nur noch vereinzelt Rechtsstreitigkeiten anhängig. Im Übrigen beruht die vorliegende Entscheidung auch auf nicht verallgemeinerungsfähigen Besonderheiten des Parteivortrags. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen, wie oben dargelegt, bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind. Der Senat hat diese Grundsätze nur auf den Einzelfall angewandt, ohne einen abweichenden Rechtssatz aufzustellen. Eine tragende Abweichung von der klägerseits angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 08.02.2012, Gz. 19 U 26/11, liegt, wie ebenfalls oben bereits ausgeführt wurde, nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14 zitiert 16 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 346 Wirkungen des Rücktritts


(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. (2)

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung


#BJNR001950896BJNE031602377 (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 14 Unternehmer


(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. (2) Eine rechtsfähig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung


(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Handelsgesetzbuch - HGB | § 172


(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt. (2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Ha

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 325 Schadensersatz und Rücktritt


Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 145 Prozesstrennung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen. (2) Das Gl

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14 zitiert 13 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2013 - III ZB 59/13

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 59/13 vom 27. November 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GVG § 17 Abs. 2 Satz 1; IFG § 1 Abs. 1 Satz 1; VwVfG §§ 29, 13 Abs. 1; WpÜG § 48 Abs. 4 a) Macht ein Beschwerd

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2013 - IX ZR 62/12

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 62/12 Verkündet am: 25. April 2013 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 91 Abs. 1, § 1

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2012 - III ZR 252/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 252/11 Verkündet am: 19. Juli 2012 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 346 Abs.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. März 2014 - II ZR 109/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I I ZR 1 0 9 / 1 3 Verkündet am: 18. März 2014 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewe

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2002 - I ZR 306/99

bei uns veröffentlicht am 11.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am: I ZR 306/99 11. April 2002 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja .

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2011 - I ZR 108/09

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 108/09 Verkündet am: 24. März 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja TÜV Ma

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2002 - VII ZR 176/02

bei uns veröffentlicht am 19.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 176/02 Verkündet am: 19. Dezember 2002 Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10

bei uns veröffentlicht am 28.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 349/10 Verkündet am: 28. Juni 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2013 - XI ZR 42/12

bei uns veröffentlicht am 22.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 42/12 Verkündet am: 22. Oktober 2013 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BG

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2015 - III ZR 141/14

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 141/14 Verkündet am: 12. Februar 2015 B o t t Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GVG § 198 Abs.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2015 - II ZR 163/14

bei uns veröffentlicht am 10.02.2015

Tenor Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. M

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2014 - IV ZR 76/11

bei uns veröffentlicht am 07.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR76/11 Verkündet am: 7. Mai 2014 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja VVG § 5a F.: 21. Juli 1994; Zweite

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2014 - XI ZR 276/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X I Z R 2 7 6 / 1 3 vom 1. April 2014 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 765, 138 Abs. 1 Bc Zur Sittenwidrigkeit einer aus emotionaler Verbundenheit erteilten Bürgschaft
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht München Teilurteil, 11. Jan. 2016 - 19 U 3924/14.

Landgericht München II Endurteil, 03. Mai 2019 - 11 O 2908/15 Fin

bei uns veröffentlicht am 03.05.2019

Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 6.308,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2017 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiese

Referenzen

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.

*

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.

(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.

(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.

(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.

(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.

(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 42/12 Verkündet am:
22. Oktober 2013
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen
eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung steht einer Klage
auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in
demselben Beratungsgespräch entgegen.
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Pamp und die Richterin Dr. Menges

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Dezember 2011 in Ziffer I.1 und im Kostenpunkt, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist, aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 24. November 2010 wird auch in Höhe der Klageforderung von 218.061 € zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die beklagte Genossenschaftsbank (im Folgenden: Beklagte) aus abgetretenem Recht auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der N1 (im Folgenden: N1) in Anspruch.
2
Aufgrund der Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten zeichnete der Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Zedent) am 21. November 2003 eine Beteiligung an N1 im Nennwert von 240.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 12.000 €.
3
Nachdem sich der Fonds nicht den Erwartungen des Zedenten entsprechend entwickelt hatte, nahm der Zedent die Beklagte unter Berufung auf eine nicht anleger- und objektgerechte Beratung auf Schadensersatz in Höhe von 252.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung in Anspruch. Die Klage wurde vom Landgericht Mannheim durch rechtskräftiges Urteil vom 23. Januar 2008 - 3 O 40/07 - abgewiesen.
4
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin aus abgetretenem Recht des Zedenten wegen mehrerer Aufklärungs- und Beratungsfehler, u.a. erstmals wegen pflichtwidrigen Verschweigens erhaltener Rückvergütungen, von der Beklagten - sowie der nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten Zweitbeklagten - Schadensersatz in Höhe des vom Zedenten investierten Kapitals von 252.000 € zuzüglich entgangener Eigenkapitalverzinsung in Höhe von rund 48.000 € und abzüglich erlangter Fondsausschüttungen in Höhe von 33.939 € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung sowie Ersatz der für den Vorprozess entstandenen Kosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Des Weiteren hat sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung alle zukünftigen finan- ziellen Nachteile zu ersetzen, die der Zedent oder die Klägerin infolge der Zeichnung der Beteiligung noch erleiden werden, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt.
5
Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 24. November 2010 die Zahlungsanträge hinsichtlich des investierten Kapitals und der im Vorprozess entstandenen Kosten als unzulässig und hinsichtlich der entgangenen Anlagezinsen als unbegründet abgewiesen. Durch Schlussurteil vom 8. Juni 2011 hat das Landgericht dem Feststellungsantrag hinsichtlich der zukünftigen Schäden stattgegeben. Auf die Berufungen der Klägerin, mit denen sich diese gegen das Teil- und das Schlussurteil des Landgerichts gewandt hat, hat das Berufungsgericht , unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen, die Beklagte verurteilt , an die Klägerin 218.061 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung zu zahlen.
6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung des - in Höhe einer weiteren Fondsausschüttung von 2.011,52 € von der Klägerin in der Hauptsache für erledigt erklärten - Zahlungsantrags. Die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 23. April 2013 verworfen bzw. zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt hinsichtlich des Zahlungsantrages zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2012, 1026 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse , im Wesentlichen ausgeführt:
9
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts stehe der Zulässigkeit der Zahlungsklage nicht die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils entgegen. Bei dem zu beurteilenden Beratungsgespräch handele es sich zwar um einen einheitlichen Vorgang. Dieser Umstand führe jedoch nicht zwangsläufig zur Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes. So habe etwa der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bei Vorliegen von verschiedenen Aufklärungs - oder Beratungsfehlern entschieden, dass jede Pflichtverletzung verfahrensrechtlich gesondert zu behandeln sei (Urteil vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09). In gleicher Weise habe der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mehrfache Pflichtverletzungen eines anwaltlichen Beraters im Zusammenhang mit der Führung eines Prozesses für den Anspruchsteller als selbständige Streitgegenstände eingestuft (Urteil vom 13. März 2008 - IX ZR 136/07).
10
Auch im Streitfall sei nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze jenseits des Verjährungsrechts jede einzelne Pflichtverletzung als gesonderter Streitgegenstand zu betrachten, denn der zur Substantiierung des Klagebegehrens erforderliche Sachverhalt sei jeweils ein anderer. Daher gehörten zum Streitgegenstand des Vorprozesses alle Tatsachen im Zusammenhang mit der behaupteten fehlerhaften Aufklärung über konkrete Anlagerisiken des empfohlenen Filmfonds. Demgegenüber betreffe die vorliegende Klage mit dem Vorwurf , die Beklagte habe erhaltene Rückvergütungen pflichtwidrig verschwiegen, einen anderen Klagegrund.
11
Der Klägerin stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche im Wesentlichen auch zu. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Zedenten auf die ihr zufließende Umsatzprovision aus dem Investitionsbetrag hinzuweisen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Zedenten das Beteiligungskapital einschließlich Agio in Höhe von 252.000 € abzüglich der empfangenen Fondsausschüttungen von 33.939 € zu ersetzen. Die geltend gemachten Ansprüche auf entgangene Anlagezinsen und Ersatz der im Vorprozess entstandenen Kosten sei dagegen unbegründet.

II.

12
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der auf Ersatz des investierten Kapitals abzüglich erlangter Fondsausschüttungen gerichtete Zahlungsantrag der Klägerin ist unzulässig.
13
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegensteht (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Januar 1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287, 288 f.; vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 und vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 16, jeweils mwN).
14
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Streitgegenstand des auf Ersatz des investierten Kapitals gerichteten Zah- lungsantrags sei nicht mit dem Streitgegenstand des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Mannheim vom 23. Januar 2008, das gemäß § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen die Klägerin wirkt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 - VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360, 364), identisch.
15
a) Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 17 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14, jeweils mwN). Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 51; vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 19 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14, jeweils mwN).
16
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht nur das auf Ersatz des investierten Kapitals des Zedenten gerichtete Rechtsschutzbegehren, das im Vergleich zum Vorprozess lediglich um erlangte Fondsausschüttungen gemindert wurde, sondern auch der von der Klägerin vorgetragene Anspruchsgrund, aus dem sie die begehrte Rechtsfolge herleitet, mit dem Vorprozess identisch. Die Klägerin stützt ihr Rechtsschutzbegehren wie bereits der Zedent im Vorprozess auf die vermeintlich unzureichende Beratung und Aufklärung des Zedenten durch den Mitarbeiter S. der Beklagten in den der Anlageentscheidung bezüglich N1 vorausgegangenen Beratungsgesprächen. Allein die Ergänzung dieses aus dem Vorprozess bekannten Tatsachenvortrags durch den Umstand, dass - auch - die Rückvergütung nicht oder nur unzureichend offenbart wurde, ändert den bereits im Vorprozess zur Entscheidung gestellten Sachverhalt nicht in seinem Kerngehalt und begründet deshalb keinen neuen Streitgegenstand.
17
Die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung stellt, wie auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann (so auch OLG München, Urteil vom 22. April 2013 - 19 U 4963/12, nicht veröffentlicht, Umdruck S. 5 ff.; Wolff, WuB I G 1. Anlageberatung 9.12; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2010 - 23 U 243/08, Umdruck S. 12 f.; a.A. wohl noch OLG München, WM 2008, 581, 588).
18
Der vom Anleger im Schadensersatzprozess wegen unzureichender Aufklärung und Beratung zur Entscheidung gestellte Lebensvorgang wird, unabhängig von den konkret vorgeworfenen Aufklärungs- oder Beratungsmängeln, vielmehr durch die Gesamtumstände der Beratungssituation gekennzeichnet (vgl. auch BGH, Urteile vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204, 1206 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 15; vgl. auch Urteil vom 11. November 1994 - V ZR 46/93, WM 1995, 266, 267). Die vom Berater erteilten - oder gar unterlassenen - Informationen stellen keine selbständigen Geschehensabläufe, sondern Bestandteile der einheitlich zu betrachtenden Beratung dar. Ob dem Anleger ein zutreffendes Bild von der Kapitalanlage vermittelt worden ist oder nicht, kann auch nur aufgrund einer Zusammenschau der verschiedenen Informationen des Beraters während der gesamten Beratung beurteilt werden (vgl. zu Prospektangaben Senatsurteil vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 23 mwN). Der Berater kann insbesondere im Verlauf der Beratung unzutreffende Angaben berichtigen oder unzureichende Informationen präzisieren. Schließlich hängen die aufklärungspflichtigen Umstände und eine anlegergerechte Empfehlung auch von den Angaben des Anlegers während des - gesamten - Verlaufs der Beratung ab.
19
Die Annahme verschiedener Streitgegenstände je nachdem, welchen Vorwurf der Anleger erhebt, führte daher nicht nur zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, sondern wäre auch mit den mit dem Institut der Rechtskraft verfolgten Zielen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 1993 - I ZB 14/91, BGHZ 123, 30, 34) nicht zu vereinbaren. Der Anleger könnte die vermeintlich unzureichende Aufklärung und Beratung durch den Anlageberater durch die bloße Ergänzung einzelner Tatsachen oder vermeintlich aufklärungspflichtiger Risiken bei ansonsten unverändertem Geschehensablauf wiederholt zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren machen. Gegenstand jedes neuen Prozesses und etwaiger Beweisaufnahmen wäre wiederholt der Inhalt der (gesamten) Beratung.
20
b) Dass sich der erforderliche Klagevortrag je nach geltend gemachter Pflichtverletzung in Einzelheiten unterscheidet, rechtfertigt, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht die Annahme gesonderter Streitgegenstände.
21
Der zur Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Anspruchsgrund geht über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage ausfüllen, hinaus. Die Parteien bestimmen zwar über den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt (Beibringungsgrundsatz). Es können deshalb nicht alle Tatsachen zum Klagegrund gerechnet werden, die das konkrete Rechtschutzbegehren objektiv zu stützen geeignet, im Vortrag des Klägers aber nicht einmal angedeutet sind und von seinem Standpunkt aus auch nicht vorgetragen werden mussten (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 21). Die Parteien können den Streitgegenstand durch Gestaltung ihres Vortrags jedoch nicht - bewusst oder unbewusst - willkürlich begrenzen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 und vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 21). Von der Rechtskraft werden daher sämtliche materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des Antrags aus dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BGH, Urteile vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 21 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 15), unabhängig davon, ob sämtliche rechtserheblichen Tatsachen des Lebensvorgangs vorgetragen werden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 f.; vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204, 1205 f. und vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 21).
22
Sofern das materielle Recht zusammentreffende Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet, kann das zwar im Einzelfall bei der Bestimmung des Streitgegenstandes berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, insoweit nicht in BGHZ 122, 363 abgedruckt; vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152 und vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13). Ob die Bank Aufklärungs- oder Beratungspflichten verletzt hat, lässt sich jedoch, wie ausgeführt, nur aufgrund einer Betrachtung der Gesamtumstände der Beratung beurteilen, ohne dass sich diese in selbständige Geschehensabläufe aufspalten ließe. Verschiedene Aufklärungs - und Beratungsdefizite sind deshalb zwar gegebenenfalls einer eigenständigen materiell-rechtlichen Bewertung zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 19) und können jeweils für sich den Schadensersatzanspruch begründen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2011 - III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111 Rn. 9 aE), bleiben aber dennoch Bestandteil eines - in tatsächlicher Hinsicht - einheitlichen Lebensvorgangs.
23
c) Das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2008 (IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rn. 24) steht der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat dort zwar das Fehlverhalten des Rechtsanwalts bei der Empfehlung der Klageerhebung als gesonderten Streitgegenstand beurteilt, der weder das Fehlverhalten bei der inhaltlichen Abfassung der Klage noch die (unterlassene) Empfehlung zur Einlegung von Rechtsmitteln umfasse. Anders als vorliegend betrafen diese Pflichtverletzungen jedoch verschiedene Verfahrensstadien und damit selbständige Geschehensabläufe. Entsprechendes gilt für das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2008 (VII ZR 46/07, VersR 2008, 942 Rn. 16 und 19). Danach steht die Rechtskraft einer Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen einen Architekten wegen Nichtausführung einer Ausführungsplanung einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen Fehlern bei der gesondert zu beurteilenden Entwurfsplanung, Bauüberwachung und Abnahme des Bauwerks dann nicht entgegen, wenn aus dem Vortrag im ersten Prozess eindeutig hervorgeht, dass ausschließlich die fehlende Ausführungsplanung Gegenstand des Rechtsstreits war. Davon unterscheidet der vorlie- gende Fall sich grundlegend. Hier fehlt es an einer ausdrücklichen Beschränkung des ersten Rechtsstreits auf eine bestimmte Pflichtverletzung. Außerdem betreffen die im Urteil vom 24. Januar 2008 (VII ZR 46/07, VersR 2008, 942 Rn. 16 und 19) behandelten Pflichtverletzungen in zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Stadien der Tätigkeit des Architekten, während im vorliegenden Fall sämtliche der beklagten Bank vorgeworfene Pflichtverletzungen in einem Beratungsgespräch , das einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, erfolgt sein sollen.
24
d) Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum gesonderten Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen, die auf mehrere abgrenzbare Aufklärungs- oder Beratungsfehler gestützt werden (vgl. BGH, Urteile vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89 Rn. 16 f.; vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372 Rn. 14; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, WM 2010, 1690 Rn. 13 und vom 1. März 2011 - II ZR 16/10, WM 2011, 792 Rn. 13), folgt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nichts anderes.
25
Der Verjährung gemäß §§ 194 ff. BGB unterliegt der materiell-rechtliche Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB (MünchKomm/Grothe, BGB, 6. Aufl., § 194 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 194 Rn. 2; Erman/SchmidtRäntsch , BGB, 13. Aufl., § 194 Rn. 8). Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand ist dagegen nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 17 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14 mwN). Der Streitgegenstand kann daher mehrere materiell-rechtliche Ansprüche umfassen (Erman/SchmidtRäntsch , BGB, 13. Aufl., § 194 Rn. 8), die grundsätzlich jeweilseigenständiger Verjährung unterliegen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300 und vom 24. Juni 1992 - VIII ZR 203/91, BGHZ 119, 35, 41 sowie MünchKomm/Grothe, BGB, 6. Aufl., § 195 Rn. 46 ff. mwN). Aus dem materiell-rechtlichen Institut der Anspruchsverjährung können deshalb keine Rückschlüsse auf den prozessualen Streitgegenstand gezogen werden.
26
e) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur beschränkten Revisionszulassung rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtungsweise.
27
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision zwar auf eine von mehreren zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Anlageberatung vorgetragenen Pflichtverletzungen beschränkt werden (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 18 f. sowie Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 f. und vom 16. April 2013 - XI ZR 332/12, juris Rn. 6). Daraus folgt jedoch, entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, nicht, dass jede einzelne Pflichtverletzung einen gesonderten Streitgegenstand begründet. Der Bundesgerichtshof hat die wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ausdrücklich nicht davon abhängig gemacht, dass verschiedene Streitgegenstände vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 aE und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4 aE). Darüber hinaus hatte der Bundesgerichtshof bereits für die Revisionszulassung nach § 546 Abs. 1 ZPO a.F. die Beschränkung auf Teile eines einheitlichen prozessualen Anspruchs gebilligt (BGH, Urteile vom 12. Januar 1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 154 f. und vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615 sowie Beschluss vom 10. Januar 1979 - IV ZR 76/78, NJW 1979, 767). Ähnlich wie beim Teilurteil, dessen Voraussetzungen freilich nicht vorliegen müssen (BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 aE und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4 aE), ist Voraussetzung der beschränkten Revisionszulassung lediglich die Selbständigkeit eines Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 18 sowie Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4). Wie sich aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO ergibt, hängt selbst der Erlass eines Teilurteils nicht von der Mehrheit der prozessualen Ansprüche ab (vgl. MünchKomm/Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 301 Rn. 6 mwN). Die Voraussetzungen einer beschränkten Revisionszulassung gehen darüber nicht hinaus.

III.

28
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung durch den Senat reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
29
Zutreffend hat das Landgericht den hier noch rechtshängigen Zahlungsantrag als unzulässig abgewiesen. Ob im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils vorlagen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 f. mwN), kann, wenngleich in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BGH, aaO Rn. 19 ff.), dahinstehen. Nunmehr ist nur noch der Zahlungsantrag in Höhe von 218.061 € rechtshängig, ein etwaiger Verfahrensfehler wäre somit jedenfalls prozessual überholt (vgl. auch BGH, Urteile vom 10. Juli 1991 - XII ZR 109/90, NJW 1991, 3036 und vom 28. November 2002 - VII ZR 270/01, WM 2003, 1428, 1429). Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Teilurteil vom 24. November 2010 ist daher zurückzuweisen.
Wiechers Joeres Ellenberger Pamp Menges
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 08.06.2011 - 6 O 52/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.12.2011 - 17 U 259/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 59/13
vom
27. November 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Macht ein Beschwerdeführer geltend, er könne in seiner Eigenschaft als Beteiligter
an einem Verfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Akteneinsicht
nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG verlangen, so ist gegen die ablehnende Verfügung
der Bundesanstalt gemäß § 48 Abs. 4 WpÜG der ordentliche Rechtsweg
eröffnet.

b) Bei einem auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Anspruch auf Informationszugang
(§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG) und einem auf der Grundlage der
§§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG geltend gemachten Akteneinsichtsrecht handelt es
sich um verschiedene prozessuale Ansprüche. Eine rechtswegüberschreitende
Entscheidungskompetenz gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG des für den
Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zuständigen Gerichts auch für das Akteneinsichtsrecht
nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG besteht daher nicht.
BGH, Beschluss vom 27. November 2013 - III ZB 59/13 - OLG Frankfurt/Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2013 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink
und Dr. Remmert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Februar 2013 - WpÜG 3 und 4/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten über den Rechtsweg für einen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG.
2
Der Beschwerdeführer war im Jahr 2010 Aktionär der D. P. AG. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 beantragte er nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Beschwerdegegnerin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Gewährung von Akteneinsicht in die Unterlagen , welche die Beschwerdegegnerin über die P. -Übernahme durch die D. B. AG habe. Die Beschwerdegegnerin gab diesem Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 teilweise bezüglich näher bezeichneter Unterlagen statt und lehnte das Begehren im Übrigen ab.
3
Der Beschwerdeführer hatte zwischenzeitlich mit Schreiben vom 19. November 2010 Widerspruch gegen die Gestattung des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots der D. B. AG durch die Beschwerdegegnerin eingelegt. In dem Schreiben beantragte er nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG Einsicht in die Unterlagen, welche die Beschwerdegegnerin über die P. - Übernahme durch die D. B. AG habe. Diesen Antrag lehnte die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 25. November 2010 ab.
4
Die gegen die Bescheide vom 25. November 2010 und 3. Dezember 2010 gerichteten Widersprüche des Beschwerdeführers wies die Beschwerdegegnerin mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011 zurück. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einlegung der Beschwerde bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwiesen. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin zunächst mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 21. Februar 2011 Klage bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, mit der er sein Akteneinsichtsgesuch nach dem Informationsfreiheitsgesetz weiterverfolgte. Ebenfalls mit am selben Tag, jedoch zeitlich nach der Klage bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schreiben vom 21. Februar 2011 legte er Beschwerde bei dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ein, mit der er seine Akteneinsichtsbegehren nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG und dem Informationsfreiheitsgesetz weiterverfolgte.
5
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erklärte mit Beschluss vom 24. August 2011 den Verwaltungsrechtsweg für zulässig. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdegegnerin wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 zurück. Die weitere Beschwerde der Beschwerdegegnerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. September 2012 (NVwZ 2012, 1563 = ZIP 2012, 2319) zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main beantragt. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den ordentlichen Rechtsweg wegen des Anspruchs auf Akteneinsicht nach §§ 13, 29 VwVfG für zulässig erklärt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer seinen Verweisungsantrag vom 30. Oktober 2012 weiter.

II.


6
1. Die Beschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist eine Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff ZPO oder jedenfalls als solche zu behandeln (Senat, Beschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 2/04, NJW-RR 2005, 142; BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02, BGHZ 152, 213, 214 f; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 17a GVG Rn. 29). Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Oberlandesgericht erstmals eine Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 2 bis 4 GVG getroffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - XI ZB 5/02, NJW 2003, 433, 434; Stein/Jonas/Jacobs aaO § 17a GVG Rn. 28; MüKoZPO/ Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 33).
7
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8
a) Das Oberlandesgericht hat in Bezug auf die Klage auf Gewährung des Informationszuganges nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) eine Bindungswirkung des rechtskräftigen, den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2011 angenommen. Ein gerichtliches Verfahren, in dem ein Aktionär einen Anspruch auf Akteneinsicht in die behördlichen Akten eines Verwaltungsverfahrens zur Erteilung einer Befreiung an einen Bieter nach §§ 35, 37 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822) als Drittbetroffener auf § 29 VwVfG stütze, werde jedoch von der abdrängenden, den ordentlichen Rechtsweg eröffnenden Sonderzuweisung nach § 48 Abs. 4 WpÜG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO umfasst.
9
Hieran ändere die im Verwaltungsrechtsweg rechtskräftig getroffene Entscheidung über die bestehende dortige Zuständigkeit hinsichtlich der Prüfung eines Akteneinsichtsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz nichts. Der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG sei nicht eröffnet, da es sich bei dem Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheits- gesetz und dem Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG um unterschiedliche Streitgegenstände handele. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2012, in dem eine Identität des Streitgegenstands offen gelassen worden sei.
10
Auch eine (teilweise) Verweisung des Verfahrens hinsichtlich des auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Verpflichtungsbegehrens komme nicht in Betracht, weil dieser Anspruch vor dem Verwaltungsgericht bereits rechtshängig sei.
11
b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12
aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Oberlandesgericht angenommen, dass für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich der ordentliche Rechtsweg gemäß § 48 Abs. 4 WpÜG eröffnet ist. Die Bestimmung des § 48 Abs. 4 WpÜG ist eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO (Santelmann in Steinmeyer, WpÜG, 3. Aufl., § 48 Rn. 2; MüKoAktG/Wackerbarth/Kreße, 3. Aufl., § 48 WpÜG Rn. 2; Döhmel in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 3). Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 4 WpÜG die Gerichtszuständigkeit bei dem Oberlandesgericht am Sitz der Beschwerdegegnerin konzentriert, um divergierende Entscheidungen und Gesetzesauslegungen verschiedener Rechtswege zu vermeiden und der Sachnähe zum Verfahren der Fusionskontrolle Rechnung zu tragen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034 S. 64 f). Um dieser Intention gerecht zu werden, ist die Sonderzuweisung in § 48 Abs. 4 WpÜG weit auszulegen (Döhmel aaO § 48 Rn. 52; Louven in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 3). Sie umfasst sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die Verfügungen oder sonstige hoheitliche Handlungen der Beschwerdegegnerin im Rahmen der ihr nach dem Wertpapiererwerbs - und Übernahmegesetz zugewiesenen Aufgaben betreffen einschließlich hiermit in Zusammenhang stehender Nebenverfahren (vgl. Louven aaO; KK-WpÜG/Pohlmann, 2. Aufl., § 48 Rn. 21). Nach dieser Maßgabe unterfällt auch der auf eine Verfahrensbeteiligung und damit auf §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG gestützte Akteneinsichtsanspruch der Sonderzuweisung des § 48 Abs. 4 WpÜG. Das Akteneinsichtsrecht eines Beteiligten an dem Verfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz steht in einem engen Zusammenhang mit dem betreffenden Verfahren selbst. Es dient der Verwirklichung der Rechte des Beteiligten und ist im Verhältnis zu diesen Rechten nur ein Annex. Nebenansprüche, die nur einen Annex zu dem Hauptrecht des Beteiligten darstellen, folgen indes in der Rechtswegfrage denselben Regeln wie das Hauptrecht. Eine für letzteres geltende Rechtswegzuweisung ist daher auch auf die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechts zu erstrecken (vgl. zu einem Auskunftsanspruch, der als Hilfs- oder Nebenanspruch zum Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wird, Senat, Urteil vom 25. September 1980 - III ZR 74/78, BGHZ 78, 274, 276 ff).
13
bb) Die Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG fällt vorliegend auch nicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG in die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Ihm fällt damit eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz zu.
14
(1) Diese setzt indes voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit gesondert zu prüfen (Senat , Urteil vom 28. Februar 1991 - III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 2; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 17 Rn. 55; Hk-ZPO/Rathmann, 5. Aufl., § 17 GVG Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl., § 17 GVG Rn. 5; Stein/Jonas/Jacobs aaO § 17 GVG Rn. 16). Ziel der Änderung des § 17 Abs. 2 GVG war es, in Fällen , in denen der Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Grundlagen gestützt ist, das angerufene Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe zu verpflichten, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist. Würde diese Erweiterung der Entscheidungskompetenz hingegen auch bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche die Zulässigkeit des Rechtswegs für sämtliche prozessuale Ansprüche begründen, wäre der Rechtswegmanipulation durch beliebige Klagehäufungen Tür und Tor geöffnet. Dass der Gesetzgeber dies in Kauf nehmen wollte, ist nicht ersichtlich (Senat, Urteil vom 28. Februar 1991 aaO).
15
(2) Bei dem auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Anspruch auf Informationszugang und dem auf der Grundlage der §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG geltend gemachten Akteneinsichtsrecht handelt es sich - wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannt hat - um verschiedene Streitgegenstände mit der Folge, dass eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG nicht gegeben ist (verschiedene Streitgegenstände annehmend auch HessVGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 6 B 1926/11, juris Rn. 30 ff; ablehnend Dauernheim/ Schörnig, EWiR 2013, 283, 284 sowie - für das IFG NRW - VG Düsseldorf, GesR 2012, 489, 490; für das Verhältnis von § 25 SGB X zu § 1 IFG ebenfalls bejahend Keller, jurisPR-SozR 15/2012 Anm. 6; a.A. insoweit - jedoch ohne Begründung - LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2010 - L 16 B 9/09 SV, juris Rn. 13).
16
(a) Streitgegenstand eines Rechtsstreits ist nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (sogenannter zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff, vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2006 - III ZB 36/06, NJW-RR 2006, 1502 Rn. 8; BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, NJW-RR 2009, 790 Rn. 17 und vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50). Auch im Fall eines einheitlichen Klageantrags können daher mehrere Streitgegenstände vorliegen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antrag auf mehrere Sachverhalte und Ansprüche gestützt wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., Einleitung Rn. 74).
17
(b) Vorliegend sind zwar die durch den Beschwerdeführer formulierten Anträge, mit denen ein Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz einerseits und ein Akteneinsichtsanspruch nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits geltend gemacht werden, inhaltlich im Wesentlichen identisch. Mit beiden Anträgen begehrt der Beschwerdeführer Einsicht in die Unterlagen, die der Beschwerdegegnerin über die P. -Übernahme durch die D. B. AG vorliegen. Eine Mehrheit von Streitgegenständen kann jedoch bei gleichem Antrag auch dann vorliegen, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (Senat, Urteile vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173 und vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152; BGH, Urteile vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13 und vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, juris Rn. 22, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Das ist vorliegend der Fall.
18
Das Oberlandesgericht hat zu Recht auf die grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen dem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Akteneinsichtsrecht gemäß § 29 VwVfG hingewiesen. Das Informationsfreiheitsgesetz begründet unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren ein allgemeines Informationszugangsrecht für jedermann, das nicht nur hinsichtlich der Zugangsarten, der Anspruchsvoraussetzungen und der Grenzen eine besondere gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat, sondern für das auch hinsichtlich seiner Gewährung ein eigenständiges, im Informationsfreiheitsgesetz geregeltes Verwaltungsverfahren vorgesehen ist (§§ 7 ff IFG; vgl. dazu Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 17). Dagegen besteht das Akteneinsichtsrecht gemäß der spezialgesetzlichen Regelung des § 29 VwVfG ausschließlich im Rahmen eines konkreten Verwaltungsverfahrens. Es dient den Akteneinsicht Begehrenden zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen als Beteiligte im Sinne von § 13 Abs. 1 VwVfG. Das Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG ist mithin - als Annex zu den Hauptrechten der Beteiligten (s.o. zu aa) - untrennbar mit dem Verwaltungsverfahren selbst verbunden , innerhalb dessen es geltend gemacht wird.
19
Diese bedeutenden funktionellen und strukturellen Unterschiede zwischen dem Informationszugangsrecht nach dem Informationsfreiheitsgesetz einerseits und dem Akteneinsichtsrecht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits dürfen bei der Frage eines einheitlichen prozessualen Anspruchs nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Sichtweise, die in der vorliegenden spezifischen Konstellation ausschließlich auf den Wortlaut des Klageantrags abstellt, greift zu kurz, da sie den vorgenannten Unterschieden und Besonderheiten der Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG nicht hinreichend Rechnung trägt.
20
Zudem ist zu bedenken, dass mit der Neufassung des § 17 Abs. 2 GVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) zwar eine rechtswegüberschreitende Entscheidungskompetenz in dem Sinn begründet worden ist, dass das angerufene Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich umfassend entscheidet, sofern der der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist (Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung , BT-Drucks. 11/7030 S. 37). Diese für den zu entscheidenden Einzelfall sinnvolle und prozessökonomische Lösung darf indes nicht dazu führen, dass der Rechtsweg in bestimmten Konstellationen vollständig zur Disposition der Parteien steht (vgl. zu diesem für die Bestimmung der Reichweite von § 17 Abs. 2 GVG maßgeblichen Gesichtspunkt: Senat, Urteil vom 28. Februar 1991 aaO). Insbesondere wäre es mit der spezialgesetzlichen Regelung eines - das Informationszugangsrecht nach § 1 Abs. 3 IFG nicht verdrängenden - Akteneinsichtsrechts und der daraus oder aus einer gesetzlichen Sonderzuweisung wie § 48 Abs. 4 WpÜG (vgl. auch § 63 Abs. 4 GWB, § 75 Abs. 4 EnWG) folgenden Zuständigkeit der entsprechenden Fachgerichte nicht vereinbar, wenn mittels der gleichzeitigen Geltendmachung des allgemeinen Informationszugangs- rechts nach dem Informationsfreiheitsgesetz systematisch die Entscheidungskompetenz der sachnäheren Gerichtsbarkeit unterlaufen und eine übergreifende Entscheidungskompetenz für Akteneinsichtsrechte der für Informationsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz zuständigen Gerichtsbarkeit begründet werden könnte. Eine solche, zur Disposition der Parteien stehende Verlagerung der Entscheidungskompetenz droht indes bei Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands im Fall von Ansprüchen nach § 1 IFG und §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG, zumal hier ein Anspruch nach § 1 IFG nicht nach § 1 Abs. 3 IFG verdrängt und auch im Übrigen selten von vornherein offensichtlich nicht gegeben sein wird (zu diesem eine rechtswegübergreifende Entscheidungskompetenz ausschließenden Gesichtspunkt vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 1990 - III ZR 166/89, BGHR GVG § 17 Teilverweisung 2 - Zivildienstverhältnis; Zöller/Vollkommer aaO § 17 GVG Rn. 8).
21
Die vorgenannten funktionellen und strukturellen Unterschiede und die Gefahr einer zur Disposition der Parteien stehenden Aushöhlung der Entscheidungskompetenz der sachnäheren Gerichtsbarkeit für das spezialgesetzlich geregelte Akteneinsichtsrecht stehen nach Auffassung des Senats der Annahme eines einheitlichen prozessualen Anspruchs im Fall des Informationszugangsrechts gemäß § 1 IFG einerseits und des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits entgegen. Eine Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main gemäß § 17 Abs. 2 GVG auch betreffend den Anspruch nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG besteht danach nicht.
22
(3) Die Bestimmung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist in Bezug auf den Anspruch aus §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Bindungswirkung des § 17a Abs. 1 GVG anwendbar. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Septem- ber 2012 - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht mit Bindungswirkung eine rechtswegübergreifende Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 17 Abs. 2 GVG auch für den Anspruch aus § 29, 13 Abs. 1 VwVfG festgestellt. Es hat vielmehr, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, ausdrücklich offen gelassen, ob die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG demselben Streitgegenstand zuzuordnen sind und damit auch über den Anspruch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden ist (BVerwG, ZIP 2012, 2319, 2320; so auch Kräft, GWR 2012, 492). Zwar hat es eine Identität des Streitgegenstands für den Fall erwogen, dass der Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 IFG auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist. Zugleich hat es jedoch in Betracht gezogen, dass bei einem Verpflichtungsbegehren der Streitgegenstand nicht allein durch die begehrte Rechtsfolge und den Klagegrund bestimmt, sondern auch durch die gesetzliche Anspruchsgrundlage präzisiert und umgrenzt wird. Es hat diese - aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblichen - Fragen jedoch nicht vertieft.
23
Die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, eine einheitliche Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand werde dadurch gewährleistet , dass das Gericht, bei dem ein Verfahren zuerst rechtshängig geworden sei, nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG rechtswegüberschreitend über sämtliche Anspruchsgrundlagen entscheiden könne, beruhen auf der hypothetischen Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands. Diesen hat es indes - wie ausgeführt - in Bezug auf die Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gerade nicht festgestellt.
24
(4) Der Verweisungsantrag des Beschwerdeführers wäre im Übrigen auch dann unbegründet, wenn - entgegen den vorstehenden Ausführungen - die Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29, 13 Abs. 1 VwVfG einen einheitlichen Streitgegenstand bilden würden. In diesem Fall hätte das vom Beschwerdeführer früher angerufene Verwaltungsgericht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch über den Akteneinsichtsanspruch nach § 29, 13 Abs. 1 VwVfG zu entscheiden. Damit aber wäre die Rechtshängigkeit hinsichtlich dieses Anspruchs zuerst beim Verwaltungsgericht eingetreten, so dass die beim Oberlandesgericht später eingereichte Beschwerde auf Grund doppelter Rechtshängigkeit unzulässig wäre. Das in der bereits bestehenden Rechtshängigkeit des prozessualen Anspruchs begründete, von Amts wegen zu beachtende Prozesshindernis würde zur Verwerfung der Beschwerde als unzulässig und nicht zu einer Verweisung in den anderen bereits beschrittenen Rechtsweg führen (Kissel/Mayer aaO § 17 Rn. 16; MüKoZPO/Zimmermann aaO § 17 GVG Rn. 8).
25
cc) Der Rechtsstreit ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch nicht zur Vermeidung divergierender Entscheidungen über das Akteneinsichtsbegehren durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit einerseits und das Oberlandesgericht andererseits an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Abweichende Entscheidungen zu verschiedenen Streitgegenständen sind jederzeit möglich und unbedenklich. Selbst bei Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands und der daraus folgenden Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit wären unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der beiden geltend gemachten, sich in ihren Voraussetzungen und insbesondere ihren Ausnahmeregelungen unterscheidenden Anspruchsgrundlagen ohne weiteres möglich.
26
3. Der Verweisungsantrag des Beschwerdeführers ist nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Es verbleibt vielmehr hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG bei der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gemäß § 48 Abs. 4 WpÜG.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanz:
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 18.02.2013 - WpÜG 3 und 4/11 -

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 108/09 Verkündet am:
24. März 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
TÜV

a) Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren
aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet
und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es
die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen.

b) Hat der Kläger mehrere Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung
verfolgt, kann er die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er
die prozessualen Ansprüche geltend machen will, noch in der Berufungsoder
der Revisionsinstanz nachholen.

c) Nimmt der Kläger die Bestimmung erst in der Revisionsinstanz vor, kann
der auch im Prozessrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben den
Kläger in der Wahl der Reihenfolge in der Weise beschränken, dass er zunächst
die vom Berufungsgericht behandelten Streitgegenstände zur Entscheidung
des Revisionsgerichts stellen muss.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass die Klage wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig ist, wenn sie nicht nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen eine Reihenfolge bestimmt, in der die bislang alternativ geltend gemachten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) verfolgt werden.

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagten wegen der beanstandeten Benutzung der Bezeichnung TÜV aus den drei Klagemarken und ihrem Unternehmenskennzeichen hergeleitet und eine Verletzung dieser Kennzeichen durch eine identische Verwendung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), durch Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und durch eine Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung ihrer bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) geltend gemacht. Eine Reihenfolge, in der die Prüfung erfolgen soll, hat sie nicht bestimmt.
2
1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren danach auf verschiedene Streitgegenstände gestützt.
3
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. - Reinigungsarbeiten). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. = WRP 2001, 804 - Telefonkarte; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 60 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Rn. 56 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; zum Urheberrecht: BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 17 = WRP 2007, 996 - Staatsgeschenk ). Zu erwägen ist auch, ob mehrere Streitgegenstände trotz gleichen Klagebegehrens nicht auch bei einem einzelnen Kennzeichenrecht vorliegen können. Werden aus einem Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG als auch wegen Bekanntheitsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG geltend gemacht, könnte es sich um zwei Streitgegenstände handeln, weil zur Begründung der Ansprüche Lebenssachverhalte vorgetragen werden müssen, die sich grundlegend unterscheiden (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 698).
4
b) Im Streitfall liegen danach unterschiedliche Streitgegenstände jedenfalls insoweit vor, als die Klägerin aus vier Klagezeichen vorgeht. Darüber hinaus kommen möglicherweise auch insoweit verschiedene Streitgegenstände in Betracht, als die Klägerin einerseits Ansprüche wegen Verwechslungsgefahr der Kollisionszeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und andererseits wegen einer Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung bekannter Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) verfolgt. Dass im Verhältnis zum Verwechslungsschutz - wie die Anschlussrevision meint - die Geltendmachung identischer Verletzungen der Marken im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und die identische Benutzung des Unternehmenskennzeichens nach § 15 Abs. 2 Fall 1 MarkenG weitere Streitgegenstände darstellen, begegnet dagegen Bedenken und ist eher zu verneinen. Die Frage kann derzeit aber offenbleiben.
5
c) Der Senat geht davon aus, dass die verschiedenen Streitgegenstände von der Klägerin in den Vorinstanzen nicht kumulativ, sondern alternativ geltend gemacht worden sind. In der Revisionsinstanz kann die Klägerin nicht mehr von der alternativen zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04, BGHZ 170, 152 Rn. 30).
6
2. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Kläger ein einheitliches Klagebegehren alternativ auf mehrere Streitgegenstände stützen und dem Gericht die Auswahl des Klagegrundes überlassen kann. Teilweise wird angenommen, die alternative Klagehäufung sei zulässig. Mehrere prozessuale Ansprüche sollen danach unter der auflösenden Bedingung geltend gemacht werden können, dass einem von ihnen stattgegeben wird (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2008, 55; OLG Köln, GRUR-RR 2010, 202; Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 23a; Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 260 Rn. 15; Götz, GRUR 2008, 401, 407; Bergmann, GRUR 2009, 224, 225; v. UngernSternberg , GRUR 2009, 1009, 1012; Schwippert, Festschrift Loschelder, 2010, 345, 348 ff.). Nach dieser Ansicht muss das Gericht bei einer alternativen Klagehäufung über sämtliche Streitgegenstände entscheiden, wenn es die Klage ganz oder teilweise abweist. Dagegen kann es sich bei einer die Klage zusprechenden Entscheidung darauf beschränken, einen der Klagegründe, den es als durchgreifend erachtet, auszuwählen und die Entscheidung auf diesen Klage- grund zu stützen, der dementsprechend allein in Rechtskraft erwächst (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1279).
7
Nach anderer Ansicht soll die alternative Klagehäufung unzulässig sein (vgl. OLG München, OLG-Rep 2003, 37; OLG-Rep 2003, 179; OLG Hamm, Urteil vom 3. August 2009 - 8 U 237/07 Rn. 66, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 7 U 82/07 Rn. 13, juris; Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 7; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1954, 90; Wieczorek /Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 260 Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Büscher aaO § 322 Rn. 139; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Einl. Rn. 74; Zöller/ Greger aaO § 260 Rn. 5; Berneke, WRP 2007, 579, 585 f.). Auch bei einem einheitlichen Rechtsschutzbegehren soll die alternativ auf verschiedene Klagegründe gestützte Klage nicht hinreichend bestimmt sein.
8
Der Senat hat zwar in der Vergangenheit die alternative Klagehäufung, bei der ein einheitliches Rechtsschutzbegehren auf verschiedene Klagegründe gestützt wird, nicht beanstandet (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urteil vom 5. November 2008 - I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 = WRP 2009, 831 - Stofffähnchen; GRUR 2010, 642 - WMMarken ). Er stimmt jedoch nunmehr der zuletzt genannten Ansicht zu.
9
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und werden die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) bestimmt. Dies erfordert auch der Schutz des Beklag- ten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können (vgl. BGHZ 154, 342, 349 - Reinigungsarbeiten). Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands (BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216). Hierfür ist es entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Beklagten den Willen des Klägers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen, im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639, 640). Der Kläger muss aber die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Dazu gehört bei mehreren Streitgegenständen auch die Benennung der Reihenfolge, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden. Der Bundesgerichtshof sieht es deshalb als unabdingbar an, dass bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden, genau anzugeben ist, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719; Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142 Rn. 7). Der Kläger kann die Auswahl, über welche selbständigen Ansprüche bis zur Höhe der eingeklagten Forderung entschieden werden soll, nicht dem Gericht überlassen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347).
10
Nichts anderes hat bei der Verfolgung eines einheitlichen Klagebegehrens zu gelten, das aus mehreren Schutzrechten oder mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen hergeleitet wird, sofern sie verschiedene prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) bilden und nicht kumulativ verfolgt werden. In einem solchen Fall muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will. Für den Beklagten bleibt ansonsten bis zu einem Urteil bei einer alternativen Klagehäufung unklar, ob das Gericht die Verurteilung nur auf einen oder auf mehrere Streitgegenstände stützen wird. Die Frage, ob der Beklagte nur aufgrund eines Streitgegenstands oder aufgrund mehrerer Streitgegenstände verurteilt wird, ist für die Reichweite der Verurteilung aber von Bedeutung. Hat das Gericht etwa einen Verbotsausspruch auf mehrere Kennzeichenrechte der klagenden Partei gestützt - wie dies im Streitfall geschehen ist -, lässt das Erlöschen eines der Kennzeichenrechte den Verbotsausspruch unberührt. Dagegen kann der Beklagte mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Unterlassungstitel vorgehen, wenn die Verurteilung nur auf ein Kennzeichenrecht gestützt und dieses erloschen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 47/07, GRUR 2010, 156 Rn. 28 f. = WRP 2010, 266 - EIFEL-ZEITUNG). Nichts anderes gilt, wenn das Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung gerichtet ist, die der Kläger alternativ unter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter beanstandet. Auch in einem solchen Fall entscheidet das Gericht mit der Auswahl des Streitgegenstands über die Reichweite des Verbots. Denn je nachdem, auf welchen Streitgegenstand das Gericht das Verbot der einheitlichen Werbung stützt, beurteilt sich, was der Beklagte an der beanstandeten Werbung ändern muss, um nicht gegen das ausgesprochene Verbot zu verstoßen. Mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist aber nicht zu vereinbaren, dass die Reichweite des Verbots der Wahl des Gerichts überlassen bleibt.
11
b) Für die Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung spricht auch der allgemeine Rechtsgedanke der "Waffengleichheit" der Parteien im Prozess. Die alternative Klagehäufung benachteiligt den Beklagten in seiner Rechtsverteidigung im Verhältnis zum Kläger. Der Beklagte muss sich, will er nicht verurteilt werden, gegen sämtliche vom Kläger im Wege der alternativen Klagehäufung verfolgten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) zur Wehr setzen. Dagegen kann der Kläger sein Klagebegehren auf eine Vielzahl von prozessualen Ansprüchen stützen, ohne dass für ihn damit ein zusätzliches Prozesskostenrisiko verbunden ist. Der Beklagte hat auch dann die gesamten Prozesskosten zu tragen, wenn der Kläger im Rahmen des einheitlichen Klagebegehrens nur mit einem aus einer Vielzahl alternativ zur Entscheidung gestellter Streitgegenstände durchdringt. In der Praxis führt dies bei einem Vorgehen aus Schutzrechten und bei der Verfolgung von Ansprüchen aufgrund wettbewerbsrechtlicher Tatbestände wegen des fehlenden zusätzlichen Prozesskostenrisikos zu einer Häufung von Streitgegenständen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 183/07, GRUR 2010, 642 = WRP 2010, 764 - WM-Marken). Bestimmt der Kläger die Reihenfolge nicht, in der das Gericht die Prüfung der einzelnen Streitgegenstände vorzunehmen hat, erschließt sich dem Beklagten auch nicht ohne weiteres, gegen welchen aus einer Vielzahl von Streitgegenständen er seine Rechtsverteidigung in erster Linie richten muss.
12
c) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der V. Zivilsenat hat eine alternative Klagehäufung zwar bei einer Mehrheit von Klagegründen in einem Fall zugelassen, in dem der Kläger seine Ansprüche sowohl auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch als auch auf einen verschuldensabhängigen Deliktsanspruch gestützt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374). In diesem Zusammenhang hat er maßgeblich darauf abgestellt, dass die Ansprüche nicht nur von den Voraussetzungen, sondern auch von den Folgen verschieden waren und der Kläger den Anspruch nur einmal geltend machen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 167; NJW-RR 1997, 1374). Davon kann aber bei den hier fraglichen Fällen der alternativen Klagehäufung keine Rede sein, die auf identische Folgen gerichtet sind und bei de- nen der Kläger die nicht beschiedenen Streitgegenstände in einem weiteren Prozess aufgreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 Rn. 23 - Markenparfümverkäufe).
13
3. Da der Senat die alternative Klagehäufung in der Vergangenheit nicht beanstandet hat, müssen die Parteien Gelegenheit haben, zur Frage der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung Stellung zu nehmen (§ 139 ZPO). Die Klägerin muss zudem die Möglichkeit erhalten anzugeben, in welcher Reihenfolge sie ihr Klagebegehren im Hinblick auf die verschiedenen Streitgegenstände stützt. Eine entsprechende Klarstellung wäre bereits in der Klage geboten gewesen. Sie kann aber noch im Laufe des Verfahrens, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 195; Urteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 137/58, ZZP 78 (1960) 463, 465). Die klagende Partei ist grundsätzlich in der Bestimmung der Reihenfolge frei, in der sie die unterschiedlichen Streitgegenstände zur Überprüfung stellt. Eine Einschränkung in der Wahl der Reihenfolge kann sich aber in der Revisionsinstanz nach dem auch im Verfahrensrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben ergeben (vgl. BVerfGE 104, 220, 232; BGH, Beschluss vom 25. März 1965 - V BLw 25/64, BGHZ 43, 289, 292; Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345, 349). Die Klägerseite kann danach daran gehindert sein, in der Revisionsinstanz ihre Ansprüche in erster Linie auf einen Streitgegenstand zu stützen, den das Berufungsgericht bei der bislang unbeanstandet gebliebenen alternativen Klagehäufung seiner Verurteilung nicht zugrunde gelegt hat. Denn wählt die Klagepartei in der Revisionsinstanz vorrangig einen Streitgegenstand aus, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, weil die Partei dem Berufungsgericht die Auswahl zwischen den Streitgegenständen überlassen hatte, macht dies eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erforderlich, die vermieden werden kann, wenn die Klägerseite das Klagebegehren vorrangig aus einem Streitgegenstand herleitet, den das Berufungsgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat.
14
Nachdem das Berufungsgericht sich nur mit Ansprüchen aufgrund des Bekanntheitsschutzes der deutschen Marken Nr. 1005648 und Nr. 30412680.2 und des Unternehmenskennzeichens der Klägerin befasst, nur hierzu Feststellungen getroffen und die Verurteilung der Beklagten nur hierauf gestützt hat, wird es unter diesen Umständen naheliegen, dass die Klägerin diese Streitgegenstände - gestaffelt - in erster Linie zur Beurteilung durch das Revisionsgericht stellt.
15
II. Zur Stellungnahme - auch zur Frage, ob der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden kann - wird eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses bestimmt.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.03.2008 - 37 O 51/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2009 - I-20 U 87/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I Z R 2 7 6 / 1 3
vom
1. April 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Sittenwidrigkeit einer aus emotionaler Verbundenheit erteilten Bürgschaft
bei hintereinander geschalteten Bürgschaftsverträgen.
BGH, Beschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 276/13 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers, die Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger und Dr. Matthias sowie die
Richterin Dr. Menges
am 1. April 2014

beschlossen:
Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. April 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Wiedereinsetzung, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 40.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Bürgschaft in Anspruch.
2
Die Beklagte unterzeichnete unter dem 5. Januar 2002, 29. Juli 2002 und 16. September 2003 Erklärungen über eine "[b]etragsmäßig beschränkte Bürgschaft" , in denen sie sich zunächst in Höhe von 41.000 € und sodann in Höhe von 45.000 € für Forderungen der Klägerin gegen den Lebensgefährten der Beklagten (künftig auch: Hauptschuldner) verbürgte.
3
Am 17. November 2005 unterschrieb sie ein auf den 15. November 2005 datiertes Formular über eine "[b]etragsmäßig beschränkte Bürgschaft", das einen Höchstbetrag von 40.000 € auswies und sich auf eine Forderung der Klägerin gegen den Lebensgefährten aus einem näher bezeichneten "Kontokorrentkredit" bis 70.000 € und aus einem bestimmt bezeichneten Darlehen über gut 5.000 € bezog. Dieser Erklärung der Beklagten lag eine Selbstauskunft vom 6. Oktober 2005 zugrunde, in der sie unter anderem ihr monatliches Nettoarbeitseinkommen mit 322 €, monatliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit knapp 945 €, den Wert eines (tatsächlich in ihrem Alleineigentum stehenden ) Wohngrundstücks mit "Vermögen gemeinsam Haus H. ca. 225.000 €" und die Summe ihrer Verbindlichkeiten gegenüber einer anderen Bank mit etwas über 171.000 € angegeben hatte.
4
Im Februar 2007, unter dem 27. April 2009 und unter dem 1. April 2011 auf einem Formular vom 24. März 2011 erklärte die Beklagte erneut eine "[b]etragsmäßig beschränkte Bürgschaft" jeweils über 40.000 €, wobei als Hauptschuld (nur noch) eine Forderung der Klägerin aus einem konkret bezeichneten "Kontokorrentkredit" mit wechselndem Kreditrahmen - Februar 2007: bis 80.000 €, April 2009: bis 110.000 €, April 2011: bis 120.000 € - bezeichnet war.
5
Im Januar 2012 kündigte die Klägerin die "Geschäftsverbindung" zum (inzwischen insolventen) Hauptschuldner. Anschließend nahm sie die Beklagte als Bürgin in Anspruch.
6
Ihrer auf Zahlung von 40.000 € nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben, wobei es die Verpflichtung der Beklagten aus dem Bürgschaftsvertrag von November 2005 hergeleitet hat.
7
Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht den Hinweis erteilt, es beabsichtige, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus der Bürgschaft von November 2005 zu. Der im November 2005 zwischen den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag habe eine selbständige Verpflichtung der Beklagten begründet und nicht nur die in den Jahren 2002 und 2003 übernommene Verpflichtung bestätigt. Der Bürgschaftsvertrag sei auch nicht wegen einer krassen finanziellen Überforderung der Beklagten sittenwidrig und nichtig. Dabei könne der tatsächliche Wert des Wohngrundstücks der Beklagten dahinstehen. Denn die Beklagte habe in ihrer Selbstauskunft vom 6. Oktober 2005 angegeben, über Grundeigentum im Wert von "ca. 225.000 €" zu verfügen. Abzüglich "der noch valutierenden Darlehen von ca. 171.350 €" habe sie nach eigenen Angaben noch "über freies Vermögen von über 50.000 €" verfügt, das sie zur vollständigen Tilgung der Bürgschaftsverbindlichkeit habe nutzen können. Damit sei "die Vermutung für eine subjektiv anstößige Ausnutzung" der emotionalen Verbundenheit der Beklagten bei Begründung einer übermäßig finanziell belastenden Personalsicherheit durch die Klägerin widerlegt, weil sie von einer krassen finanziellen Überforderung der Beklagten keine Kenntnis ge- habt habe. Dass die Beklagte ihre Angabe zum Wert des Wohngrundstücks mit dem Zusatz "ca." versehen habe, sei unschädlich, weil sie damit lediglich ihr Unvermögen zum Ausdruck gebracht habe, "eine - betragsmäßig - genaue Angabe" zu machen. Die zum Erwerb und zur Sanierung des Wohngrundstücks ursprünglich aufgenommenen Darlehen legten die Richtigkeit der Schätzung der Beklagten nahe. Wertabschläge für einen (nicht absehbaren) "Notverkauf" des Wohngrundstücks oder eine (ebenfalls nicht abschätzbare) Vorfälligkeitsentschädigung im Verhältnis zum dritten Darlehensgeber auf den Wert der Immobilie habe die Klägerin nicht machen müssen.
8
Nach Stellungnahme der Beklagten zu diesen Hinweisen hat das Berufungsgericht wie angekündigt entschieden. Ergänzend hat es ausgeführt: An der Wirksamkeit der Bürgschaftsverpflichtung ändere es nichts, wenn die Bürgschaft von November 2005 durch spätere Bürgschaften in den Jahren 2007, 2009 und 2011 ersetzt worden sei bzw. sämtliche zwischen den Parteien geschlossenen Bürgschaftsverträge seit November 2005 nicht nur ändernden, sondern schuldneuschaffenden Charakter gehabt hätten. Die Klägerin nehme die Beklagte "nicht aus der Bürgschaft vom 17. […] [November] 2005, sondern allgemein aus der 'Bürgschaft über € 40.000 […]'" in Anspruch. Bis in das Jahr 2012 hätten sich die Kriterien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten aus Sicht der Klägerin nicht geändert, so dass sämtliche Verträge bis zu dem des Jahres 2011 vor § 138 Abs. 1 BGB Bestand hätten.
9
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

II.

10
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, weil sie nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat fristgerecht sowohl die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt als auch begründet hat (§§ 233, 234 Abs. 1 und 2 ZPO).
11
2. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516). Aus demselben Grund ist er gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
12
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 60, 247, 249; 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kennt- nis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 22, 267, 274; 54, 86, 91 f.; 79, 51, 61; 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.).
13
b) Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
14
Das Berufungsgericht hat erstmals in seinem die Berufung zurückweisenden Beschluss nicht mehr - wie zuvor noch in seinem Hinweisbeschluss im Anschluss an die Entscheidung des Landgerichts - einen Anspruch der Klägerin (nur) aus dem Bürgschaftsvertrag von November 2005, sondern "allgemein aus der 'Bürgschaft über € 40.000 […]'" abgeleitet. Dabei hat es sämtliche Rechtsgeschäfte bis April 2011 als "neue Verträge" qualifiziert bzw. unterstellt, dass der Bürgschaftsvertrag von November 2005 "durch die späteren Bürgschaften" von Februar 2007, April 2009 und April 2011 "ersetzt worden" sei. Damit ist in dritter Instanz zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Vereinbarung von April 2011 als maßgeblich für die Herleitung ihrer Verpflichtung angesehen hat. Zugleich hat das Berufungsgericht angenommen , die Klägerin habe "die Vermutung für eine subjektiv anstößige Ausnutzung durch Nachweis der fehlenden Kenntnis" von einem "möglichen krassen Missverhältnis widerlegt", weil sie sich auf die Angaben der Beklagten in ihrer Selbstauskunft vom 6. Oktober 2005 habe verlassen dürfen. "[B]is zur - erst später erteilten - neuen Selbstauskunft vom 30. […] [Juni] 2012" hätten "sich die Kriterien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten aus Sicht der Klägerin nicht geändert".
15
Dabei hat das Berufungsgericht, für das die eigene Einschätzung der Beklagten in Bezug auf ihre Vermögenslage von zentraler Bedeutung für seine Argumentation zu § 138 Abs. 1 BGB war, übersehen, dass die Beklagte bereits in erster Instanz in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 und erneut in ihrer Stellungnahme zu den Hinweisen des Berufungsgerichts mit Schriftsatz vom 25. März 2013 auf ihre Selbstauskunft vom 4. November 2010 - also vor April 2011 - hingewiesen hatte, in der die "Summe der Verkehrswerte" von Immobilien mit "ca. 125.000" € beziffert war und diesem Wert Verbindlichkeiten von über 143.000 € gegenübergestellt waren. Diese Selbstauskunft hat sie zwar entgegen der Bezugnahme im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 nicht als dessen Anlage 11b, wohl aber bereits mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2012 ohne Benennung im Anschluss an die dortige Anlage B 11 vorgelegt. Das Berufungsgericht hat diesen aus seiner Warte in einem zentralen Punkt entscheidungserheblichen Vortrag ebenso außer Acht gelassen wie das in der Berufungsbegründung unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten, die Klägerin selbst habe aufgrund einer Besichtigung im Jahr 2008 den Wert des Grundstücks auf 125.000 € taxiert.
16
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.). Das ist der Fall, weil das Berufungsgericht maßgeblich darauf abgestellt hat, die Klägerin habe bis Ende Juni 2012 keinen Anlass gehabt, die Leistungsfähigkeit der Beklagten neu und anders zu beurteilen.
17
d) Die Zurückweisung der Berufung kann mit keiner anderen Begründung Bestand haben (BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47 f.; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 543 Rn. 9k). Insbesondere lässt sie sich nicht mit dem Argument halten, bei unterstellter Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der Schuldum- oder -neuschaffungen im April 2011 und April 2009 stehe der Klägerin (wenigstens) ein Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag von Februar 2007 zu, so dass es auf Erkenntnisse der Klägerin aufgrund einer Selbstauskunft der Beklagten vom 4. Oktober 2010 bzw. aufgrund einer im Jahr 2008 er- stellten eigenen Bewertung nicht ankomme. Denn bei einer Verpflichtung aus Bürgschaftsvertrag von Februar 2007, der überdies möglicherweise durch einen Folgevertrag aufgehoben wurde, handelte es sich um einen anderen Streitgegenstand (vgl. MünchKommZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 322 Rn. 144). Zudem fehlen tragfähige Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB, weil die Klägerin sich - unbeschadet der Frage, welche Wirkungen der Erklärung für einen Vertragsschluss Ende 2005 zukam - mehr als ein Jahr später nicht auf die Richtigkeit der am 6. Oktober 2005 gemachten Angaben verlassen durfte.
18
3. Das Berufungsgericht wird in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung das Rangverhältnis der Klagegründe, auf die die Klägerin ihr Begehren stützt, zu klären haben (Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids: "Bürgschaft gem. Vertrag vom 06.06.00"; Anspruchsbegründungsschrift: 2007, 2009 und 2011 "bestätigt[e]" Bürgschaft vom "17.11.2005"; Schriftsatz vom 28. November 2012: "Bürgschaftsverpflichtung vom 17.11.2005"). Weil es sich bei der Herleitung eines Zahlungsanspruchs aus mehreren selbständigen Bürgschaftsverträgen um mehrere Streitgegenstände handelt, kann wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 308 Abs. 1 und § 322 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 166) nicht offen bleiben, auf welcher vertraglichen Vereinbarung zwischen Gläubiger und Bürge und auf welcher Hauptschuld (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 30; BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 167) die Verurteilung beruht. Eine alternative Klagenhäufung, die es dem Berufungsgericht überlässt, aus der Kette der Bürgschaftsverträge den herauszusuchen , den es als Verpflichtungsgrund gelten lassen will, ist unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff.; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 18; Urteil vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12, WM 2013, 1040 Rn. 12).
19
Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls weiter Anlass haben zu prüfen , ob den Vereinbarungen von 2007, 2009 und 2011 tatsächlich - wie in dritter Instanz zugunsten der Beklagten zu unterstellen - schuldum- oder -neuschaffende Wirkung zukommt. Es wird dabei die von der Beklagten als Anlagen BK 8 bis 11 vorgelegten Schreiben der Klägerin zu bewerten haben, in denen es unter Bezugnahme auf "gegenüber uns neu übernommene[…] Bürgschaften" heißt, jeweils vorangehend erteilte Bürgschaften seien "entwertet zu unseren Akten genommen" worden. Ob die Parteien einen Änderungsvertrag, eine Schuldum- oder eine Schuldneuschaffung gewollt haben (dazu BGH, Urteil vom 8. März 2012 - IX ZR 51/11, WM 2012, 857 Rn. 22; MünchKommBGB/ Emmerich, 6. Aufl., § 311 Rn. 15; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 311 Rn. 8 ff.), ist durch Auslegung zu ermitteln. Wegen der weitreichenden Folgen einer Schuldum- oder -neuschaffung muss ein dahingehender Vertragswille deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen. Wenn Zweifel verbleiben, ist regelmäßig nur von einem Änderungsvertrag auszugehen (BGH, Urteil vom 14. November 1985 - III ZR 80/84, WM 1986, 135, 136; Urteil vom 8. März 2012 aaO Rn. 23; Palandt/Grüneberg aaO Rn. 8 mwN). Der Umstand, dass eine Erweiterung des Kreditlimits des Hauptschuldners wegen § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht ohne weiteres zulasten des Bürgen wirkt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 34; Urteil vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 155 f.; Urteil vom 3. November 2005 - IX ZR 181/04, BGHZ 165, 28, 34), zwingt nicht zu der Annahme, die Parteien hätten bei jeder Erweiterung der Kreditlinie eine Schuldum- oder -neuschaffung vorgenommen. Eine Haftungserweiterung kann auch Gegenstand einer (bloßen ) Abänderung des Bürgschaftsvertrages in der Form des § 766 BGB sein (vgl. MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 767 Rn. 10), sofern die Identität der Hauptschuld gewahrt bleibt (vgl. MünchKommBGB/Habersack, aaO Rn. 3).
20
Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass einzelne der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen (lediglich) Änderungsverträge zum Gegenstand hatten, wird es die Untersuchung der Frage, ob der Bürgschaftsvertrag wegen krasser finanzieller Überforderung der Beklagten sittenwidrig und damit nichtig ist, auf den Ausgangsvertrag bezogen zu beantworten haben, sofern die Änderungsverträge lediglich eine Anpassung der Bürgschaft an den Umfang der Hauptschuld und nicht den Umfang der Bürgschaft selbst zum Gegenstand hatten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74, WM 1977, 399, 400; RGZ 86, 296, 298 f.).
21
Bei der Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB wird zu bedenken sein, dass eine krasse finanzielle Überforderung ausscheidet, wenn die Bürgenschuld durch den Wert eines dem Bürgen gehörenden Grundstücks abgedeckt ist (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331 f.). Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nur der im Einzelfall effektiv verfügbare Sicherungswert des Grundeigentums in Ansatz zu bringen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf dem Grundeigentum ruhende dingliche Belastungen sind wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, BGHZ 151, 34, 38 f.; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648 und vom 24. November 2009 - XI ZR 332/08, WM 2010, 32 Rn. 15; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 91 Rn. 98), wobei ausgehend von diesem Zeitpunkt der Umfang der dinglichen Belastung bei Eintritt des Sicherungsfalls zu prognostizieren ist (Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 765 BGB Rn. 93). Darlegungs- und beweispflichtig dafür, die von ihr übernommene Bürgschaft habe bei Stellung der Personalsicherheit ihre Leistungsfähigkeit bei weitem überschritten, ist die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206, 217; Federlin in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht , 4. Aufl., Rn. 12.261; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweis- last - BGB Schuldrecht BT II, 3. Aufl., § 765 Rn. 4; Senatsurteil vom 24. November 2009 - XI ZR 332/08, WM 2010, 32 Rn. 16 betrifft die Darlegungslast für eine voraussehbare nachträgliche Wertsteigerung). Wertangaben des Bürgen in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrages erteilten Selbstauskunft, die seine objektiv krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen lassen, widerlegen die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Gläubigers nicht ohne weiteres (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1988 - III ZR 30/87, BGHZ 104, 102, 108; Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 93/93, BGHZ 125, 207, 212 f., 217; Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2158; Sack/Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, § 138 Rn. 387; großzügiger MünchKommBGB /Habersack, 6. Aufl., § 765 Rn. 25 a.E.; Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 765 BGB Rn. 98 mwN zur obergerichtlichen Rechtsprechung ; zur wahrheitswidrigen Selbstauskunft Hoffmann in Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2013, Kap. 29 Rn. 28 a.E.). Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 aaO S. 217). Das bedarf für die Selbstauskunft vom 6. Oktober 2005 näherer Überprüfung, da sie mittels der Wendungen "gemeinsam" und "ca." auf exakte Angaben verzichtete und damit schon aus sich heraus zu Zweifeln an ihrer Verlässlichkeit Anlass gab.
22
Sofern das Berufungsgericht dahin gelangen sollte, die Bürgenschuld sei durch den Wert des der Beklagten gehörenden Grundstücks nicht abgedeckt, wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob die Beklagte bei Abschluss des vom Berufungsgericht als maßgeblich ermittelten Bürgschaftsvertrages (wenigstens) in der Lage war, die Zinslast aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens , bei dessen Ermittlung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit zu berücksichtigen sind, bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft zu tra- gen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2013 - XI ZR 82/11, WM 2013, 608 Rn. 9 ff. mwN).
Wiechers Joeres Ellenberger Matthias Menges

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 27.12.2012 - 21 O 297/12 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 09.04.2013 - 9 U 7/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 62/12
Verkündet am:
25. April 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach Ablauf der in § 110 Abs. 1 InsO genannten Frist kann sich die Unwirksamkeit
einer Vorausverfügung allein aus den allgemeinen Vorschriften ergeben.
BGH, Urteil vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte Stadt veräußerte ein Grundstück an eine Gesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin), damit diese darauf ein Stadthaus errichte. Die Stadt sollte das Grundstück von der Schuldnerin mieten und es nach Ablauf einer fünfundzwanzigjährigen Mietdauer zurückerwerben. Entsprechend diesen Plänen schlossen die Vertragsparteien im Herbst 1997 einen Mietvertrag. Darin vereinbarten sie eine monatliche Miete in Höhe von 43.127,25 DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung. Die Beklagte verpflichtete sich, die Mieten unter Verzicht auf jedwede Einwendungen und Einreden an die Rechtsvorgängerin der klagenden Bank (fortan nur Klägerin) auf ein Konto der Schuldnerin bei die- ser zu zahlen. Das Mietverhältnis begann am 12. November 1997 und sollte spätestens am 11. November 2022 enden.
2
Die Schuldnerin finanzierte das Projekt durch die Klägerin, die von ihr die Mietansprüche gegen die Beklagte aus dem Mietvertrag durch Forfaitierungsvertrag von November 1997 kaufte und abgetreten erhielt. Mit Einredeverzichtserklärung vom 12. November 1997 übernahm die Beklagte gegenüber der Klägerin die unwiderrufliche Verpflichtung zur uneingeschränkten und termingerechten Zahlung der im Mietvertrag vereinbarten monatlichen Mieten bis zur Höhe der vereinbarten Gesamtmietforderung unabhängig vom Bestand des Mietverhältnisses und etwaiger Einreden und Einwendungen aus dem Mietverhältnis. Die Aufsichtsbehörde genehmigte die Sonderfinanzierungsmaßnahme; die Einredeverzichtserklärung erachtete sie als nicht genehmigungsbedürftig.
3
Die Beklagte zahlte die geschuldeten Mieten bis Juni 2003 wie im Mietvertrag vereinbart. Am 13. Juni 2003 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Streithelferin als Insolvenzverwalterin bestellt. Diese forderte die Beklagte auf, die Mieten ab Juli 2003 an die Masse zu zahlen. Seitdem entrichtete die Beklagte die vertraglich vereinbarten Mieten an ein Treuhandkonto der Streithelferin.
4
Mit der Klage verlangt die Klägerin aus eigenem und aus abgetretenem Recht die rückständigen Mieten ab Juli 2003 bis Dezember 2007 in Höhe von 924.075,01 € zuzüglich Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der diese die Mieten für das Jahr 2008 in Höhe von 240.000 € zuzüglich Zinsen beansprucht hat, hat es zurückgewiesen.
Die Klägerin will mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erreichen , dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt und die Beklagte auf ihre Anschlussberufung verurteilt wird, an sie die rückständigen Mieten für das Jahr 2008 nebst Zinsen zu zahlen.

Entscheidungsgründe:


A.


5
Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.
6
Das Berufungsgericht hat die Revision im Urteilsausspruch ohne beschränkenden Zusatz zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt , die Revision werde zugelassen, weil die Frage, ob die Vorschrift des § 110 InsO auch bei einem "Sale-and-lease-back" Anwendung finde, noch nicht entschieden sei. Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht auf diese Frage beschränkt.
7
Allerdings kann die Beschränkung der Zulassung der Revision - auch nach der Rechtsprechung des Senats - in den Gründen des angefochtenen Urteils erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615; vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716; Beschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 5 ff; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435 Rn. 11). Voraussetzung hierfür ist, dass die Beschränkung rechtlich zulässig ist und sie sich klar und eindeutig aus dem Berufungsurteil ergibt (BGH, Urteil vom 7. Juli 1983, aaO; vom 3. März 2005, aaO; vom 8. März 2006 - IV ZR 263/04, FamRZ 2006, 777 f; vom 10. Mai 2012, aaO). Jedenfalls an der zweiten Voraussetzung fehlt es.
8
Gegenstand des Mietvertrages ist ein von der Schuldnerin errichtetes und refinanziertes Mietobjekt. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Schuldnerin als Vermieterin und Forderungsverkäuferin, der Beklagten als Mieterin und der Klägerin als finanzierender Bank sind durch eine Vielzahl von Verträgen geregelt worden, die aufeinander aufbauen und wechselseitige Bezüge entfalten. Bei diesem komplexen Sach- und Streitstand hat das Berufungsgericht nicht mit der gebotenen Deutlichkeit ausgesprochen, dass es nur für einen Teil des Streitgegenstandes den Weg zum Revisionsgericht eröffnen wollte. Mit den Ausführungen in den Gründen hat es vielmehr nur dargelegt, warum es die Revision zugelassen hat. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob sich - was ebenfalls zweifelhaft ist - eine Beschränkung der Revision auf einen abtrennbaren Teil der Klageforderung bezogen hätte.

B.


9
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


10
Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in ZIP 2012, 1523 veröffentlicht ist, hat die Klage für zulässig, aber unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt, der Klägerin stünden die geltend gemachten Mietforderungen weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht zu. Der Einredever- zichtserklärung könne nicht entnommen werden, dass die Beklagte für jeden Fall die Mieten statt an den Vermieter an die finanzierende Bank zu leisten gehabt habe. Eine selbstständige und unwiderrufliche Garantie habe die Beklagte gegenüber der Klägerin gerade nicht abgegeben, weil die Aufsichtsbehörde hiergegen Bedenken erhoben habe. Mit der Einredeverzichtserklärung habe die Beklagte der Klägerin gegenüber nur die Verpflichtungen bestätigt, die sie bereits im Mietvertrag übernommen gehabt habe. Der Mietvertrag selbst enthalte keinen Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB, in ihm habe die Beklagte nur die Verpflichtung zur Erfüllung direkt an die Klägerin übernommen. Die Vorausabtretung im Forfaitierungsvertrag sei nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. Diese Vorschrift bezwecke die Erhaltung der Masse; damit werde klargestellt, dass die Immobilie und ihre Nutzungen als Teil der Masse nach Verfahrenseröffnung der Befriedigung der Gläubiger dienten. Soweit die Masse dem Mieter das unbewegliche Mietobjekt zur weiteren Nutzung überlassen müsse, stehe ihr die ungeschmälerte Miete zur Verfügung. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der zwischen der Beklagten und der Schuldnerin geschlossene Vertrag trotz seiner Bezeichnung als Mietvertrag rechtlich als Leasingvertrag zu qualifizieren sei. Auch bei einem "Sale-and-lease-back" erwerbe der Leasinggeber das Objekt vom Leasingnehmer, der es weiter nutzen wolle. Jedenfalls beim Immobilienleasing seien die §§ 108 bis 112 InsO anzuwenden, wenn die Leasingphase vor der Verfahrenseröffnung eingesetzt habe.

II.


11
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
12
1. Die Klage ist zulässig erhoben. Es liegt insbesondere kein Falleiner - unzulässigen - alternativen Klagehäufung vor. Eine sogenannte Alternativklage , bei der dem Gericht wahlweise zwei gleichrangige Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt werden, verstößt gegen den in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO normierten Bestimmtheitsgrundsatz. Sie ist unzulässig, weil sich bei einer Entscheidung die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht bestimmen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff mwN).
13
Zwar hat die Klägerin ihre Ansprüche auf zwei selbständige prozessuale Ansprüche gestützt, indem sie die geltend gemachten Ansprüche auf die Mieten zum einen aus dem voraus abgetretenen Recht der Schuldnerin und damit aus dem Mietvertrag herleitet, zum anderen aus eigenem Recht, nämlich aus der Einredeverzichtsvereinbarung mit der Beklagten vom 12. November 1997. Auch hat sie ausdrücklich eine Rangfolge, in der sie die Ansprüche zur Überprüfung durch das Gericht stellen wollte, nicht benannt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011, aaO Rn. 10 f). Ihrer Klageschrift ist jedoch noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sie ihren Anspruch zuvörderst auf die Vereinbarung vom 12. November 1997 und damit auf einen Anspruch aus eigenem Recht und erst in zweiter Linie auf einen ihr abgetretenen Anspruch aus dem Forfaitierungsvertrag stützt. Denn sie hat ausgeführt, dass die Beklagte mit der sogenannten Einredeverzichtserklärung eine schuldunabhängige Einstandspflicht begründet und damit einen eigenständigen Schuldgrund geschaffen habe , so dass dahinstehen könne, ob § 110 InsO auf die Abtretung im Forfaitierungsvertrag Anwendung finde.
14
Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus § 3 Abs. 5 des Mietvertrages herleitet, nach dem sich die Beklagte als Mieterin verpflichtet hat, Miet- und Schadensersatzforderungen an die Klägerin unter Verzicht auf jegliche Einreden und Einwendungen zu zahlen, handelte es sich nicht um einen selbstständigen Streitgegenstand, sondern um eine andere rechtliche Begründung innerhalb der vorgenannten Ansprüche.
15
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Mieten aus eigenem Recht nach Auslegung von Mietvertrag und Einredeverzichtserklärung zu Recht verneint.
16
aa) Die Auslegung von Willenserklärungen und von Vertragsbestimmungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (BGH, Urteil vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840 Rn. 9). Sofern das Berufungsgericht solche Auslegungsregeln und Erfahrungssätze nicht verletzt hat, ist seine Auslegung für das Revisionsgericht bindend (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 178/05, NZI 2007, 407 Rn. 22).
17
bb) Die Auslegung des Berufungsgerichts, § 3 Abs. 5 des Mietvertrages begründe neben der in § 5 des Forfaitierungsvertrages erfolgten Abtretung der Mietansprüche der Schuldnerin an die Klägerin keinen direkten Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit dieser Vereinbarung wollten die Parteien des Mietvertrages sicherstellen, dass die Beklagte die Mietzahlungen unabhängig von Einwendungen und Einreden aus dem Mietvertrag an die Zessionarin, die Klägerin, erbrachte; die in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Mietvertrages normierte Vorleistungspflicht der Beklagten sollte auch auf diese Fälle erstreckt werden. Ihre Gegenrechte hatte sie nach § 3 Abs. 5 Satz 2 des Mietvertrages allein gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Schuldnerin, zu verfolgen. Hierdurch sollten nach den Grundsätzen des § 328 Abs. 2 BGB für die Klägerin als Zessionarin keine weitergehenden Rechte begründet werden. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Beklagte die Mieten nicht unmittelbar an die Klägerin, sondern auf ein bei der Klägerin geführtes Konto der Schuldnerin überweisen sollte. Der Revision kann daher nicht zugegeben werden, es liege eine die Beklagte gemäß § 790 BGB bindende Anweisung nach §§ 783, 784 BGB vor, die Mieten an die Klägerin zu zahlen.
18
Auch die an dem Projekt Beteiligten - die Klägerin als finanzierende Bank, die Schuldnerin als Bauträgerin, Käuferin und Vermieterin und die Beklagte als Bauherrin und Mieterin - sind bei Abschluss der Verträge - Kauf-, Miet- und Forfaitierungsvertrag - nicht davon ausgegangen, die Beklagte hätte bereits in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages gegenüber der Klägerin im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter ein abstraktes Schuld- oder Garantieversprechen abgegeben, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist. Denn sonst hätte die Klägerin, der der Mietvertrag bekannt war, nicht darauf gedrängt , von der Beklagten den Einredeverzicht von November 1997 zu erhalten. Noch im laufenden Rechtsstreit hat die Klägerin ihren Anspruch auf diese Vertragsklausel zunächst nicht gestützt; erst das Landgericht hat diese Klausel als echten Vertrag zugunsten der Klägerin ausgelegt.
19
cc) Ebenso rechtsfehlerfrei ist die Auslegung der Einredeverzichtserklärung vom 12. November 1997 durch das Berufungsgericht, aus ihr ergebe sich ein eigener Zahlungsanspruch der Klägerin ebenfalls nicht.

20
Der Wortlaut der Erklärung ist nicht eindeutig und deswegen auslegungsbedürftig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1999 - XII ZR 208/96, NZM 1999, 371, 372). Das Berufungsgericht hat seiner Auslegung maßgeblich die Entstehungsgeschichte der Erklärung zugrunde gelegt. Danach hat sich die Beklagte geweigert, eine solche von der Klägerin vorformulierte und ihr vorgelegte selbständige Garantie im Hinblick auf entsprechende Warnungen durch die kommunale Aufsichtsbehörde zu unterschreiben. Im Erklärungstext wurden daher die Wörter "selbstständige Garantie" durch "Verpflichtung" ersetzt, überschrieben wurde die Erklärung nunmehr - statt mit Garantieerklärung - mit Einredeverzichtserklärung. Weiter verwies die Klägerin in dem Schreiben vom 23. Oktober 1997 - mithin vor der Unterschriftsleistung durch die Beklagte - darauf , dass die Beklagte in der Verzichtserklärung lediglich - nunmehr allerdings ausdrücklich auch ihr gegenüber - die Verpflichtung übernehmen solle, die sie bereits in dem Mietvertrag gegenüber der Schuldnerin übernommen habe. Erst dann hat die Beklagte den Erklärungstext unterzeichnet.
21
Aufbauend auf dieser Vorgeschichte hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung zutreffend auf das Verständnis der Vertragsparteien abgestellt und angenommen, dass die Klägerin die Erklärungen der Beklagten nicht als selbstständige , anspruchsbegründende Verpflichtung der Beklagten ansehen durfte. Dies lässt einen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin nicht erkennen. Die Auslegung ist interessengerecht. Da die Mietansprüche der Schuldnerin bereits an die Klägerin abgetreten waren und die Abtretung aufgedeckt war, konnte die Beklagte außerhalb der Insolvenz ihres Vertragspartners schuldbefreiend nur auf das von der Schuldnerin benannte Konto bei der Klägerin leisten. Die Begründung einer zusätzlichen selbstständigen Verpflichtung der Beklagten wäre nur sinnvoll gewesen, wenn die Parteien das Risiko hätten absichern wollen, dass im Fall der Insolvenz der Vermieterin die Vorausabtretung wegen insolvenzrechtlicher Vorschriften wirkungslos wäre. In einem solchen Fall hätte eine selbstständige Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin jedoch zur Folge gehabt, dass jene die Mieten für den Fall, dass die Abtretung ihre Wirksamkeit verlor, zweimal hätte zahlen müssen, nämlich einmal an die Masse und ein weiteres Mal an die Klägerin. Dass die Beklagte bereit war, gerade dieses Risiko einzugehen, kann der Entstehungsgeschichte der Erklärung nicht entnommen werden, insbesondere wegen der beiden Seiten bekannten Warnungen der kommunalen Aufsichtsbehörde. Zudem hätten die Vertragsparteien die Absicherung der Klägerin in der Insolvenz auf andere Weise erreichen können, ohne die Beklagte der Gefahr der zweimaligen Zahlung der Mieten auszusetzen.
22
b) Die Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen die Verneinung eines hilfsweise auf die Abtretung in § 5 des Forfaitierungsvertrages gestützten Anspruchs wendet. Die sich aus diesem Vertrag ergebende Abtretung künftiger Mieten entfaltet in der Insolvenz des Vermieters als eine nach § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich unwirksame Vorausverfügung nur in den Grenzen des § 110 InsO Wirkungen. Da die Verfahrenseröffnung am 13. des laufenden Monats erfolgte, verlor die Abtretung mit Beginn des Folgemonats (Juli 2003) ihre Wirksamkeit.
23
aa) Auf die im Jahr 1997 geschlossenen Verträge findet die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung, insbesondere auch die Vorschriften der §§ 91, 108 ff InsO, Anwendung. Unstreitig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin im Jahr 2002 beantragt worden. Damit gilt die Insolvenzordnung auch für Rechtsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 1999 begründet worden sind (§ 359 InsO, Art. 110 Abs. 1, Art. 103, 104 EGInsO).

24
bb) Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten in der Sache um einen Mietvertrag, einen Leasingvertrag oder um einen Mietkaufvertrag (vgl. von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. B Rn. 78 ff) handelt. In jedem Fall bestand das Vertragsverhältnis im Fall der Insolvenz der Schuldnerin - bezogen auf die Verpflichtung , den Gebrauch an dem Gegenstand zu überlassen und dafür ein Entgelt zu entrichten - fort, wie sich aus § 108 Abs. 1 InsO ergibt. Alle drei Vertragstypen unterfallen insoweit dem Mietrecht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1989 - VIII ZR 302/87, BGHZ 106, 304, 308 ff mwN; vom 14. Dezember1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 370 f; von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. B Rn. 2, 86) und somit dieser Vorschrift (vgl. MünchKomm-InsO/ Eckert, 2. Aufl., § 108 Rn. 28, 35; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2007, § 108 Rn. 6; FK-InsO/Wegener, 7. Aufl., § 108 Rn. 15). Daher bestanden die Ansprüche auf Zahlung der Mieten auch für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung am 13. Juni 2003 fort und wurden - vorbehaltlich der Wirkungen der §§ 91, 110 InsO - von der Abtretung erfasst.
25
cc) Nach der Rechtsprechung des Senats beschränkt § 110 Abs. 1 InsO - ebenso wie die Parallelvorschrift des § 114 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 9 ff, 12) - nicht die Wirksamkeit von Vorausverfügungen über Mietforderungen, sondern verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 91 InsO (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rn. 12; vom 17. September 2009 - IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 Rn. 10; vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 Rn. 15). Mithin begründen die besonderen Vorschriften (in ihren zeitlichen Grenzen) die Wirksamkeit der Vorausabtretung, auch wenn diese nach der allgemeinen, die Masse schützenden Vorschrift des § 91 InsO unwirk- sam wäre. Ist die Vorausverfügung des Schuldners für die Zeit nach Insolvenzeröffnung hingegen nicht nach den §§ 81, 91 Abs. 1 InsO unwirksam, ist für eine Anwendung von § 110 InsO kein Raum (Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 110 Rn. 13; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 91 Rn. 15; vgl. HmbKommInsO /Ahrendt, 4. Aufl., § 110 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Eckert, aaO § 110 Rn. 11). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung trotz einiger Gegenstimmen im Schrifttum (Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 110 Rn. 2; Jaeger/Windel, InsO, § 91 Rn. 54; Reichelt/Tresselt, ZfIR 2012, 501, 502 f; HK-InsO/Marotzke, 6. Aufl., § 110 Rn. 5; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 110 Rn. 8) fest.
26
dd) Da die Frist des § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO für die hier eingeklagten Forderungen abgelaufen ist, beurteilt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Vorausabtretung in dem Forfaitierungsvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein nach § 91 Abs. 1 InsO. Danach hat die Vorausverfügung keine Wirkung.
27
(1) Nach § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist der Verfügungstatbestand mit dem Zustandekommen des Abtretungsvertrages abgeschlossen. Der Rechtsübergang vollzieht sich jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens , kann der Zessionar deshalb gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht mehr zu Lasten der Masse erwerben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsicht- lich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 Rn. 13 mwN). Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit dem Vertragsschluss betagt entstehen, mithin nur hinsichtlich ihrer Fälligkeit vom Ablauf einer Frist abhängig sind, oder befristet entstehen, weil sie in ihrem Bestehen vom Ablauf der Frist abhängig sind; nur im ersten Fall hat der Abtretungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. September 2009 - IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 Rn. 10).
28
Im Allgemeinen sind Mietforderungen als aufschiebend befristete Forderungen anzusehen, weil der Anspruch auf Entrichtung der Miete - ähnlich wie der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14) - erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung entsteht. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009, aaO mwN). Nach § 91 Abs. 1 InsO wird die Abtretung solcher Forderungen mit Ablauf der Frist in § 110 InsO unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO; vom 11. Oktober 2012 - IX ZR 30/10, NZI 2012, 883 Rn. 17).
29
Etwas anderes gilt für die Grundmietzeit des Finanzierungsleasings, weil die Forderungen auf Zahlung der Leasingraten betagte Forderungen darstellen. Sie entstehen nicht erst nach Maßgabe der zeitlichen Entwicklung des Dauerschuldverhältnisses , sondern sind in jeder Weise durch den Leasingvertrag rechtlich von vornherein festgelegt, weil die feste Dauer der Mietzeit, die Fälligkeit und die Höhe der Leasingraten wesentlicher Bestandteil des Finanzierungsleasings sind, bei dem Kündigungsmöglichkeiten vor Ablauf der Grundmietzeit in der Regel ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372 f; vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514). Es kommt hinzu, dass die vereinbarten Leasingraten nicht nur das Entgelt für eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung, sondern zugleich für die vom Leasinggeber erbrachte Finanzierungsleistung sind. Auch dies rechtfertigt es, sie als betagte Forderungen zu behandeln (BGH, Urteil vom 28. März 1990 - VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84, 94 f; vom 3. Juni 1992 - VIII ZR 138/91, BGHZ 118, 282, 290 f; vgl. auch Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, BGHZ 191, 277 Rn. 12). Dies hat zur Folge , dass die Vorausabtretung der Leasingrate in der Insolvenz des Leasinggebers wirksam bleibt, weil die Forderung schon vor Insolvenzeröffnung entstanden ist.
30
Entschieden hat der Senat dies in dem zitierten Urteil vom 14. Dezember 1989 (aaO) zu §§ 15, 21 KO und für einen Leasingvertrag über bewegliche Gegenstände. Für §§ 91, 110 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 78/09, NZI 2010, 220 Rn. 21; vom 10. November 2011, aaO) sowie für Finanzierungsleasingverträge über unbewegliche Gegenstände gilt nichts anderes, sofern der Leasingvertrag in der Weise ausgestaltet ist, dass die Forderungen auf Zahlung der künftigen Leasingraten bereits mit Vertragsschluss als betagte Forderungen entstehen.
31
Allerdings wird in der Literatur erwogen, beim Leasing unbeweglicher Gegenstände die Vorausabtretung des dem Gebrauchswert entsprechenden Teils der Leasingraten über die zeitlichen Schranken des § 110 Abs. 1 InsO hinaus als unwirksam und nur hinsichtlich des die Finanzierung betreffenden Teils als wirksam anzusehen, weil die fortdauernde Überlassung des Leasingobjektes nach Verfahrenseröffnung eine nicht vernachlässigbare Leistung der Masse darstelle (MünchKomm-InsO/Eckert, 2. Aufl., § 110 Rn. 17 f, § 108 Rn. 34; Reichelt/Tresselt, ZfIR 2012, 501, 504). Diese Erwägung müsste in gleicher Weise auch für Leasingverträge über bewegliche Gegenstände gelten. Hier hat der Senat jedoch bereits entschieden und hält nach Überprüfung daran fest, dass es der Masse auch ohne gleichwertige Gegenleistung zuzumuten ist, dem Leasingnehmer den Gebrauch zu gewähren, sofern sich die Gebrauchsgewährung darauf beschränkt, den Leasingnehmer nicht in der Nutzung zu stören und ihn allenfalls gegenüber Störungen durch Dritte zu unterstützen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 369, 379 f; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 22. Mai 1996 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 13/4699 S. 6).
32
(2) Das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Schuldnerin ist jedoch abweichend von den Gegebenheiten eines üblichen Leasingvertrages derart ausgestaltet, dass die Forderungen auf die künftigen Mieten nicht betagt, sondern nur befristet entstanden sind.
33
Unerheblich ist allerdings, dass die Parteien den Überlassungsvertrag als Mietvertrag bezeichnet und im Vertragstext einheitlich mietrechtliche Bezeichnungen verwendet haben. Denn es kommt auf die Verwendung bestimmter Bezeichnungen nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob sich der Inhalt des Vertrages von einem gewöhnlichen Mietvertrag in erheblicher Weise unterscheidet. Bei einem Finanzierungsleasingvertrag können die Vertragsparteien abweichend von dem in erster Linie maßgeblichen Mietrecht die Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer abwälzen, die mietrechtliche Gewährleistung des Leasinggebers bei gleichzeitiger Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten ausschließen und regeln, dass der Vertrag während einer befristeten Grundmietzeit nur außerordentlich gekündigt werden darf. Sie können auch die Rechtsfolgen einer ordentlichen oder außerordentlichen Vertragsbeendigung vor Ablauf der vorgesehenen Leasingzeit dem Vertragszweck anpassen, um zu erreichen, dass der Leasingnehmer nach Ablauf der Vertragszeit auch in diesem Fall für die gesamten Finanzierungskosten aufzukommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 1990 - VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84, 94 f; BGH, Urteil vom 11. März 1998 - VIII ZR 205/97, NJW 1998, 1637, 1638).
34
Hier haben die Beklagte und die Schuldnerin in dem streitgegenständlichen Mietvertrag mietvertragstypische Vereinbarungen getroffen, die nicht wesentlich von einem gewöhnlichen Mietvertrag abweichen. Die Schuldnerin schuldete während der Mietzeit auch die üblichen Mietnebenleistungen (Wasser , Strom, Beheizbarkeit u.a.) und hatte der Beklagten das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und es während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Sie trug - leasinguntypisch - die notwendigen Instandsetzungs- und Instandhaltungsaufwendungen und war zur Gewährleistung nach §§ 537 ff BGB aF verpflichtet. Mithin beschränkte sich ihre Verpflichtung, der Beklagten den Gebrauch der Mietsache zu überlassen, nicht darauf, sie in ihrer Nutzung nicht zu stören. Mit der Übernahme der mietrechtlichen Gewährleistung konnten erhebliche Belastungen auf die Schuldnerin und in ihrer Insolvenz auf die Masse zukommen, die dieser ohne gleichwertige Gegenleistungen nicht zugemutet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372 f; MünchKomm -InsO/Eckert, aaO § 110 Rn. 38; aA wohl Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 22. Mai 1996 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 13/4699 S. 6).
35
Es kommt Weiteres hinzu: Das auf 25 Jahre angelegte Mietverhältnis konnte die Beklagte ordentlich mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist je- weils zum Ende eines jeden Jahres kündigen. Damit waren die Mietraten nicht in jeder Weise durch den Mietvertrag rechtlich von vornherein festgelegt, wie es für die Annahme einer betagten Forderung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989, aaO S. 272 f).
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Allerdings darf für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten und der Schuldnerin nicht allein der Mietvertrag in den Blick genommen werden. Die Vertragsparteien haben im zeitlichen Zusammenhang eine Vielzahl von aufeinander abgestimmten Verträgen geschlossen. Danach wollte die Beklagte das Stadthaus errichten und hat zur Finanzierung dieser Maßnahme die Schuldnerin herangezogen; die Schuldnerin hat die Maßnahme bei der Klägerin durch den Forfaitierungsvertrag refinanziert. Zur Realisierung der Pläne hat die Beklagte das Grundstück an die Schuldnerin verkauft und sollte es von ihr mieten und nach Ablauf der Mietzeit zurückerwerben, wobei ihr ein durch eine Auflassungsvormerkung und durch ein - notariell beurkundetes, bis zum 30. Juli 2022 unwiderrufliches - Verkaufsangebot der Schuldnerin abgesichertes Rückkaufsrecht eingeräumt war. Die vereinbarten Mieten sollten letztlich an die Klägerin fließen. Im Falle der Kündigung sollte die Beklagte verpflichtet sein, das notariell beurkundete unwiderrufliche Kaufangebot der Schuldnerin zu den dort genannten Bedingungen anzunehmen, wobei der Kaufpreis sich in der Höhe nach der Dauer des Mietvertrages richtete. Außerdem sollte sie die Schuldnerin in diesem Fall von ihren Verpflichtungen gegenüber der Klägerin freistellen. Letztlich wollten die Vertragsparteien durch diese Regelungen erreichen, dass die Beklagte innerhalb der vereinbarten - durch Kündigung gegebenenfalls variablen - Laufzeit des Mietvertrages einerseits die Kosten für die Anschaffung des Grundstücks und die Errichtung des Stadthauses und andererseits die Finanzierungskosten vollständig trug.
37
Tatsächlich leiden Teile der getroffenen Vereinbarungen an Wirksamkeitsmängeln. Die allein im Mietvertrag enthaltene Verpflichtung der Beklagten, das Kaufangebot der Schuldnerin bei Beendigung des Mietvertrages anzunehmen , mithin das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben, war entgegen § 313 Satz 1 BGB aF, § 311b Abs. 1 BGB nicht notariell beurkundet. Dies führt nach §§ 125, 139 BGB zur Nichtigkeit jedenfalls der Erwerbsverpflichtung, aber auch der Verpflichtung, die Schuldnerin gegenüber der Klägerin freizustellen, weil letztere nur im Zusammenspiel mit der Erwerbsverpflichtung Bedeutung erlangt und bei ihrer Fortgeltung ein mittelbarer Zwang auf die Beklagte herbeigeführt werden würde, das Grundstück zurück zu erwerben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 46). Das aber hat zur Folge, dass die Beklagte den Mietvertrag jederzeit kündigen und sich der Verpflichtung entziehen kann, für die Finanzierung des Objekts bis zum Ende aufzukommen , sofern sie den Verlust des Grundstücks in Kauf nimmt. Mithin entstehen die Mietforderungen zum Anfang eines jeden Monats befristet. Die nicht wirksam umgesetzten Absichten der Vertragsparteien sind bei der rechtlichen Einordnung der Forderung als betagt unbeachtlich.
38
ee) Der Einredeverzicht vom 12. November 1997 steht dem nicht entgegen. Die Beklagte durfte sich gegenüber der Klägerin aufgrund dieses Verzichts nicht auf irgendwelche Einwendungen aus dem Mietvertrag oder auf die Unwirksamkeit des Mietvertrages berufen und war ihr gegenüber weiterhin vorleistungspflichtig. Die Geltendmachung der insolvenzrechtlichen Unwirksamkeit der Abtretung im Verhältnis der Klägerin zur Schuldnerin sollte durch die Erklärung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Erklärung, aber auch ihre bereits dargestellte Entstehungsgeschichte.
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 23.06.2011 - 4 O 232/07 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 08.02.2012 - 3 U 111/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 108/09 Verkündet am:
24. März 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
TÜV

a) Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren
aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet
und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es
die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen.

b) Hat der Kläger mehrere Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung
verfolgt, kann er die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er
die prozessualen Ansprüche geltend machen will, noch in der Berufungsoder
der Revisionsinstanz nachholen.

c) Nimmt der Kläger die Bestimmung erst in der Revisionsinstanz vor, kann
der auch im Prozessrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben den
Kläger in der Wahl der Reihenfolge in der Weise beschränken, dass er zunächst
die vom Berufungsgericht behandelten Streitgegenstände zur Entscheidung
des Revisionsgerichts stellen muss.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass die Klage wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig ist, wenn sie nicht nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen eine Reihenfolge bestimmt, in der die bislang alternativ geltend gemachten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) verfolgt werden.

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagten wegen der beanstandeten Benutzung der Bezeichnung TÜV aus den drei Klagemarken und ihrem Unternehmenskennzeichen hergeleitet und eine Verletzung dieser Kennzeichen durch eine identische Verwendung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), durch Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und durch eine Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung ihrer bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) geltend gemacht. Eine Reihenfolge, in der die Prüfung erfolgen soll, hat sie nicht bestimmt.
2
1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren danach auf verschiedene Streitgegenstände gestützt.
3
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. - Reinigungsarbeiten). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. = WRP 2001, 804 - Telefonkarte; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 60 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Rn. 56 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; zum Urheberrecht: BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 17 = WRP 2007, 996 - Staatsgeschenk ). Zu erwägen ist auch, ob mehrere Streitgegenstände trotz gleichen Klagebegehrens nicht auch bei einem einzelnen Kennzeichenrecht vorliegen können. Werden aus einem Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG als auch wegen Bekanntheitsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG geltend gemacht, könnte es sich um zwei Streitgegenstände handeln, weil zur Begründung der Ansprüche Lebenssachverhalte vorgetragen werden müssen, die sich grundlegend unterscheiden (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 698).
4
b) Im Streitfall liegen danach unterschiedliche Streitgegenstände jedenfalls insoweit vor, als die Klägerin aus vier Klagezeichen vorgeht. Darüber hinaus kommen möglicherweise auch insoweit verschiedene Streitgegenstände in Betracht, als die Klägerin einerseits Ansprüche wegen Verwechslungsgefahr der Kollisionszeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und andererseits wegen einer Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung bekannter Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) verfolgt. Dass im Verhältnis zum Verwechslungsschutz - wie die Anschlussrevision meint - die Geltendmachung identischer Verletzungen der Marken im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und die identische Benutzung des Unternehmenskennzeichens nach § 15 Abs. 2 Fall 1 MarkenG weitere Streitgegenstände darstellen, begegnet dagegen Bedenken und ist eher zu verneinen. Die Frage kann derzeit aber offenbleiben.
5
c) Der Senat geht davon aus, dass die verschiedenen Streitgegenstände von der Klägerin in den Vorinstanzen nicht kumulativ, sondern alternativ geltend gemacht worden sind. In der Revisionsinstanz kann die Klägerin nicht mehr von der alternativen zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04, BGHZ 170, 152 Rn. 30).
6
2. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Kläger ein einheitliches Klagebegehren alternativ auf mehrere Streitgegenstände stützen und dem Gericht die Auswahl des Klagegrundes überlassen kann. Teilweise wird angenommen, die alternative Klagehäufung sei zulässig. Mehrere prozessuale Ansprüche sollen danach unter der auflösenden Bedingung geltend gemacht werden können, dass einem von ihnen stattgegeben wird (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2008, 55; OLG Köln, GRUR-RR 2010, 202; Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 23a; Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 260 Rn. 15; Götz, GRUR 2008, 401, 407; Bergmann, GRUR 2009, 224, 225; v. UngernSternberg , GRUR 2009, 1009, 1012; Schwippert, Festschrift Loschelder, 2010, 345, 348 ff.). Nach dieser Ansicht muss das Gericht bei einer alternativen Klagehäufung über sämtliche Streitgegenstände entscheiden, wenn es die Klage ganz oder teilweise abweist. Dagegen kann es sich bei einer die Klage zusprechenden Entscheidung darauf beschränken, einen der Klagegründe, den es als durchgreifend erachtet, auszuwählen und die Entscheidung auf diesen Klage- grund zu stützen, der dementsprechend allein in Rechtskraft erwächst (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1279).
7
Nach anderer Ansicht soll die alternative Klagehäufung unzulässig sein (vgl. OLG München, OLG-Rep 2003, 37; OLG-Rep 2003, 179; OLG Hamm, Urteil vom 3. August 2009 - 8 U 237/07 Rn. 66, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 7 U 82/07 Rn. 13, juris; Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 7; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1954, 90; Wieczorek /Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 260 Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Büscher aaO § 322 Rn. 139; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Einl. Rn. 74; Zöller/ Greger aaO § 260 Rn. 5; Berneke, WRP 2007, 579, 585 f.). Auch bei einem einheitlichen Rechtsschutzbegehren soll die alternativ auf verschiedene Klagegründe gestützte Klage nicht hinreichend bestimmt sein.
8
Der Senat hat zwar in der Vergangenheit die alternative Klagehäufung, bei der ein einheitliches Rechtsschutzbegehren auf verschiedene Klagegründe gestützt wird, nicht beanstandet (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urteil vom 5. November 2008 - I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 = WRP 2009, 831 - Stofffähnchen; GRUR 2010, 642 - WMMarken ). Er stimmt jedoch nunmehr der zuletzt genannten Ansicht zu.
9
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und werden die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) bestimmt. Dies erfordert auch der Schutz des Beklag- ten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können (vgl. BGHZ 154, 342, 349 - Reinigungsarbeiten). Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands (BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216). Hierfür ist es entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Beklagten den Willen des Klägers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen, im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639, 640). Der Kläger muss aber die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Dazu gehört bei mehreren Streitgegenständen auch die Benennung der Reihenfolge, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden. Der Bundesgerichtshof sieht es deshalb als unabdingbar an, dass bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden, genau anzugeben ist, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719; Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142 Rn. 7). Der Kläger kann die Auswahl, über welche selbständigen Ansprüche bis zur Höhe der eingeklagten Forderung entschieden werden soll, nicht dem Gericht überlassen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347).
10
Nichts anderes hat bei der Verfolgung eines einheitlichen Klagebegehrens zu gelten, das aus mehreren Schutzrechten oder mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen hergeleitet wird, sofern sie verschiedene prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) bilden und nicht kumulativ verfolgt werden. In einem solchen Fall muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will. Für den Beklagten bleibt ansonsten bis zu einem Urteil bei einer alternativen Klagehäufung unklar, ob das Gericht die Verurteilung nur auf einen oder auf mehrere Streitgegenstände stützen wird. Die Frage, ob der Beklagte nur aufgrund eines Streitgegenstands oder aufgrund mehrerer Streitgegenstände verurteilt wird, ist für die Reichweite der Verurteilung aber von Bedeutung. Hat das Gericht etwa einen Verbotsausspruch auf mehrere Kennzeichenrechte der klagenden Partei gestützt - wie dies im Streitfall geschehen ist -, lässt das Erlöschen eines der Kennzeichenrechte den Verbotsausspruch unberührt. Dagegen kann der Beklagte mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Unterlassungstitel vorgehen, wenn die Verurteilung nur auf ein Kennzeichenrecht gestützt und dieses erloschen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 47/07, GRUR 2010, 156 Rn. 28 f. = WRP 2010, 266 - EIFEL-ZEITUNG). Nichts anderes gilt, wenn das Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung gerichtet ist, die der Kläger alternativ unter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter beanstandet. Auch in einem solchen Fall entscheidet das Gericht mit der Auswahl des Streitgegenstands über die Reichweite des Verbots. Denn je nachdem, auf welchen Streitgegenstand das Gericht das Verbot der einheitlichen Werbung stützt, beurteilt sich, was der Beklagte an der beanstandeten Werbung ändern muss, um nicht gegen das ausgesprochene Verbot zu verstoßen. Mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist aber nicht zu vereinbaren, dass die Reichweite des Verbots der Wahl des Gerichts überlassen bleibt.
11
b) Für die Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung spricht auch der allgemeine Rechtsgedanke der "Waffengleichheit" der Parteien im Prozess. Die alternative Klagehäufung benachteiligt den Beklagten in seiner Rechtsverteidigung im Verhältnis zum Kläger. Der Beklagte muss sich, will er nicht verurteilt werden, gegen sämtliche vom Kläger im Wege der alternativen Klagehäufung verfolgten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) zur Wehr setzen. Dagegen kann der Kläger sein Klagebegehren auf eine Vielzahl von prozessualen Ansprüchen stützen, ohne dass für ihn damit ein zusätzliches Prozesskostenrisiko verbunden ist. Der Beklagte hat auch dann die gesamten Prozesskosten zu tragen, wenn der Kläger im Rahmen des einheitlichen Klagebegehrens nur mit einem aus einer Vielzahl alternativ zur Entscheidung gestellter Streitgegenstände durchdringt. In der Praxis führt dies bei einem Vorgehen aus Schutzrechten und bei der Verfolgung von Ansprüchen aufgrund wettbewerbsrechtlicher Tatbestände wegen des fehlenden zusätzlichen Prozesskostenrisikos zu einer Häufung von Streitgegenständen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 183/07, GRUR 2010, 642 = WRP 2010, 764 - WM-Marken). Bestimmt der Kläger die Reihenfolge nicht, in der das Gericht die Prüfung der einzelnen Streitgegenstände vorzunehmen hat, erschließt sich dem Beklagten auch nicht ohne weiteres, gegen welchen aus einer Vielzahl von Streitgegenständen er seine Rechtsverteidigung in erster Linie richten muss.
12
c) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der V. Zivilsenat hat eine alternative Klagehäufung zwar bei einer Mehrheit von Klagegründen in einem Fall zugelassen, in dem der Kläger seine Ansprüche sowohl auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch als auch auf einen verschuldensabhängigen Deliktsanspruch gestützt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374). In diesem Zusammenhang hat er maßgeblich darauf abgestellt, dass die Ansprüche nicht nur von den Voraussetzungen, sondern auch von den Folgen verschieden waren und der Kläger den Anspruch nur einmal geltend machen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 167; NJW-RR 1997, 1374). Davon kann aber bei den hier fraglichen Fällen der alternativen Klagehäufung keine Rede sein, die auf identische Folgen gerichtet sind und bei de- nen der Kläger die nicht beschiedenen Streitgegenstände in einem weiteren Prozess aufgreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 Rn. 23 - Markenparfümverkäufe).
13
3. Da der Senat die alternative Klagehäufung in der Vergangenheit nicht beanstandet hat, müssen die Parteien Gelegenheit haben, zur Frage der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung Stellung zu nehmen (§ 139 ZPO). Die Klägerin muss zudem die Möglichkeit erhalten anzugeben, in welcher Reihenfolge sie ihr Klagebegehren im Hinblick auf die verschiedenen Streitgegenstände stützt. Eine entsprechende Klarstellung wäre bereits in der Klage geboten gewesen. Sie kann aber noch im Laufe des Verfahrens, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 195; Urteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 137/58, ZZP 78 (1960) 463, 465). Die klagende Partei ist grundsätzlich in der Bestimmung der Reihenfolge frei, in der sie die unterschiedlichen Streitgegenstände zur Überprüfung stellt. Eine Einschränkung in der Wahl der Reihenfolge kann sich aber in der Revisionsinstanz nach dem auch im Verfahrensrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben ergeben (vgl. BVerfGE 104, 220, 232; BGH, Beschluss vom 25. März 1965 - V BLw 25/64, BGHZ 43, 289, 292; Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345, 349). Die Klägerseite kann danach daran gehindert sein, in der Revisionsinstanz ihre Ansprüche in erster Linie auf einen Streitgegenstand zu stützen, den das Berufungsgericht bei der bislang unbeanstandet gebliebenen alternativen Klagehäufung seiner Verurteilung nicht zugrunde gelegt hat. Denn wählt die Klagepartei in der Revisionsinstanz vorrangig einen Streitgegenstand aus, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, weil die Partei dem Berufungsgericht die Auswahl zwischen den Streitgegenständen überlassen hatte, macht dies eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erforderlich, die vermieden werden kann, wenn die Klägerseite das Klagebegehren vorrangig aus einem Streitgegenstand herleitet, den das Berufungsgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat.
14
Nachdem das Berufungsgericht sich nur mit Ansprüchen aufgrund des Bekanntheitsschutzes der deutschen Marken Nr. 1005648 und Nr. 30412680.2 und des Unternehmenskennzeichens der Klägerin befasst, nur hierzu Feststellungen getroffen und die Verurteilung der Beklagten nur hierauf gestützt hat, wird es unter diesen Umständen naheliegen, dass die Klägerin diese Streitgegenstände - gestaffelt - in erster Linie zur Beurteilung durch das Revisionsgericht stellt.
15
II. Zur Stellungnahme - auch zur Frage, ob der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden kann - wird eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses bestimmt.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.03.2008 - 37 O 51/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2009 - I-20 U 87/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 62/12
Verkündet am:
25. April 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach Ablauf der in § 110 Abs. 1 InsO genannten Frist kann sich die Unwirksamkeit
einer Vorausverfügung allein aus den allgemeinen Vorschriften ergeben.
BGH, Urteil vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte Stadt veräußerte ein Grundstück an eine Gesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin), damit diese darauf ein Stadthaus errichte. Die Stadt sollte das Grundstück von der Schuldnerin mieten und es nach Ablauf einer fünfundzwanzigjährigen Mietdauer zurückerwerben. Entsprechend diesen Plänen schlossen die Vertragsparteien im Herbst 1997 einen Mietvertrag. Darin vereinbarten sie eine monatliche Miete in Höhe von 43.127,25 DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung. Die Beklagte verpflichtete sich, die Mieten unter Verzicht auf jedwede Einwendungen und Einreden an die Rechtsvorgängerin der klagenden Bank (fortan nur Klägerin) auf ein Konto der Schuldnerin bei die- ser zu zahlen. Das Mietverhältnis begann am 12. November 1997 und sollte spätestens am 11. November 2022 enden.
2
Die Schuldnerin finanzierte das Projekt durch die Klägerin, die von ihr die Mietansprüche gegen die Beklagte aus dem Mietvertrag durch Forfaitierungsvertrag von November 1997 kaufte und abgetreten erhielt. Mit Einredeverzichtserklärung vom 12. November 1997 übernahm die Beklagte gegenüber der Klägerin die unwiderrufliche Verpflichtung zur uneingeschränkten und termingerechten Zahlung der im Mietvertrag vereinbarten monatlichen Mieten bis zur Höhe der vereinbarten Gesamtmietforderung unabhängig vom Bestand des Mietverhältnisses und etwaiger Einreden und Einwendungen aus dem Mietverhältnis. Die Aufsichtsbehörde genehmigte die Sonderfinanzierungsmaßnahme; die Einredeverzichtserklärung erachtete sie als nicht genehmigungsbedürftig.
3
Die Beklagte zahlte die geschuldeten Mieten bis Juni 2003 wie im Mietvertrag vereinbart. Am 13. Juni 2003 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Streithelferin als Insolvenzverwalterin bestellt. Diese forderte die Beklagte auf, die Mieten ab Juli 2003 an die Masse zu zahlen. Seitdem entrichtete die Beklagte die vertraglich vereinbarten Mieten an ein Treuhandkonto der Streithelferin.
4
Mit der Klage verlangt die Klägerin aus eigenem und aus abgetretenem Recht die rückständigen Mieten ab Juli 2003 bis Dezember 2007 in Höhe von 924.075,01 € zuzüglich Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der diese die Mieten für das Jahr 2008 in Höhe von 240.000 € zuzüglich Zinsen beansprucht hat, hat es zurückgewiesen.
Die Klägerin will mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erreichen , dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt und die Beklagte auf ihre Anschlussberufung verurteilt wird, an sie die rückständigen Mieten für das Jahr 2008 nebst Zinsen zu zahlen.

Entscheidungsgründe:


A.


5
Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.
6
Das Berufungsgericht hat die Revision im Urteilsausspruch ohne beschränkenden Zusatz zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt , die Revision werde zugelassen, weil die Frage, ob die Vorschrift des § 110 InsO auch bei einem "Sale-and-lease-back" Anwendung finde, noch nicht entschieden sei. Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht auf diese Frage beschränkt.
7
Allerdings kann die Beschränkung der Zulassung der Revision - auch nach der Rechtsprechung des Senats - in den Gründen des angefochtenen Urteils erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615; vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716; Beschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 5 ff; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435 Rn. 11). Voraussetzung hierfür ist, dass die Beschränkung rechtlich zulässig ist und sie sich klar und eindeutig aus dem Berufungsurteil ergibt (BGH, Urteil vom 7. Juli 1983, aaO; vom 3. März 2005, aaO; vom 8. März 2006 - IV ZR 263/04, FamRZ 2006, 777 f; vom 10. Mai 2012, aaO). Jedenfalls an der zweiten Voraussetzung fehlt es.
8
Gegenstand des Mietvertrages ist ein von der Schuldnerin errichtetes und refinanziertes Mietobjekt. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Schuldnerin als Vermieterin und Forderungsverkäuferin, der Beklagten als Mieterin und der Klägerin als finanzierender Bank sind durch eine Vielzahl von Verträgen geregelt worden, die aufeinander aufbauen und wechselseitige Bezüge entfalten. Bei diesem komplexen Sach- und Streitstand hat das Berufungsgericht nicht mit der gebotenen Deutlichkeit ausgesprochen, dass es nur für einen Teil des Streitgegenstandes den Weg zum Revisionsgericht eröffnen wollte. Mit den Ausführungen in den Gründen hat es vielmehr nur dargelegt, warum es die Revision zugelassen hat. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob sich - was ebenfalls zweifelhaft ist - eine Beschränkung der Revision auf einen abtrennbaren Teil der Klageforderung bezogen hätte.

B.


9
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


10
Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in ZIP 2012, 1523 veröffentlicht ist, hat die Klage für zulässig, aber unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt, der Klägerin stünden die geltend gemachten Mietforderungen weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht zu. Der Einredever- zichtserklärung könne nicht entnommen werden, dass die Beklagte für jeden Fall die Mieten statt an den Vermieter an die finanzierende Bank zu leisten gehabt habe. Eine selbstständige und unwiderrufliche Garantie habe die Beklagte gegenüber der Klägerin gerade nicht abgegeben, weil die Aufsichtsbehörde hiergegen Bedenken erhoben habe. Mit der Einredeverzichtserklärung habe die Beklagte der Klägerin gegenüber nur die Verpflichtungen bestätigt, die sie bereits im Mietvertrag übernommen gehabt habe. Der Mietvertrag selbst enthalte keinen Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB, in ihm habe die Beklagte nur die Verpflichtung zur Erfüllung direkt an die Klägerin übernommen. Die Vorausabtretung im Forfaitierungsvertrag sei nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. Diese Vorschrift bezwecke die Erhaltung der Masse; damit werde klargestellt, dass die Immobilie und ihre Nutzungen als Teil der Masse nach Verfahrenseröffnung der Befriedigung der Gläubiger dienten. Soweit die Masse dem Mieter das unbewegliche Mietobjekt zur weiteren Nutzung überlassen müsse, stehe ihr die ungeschmälerte Miete zur Verfügung. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der zwischen der Beklagten und der Schuldnerin geschlossene Vertrag trotz seiner Bezeichnung als Mietvertrag rechtlich als Leasingvertrag zu qualifizieren sei. Auch bei einem "Sale-and-lease-back" erwerbe der Leasinggeber das Objekt vom Leasingnehmer, der es weiter nutzen wolle. Jedenfalls beim Immobilienleasing seien die §§ 108 bis 112 InsO anzuwenden, wenn die Leasingphase vor der Verfahrenseröffnung eingesetzt habe.

II.


11
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
12
1. Die Klage ist zulässig erhoben. Es liegt insbesondere kein Falleiner - unzulässigen - alternativen Klagehäufung vor. Eine sogenannte Alternativklage , bei der dem Gericht wahlweise zwei gleichrangige Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt werden, verstößt gegen den in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO normierten Bestimmtheitsgrundsatz. Sie ist unzulässig, weil sich bei einer Entscheidung die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht bestimmen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff mwN).
13
Zwar hat die Klägerin ihre Ansprüche auf zwei selbständige prozessuale Ansprüche gestützt, indem sie die geltend gemachten Ansprüche auf die Mieten zum einen aus dem voraus abgetretenen Recht der Schuldnerin und damit aus dem Mietvertrag herleitet, zum anderen aus eigenem Recht, nämlich aus der Einredeverzichtsvereinbarung mit der Beklagten vom 12. November 1997. Auch hat sie ausdrücklich eine Rangfolge, in der sie die Ansprüche zur Überprüfung durch das Gericht stellen wollte, nicht benannt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011, aaO Rn. 10 f). Ihrer Klageschrift ist jedoch noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sie ihren Anspruch zuvörderst auf die Vereinbarung vom 12. November 1997 und damit auf einen Anspruch aus eigenem Recht und erst in zweiter Linie auf einen ihr abgetretenen Anspruch aus dem Forfaitierungsvertrag stützt. Denn sie hat ausgeführt, dass die Beklagte mit der sogenannten Einredeverzichtserklärung eine schuldunabhängige Einstandspflicht begründet und damit einen eigenständigen Schuldgrund geschaffen habe , so dass dahinstehen könne, ob § 110 InsO auf die Abtretung im Forfaitierungsvertrag Anwendung finde.
14
Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus § 3 Abs. 5 des Mietvertrages herleitet, nach dem sich die Beklagte als Mieterin verpflichtet hat, Miet- und Schadensersatzforderungen an die Klägerin unter Verzicht auf jegliche Einreden und Einwendungen zu zahlen, handelte es sich nicht um einen selbstständigen Streitgegenstand, sondern um eine andere rechtliche Begründung innerhalb der vorgenannten Ansprüche.
15
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Mieten aus eigenem Recht nach Auslegung von Mietvertrag und Einredeverzichtserklärung zu Recht verneint.
16
aa) Die Auslegung von Willenserklärungen und von Vertragsbestimmungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (BGH, Urteil vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840 Rn. 9). Sofern das Berufungsgericht solche Auslegungsregeln und Erfahrungssätze nicht verletzt hat, ist seine Auslegung für das Revisionsgericht bindend (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 178/05, NZI 2007, 407 Rn. 22).
17
bb) Die Auslegung des Berufungsgerichts, § 3 Abs. 5 des Mietvertrages begründe neben der in § 5 des Forfaitierungsvertrages erfolgten Abtretung der Mietansprüche der Schuldnerin an die Klägerin keinen direkten Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit dieser Vereinbarung wollten die Parteien des Mietvertrages sicherstellen, dass die Beklagte die Mietzahlungen unabhängig von Einwendungen und Einreden aus dem Mietvertrag an die Zessionarin, die Klägerin, erbrachte; die in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Mietvertrages normierte Vorleistungspflicht der Beklagten sollte auch auf diese Fälle erstreckt werden. Ihre Gegenrechte hatte sie nach § 3 Abs. 5 Satz 2 des Mietvertrages allein gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Schuldnerin, zu verfolgen. Hierdurch sollten nach den Grundsätzen des § 328 Abs. 2 BGB für die Klägerin als Zessionarin keine weitergehenden Rechte begründet werden. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Beklagte die Mieten nicht unmittelbar an die Klägerin, sondern auf ein bei der Klägerin geführtes Konto der Schuldnerin überweisen sollte. Der Revision kann daher nicht zugegeben werden, es liege eine die Beklagte gemäß § 790 BGB bindende Anweisung nach §§ 783, 784 BGB vor, die Mieten an die Klägerin zu zahlen.
18
Auch die an dem Projekt Beteiligten - die Klägerin als finanzierende Bank, die Schuldnerin als Bauträgerin, Käuferin und Vermieterin und die Beklagte als Bauherrin und Mieterin - sind bei Abschluss der Verträge - Kauf-, Miet- und Forfaitierungsvertrag - nicht davon ausgegangen, die Beklagte hätte bereits in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages gegenüber der Klägerin im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter ein abstraktes Schuld- oder Garantieversprechen abgegeben, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist. Denn sonst hätte die Klägerin, der der Mietvertrag bekannt war, nicht darauf gedrängt , von der Beklagten den Einredeverzicht von November 1997 zu erhalten. Noch im laufenden Rechtsstreit hat die Klägerin ihren Anspruch auf diese Vertragsklausel zunächst nicht gestützt; erst das Landgericht hat diese Klausel als echten Vertrag zugunsten der Klägerin ausgelegt.
19
cc) Ebenso rechtsfehlerfrei ist die Auslegung der Einredeverzichtserklärung vom 12. November 1997 durch das Berufungsgericht, aus ihr ergebe sich ein eigener Zahlungsanspruch der Klägerin ebenfalls nicht.

20
Der Wortlaut der Erklärung ist nicht eindeutig und deswegen auslegungsbedürftig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1999 - XII ZR 208/96, NZM 1999, 371, 372). Das Berufungsgericht hat seiner Auslegung maßgeblich die Entstehungsgeschichte der Erklärung zugrunde gelegt. Danach hat sich die Beklagte geweigert, eine solche von der Klägerin vorformulierte und ihr vorgelegte selbständige Garantie im Hinblick auf entsprechende Warnungen durch die kommunale Aufsichtsbehörde zu unterschreiben. Im Erklärungstext wurden daher die Wörter "selbstständige Garantie" durch "Verpflichtung" ersetzt, überschrieben wurde die Erklärung nunmehr - statt mit Garantieerklärung - mit Einredeverzichtserklärung. Weiter verwies die Klägerin in dem Schreiben vom 23. Oktober 1997 - mithin vor der Unterschriftsleistung durch die Beklagte - darauf , dass die Beklagte in der Verzichtserklärung lediglich - nunmehr allerdings ausdrücklich auch ihr gegenüber - die Verpflichtung übernehmen solle, die sie bereits in dem Mietvertrag gegenüber der Schuldnerin übernommen habe. Erst dann hat die Beklagte den Erklärungstext unterzeichnet.
21
Aufbauend auf dieser Vorgeschichte hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung zutreffend auf das Verständnis der Vertragsparteien abgestellt und angenommen, dass die Klägerin die Erklärungen der Beklagten nicht als selbstständige , anspruchsbegründende Verpflichtung der Beklagten ansehen durfte. Dies lässt einen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin nicht erkennen. Die Auslegung ist interessengerecht. Da die Mietansprüche der Schuldnerin bereits an die Klägerin abgetreten waren und die Abtretung aufgedeckt war, konnte die Beklagte außerhalb der Insolvenz ihres Vertragspartners schuldbefreiend nur auf das von der Schuldnerin benannte Konto bei der Klägerin leisten. Die Begründung einer zusätzlichen selbstständigen Verpflichtung der Beklagten wäre nur sinnvoll gewesen, wenn die Parteien das Risiko hätten absichern wollen, dass im Fall der Insolvenz der Vermieterin die Vorausabtretung wegen insolvenzrechtlicher Vorschriften wirkungslos wäre. In einem solchen Fall hätte eine selbstständige Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin jedoch zur Folge gehabt, dass jene die Mieten für den Fall, dass die Abtretung ihre Wirksamkeit verlor, zweimal hätte zahlen müssen, nämlich einmal an die Masse und ein weiteres Mal an die Klägerin. Dass die Beklagte bereit war, gerade dieses Risiko einzugehen, kann der Entstehungsgeschichte der Erklärung nicht entnommen werden, insbesondere wegen der beiden Seiten bekannten Warnungen der kommunalen Aufsichtsbehörde. Zudem hätten die Vertragsparteien die Absicherung der Klägerin in der Insolvenz auf andere Weise erreichen können, ohne die Beklagte der Gefahr der zweimaligen Zahlung der Mieten auszusetzen.
22
b) Die Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen die Verneinung eines hilfsweise auf die Abtretung in § 5 des Forfaitierungsvertrages gestützten Anspruchs wendet. Die sich aus diesem Vertrag ergebende Abtretung künftiger Mieten entfaltet in der Insolvenz des Vermieters als eine nach § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich unwirksame Vorausverfügung nur in den Grenzen des § 110 InsO Wirkungen. Da die Verfahrenseröffnung am 13. des laufenden Monats erfolgte, verlor die Abtretung mit Beginn des Folgemonats (Juli 2003) ihre Wirksamkeit.
23
aa) Auf die im Jahr 1997 geschlossenen Verträge findet die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung, insbesondere auch die Vorschriften der §§ 91, 108 ff InsO, Anwendung. Unstreitig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin im Jahr 2002 beantragt worden. Damit gilt die Insolvenzordnung auch für Rechtsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 1999 begründet worden sind (§ 359 InsO, Art. 110 Abs. 1, Art. 103, 104 EGInsO).

24
bb) Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten in der Sache um einen Mietvertrag, einen Leasingvertrag oder um einen Mietkaufvertrag (vgl. von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. B Rn. 78 ff) handelt. In jedem Fall bestand das Vertragsverhältnis im Fall der Insolvenz der Schuldnerin - bezogen auf die Verpflichtung , den Gebrauch an dem Gegenstand zu überlassen und dafür ein Entgelt zu entrichten - fort, wie sich aus § 108 Abs. 1 InsO ergibt. Alle drei Vertragstypen unterfallen insoweit dem Mietrecht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1989 - VIII ZR 302/87, BGHZ 106, 304, 308 ff mwN; vom 14. Dezember1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 370 f; von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. B Rn. 2, 86) und somit dieser Vorschrift (vgl. MünchKomm-InsO/ Eckert, 2. Aufl., § 108 Rn. 28, 35; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2007, § 108 Rn. 6; FK-InsO/Wegener, 7. Aufl., § 108 Rn. 15). Daher bestanden die Ansprüche auf Zahlung der Mieten auch für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung am 13. Juni 2003 fort und wurden - vorbehaltlich der Wirkungen der §§ 91, 110 InsO - von der Abtretung erfasst.
25
cc) Nach der Rechtsprechung des Senats beschränkt § 110 Abs. 1 InsO - ebenso wie die Parallelvorschrift des § 114 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 9 ff, 12) - nicht die Wirksamkeit von Vorausverfügungen über Mietforderungen, sondern verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 91 InsO (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rn. 12; vom 17. September 2009 - IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 Rn. 10; vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 Rn. 15). Mithin begründen die besonderen Vorschriften (in ihren zeitlichen Grenzen) die Wirksamkeit der Vorausabtretung, auch wenn diese nach der allgemeinen, die Masse schützenden Vorschrift des § 91 InsO unwirk- sam wäre. Ist die Vorausverfügung des Schuldners für die Zeit nach Insolvenzeröffnung hingegen nicht nach den §§ 81, 91 Abs. 1 InsO unwirksam, ist für eine Anwendung von § 110 InsO kein Raum (Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 110 Rn. 13; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 91 Rn. 15; vgl. HmbKommInsO /Ahrendt, 4. Aufl., § 110 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Eckert, aaO § 110 Rn. 11). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung trotz einiger Gegenstimmen im Schrifttum (Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 110 Rn. 2; Jaeger/Windel, InsO, § 91 Rn. 54; Reichelt/Tresselt, ZfIR 2012, 501, 502 f; HK-InsO/Marotzke, 6. Aufl., § 110 Rn. 5; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 110 Rn. 8) fest.
26
dd) Da die Frist des § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO für die hier eingeklagten Forderungen abgelaufen ist, beurteilt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Vorausabtretung in dem Forfaitierungsvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein nach § 91 Abs. 1 InsO. Danach hat die Vorausverfügung keine Wirkung.
27
(1) Nach § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist der Verfügungstatbestand mit dem Zustandekommen des Abtretungsvertrages abgeschlossen. Der Rechtsübergang vollzieht sich jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens , kann der Zessionar deshalb gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht mehr zu Lasten der Masse erwerben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsicht- lich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 Rn. 13 mwN). Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit dem Vertragsschluss betagt entstehen, mithin nur hinsichtlich ihrer Fälligkeit vom Ablauf einer Frist abhängig sind, oder befristet entstehen, weil sie in ihrem Bestehen vom Ablauf der Frist abhängig sind; nur im ersten Fall hat der Abtretungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. September 2009 - IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 Rn. 10).
28
Im Allgemeinen sind Mietforderungen als aufschiebend befristete Forderungen anzusehen, weil der Anspruch auf Entrichtung der Miete - ähnlich wie der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14) - erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung entsteht. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009, aaO mwN). Nach § 91 Abs. 1 InsO wird die Abtretung solcher Forderungen mit Ablauf der Frist in § 110 InsO unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO; vom 11. Oktober 2012 - IX ZR 30/10, NZI 2012, 883 Rn. 17).
29
Etwas anderes gilt für die Grundmietzeit des Finanzierungsleasings, weil die Forderungen auf Zahlung der Leasingraten betagte Forderungen darstellen. Sie entstehen nicht erst nach Maßgabe der zeitlichen Entwicklung des Dauerschuldverhältnisses , sondern sind in jeder Weise durch den Leasingvertrag rechtlich von vornherein festgelegt, weil die feste Dauer der Mietzeit, die Fälligkeit und die Höhe der Leasingraten wesentlicher Bestandteil des Finanzierungsleasings sind, bei dem Kündigungsmöglichkeiten vor Ablauf der Grundmietzeit in der Regel ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372 f; vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514). Es kommt hinzu, dass die vereinbarten Leasingraten nicht nur das Entgelt für eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung, sondern zugleich für die vom Leasinggeber erbrachte Finanzierungsleistung sind. Auch dies rechtfertigt es, sie als betagte Forderungen zu behandeln (BGH, Urteil vom 28. März 1990 - VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84, 94 f; vom 3. Juni 1992 - VIII ZR 138/91, BGHZ 118, 282, 290 f; vgl. auch Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, BGHZ 191, 277 Rn. 12). Dies hat zur Folge , dass die Vorausabtretung der Leasingrate in der Insolvenz des Leasinggebers wirksam bleibt, weil die Forderung schon vor Insolvenzeröffnung entstanden ist.
30
Entschieden hat der Senat dies in dem zitierten Urteil vom 14. Dezember 1989 (aaO) zu §§ 15, 21 KO und für einen Leasingvertrag über bewegliche Gegenstände. Für §§ 91, 110 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 78/09, NZI 2010, 220 Rn. 21; vom 10. November 2011, aaO) sowie für Finanzierungsleasingverträge über unbewegliche Gegenstände gilt nichts anderes, sofern der Leasingvertrag in der Weise ausgestaltet ist, dass die Forderungen auf Zahlung der künftigen Leasingraten bereits mit Vertragsschluss als betagte Forderungen entstehen.
31
Allerdings wird in der Literatur erwogen, beim Leasing unbeweglicher Gegenstände die Vorausabtretung des dem Gebrauchswert entsprechenden Teils der Leasingraten über die zeitlichen Schranken des § 110 Abs. 1 InsO hinaus als unwirksam und nur hinsichtlich des die Finanzierung betreffenden Teils als wirksam anzusehen, weil die fortdauernde Überlassung des Leasingobjektes nach Verfahrenseröffnung eine nicht vernachlässigbare Leistung der Masse darstelle (MünchKomm-InsO/Eckert, 2. Aufl., § 110 Rn. 17 f, § 108 Rn. 34; Reichelt/Tresselt, ZfIR 2012, 501, 504). Diese Erwägung müsste in gleicher Weise auch für Leasingverträge über bewegliche Gegenstände gelten. Hier hat der Senat jedoch bereits entschieden und hält nach Überprüfung daran fest, dass es der Masse auch ohne gleichwertige Gegenleistung zuzumuten ist, dem Leasingnehmer den Gebrauch zu gewähren, sofern sich die Gebrauchsgewährung darauf beschränkt, den Leasingnehmer nicht in der Nutzung zu stören und ihn allenfalls gegenüber Störungen durch Dritte zu unterstützen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 369, 379 f; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 22. Mai 1996 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 13/4699 S. 6).
32
(2) Das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Schuldnerin ist jedoch abweichend von den Gegebenheiten eines üblichen Leasingvertrages derart ausgestaltet, dass die Forderungen auf die künftigen Mieten nicht betagt, sondern nur befristet entstanden sind.
33
Unerheblich ist allerdings, dass die Parteien den Überlassungsvertrag als Mietvertrag bezeichnet und im Vertragstext einheitlich mietrechtliche Bezeichnungen verwendet haben. Denn es kommt auf die Verwendung bestimmter Bezeichnungen nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob sich der Inhalt des Vertrages von einem gewöhnlichen Mietvertrag in erheblicher Weise unterscheidet. Bei einem Finanzierungsleasingvertrag können die Vertragsparteien abweichend von dem in erster Linie maßgeblichen Mietrecht die Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer abwälzen, die mietrechtliche Gewährleistung des Leasinggebers bei gleichzeitiger Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten ausschließen und regeln, dass der Vertrag während einer befristeten Grundmietzeit nur außerordentlich gekündigt werden darf. Sie können auch die Rechtsfolgen einer ordentlichen oder außerordentlichen Vertragsbeendigung vor Ablauf der vorgesehenen Leasingzeit dem Vertragszweck anpassen, um zu erreichen, dass der Leasingnehmer nach Ablauf der Vertragszeit auch in diesem Fall für die gesamten Finanzierungskosten aufzukommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 1990 - VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84, 94 f; BGH, Urteil vom 11. März 1998 - VIII ZR 205/97, NJW 1998, 1637, 1638).
34
Hier haben die Beklagte und die Schuldnerin in dem streitgegenständlichen Mietvertrag mietvertragstypische Vereinbarungen getroffen, die nicht wesentlich von einem gewöhnlichen Mietvertrag abweichen. Die Schuldnerin schuldete während der Mietzeit auch die üblichen Mietnebenleistungen (Wasser , Strom, Beheizbarkeit u.a.) und hatte der Beklagten das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und es während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Sie trug - leasinguntypisch - die notwendigen Instandsetzungs- und Instandhaltungsaufwendungen und war zur Gewährleistung nach §§ 537 ff BGB aF verpflichtet. Mithin beschränkte sich ihre Verpflichtung, der Beklagten den Gebrauch der Mietsache zu überlassen, nicht darauf, sie in ihrer Nutzung nicht zu stören. Mit der Übernahme der mietrechtlichen Gewährleistung konnten erhebliche Belastungen auf die Schuldnerin und in ihrer Insolvenz auf die Masse zukommen, die dieser ohne gleichwertige Gegenleistungen nicht zugemutet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372 f; MünchKomm -InsO/Eckert, aaO § 110 Rn. 38; aA wohl Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 22. Mai 1996 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 13/4699 S. 6).
35
Es kommt Weiteres hinzu: Das auf 25 Jahre angelegte Mietverhältnis konnte die Beklagte ordentlich mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist je- weils zum Ende eines jeden Jahres kündigen. Damit waren die Mietraten nicht in jeder Weise durch den Mietvertrag rechtlich von vornherein festgelegt, wie es für die Annahme einer betagten Forderung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989, aaO S. 272 f).
36
Allerdings darf für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten und der Schuldnerin nicht allein der Mietvertrag in den Blick genommen werden. Die Vertragsparteien haben im zeitlichen Zusammenhang eine Vielzahl von aufeinander abgestimmten Verträgen geschlossen. Danach wollte die Beklagte das Stadthaus errichten und hat zur Finanzierung dieser Maßnahme die Schuldnerin herangezogen; die Schuldnerin hat die Maßnahme bei der Klägerin durch den Forfaitierungsvertrag refinanziert. Zur Realisierung der Pläne hat die Beklagte das Grundstück an die Schuldnerin verkauft und sollte es von ihr mieten und nach Ablauf der Mietzeit zurückerwerben, wobei ihr ein durch eine Auflassungsvormerkung und durch ein - notariell beurkundetes, bis zum 30. Juli 2022 unwiderrufliches - Verkaufsangebot der Schuldnerin abgesichertes Rückkaufsrecht eingeräumt war. Die vereinbarten Mieten sollten letztlich an die Klägerin fließen. Im Falle der Kündigung sollte die Beklagte verpflichtet sein, das notariell beurkundete unwiderrufliche Kaufangebot der Schuldnerin zu den dort genannten Bedingungen anzunehmen, wobei der Kaufpreis sich in der Höhe nach der Dauer des Mietvertrages richtete. Außerdem sollte sie die Schuldnerin in diesem Fall von ihren Verpflichtungen gegenüber der Klägerin freistellen. Letztlich wollten die Vertragsparteien durch diese Regelungen erreichen, dass die Beklagte innerhalb der vereinbarten - durch Kündigung gegebenenfalls variablen - Laufzeit des Mietvertrages einerseits die Kosten für die Anschaffung des Grundstücks und die Errichtung des Stadthauses und andererseits die Finanzierungskosten vollständig trug.
37
Tatsächlich leiden Teile der getroffenen Vereinbarungen an Wirksamkeitsmängeln. Die allein im Mietvertrag enthaltene Verpflichtung der Beklagten, das Kaufangebot der Schuldnerin bei Beendigung des Mietvertrages anzunehmen , mithin das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben, war entgegen § 313 Satz 1 BGB aF, § 311b Abs. 1 BGB nicht notariell beurkundet. Dies führt nach §§ 125, 139 BGB zur Nichtigkeit jedenfalls der Erwerbsverpflichtung, aber auch der Verpflichtung, die Schuldnerin gegenüber der Klägerin freizustellen, weil letztere nur im Zusammenspiel mit der Erwerbsverpflichtung Bedeutung erlangt und bei ihrer Fortgeltung ein mittelbarer Zwang auf die Beklagte herbeigeführt werden würde, das Grundstück zurück zu erwerben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 46). Das aber hat zur Folge, dass die Beklagte den Mietvertrag jederzeit kündigen und sich der Verpflichtung entziehen kann, für die Finanzierung des Objekts bis zum Ende aufzukommen , sofern sie den Verlust des Grundstücks in Kauf nimmt. Mithin entstehen die Mietforderungen zum Anfang eines jeden Monats befristet. Die nicht wirksam umgesetzten Absichten der Vertragsparteien sind bei der rechtlichen Einordnung der Forderung als betagt unbeachtlich.
38
ee) Der Einredeverzicht vom 12. November 1997 steht dem nicht entgegen. Die Beklagte durfte sich gegenüber der Klägerin aufgrund dieses Verzichts nicht auf irgendwelche Einwendungen aus dem Mietvertrag oder auf die Unwirksamkeit des Mietvertrages berufen und war ihr gegenüber weiterhin vorleistungspflichtig. Die Geltendmachung der insolvenzrechtlichen Unwirksamkeit der Abtretung im Verhältnis der Klägerin zur Schuldnerin sollte durch die Erklärung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Erklärung, aber auch ihre bereits dargestellte Entstehungsgeschichte.
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 23.06.2011 - 4 O 232/07 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 08.02.2012 - 3 U 111/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 176/02 Verkündet am:
19. Dezember 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Unterbrechung eines Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen wegen
der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO berührt
das Verfahren der übrigen Streitgenossen nicht.

b) Dieses Verfahren kann regelmäßig durch Teilurteil abgeschlossen werden.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner Zahlung von Restwerklohn aus einem Bauvertrag. Die Beklagte zu 1 sowie die in der Objektgesellschaft Auepark GbR zusammengeschlossenen Beklagten zu 2 und 3 beauftragten die Klägerin mit Erschließungsleistungen. Die Klägerin hat die nach ihrer Auffassung vertraglich geschuldete Vergütung für die Bereitstellung von Containern verlangt. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 158.527,50 DM nebst Zinsen verurteilt. Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Anhö-
rung des Geschäftsführers der Klägerin die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage durch Teilurteil abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht kommt aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 hätten sich während der Baumaßnahmen dahin geeinigt, daß die Klägerin aus der Position für die Bereitstellung des Baucontainers ungeachtet einer längeren Nutzungsdauer lediglich eine Vergütung für 4 Wochen verlangen könne. Das ergebe sich aus der Aussage des Zeugen G. und dem damit in Übereinstimmung zu bringenden Akteninhalt. Die Angaben des als Partei gehörten Geschäftsführers der Klägerin seien dagegen nicht glaubhaft. Für eine von der Klägerin angeregte Parteivernehmung ihres Geschäftsführers lägen die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vor. Gegen die Richtigkeit der Sachdarstellung der Klägerin sprächen in Würdigung der Gesamtumstände weitaus überwiegende und letztlich überzeugende Gesichtspunkte. Die Parteivernehmung zum Zwecke des Gegenbeweises sei nicht zulässig. Der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit rechtfertige keine andere Beurteilung. Dieser sei
durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet. Die Vernehmung des nicht gehörten Geschäftsführers der Beklagten zu 2 sei ebenfalls entbehrlich, wie sich bereits aus dem in § 445 Abs. 2 ZPO normierten Rechtsgedanken ergebe. Die Klägerin habe keine Ansprüche mehr, weil die sich aus der nachträglichen Einigung ergebende Vergütung bezahlt sei. Die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 könne durch Teilurteil abgewiesen werden. Der Grundsatz, dass ein Teilurteil nur ergehen dürfe, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten Anspruchs unabhängig sei, gelte bei einer subjektiven Klagehäufung nur eingeschränkt. Den Beklagten zu 1 und 3 sei es nicht zumutbar, nach der Beweisaufnahme die Verfahrensverzögerung bis zur Beendigung der Unterbrechung hinsichtlich der Beklagten zu 2 hinzunehmen. Ohne diese Unterbrechung hätte der Senat die Verfahren gemäß § 145 ZPO trennen können.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht durch Teilurteil entschieden (1.) und von einer Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 abgesehen (2.). 1. Das Berufungsurteil hat die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 ohne Verfahrensfehler durch Teilurteil abgewiesen.
a) Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich ein Teilurteil nur dann ergehen darf, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander
widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00, MDR 2002, 1068 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Klage über einen Anspruch gegen mehrere Personen erhoben wird (BGH, Urteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035). In diesem Fall darf sich jedenfalls dann, wenn eine Beweisaufnahme stattzufinden hat, ein Gericht grundsätzlich nicht auf ein Prozeßrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden. Denn die Beweise sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nur einmal zu erheben und einheitlich frei zu würdigen, so daß unterschiedliche Ergebnisse gegen einzelne Streitgenossen ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 341/89, WM 1992, 242, 243).
b) Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen worden ist. Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen nicht berührt. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof trotz der jeweils offen liegenden Gefahr, daß bei Aufnahme des durch den Konkurs bzw. die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte, stets die Möglichkeit bejaht, gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214, 216; Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113; Urteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86, NJW 1987, 2367, 2368). Diese Ausnahme von dem Grundsatz, daß ein Teilurteil dann nicht ergehen soll, wenn die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse besteht, ist im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs oder Insolvenz eines einfachen Streitgenossen regelmäßig gerechtfertigt, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Die Dauer der Unterbrechung ist in der Regel ungewiß. Sie endet, wenn das Verfahren nicht nach den für das
Konkurs- oder Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird, erst dann, wenn das Konkurs- oder Insolvenzverfahren beendet ist. Dieses Verfahren kann sich in Einzelfällen viele Jahre lang hinziehen. Ob und gegebenenfalls wann eine Aufnahme des Verfahrens erfolgt, ist in aller Regel nicht voraussehbar. Die übrigen Streitgenossen haben keine prozessuale Möglichkeit , die Aufnahme des Verfahrens und damit auch den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozeßbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werden kann. Solche Anhaltspunkte lagen nicht vor. 2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht hätte aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 von Amts wegen als Partei vernehmen müssen.
a) Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO liegt im Ermessen des Tatrichters und ist im Revisionsverfahren nur daraufhin nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die in § 448 ZPO geregelten
Voraussetzungen für eine Parteivernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 verneint. Es ist zu der Überzeugung gekommen, daß die im einzelnen festgestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme überzeugend gegen die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sprächen. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, daß die Behauptung der Klägerin unwahrscheinlich ist. Die von der Revision angeführten Gründe, die für eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Behauptung der Klägerin sprechen sollen, hat das Berufungsgericht umfassend berücksichtigt.
b) Durch die Ablehnung der Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und, soweit zulässig, der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, wie er aus dem Gleichheitssatz, dem Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet werden kann (vgl. die Entscheidung des EGMR, NJW 1995, 1413, 1414 - Dombo Beheer B.V.; BVerfG, Beschluß vom 25. Juli 1979 - 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 156; Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, 2532). aa) Erfordert der Grundsatz der Waffengleichheit, daß der Partei, die für ein Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozeß persönlich einzubringen, so ist dem grundsätzlich Genüge getan, wenn die Partei nach § 141 ZPO angehört wird. Die dagegen von der Revision und teilweise auch von der Literatur erhobenen Bedenken (Kluth/Böckelmann, MDR 2002, 476, 480; Messer, Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof , S. 67, 81 f.) sind unbegründet. Sie tragen nicht dem Umstand Rechnung, daß der Bundesgerichtshof einerseits den Anwendungsbereich und den Beweiswert einer Parteianhörung gesteigert und andererseits die Anforderungen an die Zulässigkeit der Vernehmung einer Partei, die sich in Beweisnot befindet, abgesenkt hat (vgl. BVerfG, Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR
140/00, aaO; BGH, Urteil vom 9. März 1990 - V ZR 244/88, BGHZ 110, 363, 365 f.). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet, daß das Ergebnis der Anhörung ausreichend Gewicht hat (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998, aaO). Durch die Anhörung der Partei wird das Gericht freilich nicht von der Prüfung der Frage entbunden, ob nach § 448 ZPO eine förmliche Parteivernehmung stattzufinden hat. Bei dieser Prüfung kann es jedoch unter Heranziehung aller Umstände wie auch der Anhörung der Partei nach § 141 ZPO zu dem Ergebnis kommen, daß keine Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Behauptung besteht (vgl. Lange, NJW 2002, 476, 482). Das Berufungsgericht hat den Geschäftsführer der Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Es hat seine Angaben bei der persönlichen Anhörung in der Beweiswürdigung ausführlich berücksichtigt. bb) Der Grundsatz der Waffengleichheit wird nicht verletzt, wenn das Gericht nach Vernehmung eines Zeugen davon absieht, die Gegenpartei gemäß § 448 ZPO von Amts wegen zu vernehmen, weil es keine Wahrscheinlichkeit für die Parteibehauptung erkennt (BGH, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 90/01, NJW 2002, 2247).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 141/14
Verkündet am:
12. Februar 2015
B o t t
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Zur unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1
GVG, wenn das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren
zu einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten ("Massen"
)Verfahren gehört (hier: mehr als 4.000 Kläger), das deshalb einstweilen
zurückgestellt wird, weil das Ausgangsgericht "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren"
, die die ganze "Fallbreite" ausschöpfen, auswählt und vorrangig
betreibt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt
es dabei nicht an.

b) Zur Frage, inwieweit einer Partei, gegen die eine Vielzahl von Verfahren
betrieben wird, ein fühlbarer immaterieller Nachteil dadurch entsteht, dass
einzelne dieser Verfahren nicht in angemessener Zeit erledigt
werden (Widerlegung der Vermutung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
2
Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
3
Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
4
Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
5
Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
6
Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
7
Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.

8
Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
9
Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
10
Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
11
Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
12
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
13
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


14
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


15
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.

17
Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
18
In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
19
Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
20
Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.

II.


21
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
22
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
23
2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
24
a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
25
Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
26
Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
28
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
29
d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
30
September 2008 bis Februar 2010
31
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
32
Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
33
Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
34
Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
35
September 2011 bis Dezember 2012
36
Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
37
3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
38
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
39
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
40
Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
41
Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
42
b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
43
Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
44
Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I ZR 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
18. März 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung),
§ 355 (in der Fassung vom 23. Juli 2002); BGB-InfoV § 14 Abs. 1 und 3 (in der Fassung
vom 5. August 2002)
Der Unternehmer, der eine den gesetzlichen Anforderungen nach § 312 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 BGB (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung), § 355
Abs. 2 BGB (in der Fassung vom 23. Juli 2002) nicht genügende Widerrufsbelehrung
verwendet, kann sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (in der
Fassung vom 5. August 2002) nicht berufen, wenn er den Text der Musterbelehrung
einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht; ob die Abweichungen von der
Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen
zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen, ist unerheblich.
BGH, Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie
den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 19. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und 4) zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger beteiligten sich mit Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) vom 20. März 2004 in Höhe von 18.000 € als atypische stille Gesellschafter an der A. AG & Co. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, und zwar im Rahmen des Beteiligungsprogramms „Sprint“, bei dem die Einlage durch eine Anzahlung von 3.000 € und monatliche Raten von 100 € bezahlt werden sollte. Die Kläger leisteten auf ihre Beteiligung insgesamt 7.820 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.080 €.
2
In dem Zeichnungsschein der Beklagten sind die Kläger unter der Über- schrift „Widerrufsbelehrung“ wie folgt auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen wor- den: „Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung inner- halb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu rich- ten an: … [Beklagte]. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.“
3
Nachdem die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2009 über eine Schieflage der Gesellschaft informiert und unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Raten um die Zustimmung zu einer beabsichtigten Liquidation gebeten hatte, erklärten die Kläger durch Anwaltsschreiben vom 11. September 2009 die außerordentliche Kündigung sowie die Anfechtung ihrer Beteiligungen und die Geltendmachung von Schadensersatz.
4
Die Kläger haben von der Beklagten in erster Linie Rückzahlung ihrer ge- leisteten Einlage in Höhe von 7.820 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine weiteren Rechte aus der Beteiligung zustehen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass sie ihre Beteiligung wirksam zum 11. September 2009 außerordentlich gekündigt haben, und die Berechnung und Auszahlung ihres Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Zur Begründung haben sie die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend gemacht. Ferner haben sie die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung als fehlerhaft beanstandet und sich auf einen Widerruf ihrer in einer Haustürsituation abgeschlossenen Beteiligung berufen, der mangels ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht auch noch im Jahr 2009 habe erfolgen können.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision im Hinblick darauf zugelassen , dass es die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. August 2002, BGBl. I 2002, 3009; im Folgenden : aF) auf den Fall erstreckt hat, dass die verwendete Belehrung von dem maßgeblichen Muster - wenn auch nur hinsichtlich weiter erteilter zutreffender Informationen - abweicht. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ihrer Beteiligung sowie der Auszahlung des von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichtetes Hilfsbegehren mit der Begründung weiter, sie hätten ihr Widerrufsrecht wirksam ausgeübt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit das Berufungsgericht die Abweisung der Klage mit den auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung und Auszahlung eines von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichteten Hilfsanträgen bestätigt hat.
7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht wirksam widerrufen. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hätten sie ihre Beitrittserklärung zwar in einer sogenannten Haustürsituation abgegeben. Das Widerrufsrecht habe im Jahr 2009 aber nicht mehr ausgeübt werden können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 2002; im Folgenden: aF) lange verstrichen gewesen sei. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung folge im Wesentlichen dem Muster in der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne sich der Verwender der Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF allerdings nur berufen, wenn er ein Formular verwendet habe, das dem in der Anlage 2 geregelten Muster vollständig entspreche. Dem sei für Fälle zu folgen, in denen die verwendete Widerrufsbelehrung zuungunsten des Vertragspartners des Verwenders von dem Muster abweiche. Im vorliegenden Fall sei es jedoch anders. Die einzige Abweichung liege darin, dass es in der Musterbelehrung in der Fassung von 2002 heiße: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, während es in der hier verwendeten Belehrung heiße: „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag erhalten haben“. Damit behebe sie Mängel, die dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF angehaftet hätten, weil die Musterbelehrung den zu Belehrenden nicht ausreichend über den Fristbeginn informiert habe. Es erscheine deshalb nicht angemessen, dass derjenige, der zugunsten des Belehrungsempfängers von dem Muster abweiche, indem er ihm weite-re - zutreffende - Informationen erteile, sich wegen dieser Zusatzinformationen nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF solle berufen können.
9
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, im Folgenden: aF), § 355 BGB aF war im Jahr 2009 nicht abgelaufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder den Anforderungen der §§ 312 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB aF noch den Voraussetzungen genügt, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF berufen kann.
10
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Beklagte der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2010 - II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 Rn.12 - FRIZ II; Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 18). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben bei dem Beitritt der Kläger die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgelegen.
11
2. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF - grundsätzlich ordnungsgemäß war. Die Belehrung genügte, wie der Senat selbst feststellen kann, schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit allenfalls zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 46 mwN), die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2013 - 8 U 281/11, juris Rn. 53). Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich , weil die Kläger nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten mussten. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Beklagten beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die Kläger berechtigt waren, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten (§ 271 Abs. 2 BGB) und damit ihren Beitritt zu vollziehen. Ob ein solches Verhalten der Kläger nahelag, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 18). Im Übrigen geht die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Widerrufsfrist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) nicht nach § 355 Abs. 2 BGB aF in Gang gesetzt worden.
12
3. Die Belehrung genügt auch nicht gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF den gesetzlichen Anforderungen.
13
a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF genügte eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wurde; dabei durfte der Unternehmer in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF.
14
b) Das als Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Muster wies zum Widerrufsrecht und zu den Widerrufsfolgen folgenden Text auf: Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) [oder durch Rücksendung der Sache] widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs [oder der Sache]. Der Widerruf ist zu richten an: Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren [und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben]. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren , müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. [Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Ver- schlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen , was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind [auf unsere Kosten und Gefahr] zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.]
15
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, ZIP 2009, 1512 Rn. 15; Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, ZIP 2010, 734 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, ZIP 2011, 178 Rn. 15 f.; Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 21; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 14; Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn.

6).

16
d) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Zwar ist es entgegen der Ansicht der Revision unschädlich , dass in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf die Widerrufsfolgen bei der Überlassung von Sachen fehlt, weil dieser Zusatz nach den mit dem Muster veröffentlichten Gestaltungshinweisen bei Leistungen, die wie hier nicht in der Überlassung von Sachen bestehen, entfallen kann. Die Widerrufsbelehrung weicht jedoch in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster ab, indem anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Be- lehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesell- schaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wird.
17
e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht diese Abweichung einer Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegen. Sie ist nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe und daher, wie das Berufungsgericht meint, nur zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen sei.
18
Der Senat hat es zwar als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9 mwN) dem Gesetz (§ 187 BGB) angepasst hat (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn. 6). Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Anpassung der Belehrung über den Fristbeginn an die gesetzliche Regelung des § 187 BGB. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, nämlich von dem Zugang einer Abschrift der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags. Unterzieht der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung , so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1.
März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17).
19
Eine der Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegenstehende inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung ist daher im vorliegenden Fall unabhängig davon gegeben, ob mit dem zusätzlich in die Belehrung aufgenommenen Hinweis, dass die Widerrufsfrist erst mit Zugang einer Abschrift der Vertragsurkunde und des Antrags beginnt, möglicherweise der Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF (= § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB nF) Rechnung getragen werden sollte, nach der die Widerrufsfrist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Der Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags bedarf ebenso wie der Beitritt zu einer schon bestehenden stillen Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen der Schriftform, sondern kann formfrei und sogar stillschweigend vereinbart werden (vgl. Gehrlein in Ebenroth/ Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., § 230 Rn. 20, 22; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl., § 230 Rn. 10 und § 105 Rn. 68 zur OHG). Den Fragen, ob die Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF nur die gesetzliche Schriftform betrifft (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 15; Masuch in Münch/ KommBGB, 6. Aufl., § 355 Rn. 60) oder ob sie auch bei vereinbarter Schriftform eingreift (Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 13) und ob der Beitrittsvertrag im vorliegenden Fall aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Schriftform bedurfte, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn mangels eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses beschränkte sich die Ergänzung der Musterbelehrung insoweit jedenfalls nicht auf die Vornahme einer bloßen Korrektur durch Übernahme einer für alle Fallgestaltungen gesetzlich vorgegebenen Fristberechnung , sondern es handelte sich allenfalls um eine aufgrund der konkreten Fallgestaltung (vertraglich vereinbarte Schriftform) für erforderlich erachtete individuelle Anpassung der Widerrufsbelehrung. Ein Verwender, der die Musterbelehrung in dieser Weise abändert und dessen Widerrufsbelehrung in der abgeänderten Form den gesetzlichen Anforderungen - hier: weil sie nicht darauf hinweist, dass sich die rechtlichen Folgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft richten können - nicht genügt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF schutzwürdig.
20
4. War die Widerrufsfrist somit noch nicht abgelaufen, konnten die Kläger im Jahr 2009 ihre Beitrittserklärung noch widerrufen. Für den Widerruf genügt es, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er den Vertragsschluss nicht mehr gegen sich gelten lassen will (BGH, Urteil vom 24. April 1996 - X ZR 139/94, ZIP 1996, 1138; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 6 mwN).
21
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und
4) zurückgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.02.2012 - 304 O 499/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.02.2013 - 9 U 35/12 -

*

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I ZR 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
18. März 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung),
§ 355 (in der Fassung vom 23. Juli 2002); BGB-InfoV § 14 Abs. 1 und 3 (in der Fassung
vom 5. August 2002)
Der Unternehmer, der eine den gesetzlichen Anforderungen nach § 312 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 BGB (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung), § 355
Abs. 2 BGB (in der Fassung vom 23. Juli 2002) nicht genügende Widerrufsbelehrung
verwendet, kann sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (in der
Fassung vom 5. August 2002) nicht berufen, wenn er den Text der Musterbelehrung
einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht; ob die Abweichungen von der
Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen
zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen, ist unerheblich.
BGH, Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie
den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 19. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und 4) zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger beteiligten sich mit Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) vom 20. März 2004 in Höhe von 18.000 € als atypische stille Gesellschafter an der A. AG & Co. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, und zwar im Rahmen des Beteiligungsprogramms „Sprint“, bei dem die Einlage durch eine Anzahlung von 3.000 € und monatliche Raten von 100 € bezahlt werden sollte. Die Kläger leisteten auf ihre Beteiligung insgesamt 7.820 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.080 €.
2
In dem Zeichnungsschein der Beklagten sind die Kläger unter der Über- schrift „Widerrufsbelehrung“ wie folgt auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen wor- den: „Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung inner- halb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu rich- ten an: … [Beklagte]. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.“
3
Nachdem die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2009 über eine Schieflage der Gesellschaft informiert und unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Raten um die Zustimmung zu einer beabsichtigten Liquidation gebeten hatte, erklärten die Kläger durch Anwaltsschreiben vom 11. September 2009 die außerordentliche Kündigung sowie die Anfechtung ihrer Beteiligungen und die Geltendmachung von Schadensersatz.
4
Die Kläger haben von der Beklagten in erster Linie Rückzahlung ihrer ge- leisteten Einlage in Höhe von 7.820 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine weiteren Rechte aus der Beteiligung zustehen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass sie ihre Beteiligung wirksam zum 11. September 2009 außerordentlich gekündigt haben, und die Berechnung und Auszahlung ihres Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Zur Begründung haben sie die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend gemacht. Ferner haben sie die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung als fehlerhaft beanstandet und sich auf einen Widerruf ihrer in einer Haustürsituation abgeschlossenen Beteiligung berufen, der mangels ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht auch noch im Jahr 2009 habe erfolgen können.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision im Hinblick darauf zugelassen , dass es die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. August 2002, BGBl. I 2002, 3009; im Folgenden : aF) auf den Fall erstreckt hat, dass die verwendete Belehrung von dem maßgeblichen Muster - wenn auch nur hinsichtlich weiter erteilter zutreffender Informationen - abweicht. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ihrer Beteiligung sowie der Auszahlung des von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichtetes Hilfsbegehren mit der Begründung weiter, sie hätten ihr Widerrufsrecht wirksam ausgeübt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit das Berufungsgericht die Abweisung der Klage mit den auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung und Auszahlung eines von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichteten Hilfsanträgen bestätigt hat.
7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht wirksam widerrufen. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hätten sie ihre Beitrittserklärung zwar in einer sogenannten Haustürsituation abgegeben. Das Widerrufsrecht habe im Jahr 2009 aber nicht mehr ausgeübt werden können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 2002; im Folgenden: aF) lange verstrichen gewesen sei. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung folge im Wesentlichen dem Muster in der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne sich der Verwender der Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF allerdings nur berufen, wenn er ein Formular verwendet habe, das dem in der Anlage 2 geregelten Muster vollständig entspreche. Dem sei für Fälle zu folgen, in denen die verwendete Widerrufsbelehrung zuungunsten des Vertragspartners des Verwenders von dem Muster abweiche. Im vorliegenden Fall sei es jedoch anders. Die einzige Abweichung liege darin, dass es in der Musterbelehrung in der Fassung von 2002 heiße: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, während es in der hier verwendeten Belehrung heiße: „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag erhalten haben“. Damit behebe sie Mängel, die dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF angehaftet hätten, weil die Musterbelehrung den zu Belehrenden nicht ausreichend über den Fristbeginn informiert habe. Es erscheine deshalb nicht angemessen, dass derjenige, der zugunsten des Belehrungsempfängers von dem Muster abweiche, indem er ihm weite-re - zutreffende - Informationen erteile, sich wegen dieser Zusatzinformationen nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF solle berufen können.
9
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, im Folgenden: aF), § 355 BGB aF war im Jahr 2009 nicht abgelaufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder den Anforderungen der §§ 312 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB aF noch den Voraussetzungen genügt, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF berufen kann.
10
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Beklagte der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2010 - II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 Rn.12 - FRIZ II; Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 18). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben bei dem Beitritt der Kläger die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgelegen.
11
2. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF - grundsätzlich ordnungsgemäß war. Die Belehrung genügte, wie der Senat selbst feststellen kann, schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit allenfalls zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 46 mwN), die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2013 - 8 U 281/11, juris Rn. 53). Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich , weil die Kläger nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten mussten. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Beklagten beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die Kläger berechtigt waren, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten (§ 271 Abs. 2 BGB) und damit ihren Beitritt zu vollziehen. Ob ein solches Verhalten der Kläger nahelag, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 18). Im Übrigen geht die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Widerrufsfrist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) nicht nach § 355 Abs. 2 BGB aF in Gang gesetzt worden.
12
3. Die Belehrung genügt auch nicht gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF den gesetzlichen Anforderungen.
13
a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF genügte eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wurde; dabei durfte der Unternehmer in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF.
14
b) Das als Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Muster wies zum Widerrufsrecht und zu den Widerrufsfolgen folgenden Text auf: Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) [oder durch Rücksendung der Sache] widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs [oder der Sache]. Der Widerruf ist zu richten an: Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren [und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben]. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren , müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. [Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Ver- schlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen , was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind [auf unsere Kosten und Gefahr] zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.]
15
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, ZIP 2009, 1512 Rn. 15; Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, ZIP 2010, 734 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, ZIP 2011, 178 Rn. 15 f.; Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 21; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 14; Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn.

6).

16
d) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Zwar ist es entgegen der Ansicht der Revision unschädlich , dass in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf die Widerrufsfolgen bei der Überlassung von Sachen fehlt, weil dieser Zusatz nach den mit dem Muster veröffentlichten Gestaltungshinweisen bei Leistungen, die wie hier nicht in der Überlassung von Sachen bestehen, entfallen kann. Die Widerrufsbelehrung weicht jedoch in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster ab, indem anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Be- lehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesell- schaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wird.
17
e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht diese Abweichung einer Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegen. Sie ist nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe und daher, wie das Berufungsgericht meint, nur zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen sei.
18
Der Senat hat es zwar als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9 mwN) dem Gesetz (§ 187 BGB) angepasst hat (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn. 6). Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Anpassung der Belehrung über den Fristbeginn an die gesetzliche Regelung des § 187 BGB. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, nämlich von dem Zugang einer Abschrift der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags. Unterzieht der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung , so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1.
März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17).
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Eine der Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegenstehende inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung ist daher im vorliegenden Fall unabhängig davon gegeben, ob mit dem zusätzlich in die Belehrung aufgenommenen Hinweis, dass die Widerrufsfrist erst mit Zugang einer Abschrift der Vertragsurkunde und des Antrags beginnt, möglicherweise der Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF (= § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB nF) Rechnung getragen werden sollte, nach der die Widerrufsfrist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Der Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags bedarf ebenso wie der Beitritt zu einer schon bestehenden stillen Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen der Schriftform, sondern kann formfrei und sogar stillschweigend vereinbart werden (vgl. Gehrlein in Ebenroth/ Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., § 230 Rn. 20, 22; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl., § 230 Rn. 10 und § 105 Rn. 68 zur OHG). Den Fragen, ob die Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF nur die gesetzliche Schriftform betrifft (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 15; Masuch in Münch/ KommBGB, 6. Aufl., § 355 Rn. 60) oder ob sie auch bei vereinbarter Schriftform eingreift (Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 13) und ob der Beitrittsvertrag im vorliegenden Fall aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Schriftform bedurfte, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn mangels eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses beschränkte sich die Ergänzung der Musterbelehrung insoweit jedenfalls nicht auf die Vornahme einer bloßen Korrektur durch Übernahme einer für alle Fallgestaltungen gesetzlich vorgegebenen Fristberechnung , sondern es handelte sich allenfalls um eine aufgrund der konkreten Fallgestaltung (vertraglich vereinbarte Schriftform) für erforderlich erachtete individuelle Anpassung der Widerrufsbelehrung. Ein Verwender, der die Musterbelehrung in dieser Weise abändert und dessen Widerrufsbelehrung in der abgeänderten Form den gesetzlichen Anforderungen - hier: weil sie nicht darauf hinweist, dass sich die rechtlichen Folgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft richten können - nicht genügt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF schutzwürdig.
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4. War die Widerrufsfrist somit noch nicht abgelaufen, konnten die Kläger im Jahr 2009 ihre Beitrittserklärung noch widerrufen. Für den Widerruf genügt es, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er den Vertragsschluss nicht mehr gegen sich gelten lassen will (BGH, Urteil vom 24. April 1996 - X ZR 139/94, ZIP 1996, 1138; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 6 mwN).
21
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und
4) zurückgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.02.2012 - 304 O 499/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.02.2013 - 9 U 35/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 349/10 Verkündet am:
28. Juni 2011
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 355 Abs. 2 Satz 2 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 2002)
HWiG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 (in der Fassung der Bekanntmachung
vom 16. Januar 1986)
BGB-InfoV § 14 Abs. 1 und 3 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August
2002)
BGB-InfoV Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 (in der Fassung der Bekanntmachung vom
5. August 2002)

a) Verwendet der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Nachbelehrung
ein Formular, das textliche Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung der
Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der Fassung der Zweiten Verordnung
zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002
(BGBl. I S. 2958) enthält, ist ihm eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV
in der damaligen Fassung schon aus diesem Grunde verwehrt (Anschluss an
BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 und
vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21).

b) Zu den gesetzlichen Anforderungen an eine Nachbelehrung (Bestätigung des Senatsurteils
vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 26 und des
Senatsbeschlusses vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 10).
BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 - OLG Jena
LG Gera
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers sowie die Richter
Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 28. September 2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger begehren die Feststellung, aus einem Darlehen, das ihnen die beklagte Bank zur Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gewährt hat, zu keinen Zahlungen mehr verpflichtet zu sein. Darüber hinaus verlangen sie die Rückabtretung von sicherungshalber abgetretenen Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
2
Die Kläger wurden im Jahre 1994 von einem Vermittler geworben, sich an dem " Immobilien-Fonds Nr. " (G. GbR ) - im Folgenden: Fondsgesellschaft - zu beteiligen. Mit dem Vermittler hatten sie eine vom 3. Dezember 1994 datierende "Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung" geschlossen. Mit notariell beurkundeter Beitrittserklärung vom 13. Dezember 1994 erklärten sie den Eintritt in die Fondsgesellschaft mit einer drei Fondsanteilen entsprechenden Kapitalbeteiligung von 91.950 DM. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts schlossen sie am 13./20. Dezember 1994 mit der Beklagten einen formularmäßigen Darlehensvertrag über 105.720 DM, der eine Widerrufsbelehrung mit unter anderem folgendem Inhalt enthielt: "Hat der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht binnen zweier Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt."
3
Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs traten die Kläger ihre Rechte aus zwei Lebensversicherungsverträgen an die Beklagte ab und verpfändeten zudem ihre Geschäftsanteile an der Fondsgesellschaft.
4
Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist aus dem Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 vereinbarten die Parteien unter dem 12. Oktober/ 15. Dezember 2004 einen geänderten Zinssatz für die Zeit ab dem 1. Januar 2005. Bereits am 16. Dezember 2003 hatten die Kläger eine ihnen von der Beklagten zugeleitete "Nachträgliche Widerrufsbelehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB" unterzeichnet, die unter anderem lautet: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (…) Widerrufsfolgen (…) Finanzierte Geschäfte Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. (…). Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert , gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. (…) Nicht paketversandfähige Ware wird bei Ihnen abgeholt. (…)."
5
Mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerriefen die Kläger den "Darlehensvertrag" unter anderem nach dem Haustürwiderrufsgesetz.
6
Mit ihrer Klage machen sie geltend, in einer Haustürsituation durch den Vermittler zum kreditfinanzierten Erwerb der Fondsbeteiligung bestimmt worden zu sein. Weder die ursprüngliche Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 noch die von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete nachträgliche Belehrung entsprächen den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Ihre Widerrufserklärung sei daher nicht verfristet. Darüber hinaus tragen sie vor, durch evident falsche Angaben zu den Flächen und den Mieterträgen des Fondsobjekts, zur Innenprovision sowie zur Mietgarantiegebühr getäuscht worden zu sein, weshalb ihnen ein Schadensersatzanspruch zustehe, den sie auch der Beklagten entgegen halten könnten.
7
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vermittlers, des Zeugen O. , der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision ist unbegründet.

I.

9
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Kläger hätten ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerrufen. Zu diesem Widerruf seien sie nach §§ 1 HWiG, 312, 355 BGB berechtigt gewesen, da sie - wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend und ohne Beweiswürdigungsfehler festgestellt habe - in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden seien. Insoweit reiche es aus, dass die in der Privatwohnung der Kläger geführten mündlichen Verhandlungen für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages mitursächlich gewesen seien, auch wenn der Vertrag selbst nicht in der Wohnung unterzeichnet worden sei und anlässlich des ersten Besuchstermins des Vermittlers in der Wohnung der Kläger auch die Fondsbeteiligung nicht unterzeichnet worden sei. Der geringe zeitliche Abstand von 10 Tagen zwischen der Vorstellung des Fonds Nr. bei den Klägern und dem von ihnen am 13. Dezember 1994 unterzeichneten Darlehensvertrag indiziere das Fortwirken der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages.
Demgegenüber habe der von den Klägern am 3. Dezember 1994 unterzeichnete Wirtschaftsberater-Servicevertrag für die Frage des Fortwirkens der Haustürsituation ebenso wenig Bedeutung wie der Zeitpunkt, zu dem die Kläger aufgrund des vorgenannten Servicevertrages neue Kraftfahrt- und Unfallversicherungen abgeschlossen hätten. Auch eine vorhergehende Bestellung zu Vertragsverhandlungen durch die Kläger könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als bewiesen angesehen werden. Hierzu reiche ein allgemeines Interesse an einem Hausbesuch auch dann nicht aus, wenn der Besuch - wie vorliegend - zum Zwecke der allgemeinen Information erfolgen solle. Zudem stehe aufgrund der Aussage des Zeugen O. fest, dass dem ersten Termin in der Wohnung der Kläger keine konkrete Abrede vorausgegangen sei, worum es bei diesem Termin gehen sollte.
11
Im Ergebnis zutreffend habe das Landgericht darüber hinaus die Widerrufserklärung der Kläger vom 20. Juni 2008 nicht für verfristet erachtet, da mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
12
Die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung sei aus mehreren Gründen fehlerhaft und daher nicht geeignet gewesen, die einmonatige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB in Lauf zu setzen. Zwar sei gemäß § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine Nachbelehrung auch für einen Altvertrag, der - wie vorliegend - aus der Zeit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stamme, möglich gewesen. Die tatsächlich erteilte Nachbelehrung sei aber aus mehreren Gründen nicht wirksam erfolgt.
13
Bereits das Landgericht habe, wenn auch nur im Ergebnis zutreffend, angenommen, dass die nachträgliche Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Frist- beginns fehlerhaft sei. Die Fehlerhaftigkeit folge zwar noch nicht daraus, dass aus der Belehrung die Wirkung des § 187 Abs. 1 BGB nicht hervorgehe, wonach eine Frist, für deren Anfang auf ein Ereignis abzustellen sei, frühestens am folgenden Tage beginne. Wenngleich der Inhalt einer Widerrufsbelehrung nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein und den Fristbeginn umfassen müsse, dürften an die Belehrung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Als ausreichend sei es anzusehen, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benenne, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöse, das heißt hier die Aushändigung der Belehrung in Textform. Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB sei nicht erforderlich.
14
Allerdings sei die Formulierung in der nachträglichen Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 hinsichtlich der notwendigen Belehrung über das den Fristbeginn auslösende Ereignis insoweit zu ungenau, als es dort heiße, die Frist beginne "frühestens" mit Erhalt der Belehrung in Textform. Diese Formulierung sei zu ungenau, um dem Verbraucher den Fristbeginn deutlich vor Augen zu führen, da hieraus nicht entnommen werden könne, dass die Widerrufsfrist hier nicht nur "frühestens" an dem betreffenden Tag zu laufen beginne, sondern der Fristenlauf tatsächlich ausnahmslos mit dem Erhalt der Belehrung in Gang gesetzt werden solle. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang für ihren gegenteiligen Standpunkt auf verschiedene höchst- und obergerichtliche Entscheidungen berufe, stünden diese den dargelegten Bedenken nicht entgegen , weil sie sämtlich mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar seien.
15
Die nachträgliche Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 sei aber auch noch aus anderen Gründen unwirksam. So fehle es an dem nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis, dass die Frist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde , sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB sei gemäß Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB auf die vom 16. Dezember 2003 datierende Nachbelehrung anwendbar. Außerdem folge die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung daraus, dass die Kläger darin entgegen § 358 Abs. 5 BGB nicht auf die sich aus § 358 Abs. 1 BGB ergebenden Widerrufsfolgen hingewiesen worden seien. Vorliegend seien die Kläger nur darüber belehrt worden, dass der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zu einer Beendigung der Bindung an den Beitrittsvertrag führe, nicht aber auch umgekehrt darüber, dass ein wirksamer Widerruf der Beitrittserklärung die Bindung an das Darlehen beende.
16
Die den Klägern ursprünglich bei Abschluss des Darlehensvertrages vom 13. Dezember 1994 erteilte Widerrufsbelehrung habe ebenfalls keine Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Die darin enthaltene Belehrung, wonach dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen habe, der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn er das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahle, enthalte einen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG unzulässigen und unrichtigen Zusatz.
17
Da es mithin insgesamt an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gegenüber den Klägern fehle, sei die Widerrufsfrist niemals wirksam in Lauf gesetzt worden.
18
Dabei werde nicht verkannt, dass die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung wörtlich der unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV abgedruckten Musterbelehrung in der im Jahre 2003 geltenden Fassung entsprochen habe und § 14 BGB-InfoV eine Fiktion dahingehend enthalte , dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs genüge, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt werde. Dies könne aber nicht gelten, wenn die Musterbelehrung, wie auch hier, hinter den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe. Wenngleich der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden, hier also der Beklagten, Berücksichtigung verdiene, dürfe sich dies nicht zu Lasten des Verbrauchers auswirken, was aber der Fall sei, wenn eine tatsächlich unzutreffende Widerrufsbelehrung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als zutreffend fingiert werde. Denn auch das - umgekehrte - Vertrauen des Verbrauchers darauf , dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verordnungsgeber herabgesetzt werden könnten, sei gleichermaßen schützenswert. Insoweit sei der auch in anderen Teilen der Rechtsprechung sowie im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen, dass der Verordnungsgeber keine Ermächtigung zur Abänderung der Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs als höherrangigem Recht besitze. Soweit die Musterbelehrung hinter den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe, sei sie deshalb wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage nichtig. Vertrauensschutz in Bezug auf eine höherrangiges Recht verletzende Norm könne nicht bestehen.

II.

19
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
20
1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Kläger i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden sind. Das angefochtene http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Urteil beruht insoweit weder auf einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf einer unzureichenden Berücksichtigung des Prozessstoffs (§ 286 ZPO).
21
a) Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Kausalitätserwägungen außer Acht gelassen, dass auf der Grundlage der Bekundungen des vom Landgericht vernommenen Zeugen O. bereits vor dem 3. Dezember 1994 ein (erster) Hausbesuch des Vermittlers erfolgt sein müsse, auf den hinsichtlich des Fortwirkens der Haustürsituation abzustellen sei, zu dessen Zeitpunkt indes die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht näher vorgetragen hätten.
22
aa) Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluss jedenfalls mit ursächlich ist. Es reicht aus, dass der Kunde durch die Kontaktaufnahme in der Privatwohnung in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1 HWiG und der Vertragserklärung ist nicht erforderlich, indiziert aber die Ursächlichkeit der Haustürsituation für den späteren Vertragsschluss. Die Indizwirkung für die Kausalität nimmt allerdings mit zunehmendem zeitlichem Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen , insbesondere dem nicht erfolgten Widerruf der auf den Fondsbeitritt gerichteten Willenserklärung im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung des konkreten Einzelfalls, die in der Revisi- onsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann (Senatsurteile vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 17 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 18).
23
bb) Das Berufungsgericht ist danach mit Recht davon ausgegangen, dass für die Frage des Fortwirkens der Haustürsituation auf den - geringen - zeitlichen Abstand von lediglich zehn Tagen zwischen dem 3. Dezember 1994 einerseits und der Unterzeichnung des Darlehensantrags durch die Kläger am 13. Dezember 1994 andererseits abzustellen sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht insbesondere nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung.
24
(a) Allerdings hatte nach dem Vortrag in der Klageschrift der Kläger den ihm persönlich bekannten Zeugen O. im November 1994 bei einem Volksfest in Ge. zufällig getroffen. Der Zeuge habe bei dieser Gelegenheit erklärt, er berate "auch zum Steuern sparen", und vorgeschlagen, anlässlich eines Hausbesuchs bei den Klägern zu überprüfen, ob bei den bestehenden Anlagen und Versicherungen vielleicht Verbesserungen möglich seien. Während des kurz darauf telefonisch für den 3. Dezember 1994 vereinbarten Termins bei den Klägern zu Hause sei die Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung unterzeichnet sowie unter anderem auf Vorschlag des Vermittlers ein Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung unterzeichnet worden, über die später die Rückzahlung des Darlehens habe erfolgen sollen. Nach Prüfung der Einkommensverhältnisse sei der Zeuge O. zum Thema "Steuern sparen" zu dem Ergebnis gekommen, dass man da "etwas machen" könne; unvermittelt habe er die Beteiligung an der Fondsgesellschaft durch Erwerb von drei Anteilen noch im Jahre 1994 vorgeschlagen. Am 13. Dezember 1994 sei zunächst der Darlehensvertrag nebst Abtretungserklärungen hinsichtlich der Lebensversicherungen in den Geschäftsräumen des Vermittlers unterzeichnet worden; hieran habe sich der Notartermin angeschlossen.
25
(b) Abweichend hiervon hat der Zeuge O. , worauf die Revision im Ausgangspunkt zu Recht hinweist, anlässlich seiner Vernehmung durch das Landgericht auf Vorhalt des vom 3. Dezember 1994 datierenden Antrags des Klägers auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung bekundet, der betreffende Antrag sei zwar in der Tat an diesem Tage aufgenommen worden. Dann aber könne der 3. Dezember 1994 nicht der erste Termin bei den Klägern gewesen sein, da die Aufnahme solcher Anträge nicht anlässlich eines Ersttermins erfolgt sei. Vielmehr müsse der 3. Dezember 1994 der zweite Termin gewesen sein, dem ein erster Termin vorangegangen sein müsse, bei dem er eine Finanzdiagnose erstellt habe. Insgesamt habe es vor Abschluss des Darlehensvertrages in seinen - des Zeugen - Geschäftsräumen zwei Termine bei den Klägern zu Hause gegeben.
26
(c) Aus dieser Abweichung im Tatsächlichen gegenüber der Sachdarstellung der Kläger folgt jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass für das Fortwirken der Haustürsituation auf den Abstand zwischen dem Darlehensvertragsschluss am 13. Dezember 1994 und dem in zeitlicher Hinsicht nicht weiter konkretisierten Ersttermin abzustellen ist.
27
Selbst wenn nämlich mit dem Zeugen O. davon auszugehen sein sollte , dass dem Termin vom 3. Dezember 1994 ein früherer Hausbesuch vorausgegangen war, so verbleibt es doch auch auf der Grundlage seiner Bekundungen dabei, dass er den streitgegenständlichen Fonds erstmals anlässlich des Hausbesuchs am 3. Dezember 1994 angesprochen hat. Der Zeuge hat ausdrücklich ausgeschlossen, bei dem ersten Termin den Klägern den Erwerb von Anteilen am Fonds vorgeschlagen zu haben; dies sei erst im zweiten Termin, der ebenfalls bei den Klägern zu Hause stattgefunden habe, geschehen. Beim ersten Termin habe er sich lediglich "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Diesem ersten Termin sei keine konkrete Abrede, um was es hierbei detailliert gehen solle, vorausgegangen. Von der Firma Op. , für die er - der Zeuge - seinerzeit tätig gewesen sei und an die er die Finanzdiagnose weitergeleitet habe, sei dann die Mitteilung gekommen, dass ein Erwerb von Fondsanteilen durch die Kläger "machbar" sei, um ihnen Steuervorteile bzw. Mieteinnahmen zu verschaffen. Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht mit Recht für die Kausalität der Haustürsituation nicht auf einen etwaigen früheren Termin, sondern auf den Hausbesuch am 3. Dezember 1994 abgestellt, weil auch nach der Aussage des Zeugen O. - im Anschluss an noch völlig vage Erörterungen anlässlich des Ersttermins - erstmals bei dieser Gelegenheit konkrete Verhandlungen in Bezug auf eine bestimmte Beteiligung, nämlich den Fonds , stattfanden (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 23).
28
b) Entgegen der Auffassung der Revision bietet die Aussage des Zeugen O. auch keine Grundlage anzunehmen, dass dem Hausbesuch am 3. Dezember 1994 eine vorangehende Bestellung des Vermittlers i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG (jetzt § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) durch die Kläger zugrunde lag, die zum Ausschluss des Widerrufsrechts führt. Eine vorhergehende Bestellung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sie den Gegenstand der Verhandlung hinreichend konkret bezeichnet und sich auf eine bestimmte Art von Leistungen bezieht, damit der Verbraucher in der Lage ist, sich auf das Angebot des Unternehmers vorzubereiten und nicht der für "Haustürsituationen" typischen "Überrumpelungsgefahr" ausgesetzt wird (Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 348/07, WM 2008, 1593 Rn. 19; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, WM 2010, 980 Rn. 15; jeweils mwN). Dass der Termin vom 3. Dezember 1994 "in dem Wissen, dass es nunmehr um eine Fondsanlageberatung gehen sollte" erfolgte, ist entgegen der Darstellung der Revision der Zeugenaussage gerade nicht zu entnehmen. Nach der Bekundung des Zeugen O. gab es vor dem von ihm geschilderten ersten Termin bei den Klägern http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001104305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 14 - - wenn überhaupt - eine allgemeine Abrede, dass "eine Steuerersparnis … untersucht" werden solle. Im ersten Termin hat der Zeuge sich seiner Aussage zufolge "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Die Anregung, den Klägern den Erwerb von Anteilenam Fonds vorzuschlagen, wurde erst anschließend aufgrund der "Finanzdiagnose" von der Firma Op. gegenüber dem Zeugen ausgesprochen und von diesem sodann in dem Termin vom 3. Dezember 1994 in die Tat umgesetzt. Die Annahme, die Kläger hätten sich mit diesem Hausbesuch in der Gewissheit einverstanden erklärt, dass dabei der Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds, geschweige denn an dem konkret betroffenen Fonds , erörtert werden würde, liegt auf dieser Tatsachengrundlage fern.
29
2. Zutreffend und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HWiG nicht mit Unterzeichnung der im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 enthaltenen Widerrufsbelehrung durch die Kläger am 13. Dezember 1994 in Gang gesetzt wurde und deshalb zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung am 20. Juni 2008 nicht abgelaufen war. Denn diese Widerrufsbelehrung enthielt insoweit einen unzulässigen Zusatz i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG, als danach der Widerruf des Darlehensvertrags als nicht erfolgt gilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt (st. Rspr., vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 24 mwN). Ob der Fondsbeitritt der Kläger, wozu entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung keine Feststellungen vorliegen, mit dem seiner Finanzierung dienenden Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung bildete und der Zusatz gemäß § 7 Abs. 3 VerbrKrG deshalb auch § 9 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG widersprach, kann hiernach dahinstehen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 15 -
30
3. Schließlich ist, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, durch die den Klägern nachträglich erteilte, von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete Widerrufsbelehrung auch nicht die einmonatige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der vom 1. August 2002 bis zum 7. Dezember 2004 geltenden Fassung in Gang gesetzt worden. Denn diese Nachbelehrung genügte nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.
31
a) Allerdings ist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine nachträgliche Widerrufsbelehrung auch in Bezug auf - wie hier - vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) geschlossene Altverträge möglich (Senatsurteile vom 13. Juni 2006 - XI ZR 94/05, WM 2006, 1995 Rn. 13 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 25 mwN). Die Nachbelehrung unterliegt dabei denselben gesetzlichen Anforderungen wie eine rechtzeitige Belehrung. Sie muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 26; Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 10).
32
b) Eine diesen Maßgaben entsprechende Nachbelehrung hat die Beklagte , wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht erteilt. Aufgrund dessen konnten die Kläger ihr Widerrufsrecht am 20. Juni 2008 nochwirksam ausüben.
33
aa) Hierbei kann dahinstehen, ob der - von der Revision unter Hinweis darauf, dass vorliegend nicht eine beim Vertragsschluss erfolgende Erstbeleh- http://www.juris.de/jportal/portal/t/f6z/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - rung in Rede steht, bekämpften - Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, die den Klägern erteilte Nachbelehrung habe den nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis enthalten müssen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob sich die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auch aus einem entgegen § 358 Abs. 5 BGB fehlenden Hinweis auf die Widerrufsfolgen nach § 358 Abs. 1 BGB ergibt oder aber der vom Berufungsgericht vermisste Hinweis - wie die Revision meint - mit Rücksicht auf die unstreitig erfolgte notarielle Beurkundung des Fondsbeitritts (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 3 BGB) entbehrlich war.
34
bb) Unzureichend war die den Klägern erteilte Nachbelehrung jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls eindeutig zu informieren ist (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 14 mwN). Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", belehrt den Verbraucher, wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" (Marx/Bäuml, WRP 2004, 162, 164; s. auch Dörrie, ZfIR 2002, 685, 690) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15, vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 17 - WM 2010, 2126 Rn. 21, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12 und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14).
35
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 13. Januar 2009 (XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 19, XI ZR 508/07, juris Rn. 17) nichts anderes. Soweit der erkennende Senat dort in der Verwendung des Formulierungszusatzes "frühestens" in einer Widerrufsbelehrung keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot gesehen hat, enthielten die betreffenden Belehrungstexte jeweils weitere klarstellende Zusätze über einen hinausgeschobenen Beginn der Widerrufsfrist ("jedoch nicht bevor …"). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 15).
36
c) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959) ist der Beklagten schon deshalb verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Darstellung der Revision - gegenüber den Klägern für die Nachbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Revision zutrifft, die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der hier geltenden ursprünglichen Fassung begründe einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders mit der Folge, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302572010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 18 -
37
aa) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteile vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21; Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15). Ob das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang offen gelassen (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.
38
bb) Die den Klägern erteilte formularmäßige Nachbelehrung der Beklagten entspricht, wie der Senat durch einen Vergleich beider Texte ohne Weiteres selbst feststellen kann, ihrem Wortlaut nach nicht in jeder Hinsicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der seinerzeit geltenden Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-InformationspflichtenVerordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959). Zum einen enthält Satz 2 des mit "Widerrufsrecht" überschriebenen ersten Abschnitts der Nachbelehrung am Ende - nach den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung" - den Zusatz "in Textform", der in der hier maßgeblichen Ursprungsfassung der Musterbelehrung noch nicht vorhanden war; Satz 2 endete dort vielmehr mit den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung". Den zusätzlichen Passus "in Textform" enthielt die Musterbelehrung erstmals in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4. März 2008 (BGBl. I S. 292, 293). Zum anderen befinden sich, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, zwei weitere textliche Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung in dem mit "Finanzierte Geschäfte" überschriebenen Teil der Nachbelehrung. So fehlt im zweiten Satz des zweiten Absatzes dieses Abschnitts in der Nachbelehrung der Beklagten nach den Worten "im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht" die - im Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung des Verordnungsgebers enthaltene - Passage "oder nur in verschlechtertem Zustand". Darüber hinaus weicht auch der vorletzte Satz des betreffenden Absatzes der Nachbelehrung vom Mustertext in Gestaltungshinweis (8) - "Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt." - ab.
39
cc) Dass es sich bei den ergänzenden Worten "in Textform" in der Nachbelehrung der Beklagten um einen Zusatz handelt, den der Verordnungsgeber mehrere Jahre später an der betreffenden Stelle selbst aufgenommen hat, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie der Umstand, dass mit dem streitgegenständlichen Darlehen nicht die Überlassung einer Sache, sondern der Erwerb von Fondsanteilen finanziert wurde. Ohne Belang ist auch, ob es sich bei dem von den Klägern aufgenommenen Darlehen um ein verbundenes Geschäft handelt, bei dessen Nichtvorliegen der Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung in ihrer hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung dem Unternehmer anheim gibt, die Hinweise für finanzierte Geschäfte wegzulassen. Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Beklagte den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Nachbelehrung ersichtlich einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das muss unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen gelten, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.
40
dd) An die - unzutreffende - Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Revision, die Nachbelehrung der Beklagten entspreche vollständig der Musterbelehrung , ist der erkennende Senat nicht gebunden. Ob zwischen der in einem Streitfall vom Unternehmer dem Verbraucher konkret erteilten Widerrufsbelehrung und der Musterbelehrung nach der BGB-Informationspflichten-Verordnung in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung eine vollständige inhaltliche und äußere Übereinstimmung besteht, an die die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGBInfoV anknüpft, ist eine (Rechts-)Frage, bei deren Beantwortung - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Revisibilität der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2921) - der Revisionsrichter an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden ist und deren Beantwortung ihm durch einen Vergleich der jeweiligen Belehrungen ohne weiteres selbst möglich ist.

41
4. Da die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung hiernach wirksam widerrufen haben, hat ihr Klagebegehren schon aus diesem Grunde Erfolg, ohne dass es auf das weitere Klagevorbringen zu etwaigen Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ankommt.
Wiechers Ellenberger Maihold Matthias Pamp

Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 14.12.2009 - 2 O 1780/08 -
OLG Jena, Entscheidung vom 28.09.2010 - 5 U 57/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 252/11
Verkündet am:
19. Juli 2012
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach dem wirksamen
Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts über Maklerleistungen für die bis dahin
empfangenen Dienste des Unternehmers schuldet, richtet sich nicht nach dem
vertraglich vereinbarten Entgelt, sondern nach dem objektiven Wert dieser Leistungen
, soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt.

b) Der objektive Wert richtet sich dabei nach der üblichen oder (mangels einer solchen
) nach der angemessenen Vergütung, die für die Vermittlung eines entsprechenden
Hauptvertrags zu bezahlen ist, nicht dagegen nach dem konkretindividuellen
Wert des Erlangten für den Schuldner. Entspricht der vermittelte
Hauptvertrag nicht den individuellen Bedürfnissen des Auftraggebers und liegt
insoweit eine Beratungspflichtverletzung vor, können dem Kunden allerdings
Ansprüche auf Schadensersatz nach § 280 BGB zustehen, die er dem Wertersatzanspruch
entgegenhalten kann.

c) Der Wertersatz betreffend eine sogenannte Nettopolice für eine Lebens- und
Rentenversicherung wird durch die Kündigung des Versicherungsvertrags nicht
berührt.
BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juli 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung restlicher Handelsmaklerprovision.
2
Am 4. November 2005 vermittelte die I. f. H. (Zedentin) durch ihren Mitarbeiter F. H. der Beklagten eine fondsgebundene Lebens - und Rentenversicherung bei der A. Lebensversicherung S.A.. Dabei handelte es sich um eine sog. "Nettopolice", das heißt in den von der Beklagten zu zahlenden monatlichen Prämien waren keine Provisionsantei- le für die Vermittlung enthalten. Stattdessen wurde zwischen der I. f. H. und der Beklagten eine gesonderte Vermittlungsgebührenvereinbarung abgeschlossen. Danach sollte die Beklagte - bei einem angegebenen Barzahlungspreis von 7.404,80 € und einem effektiven Jahreszins von 3,35% - insgesamt 8.020,80 € in 60 monatlichen Raten zu je 133,68 € zahlen. Zur Sicherung dieser Forderung trat die Beklagte gleichzeitig ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die I. f. H. ab. Die Vermittlungsgebührenvereinbarung enthielt folgende Widerrufsbelehrung: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: I. f. H. , B. weg 15, O. . Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen ) herauszugeben."
3
Im Oktober 2008 kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag und widerrief die von ihr erteilten Lastschriftermächtigungen. Bis dahin waren von ihrem Konto an Vermittlungsgebühren insgesamt 34 Raten zu je 133,68 € (= 4.545,12 €) eingezogen worden. Weitere 621,75 € vereinnahmte die Klägerin aus dem zur Sicherheit bei Vertragsschluss abgetretenen Rückkaufswert der Versicherung.
4
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung restlicher Provision in Höhe von 2.679,40 € in Anspruch genommen, die Beklagte Widerklage auf Rückzahlung von 5.166,87 € erhoben. Während des laufenden Prozesses hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Juli 2010 den Widerruf der Vermittlungsgebührenvereinbarung erklärt.
5
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


6
Die Revision der Klägerin führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Zahlungsanspruch zu, auch wenn man das Zustandekommen der Vermittlungsgebührenvereinbarung und die behauptete Abtretung unterstelle. Denn die Beklagte habe ihre auf Abschluss eines Maklervertrags mit der Zedentin gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen und sei an diese deshalb nicht mehr gebunden. Der Beklagten stehe ein Widerrufsrecht zu, da es sich bei der Vermittlungsgebührenvereinbarung um ein Teilzahlungsgeschäft gehandelt habe. Der Widerruf sei rechtzeitig erfolgt. Denn mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung habe eine Frist für den Widerruf nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin könne auch keinen Wertersatz verlangen. Zweck der Widerrufsmöglichkeit bei Verbraucherverträgen sei es, möglichen Gefahren entgegenzuwirken, die zu Einschränkungen der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers führen könnten; diesem solle es ermöglicht werden, Vor- und Nachteile des Vertrags noch einmal zu überdenken. Mit dieser gesetzlichen Konzeption sei es aber nicht zu vereinbaren, wenn der Verbraucher verpflichtet wäre, bereits empfangene Leistungen, deren Rückgewähr in Natur unmöglich sei, stets nach den Maßstäben voll zu vergüten, die der Vertrag vorsehe. Deshalb müsse bei der Berechnung des Wertersatzes auf den im Vermögen des Verbrauchers tatsächlich verbliebenen Wert abgestellt werden, wobei das vertraglich vereinbarte Entgelt die Obergrenze bilde. Vorliegend sei aber weder erkennbar noch dargetan, dass infolge der Vermittlungsleistung im Vermögen der Beklagten ein Wert vorhanden sei, der über die bereits geleisteten Zahlungen hinausgehe. Dies gelte bereits deshalb, weil der vermittelte Versicherungsvertrag aufgrund der Kündigung unstreitig beendet sei. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass die Maklerleistung das Vermögen der Beklagten tatsächlich vermehrt habe. Denn die Versicherung habe weder der finanziellen Leistungsfähigkeit noch der Lebenssituation der Beklagten entsprochen.

II.


8
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
9
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Revision unbeschränkt zulässig. Das Berufungsgericht hat im Tenor des Urteils die Revisionszulassung ohne Einschränkungen ausgesprochen. Zwar kann sich eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 360 f mwN). Dazu ist allerdings erforderlich, dass sich dies klar aus den Gründen ableiten lässt; unzureichend ist, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision nennt, ohne weiter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands hat beschränken wollen (vgl. nur Senat, Urteile vom 15. April 2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 7 und vom 8. März 2012 - III ZR 191/11, juris Rn. 6). Im vorliegenden Fall entnimmt der Senat aus der angegebenen Begründung über die Zulassung der Revision keinen Willen des Berufungsgerichts zur beschränkten Zulassung.
10
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vermittlungsprovision nach § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 93 Abs. 1 HGB in Verbindung mit der Vermittlungsgebührenvereinbarung zusteht. Denn die Beklagte hat ihre diesbezügliche Willenserklärung wirksam widerrufen.
11
a) Auf das streitgegenständliche Schuldverhältnis sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten -Verordnung in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden , da der Vertrag vor dem genannten Datum geschlossen worden ist und es sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB handelt.
12
b) Der Beklagten stand das ausgeübte Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. zu. Da die Vermittlungsgebühr in Teilzahlungen zu erbringen war, handelt es sich um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne von § 499 Abs. 2 BGB a.F. Gemäß § 501 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 495 Abs. 1 und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. konnte die Beklagte ihre auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht abgelaufen, da sie gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht mit einem Hinweis auf den Fristbeginn erhält. Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Deshalb ist nach § 355 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 BGB a.F. das Widerrufsrecht der Beklagten auch nicht sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen.
13
aa) Die in der Vertragsurkunde enthaltene Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Denn sie enthält den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginnt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Belehrung aber unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt. Sie ist nicht umfassend, sondern irreführend. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag der Formulierung lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen , welche etwaigen weiteren Umstände dies sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15; vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 Rn. 12; vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 14; vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 34; Senatsurteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 15).
14
bb) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102) ist der Klägerin verwehrt, weil gegenüber der Beklagten ein Formular verwandt wurde, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung nicht in jeder Hinsicht entspricht.
15
(1) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (jetzt: § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. dem Muster der Anlage 1 zum EGBGB) genügte eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwendet wurde. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann sich ein Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aber von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. nur Urteile vom 9. Dezember 2009, aaO Rn. 20; vom 1. Dezember 2010, aaO Rn. 15; vom 2. Februar 2011, aaO Rn. 22; vom 28. Juni 2011, aaO Rn. 37; vom 1. März 2012, aaO Rn. 16 f). Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob das in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Form entspricht. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung ver- bundene Schutzwirkung nicht berufen. Dies gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderung, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2011, aaO Rn. 39; Senat, aaO Rn. 17).
16
(2) Im vorliegenden Fall ist die in der Musterbelehrung vorgesehene Aufklärung über die Widerrufsfolgen nicht vollständig übernommen worden. So heißt es auf Seite 2 des hier maßgeblichen Musters für die Widerrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV), dass im Falle des Widerrufs, sofern die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewährt werden kann, der Verbraucher insoweit gegebenenfalls Wertersatz zu leisten hat. Dass dieser Satz bei bestimmten Vertragsarten oder Vertragsgestaltungen entfallen könnte, sehen die Gestaltungshinweise zu diesem Muster - in dem durch Klammerzusätze und ergänzende Erläuterungen kenntlich gemacht wird, dass bestimmte Sätze bei bestimmten Fallkonstellationen entfallen können oder auch hinzuzufügen sind - nicht vor. Eine Streichung dieses Satzes wäre im vorliegenden Fall auch nicht geboten, da wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe der erlangten Maklerleistung gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ein Wertersatz in Betracht kommen kann. Auf diesen Anspruch hat sich die Klägerin im Verfahren auch ausdrücklich berufen. Zwar mag nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. eine Verpflichtung zur Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs und einen möglichen Wertersatz bei Teilzahlungsverträgen der vorliegenden Art gesetzlich nicht vorgeschrieben gewesen sein. Der Gesetzgeber hat jedoch die Rechtsfolge, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. entspricht (§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV), daran geknüpft, dass das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Wenn er dabei Aufklärungen vorsieht, die über die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehene Belehrung hinausgehen, bleibt es dennoch dabei, dass nur bei Verwendung des vollständigen Musters der Unternehmer den Vertrauensschutz aus § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genießt. Der Gesetzgeber ging bei Abfassung des Art. 245 EGBGB als Ermächtigungsnorm für den Erlass der BGB-Informationspflichten -Verordnung davon aus, dass über die gesetzlich erforderlichen Inhalte der Widerrufsbelehrung hinaus auch zusätzliche Belehrungen in dieser Verordnung geregelt werden könnten (vgl. nur BT-Drucks. 14/7052, S. 208). Insoweit reichte die im Streitfall verwandte Widerrufsbelehrung nicht aus (vgl. auch bereits Senatsurteil vom 1. März 2012, aaO Rn. 18 zu einer inhaltsgleichen Belehrung

).


17
3. Nicht frei von Rechtsfehlern sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum möglichen Anspruch der Klägerin auf Wertersatz. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht ausschließen, dass die Beklagte der Klägerin Wertersatz in einer die bisher erbrachten Leistungen übersteigenden Höhe schuldet.
18
a) Anspruchsgrundlage ist insoweit § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, da die Rückgewähr der von der Zedentin erbrachten Leistung wegen ihrer Beschaffenheit ausgeschlossen ist. Die Vermittlung einer Lebens- und Rentenversicherung stellt eine Maklerleistung im Sinne des § 652 dar, die mit Abschluss des vermittelten Hauptvertrags vollständig erbracht war und in Natur nicht zurückgegeben werden konnte. Soweit § 312e Abs. 2 BGB - in Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. EG Nr. L 271 S. 16) - den Wertersatz für Dienstleistungen bei Fernabsatzverträgen von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig macht, fehlt es an einer entsprechenden Regelung für den vorliegenden Fall. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung liegen nicht vor.
19
b) Zutreffend ist auch die weitere Prämisse des Berufungsgerichts, dass die Beklagte als Wertersatz nicht entsprechend § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB das vertraglich vereinbarte Entgelt schuldet. § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB gilt nicht zu Lasten des nach § 501 Satz 1 BGB a.F. (i.V.m. § 495 Abs. 1 und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) zum Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts über Maklerleistungen berechtigten Verbrauchers. Insofern ist die Rechtslage nicht anders als beim Widerruf eines Haustürgeschäfts durch einen Verbraucher nach § 312 BGB (vgl. dazu Senat, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rn. 23 ff). Die in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene allgemeine Verweisung auf die "entsprechende" Anwendung der "Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt" ist in diesem Sinne einschränkend auszulegen. Maßgeblich für die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach dem (wirksamen) Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts für bis dahin erbrachte Maklerleistungen des Unternehmers gewähren muss, ist nicht das vertraglich vereinbarte Entgelt, sondern der objektive Wert der Maklerleistung , soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt.
20
aa) Diese einschränkende Auslegung ist mit der Regelungsabsicht des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform vereinbar.
21
Vormals verwies § 7 Abs. 4 des Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2840) - anwendbar auf Teilzahlungsgeschäfte als "sonstige Finanzierungshilfe" im Sinne von § 1 Abs. 2 VerbrKrG - bezüglich der Rechtsfolgen des Widerrufs auf § 3 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG) vom 16. Januar 1986 (BGBl. I S. 122). Nach § 3 Abs. 3 HWiG war aber für bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts erbrachte Dienstleistungen ("sonstige Leistungen") deren Wert zu vergüten. Durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) ist dann in das Bürgerliche Gesetzbuch die allgemeine Regelung des § 361a über Verbraucherwiderrufsrechte eingeführt worden. § 361a Abs. 2 Satz 5 BGB übernahm insoweit die Regelung des § 3 Abs. 3 HWiG. § 7 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG und § 1 Abs. 1 Satz 1 HWiG nahmen dementsprechend in der Folgezeit ausdrücklich Bezug auf § 361a BGB. In der Begründung zu § 361a BGB (vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 47) wurde darauf verwiesen, dass durch Abs. 2 Satz 5 - wie bisher durch § 3 Abs. 3 HWiG - die Erstattungspflicht des Verbrauchers eingeschränkt werde. Ohne diese Bestimmung hätte sich die Rückabwicklung unter anderem nach § 361a Abs. 2 Satz 1, § 346 Satz 2 BGB gerichtet, wonach der Verbraucher für geleistete Dienste, falls im Vertrag eine Gegenleistung in Geld bestimmt ist, diese zu entrichten hat, dagegen auf den Wert nur abgestellt werden kann, wenn der Vertrag keine Regelung enthält. Demgegenüber blieb es nunmehr nach § 361a Abs. 2 Satz 5 BGB dabei, dass der Verbraucher lediglich den objektiven Wert zu ersetzen hatte. Allerdings bildete, damit der Verbraucher in dem Fall, in dem der Vertragspreis ausnahmsweise niedriger als der Wert war, durch den Widerruf nicht schlechter beziehungsweise der Unternehmer nicht besser gestellt wurde, die vertragliche Gegenleistung die Obergrenze des Wertersatzes. Zwar ist § 361a BGB aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 wieder außer Kraft getreten. Der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 199) ist aber nichts dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage bewusst ändern wollte. Vielmehr wird dort zu § 357 BGB lediglich gesagt, dass Absatz 1 dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sowie Absatz 2 dem bisherigen § 361b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB entspreche. Soweit der Rechtsausschuss des Bundestags (BTDrucks. 14/7052 S. 190) im Zusammenhang mit der Regelung des § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB beiläufig geäußert hat, die Rechtsfolge des § 346 Abs. 2 BGB-E sei bei Dienstleistungen "sachgerecht, da der Verbraucher mit der Leistung einen Vorteil erhalten hat, der auszugleichen ist", kann diesem Anliegen - Vorteilsausgleichung - sogar eher durch das Abstellen auf den objektiven Wert der Gegenleistung Rechnung getragen werden.
22
Auch der Gesetzesbegründung zu § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. BTDrucks. 14/6040 S. 196) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Verbraucher bei Ausübung eines Widerrufsrechts in jedem Falle darauf verweisen wollte, für bereits empfangene Leistungen das vertraglich vereinbarte Entgelt zu entrichten. Dem Gesetzgeber erschien das in dieser Vorschrift vorgesehene grundsätzliche Festhalten an den vertraglichen Bewertungen vielmehr deshalb interessengerecht, weil "die aufgetretene Störung allein die Rückabwicklung , nicht aber die von den Parteien privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede betrifft". § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt demnach eine privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede voraus; fehlt es an einer solchen, so sollen die objektiven Wertverhältnisse maßgeblich sein (BT-Drucks. 14/6040, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 311/07, BGHZ 178, 355 Rn. 16). Von einer solchen Abrede kann indessen regelmäßig nicht ausgegangen werden, wenn zum Beispiel einem Verbraucher, wie es der Senat in sei- nem Urteil vom 15. April 2010 (aaO Rn. 27 f) für das Haustürgeschäft entschieden hat, wegen einer Verhandlungssituation, die für ihn typischerweise mit einem Überraschungsmoment und einer Überrumpelungsgefahr verbunden ist, zur Wiederherstellung seiner dadurch beeinträchtigten Entschließungsfreiheit ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Dieser Gesichtspunkt greift aber auch für Teilzahlungsgeschäfte über Maklerleistungen. Die Widerrufsrechte aus §§ 495, 506 BGB495 Abs. 1, § 501 BGB a.F.) dienen dem Schutz des Verbrauchers vor Übereilung und vor den spezifischen Gefahren der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte. Dem Verbraucher wird eine Überlegungsfrist eingeräumt, innerhalb derer er die häufig komplizierten Vertragswerke lesen und seine Entscheidung über die finanzielle Gesamtbelastung unter Verwertung der ihm gesetzlich zu erteilenden Informationen noch einmal überdenken und gegebenenfalls rückgängig machen kann (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2012, § 355 BGB Rn. 10). An einer privatautonom ausgehandelten und im Falle des Widerrufs für die Bemessung des Werts der vom Unternehmer erbrachten Leistung maßgeblichen Entgeltabrede fehlt es daher hier ebenfalls. Auch in diesen Fällen dient dem Verbraucher die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung ohne Hinzutreten weiterer Gründe zu beseitigen, der Wahrung beziehungsweise Wiederherstellung seiner Entschließungsfreiheit. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Verbraucherkreditgesetz, aus dem die §§ 501 ff BGB a.F. bzw. §§ 495, 506 BGB n.F. hervorgegangen sind, wird insoweit der Widerruf ausdrücklich damit begründet, dass die Entstehung "anfälliger" Kreditverhältnisse, mit denen sich ein Verbraucher finanziell übernimmt, verhindert werden solle; dem Verbraucher müsse wegen der wirtschaftlichen Bedeutung und Tragweite der eingegangenen Verpflichtung sowie der Schwierigkeit der Vertragsmaterie eine befristete Lösungsmöglichkeit gewährt werden (vgl. BT-Drucks. 11/5462 S. 21). Nach seinem Sinn und Zweck - Beachtung der privatautonom ausgehandelten Entgeltabrede - greift § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB mithin nicht zu Lasten des nach § 501 BGB a.F. zum Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts berechtigten Verbrauchers.
23
bb) Dieser Würdigung steht die Einfügung von § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) nicht entgegen. Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Dezember 2001 (NJW 2002, 281 - Heininger) sind bestimmte Änderungen der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehensverträgen notwendig geworden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 5. Juni 2002, BT-Drucks. 14/9266 S. 2, 44 ff). Soweit auf Vorschlag des Rechtsausschusses (aaO S. 20, 45) anlässlich dieser Änderungen zusätzlich unter anderem die Regelung des § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB geschaffen wurde, lässt sich den Gesetzesmaterialien kein Anhalt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dieser als allgemeine Rücktrittsfolgenregelung für Verbraucherdarlehen ausgestalteten Vorschrift den Verbraucher im Falle der Ausübung eines (Teilzahlungs-)Widerrufsrechts grundsätzlich darauf verweisen wollte, für bereits empfangene Leistungen das vertraglich vereinbarte Entgelt entrichten zu müssen (vgl. auch Senat, Urteil vom 15. April 2010, aaO Rn. 26).
24
cc) Ohne diese einschränkende Auslegung der Verweisung in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 346 Abs. 2 BGB wäre der Verbraucher trotz des Widerrufs letztlich doch zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet. Der Vertrag würde damit im Ergebnis aufrechterhalten und der Zweck des Widerrufs , dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, sich vom Vertrag zu lösen, verfehlt. Daher kann das Recht des Verbrauchers, seine auf Abschluss eines Vertrags in einer Teilzahlungssituation gerichtete Willenserklärung zu widerru- fen, effektiv nur ausgeübt werden, wenn die vertragliche Entgeltregelung für die Bemessung des Wertersatzes nicht maßgeblich ist.
25
b) Der Wertersatz, den die Beklagte schuldet, richtet sich mithin nach dem objektiven Wert der erbrachten Maklerleistung. Bei Dienstleistungen allgemein ist insoweit im Ausgangspunkt auf die übliche oder (mangels einer solchen ) auf die angemessene Vergütung abzustellen, die für eine solche Leistung zu bezahlen ist (vgl. nur Senatsurteil vom 15. April 2010, aaO Rn. 30; siehe auch BGH, Urteile vom 25. Juni 1962 - VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258, 264; vom 24. November 1981 - X ZR 7/80, BGHZ 82, 299, 307 f und vom 5. Juli 2006 - VIII ZR 172/05, BGHZ 168, 220 Rn. 39 zum Begriff des Wertersatzes in § 818 Abs. 2 BGB), nicht dagegen auf den konkret-individuellen Wert des Erlangten für den Schuldner. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der für den Fall, dass nicht auf eine vertragliche Gegenleistung abgestellt werden kann, als maßgeblich "wie in § 818 Abs. 2 BGB die objektiven Wertverhältnisse" angesehen hat (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 196).
26
aa) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dem geltend gemachten Anspruch stehe bereits die Kündigung des Versicherungsvertrags entgegen. Diese hat für sich genommen keine Auswirkungen auf die Höhe des Wertersatzes. Zwar entfaltet die Maklerleistung erst und nur im Erfolgsfall ihren vollen Wert. Kommt es aber zum Abschluss des Hauptvertrags, wird dieser Wert bereits realisiert und hat damit der Makler seine vergütungspflichtige Leistung in vollem Umfang erbracht. Die Kündigung des Versicherungsvertrags stellt daher nicht nur bei Wirksamkeit des Maklervertrags die verdiente Provision nicht in Frage (vgl. dazu nur Senatsurteile vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00, NJW 2001, 966, 967 und 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 74 f), sondern beeinflusst grundsätzlich auch nicht im Fall des Widerrufs die Höhe des Wertersatzanspruchs (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2012, aaO Rn. 19). Dies ist im Ausgangspunkt auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn dem Kunden, weil die Vermittlungsgebühr ausnahmsweise in Teilzahlungen erbracht werden kann, ein Widerrufsrecht zusteht und dieses von ihm nach Abschluss des Hauptvertrags ausgeübt wird. Die nachfolgende Kündigung könnte allenfalls als nachträglicher Wegfall des erlangten Vorteils gewertet werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich der Rückgewährschuldner - anders als der Bereicherungsschuldner (vgl. § 818 Abs. 3 BGB) - gegenüber Wertersatzansprüchen nicht auf eine Entreicherung berufen kann (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 195; Senatsurteil vom 1. März 2012, aaO).
27
bb) Letztlich steht auch der Umstand, dass bei unwirksamen Maklerverträgen Bedenken gegen einen Vergütungsanspruch des Maklers - sei es nach Bereicherungsrecht, sei es nach § 354 HGB - bestehen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 7. Juli 2005 - III ZR 397/04, BGHZ 163, 332, 335 ff; siehe auch Staudinger/ Reuter, BGB, Neubearbeitung 2010, §§ 652, 653 Rn. 58 ff), einer Wertersatzpflicht im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn der Widerruf hat die vertragliche Grundlage nicht rückwirkend beseitigt, sondern das wirksame Vertragsverhältnis lediglich mit Wirkung ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von der bei einem unwirksamen Vertragsverhältnis.
28
cc) Die Versagung eines Wertersatzanspruchs wird auch nicht von der zusätzlichen Erwägung im Berufungsurteil getragen, es sei nicht erkennbar, dass durch die Leistung das Vermögen der Beklagten tatsächlich vermehrt worden sei, da die Versicherung weder der finanziellen Leistungsfähigkeit noch der Lebenssituation der Beklagten entsprochen habe. Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass die subjektive Lage des konkreten Verbrauchers den objektiven Wert der erbrachten Maklerleistung nicht beeinflusst. Der objektive Wert der Maklerleistung besteht in der für die Vermittlung eines entsprechenden Hauptvertrags marktüblichen Provision. Der objektive Wert entspricht dem Preis, der auf dem Markt gemeinhin für die Vermittlung entsprechender Verträge bezahlt wird. Entspricht der vermittelte Hauptvertrag nicht den individuellen Bedürfnissen des Auftraggebers und liegt insoweit eine Beratungspflichtverletzung vor, können dem Kunden allerdings Ansprüche auf Schadensersatz nach § 280 BGB zustehen, die er dem Wertersatzanspruch entgegenhalten kann (vgl. hierzu Senat, Urteile vom 19. Mai 2005 - III ZR 309/04, NJW-RR 2005, 1425, 1426 und vom 14. Juni 2007, NJW-RR 2007, 1503 Rn. 10, 13). Ob solche, durch den Widerruf nicht berührte (vgl. Staudinger/Kaiser, aaO, § 357 Rn. 98), Ansprüche bestehen, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls im weiteren Verfahren zu klären haben. Insoweit ist - da das Berufungsgericht seine Erwägung auf die Angaben im "Beratungsbericht" vom 4. November2005 gestützt hat, ohne dass sich die Beklagte zuvor allerdings selbst darauf berufen hatte - beiden Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben.
29
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einem Anspruch auf Wertersatz auch nicht das Vorliegen einer "unechten Verflechtung" entgegen. Das von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Senatsurteil vom 1. März 2012 (III ZR 213/11, NJW 2012, 1504), das ebenfalls die Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung für die A. Lebensversicherung S.A. betraf und in dem der Senat die tatrichterliche Würdigung einer unechten Verflechtung zwischen der Handelsmaklerin und dem Versicherer nicht beanstandet hat, ist nicht einschlägig. Im dortigen Fall war entscheidungserheblich das Bestehen eines institutionellen Kooperationsverhältnisses zur Handelsmaklerin, innerhalb dessen diese unter anderem Anlagestrategien und Fondspolicen des Versicherers mit ihrem eigenen Namen versah und dies in ihren Informationsbriefen als eigene konzeptionelle Leistung für die private Altersvorsorge herausstellte (Senat, aaO Rn. 11). Dass diese oder vergleichbare Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, ist nicht ersichtlich; die Beklagte zeigt auch keinen vom Berufungsgericht übergangenen diesbezüglichen Vortrag auf.
30
ee) Soweit die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung auf Sachvortrag verweist, wonach die Vermittlungsgebührenvereinbarung in einer Haustürsituation abgeschlossen worden sei, und in diesem Zusammenhang aus § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB ableiten will, dass der Klägerin kein Anspruch auf Wertersatz zustehe , übersieht sie, dass gemäß § 312a BGB das Widerrufsrecht nach § 312 BGB ausgeschlossen ist, wenn - wie hier - bereits nach anderen Vorschriften ein Widerrufsrecht besteht.
31
4. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuweisen , da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 546 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). Sollte der nach den oben aufgeführten Maßstäben ermittelte objektive Wert der Maklerleistung der Zedentin die von der Beklagten bereits erbrachten Leistungen übersteigen, käme es sowohl auf die Wirksamkeit der Vermittlungsgebührenvereinbarung und der von der Beklagten behaupteten Zession sowie auf die Frage an, ob eine Verletzung der Beratungspflichten durch die Klägerin vorliegt.
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 12.08.2010 - 1 O 264/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 14.10.2011 - 10 U 1073/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I ZR 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
18. März 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung),
§ 355 (in der Fassung vom 23. Juli 2002); BGB-InfoV § 14 Abs. 1 und 3 (in der Fassung
vom 5. August 2002)
Der Unternehmer, der eine den gesetzlichen Anforderungen nach § 312 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 BGB (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung), § 355
Abs. 2 BGB (in der Fassung vom 23. Juli 2002) nicht genügende Widerrufsbelehrung
verwendet, kann sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (in der
Fassung vom 5. August 2002) nicht berufen, wenn er den Text der Musterbelehrung
einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht; ob die Abweichungen von der
Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen
zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen, ist unerheblich.
BGH, Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie
den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 19. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und 4) zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger beteiligten sich mit Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) vom 20. März 2004 in Höhe von 18.000 € als atypische stille Gesellschafter an der A. AG & Co. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, und zwar im Rahmen des Beteiligungsprogramms „Sprint“, bei dem die Einlage durch eine Anzahlung von 3.000 € und monatliche Raten von 100 € bezahlt werden sollte. Die Kläger leisteten auf ihre Beteiligung insgesamt 7.820 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.080 €.
2
In dem Zeichnungsschein der Beklagten sind die Kläger unter der Über- schrift „Widerrufsbelehrung“ wie folgt auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen wor- den: „Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung inner- halb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu rich- ten an: … [Beklagte]. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.“
3
Nachdem die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2009 über eine Schieflage der Gesellschaft informiert und unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Raten um die Zustimmung zu einer beabsichtigten Liquidation gebeten hatte, erklärten die Kläger durch Anwaltsschreiben vom 11. September 2009 die außerordentliche Kündigung sowie die Anfechtung ihrer Beteiligungen und die Geltendmachung von Schadensersatz.
4
Die Kläger haben von der Beklagten in erster Linie Rückzahlung ihrer ge- leisteten Einlage in Höhe von 7.820 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine weiteren Rechte aus der Beteiligung zustehen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass sie ihre Beteiligung wirksam zum 11. September 2009 außerordentlich gekündigt haben, und die Berechnung und Auszahlung ihres Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Zur Begründung haben sie die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend gemacht. Ferner haben sie die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung als fehlerhaft beanstandet und sich auf einen Widerruf ihrer in einer Haustürsituation abgeschlossenen Beteiligung berufen, der mangels ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht auch noch im Jahr 2009 habe erfolgen können.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision im Hinblick darauf zugelassen , dass es die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. August 2002, BGBl. I 2002, 3009; im Folgenden : aF) auf den Fall erstreckt hat, dass die verwendete Belehrung von dem maßgeblichen Muster - wenn auch nur hinsichtlich weiter erteilter zutreffender Informationen - abweicht. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ihrer Beteiligung sowie der Auszahlung des von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichtetes Hilfsbegehren mit der Begründung weiter, sie hätten ihr Widerrufsrecht wirksam ausgeübt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit das Berufungsgericht die Abweisung der Klage mit den auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung und Auszahlung eines von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichteten Hilfsanträgen bestätigt hat.
7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht wirksam widerrufen. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hätten sie ihre Beitrittserklärung zwar in einer sogenannten Haustürsituation abgegeben. Das Widerrufsrecht habe im Jahr 2009 aber nicht mehr ausgeübt werden können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 2002; im Folgenden: aF) lange verstrichen gewesen sei. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung folge im Wesentlichen dem Muster in der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne sich der Verwender der Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF allerdings nur berufen, wenn er ein Formular verwendet habe, das dem in der Anlage 2 geregelten Muster vollständig entspreche. Dem sei für Fälle zu folgen, in denen die verwendete Widerrufsbelehrung zuungunsten des Vertragspartners des Verwenders von dem Muster abweiche. Im vorliegenden Fall sei es jedoch anders. Die einzige Abweichung liege darin, dass es in der Musterbelehrung in der Fassung von 2002 heiße: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, während es in der hier verwendeten Belehrung heiße: „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag erhalten haben“. Damit behebe sie Mängel, die dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF angehaftet hätten, weil die Musterbelehrung den zu Belehrenden nicht ausreichend über den Fristbeginn informiert habe. Es erscheine deshalb nicht angemessen, dass derjenige, der zugunsten des Belehrungsempfängers von dem Muster abweiche, indem er ihm weite-re - zutreffende - Informationen erteile, sich wegen dieser Zusatzinformationen nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF solle berufen können.
9
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, im Folgenden: aF), § 355 BGB aF war im Jahr 2009 nicht abgelaufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder den Anforderungen der §§ 312 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB aF noch den Voraussetzungen genügt, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF berufen kann.
10
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Beklagte der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2010 - II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 Rn.12 - FRIZ II; Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 18). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben bei dem Beitritt der Kläger die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgelegen.
11
2. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF - grundsätzlich ordnungsgemäß war. Die Belehrung genügte, wie der Senat selbst feststellen kann, schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit allenfalls zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 46 mwN), die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2013 - 8 U 281/11, juris Rn. 53). Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich , weil die Kläger nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten mussten. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Beklagten beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die Kläger berechtigt waren, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten (§ 271 Abs. 2 BGB) und damit ihren Beitritt zu vollziehen. Ob ein solches Verhalten der Kläger nahelag, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 18). Im Übrigen geht die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Widerrufsfrist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) nicht nach § 355 Abs. 2 BGB aF in Gang gesetzt worden.
12
3. Die Belehrung genügt auch nicht gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF den gesetzlichen Anforderungen.
13
a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF genügte eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wurde; dabei durfte der Unternehmer in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF.
14
b) Das als Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Muster wies zum Widerrufsrecht und zu den Widerrufsfolgen folgenden Text auf: Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) [oder durch Rücksendung der Sache] widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs [oder der Sache]. Der Widerruf ist zu richten an: Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren [und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben]. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren , müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. [Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Ver- schlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen , was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind [auf unsere Kosten und Gefahr] zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.]
15
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, ZIP 2009, 1512 Rn. 15; Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, ZIP 2010, 734 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, ZIP 2011, 178 Rn. 15 f.; Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 21; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 14; Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn.

6).

16
d) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Zwar ist es entgegen der Ansicht der Revision unschädlich , dass in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf die Widerrufsfolgen bei der Überlassung von Sachen fehlt, weil dieser Zusatz nach den mit dem Muster veröffentlichten Gestaltungshinweisen bei Leistungen, die wie hier nicht in der Überlassung von Sachen bestehen, entfallen kann. Die Widerrufsbelehrung weicht jedoch in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster ab, indem anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Be- lehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesell- schaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wird.
17
e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht diese Abweichung einer Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegen. Sie ist nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe und daher, wie das Berufungsgericht meint, nur zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen sei.
18
Der Senat hat es zwar als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9 mwN) dem Gesetz (§ 187 BGB) angepasst hat (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn. 6). Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Anpassung der Belehrung über den Fristbeginn an die gesetzliche Regelung des § 187 BGB. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, nämlich von dem Zugang einer Abschrift der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags. Unterzieht der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung , so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1.
März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17).
19
Eine der Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegenstehende inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung ist daher im vorliegenden Fall unabhängig davon gegeben, ob mit dem zusätzlich in die Belehrung aufgenommenen Hinweis, dass die Widerrufsfrist erst mit Zugang einer Abschrift der Vertragsurkunde und des Antrags beginnt, möglicherweise der Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF (= § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB nF) Rechnung getragen werden sollte, nach der die Widerrufsfrist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Der Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags bedarf ebenso wie der Beitritt zu einer schon bestehenden stillen Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen der Schriftform, sondern kann formfrei und sogar stillschweigend vereinbart werden (vgl. Gehrlein in Ebenroth/ Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., § 230 Rn. 20, 22; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl., § 230 Rn. 10 und § 105 Rn. 68 zur OHG). Den Fragen, ob die Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF nur die gesetzliche Schriftform betrifft (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 15; Masuch in Münch/ KommBGB, 6. Aufl., § 355 Rn. 60) oder ob sie auch bei vereinbarter Schriftform eingreift (Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 13) und ob der Beitrittsvertrag im vorliegenden Fall aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Schriftform bedurfte, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn mangels eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses beschränkte sich die Ergänzung der Musterbelehrung insoweit jedenfalls nicht auf die Vornahme einer bloßen Korrektur durch Übernahme einer für alle Fallgestaltungen gesetzlich vorgegebenen Fristberechnung , sondern es handelte sich allenfalls um eine aufgrund der konkreten Fallgestaltung (vertraglich vereinbarte Schriftform) für erforderlich erachtete individuelle Anpassung der Widerrufsbelehrung. Ein Verwender, der die Musterbelehrung in dieser Weise abändert und dessen Widerrufsbelehrung in der abgeänderten Form den gesetzlichen Anforderungen - hier: weil sie nicht darauf hinweist, dass sich die rechtlichen Folgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft richten können - nicht genügt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF schutzwürdig.
20
4. War die Widerrufsfrist somit noch nicht abgelaufen, konnten die Kläger im Jahr 2009 ihre Beitrittserklärung noch widerrufen. Für den Widerruf genügt es, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er den Vertragsschluss nicht mehr gegen sich gelten lassen will (BGH, Urteil vom 24. April 1996 - X ZR 139/94, ZIP 1996, 1138; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 6 mwN).
21
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und
4) zurückgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.02.2012 - 304 O 499/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.02.2013 - 9 U 35/12 -

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. März 2014 gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Gründe

A.

1

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung von 31. Mai 2005 als atypisch stiller Gesellschafter an der Beklagten mit einem Betrag in Höhe von 50.000 € zzgl. eines Agios in Höhe von 3.000 €. Von seinem Einlagebetrag, den er zunächst vollständig bezahlte, erhielt er in der Folgezeit einen Betrag in Höhe von 10.500 € in Form von Ausschüttungen zurück. Am 5. Juli 2010 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Beteiligung.

2

Nach den in der Revisionsinstanz nicht mehr angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgte die Vertragsanbahnung in einer Haustürsituation. In dem Zeichnungsschein der Beklagten ist der Kläger unter der Überschrift "Widerrufsbelehrung" wie folgt auf sein Widerrufsrecht hingewiesen worden:

"Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: G.             AG,          ,     H.     .

Widerrufsfolgen. Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungspflichten für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung Ihrer Widerrufserklärung erfüllen.

Besondere Hinweise bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen. Bei Verträgen, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z.B. Brief, Telefon, Telefax, Email, Internet etc.) abgeschlossen werden, beginnt die Frist zum Widerruf nicht vor Erfüllung der Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312 c Abs. 2 BGB und dem Tag des Vertragsschlusses. Ihr Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und Sie dem ausdrücklich zugestimmt haben."

3

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das Beteiligungsverhältnis durch den Widerruf des Klägers beendet worden ist (Hauptantrag zu II.), und hat weiter der hilfsweise erhobenen Stufenklage auf Errechnung und Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag des Widerrufs (Hilfsantrag zu 1) auf der ersten Stufe stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Belehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche, weil sie den Fristbeginn nicht zutreffend wiedergebe. Auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. August 2002 (BGBl. I 2002, 3009; im Folgenden: aF) könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie für die Belehrung nicht vollständig auf das Muster der Anlage 2 der BGB-InfoV in der maßgeblichen Fassung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3110) zurückgegriffen, sondern dieses um zusätzliche Hinweise zu einem nicht vorliegenden Fernabsatzgeschäft ergänzt habe. Den Hauptantrag zu III. auf Rückzahlung der geleisteten Einlage in Höhe von 42.500 € hat das Berufungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich um eine atypische mehr-gliedrige stille Gesellschaft und deshalb fänden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung, die einer Rückabwicklung entgegenstünden. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil sich die Frage, ob die Einbeziehung der im konkreten Fall nicht einschlägigen Sonderregeln für einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen zum Wegfall der Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV aF führe, in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle stelle und deshalb von grundsätzlicher Bedeutung sei bzw. zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere.

4

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen das Berufungsurteil, soweit das Berufungsgericht dem Feststellungsantrag und dem Hilfsantrag zu 1 stattgegeben hat. Die Revision des Klägers richtet sich dagegen, dass das Berufungsgericht seinen Hauptantrag zu III. abgewiesen hat. Ferner hat er Anschlussrevision und Nichtzulassungsbeschwerde für den Fall eingelegt, dass die Revision vom Berufungsgericht lediglich beschränkt zugelassen worden sei und er seinen Einwand, die Beteiligung sei in Form einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft erfolgt und deshalb führe sein Widerruf zur Rückabwicklung der Beteiligung und damit zum Erfolg seines Zahlungsantrags, nicht im Rahmen der zugelassenen Revision geltend machen könne.

B.

5

Die Revision der Beklagten ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.

6

I. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.

7

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, ZIP 2010, 1080; Beschluss vom 3. Juni 2014 - II ZR 67/13, juris Rn. 3; Beschluss vom 23. September 2014 - II ZR 314/13, juris Rn. 6). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

8

Es ist hinlänglich geklärt, dass die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF nur dann greift, wenn der Unternehmer ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht, nicht aber, wenn der Unternehmer den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Dies gilt selbst dann, wenn die Abweichungen von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13, ZIP 2014, 913 Rn. 15 ff. mwN).

9

2. Eine solche inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung hat die Beklagte vorgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob die für die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF schädliche Veränderung bereits darin liegt, dass die Beklagte Formulierungen aus den Gestaltungshinweisen 6 und 8 der Anlage 2 in ihre Widerrufsbelehrung übernommen hat, die in der vorliegenden Konstellation mangels Finanzdienstleistung und Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312b BGB in der damals geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3102, im Folgenden: aF) nicht einschlägig sind. Die Beklagte hat das Muster nämlich - wie der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann - zumindest an zwei weiteren Stellen einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen.

10

Die Beklagte definiert in Absatz 3 Satz 1 der Widerrufsbelehrung Fernabsatzgeschäfte als Verträge, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernabsatzkommunikationsmitteln (z.B. Brief, Telefon, Telefax, Email, Internet etc.) abgeschlossen werden. Eine solche Definition war weder in der Musterbelehrung noch in dem Gestaltungshinweis 8 zu Fernabsatzgeschäften vorgesehen. Zudem deckt sie sich nicht mit der vollständigen Definition in § 312b BGB aF und kann deshalb auch nicht als eine unter Umständen unschädliche bloße ergänzende Wiedergabe des Gesetzestextes angesehen werden. Vielmehr hat die Beklagte eine eigene, inhaltlich abweichende Definition aufgenommen. Nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF waren Fernabsatzverträge nämlich zum einen nur Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, und zum anderen liegen Fernabsatzgeschäfte, selbst dann wenn sie zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, nicht vor, wenn der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

11

Ferner hat die Beklagte in Absatz 3 Satz 1 der Widerrufsbelehrung auf die Regelung des § 312c Abs. 2 BGB verwiesen, die in der damals geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3102, im Folgenden: aF) dem Unternehmer bei Fernabsatzgeschäften weitere Informationspflichten auferlegte. Einen Hinweis darauf sah die maßgebliche Musterbelehrung allerdings nicht vor, auch nicht in dem Gestaltungshinweis 8 zum Fernabsatzvertrag.

12

II. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Widerrufsrecht zustand, das er auch rechtzeitig ausgeübt hat.

13

Die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB in der damals geltenden Fassung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 42, im Folgenden: aF) findet auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Beklagte der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung (vgl. Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13, ZIP 2014, 913 Rn. 10 mwN). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben bei dem Beitritt des Klägers die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgelegen.

14

Da sich die Beklagte aus den genannten Gründen nicht auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV aF berufen kann, konnte die verwendete Widerrufsbelehrung nur dann die Widerrufsfrist von zwei Wochen nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF in Gang setzen, wenn die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF genügt hätte. Dies war, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der Fall, weil die Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 187 BGB) entspricht (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9 mwN).

15

Ferner genügte die Belehrung - wie der Senat selbst feststellen kann -auch deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt, die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält (vgl. Urteil vom 18. März 2014 - II ZR 109/13, ZIP 2014, 913 Rn. 11 mwN).

C.

16

Hinsichtlich der vom Kläger eingelegten Rechtsmittel weist der Senat auf folgendes hin:

17

I. Die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht erstreckt sich nicht auf die Abweisung des vom Kläger verfolgten Hauptantrags zu III. (Rückabwicklungsbegehren).

18

Die Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthält zwar keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Licht der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar ergibt.

19

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, "ob die von der Beklagten verwandte Belehrung wegen der Einbeziehung der Sonderregelungen für einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen nicht der Schutzwirkung der Musterbelehrung unterliegt", der grundsätzlichen Klärung bedürfe. Da es nach der Entscheidung des Berufungsgerichts beim Zahlungsantrag nicht auf die Widerrufsbelehrung ankam, spricht dies schon vom Wortlaut her dafür, dass das Berufungsgericht die Klageabweisung insoweit nicht zur Überprüfung stellen wollte.

20

Eine solche Beschränkung ist auch zulässig. Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Elemente des geltend gemachten Anspruchs begrenzt werden - und damit nicht auf die Frage, wie weit die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV aF reicht -, sondern nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Dafür reicht es indes aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und - auch nach einer Zurückverweisung - kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, ZIP 2013, 62 Rn. 9; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 10 jeweils mwN).

21

Die Gefahr divergierender Entscheidungen droht in dieser Konstellation nicht. Der Erfolg aller Anträge setzt zwar die Wirksamkeit des Widerrufs voraus. Scheitert der Hauptantrag auf Zahlung wie vorliegend jedoch bereits aus anderen Gründen, bleibt diese Begründung stehen, selbst wenn der Senat hinsichtlich des Widerrufsrechts eine andere Ansicht vertreten und die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und des Hilfsantrags abändern würde (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 - V ZR 34/94, MDR 1996, 464 mwN zur Zulässigkeit eines Teilurteils, mit dem bei einer eventuellen Klagehäufung der Hauptantrag abgewiesen wird).

22

II. Auch in der Sache haben die Rechtsmittel des Klägers keine Aussicht auf Erfolg, da die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Hauptantrags zu III. jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist.

23

Es ist ständige Rechtsprechung des Senats, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem Rückabwicklungsbegehren des Anlegers auch in dem Fall entgegenstehen, in dem ihm ein Verbraucherwiderrufsrecht zusteht, wenn die fehlerhafte Gesellschaft bereits in Vollzug gesetzt ist. Das gilt auch für zweigliedrige stille Gesellschaften (BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255). Auf die von der Revision des Klägers zur Überprüfung gestellte Beurteilung des Berufungsgerichts, es handele sich im vorliegenden Fall um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft, kommt es daher nicht an. Soweit die Revision des Klägers die Unterscheidung zwischen zwei-und mehrgliedrigen stillen Gesellschaften im Hinblick auf die eine mehrgliedrige stille Gesellschaft betreffende Senatsentscheidung vom 19. November 2013 (II ZR 383/12, BGHZ 199, 104) in Abgrenzung zu früheren zweigliedrige stille Gesellschaften betreffende Senatsentscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2098; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 757) anspricht, geht es dort darum, ob die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft der Geltendmachung eines auf Rückgängigmachung der Beteiligung gerichteten Schadensersatzanspruchs entgegenstehen. Ein solcher Schadensersatzanspruch wird vom Kläger im vorliegenden Verfahren jedoch nicht geltend gemacht. Auch sein mit der Revision weiterverfolgter Hauptantrag zu III ist lediglich auf ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB aF gestützt.

Bergmann                      Strohn                           Drescher

                     Born                         Sunder

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am:
I ZR 306/99 11. April 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Postfachanschrift
Unter dem Begriff "Anschrift" i.S. des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht die
Hausanschrift, sondern die Postanschrift und dementsprechend auch die
Postfachanschrift zu verstehen.
BGH, Urt. v. 11. April 2002 - I ZR 306/99 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale B.. Der Beklagte betreibt einen Zeitschriftenvertrieb. Das von ihm bei dem Abschluß von Zeitschriftenabonnementverträgen verwendete Bestellformular enthält eine von dem Abonnenten gesondert zu unterzeichnende Widerrufsbelehrung, in der als Widerrufsempfänger der Beklagte angegeben ist. Das von ihm früher benutzte Formular wies allein seine Postfachanschrift, nicht dagegen seine Hausanschrift mit der Angabe der Straße und der Hausnummer aus.
Nach der Auffassung der Klägerin verstieß der Beklagte damit sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2
VerbrKrG in der Fassung, die bis zum 30. September 2000 gegolten hat (VerbrKrG a.F.). Unter einer Anschrift im Sinne dieser Bestimmung sei die Hausanschrift zu verstehen. Eine Postfachanschrift stelle keine ladungs- bzw. zustellungsfähige Anschrift im prozessualen Sinne dar. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber den Begriff "Anschrift" in § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. anders als in den Prozeßordnungen habe definieren wollen. Die bloße Angabe des Postfachs führe in vielen Fällen dazu, daß der Verbraucher seinen Vertragspartner oder den tatsächlichen Inhaber des Postfachs nicht ermitteln könne, etwa wenn dieser gegenüber der Deutschen Post AG erklärt habe, daß er eine Weitergabe seiner Daten nicht wünsche, oder wenn der Deutschen Post AG - beispielsweise bei nur kurzfristiger Anmietung eines Postfachs unter einem Phantasienamen - diese Daten nicht vorlägen. Die bloße Angabe des Postfachs bewirke zudem, daß der Verbraucher bei einem Widerruf entgegen § 11 Nr. 16 AGBG a.F. eine strengere Form als die Schriftform einhalten müsse, da er gezwungen sei, die Deutsche Post AG für die Beförderung seines Schreibens in Anspruch zu nehmen, und daher vor der letzten Leerung des Briefkastens einen Briefumschlag schreiben und eine Briefmarke kaufen müsse. Zudem werde damit die dem Verbraucher gemäß § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. eingeräumte Widerrufsfrist verkürzt; denn dieser müsse das Widerrufsschreiben , um den Nachweis seiner rechtzeitigen Absendung durch einen Poststempel vom Tag der Aufgabe zur Post führen zu können, in den Briefkasten einwerfen, bevor dieser am Abend - in der Regel zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr - letztmals geleert werde. Der Beklagte nutze so die Rechtsunkenntnis der Abonnenten über das diesen zustehende Widerrufsrecht aus und verstoße deshalb zugleich gegen § 1 UWG.
Die Klägerin hat beantragt,

dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersa- gen, Zeitschriftenabonnementverträge abzuschließen oder abschließen zu lassen und in der Widerrufsbelehrung nicht die tatsächliche Anschrift, sondern lediglich eine Postfachadresse anzugeben. Der Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, die Angabe der Postfachanschrift des Widerrufsempfängers in der Widerrufsbelehrung reiche nach dem Wortlaut wie auch nach dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. aus. Der Verbraucher habe dadurch keinen Nachteil. Außerdem stelle § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. eine wettbewerbsneutrale Vorschrift dar, weshalb ein Verstoß gegen sie nicht per se eine Verletzung des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Vorsprungs durch Rechtsbruch beinhalte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 423).
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Klägerin, mit der diese ihren Unterlassungsantrag weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat den klagegegenständlichen Unterlassungsanspruch mit der Begründung verneint, die von der Klägerin beanstandete Wi-
derrufsbelehrung genüge den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. Hierzu hat es ausgeführt:
Die gemäß § 2 Nr. 2 VerbrKrG a.F. auch für Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements geltende Bestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. verlange die Angabe einer zustellungs- bzw. ladungsfähigen Anschrift des Widerrufsempfängers nicht. Dafür, daß die Angabe einer Postanschrift und damit auch eines Postfachs genüge, spreche schon der Sinn und Zweck der Belehrungspflicht , die sicherstellen solle, daß der Kunde die "für den richtigen Zugang treffende" Adresse sofort, d.h. ohne vorherige Suche in den Vertragsunterlagen zur Hand habe. Entscheidend aber sei, daß es für die Rechtzeitigkeit des Widerrufs nicht auf dessen Zugang, sondern allein darauf ankomme, daß der Widerrufende die Erklärung rechtzeitig auf den Weg zum Widerrufsempfänger gebracht habe. Die Verweisung auf den Postweg verkürze auch nicht die Widerrufsfrist; denn der Verbraucher könne seine Widerrufserklärung in Anwesenheit von Zeugen in einen Postbriefkasten einwerfen und stehe damit nicht schlechter als im Falle des Einwurfs in den Hausbriefkasten des Widerrufsempfängers. Ebensowenig werde dadurch, daß die Erklärung an eine Postfachanschrift zu richten sei, das gesetzliche Schriftformerfordernis für die Widerrufserklärung verschärft. Die allgemeine Möglichkeit, ein Postfach für betrügerische Zwecke zu mißbrauchen, sei nicht postfachspezifisch. Zudem biete das Postfach gegenüber dem Hausbriefkasten praktische Vorteile und werde auch in der Widerrufsbelehrung anderer seriöser Anbieter als einzige Anschrift angegeben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht den auf § 1 UWG i.V. mit § 7
Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. gestützten Unterlassungsanspruch, zu dessen Geltendmachung die Klägerin gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG befugt ist, für unbegründet erachtet.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, zutreffend davon ausgegangen, daß die Verwendung von Vertragsformularen, die den Vertragspartner über ein ihm durch Gesetz eingeräumtes Widerrufsrecht entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht, nicht vollständig oder nicht richtig belehren und die daher geeignet sind, ihn, da er die Rechtslage nicht überblickt, von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten , mit Blick auf das Ausnutzen dieser Rechtsunkenntnis gegen § 1 UWG verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1986 - I ZR 95/84, GRUR 1986, 816, 818 = WRP 1986, 660 - Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGHZ 121, 52, 57 f. - Widerrufsbelehrung I; BGH, Urt. v. 8.7.1993 - I ZR 202/91, GRUR 1994, 59, 60 = WRP 1993, 747 - Empfangsbestätigung; Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 172/92, GRUR 1995, 68, 70 = WRP 1995, 89 - SchlüsselFunddienst ; vgl. auch - zum Sicherungsschein nach § 651k BGB - BGH, Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 171/97, GRUR 2000, 731, 733 = WRP 2000, 633 - Sicherungsschein).
Nicht zu beanstanden ist aber auch die Auffassung des Berufungsgerichts , daß die in einer Widerrufsbelehrung allein enthaltene Angabe einer Postfachanschrift des Widerrufsempfängers nicht gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. verstieß. Die inzwischen an die Stelle dieser Bestimmung getretenen Vorschriften, nämlich § 361a Abs. 1 Satz 3 BGB in der Fassung des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S.
897), der in der Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. Dezember 2001 gegolten hat, und der seit dem 1. Januar 2002 geltende § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138), der nunmehr für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten klagegegenständlichen Unterlassungsanspruchs maßgeblich ist (vgl. BGHZ 141, 329, 336 - Tele-Info-CD; BGH, Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 185/98, GRUR 2001, 348, 349 = WRP 2001, 397 - Beratungsstelle im Nahbereich; Urt. v. 25.10.2001 - I ZR 29/99, Umdruck S. 8 - Vertretung der Anwalts-GmbH, jeweils m.w.N.), enthalten demgegenüber keine inhaltlichen Änderungen. Die Ersetzung des Wortes "Widerrufsempfängers" in § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. und § 361a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. durch die nunmehr in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Wörter "desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist" ist lediglich aus redaktionellen Gründen erfolgt (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040 S. 198). Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei der - mittlerweile in den § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und Satz 3 i.V. mit § 491 Abs. 2 und 3, § 355 BGB geregelten - Belehrung der Zeitungs- und Zeitschriftenabonnenten genüge die Angabe einer Postfachanschrift, ist auf der Grundlage der inzwischen geltenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.
Unter dem Begriff "Anschrift" i.S. des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB und der Bestimmungen, an deren Stelle diese Vorschrift getreten ist (vgl. zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 1990 § 1b Abs. 2 Satz 2 AbzG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes vom 15. Mai 1974 [BGBl. I S. 1169] und zur Rechtslage bis zum 1. Oktober 2000 auch § 2 Abs. 1 Satz 2 HaustürWG vom 16. Januar 1986 [BGBl. I S. 122]), ist nicht die Hausanschrift , sondern die Postanschrift und dementsprechend auch die Post-
fachanschrift zu verstehen (ebenso Staudinger/Werner, BGB, Bearb. 1998, § 2 HaustürWG Rdn. 30; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 361a Rdn. 11; a.A. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 2 HaustürWG Rdn. 8; Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 52). Das ergibt sich zwar nicht aus dem - insoweit nicht eindeutigen - Wortlaut, wohl aber aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Das nunmehr in der Bestimmung des § 355 BGB und den Vorschriften, die auf diese Bezug nehmen, geregelte Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen bezweckt den Verbraucherschutz. Dieser erfordert eine möglichst umfassende , unmißverständliche und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung. Diesem Anliegen tragen die im Gesetz enthaltenen Formvorschriften und die dortigen inhaltlichen Anforderungen an die Belehrung Rechnung (vgl. BGHZ 121, 52, 54 f. - Widerrufsbelehrung I). Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen , sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 44; Staudinger/Werner aaO § 2 HaustürWG Rdn. 30). Die Belehrung hat ihn darüber zu informieren, daß und wie er seine auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung widerrufen kann. Dazu gehört auch die Angabe der Anschrift des Widerrufsempfängers. Sie ist erforderlich, damit der Verbraucher, insbesondere wenn der am Verbrauchervertrag beteiligte Unternehmer einen Dritten als Empfangsvertreter oder Empfangsboten benannt hat, keinem Zweifel unterliegt, an wen er den Widerruf zu richten hat (vgl. Begründung des Gesetzesantrags des Landes Hessen zu § 1b AbzG, BR-Drucks. 90/73 und Beschluß des Bundesrates aaO S. 9).
Diesen Anforderungen genügt auch die Angabe der Postfachanschrift des Widerrufsempfängers. Der Verbraucher wird dadurch in gleicher Weise wie durch die Mitteilung der Hausanschrift des Widerrufsempfängers in die Lage versetzt, seine Widerrufserklärung auf den Postweg zu bringen. Die Angabe der Postfachanschrift ist eindeutig, unmißverständlich und auch ansonsten nicht geeignet, den Verbraucher an der Ausübung seines Widerrufsrechts zu hindern. Der Umstand, daß dieser damit seine Widerrufserklärung regelmäßig nicht selbst in den Hausbriefkasten des Widerrufsempfängers einwerfen kann, steht dem mit der Einräumung des Widerrufsrechts bezweckten Verbraucherschutz nicht entgegen.
Das Berufungsgericht ist mit Recht auch davon ausgegangen, die Notwendigkeit , den Widerruf an eine Postfachadresse zu richten, begründe kein zusätzliches Form- und Zugangserfordernis. Der Widerruf wird damit nicht an eine strengere Form als die Schriftform (§ 126 BGB) beziehungsweise, was gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB nunmehr genügt, die Textform (§ 126b BGB) gebunden.
Entgegen der Auffassung der Revision wird dadurch, daß die Widerrufsbelehrung lediglich die Postfachanschrift desjenigen enthält, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, auch kein von der gesetzlichen Regelung des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichendes Zugangserfordernis festgelegt. Bei dem Widerruf der auf Abschluß des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne dieser Bestimmung, die daher - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - erst mit ihrem Zugang wirksam wird. Zugegangen ist eine Willenserklärung , wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß
bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, daß er von ihr Kenntnis erlangen kann (st. Rspr.; vgl. BGHZ 67, 271, 275; 137, 205, 208). Ein Postfach des Empfängers gehört ebenso zu dessen Machtbereich wie ein von diesem für die Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltener Briefkasten. Daß der Empfänger bestimmte Einrichtungen zur Entgegennahme von Erklärungen bereithalten muß, ergibt sich demgegenüber aus § 130 BGB nicht. Der Erklärende hat daher diejenigen Einrichtungen zu nutzen, die der Empfänger für die Entgegennahme von Erklärungen zur Verfügung gestellt hat und deren Nutzung dem Erklärenden zumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit ist aber nicht schon dann zu bejahen, wenn der Verbraucher durch die ausschließliche Angabe der Postfachanschrift des Widerrufsempfängers auf die Übermittlung seines Widerrufs auf den Postweg verwiesen wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß der Postweg selbst dann der regelmäßige Übermittlungsweg ist, wenn dem Verbraucher ausschließlich oder neben der Postfachanschrift die Hausanschrift des Widerrufsempfängers mitgeteilt worden ist; denn dessen Sitz wird sich in den meisten Fällen in mehr oder weniger großer Entfernung vom Wohnort des Verbrauchers befinden. Nur ausnahmsweise - etwa bei geringer räumlicher Entfernung - mag ein Verbraucher einen persönlichen Einwurf seines Widerrufsschreibens in den Hausbriefkasten des Widerrufsempfängers oder sogar dessen persönliche Übergabe in Betracht ziehen. Daß ihm durch die Angabe der Hausanschrift des Widerrufsempfängers eine solche Möglichkeit eröffnet wird, ist jedoch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht geboten. Insbesondere ist der Verbraucher hierauf nicht zur Wahrung der Widerrufsfrist angewiesen , da hierfür gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt. Dementsprechend reicht es aus, wenn der Verbraucher seine Widerrufserklärung am letzten Tag der Frist bis 24.00 Uhr in einen Briefkasten einwirft, und es tritt daher durch die bloße Angabe der Post-
fachanschrift des Widerrufsempfängers keine Verkürzung der dem Verbraucher gesetzlich eingeräumten Widerrufsfrist ein.
Unerheblich ist ferner, daß - worauf die Revision weiter hinweist - die Verwendung von Postfachanschriften in Einzelfällen betrügerischen Zwecken dienen mag. Der Zweck der Widerrufsbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht nicht im Schutz vor entsprechenden Machenschaften, sondern darin, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und in die Lage zu versetzen, dieses auch auszuüben (vgl. oben).
Aus diesem Grund beruft sich die Revision ferner ohne Erfolg darauf, daß die Angabe einer rein postalischen Adresse der - auch im Hinblick darauf, daß Zeitschriftenabonnements ähnlich wie Wertpapiere als sogenannte Scheine gehandelt würden - gebotenen Transparenz der Vertragsbeziehung sowie der eindeutigen Identifizierbarkeit des Vertragspartners und des Widerrufsempfängers und damit den Anforderungen an die Anschrift i.S. des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gerecht werde. Das Gebot, die Anschrift des Widerrufsempfängers in der Widerrufsbelehrung anzugeben, dient gemäß den vorstehenden Ausführungen dazu, daß der Verbraucher anhand der ihm vorliegenden Unterlagen zweifelsfrei feststellen kann, an wen er den Widerruf zu richten hat. Der insoweit gebotenen Transparenz ist mit der Angabe des Namens und der Postfachanschrift des Widerrufsempfängers Genüge getan. Ein darüber hinausgehender Zweck der Transparenz der Vertragsbeziehung und der Identifizierbarkeit des Widerrufsempfängers ist diesem Erfordernis entgegen der Ansicht der Revision schon deshalb nicht zu entnehmen, weil ein Wille des Gesetzgebers, den Verbraucher über die Identität des Widerrufsempfängers, der nicht der Vertragspartner des Verbrauchers sein muß, in weitergehendem
Umfang als über den Unternehmer selbst zu informieren, nicht angenommen werden kann. Eine Verpflichtung des Unternehmers, den Verbraucher über seine Identität und Anschrift zu unterrichten, war aber weder in § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. ausdrücklich bestimmt noch ergibt sie sich nunmehr aus § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Auch eine planwidrige Gesetzeslücke kann insoweit nicht angenommen werden; denn der Gesetzgeber hat eine Verpflichtung des Unternehmers, über seine Identität und Anschrift zu informieren, allein für Fernabsatzverträge bestimmt (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG a.F. und nunmehr § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht v. 14.11.1994 [BGBl. I S. 3436] i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 [BGBl. I S. 3138, 3177] - InformationspflichtenVO), nicht dagegen für sonstige Verbraucherverträge. Gegen die Annahme einer Regelungslücke spricht auch der Umstand , daß der Gesetzgeber zwar bei verschiedenen anderen in neuerer Zeit erlassenen Gesetzesvorschriften die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ausdrücklich verlangt, bei der Neufassung des § 355 BGB aber davon abgesehen hat, die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Widerrufsempfängers zur Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu machen. So hatte der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen nach der Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 FernAbsG a.F. den Verbraucher unter anderem auf die Anschrift der Unternehmensniederlassung, bei der Beanstandungen vorgebracht werden konnten, sowie auf eine ladungsfähige Anschrift des Unternehmers aufmerksam zu machen. Damit hatte der Gesetzgeber dem Unternehmer bei Fernabsatzverträgen in Umsetzung der Richtlinie 97/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucher-
schutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) bewußt weitergehende Informationspflichten als bei sonstigen Verbraucherverträgen auferlegt und von deren Erfüllung auch den Beginn der Widerrufsfrist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FernAbsG a.F. abhängig gemacht. Diesen Regelungen entsprechen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 am 1. Januar 2002 nunmehr die Bestimmungen des § 312c Abs. 2 BGB i.V. mit § 1 Abs. 3 Nr. 2 InformationspflichtenVO und § 312d Abs. 2 BGB. Nach der Bestimmung des § 13 Abs. 1 des ebenfalls aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechtsund anderen Verstößen (BGBl. I S. 3138, 3173, Unterlassungsklagengesetz - UKlaG) haben geschäftsmäßige Erbringer von Post-, Telekommunikations-, Tele- oder Mediendiensten den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UKlaG genannten Stellen auf deren Verlangen unter bestimmten Voraussetzungen den Namen und die zustellungsfähige Anschrift eines am Post-, Telekommunikations-, Tele - oder Mediendiensteverkehr Beteiligten mitzuteilen. Die Aufnahme dieses Auskunftsanspruchs in das Unterlassungsklagengesetz dient dem Zweck, den insoweit nach den § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UKlaG, § 13 Abs. 2 Nr. 3 und 4 UWG berechtigten Stellen und Wettbewerbsverbänden in denjenigen Fällen zur Durchsetzung ihres Klagerechts zu verhelfen, in denen dieses leerzulaufen droht, weil Unternehmen im Geschäftsverkehr lediglich unter Angabe einer Postfachadresse, einer Internetadresse, einer Telefonnummer oder einer Telefaxnummer auftreten (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857 S. 39 f., und Gegenäußerung der Bundesregierung aaO S. 70 f.). Die dortige amtliche Begründung läßt erkennen , daß es dem Gesetzgeber dabei auch bewußt war, daß eine Post-
fachanschrift keine ladungs- bzw. zustellungsfähige Anschrift im Sinne der Prozeßordnungen darstellt.
Der Gesetzgeber hat danach die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift dort ausdrücklich angeordnet, wo ihm dies zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche im Klageweg erforderlich erschien. Dieser Zweck aber wird mit der nunmehr in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordneten Angabe des Namens und der Anschrift des Widerrufsempfängers in der Widerrufsbelehrung nicht verfolgt.
Der hier vorgenommenen Beurteilung steht schließlich nicht entgegen, daß der notwendige Inhalt einer Klageschrift und damit die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift sowohl des Klägers als auch des Beklagten erfordern (BGHZ 102, 332, 335) und eine Postfachanschrift keine ladungsfähige Anschrift darstellt (BVerwG NJW 1999, 2608, 2609 f.). Denn für dieses Verständnis der maßgeblichen Bestimmungen in den jeweiligen Prozeßordnungen sind ausschließlich prozessuale Erwägungen maßgeblich, die für die Auslegung der im Streitfall in Rede stehenden Vorschriften keine Rolle spielen.
III. Die Revision der Klägerin war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

*

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR76/11 Verkündet am:
7. Mai 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 5a F.: 21. Juli 1994;
Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs
sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG Artikel 15 Abs. 1 Satz 1;
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
) Artikel 31 Abs. 1
1. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-209/12) richtlinienkonform einschränkend
auszulegen.
2. Danach enthält § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine planwidrige Regelungslücke, die
richtlinienkonform dergestalt zu schließen ist, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens
- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, aber auf die übrigen Versicherungsarten uneingeschränkt
Anwendung findet.
3. Im Falle der Unanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. besteht das Widerspruchsrecht
des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht
belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine
Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich fort.
4. Ist der Versicherungsvertrag infolge eines rechtzeitigen Widerspruchs nicht wirksam
zustande gekommen, ist bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der erlangte
Versicherungsschutz zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. März 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.

2
Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
3
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
4
Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
5
Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
6
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
7
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
10
Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
12
C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
13
I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.

14
1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
15
a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
16
Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
17
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
18
aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
19
(1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
20
(2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
21
(3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
22
(a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
23
(aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
24
(bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
25
Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
26
Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
27
(b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
28
(aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
29
(bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
30
Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
31
(cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.

32
Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
33
Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
34
Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
35
bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
36
(1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
37
(2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
38
cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
39
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
40
(2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
41
2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
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a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
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Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
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b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.

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II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.