Oberlandesgericht München Urteil, 06. Feb. 2015 - 10 U 70/14
vorgehend
Tenor
1. Auf die Berufungen der Kläger vom 07. und 17.01.2014 werden die Endurteile des LG Landshut vom 29.11.2013 (Az. 23 O 3522/12) und 13.12.2013 (Az. 24 O 3524/12) samt dem jeweils zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Landshut zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Landshut vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch die aufgehobenen Urteile verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
unter Abänderung der angefochtenen Urteile,
- im Verfahren 23 O 3522/12 die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 25.000,- €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
- im Verfahren 23 O 3522/12 festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfallereignis vom 02.03.2009 resultieren, sowie sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen können,
- im Verfahren 24 O 3524/12 die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 81.216,44,- €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
die Berufungen zurückzuweisen.
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Oberlandesgericht München Urteil, 06. Feb. 2015 - 10 U 70/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.
(2) Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.
(3) Ist in den Fällen des § 17 auch der Führer eines Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so sind auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnis zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Kraftfahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer die Vorschriften des § 17 entsprechend anzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Der Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG durch rechtsfehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auf dieser Verletzung beruht das angefochtene Urteil.
- 2
- 1. Bestehen aus Sicht des Berufungsgerichts Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, sind die Eingangsvoraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben. Es sind erneute Feststellungen geboten, wobei die eigenständige Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise durch das Berufungsgericht bereits eine solche erneute Tatsachenfeststellung darstellt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung schon zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (BGHZ 158, 269, 272 f., 274 f.). Nach alter Rechtslage war es erforderlich , Zeugen erneut zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten wollte (BGH, Urteile vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00 - NJW-RR 2002, 1500 unter II 1; vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 290/01 - BGH-Report 2003, 453 unter II 1 a und b; vom 28. November 1995 - XI ZR 37/95 - WM 1996, 196 unter III 3). Hat also das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen und ist es aufgrund einer Würdigung der Aussagen zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, so kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst vernommen zu haben.
- 3
- 2. Diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht nicht Rechnung getragen.
- 4
- hat Es ausweislich Ladungsverfügung und Sitzungsniederschrift die Zeuginnen B. und H. allein zu der Frage gehört, ob die Zeugin B. vor ihrer erstinstanzlichen Vernehmung vom Beklagten, ihrem geschiedenen Ehemann, unter Druck gesetzt worden ist. Ungeachtet dieses beschränkten Beweisthemas hat das Berufungsgericht im Nachfolgenden eine umfassende und von der landgerichtlichen Würdigung abweichende Bewertung der erstinstanzlichen Aussagen vorgenommen. Es hat dabei insbesondere nicht deutlich gemacht, auf welche Weise die Zeugin B. die erstinstanzlichen Bekundungen "bekräftigt" und Unklarheiten in ihren bisherigen Angaben ausgeräumt haben soll; aus Sitzungsniederschrift und Entscheidungsgründen ergibt sich dazu nichts.
- 5
- Der Zeuge Bo. ist vom Berufungsgericht nicht vernommen worden. Ungeachtet dessen zeigt sich das Berufungsgericht davon überzeugt , dass dieser bei seiner landgerichtlichen Aussage "einiges durcheinander geworfen" habe und stellt die Bekundungen des Zeugen Bo. insgesamt in einen anderen Zusammenhang als das Landgericht , ohne sich einen eigenen Eindruck von dem Zeugen verschafft zu haben. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der - vom Landgericht vernommene - Zeuge Bo. in der Berufungsbegründung nicht ausdrücklich (erneut) als Beweismittel benannt ist. Überdies hätte es sich vom - unrichtigen - Standpunkt des Berufungsgerichts aus erst recht verboten , sich mit der Aussage des Zeugen Bo. zu befassen. Stattdessen hat das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen für seine Entscheidung herangezogen und ist noch dazu zu einem anderen Ergebnis als das Landgericht gekommen.
- 6
- 3. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht zu beachten haben:
- 7
- a) Die Auslegung des Schreibens vom 1. Juni 1989 ist rechtsfehlerhaft , weil es über dessen Wortlaut hinausgeht und den Interessen der Beteiligten nicht ausreichend Rechnung trägt. In diesem Schreiben bestätigen die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge Bo. , der finanzierenden Bank, ihrem Sohn - dem Beklagten - 100.000 DM für die Baufinanzierung "zur Verfügung zu stellen". Der vom Berufungsgericht daraus gezogene Schluss, diese Formulierung lege die "Vereinbarung der Rückzahlbarkeit" deshalb nahe, weil sie das Weiterbestehen von Rechten der Eheleute B. an dem hingegebenen Betrag voraussetze und von einer Schenkung ausdrücklich nicht die Rede sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Ausdruck "zur Verfügung stellen" ist rechtlich neutral und besagt nichts über eine etwaige Rückzahlbarkeit. Wenn zudem der Zusammenhang , in dem die Formulierung verwendet wurde, und die Interessen der damals Beteiligten berücksichtigt werden, spricht dies gegen ein Darlehen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass es bei der Bestätigung, ein bestimmtes Eigenkapital sei vorhanden, entscheidend darauf ankommt , dass der Darlehensnehmer den Betrag "hat" und sich nicht von dritter Seite durch ein zusätzliches Darlehen verschaffen muss. Denn die finanzierende Bank beurteilt unter anderem anhand des vorhandenen Eigenkapitals das Risiko der beabsichtigten Darlehensgewährung.
- 8
- Mit der testamentarischen Verfügung vom 6. April 1994 setzt sich das Berufungsgericht nicht näher auseinander, sondern geht ohne weitere Begründung davon aus, die Verfügung setze ebenfalls das "Weiterbestehen von Rechten an dem hingegebenen Betrag voraus".
- 9
- b) Das Berufungsgericht wird schließlich den aus § 432 BGB begründeten Einwendungen des Beklagten nachzugehen haben.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 27.10.2004 - 2 O 162/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.09.2005 - 13 U 61/04 -
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:
- 1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist; - 2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf; - 3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; - 4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; - 5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.