Oberlandesgericht Nürnberg Endurteil, 11. Apr. 2016 - 8 U 1688/15
vorgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.169,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreites in beiden Instanzen tragen die Klägerin 66% und die Beklagte 34%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.822,00 € festgesetzt.
Gründe:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth
die Berufung zurückzuweisen.
Geschäftsgebühr 0,65 aus Gegenstandswert 10.169,86 €341,90 €
Auslagenpauschale20,00 €
Gebühr netto361,90 €
Umsatzsteuer68,76 €
Gebühr brutto430,66 €.
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Oberlandesgericht Nürnberg Endurteil, 11. Apr. 2016 - 8 U 1688/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom Beklagten, seinem Kaskoversicherer, aus einem Verkehrsunfall Schadensersatz in Höhe von 26.900 DM. Er fuhr mit seinem PKW am 28. Oktober 1998 gegen 6.00 Uhr in Darmstadt in eine weitläufige Kreuzung ein, obwohl die für ihn maßgebliche Ampel Rotlicht zeigte. Im Kreuzungsbereich stieß er mit dem von rechts herankommenden Fahrzeug eines anderen Verkehrsteilnehmers zusammen, der bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren war. Der Beklagte hält sich nach § 61 VVG für leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe.Der Kläger behauptet, er habe sich der Kreuzung bei Rotlicht genähert und als erstes Fahrzeug auf der linken Geradeausspur angehalten. Rechts neben ihm hätten keine Fahrzeuge gestanden. Direkt neben ihm auf der Linksabbiegespur habe ein anderes Fahrzeug gestanden. Darin habe er einen Arbeitskollegen erkannt und diesen gegrüßt. Als er wieder nach rechts geschaut habe, habe er "Grün" gesehen und sei in der Meinung losgefahren, das Umschalten der Ampel während des Hinüberschauens zu seinem Arbeitskollegen verpaßt zu haben. Seinen Irrtum könne er sich nur so erklären, daß er das Umschalten eines anderen Elements der Ampelanlage mißgedeutet habe oder durch das im Rückspiegel registrierte Grünlicht einer hinter ihm an der zurückliegenden Kreuzung installierten Ampelanlage getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht (r+s 2001, 313) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
I. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unfallverlauf hat der Kläger zunächst bei Rotlicht angehalten, seinen Arbeitskollegen gesehen und gegrüßt und ist erst danach angefahren, weil er durch irgendein nachträglich nicht exakt
zu konkretisierendes, in seinem Blickfeld liegendes optisches Signal und dessen fehlerhafte Verarbeitung zu dem gleichsam natürlichen Eindruck gekommen sei, die Ampel sei auf "Grün" umgesprungen. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht aufgrund der Zeugenaussage des Arbeitskollegen und des persönlich glaubwürdigen Eindrucks vom Kläger gelangt, den es auf seine früheren schriftlichen Äußerungen und seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung gestützt hat.
Das Berufungsgericht meint, bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt wäre auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91 - VersR 1992, 1085 = BGHZ 119, 147 und vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351) Leistungsfreiheit nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls anzunehmen. Dieser Rechtsprechung sei aber nicht zu folgen, weil ihr Sinn und Zweck von § 61 VVG entgegenstünden. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit sei nicht für alle Rechtsgebiete gleich, sondern bei einer Verknüpfung mit der Leistungspflicht eines Versicherers nach dem Zweck der konkreten Versicherung zu bestimmen. Es würde eine mit dem Zweck der Vollkaskoversicherung unvereinbare Aushöhlung des Versicherungsschutzes bedeuten, die Folgen eines durch typisch menschliche Unzulänglichkeit verursachten Augenblicksversagens aus dem Kreise der versicherten Risiken auszunehmen. Mit dem regelhaften Schluß vom objektiv groben Pflichtverstoß auf die subjektive Unentschuldbarkeit dieses Verstoßes werde auch die nach § 61 VVG erforderliche positive Feststellung der besonderen subjektiven Vorwerfbarkeit in ein negatives Merkmal umgewandelt. Nunmehr müsse der Versicherungsnehmer das Gericht davon überzeugen, daß ein äußerlich grober Mißgriff ausnahmsweise zu entschuldigen sei.
Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nimmt das Berufungs- gericht an, der Kläger habe den Unfall zwar durch einen objektiv groben Verstoß gegen die Regeln des Straßenverkehrs schuldhaft herbeigeführt. Subjektive Unentschuldbarkeit lasse sich aber nicht feststellen, weil sich das Fehlverhalten des Klägers den Umständen nach nur durch ein Augenblicksversagen erklären lasse, das nicht auf Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit im Umgang mit dem versicherten Fahrzeug beruhe.
II. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts geben keinen Anlaß, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Auf der Grundlage der Entscheidungen des Senats zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne von § 61 VVG, auch der Entscheidung in BGHZ 119, 147, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs wird der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit grundsätzlich einheitlich bestimmt (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1966 - II ZR 123/64 - VersR 1966, 1150 unter III; Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 57/88 - VersR 1989, 582 unter 2; Urteil vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91 - NJW 1992, 3235 unter I 2 a und b; Urteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - NJW 2001, 2092 unter II 1 a). An diesem Grundsatz ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Die vom Berufungsgericht befürwortete unterschiedliche Definition des Begriffs jeweils nach der konkreten Versicherung würde im Versicherungsrecht wegen der zahlreichen verschiedenen Arten von Versicherungen zu einer kaum
noch überschaubaren Aufsplitterung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 61 VVG und damit zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führen.
2. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muß es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351 unter II 2 c; vgl. ferner die oben unter II. 1. aufgeführten Urteile). Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt den Grundgedanken des § 61 VVG. Danach soll der Versicherungsnehmer, der sich in bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, keine unverdiente Vergünstigung erhalten. So hat § 61 VVG ähnlich wie § 162 BGB den Gedanken von Treu und Glauben übernommen (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 a m.w.N.).
3. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Grundsatz abzuleiten, nach dem die Mißachtung des roten Ampellichts stets grob fahrlässig ist (Römer, NVersZ 2001, 539 unter II; ders. ZfS 2001, 289 unter I 2 c). Der Senat hat lediglich die Ansicht der Vorinstanz als rechtsfehlerfrei bezeichnet, das Überfahren einer roten Ampel sei in aller Regel objektiv als grob fahrlässig zu bewerten (aaO S. 148 unter 1 der Gründe). Über eventuelle Ausnahmen in objektiver Hinsicht war nichts auszuführen, weil das Berufungsgericht mit Recht keine Ausnahme in Betracht gezogen hatte.
b) Das Nichtbeachten des roten Ampellichts wird wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahr- lässig anzusehen sein. Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch schon an den objektiven oder an den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen. Dies kann der Fall sein, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist und bei besonders schwierigen , insbesondere überraschend eintretenden Verkehrssituationen (vgl. OLG Hamm VersR 2002, 603 f.; OLG Köln NVersZ 1999, 331 f.; OLG Nürnberg NJW-RR 1996, 986 f.; OLG Köln r+s 1991, 82 f.). Eine Beurteilung als nicht grob fahrlässig kann auch in Betracht kommen, wenn der Fahrer zunächst bei "Rot" angehalten hat und dann in der irrigen Annahme , die Ampel habe auf "Grün" umgeschaltet, wieder angefahren ist (so neuerdings wieder OLG Hamm r+s 2000, 232; OLG Jena VersR 1997, 691 f.; OLG München NJW-RR 1996, 407). Diese Beispiele sind nicht abschließend. Wegen der "Verschlingung" objektiver und subjektiver Gesichtspunkte und der Notwendigkeit, die Würdigung auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen, lassen sich nur mit großen Vorbehalten allgemeine Regeln darüber entwickeln, wann eine unfallursächliche Fahrlässigkeit als grobe zu qualifizieren ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 1967 - VI ZR 14/66 - VersR 1967, 909).
c) Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1966 - II ZR 174/65 - VersR 1967, 127 unter 1 und 2; BGH, Urteil vom 5. April 1989 - IVa ZR 39/88 - VersR 1989, 840 unter 2;
Römer, VersR 1992, 1187 unter II 3). Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Nachgeprüft werden kann nur, ob in der Tatsacheninstanz der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob beim Bewerten des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 b).
4. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht, daß aus einem objektiv groben Pflichtverstoß regelhaft auf die subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden könne und entgegen der anerkannten Beweislast des Versicherers für das Eingreifen eines Risikoausschlusses der Versicherungsnehmer den Entschuldigungsbeweis zu führen habe (siehe dazu Römer, NVersZ 2001, 539 f.; Rixecker, ZfS 2001, 550 f.). Der Senat hat vielmehr daran festgehalten, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden könne (BGHZ 119, 147, 151) und dazu auf sein Urteil vom 8. Februar 1989 (aaO unter 4 d) hingewiesen. Dort ist ausdrücklich klargestellt, daß auch für die subjektive Seite des Schuldvorwurfs gemäß § 61 VVG der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig ist. Dabei sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 21. April 1970 - VI ZR 226/68 - VersR 1970, 568 unter II 2). Allerdings ist es Sache des Versicherungsnehmers, ihn entlastende Tatsachen vorzutragen. Das entspricht dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach die nicht beweisbelastete Partei ausnahmsweise eine Substantiierungslast treffen kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm dar-
zulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. vor § 284 Rdn. 24, 34 ff.). Bei einem Verkehrsunfall wird diese Konstellation regelmäßig gegeben sein. An der Beweislast ändert dies nichts (OLG Hamm VersR 2002, 603).
b) Der Senat hält daran fest, daß die bloße Berufung des Kraftfahrers auf ein "Augenblicksversagen" kein ausreichender Grund ist, grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Die nur momentane Unaufmerksamkeit kann unterschiedliche Ursachen haben. Trägt der Versicherungsnehmer zur Ursache des kurzzeitigen Fehlverhaltens und den sonstigen Umständen nichts vor, kann der Tatrichter den Schluß ziehen, daß ein objektiv grob fahrlässiges Mißachten des Rotlichts auch subjektiv als unentschuldbares Fehlverhalten zu werten ist.
5. Das Berufungsurteil ist nicht deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht der Ansicht ist, die von ihm gefundene Rechtsauffassung weiche von der Senatsrechtsprechung ab. Diese Ansicht beruht im wesentlichen auf einem nicht zutreffenden Verständnis der Senatsurteile vom 8. Juli 1992 (BGHZ 119, 147) und vom 18. Dezember 1996 (IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351). Auch auf der Grundlage dieser Urteile und der vorstehend dargestellten sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Würdigung des Berufungsgerichts Bestand, subjektiv grobe Fahrlässigkeit sei dem Kläger nicht anzulasten. Der Kläger hat sich nicht lediglich auf ein "Augenblicksversagen" berufen. Er hat im einzelnen dargelegt, was der Fehlreaktion vorausgegangen ist und wie es
nach seiner Erinnerung dazu gekommen ist oder gekommen sein muß. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bei "Rot" zunächst angehalten und ist nur deshalb noch bei "Rot" wieder angefahren , weil er aufgrund der Fehldeutung irgendeines in seinem Blickfeld liegenden optischen Signals zu der Überzeugung gelangt sei, die Ampel sei soeben auf "Grün" umgesprungen. Daß das Berufungsgericht dies nicht als ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten bewertet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist auszuschließen, daß das Berufungsgericht nach einer Zurückverweisung zu einem anderen Ergebnis gelangt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um den Ersatz von Anwaltskosten.
- 2
- Mit Mietvertrag vom 4. April 2005 vermieteten die Kläger zu 1 bis 3 eine Wohnung an die Beklagten. Die Miete betrug monatlich 750 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 85 €. Da die Beklagten mit der Miete in Verzug gerieten und auch die Kaution nicht zahlten, beauftragten die Kläger im November 2005 einen Rechtsanwalt, der die Beklagten zur Zahlung der rückständigen Miete sowie der Kaution aufforderte. Da die Beklagten auch die Miete für Januar 2006 nicht zahlten, erklärte der Rechtsanwalt der Kläger mit Schreiben vom 19. Januar 2006 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. In der Folgezeit zahlten die Beklagten die rückständige Miete und die Kaution.
- 3
- Die Kläger haben die Beklagten auf Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.852,52 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Klägern Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von 1.062,78 € nebst Zinsen zugesprochen, die ihnen infolge der Kündigung und aufgrund der Beitreibung der rückständigen Mieten entstanden seien. Hinsichtlich des Anteils der Anwaltskosten für die Zahlungsaufforderung bezüglich der Kaution hat das Amtsgericht die Klage mangels Verzugs der Beklagten abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger zunächst die Zahlung weiterer 789,74 € geltend gemacht. Nach Rücknahme der Revision in Höhe von 670,02 € nehmen die Kläger die Beklagten jetzt noch auf Zahlung weiterer 119,72 € in Anspruch.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision der Kläger hat Erfolg.
I.
- 6
- Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
- 7
- Das Amtsgericht habe von der errechneten Honorarforderung zu Recht nur den prozentualen Anteil zugesprochen, der nicht die Geltendmachung des Kautionsrückstands betreffe, und nicht die Anwaltsgebühren aufgrund eines um den Kautionsbetrag verminderten Gegenstandswertes berechnet. Nur dieses Verfahren trage dem nicht linearen Ansteigen der Anwaltsgebühren nach Maßgabe der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG und dem mit der Klage geltend gemachten einheitlichen Gebührenanspruch Rechnung.
II.
- 8
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 9
- Den Klägern steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihnen entstandenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit ihres Rechtsanwalts in Höhe weiterer 119,72 € gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 i.V.m. § 249 BGB zu.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die geltend gemachten Anwaltsgebühren "streitwertanteilig" verteilt, d.h. den Gegenstandswert zunächst unter Einbeziehung des Betrags für die Kaution berechnet und anschließend den den Klägern zugesprochenen Betrag um den prozentualen Anteil, der dem Verhältnis des Kautionsbetrags zum Gesamtgegenstandswert entspricht, gekürzt. Die Berechnung des Berufungsgerichts führt aufgrund der degressiv ausgestalteten Gebührentabelle der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG zu einem geringeren Betrag als die Berechnung nach dem Gegenstandswert, wie er sich ohne den Kautionsbetrag ergibt. Dies führt zu einer unzulässigen Reduzierung des Erstattungsanspruchs der Kläger.
- 11
- a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der den Klägern entstandene Schaden im Sinne von § 249 BGB nicht aus der "Einheitlichkeit" des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts hergeleitet werden. Zu unterscheiden ist das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt einerseits und der schadensersatzrechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger andererseits.
- 12
- Der den Klägern entstandene Schaden besteht in der anwaltlichen Vergütung , die sie ihrem Rechtsanwalt für dessen außergerichtliche Tätigkeit - Aufforderung der Beklagten zur Zahlung rückständiger Miete und Erklärung der Kündigung des Mietverhältnisses - schulden. Denn die Beklagten befanden sich mit Mietzahlungen für mehrere Monate in Verzug. Die Einschaltung des Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Kläger beruhte auf dieser Pflichtverletzung.
- 13
- b) Zwar beauftragten die Kläger ihren Rechtsanwalt gleichzeitig auch mit der Geltendmachung der Kaution. Mangels Verzugs der Beklagten insoweit sind diese hierfür - wie vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegt - jedoch nicht schadensersatzpflichtig. Der Umfang der Beauftragung ist jedoch nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte dagegen insoweit verlangen , als seine Forderung diesem gegenüber besteht (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112, unter II 2). Dem Erstattungs- anspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, aaO, m.w.N.).
- 14
- 2. Der Berechnung der von den Beklagten als Verzugsschaden zu erstattenden Anwaltsgebühren sind folglich der Gegenstandswert der Kündigung, der sich gemäß § 23 RVG, § 41 Abs. 2 GKG (Senatsurteil vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050, unter II 2 c) nach dem einjährigen Betrag der Nettomiete richtet (12 x 750 € = 9.000 €), sowie der Betrag für die rückständigen Mieten (2.505 €) zugrunde zu legen, mithin insgesamt 11.505 €.
- 15
- Es kann dahinstehen, ob die Nebenkostenpauschale in Höhe von (12 x 85 € =) 1.020 €, wie die Revision meint, hier dem Gegenstandswert hinzuzurechnen ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, berührte dies die Gebührenforderung nicht, weil hinsichtlich der Erhöhung des Gegenstandswerts von 11.505 € auf 12.525 € kein Gebührensprung zu verzeichnen ist.
- 16
- Danach steht den Klägern gegen die Beklagten ein Erstattungsanspruch für eine 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2400 aF (jetzt Nr. 2300) VV RVG zuzüglich einer 0,6 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von (1,9 x 526 € =) 999,40 € sowie der Auslagenpauschale von 20 € - jeweils zuzüglich der seinerzeit geltenden Mehrwertsteuer von 16 % -, somit insgesamt in Höhe von 1.182,50 € zu. Abzüglich des den Klägern von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrags von 1.062,78 € verbleibt ein den Klägern zu ersetzender Restbetrag von 119,72 €.
III.
- 17
- Da die Revision in dem zuletzt noch weiterverfolgten Umfang Erfolg hat, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über die entscheidungsreife Sache hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung der Kläger ist das angefochtene Urteil des Amtsgerichts abzuändern und der Klage, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattzugeben. Die Klage ist in Höhe eines weiteren Betrags von 119,72 €, wie ausgeführt, begründet. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
AG Gießen, Entscheidung vom 26.06.2006 - 48-M C 308/06 -
LG Gießen, Entscheidung vom 15.11.2006 - 1 S 238/06 -
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.