Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 20. Nov. 2014 - AN 3 K 14.00461

bei uns veröffentlicht am20.11.2014
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 9 ZB 15.184, 07.03.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung … Dieses Grundstück ist im Norden mit einem Wohnhaus und Garage bebaut und grenzt im Südwesten auf einer Länge von 5 m an das vom Grundstück Fl.Nr. … herausgemessene Grundstück Fl.Nr. … an. Dieses Grundstück wurde von der Beigeladenen laut notariellem Kaufvertrag vom 6. Dezember 2013 erworben. Dieses Grundstück soll mit einer zwischen den Grundstücken Fl.Nr. …und … geplanten Zufahrt von der im Süden hiervon verlaufenden … aus straßenmäßig erschlossen werden.

Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „…“, der für das Grundstück Fl.Nr. … (Baugrundstück) keine Baugrenze festsetzt. Gemäß Bauantrag vom 22. Januar 2014 beabsichtigt die Beigeladene, dieses Grundstück mit einem Einfamilienwohnhaus mit Carport und Garage zu bebauen.

Nach den Bauvorlagen vom 20. Januar 2014 ist die Errichtung eines eingeschossigen Baukörpers mit Dachgeschoss in Abweichung vom Bebauungsplan, der eine Dachneigung bis zu 33 Grad vorsieht, mit einer Dachneigung von 35 Grad geplant. Die Bauvorlagen wurden von der Klägerin nicht unterschrieben.

Zu diesem Vorhaben erteilte der Markt … in der Sitzung seines Bau- und Umweltausschusses vom 27. Januar 2014 sein Einvernehmen.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erteilte das Landratsamt … der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter Gewährung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und hinsichtlich Dachneigung.

In den Gründen führte das Landratsamt an, dass die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar seien.

Dieser Bescheid wurde der Klägerin mit Einschreiben (Aufgabe zur Post am 25. Februar 2014) zugestellt.

Mit dem bei Gericht am 24. März 2014 eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragen,

den Bescheid des Landratsamtes … vom 24. Februar 2014 aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die erteilte Befreiung lägen nicht vor.

Das Grundstück Fl.Nr. … grenze an keine öffentlichen Verkehrswege an und sei daher nicht über einen öffentlichen Weg/Straße zugänglich. Es sei nicht erschlossen. Der Bebauungsplan weise eine Bebauungsgrenze auf, die ausschließlich auf dem Grundstück Fl.Nr. … liege. Mit der Befreiung von den im Bebauungsplan festgeschriebenen Baugrenzen werde in die Grundzüge der bisherigen Planung eingegriffen und von den Festlegungen des bestehenden Bebauungsplanes abgewichen.

Dies führe zu einer unzumutbaren Verdichtung des ausgewiesenen Baugebiets. Dieses zeichne sich durch eine großzügige und luftige Bebauung aus. Die ganze „Siedlung“ habe den großzügigen und luftigen Charakter einer Bungalowsiedlung. Aus dem Katasterplan sei ersichtlich, dass die Bebauungsgrenzen in dem Gebiet so angelegt seien, dass zwischen der Bebauung großzügige Freiflächen vorhanden seien, die größtenteils mehr als die bebaubare Fläche betragen würden. Eine Bebauung würde zu einer verdichteten Bebauung führen, da auch den angrenzenden Grundstückseigentümern eine Teilung der Grundstücke und eine zusätzliche Bebauung nicht verwehrt werden könnte. Diese Verdichtung zerstöre den vorhandenen und durch den Bebauungsplan festgelegten Charakter einer Bungalowsiedlung vollständig.

Auf Grund der Hanglage der Grundstücke Fl.Nr. … und … entstehe bei einem Neubau in nördlicher Richtung zwangsläufig ein zusätzliches Vollgeschoss. Die im Bebauungsplan festgelegte Traufhöhe würde an der nördlichen Seite erheblich überschritten. Die Dachneigung des geplanten Bauvorhabens entspreche nicht den Vorgaben für das Bebauungsgebiet. Die erteilte Befreiung von den diesbezüglichen Festsetzungen des Bebauungsplans führe zu einer Änderung der gesamten Struktur des Bebauungsgebietes und sei deshalb planerisch nicht vertretbar.

Die Teilung des streitgegenständlichen Grundstücks mit einer geplanten Bebauung führe nunmehr dazu, dass eine gesonderte Zuwegung erforderlich sei. Diese sei nur von der … aus über das Grundstück Fl.Nr. … denkbar. Der erforderliche Zufahrts Weg für Feuerwehr und Räumungsfahrzeuge mit den erforderlichen Wende- und Schwenkbereichen sei auf Grund der vorhandenen Bebauung nicht zu bewerkstelligen.

Selbst bei einer ordnungsgemäßen Zuwegung würde dies zu einer erheblichen Änderung des Bebauungsgebietes führen und eine Zersiedelung zwangsläufig nach sich ziehen. Die streitgegenständliche Baugenehmigung widerspreche den vom Markt … aufgestellten Gestaltungsrichtlinien für die örtliche Bebauung. Nach diesen Richtlinien solle gerade die Baukultur und regionale Bautradition gefördert werden. Aus diesen Gründen seien das streitgegenständliche Bauvorhaben und die damit verbundenen Abweichungen städtebaulich nicht vertretbar.

Die an die Straßen gelegten Bebauungsgrenzen hätten zum Ziel, einen parkähnlichen Freiraum zwischen den Gebäuden zu schaffen, um den dort vorhandenen alten Baumbestand und die reichhaltige Fauna zu erhalten. An der nördlichen Grenze des streitgegenständlichen Grundstücks befinde sich eine sehr große, mehr als 50 Jahre alte Weide mit einem Stammumfang von über 1,50 m. Diese Weide präge den parkähnlichen Charakter der Grünflächen zwischen der Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. … bis ... und … Weiden gehörten zu den Flachwurzlern und hätten ein großräumiges tellerförmiges weit verzweigtes Wurzelwerk, welches über den Durchmesser der Krone hinausgehe, um dem Baum die ausreichende Standsicherheit zu geben. Würden diese Wurzeln gekappt, verliere der Baum seine Standfestigkeit. Die geplante Bebauung sei nur möglich, wenn die auf das Grundstück Fl.Nr. … ragenden Wurzeln der Weide gekappt würden. Zumindest werde ein erheblicher Rückschnitt der Baumkrone der Weide notwendig sein. Da ein einseitiger Rückschnitt nicht möglich sein dürfte, müsste die Weide komplett auf allen Seiten erheblich zurückgeschnitten werden. In den dortigen Bäumen befänden sich regelmäßig Buntspechte, Kleinspechte und der als besonders streng geschützte

Grünspecht. Durch den geplanten Neubau werde das Erdreich bzw. die Oberfläche verdichtet und durch diese Verdichtung werde die Bewässerung der vorhandenen Fauna, insbesondere von den Weiden, negativ beeinflusst. Naturschutzrechtliche Belange stünden dem geplanten Bauvorhaben entgegen.

Die Beklagte habe die nachbarlichen Interessen bei der Erteilung der Baugenehmigung nicht berücksichtigt.

Die notwendige zusätzliche Zuwegung würde eine Belästigung der Nachbargrundstücke, insbesondere der westlich angrenzenden Grundstücke, mit sich bringen. Der Auto- und Personenverkehr würde durch die geschaffene neue Zuwegung in der Ruhezone der Nachbarn stattfinden. Auch die Klägerin würde durch den zusätzlichen Zu Weg und den damit verbundenen Auto-und Personenverkehr belästigt, da sich ihre Terrasse und damit ihre Ruhezone genau auf der Höhe des freien, nicht durch andere Bebauung abgeschirmten Teils der Zuwegung zum streitgegenständlichen Bauvorhaben befinde und Lärm- und Abgase ungehindert bis zu ihrer Terrasse vordringen könnten.

Die örtliche Flora diene als natürliche Abgrenzung zu anderen Grundstücken und als Schutz der Privatsphäre. Durch die Baumaßnahme müssten die im südlichen Bereich des Grundstücks Fl.Nr. … an der östlichen und westlichen Grundstücksgrenze befindlichen Bäume entfernt werden. Damit würde ein empfindlicher Teil der natürlichen Abgrenzung zum Grundstück der Klägerin wegfallen. Die dortigen Weiden stellten eine Abgrenzung und einen Lärm- und Sichtschutz für das Grundstück der Klägerin dar.

Die Befreiung von der im Bebauungsplan festgelegten Dachneigung würde den Charakter der Bungalowsiedlung zerstören und zu einer Veränderung der Lichtverhältnisse auf den angrenzenden Nachbargrundstücken führen. Eine steilere Dachneigung bringe einen längeren Schattenwurf auf das Grundstück der Klägerin mit sich. Zudem würde die weitläufige, parkähnliche Aussicht von der Terrasse der Klägerin zerstört, wenn nunmehr in einer Entfernung von ca. 20 m ein steiler Giebel in den Himmel rage. Die Terrasse werde bei Ausbau des Dachgeschosses des streitgegenständlichen Bauvorhabens vollständig einsehbar.

Das Landratsamt … beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Befreiung von der Baugrenze widerspreche nicht dem städtebaulichen Konzept. Nachbarschützende Rechte würden nicht verletzt. Der Bebauungsplan sehe für jedes Grundstück ein Baufenster für ein Wohnhaus vor. Dass die Bebauung im nördlichen Bereich des ursprünglichen Grundstücks Fl.Nr. … verhindert werden sollte, sei keinesfalls erkennbar. Vielmehr könne unterstellt werden, dass der Satzungsgeber für das neue Grundstück Fl.Nr. … auch ein Baufenster vorgesehen hätte. Die Nachverdichtung sei unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden gewünscht, um die zusätzliche Inanspruchnahme von Bauflächen zu verringern. Auf § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB werde verwiesen. Im Zuge der Nachverdichtung seien im Baugebiet bereits vergleichbare Bauvorhaben mit der dafür erforderlichen Befreiung von der Baugrenze genehmigt worden. Die genehmigte Dachneigung weiche lediglich um 2 Grad von den Festsetzungen des Bebauungsplanes ab. Das städtebauliche Konzept werde auch hierdurch nicht beeinträchtigt.

Die Erschließung sei auf Grund des Verlaufs der neuen Grundstücksgrenze gesichert. Anders als in der Klageschrift dargestellt, sehe die neue Grundstücksgrenze eine Zufahrtsmöglichkeit westlich des auf Fl.Nr. … bereits bestehenden Wohnhauses vor. Die neue Zuwegung verletze die Klägerin nicht in ihren nachbarschützenden Rechten. Die Gestaltungsrichtlinien stünden der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht entgegen. Das Bauvorhaben liege nicht einmal im Geltungsbereich der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … Ein möglicherweise notwendiger Rückschnitt von Bäumen und die eventuell entstehenden Einsichtsmöglichkeiten des Nachbarn auf eine Terrasse stünden einer Bebauung nicht entgegen.

Mit Beschluss vom 25. April 2014 (AN 3 S. 14.00460) hat die Kammer den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.

Auf die Beschwerde der Klägerin hin ordnete der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Be-schluss vom 29. Juli 2014 (Az. 9 CS 14.1171) die aufschiebende Wirkung der Klage an und führte im Wesentlichen folgendes aus: Der Senat gehe mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Klägerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße und auch die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestandes und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin, dass die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze sie in ihren Nachbarrechten verletze, lasse derzeit aber noch keine hinreichend sichere Prog nose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu. Die Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück Fl.Nr. … nachbarschützende Wirkung entfalte, lasse sich nach summarischer Prüfung nicht ohne Weiteres beantworten. Anhaltspunkte für eine nachbarschutzvermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauBG) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplanes, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend sei jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein nachbarschutzvermittelndes „Austauschverhältnis“ könne etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt seien, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entstehe (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [rückwärtiger Ruhebereich]). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass der Festsetzung der „seitlichen und rückwärtigen“ Baugrenzen nicht auch zumindest zum benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, sei auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lasse sich nämlich das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der …- und … sowie dem …- und … gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1 bis 1 14 geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spreche unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führe nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („gründe“) Fläche von ca. 40 bis 60 m entstehe, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen.

Im Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 nahm das Landratsamt … im Wesentlichen hierzu wie folgt Stellung: Weitere Unterlagen zum Bebauungsplan (insbesondere eine Begründung oder eine Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse) seien nicht mehr auffindbar. Nachdem die Bebauungsplanbegründung und Abwägungsentscheidungen der Gemeinde nicht gewürdigt werden könnten, sei eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzunehmen.

Fakt sei hierbei, dass im gesamten Bebauungsplangebiet fast einheitlich große Grundstücke ausgewiesen worden seien, die dem damaligen Standard entsprochen hätten und allgemein finanzierbar gewesen seien. Weiterhin habe zum damaligen Zeitpunkt ein Bungalow die bevorzugte mondernste Wohnform dargestellt. Aspekte mit Umweltbezug seien auf Grund der damals niedrigen Energiekosten und der einen starken Energieverbrauch fördernden Bauweise lokalisiert an einem Nordhang wohl außen vor geblieben. Umweltbezogene Erwägungen (wie z.B. Schaffung von Ruhezonen,) die im Laufe der Zeit wohl frühestens ab Mitte der 80iger Jahre des vorherigen Jahrhunderts Eingang in bauplanerisches Denken und das allgemeine Empfinden gefunden hätten, könnten nicht als allgemeines Gedankengut der planenden Gemeinde, die zum damaligen Zeitpunkt die ersten beiden Bebauungspläne aufgestellt habe, unterstellt werden. Aus der Gesamtschau werde nicht ersichtlich, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jedem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten. Es würden Bereiche überwiegen, in denen sich durch die Anordnung der Straßen Zonen ergäben, in denen die Gartenbereiche deutlich kleiner ausfallen würden. Die Anordnung um das geplante Baugrundstück stelle deshalb einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung dar. Sollte eine Nachverdichtung in diesem Bebauungsplan ausgeschlossen werden, könne ein Besitzerwechsel der Grundstücke wohl nur noch im Erbfall und nicht mehr durch Kauf erfolgen, da bei den heutigen Grundstückspreisen ein Erwerb nur noch wenigen sehr gut verdienenden und nicht mehr einem durchschnittlich verdienenden Bürger möglich sein sollte.

Im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. November 2014 ließ die Klägerin auf dem Schriftsatz des Beklagten vom 9. Oktober 2014 im Wesentlichen folgendes erwidern: Soweit der Beklagte eingeräumt habe, dass die Bebauungspläne sowie eine Begründung oder eine Abwägung der dargestellten Gemeinderatsbeschlüsse nicht mehr auffindbar seien, sei zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass der Wille der Gemeinde als Planungsträger wohl auch die Interessen der Klägerin schütze. Es sei auch auf den Zeitpunkt der Planung abzustellen.

Tatsächlich seien die in dem Bebauungsplangebiet verkauften Grundstücke seinerzeit nahezu gleich groß gewesen. Letztendlich habe sich durch die Anordnung der Grundstücke eine Ruhezone zwischen den Häusern ergeben. Insoweit sei sehr wohl davon auszugehen, dass diese seinerzeit auch der Planung entsprochen habe. Auch die Größe der Grundstücke spreche letztendlich dafür, dass es den jeweiligen Parteien ermöglicht worden sei, sich von ihren Nachbarn durch entsprechende Anpflanzungen abzugrenzen, zumal die Grundstücke direkt aneinander angrenzten. Tatsächlich hätten sich hierdurch entsprechende Ruhezonen ergeben. Letztendlich könne der Beklagte auch nicht damit gehört werden, dass auf Grund der jetzigen Grundstücksgröße Grundstücke lediglich noch vererbt, jedoch auf Grund des hohen Kaufpreises nicht mehr verkauft werden könnten. Auch zum damaligen Zeitpunkt, als die Grundstücke letztmalig veräußert worden seien, stellte dies eine privilegierte Wohngegend dar. Auch damals seien die Grundstückspreise von einem durchschnittlich verdienenden Bürger kaum finanzierbar gewesen. Insoweit hätten sich seither auch keine wesentlichen Änderungen ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte des Landratsamtes … (BV-Nr. H 2014-0057) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin kann auf Grund öffentlich-rechtlicher Normen das der Beigeladenen genehmigte Bauvorhaben nicht abwehren.

Die Klägerin wird durch die vom Landratsamt … mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung … in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die gemäß Art. 68 Abs. 1 1. Halbsatz BayBO zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen, haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass die Nachbarn durch die Genehmigung zugleich in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 - 4 C 14.87, BayVBl. 1990, 154 ff.).

Die Klägerin wird durch den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes … vom 24. Februar 2014 weder in Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die gerade dem Schutz individueller Interessen dienen, noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme verletzt.

Zum Vortrag der Klägervertreterin hat die Kammer bereits in dem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 25. April 2014 (AN 3 S. 14.00460) Stellung genommen. Zu den Ausführungen hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme und zu den klägerischen Einwendungen hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … hat der BayVGH in dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 (9 CS 14.1171), auf den Bezug genommen wird, ausgeführt, dass dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhilft. Auch im Hauptsacheverfahren ist davon auszugehen, dass die Nachbarklage insoweit nicht erfolgreich ist.

Die nach dem o.g. VGH-Beschluss streitige Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ „für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze nachbarschützende Wirkung entfaltet“ lässt sich nach den Erkenntnissen des Hauptsacheverfahrens nicht zu Gunsten der Klägerin, sondern zu Gunsten der Beigeladenen dahingehend beantworten, dass nicht von einer nachbarschützenden Funktion dieser seitlichen und rückwärtigen Baugrenze auszugehen ist.

Ausgehend vom Grundsatz, dass Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung haben, und der Überlegung, dass die Beantwortung der Frage, ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, vom Willen der Gemeinde als Planungsträger abhängt, hat die Kammer versucht, im Hauptsacheverfahren eine Klärung herbeizuführen.

Wie aber aus der Stellungnahme des Landratsamtes … vom 9. Oktober 2014, die sich auf die vorgelegten Schreiben des Marktes … vom 4. September 2014 und der Regierung von Mittelfranken vom 19. September 2014 bezieht, ersichtlich, sind weitere Unterlagen zum Bebauungsplan, insbesondere eine Begründung oder die Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse nicht (mehr) auffindbar, so dass die Frage der nachbarschützenden Funktion der seitlichen und rückwärtigen Baugrenze im Bebauungsplan „…“ trotz aller Bemühungen des Gerichts unerweislich ist.

Es handelt sich damit um eine Frage der materiellen Beweislast (vgl. Kopp/Schenke VwGO, 15. Auflage, 2007, § 108 RdNr. 11).

Der Verwaltungsprozess kennt im Gegensatz zum Zivilprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und keine Beweisführungspflicht (formelle Beweislast), da diese mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht vereinbar wären, sondern nur die materielle Beweislast des „non liquet“, das heißt die Notwendigkeit, die trotz aller Bemühungen des Gerichts gegebenenfalls verbleibende Unerweislichkeit von Tatsachen zu Lasten des Klägers oder des Beklagten gehen zu lassen.

Die Frage, wer die materielle Beweislast in diesem Sinne trägt, ist unerheblich von der Parteirolle des Klägers oder Beklagten im Prozess, da sie nach der Rechtsprechung eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Prozessrechts ist.

Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (Kopp/Schenke, a.a.O. § 108 RdNr. 13). Für die Frage der Nachbarklage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 1969, IV C 18.67, NJW 1970, 263 festgestellt, dass nach dem Grundsatz, jeder Beteiligte trage die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen, den klagenden Nachbarn regelmäßig die Beweislast trifft. Insoweit führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass gerade für den typischen Fall der Nachbarklage, in dem sich, was den grundsätzlichen Interessengegensatz anlangt, nicht der Nachbar und die Behörde, sondern Nachbar und Bauherr gegenüberstehen, jene Formel durchaus zu angemessenen Ergebnissen führt.

Übertragen auf den vorliegenden Fall trägt demnach die Klägerin als Nachbarin die materielle Beweislast dafür, dass die im Bebauungsplan „…“ festgesetzten seitlichen und rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützende Wirkung haben.

Die oben ausgeführte Unerweislichkeit dieser Tatsache geht damit zu ihren Lasten. Zu Gunsten der beigeladenen Bauherrin ist davon auszugehen, dass das Landratsamt bei den in der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und Dachneigung eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen dieses Bebauungsplanes erteilt hat.

Soweit der BayVGH in seinem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 bei der Frage, ob die Festsetzung eines Bebauungsplanes ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenaus gleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll, darauf abstellt, dass letztlich ausschlaggebend sei, eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzunehmen und insoweit anführt, dass ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ etwa dann gegeben sein kann, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht und sich insoweit auf einen Beschluss des 14. Senats vom 27. April 2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“] bezieht, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Wie sowohl aus dem Lageplan als auch aus dem vorgelegten Bebauungsplanauszug ersichtlich, haben nur die vier südlich des … und nördlich der … gelegenen Grundstücke mit den Fl.Nrn. …, …, … (Grundstück der Klägerin) und … dazu beigetragen, dass bislang eine unbebaute grüne Fläche zwischen den jeweiligen Wohnhäusern entstanden ist. Einen Beitrag zu dieser unbebauten grünen Fläche haben jedenfalls nicht die hiervon östlich entlang des … und westlich entlang der … gelegenen Grundstücke geleistet, weil insbesondere entlang der … die Baugrenzen so gezogen sind, dass außerhalb der überbaubaren Flächen keine weiteren unbebaute grüne Flächen entstehen können. Wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung des 14. Senates so weit gehen will, dass in einem einheitlich bebauten Straßengeviert die rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützend sind, weil im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht, so würde dies bedeuten, dass bei allen innerhalb dieses Straßengevierts gelegenen Grundstücken jegliche Erweiterungsmöglichkeit unterbunden wäre. Nachdem im vorliegenden Fall die unbebaute („grüne“) Fläche hauptsächlich auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken entstanden ist, würde dies bedeuten, dass eine Erweiterungsmöglichkeit nur auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken nicht möglich ist, nicht aber auf den seitlichen entlang der … und entlang des … gelegenen Grundstücken, da diese nicht unter der Prämisse des Nachbarschutzes stünden.

Die Kammer teilt die Auffassung des Landratsamtes …, dass aus der Gesamtschau nicht ersichtlich sei, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jenem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten, sondern, dass die Anordnung um das geplante Baugrundstück einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung darstelle.

Aus der im Bebauungsplanauszug enthaltenen Bezeichnung „Bungalowsiedlung“ im streitgegenständlichen Bereich kann die Klägerin kein Abwehrrecht dahingehend ableiten, dass die außerhalb der überbaubaren Flächen gelegenen Flächen aus Gründen des Nachbarschutzes unbebaut bleiben sollen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnet der aus dem indischen Sprachraum kommende Begriff „Bungalow“ ausschließlich, dass es sich um ein eingeschossiges Haus handelt, das häufig, aber nicht notwendigerweise ein Flachdach besitzt. Demnach verbleibt es, wie bereits im Eilbeschluss der Kammer vom 25. April 2014 ausgeführt, dabei, dass die betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baugrenze und hinsichtlich der Dachneigung keine nachbarschützende Funktion haben. Soweit die Klägerin meint, sie könne eine Bebauung des neu entstandenen Grundstückes Fl.Nr. … deswegen abwehren, weil eine etwaige Bebauung in die Wurzeln der auf ihrem Grundstück stehenden Weide eingreifen würde, ist dies öffentlich-rechtlich unbeachtlich. Letztlich ist dies ein zivilrechtliches Problem des § 910 BGB (Überhang von Wurzeln und Zweigen), was aber im öffentlichen Recht nicht zu würdigen ist. Insoweit ist auf die Vorschrift des Art. 68 Abs. 4 BayBO zu verweisen, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird.

Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass die mit der erteilten Baugenehmigung zugelassene Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. … gegenüber dem Anwesen der Klägerin nicht rücksichtslos ist.

Die Klage war demnach abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 20. Nov. 2014 - AN 3 K 14.00461

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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(1) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die nachfolgenden Vorschriften zum Umweltschutz anzuwenden.

(2) Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen sollen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden. Die Grundsätze nach den Sätzen 1 und 2 sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können.

(3) Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Der Ausgleich erfolgt durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. § 15 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes gilt entsprechend. Ein Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren.

(4) Soweit ein Gebiet im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(5) Den Erfordernissen des Klimaschutzes soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. Der Grundsatz nach Satz 1 ist in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.