Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119
Tenor
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach U.
Der im Jahre 1990 geborene Kläger zu 1) (im Folgenden: Kläger) und seine im Jahre 1993 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2) (im Folgenden: Klägerin), sind aserbaidschanische Staatsangehörige. Sie reisten am 3. Dezember 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 9. Dezember 2013 Asylanträge.
Am ... Juni 2014 wurde im Bundesgebiet die Tochter der Kläger geboren, deren Asylantrag vom Bundesamt unter Verweis auf die Zuständigkeit U.s abgelehnt wurde. Die hiergegen beim Verwaltungsgericht ... erhobene Klage ruht (...) wegen „Vorgreiflichkeit“.
Am Tag ihrer Einreise wurden die Kläger als Mitfahrer eines ungarischen Taxis einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Sie legten jeweils einen gültigen aserbaidschanischen Reisepass sowie ein Schengen-Visum der Kategorie C aus U. vor. Dabei handelte es sich um ein Einreisevisum, das am 29. November 2013 im ungarischen Konsulat ... ausgestellt wurde und bis zum 11. Dezember 2013 gültig war. Bei der polizeilichen Einreisebefragung gaben die Kläger an, am 3. Dezember 2013 in ... eingereist zu sein und mit dem Taxi nach ... und schließlich zu den Eltern des Klägers nach ... weiterreisen zu wollen. Ein ungarisches Visum hätten sie sich verschafft, weil man ein solches leichter bekomme als ein deutsches Visum. In Aserbaidschan hätten sie keine Probleme gehabt. Der Kläger habe dort als Lkw-Fahrer gearbeitet. Seit 4. Dezember 2013 befanden sich die Kläger in Zurückschiebungshaft in der Justizvollzugsanstalt ...
Nach Eingang der Asylanträge der Kläger (per Telefax ihres Bevollmächtigten) stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-Verordnung an U.. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 erklärten die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-II-VO.
Im Rahmen einer Haftvorführung am
Die Kläger wurden aufgrund Beschlusses des Landgerichts ...
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am
Auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit
Bei einer Befragung durch das Bundesamt am
Zur Klagebegründung ließen die Kläger im Wesentlichen Folgendes vortragen: Am ...Juni 2014 sei die Tochter der Kläger geboren. Die Kläger hätten in U. eine unmittelbare und ernsthafte Verletzung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu befürchten (EU-GR-Charta). Es lägen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, dass U. nicht die in der Aufnahmerichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (RL 2003/9/EG), sowie die in der Verfahrensrichtlinie (RL 2005/85/EG) und die in der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) normierten Standards gewährleiste. Den Klägern drohe willkürliche und rechtswidrige Inhaftierung ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeit. In U. bestünden systemische Mängel im Asylsystem, die offenkundig seien. Die Unterbringungsmöglichkeiten entsprächen nicht den europäischen Vorgaben, Misshandlungen in Haft und Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge seien regelmäßig zu beobachten. Aufgrund einer am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderung in U. drohe den Klägern im Falle einer Rückführung dort die Inhaftierung. Diese Inhaftierung von Flüchtlingen widerspreche eindeutig den Standards der RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie). Aus den eingeholten Auskünften und den wiederkehrenden Berichten verschiedenster Flüchtlingsorganisationen ergebe sich zusammenfassend vor allem ein Problem: Die menschenrechts- und richtlinienwidrige Inhaftierungspraxis von Asylbewerbern durch die ungarischen Behörden. Die Asylsuchenden würden in schematischen Verfahren ohne konkrete Einzelfallprüfung inhaftiert. Rechtsmittel gegen die Inhaftierung existierten nicht. Es erfolge nur eine gegebenenfalls automatisierte Überprüfung durch das Gericht, die de facto aber so gut wie nie zu Entlassungen führe und damit ohne praktische Wirksamkeit sei (Pro Asyl vom 31.10.2014 an das VG Düsseldorf). Darüber hinaus beschränke sich die Inhaftierung aufgrund fehlender Rechtsmittel und der festgelegten Überprüfungsintervalle nicht auf die kürzest mögliche Dauer (Verletzung von Art. 15 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie). Dublin-Rückkehrer würden nicht ausnahmslos, aber regelmäßig inhaftiert, verstärkt nun auch Familien. Darüber hinaus würden in U. auch Familien mit Kindern - auch im schematisierten Verfahren - ohne Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kinder inhaftiert. Die hygienischen Verhältnisse in Haft seien unzureichend. In Haft komme es zu menschenunwürdiger Behandlung, Diskriminierungen und Misshandlungen durch das ungarische Behördenpersonal. In die stetig menschenrechtswidriger werdende Politik der ungarischen Regierung reihe sich das derzeitige Vorhaben neuer weitreichender Gesetzesverschärfungen. Weiter werde auf die Entscheidung des EGMR, Urteil vom 4. November 2014 „Tarakhel“, verwiesen, wonach eine Rückführung einer afghanischen Familie nach Italien nicht erfolgen dürfe (systemischer Mangel), bevor die konkrete Unterbringung abgeklärt worden sei.
Die Kläger beantragen:
Der Bescheid des Bundesamts vom
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Mit Beschluss vom 19. März 2015
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten, die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Gründe
Die Klagen sind zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom
1. Die Klagen sind als Anfechtungsklagen statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Statthafte Klageart gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27 a AsylVfG ist die (isolierte) Anfechtungsklage (BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 7;
2. Die Klage ist auch begründet.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die Beklagte ist an der Überstellung der Kläger nach U. gemäß der Dublin-II-VO gehindert, weil das ungarische Asylsystem nach der Überzeugung des Gerichts hier ausnahmsweise gerade für die Gruppe, der die Kläger zugehören - Familie mit Kleinkind - systemische Mängel insbesondere im Hinblick auf Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen für Kinder aufweist.
Vorliegend ist das Verfahren bzgl. des Kindes der Kläger beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängig und hier nicht streitgegenständlich. Da der Grundsatz der Familieneinheit ein tragendes Prinzip der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin-II-Verordnung ist (vgl. Art. 6 bis 8, 14 und 15 Abs. 1 und 2 Dublin-II-VO), der ggf. eine Selbsteintrittspflicht der Beklagten zur Folge haben kann (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012 S. 383 ff., zit. nach juris Rn. 42) und vor dem Hintergrund, dass Art. 8 EMRK jedenfalls als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ohnehin bei der Prüfung, ob die Abschiebungsanordnung aufrechterhalten bleibt, zu berücksichtigen ist, erscheint es im Fall einer Familie mit Kleinkind sachgerecht, das Vorliegen eines systemischen Mangels einheitlich bei der Rücküberstellung der untrennbar verbundenen Eltern mit ihrem Kleinkind zu beurteilen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Dublin-II-VO).
2.1 Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27 a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung § 34 a Abs. 1 AsylVfG.
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Da sowohl der Asylantrag als auch das Aufnahmeersuchen an U. vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, ergibt sich die Maßgeblichkeit der Dublin-II-VO aus Art. 49 Satz 2, 3 Dublin-III-VO (vgl. BVerwG, U. v.
2.2 Nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II-VO ist U. der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Dublin-II-VO hat prinzipiell allein auf der Grundlage der dort festgelegten Kriterien zu erfolgen, für die eine bestimmte Rangfolge gilt (Art. 5 ff. Dublin-II.-VO). Hiernach war im vorliegenden Fall U. zuständig.
Nach Art. 9 Abs. 2 Dublin-II-VO ist dann, wenn ein Asylbewerber ein gültiges Visum für einen Mitgliedstaat besitzt, der Mitgliedstaat, der dieses Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Kläger sind im Gültigkeitszeitraum ihrer Schengen-Visa nach U. und weiter nach Deutschland zur Asylantragstellung gereist. Die ungarischen Behörden haben dementsprechend mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Art. 9 Absatz 2 Dublin-II-VO erklärt.
Die gem. Art. 19 Abs. 3, 4 Dublin-II-VO maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten in den zuständigen Mitgliedstaat ist noch nicht abgelaufen. Die Überstellungsfrist beginnt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 29. 1. 2009 - C-19/08
Es sind auch keine Verfahrensfehler im Hinblick auf das Aufnahmegesuch des Bundesamts ersichtlich (vgl. Kap. V der Dublin-II-VO).
2.3 Im Falle der Kläger - als einer Familie mit einem Kind unter einem Jahr - entfällt die Zuständigkeit U.s zur Entscheidung über den Asylantrag der Kläger, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin-II-VO zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist.
Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin II-Verordnung nach U. als dem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union überstellt werden sollen, müssen - jedenfalls sofern sie keiner besonders schutzbedürftigen Gruppe angehören - nach herrschender Rechtsprechung derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) rechnen (2.3.1; 2.3.2) (vgl. Entscheidungen zur Rückführung von Personen, die nicht einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis angehören: VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A; VG Ansbach, U. v. 6.2.2015 - AN 14 K 14.50206; VG Gelsenkirchen, B. v.
Vorliegend bestehen aber bei einer Rückführung nach U. in der besonderen Situation der Kläger als Familie mit Kleinkind wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen (Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen, „asylum detention“) systemische Mängel aufweisen und die Kläger bei einer Überstellung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, der Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im vorgenannten Sinne ausgesetzt sind (2.3.3).
2.3.1 Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Absatz 2 Dublin-II-VO - dann unzulässig, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 et al. - juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, U. v. 21.1.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 413).
Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. - juris Rn. 94).
Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta implizieren, (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. - juris Rn. 86).
Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9/EG, 2004/83 oder 2005/85/EG genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (BVerwG, U. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 6 m. w. N.)
Bei der Bewertung der in U. anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation der Kläger zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation der Kläger auswirken (können) (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12 -juris Rn. 130).
Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, bei denen es sich - wie bei den Klägern - um eine Familie mit einem Kleinkind im ersten Lebensjahr handelt.
2.3.2 Wegen der Änderungen des ungarischen Asylsystems zum 1. Juli 2013 sind für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insbesondere solche Erkenntnisquellen heranzuziehen, die sich auf den nachfolgenden Zeitraum beziehen. Zum 1. Juli 2013 wurden in U. erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. „asylum detention“ - eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft - in das Asylrecht aufgenommen.
Maßgebliche Erkenntnisquellen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. juris Rn. 90 ff.). Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (EuGH, U. v. 30.5.2013 - C 528/11 - juris Rn. 44).
Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind (vgl. EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - InfAuslR 2014, 197ff.).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in U. unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass es nach den Länderberichten eine sog. Asylhaft auch für Dublin-Rückkehrer gibt. Die Haftgründe seien vage formuliert und es gebe kein Rechtsmittel gegen Asylhaft. Die Berichte zeigten aber auch, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und dass Alternativen zur Abschiebungshaft nun vom Gesetz vorgesehen würden. In Bezug auf die Haftbedingungen gebe es immer noch Berichte über Mängel, aus einer Gesamtschau scheine es aber Verbesserungen gegeben zu haben (EGMR, U. v.3.7.2014 - 71932/12 - NLMR 2014, 282ff.). Dem folgend wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass Dublin-Rückkehrer - jedenfalls soweit es sich nicht um Familien mit Kleinkindern bzw. besonders schutzbedürftige Personenkreise handelt - grundsätzlich nach einer Rücküberstellung nach U. nicht Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Art. 3 EMRK zu unterfallen.
2.3.3 Da vorliegend bei der Bewertung der in U. anzutreffenden Umstände in erster Linie auf eine den Klägern vergleichbare Situation und somit auf die Überstellung einer Familie mit Kleinkind abzustellen ist, hat sich das Gericht aus den in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen und unter Zugrundelegung der sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben die erforderliche Überzeugungsgewissheit dahingehend verschafft, dass das ungarische Asylsystem im Hinblick auf Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen von rückgeführten Familien an systemischen Mängeln leidet, die die notwendige Schwelle einer Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK überschreiten.
Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
2.3.3.1 Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten. Die gesetzlichen Regelungen U.s zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) werden im Wesentlichen den Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL) gerecht (VG Düsseldorf, B. v.
Gemäß § 31/B Abs. 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Abs.1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Art. 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Abs. 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Abs. 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Abs. 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Abs. 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Abs. 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Abs. 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. § 31/A Abs. 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
2.3.3.2 Im Hinblick auf die nach derzeitiger Auskunftslage von ungarischen Behörden vorgenommene Inhaftierungspraxis bei Familien mit Kleinkindern liegen nach der Auffassung des Gerichts ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass diese gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidung über die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachtet werden. Hieraus ergibt sich gerade im Hinblick auf die von dieser Inhaftierungspraxis betroffenen Kleinkinder eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung, die nach der Rechtsprechung des EGMR die erforderliche Schwelle überschreitet.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann (vgl. BVerfG, B. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - juris Rn. 32) und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat in seiner Rechtsprechung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta folgendes ausgeführt:
In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher, die nicht das Bild eines illegalen Einwanderers bieten, in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte (vgl. EGMR, U. v. 21.1.2011 - 30696/09 - juris Rn. 225, 234). Art. 3 EMRK verpflichte die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt (EGMR, U. v. 21.1.2011 - a. a. O. - Rn. 222). Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, seien die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. komme umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta ein besonderes Gewicht zu (EGMR, U. v. 21.1.2011 - a. a. O. -, Rn. 250, 263; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 172/13 - juris Rn. 40).
Für die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK müsse die drohende Behandlung ein Mindestmaß an Intensität aufweisen. Sämtliche Umstände des Einzelfalles seien dabei zu berücksichtigen (EGMR, U. v.4.11.2014 - 29217/12 „Tarakhel gg. die Schweiz“ - www.asylnet auszugsweise). Kinder genössen über die Gruppe der Asylsuchenden hinaus einen besonderen Schutz, da sie spezifische Bedürfnisse haben und extrem verletzlich sind. Dies gelte unabhängig davon, ob sie allein oder in Begleitung ihrer Eltern sind. Die Aufnahmebedingungen für asylsuchende Kinder müssten ihrem Alter und ihren Bedürfnissen angepasst sein.
Was Minderjährige angeht, hat der Gerichtshof entschieden, es müsse im Auge behalten werden, dass ihre besonders verwundbare Lage entscheidend ist und schwerer wiegt als die Tatsache, dass sie Ausländer mit unrechtmäßigem Aufenthalt sind. Kinder hätten besondere Bedürfnisse wegen ihres Alters und ihrer Abhängigkeit, aber auch wegen ihres Status als Asylbewerber. Die Kinderkonvention der UN verpflichte im Übrigen die Staaten zu angemessenen Maßnahmen, damit ein Kind, das sich um einen Flüchtlingsstatus bemüht, Schutz und menschliche Hilfe erhält, einerlei, ob es allein oder von seinen Eltern begleitet ist (EGMR, U. v. 19.1.2012 - 39472/07 Nr. 91 „Popov gg. Frankreich“).
Im Fall Popov gegen Frankreich (15-tägige Haftdauer, Kinder im Alter von knapp 6 Monaten und 3 Jahren) sah der EGMR die von Art. 3 EMRK geforderte Schwelle an Schwere überschritten und eine Verletzung von Art. 3 EMRK hinsichtlich der Kinder als gegeben an. Dem lag zugrunde, dass die Bedingungen, unter denen die Kinder „angehalten“ wurden, nicht ihrem Alter angepasst waren. Die Dauer der „Anhaltung“ der Kinder über einen Zeitraum von 15 Tagen - wenn sie auch an sich nicht exzessiv erscheine - habe von ihnen angesichts der Ungeeignetheit der Infrastruktur für ihre Aufnahme und ihr Alter doch als unendlich lang empfunden werden können. Eine solche Situation könne zu Angst, psychischer Störung und Schädigung des Elternbildes der Kinder beitragen. Daraus folge, dass die Bedingungen, unter denen die Kinder für fünfzehn Tage angehalten wurden, nämlich in einer Umgebung von Erwachsenen, unter starker Polizeipräsenz und ohne Beschäftigung und zusätzlich zur Not ihrer Eltern, für ihr Alter offensichtlich ungeeignet waren. Die beiden Kinder hätten sich in einer Situation besonderer Verwundbarkeit befunden, die durch die Situation der Haft weiter verschärft wurde. Diese Lebensbedingungen hätten für sie eine Situation von Stress und Angst schaffen und besonders traumatisierende Folgen für ihre Psyche haben müssen. Die Behörden hätten den Kindern keine Behandlung gewährleistet, die mit den Bestimmungen der Konvention vereinbar ist (EGMR, U. v. 19.1.2012 - 39472/07 Nr. 91 - Popov/Frankreich).
2.3.3.3 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind nach den aktuellen in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln zur Inhaftierungspraxis U.s bei Familien mit Kindern derzeit folgende Feststellungen zu treffen:
Nach der aktualisierten Fassung des AIDA - Berichts vom 17. Februar 2015 (Asylum Information Database: Country Report Hungary“ des European Council on Refugees and Exiles - ECRE/Verfasser: Hungarian Helsinki Committee - „HHC“) hat sich gegenüber der in der Fassung vom 30. April 2014 berichteten Lage im Wesentlichen verändert, dass nunmehr in der Praxis auch bei Dublin-Rückkehrern Familien mit Kindern in Asylhaftanstalten inhaftiert werden. Während in der Fassung vom April 2014 noch ausgeführt wurde, dass asylsuchende Kinder in Familien „nie“ festgehalten wurden, (S. 49), ist in der aktuellen Fassung „häufig“ angegeben (S. 52). Die Inhaftierungspraxis hat sich somit insoweit geändert, als nunmehr asylsuchende Familien mit Kindern häufig in Asylhaft kommen.
Die Kläger gehören damit ersichtlich nicht zu einer besonders geschützten Personengruppe, die nach der aktuellen Erkenntnislage von einer Asylhaft tatsächlich verschont bleibt (a. A. VG Würzburg, B. v.
Nach dem aktuellen AIDA-Länderbericht gibt es ab April 2014 sechs Haftanstalten, wobei sich die Asylhaftanstalten in Debrecen, Békéscsaba und Nyírbátor befinden. Seit Februar 2015 wird Debrecen als Asylhaftanstalt für die Inhaftierung von asylsuchenden Familien verwendet (S. 51). Im Sommer 2013 führte das Ungarische Helsinki Komitee (HHC) Besuche in den Haftanstalten Békéscsaba und Nyírbátor durch und stellte fest, dass die Haftbedingungen für Familien mit Kindern nicht geeignet sind. Es gebe keine sozialen und pädagogischen Aktivitäten für Kinder, das Essen sei nicht geeignet und sie hätten kein Spielzeug. Diese Ergebnisse seien bei den Kontrollbesuchen im Jahr 2014 bestätigt worden. Die Asylhaftanstalten würden vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN)= verwaltet. Die Sicherheit in den Zentren werde durch die Polizei getragen. Es gebe Beschwerden über das aggressive Verhalten der Sicherheitskräfte in allen Zentren (S. 59).
Obwohl unbegleitete Minderjährige gesetzlich von der Asylhaft ausgenommen seien, habe das Ungarische Helsinki Komitee auf Beobachtungsmission im Jahre 1914 viele Jugendliche in Asylhaft entdeckt. Der UNHCR bekräftigt, dass die Inhaftierung eindeutig gegen Art. 3 EMRK verstoße und dass auch eine kurzfristige Inhaftierung äußerst schädlich für die psychosoziale Entwicklung von Kindern sei (S. 56). Weiter ist zu den Haftbedingungen (S.60 f.) folgendes ausgeführt: Die Debrecen-Anlage habe nur einen kleinen Hof, der nicht ausreichend ausgestattet sei. Der Hof bestehe aus einem kleinen Bereich aus Beton, in dem keine sinnvolle körperliche Bewegung, Sport oder andere Aktivitäten durchgeführt werden könnten. Darüber hinaus gebe es keine Bank im Hof, keinen Schatten, keine Bäume oder andere Objekte, die in der Sommerhitze einen längeren Aufenthalt auf dem Hof ermöglichen würden.
Das Ungarische Helsinki Komitee hat eine Reihe von Beschwerden in Debrecen erhalten, es gebe u. a. zu wenig Speicherkapazitäten (Schränke, Regale). Das HHC hat sich besorgt darüber geäußert, dass Debrecen als offenes Aufnahmezentrum für Asylsuchende eingerichtet wurde. Die Haftanstalt habe einen riesigen Zaun mit einschüchternder Wirkung. Die auf dem Zaun installierten Wachtürme verstärkten diesen Effekt, wodurch der Eindruck eines Hochsicherheitsgefängnisses erreicht werde. Die Tatsache, dass die Gefangenen frei sich bewegende Asylsuchende auf der anderen Seite des Zauns sähen, erhöhe die Frustration und die Gefahr von Aggression und außergewöhnlichen Ereignissen.
Zu der Zeit des dritten Update (Februar 2015) seien Familien in der Haftanstalt Debrecen festgehalten. Nach Meinung des HHC sei diese Asylhaftanstalt nicht für die Inhaftierung von Familien geeignet. Kinder gingen nicht zur Schule, es gebe keine sozialen oder pädagogischen Aktivitäten in den Zentren organisiert, das Essen sei nicht geeignet für Kinder und sie hätten nur sehr wenige Spielwaren. Die Debrecen Asylhafteinrichtung sei für die Inhaftierung von Familien aufgrund ihres geringen Außenraumes besonders ungeeignet. Außerdem seien die in Asylhafteinrichtungen vorhanden bewaffneten Sicherheitsleute einschüchternd für Kinder.
Die übrigen in das Verfahren eingeführten Auskünfte stimmen allgemein zur Inhaftierungspraxis aufgrund des seit Juli 2013 in Kraft getretenen ungarischen Gesetzes und den Haftbedingungen mit diesen Ausführungen überein, geben jedoch aufgrund der Tatsache, dass die Inhaftierung von Familien mit Kindern in Asylhaftanstalten erst seit Ende 2014/Anfang 2015 erfolgt, im Hinblick auf die hier vorliegende Problematik der Inhaftierung von Familie nicht die aktuelle Situation in dieser Hinsicht wieder, so dass das Gericht seine Erkenntnisse hauptsächlich auf die Ausführungen im aktuellen AIDA - Bericht, Stand 17. Februar 2015, stützt. Die Beklagte hat sich trotz schriftlicher gerichtlicher Aufforderung unter Hinweis auf die neue Auskunftslage insoweit, als Familien mit minderjährigen Kindern nunmehr häufig in Asylhaft genommen würden (Telefax vom 13.4.2015), nicht geäußert.
2.3.3.4 Das Gericht ist der Auffassung, dass den Klägern als Familie bei einer Dublin-Rückführung mit hoher Wahrscheinlichkeit Asylhaft bis zu 30 Tagen droht und dass die Bedingungen, unter denen die Kleinkinder in den für Familien vorgesehen Asylhaftanstalten (vgl. 2.3.3.3) völlig ungeeignet sind, so dass auch ein Aufenthalt für einen Zeitraum von wenigen Tagen (hier bis höchstens 30 Tage) bereits geeignet ist, Stress, Angst und traumatisierende Folgen für die Psyche der Kinder hervorzurufen. Zu berücksichtigen ist, dass das Kind der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) noch nicht ein Jahr alt ist und aufgrund des geringen Alters besonders verletzlich ist. Zudem sind die Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten in U., insbesondere in Debrecen, das als Asylhaftanstalt für Familien vorgesehen ist, in jeder Hinsicht ungeeignet für die Unterbringung eines Kleinkindes - sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum. Nach den obigen Ausführungen wirkt diese Haftanstalt durch die vorhandenen bewaffneten Sicherheitsleute für Kinder besonders einschüchternd. Durch den hohen Zaun und die Wachtürme wird der Eindruck eines Hochsicherheitsgefängnisses erweckt. Da ein Kind im Alter unter einem Jahr bzw. als Kleinkind einer geeigneten altersgerechten Ernährung bedarf, ist auch die Aussage, dass das Essen für Kinder nicht geeignet ist, besonders negativ zu bewerten. Außerdem ist gerade der für die Entwicklung der Kinder notwendige Außenraum in Debrecen besonders gering und vom HHC als ungeeignet bewertet worden. Zudem gibt es keine sozialen und pädagogischen Aktivitäten. Insgesamt hat das Gericht keinen Zweifel und die erforderliche Überzeugungsgewissheit, dass die ungarischen Asylhaftbedingungen für den Aufenthalt insbesondere von Kleinkindern völlig ungeeignet sind und dass die von Art. 3 EMRK geforderte Schwelle an Schwere überschritten wird.
Unabhängig davon ergibt sich auch aus der hinsichtlich Familien mit Kindern von den ungarischen Behörden ausgeübten Inhaftierungspraxis, die von einer „regelmäßigen“ Inhaftierung von Familien mit Kindern ausgeht, eine willkürliche und die ungarischen Vorschriften missachtende Praxis. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen - in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Aufnahmerichtlinie - Familien mit Minderjährigen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Wird aber wie hier das Regel - Ausnahmeverhältnis umgekehrt und unter Verstoß gegen Art. 8 EMRK eine Familie mit Kindern in einer solchen Weise der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt, dürfte eine solche Behandlung - die nach der Auskunftslage auch nicht auf Einzelfälle beschränkt ist, sondern systemisch erfolgt, bereits für sich genommen die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta erforderliche Schwere aufweisen. Für das Erreichen der erforderlichen Schwere der Grundrechtsverletzung spricht ferner, dass eine solche Inhaftierungspraxis, ungeachtet gegebenenfalls abweichender rechtlicher Vorgaben des ungarischen Asylrechts, auch nicht mit den unionsrechtlichen Mindeststandards der maßgeblichen Aufnahmerichtlinie in Einklang zu bringen ist (Art. 11 Abs. 2 AufnRL).
Nach alledem hat die Anfechtungsklage der Kläger in vollem Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119
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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119 zitiert oder wird zitiert von 22 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 15. August 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3In der Befragung beim Bundesamt vom 28. Oktober 2013 gab er unter anderem an, er habe im Jahr 2009 sein Heimatland verlassen und sei über die Türkei nach Griechenland gereist. Nach etwa drei Jahren sei er über Mazedonien und Serbien nach Ungarn weitergereist. In Ungarn beantragte der Kläger ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank am 15. Juni 2013 Asyl.
4Das Bundesamt richtete am 12. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 21. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.
6Am 28. Januar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt (13 L 172/14.A).
7Er ist der Ansicht Deutschland sei für die Prüfung seines Asylantrags zuständig, da er Ungarn für mehr als drei Monate verlassen habe. Im Übrigen lägen in Ungarn systemische Mängel vor. Sog. Dublin-Rückkehrer müssten in Ungarn mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
13Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 28. Mai und 23. Juni 2014 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des UNHCR und von Pro Asyl zu den in den Beweisbeschlüssen genannten Fragen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe teilte dem Gericht mit Schreiben vom 6. Juni 2014 mit, dass sie aus Kapazitätsgründen keine Anfragen zu den sog. „Dublin-Ländern“ bearbeite. Auf den Inhalt der erstatteten Gutachten vom 30. September 2014 (UNHCR), 31. Oktober 2014 (Pro Asyl) und 19. November 2014 (Auswärtiges Amt) wird Bezug genommen.
14Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden sind und in den Ladungen vom 27. Januar 2015 zudem gemäß § 102 Absatz 2 VwGO darauf hingewiesen worden sind, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
17Die Klage ist teilweise unzulässig (I.) und soweit sie zulässig ist unbegründet (II.).
18I. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist teilweise unzulässig.
19Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. In dem vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsbegehren ist das – zulässige – Anfechtungsbegehren, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2014 enthalten. Mit diesem Teil ist die Klage zulässig. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es hingegen nicht. Insoweit ist die Klage unzulässig.
20Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 22, ; 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, Seite 4; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; Verwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, Seite 5;Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010 – A 4 K 4052/08 –, Seite 4; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
22Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
24Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
25BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
26Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
28Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
29Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 30, 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16;Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, Seite 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
30Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
31Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
32Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
33II. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
34Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
35Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Klägers nach Ungarn durchgeführt werden kann; das ungarische Asylverfahren leidet insbesondere nicht an systemischen Mängeln (2.).
361. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
37vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 55; Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
38Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank sowie nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt am 28. Oktober 2013 bereits am 15. Juni 2013 in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Ungarn hat auf das am 12. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin II-VO bereits am 19. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe c Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers erklärt. Ungarn ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen, da das Gericht mit Beschluss vom 28. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
39Zum fehlenden subjektiven Recht des Ausländers sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist zu berufen siehe Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, juris.
40Der Überstellung des Klägers nach Ungarn steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 15. August 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Ungarn am 12. Dezember 2013 knapp 4 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
41vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
42Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
43vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
44Dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorgabe des EuGH auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, noch dazu in Fällen, in denen sich der Asylbewerber – wie vorliegend der Kläger – während der Überprüfung seines Asylbegehrens durch den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, zu beachten ist. Denn jedenfalls lag keine unangemessen lange Verfahrensdauer vor.
45Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
46vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 9. Dezember 2014 – 13 K 399/14.A –, S. 5 f. des Urteilsabdrucks, 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14.A – beide juris.
47Hier sind seit der Asylantragstellung am 15. August 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 12. Dezember 2013 erst knapp 4 Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
48Schließlich ist die Pflicht Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers auch nicht gemäß Artikel 16 Absatz 3 Dublin II-VO erloschen. Danach erlöschen die Verpflichtungen nach Absatz 1, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Entgegen der Ansicht des Klägers erlischt die Pflicht eines eigentlich zuständigen Mitgliedstaats zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers nicht bereits durch das Verlassen des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats. Vielmehr muss der Ausländer das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten für diesen Zeitraum verlassen haben. Hierfür ist aber nichts ersichtlich.
492. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Ungarns eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Ungarn abzuschieben.
50Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 8 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen – wie die der Dublin III‑VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten,
51vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.; BVerwG, Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
52Die Beklagte ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers –gehindert, diesen nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
53EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
54der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
55EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
56Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
57EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
58Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
60Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können),
61vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
62Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Kläger vor der Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist.
63Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
64vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
65Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
66vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, juris, Rn. 44.
67Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
68vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12 –, juris, Rn. 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
69Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention – eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen.
70Der EGMR, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann,
71vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris, Rn. 32,
72und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung führte er aus:
73„The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
74Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum‑seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
75Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.”
76EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 –, Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68 bis 70.
77Auch das erkennende Gericht vermag nach Auswertung der im vorliegenden Verfahren eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR, des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl – welche dem EGMR bei seiner Entscheidung nicht vorlagen – nicht festzustellen, dass der Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
78Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK normieren das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
79EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
80Eine Behandlung in diesem Sinne kann nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme zumindest nicht positiv festgestellt werden.
81Zwar hat sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer flächendeckend – so der UNHCR – bzw. regelmäßig – so Pro Asyl – inhaftiert werden.
82Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 3, Seite 2; Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 3 b), Seite.
83Indes begründet die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 – wieder – Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage praktisch alle Dublin-Rückkehr – so der UNHCR – bzw. regelmäßig, allerdings nicht sämtliche Dublin-Rückkehrer – so Pro Asyl – inhaftiert, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Vielmehr verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
84Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
85Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards, zu denen auch die Benennung von Haftgründen gehört. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
86Dahingestellt bleiben kann, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert, da die gesetzlichen Regelungen Ungarns zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) den vorstehend genannten Vorgaben im Wesentlichen gerecht werden:
87Gemäß § 31/B Absatz 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Artikel 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Absatz 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Absatz 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Absatz 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Absatz 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. Gemäß § 31/E Absatz 1 Asylum Act Hungary sollen inhaftierte Asylbewerber über ihre Rechte und Pflichten in ihrer Muttersprache oder einer anderen Sprache, die sie verstehen können, informiert werden. Gemäß § 31/D Absatz 4 Asylum Act Hungary soll das Gericht einen Vormund bestellen, wenn der Asylbewerber kein ungarisch spricht und nicht in der Lage ist seine Vertretung durch einen Bevollmächtigten sicherzustellen. § 31/A Absatz 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
88Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden diese Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern – speziell Dublin-Rückkehrern – nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachten und sich hieraus eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne ergibt, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
89Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme unter anderem danach gefragt, auf welche konkreten Haftgründe die Inhaftierungen seit dem 1. Juli 2013 gestützt werden (Frage 4).
90Pro Asyl gab an, dass laut dem Hungarian Helsinki Committee (HHC) in der Praxis vor allem der Haftgrund „risk of absconding“ (c) bzw. der Haftgrund „risk of absconding“ in Verbindung mit „establishment of identiy“ (a) Anwendung finde. Weiterhin würden Inhaftierungen auf dem Haftgrund „previous absconding“ (b) basieren.
91Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 4, Seite 3.
92Bei diesen Haftgründen, welche dazu dienen, einer bestehende Fluchtgefahr zu begegnen oder die Identität des Asylbewerbers festzustellen, handelt es sich um Haftgründe, die den in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL genannten entsprechen. Allerdings hat Pro Asyl im Rahmen der Beantwortung von Frage 9 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des HHC angegeben, dass in der Mehrheit der Haftanordnungen weiterhin auf Gründe verwiesen werde, die nicht unter die im „Asylum Act“ definierten Haftgründe fallen würden. Das HHC führt diesbezüglich auf Seite 6 der „INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“ von Mai 2014 aus, dass viele Entscheidungen verschiedene Umstände und Gründe benennen würden, die oftmals über die zulässigen Haftgründe nach dem Asylum Act Hungary hinausgingen. Beispielsweise genannt werden der unrechtmäßige Aufenthalt, die Einreise auf irreguläre Weise, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und das Fehlen von Verbindungen nach Ungarn. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit die vorstehend genannten Beispiele unter einen der in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL bzw. § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe subsumiert werden können. Zunächst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, wonach diese Haftgründe auch bei Dublin-Rückkehrern angewandt werden. Sodann bestehen nach dem oben Ausgeführten tragfähige Anhaltspunkte, die die häufige Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrundes der Fluchtgefahr belegen. Schließlich lässt sich jedenfalls nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren.
93Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
94Vgl auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
95Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL – der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält – verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
96Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
97Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
98Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
99Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
100Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 – W 1 K 14.50050 –, juris, Rn. 37.
101Gleichfalls steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in der Praxis entgegen den Vorgaben des Artikel 8 Absatz 2 AufnahmeRL und § 31/A Absatz 2 Asylum Act Hungary erfolgt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen es erforderlich ist, auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
102Zwar spricht vieles dafür, dass die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt und eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Argumentation unter Abwägung der Rechts- bzw. Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht stattfindet.
103Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 9, Seite 8.
104Indes lässt sich daraus bereits nicht ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da die Haftanordnung bei Dublin Rückkehrern regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, erscheint diese Annahme auch nicht willkürlich (s.o.).
105Ungeachtet dessen widerlegt die Tatsache, dass es auch Fälle gibt, in denen die Haftanordnung auch individuelle Einzelheiten berücksichtigt,
106vgl. HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, Seite 6,
107die Annahme der fehlenden individuellen Einzelfallprüfung. Auch spricht für die Durchführung einer Einzelfallprüfung, dass Familien und besonders schutzbedürftige Personen in der Regel nicht inhaftiert werden, obwohl die Inhaftierung dieser Personengruppen ebenfalls rechtlich möglich wäre.
108Vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 6, Seite 6.
109Zudem wird zumindest auch in vereinzelten Fällen von den im ungarischen Recht vorgesehenen Haftalternativen Gebrauch gemacht. Laut dem HHC sei in 13 der 107 untersuchten Haftentscheidungen begründet worden, warum nicht auf Haftalternativen zurückgegriffen worden sei. Im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 17. April 2014 sei in 32 Fällen eine Kaution angeordnet worden. Die Betroffenen seien vorab gefragt worden, ob sie Geld besäßen bzw. jemand Geld schicken könne.
110Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9; dem UNHCR liegen hierzu keine Informationen vor.
111Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis –wenn auch nur in Ausnahmefällen – tatsächlich angewendet werden. Dass die Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde, gering ausfällt überrascht das Gericht nicht, da Flüchtlinge in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen werden, um eine Kaution in Höhe von 962,00 und 2.000,00 Euro bezahlen zu können.
112Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9.
113Unter Berücksichtigung der Funktion einer Kaution als eine Sicherheitsleistung, welche nur bei einer gewissen – für den Betroffenen spürbaren – Höhe erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die geforderte Höhe. Auch spricht der Umstand, dass die Höhe der geforderten Kaution variiert, dafür, dass die Höhe der Kaution im jeweiligen Einzelfall entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Inhaftierten festgesetzt wird.
114Aus den vorstehenden Ausführungen folgt überdies, dass die Haftanordnung in Übereinstimmung mit Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft, die letztlich eine Überprüfbarkeit gewährleisten, ergeht. Diese werden den Asylsuchenden auch verbal übersetzt.
115Vgl. Auskunft Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 30. Oktober 2014 zu Frage 1.
116Damit wird dem durch Artikel 5 Absatz 2 EMRK gewährleisteten Recht eines jeden Festgenommenen auf Unterrichtung hinreichend entsprochen. Eine mündliche Unterrichtung genügt insoweit.
117Vgl. Dörr, in: Grote/Marahun, EMRK/GG, S. 574, Rn. 36.
118Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmitte eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
119vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe, Seite 2.
120Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr – bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung – fortlaufend gegeben ist.
121Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 1 B 862/14 –, juris, Rn. 15.
122Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
123Schließlich kann das Gericht den aktuellen Auskünften nicht entnehmen, dass die konkreten Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen.
124Hinsichtlich der Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten liegen dem Gericht im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse vor:
125Die Asylhafteinrichtungen seien nicht überbelegt. Die gesetzliche Mindestvorgabe von 5 m² pro Person werde in allen Einrichtungen gewahrt. Asylbewerber könnten sich innerhalb der Hafteinrichtungen zwischen 6 und 23 Uhr frei bewegen. Außerhalb der Einrichtungen, auf dem Weg zum Krankenhaus oder zum Gericht, würden die Asylbewerber hingegen an einer Leine geführt. Zur Freizeitgestaltung gebe es in den Hafteinrichtungen Computerräume mit Internetzugang, Fitnessräume und Gemeinschaftsräume, in denen ein Fernseher stehe. Bezüglich der hygienischen Verhältnisse in den Asylhafteinrichtungen lägen Mängel vor. In Békéscaba hätten einige der Toiletten keine Türen gehabt und einige Wasserhähne würden nicht funktionieren, weshalb der Zugang zu warmen Wasser nicht immer gewährleistet sei. In Nyírbátor habe eine unzureichende Versorgung mit Putzutensilien und Reinigungsmitteln zur Reinigung der Toiletten und Duschen stattgefunden. Der Waschraum im ersten Stock sei permanent dreckig gewesen und würde stinken. Auch sei das Wasser von mangelhafter Qualität gewesen, was zu Hautausschlägen geführt habe. In Debrecen seien Duschen im zweiten Stock häufig verstopft und daher unbenutzbar gewesen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln erfolge entsprechend einer Verordnung des Innenministeriums. Religiöse und medizinische Besonderheiten würden in der Regel berücksichtigt. Kritisiert werde aber die schlechte Qualität des Essens. Eine medizinische Grundversorgung werde gewährleistet, auch wenn diese oft als unzureichend empfunden werde. Sanitäter bzw. Krankenschwestern seien permanent anwesend; Allgemeinmediziner würden die Einrichtungen zweitweise besuchen. In schwerwiegenden Fällen könne eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen. Die Kosten der Behandlung trage der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtung. In der Aufnahmeeinrichtung Békéscaba werde zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt.
126Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 ff.; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 15 ff.
127Obschon das Gericht nicht verkennt, dass Defizite in den Haftbedingungen bestehen, erreichen diese jedenfalls nicht das erforderliche Mindestmaß an Schwere, um von systemischen Mängeln in dem geschilderten Sinne ausgehen zu können. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers.
128Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – M.S. S./Belgien u. Griechenland, Rn. 219.
129Die vorstehend genannten hygienischen, medizinischen und sonstigen Mängel in den Asylhaftanstalten, insbesondere auch die Vorfälle, in denen Asylbewerber von „armed security guards“ misshandelt worden sind, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Indes lässt sich daraus nicht ableiten, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn nicht nur vereinzelt, sondern gerade systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der früheren Lage in Ungarn, dass zwischenzeitlich weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen eingetreten sind.
130So auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68.
131Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Ungarn deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
132Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 69; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015 – 13 L 58/15.A –, juris, Rn. 43 m.w.N.
133Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der UNHCR – auch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Inhaftierungspraxis Ungarns infolge der durch das Gericht veranlassten Beweisaufnahme – keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
134So auch Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Au 7 S 15.50015 –, juris, Rn. 31.
135Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer entgegen des Refoulement-Verbots ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn – wie vorliegend – über den Asylantrag des Asylbewerbers noch nicht entschieden worden ist, weil dieser infolge des Verlassens Ungarns während des Asylverfahrens als zurückgenommen gilt.
136Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2, Seite 2 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 20.
137Dass das Asylverfahren des Klägers in Ungarn eingestellt worden ist, ohne dass über seinen Asylantrag entschieden worden ist, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c) Dublin II-VO gestützten Zustimmung Ungarns zur Übernahme des Klägers fest. Danach ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Drittstaatangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats befindet nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.
138Steht nach alldem nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet, geht dieser Umstand – nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast – zu Lasten des Klägers. Bereits aus dem eingangs dargestellten Erfordernis, dass sich das Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (S. 10),
139BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, S. 5,
140folgt, dass es zu Lasten des Asylbewerbers geht, wenn das Gericht – wie vorliegend – nicht zu dieser Überzeugungsgewissheit gelangt. Gleiches ergibt sich auch aus der Diktion des EuGH, wonach ein Asylbewerber seiner Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (Hervorhebung durch das Gericht), die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
141Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
142Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen im Ergebnis daher keine Bedenken. Es sind auch keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Klägers liegenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
143Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der 1978 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach U.
Der Kläger reiste illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am
Ein Abgleich der Fingerabdrücke im Rahmen einer EURODAC-Anfrage ergab am
Mit Bescheid vom
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat durch Beschluss vom 15. Januar 2015 (Az. AN 14 S 14.50205) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2015 trägt die Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, die Beklagte sei aufgrund unhaltbarer Zustände in U. verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Unter Verweis auf mehrere Gerichtsentscheidungen sei in U. kein ordnungsgemäßes Asylverfahren gewährleistet, so dass von systemischen Mängeln auszugehen sei. Die Klägerbevollmächtigte regt an, die Ergebnisse des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln
Der Kläger gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2015 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber nicht begründet ist.
Die Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG erhoben und als isolierte Anfechtungsklage statthaft (vgl. OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A; VG München, Gerichtsbescheid
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 17. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach U. angeordnet.
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Asylantrag des Klägers wurde gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, da der Kläger bereits in U. einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, so dass die Republik U. gemäß Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 23 Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Dem vom Bundesamt am 21. Oktober 2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen stimmte die Republik U. mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 zu. Somit obliegen der Republik U. die Verpflichtungen aus Art. 18 ff. der Dublin III-VO. Die Republik U. ist gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.
Bei der Republik U. handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und somit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG, so dass aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen ist, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist.
Die Dublin III-VO ist das grundlegende Regelwerk auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - m. w. N., juris). Dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem fußt auf dem Grundsatz, dass ein Schutzsuchender im ersten sicheren Mitgliedsstaat um Schutz nachsuchen muss und eine freie, selbstbestimmte Wahl des Zufluchtslandes nicht besteht. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH (große Kammer), U. v. 21.12.2011 - C-411/10
Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin III-VO, wonach der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat wird, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta mit sich bringen und auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.
An diesen in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 ff.). Von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber kann nur bei strukturellen landesweiten Missständen ausgegangen werden, die eine individuelle und konkrete Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern begründen und die von den nationalen Behörden tatenlos hingenommen werden. Eine umfassende Prüfung des Asylverfahrens, der Aufnahme- und Lebensbedingungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten und die dortige Einhaltung des Unionsrechts kann nicht Aufgabe deutscher Verwaltungsgerichte sein. Vielmehr gebietet der Respekt vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber, der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG im Hinblick auf das Asylgrundrecht zu sicheren Drittstaaten erklärt hat, und die Verwirklichung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems innerhalb der Europäischen Union als „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ die Überprüfung systemischer Mängel auf eine Evidenzkontrolle, auf Sonderfälle ähnlich der verfassungsgerichtlichen Ausnahmen vom Konzept normativer Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. -, juris, Rdnr. 189), zu beschränken (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 1.4.2014 - 13 LA 22/14 -, juris). Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK muss im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bestehen. Sie liegt maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet, oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen nicht mehr in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW a. a. O.).
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).
Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in U. (vgl. Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, following his visit to Hungary, from 1 to 4 July 2014, vom 16. Dezember 2014, abrufbar unter https://www...net; Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf
Das Gericht folgt insoweit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend, dass in U. derzeit derartige systemische Mängel nicht bestehen (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 „Mohamadi“ - abrufbar unter www.dejure.org; VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013, - 12 S 675/13 -, juris). Hierbei kommt es, wie dargelegt, nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 -, juris). Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt: VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; VG München, B. v. 30.10.2014, - M 16 S 14.50546 - juris), wonach systemische Mängel im Wesentlichen damit begründet werden, dass Asylbewerber der Gefahr begegnen würden, bei einer Rückkehr nach den U. mit Inhaftierungen für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten überzogen zu werden, und die Aufnahmebedingungen sehr defizitär seien.
Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch eine ungerechtfertigte, schematische Inhaftierung von bis zu sechs Monaten bei einer Rückkehr nach U. aus. Nach dem Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 16. Dezember 2014 befanden sich zum Zeitpunkt des Besuchs vom Juli 2014 386 Asylbewerber, mithin 25% aller Asylsuchenden in Haft (vgl. Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, following his visit to Hungary, from 1 to 4 July 2014, vom 16. Dezember 2014, S. 37). Die vergleichsweise hohe Quote an Inhaftierungen von Asylsuchenden in U. mag auch aus den in U. verstärkt festzustellenden Weiterwanderungsbemühungen der dortigen Asylsuchenden resultieren. Anhand der Inhaftierungsquote von 25% lässt sich nicht eine schematische, nicht einzelfallbezogene Inhaftierungspraxis feststellen. Eine Inhaftierung allein wegen der Stellung eines Asylantrages erfolgt nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht. Wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung bei alleinstehenden Männern, insbesondere Dublin-Rückkehrern höher zu veranschlagen ist als beispielsweise bei Familien oder Frauen, die regelmäßig nicht inhaftiert werden, ist vorliegend nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer drohenden Inhaftierung des Klägers auszugehen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung oder ein Abwarten der Ergebnisse des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln
Auch hinsichtlich der Aufnahme- und Haftbedingungen vermag das Gericht keine systemischen Mängel zu erkennen. Nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes ist nach Engpässen in der Unterbringung im ersten Halbjahr 2013 nach Kapazitätserweiterungen keine aktuelle Kritik hinsichtlich der Unterbringung bekannt geworden. Inhaftierte könnten sich tagsüber frei bewegen; Freizeitmöglichkeiten, Sprechstunden der Rechtsberatung und eine medizinische Grundversorgung seien gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von mitunter schwierigen Lebensbedingungen und einer relativ weitgehenden Inhaftierungspraxis in U. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt im Hinblick auf die dem UNHCR übertragene Rolle eine besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660; ebenso VG Augsburg, B. v. 26.1.2015 - Au 7 S 15.50015 -, juris).
Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheidung vom 3.7.2014, a. a. O.), der sich ausführlich nicht nur mit den theoretischen Grundlagen des Asylverfahrens und Aufnahmebedingungen in U. auseinandergesetzt hat, sondern der auch entsprechende Unterlagen des UNHCR sowie des ungarischen Helsinki Komitees und der „Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung der Vereinten Nationen“ ausgewertet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK in U. nicht zu befürchten sei.
Der Kläger kann einer Überstellung nach U. somit nicht damit entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für ihn in diesem Mitgliedstaat systemische Mängel bzw. Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen würde.
Die Anordnung der Abschiebung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist nicht zu beanstanden. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Republik U. hat vorliegend die Bereitschaft zur Übernahme des Klägers mit seiner Zustimmung zum Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 31. Oktober 2014 ausdrücklich bekundet. Die Abschiebung ist somit rechtlich zulässig und tatsächlich möglich. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen liegen nicht vor.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage 18a K 1140/15.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 in Ziffer 2. enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 18a K 1140/15.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 in Ziffer 2. enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag an das Gericht gegen die auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Bundesamt in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides verfügte Abschiebungsanordnung ist zulässig, insbesondere fristgerecht.
6Der Antrag ist allerdings unbegründet.
7Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung – einer Klage – ganz oder teilweise anordnen, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Maßgebliche – aber nicht ausschließliche – Grundlage der Abwägungsentscheidung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, soweit diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschätzen lassen.
8Diese Interessenabwägung fällt hier zugunsten der Antragsgegnerin aus, da die Klage des Antragstellers in der Hauptsache zu dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutzantrag keine Aussicht auf Erfolg hat. Die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 getroffene Abschiebungsanordnung nach Ungarn erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach als rechtmäßig.
9a) Ob die Republik Ungarn für die Bearbeitung des Asylbegehrens des Antragstellers gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31; im Folgenden: VO [EU] Nr. 604/2013, so genannte Dublin-III-VO) zuständig ist, kann offen bleiben. Denn selbst wenn die Republik Ungarn nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 zuständig wäre, könnte sich der Antragsteller nicht auf diesen Umstand berufen. Die subjektive Rechtsstellung von Asylbewerbern in Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ist nämlich – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der ersuchte Mitgliedstaat der Wiederaufnahme des Asylbewerbers bereits zugestimmt hat – nur insofern betroffen, als es darum geht, ob diese auf der Grundlage von ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen in dem Mitgliedstaat, in den sie überstellt werden sollen, ernsthaft Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (ABl. Nr. C 303 S. 1) ausgesetzt zu werden (vgl. nunmehr ausdrücklich von Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO [EU] Nr. 604/2013 rezipiert). Keine subjektiven Rechte sind hingegen von der Prüfung berührt, ob im jeweiligen Fall die Rangkriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 richtig angewendet oder aber damit verbundene Form- und Fristerfordernisse korrekt beachtet wurden. Diese Zuständigkeitsvorschriften sind allein an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten (allein) für die EU-Mitgliedstaaten vor.
10Vgl. die noch zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (so gen. Dublin-II-VO) ergangene, auf die hier anzuwendende Verordnung (EU) Nr. 604/2013 uneingeschränkt übertragbare Rechtsprechung: EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, S. 208 ff. = juris Rn. 60 und 62; OVG RP, Ur-teil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 – juris Rn. 33; Beschluss der erkennenden Kammer vom 23. Dezember 2013 – 18a L 1458/13.A – (n.v.).
11Dies folgt insbesondere aus einer Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, sondern auch namentlich ihres allgemeinen Aufbaus, ihrer Ziele und ihres Kontextes. Dazu gehört ferner die Entwicklung, der sie im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen System, in das sie sich einfügt, unterworfen war. Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 beruht auf einem Prinzip gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander in die Beachtung der unionsrechtlichen Regularien. Auf dieser Grundlage dient die Verordnung den Zielen, die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren, die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „Forum Shopping“ zuvorzukommen. Dabei bezweckt all dies hauptsächlich, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen. Einer der Hauptzwecke der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 besteht gerade in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Dementsprechend bezeugen verschiedene Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 die Absicht des Unionsgesetzgebers, für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats organisatorische Vorschriften festzulegen, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln.
12Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – juris Rn. 50-59.
13Für den Antragsteller streitet nicht etwa der Umstand, die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, das ausdrücklich in ihrem Ermessen stehende Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EU) Nr. 604/2013 auszuüben, weil ein Bruder des Antragstellers im Bundesgebiet lebt. Die Vorschrift begründet nämlich keine subjektiven Rechte des jeweiligen (Asyl-)Antragstellers. Sie dient lediglich dazu, die Prärogativen der Mitgliedstaaten untereinander zu wahren.
14Vgl. zu Art. 15 Abs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003: VGH BW, Urteil vom 26. Februar 2014 – A 3 S 698/13 – juris Rn. 31 ff.; OVG RP, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A10656/13 – juris Rn. 33; Beschluss der Kammer vom 23. Dezember 2013 – 18a L 1458/13.A – (n.v.).
15Da es sich demzufolge nicht um eine Ermessensregelung im Sinne der§§ 40 VwVfG, 114 VwGO handelt, begegnet es auch keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin im Bescheid vom 23. Februar 2015 keine diesbezügliche Begründung niedergelegt hat.
16b) Die Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 wegen systemischer Mängel des Asylsystems in Ungarn auf die Antragsgegnerin übergegangen. Gemäß dieser Vorschrift setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III (Art. 7 bis 15 VO [EU] Nr. 604/2013) der Verordnung vorgesehenen Kriterien fort, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für (Asyl-)Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (EU-GR-Charta) mit sich bringen (Unterabsatz 2); kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der (Asyl-)Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabsatz 3).
17Dieser Vorschrift liegt die zur (Vorgänger-)Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zugrunde: Danach obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den an sich formal zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller in diesem Mitgliedstaat tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden. Dabei lässt allerdings nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entfallen. Der EuGH hat nämlich deutlich herausgestellt, dass insoweit der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems – auf dem Spiel stehe.
18Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, NVwZ 2012, S. 417 ff. ; und Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, S. 208-211 = juris Rn. 54-60.
19Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EU-GR-Charta, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – in weiten Teilen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft defizitär ist und funktionslos wird.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 5 a.E.; und Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 – NVwZ 2014, S. 1039 f. = juris Rn. 6 und 9; VGH BW, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 – InfAuslR 2015, S. 77, 78 ff. = juris; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 79 ff.; OVG RP, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A10656/13 – juris Rn. 39 f.
21Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat der Überstellung jegliches Überstellen von Asylbewerbern dorthin verhindern, in seiner jüngeren Rechtsprechung ausdrücklich benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates vorliegt,
22vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, Tarakhel ./. Swit-zerland, Nr. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff. = juris Rn. 114 f., und Entscheidung vom 13. Januar 2015, A.M.E. ./. Netherlands, Nr. 51428/10, hudoc Rn. 34 u. 35,
23wie sie der EGMR im Fall M.S.S. ./. Belgien und Griechenland von Seiten Griechenlands gegenüber der stetig steigenden Zahl von Schutzsuchenden angenommen hat.
24Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, Rn. 253 ff., 263 = NVwZ 2011 S. 413 ff.; VGH BW, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 – InfAuslR 2015, S. 77, 78 = juris Rn. 34 (zu Bulgarien),
25Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 6.
27c) Bei Beachtung dieser Maßgaben bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) über den Streitfall auch bei der bloß gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage keine systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 604/2013. Dies gilt nach Einschätzung der erkennenden Kammer namentlich soweit der einzelne internationalen Schutz begehrende Drittstaatsangehörige – wie die Antragsteller im Streitfall – gerade keinem besonderen schutzwürdigen Personenkreis angehört. Mit den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowohl vom 6. Juni 2013 in der Sache Mohammed ./. Österreich – Nr. 2283/12 –,
28vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013, Mohammed ./. Österreich, Nr. 2283/12, Rn. 32-50, 65, 69 f., 74 f. (in Englischer Sprache; abrufbar unter: http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/Pages/search.aspx#{“appo“:[“2283/12“]},
29und vom 3. Juli 2014 in der Sache Mohammadi ./. Österreich – Nr. 71932/12 –,
30vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014, Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12, Rn. 29-45, 65, 69 f., 74 f. (abrufbar unter: http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/Pages/search.aspx#{“appo“:[“713932/12“]},
31geht die erkennende Kammer angesichts des Ablaufs und der Durchführung von Asylverfahren in Ungarn sowie der Behandlung von Dublin-Rückkehrern weiterhin davon aus, dass das ungarische Asylsystem und die Aufnahmebedingungen keine systematischen Defizite aufweisen. Obwohl der EGMR in seiner (ersten) Entscheidung vom 6. Juni 2013 – Nr. 2283/12 – noch deutlicher von alarmierenden Berichten über die Verhältnisse in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 ausging, hat er zuletzt in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 – Nr. 71932/12 – ausdrücklich hervorgehoben, dass angesichts der seinerzeit festzustellenden Änderung des Asylrechts wie auch der tatsächlichen Behandlung von Drittstaatsangehörigen in Ungarn zu Beginn des Jahres 2014 Art. 3 EMRK einer Rückführung eines Asylsuchenden dorthin nach den Dublin-Regularien gerade nicht entgegensteht. Dabei hat sich der EGMR ausdrücklich unter genauerer Darstellung des jeweiligen Inhalts auf im Einzelnen näher bezeichnete und ausgewertete Stellungnahmen verschiedener Regierungs- wie Nichtregierungsorganisationen gestützt, die zeitlich bis ins Jahr 2014 hineinreichten. Insgesamt seien Verbesserungen des Asylsystems einschließlich der Abschiebehaftbedingungen und auch der Rechtsschutzmöglichkeiten festzustellen.
32Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014, Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12, Rn. 28-45.
33Hintergrund dieser Verbesserung ist die zur Bewältigung der durch die massive Flüchtlingswelle namentlich von Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak entstandenen Flüchtlingskrise von der EU gewährte finanzielle, logistische und personelle Unterstützung. Die Hilfen und bereits erreichten Verbesserungen lassen zudem mittel- und langfristig eine weitere Besserung der Zustände erwarten. Gerade dass der UNHCR, dessen amtlichen Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in den Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt,
34vgl. EuGH, Urteil vom 30 Mai 2013 – C-528/11 –,NVwZ-RR 2013, S. 660 ff. = juris Rn. 44,
35zu Ungarn kein – wie etwa im Vergleich zu den Verhältnissen in den Mitgliedstaaten Griechenland und Bulgarien – ausdrückliches Positionspapier gegen eine Überstellung von Asylsuchenden nach den Regeln der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 verfasst hat, hat den EGMR veranlasst anzunehmen, der betroffene Drittstaatsangehörige sei keines individuellen realen Risikos ausgesetzt gewesen, als Asylantragsteller in Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK unterworfen zu werden.
36Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014, Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12, Rn. 69 f. und 74 f.
37Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigenständiger Durchsicht und Bewertung der ebenfalls vorliegenden Erkenntnisse an, und hält daran auch mit Blick auf zeitlich nachfolgende neuere Erkenntnismittel fest. Eine Änderung der vom EGMR zugrunde gelegten Sachlage, die ein Abweichen von dessen Rechtsprechung rechtfertigen würde, besteht zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht:
38Die Stellungnahme des Hungarian Helsinki Committee (HHC) aus Mai 2014 (Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary),
39abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/information-note-on-asylum-seekers-in-detention-and-in-dublin-procedures-in-hungary,
40auf die sich u.a. auch der EGMR in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 – Nr. 71932/12 – gestützt hat, lässt keine andere Beurteilung zu. Nach den zum 1. Januar 2014 erfolgten Änderungen im ungarischen Asylgesetz als genereller Reglung haben nunmehr Rückkehrer nach den Dublin-Regularien – bis auf einen Ausnahmefall – einen garantierten Zugang zum Asylverfahren und einer vollständigen Untersuchung ihres Asylbegehrens.
41Namentlich der jüngste Bericht von `aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary´ mit Stand 17. Februar 2015, der von Mitgliedern des `Hungarian Helsinki Committee (HHC)´ geschrieben und von `European Council on Refugees and Exiles (ECRE)´ herausgegeben wurde,
42abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_hungary_thirdupdate_final_february_2015.pdf,
43stellt insgesamt heraus, dass im Jahr 2014 mehr als 42.000 Asylsuchende in Ungarn um internationalen Schutz nachgesucht haben, was einen Anstieg im Vergleich zum Jahr 2013 von 226% ergab. Die Behandlung unbegleiteter Kinder entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Stellt eine aus welchen Gründen auch immer verhaftete Person einen Asylantrag, wird das Verfahren beschleunigt bearbeitet. Rechtsschutz mit kostenloser Unterstützung wird nicht immer und nur mit Schwierigkeiten gewährt (S. 14-19). Dublin-Rückkehrer haben – anders als im Jahr 2013 – Zugang zum Asylverfahren, ihr Asylbegehren wird vollständig geprüft (S. 21). Es gibt keinen Mechanismus im Asylverfahren, um schutzbedürftige Asylsuchende zu erkennen, allerdings bestehen besondere Vorkehrungen im Verfahren für diese Personengruppe. Medizinisches oder psychologisches Personal kann einbezogen werden, um eine notwendige Behandlung zu erhalten. Bei Personen die dem Gesetz nach nicht voll handlungsfähig sind, wie Kindern oder psychisch Kranken, wird im Regelfall ein besonderes staatliches Büro unterrichtet oder ein Vertreter zugewiesen (S. 32 f.). Im Bedarfsfall werden medizinische Stellungnahmen nach einer entsprechenden Anfrage des Asylsuchenden eingeholt (S. 33 f.). (Unbegleitete) Minderjährige werden grundsätzlich erfasst. Minderjährigkeit kann festgestellt werden (S. 34-36). Asylsuchende werden als Erstantragsteller den nationalen Bestimmungen zufolge registriert und behandelt. Wirkt ein Asylsuchender nicht ausreichend mit, kann dies u.U. zu finanziellen Konsequenzen bei der Tragung der Unterbringungs- und Behandlungskosten führen. Es liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass Asylsuchende nicht tatsächlich untergebracht werden. In Aufnahmeeinrichtungen werden Asylsuchende mit Essen versorgt, erhalten Hygieneartikel und Taschengeld; Kinder, Alleinerziehende und über 60-Jährige erhalten einen Betrag über 25 % der niedrigsten Rente (95 EUR), andere Erwachsene weniger. Im Jahr 2014 betrug die Verweildauer von Personen in den Asylunterkünften länger als 5 Monate. Die staatlichen Unterbringungszentren werden von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Frauen werden regelmäßig mit Familien auf einem Flur untergebracht. Unbegleitete Kinder werden in einer gesonderten Einrichtung aufgenommen. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. Die Bedingungen in den Unterbringungszentren sind nicht einheitlich. Jedoch gibt es überall drei Mahlzeiten am Tag. Es kann überwiegend auch selbständig gekocht werden. Die Menschen teilen sich Räume. Psychologische Betreuung und Psychotherapie für traumatisierte Asylsuchende wird von Nichtregierungsorganisation angeboten (S. 40-44). Es erfolgt keine Erfassung von besonderen Aufnahmebedürfnissen für vulnerable Personen (S. 45 f.). Nicht inhaftierte Asylsuchende können sich frei im Land bewegen, dürfen ihre Unterbringungseinrichtung aber nur weniger als 24 Stunden verlassen. Um die monatlichen Geldzahlungen zu erhalten, müssen Asylsuchende wenigstes 25 Tage im Monat in der Einrichtung sein (S. 46 f.). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist gewährleistet; Allgemeinmediziner sind in den Unterbringungszentren regelmäßig unter der Woche verfügbar, Fachärzte jedoch nur in Notfällen (S. 49 f.). Im Jahr 2014 waren mehr als 4.800 Asylsuchende inhaftiert; die Haftplätze sind fast vollständig belegt. Es gibt keine besonderen Kategorien von Asylsuchenden, die inhaftiert werden. Familien werden gemeinsam in einer gesonderten Einrichtung in Haft genommen (S. 51).
44Diese Umstände begründen allerdings keine systemischen Defizite des Asylsystems. Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründet es auch keinen Anhaltspunkt für einen systemischen Mangel, dass auf Seite 6 des Berichts für aus Syrien stammende Asylantragsteller bezogen auf das Jahr 2014 eine Ablehnungsquote von 34,6 % der nicht auf andere Weise erledigten Verfahren ausgewiesen ist. Insoweit ist dem Antragsteller entgegenzuhalten, dass die Anerkennungsquote für sich genommen schon deshalb keinen tauglichen Maßstab für die Bestimmung eines systemischen Mangels bildet, weil sie die jeweils für die Entscheidung maßgeblichen Gründe, wie etwa formelle Ablehnungsgründe, nicht berücksichtigt. Dass die ungarischen Behörden der aktuellen Situation in Syrien gegenüber gleichgültig wären, kann dem Bericht gerade nicht entnommen werden. Vielmehr ist dort auf Seiten 37 f. ausgeführt, dass die Behörden die gegenwärtige, generell gefährliche Situation in Syrien anerkennen und dass nach den Untersuchungen des HHC seit Frühjahr 2012 keine Rückführungen syrischer Flüchtlinge mehr vorgenommen wurden.
45Der Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates Nils Muiżnieks vom 16. Dezember 2014 über die Menschenrechte von Immigranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen (ohne Schutzstatus) in Ungarn, S. 36 ff, Rn. 148 ff.,
46abrufbar unter: https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2662996&SecMode=1&DocId=2218468&Usage=2,
47gibt ebenfalls nichts für die Annahme systemischer Mängel her. Dieser spricht von Verbesserungen hinsichtlich der Gründe der Asylhaft, der gerichtlichen Überprüfung sowie dem tatsächlichen Zugang der Betroffenen zu einem diese Frage betreffenden Gerichtsverfahren, obgleich sich der Kommissar besorgt zeigt hinsichtlich des fehlenden Zugangs zu einer effektiven gerichtlichen Überprüfung. Dabei nimmt er allerdings die Jahre vor der letzten Entscheidung des EGMR vom 3. Juli 2014 –Nr. 71932/12 – zu Ungarn in den Blick und beleuchtet die damaligen Verhältnisse kritisch, ohne die Entwicklung seit dem Jahr 2014 näher zu betrachten. Allerdings bemerkt der Kommissar einen nicht hinlänglich den Besonderheiten für schutzbedürftige internationalen Schutz suchende Drittstaatsangehörige wie etwa Traumatisierte oder Minderjährige.
48Ein systemischer Mangel wird zur Überzeugung der Kammer insbesondere nicht durch die in Ungarn (auch im Jahr 2014) praktizierte Asylhaft begründet. Eine Inhaftierung ist nach dem ungarischen Asylgesetz zulässig zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit, nach dem Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens, oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Betreffende seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Die Verhängung der Asylhaft ist nach vorheriger Einzelfallprüfung nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch die Anwendung weniger einschneidender Alternativen zur Inhaftierung erreicht werden kann, etwa durch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit, die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten oder Meldeauflagen. Gegen die Anordnung der Asylhaft als solches gibt es kein eigenständiges Rechtsmittel; die Haft wird allerdings insoweit richterlich überprüft, dass dies erstmals nach 72 Stunden und in der Folgezeit in 60-Tages-Intervallen erfolgt.
49Vgl. zu den Einzelheiten der Asylhaft: Auswärtiges Amt, Bericht an das VG Düsseldorf vom 19. November 2014– 508-9-516.80/48135, juris Mitteilungen, S. 2 f.; (öster-reichisches) Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2014 – W 192 2014566-1/3 E – (B) I. 1.1. Asylrechtliche Haft), abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at (Datenbank RIS).
50Diese Regelungen zur Asylhaft und ihre tatsächliche Anwendung hat der EGMR bereits bei seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 – Nr. 71932/12 – berücksichtigt, da er u.a. auf den Country Report des Ungarischen Helsinki-Komitee vom 30. April 2014 abgestellt hat. Dem ist zu entnehmen, dass in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2013 etwa 26 % aller Asylbewerber und etwa 42 % der männlichen Asylbewerber inhaftiert worden sind; ferner bestehen in den Haftanstalten nicht unerhebliche Mängel auf den Gebieten der Wohnverhältnisse, der Wasserqualität und der Versorgung mit Putz- und Reinigungsmitteln. Dem bereits genannten neuen Bericht `aida-Country-Report Hungary´ Stand 17. Februar 2015 sind für das gesamte Jahr 2014 keine nennenswert höheren Haftzahlen als die soeben dargestellten wie auch keine Verschlechterung der bereits früher festgestellten mäßigen Haftbedingungen zu entnehmen (dort S. 51, 53-56, 58-61). Ähnliche Zahlen und Umstände haben den EGMR gerade nicht veranlasst, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK – dessen Schutzbereich dem des Art. 4 EU-GR-Charta entspricht – bei der Behandlung von Asyl begehrenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn festzustellen.
51Ferner führt der Bericht von UNHCR Deutschland an das VG Düsseldorf vom 30. September 2014, der eine Zusammenfassung der UNHCR (international) bis dato vorliegenden Erkenntnisse, Stellungnahmen und Berichte verschiedener Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen enthält,
52abrufbar unter http://www.frnrw.de (Flüchtlingsrat NRW dort: UNHCR Stellungnahme zur Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in Ungarn),
53gleichfalls nicht zur Annahme systematischer Mängel im ungarischen Asylsystem. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass eine von UNHCR Deutschland ausgegebenen Stellungnahme keine „amtliche“ Stellungnahme des UNHCR (international) ist, welcher dem EuGH zufolge eine besondere Gewichtung bei der Auslegung und Beurteilung der europarechtlichen Vorschriften zuzumessen wäre.
54Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C -528/11 – (Halaf), NVwZ-RR 2013, S. 660 ff. = juris Rn. 44.
55UNHCR Deutschland betrachtet in dieser Stellungnahme einen Zeitraum ab dem 1. Juli 2013. Er legt allerdings nicht dar, dass die ungarischen Behörden aktuell (wieder) exzessiv von der Möglichkeit der Inhaftierung von Asylsuchenden Gebrauch machen würden. Vielmehr entspricht die für das 1. Halbjahr des Jahres 2014 genannte Zahl (Inhaftierung von 25 % aller Asylsuchenden, 40 % der männlichen Asylbewerber) in etwa den vom EGMR in dem Urteil vom 3. Juli 2014 – Nr. 71932/12 – zugrunde gelegten Inhaftierungszahlen (26 % aller Asylbewerber, 42 % der männlichen Asylbewerber), welche auch dem `aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary´ Stand 17. Februar 2015 zu entnehmen sind. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2013/33 (EU) des Europäischen Parlaments und Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 vom 29. Juni 2013; so gen. Aufnahmerichtlinie) ausdrücklich die Möglichkeit zur Inhaftierung von Asylantragstellern vorsieht (Erwägungsgründe 15 bis 20 sowie Art. 8 bis Art 11 RL 2013/33/EU). In ihrer ungarischen Handhabung erfolgt die Inhaftierung nicht wegen der Stellung eines Asylantrags, sondern wegen solcher Umstände, die das individuelle Verhalten des Drittstaatsangehörigen vor und bei der Antragstellung kennzeichnen. Zudem hat ein Dublin-Rückkehrer bereits durch seine Weiterreise in die Bundesrepublik belegt, dass er sich nach seiner erkennungsdienstlichen Behandlung/Erfassung in Ungarn dem ungarischen Asylverfahren entzogen hat und offensichtlich nicht dort verbleiben wollte.
56Der Bericht von UNHCR Deutschland – offenbar an das VG Düsseldorf – vom 25. November 2014,
57abrufbar unter http://www.ecoi.net,
58ergibt nichts anderes. Darin stellt UNHCR Deutschland heraus, dass der UNHCR (international) die Veränderungen im ungarischen Asylsystem ab dem Jahr 2014 begrüßt und Dublin-Rückkehrer von staatlicher wie auch nichtstaatlicher Seite unterstützt werden, zumal es in Ungarn ein neu aufgelegtes Unterstützungsprogramm gibt. UNHCR (international) befürchtet für Personen, die den subsidiären oder internationalen Schutz erhalten haben, dass diese nicht an den ansonsten eingetretenen Verbesserungen für Schutz suchende Drittstaatsangehörige teilhaben. Die zusammengetragenen kritischen Berichte erfassen zudem oft einen Zeitraum vor dem Jahr 2014, namentlich die Jahre 2012 und 2013, die auch der EGMR beurteilt hat, ohne eine beachtliche Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung von Asylantragstellern festgestellt zu haben.
59Die der Kammer ebenfalls vorliegenden beiden, weitgehend deutschsprachigen Stellungnahmen von Pro Asyl bzw. bordermonitoring.eu an das VG Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 bzw. an das VG München vom 30. Oktober 2014,
60abrufbar unter: http://bordermonitoring.eu/2014/11/stellungnahmen-von-bordermonitoring-eu-zur-situation-in-ungarn/, bzw. http://bordermonitoring.eu/files/2014/11/antwort-vg-muenchen.pdf,
61die in Zusammenarbeit mit dem Ungarischen Helsinki Komitee (HHC) erarbeitet wurden, ergeben für die Antragsteller ebenfalls nichts Günstiges. Darin werden nämlich die bereits zuvor dargestellten Umstände zur Anwendung der Asylhaft weitestgehend bestätigt, ohne greifbar eine Verschlechterung aufzuzeigen.
62Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel wegen drohender Obdachlosigkeit von Schutz suchenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn greifbar,
63vgl. dazu insgesamt mit genauerer Darlegung: VG Düssel-dorf, Beschluss vom 2. September 2014 – 6 L 1235/14.A – juris Rn. 82 ff.,
64die an die zumindest seinerzeit sehr weitgehend verbreitete Obdachlosigkeit unter dem griechischen Asylsystem hin zu einer behördlichen Gleichgültigkeit
65vgl. dazu: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, Rn. 253 ff., 263 = NVwZ 2011 S. 413 ff.; BVerwG, Beschluss vom 25. Ok-tober 2012 – 10 B 16/12 – InfAuslR 2013, S. 45 f. = juris Rn. 9,
66heranreicht. Es ist nämlich bisher, d.h. im gesamten vergangenen Jahr 2014 gerade kein Fall bekannt, in dem einem Asylantragsteller – etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen – in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist.
67Vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary, Stand 17. Februar 2015, S. 43; und bereits National Country Report Hungary, Stand 30. April 2014, S. 40.
68Dass in Abwesenheit des Antragstellers eine sachliche Entscheidung über seinen in Ungarn gestellten Asylantrag ergangen wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr haben die ungarischen Behörden in ihrem Schreiben vom 13. Februar 2015 mitgeteilt, dass das Asylverfahren eingestellt worden ist. Diese Einstellung ohne Entscheidung in der Sache entspricht der regelmäßigen Praxis in Fällen, in denen der betreffende Asylsuchende untergetaucht ist.
69Vgl. zu dieser Möglichkeit § 52 Abs. 2a des ungarischen Asylverfahrensgesetzes sowie Hungarian Helsinki Committee, Information note on asylum-seekers in detention and in Dublin procedures in hungary, Mai 2014, S. 20; zum Vorstehenden insgesamt: VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. September 2014 – 6 L 1235/14.A –, Juris Rn. 53 ff.
70Selbst wenn der Antragsteller dieses Rechtsschutzverfahrens in Ungarn faktisch wie ein Antragsteller im Folgeverfahren behandelt werden würde – wofür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, da sich seine diesbezügliche Befürchtung offenkundig auf die frühere Praxis aus dem Jahr 2013 bezieht –, lassen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht stichhaltig darauf schließen, dass Asylbewerber im Rahmen eines Folgeverfahrens in Ungarn Lebensbedingungen ausgesetzt wären, die für sie – den beschriebenen Verhältnissen in Griechenland vergleichbar – auf unabsehbare Zeit eine Lage extremer materieller Armut befürchten ließe. Solche Asylsuchende, die in Ungarn einen Folgeantrag stellen, nachdem ihr erster Asylantrag wegen Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit abgelehnt und das Verfahren eingestellt worden ist, oder bei denen eine bestandskräftige Ablehnung des Asylerstantrags getroffen oder das Asylerstverfahren eingestellt worden ist und die ungarischen Behörden oder das Gericht entschieden haben, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen,
71vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report Hungary, Stand: 30. April 2014, S. 30,
7298
73erhalten zwar nur in eingeschränktem Umfang Unterstützung durch den ungarischen Staat. In der Regel werden sie lediglich für einen Höchstzeitraum von zwei Monaten in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass die Versorgungslage von Asylsuchenden während des Folgeverfahrens in Ungarn bestimmte Mängel aufweisen kann.
74Vgl. Hungarian Helsinki Committee, Information note on asylum-seekers in detention and in Dublin procedures in Hungary, Mai 2014, S. 21; aida, Asylum Information Data-base, National Country Report Hungary, Stand: 30. April 2014, S. 30.
75Jedoch ist nicht ersichtlich, dass der ungarische Staat Asylsuchende im Folgeverfahren generell über einen unabsehbar langen Zeitraum sich selbst überlässt und sie – ohne Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage – im beschriebenen Sinne hoffnungsloser, extremer materieller Armut aussetzen würde.
76Soweit andere Verwaltungsgerichte die Frage der systemischen Defizite des ungarischen Asylsystems anders beurteilen als die erkennende Kammer, und zum Teil zu der Lage in Ungarn weiter bei zusätzlichen Auskunftsstellen Beweis erheben – etwa das VG Köln durch Beschluss vom 26. Januar 2015 – 2 K 6465/14.A –, ist die Kammer an solche abweichenden Beurteilungen nicht gebunden. Insbesondere begründet die Beweiserhebung eines anderen Gerichts nicht etwa die Annahme, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien nunmehr offen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 7. Januar 2015 – A 11 S 1567/14 – in einem Verfahren die Berufung zugelassen hat, um die Frage, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, grundsätzlich zu klären. Insoweit merkt der Einzelrichter im Übrigen an, dass mit der Entscheidung einem Berufungszulassungsantrag der dortigen Beklagten entsprochen worden ist.
77Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre,
78vgl. BVerfG, (Nichtannahme-)Beschluss vom 17. Sep-tember 2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014 S. 244 ff. = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 – juris Rn. 4,
79ist ebenfalls nicht ersichtlich.
80Schließlich begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn keinen Bedenken. Die ungarischen Behörden haben der Rückführung mit Schreiben vom 13. Februar 2015 zugestimmt und lediglich eine Ankündigung mit einem Vorlauf von sieben Kalendertagen vor Ankunft des Antragstellers in Ungarn erbeten.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
I.
- 1
Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe folgt daraus, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.
II.
- 2
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
- 3
Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.). Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine Hindernisse entgegen (2.).
- 4
1. Die Zuständigkeit Ungarns i.S.d. § 27a AsylVfG ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 26.6.2013 Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).
- 5
Die durch Anhang I Dublin-III-VO aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (v. 18.2.2003, Amtsbl. EG Nr. 50 S. 1 – Dublin-II-VO) findet keine Anwendung, da der Antragsteller nicht vor dem sich aus Art. 49 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergebenden Stichtag 1. Januar 2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seinen gegenüber der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2014 gemachten Angaben hat der am … 1984 in Syrien geborene Antragsteller als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sunnitischer Konfession sein Herkunftsland am 18. August 2013 verlassen. Ausweislich der Erklärung der ungarischen Behörden vom 13. Januar 2015 hat er in Ungarn am 2. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt.
- 6
Ungarn hat am 13. Januar 2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO das Gesuch der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2015 um Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend.
- 7
Es kommt nicht darauf an, ob Ungarn vor der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin-III-VO für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung des abgebenden Mitgliedstaats ist nicht zu prüfen, ob der aufnehmende Mitgliedstaat zu Recht seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO angenommen hat. Für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach der Dublin-III-VO gilt nichts anderes als vormals für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach den Vorgängervorschriften der Dublin-II-VO. Nach der Dublin-II-VO hat der Asylbewerber grundsätzlich kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird (VGH Mannheim, Beschl. v. 6.8.2013, 12 S 675/13, InfAuslR 2014, 29, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 15.3.2012, 10 A 227/11, juris Rn. 24; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2010, § 27a AsylVfG Rn. 26 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 40).
- 8
Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach kann in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach der Dublin-II-VO zugestimmt hat, der Asylbewerber dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (v. 12.12.2007, ABl. EU Nr. C 303 S. 1 – GR-Charta) ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Diese Rechtsprechung zur Dublin-II-VO hat ihren Niederschlag im Normtext des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gefunden. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Wesentliche Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht. Im Einzelnen:
- 9
Dem durch Art. 4 GR-Charta gewährleisteten Unionsgrundrecht ist gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite verliehen wie dem entsprechenden Recht, das in Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686 – EMRK) völkerrechtlich verbürgt ist. Ebenso wie nach Art. 4 GR-Charta darf nach Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Abschiebung eines Asylbewerbers am Maßstab des Art. 3 EMRK zu prüfen (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 93 m.w.N., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bezeichnen drei Stufen unterschiedlicher Eingriffsintensität (vgl. EGMR, Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162 ff., EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich). Folter ist die vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, in der Absicht auf den Willen des Gefolterten oder eines Dritten einzuwirken, um ein Geständnis zu erlangen oder um Dritte zu terrorisieren; eine unmenschliche Behandlung ist die absichtliche Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine ausreichende Schwere aufweisen; eine erniedrigende Behandlung kennzeichnet, dass bei dem Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterlegenheit erweckt werden, die geeignet sind, es zu demütigen und seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 8 f. m.w.N.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, kann dabei auch davon abhängen, wieweit die Maßnahmen zur Verfolgung legitimer Zeile geboten sind (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 11). Da das Recht aus Art. 3 EMRK als einzige der Gewährleistungen der EMRK auch im Notstand keinen Einschränkungen unterliegt, gilt dies auch für das ihm entsprechende Recht aus Art. 4 GR-Charta (Höfling, in Tettinger/Stern, GR-Charta, 1. Aufl. 2006, Art. 4 Rn. 15 ff.). Um dem Verbot des Art. 3 EMRK zu unterfallen muss die Schwere der Misshandlung ein Mindestniveau erreichen, wobei die Bemessung dieses Mindestniveaus von allen Umständen des Falles abhängt, wie der Dauer der Behandlung und ihren körperlichen und geistigen Folgen, in geeigneten Fällen auch von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 94, juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz; Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162, EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich).
- 10
Für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9) das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, Slg. 2011, I-13905, Rn. 88 ff. – N.S. u.a.), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war; derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, InfAuslR 2014, 352, juris Rn. 6; a.A. United Kingdom Supreme Court, Urt. v. 19.2.2014, <2014> UKSC 12, https://www.supremecourt.uk).
- 11
Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel liegt dabei erst dann vor, wenn hierfür kompetente Stellen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 29.5.2010, ABl. EU Nr. L 132 S. 11) errichtete Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 22.10.2014, 10 A 3085/14, n.v.; das VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, Rn. 22 verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 22 f. Dublin-III-VO). So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf abgestellt, dass es an einem Positionspapier des UNHCR fehlte, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdrücklich aufforderte, von einer Überstellung nach Ungarn im Dublin-System abzusehen (EGMR. Urt. v. 6.6.2013, Nr. 2283/12, Rn. 105, http://hudoc.echr.coe.int – Mohammed./.Österreich).
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Nach diesen Maßstäben sind keine systemischen Mängel anzunehmen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Dublin-Rückkehrers in Ungarn erwarten ließe (ebenso EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich; VG Hamburg, Beschl. v. 13.2.2015, 7 AE 240/15, n.v.; Beschl. v. 6.1.2015, 10 AE 154/15, n.v.; Beschl. v. 30.10.2014, 8 AE 2529/14, n.v.; VG Augsburg, Beschl. v. 26.1.2015, Au 7 S 15.50015, juris Rn. 24 ff.; Beschl. v. 21.1.2015, Au 2 S 14.50360, juris Rn. 19 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2015, 7 L 2975/14.A, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 12.12.2014, RN 5 S 14.50306, juris Rn. 25 ff.; VG Stade, Beschl. v. 14.7.2014, 1 B 862/14, juris Rn. 8 f.; VG Bremen, Urt. v. 25.4.2014, 4 K 2131/13.A, juris Rn. 16 ff.; österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Spruch v. 10.11.2014, W212 1438158-2/11E, http://www.ris.bka.gv.at; insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 7 f.; im Ansatz auch VG Würzburg, Beschl. v. 2.1.2015, W 1 S 14.50120, juris Rn. 29).
- 13
Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Doch liegt dieser Fall nicht vor. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung sind nicht bereits dann offen, wenn die Frage systemischer Mängel in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt wird (so aber OVG Bautzen, Beschl. v. 24.7.2014, A 1 B 131/14, juris Rn. 4; VG München, Beschl. v. 31.10.2014, M 16 S 14.50535, juris Rn. 16). Die Erfolgsaussichten sind allenfalls dann offen, wenn eine nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens im Hauptsacheverfahren konkret anstehende weitere Aufklärung zu der für einen Erfolg der Klage führenden Überzeugungsgewissheit führen könnte, was hier nicht der Fall ist. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit von einer mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eintretenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9). Für eine Offenheit der Erfolgsaussichten genügt deshalb nicht, dass es im Zeitpunkt der Entscheidung an verlässlichen Informationsquellen fehlt (dies implizierend aber VG Bremen, Beschl. v. 17.1.2014, 4 V 2132/13.A, juris Rn. 13 f.).
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Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten (so aber implizit VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 21). Wie in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1) ausgeführt ist, findet sich die gesetzliche Regelung über die Asylhaft in Art. 31/A Abs. 1 des ungarischen Asylgesetzes. Danach besteht ein Haftgrund insbesondere dann, wenn die asylsuchende Person sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat oder hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Asylbewerber das Verfahren verzögert oder zu vereiteln sucht oder Fluchtgefahr besteht, um die notwendigen Feststellungen zur Durchführung des Asylverfahrens treffen zu können. Die Haftgründe stimmen mit den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (v. 29.6.2013, Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 96 – AufnahmeRL) weitgehend überein, so dass die ungarische Gesetzesregelung als solche keine Verletzung des Unionsrechts darstellt (insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8).
- 15
Auch kann aus der Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuregelung der Asylhaft in Ungarn kein systemischer Mangel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen hergeleitet werden (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014, 20 L 2345/14.A, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.12.2014, 2 K 422/14, http://bordermonitoring.eu; das Vorliegen systemischer Mängel für offen haltend VG Magdeburg, Beschl. v. 11.12.2014, 9 B 449/14, juris Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch nach dem verfolgten Sinn und Zweck, der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Dublin-System im Normtext Ausdruck zu verschaffen, auf drohende Verletzungen des Art. 4 GR-Charta beschränkt ist. Wenngleich der überstellende Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO (ebenso wie nach der Dublin-II-VO, dazu EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris Rn. 64 ff.) wegen Art. 51 GR-Charta die Überstellungsentscheidung unter Beachtung der Unionsgrundrechte trifft, folgt daraus nicht, dass der überstellende Mitgliedstaat gegen Unionsgrundrechte verstößt, sobald nicht ausgeschlossen ist, dass der aufnehmende Mitgliedstaat dies tun wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 GR-Charta entnommen (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Somit ist für den überstellenden Mitgliedstaat das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GR-Charta ebenso wenig Maßstab (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8) wie dies allgemein an den aufnehmenden Mitgliedstaat gerichtete „unionsrechtliche Vorgaben“ sind (a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 17).
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Wenngleich eine willkürliche Inhaftnahme im Einzelfall mit einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta einhergehen kann, ist nicht zu erwarten, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt werden. Es liegt kein Positionspapier des UNHCR vor, das die Staaten dazu auffordert, von Überstellungen nach Ungarn im Dublin-System abzusehen. Wie in drei Auskünften der Vertretung in Deutschland des UNHCR (v. 30.9.2014 an das VG Bremen, das VG Düsseldorf bzw. das VG Freiburg, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn G 4 bis 6/14) ausgeführt, werden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen, ausgenommen Familien und besonders vulnerable Asylsuchende. Hat ein dem Dublin-System unterliegender Asylbewerber den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat verlassen, um in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat erneut Asyl zu beantragen, so erscheint eine Inhaftnahme bei Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat nicht willkürlich, so dass auch im Hinblick auf den Schutz und die Achtung der elementaren Rechtsgleichheit aller Menschen (dazu Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung nicht ersichtlich ist. Die Praxis, dass regelmäßige Haftprüfungstermine im Halbstundentakt und für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 30.9.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 5/14), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass eine Fortdauer der mit Fluchtgefahr begründeten Haft willkürlich bestimmt werde.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende regelmäßig durch eine lange Haftdauer ohne Aussicht auf Entlassung gedemütigt würden. Die Asylhaft ist gesetzlich auf maximal sechs Monate beschränkt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, 2014/1). Für Überschreitungen der gesetzliche Höchstdauer ist nichts ersichtlich.
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Die näheren Bedingungen einer etwaigen Haft lassen für einen ohne seine Familie geflohenen gesunden jungen, aber volljährigen Mann, wie den Antragsteller, ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrige Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221, http://hudoc.echr.coe – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn nicht an (EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht ein Gutachten von Pro Asyl e.V. (an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, S. 3 ff., juris) zugrunde. Danach wird die Asylhaft getrennt von der Immigrations- oder der Strafhaft durchgeführt. Überbelegungen finden nicht statt. Die Inhaftierten werden tagsüber nicht in Zellen eingesperrt. Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. Sanitäter bzw. Krankenschwestern sind permanent anwesend. Von nachhaltigen oder durchgehenden hygienischen oder Versorgungsmängeln wird nicht berichtet, wenngleich es in einzelnen Hafteinrichtungen in der Vergangenheit zu Mängeln in der Reinigung einzelner Waschräume gekommen ist.
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Sofern es zum Einsatz von Handfesseln und Leinen bei Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei einer Behörde, einem Gericht oder dem Arzt kommt (so Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an VG Düsseldorf, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G/14), kann darin im Einzelfall dann ein Mangel in den Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch die Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (dazu Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 1/14), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.
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Sofern in dem Gutachten von Pro Asyl e.V. (v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf, S. 4 f., juris) ein Bericht eines aus einer Hafteinrichtung entlassenen Asylbewerbers wiedergegeben wird, wonach in der Hafteinrichtung „immer die selben Tabletten“ verabreicht würden, kann dem Gericht keinen Hinweis aus einen systemischen Mangel des Haftbedingungen entnehmen.
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Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft nicht die Bedingungen in Ungarn für die Aufnahme eines erwachsenen Asylsuchenden, sondern die Bedingungen in Italien für die Aufnahme von asylsuchenden Personen in Italien mit sechs minderjährigen Kindern (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 100 ff., 121 f., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall angenommen, dass die Beschwerdeführer nach Italien zurückgeführt würden, ohne dass die schweizerischen Behörden zuvor individuelle Garantien von den italienischen Behörden dafür erlangen, dass die Beschwerdeführer in einer Weise übernommen werden würden, die dem Alter der Kinder angemessen ist, und dafür, dass die Familie zusammenbleiben würde. Ein solches Erfordernis der vorherigen individuellen Garantie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf Italien nicht verlangt, wenn es sich um einen gesunden jungen Mann ohne Angehörige handelt (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 34, juris). Eben dies trifft auf den Antragsteller zu, dessen Familie sich noch in seinem Herkunftsland befindet.
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2. Die weitere Voraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist gegeben, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Zu prüfen sind objektive und in der Person des Ausländers liegende subjektive, rechtliche oder tatsächliche Hindernisse der Abschiebung. Über auf den Zielstaat der Abschiebung bezogene Hindernisse hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, InfAuslR 2011, 310, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, NVwZ 2011, 512
, juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris Rn. 9). Für solche Hindernisse ist nichts ersichtlich. Die Ehefrau und die knapp anderthalbjährige Tochter des Antragstellers befinden sich noch im Herkunftsland Syrien, so dass eine Familienzusammenführung nicht nur, was der Antragsteller hervorhebt, in Ungarn als nicht möglich erscheint, sondern allgemein innerhalb der Dublin-Staaten.
III.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 23. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2268/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet.
5Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Ungarn für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
7Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Mitgliedstaat ist (I.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Antragstellers nach Ungarn durchgeführt werden kann; das ungarische Asylverfahren insbesondere nicht an systemischen Mängeln leidet (II.).
8I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragsteller vom 29. Oktober 2014.
9Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
10Der Antragsteller hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 26. Januar 2015 bereits am 4. Dezember 2014 in Ungarn einen Asylantrag gestellt (HU1330008707091). Gemäß Artikel 2 Absatz 3 Satz 5 der VO (EG) Nr. 407/2002 vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens werden Daten von Asylbewerbern mit der Kennziffer „1“ vergeben.
11Zwar hat der Antragsteller zuvor auch in Griechenland – am 18. November 2014 – und Belgien – am 18. März 2010 – Asyl beantragt. Indes ist weder Griechenland noch Belgien vorrangig für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Maßgeblich ist allein, dass Ungarn unter dem am 23. Februar 2015, und damit innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers erklärt und sich zu dessen Wiederaufnahme bereit erklärt hat. Denn die Dublin III-VO gewährt dem Antragsteller keinen subjektiven, einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird, den er für zuständig hält.
12VG Ansbach, Urteil vom 19. Mai 2014 – AN 1 K 14.30279 –, juris, Rn. 42 m.w.N.
13Ungarn ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
14Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
15Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
16Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Italien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
17Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
18Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
19II. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Ungarns eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Ungarn abzuschieben.
20Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
21vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
22Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen (vgl. Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO). Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
23EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
24der Fall wäre, liegen nicht vor.
25Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 20. März 2015 – 13 K 501/14.A und 13 K 445/14.A –, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen.
26Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
27EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
28Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
29EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
30Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
32Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
33vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
34Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Antragsteller vor der Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist.
35Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
36vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
37Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
38vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, juris, Rn. 44.
39Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
40vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12 –, juris, Rn. 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
41Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention – eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen.
42Der EGMR, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann,
43vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris, Rn. 32,
44und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung führte er aus:
45„The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
46Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum‑seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
47Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.”
48EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 –, Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68 bis 70.
49Soweit der EGMR mit Urteil vom 10. März 2015 (14097/12, 45135/12, 73712/12, 34001/13, 44055/13, 64586/13) Ungarn wegen der Überfüllung seiner Gefängnisse zu einer Zahlung Schadenersatz in Höhe von 3.400 bis 26.000 Euro verurteilt hat, weicht er nicht von seiner vorstehend genannten Entscheidung ab. Denn der EGMR hat sich in dieser Entscheidung mit den Haftbedingungen in Strafhaftanstalten beschäftigt. Hingegen erfolgt die Inhaftierung von Asylbewerbern – wie noch weiter ausgeführt werden wird – in getrennten Haftanstalten, in denen keine vergleichbaren Verhältnisse herrschen.
50Auch das erkennende Gericht vermag nach Auswertung der im vorliegenden Verfahren eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR, des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl – welche dem EGMR bei seiner Entscheidung nicht vorlagen – nicht festzustellen, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
51Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK normieren das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
52EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
53Eine Behandlung in diesem Sinne kann nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme zumindest nicht positiv festgestellt werden.
54Zwar hat sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer flächendeckend – so der UNHCR – bzw. regelmäßig – so Pro Asyl – inhaftiert werden.
55Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 3, Seite 2; Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 3 b), Seite.
56Indes begründet die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 – wieder – Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage praktisch alle Dublin-Rückkehr – so der UNHCR – bzw. regelmäßig, allerdings nicht sämtliche Dublin-Rückkehrer – so Pro Asyl – inhaftiert, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Vielmehr verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
57Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
58Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards, zu denen auch die Benennung von Haftgründen gehört. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
59Dahingestellt bleiben kann, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert, da die gesetzlichen Regelungen Ungarns zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) den vorstehend genannten Vorgaben im Wesentlichen gerecht werden:
60Gemäß § 31/B Absatz 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Artikel 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Absatz 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Absatz 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Absatz 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Absatz 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. Gemäß § 31/E Absatz 1 Asylum Act Hungary sollen inhaftierte Asylbewerber über ihre Rechte und Pflichten in ihrer Muttersprache oder einer anderen Sprache, die sie verstehen können, informiert werden. Gemäß § 31/D Absatz 4 Asylum Act Hungary soll das Gericht einen Vormund bestellen, wenn der Asylbewerber kein ungarisch spricht und nicht in der Lage ist seine Vertretung durch einen Bevollmächtigten sicherzustellen. § 31/A Absatz 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
61Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden diese Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern – speziell Dublin-Rückkehrern – nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachten und sich hieraus eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne ergibt, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
62Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme unter anderem danach gefragt, auf welche konkreten Haftgründe die Inhaftierungen seit dem 1. Juli 2013 gestützt werden (Frage 4).
63Pro Asyl gab an, dass laut dem Hungarian Helsinki Committee (HHC) in der Praxis vor allem der Haftgrund „risk of absconding“ (c) bzw. der Haftgrund „risk of absconding“ in Verbindung mit „establishment of identiy“ (a) Anwendung finde. Weiterhin würden Inhaftierungen auf dem Haftgrund „previous absconding“ (b) basieren.
64Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 4, Seite 3.
65Bei diesen Haftgründen, welche dazu dienen, einer bestehende Fluchtgefahr zu begegnen oder die Identität des Asylbewerbers festzustellen, handelt es sich um Haftgründe, die den in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL genannten entsprechen. Allerdings hat Pro Asyl im Rahmen der Beantwortung von Frage 9 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des HHC angegeben, dass in der Mehrheit der Haftanordnungen weiterhin auf Gründe verwiesen werde, die nicht unter die im „Asylum Act“ definierten Haftgründe fallen würden. Das HHC führt diesbezüglich auf Seite 6 der „INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“ von Mai 2014 aus, dass viele Entscheidungen verschiedene Umstände und Gründe benennen würden, die oftmals über die zulässigen Haftgründe nach dem Asylum Act Hungary hinausgingen. Beispielsweise genannt werden der unrechtmäßige Aufenthalt, die Einreise auf irreguläre Weise, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und das Fehlen von Verbindungen nach Ungarn. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit die vorstehend genannten Beispiele unter einen der in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL bzw. § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe subsumiert werden können. Zunächst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, wonach diese Haftgründe auch bei Dublin-Rückkehrern angewandt werden. Sodann bestehen nach dem oben Ausgeführten tragfähige Anhaltspunkte, die die häufige Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrundes der Fluchtgefahr belegen. Schließlich lässt sich jedenfalls nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren.
66Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
67Vgl auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
68Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL ‑ der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält – verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
69Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
70Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
71Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
72Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
73Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 – W 1 K 14.50050 –, juris, Rn. 37.
74Gleichfalls steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in der Praxis entgegen den Vorgaben des Artikel 8 Absatz 2 AufnahmeRL und § 31/A Absatz 2 Asylum Act Hungary erfolgt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen es erforderlich ist, auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
75Zwar spricht vieles dafür, dass die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt und eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Argumentation unter Abwägung der Rechts- bzw. Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht stattfindet.
76Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 9, Seite 8.
77Indes lässt sich daraus bereits nicht ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da die Haftanordnung bei Dublin Rückkehrern regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, erscheint diese Annahme auch nicht willkürlich (s.o.).
78Ungeachtet dessen widerlegt die Tatsache, dass es auch Fälle gibt, in denen die Haftanordnung auch individuelle Einzelheiten berücksichtigt,
79vgl. HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, Seite 6,
80die Annahme der fehlenden individuellen Einzelfallprüfung. Auch spricht für die Durchführung einer Einzelfallprüfung, dass Familien und besonders schutzbedürftige Personen in der Regel nicht inhaftiert werden, obwohl die Inhaftierung dieser Personengruppen ebenfalls rechtlich möglich wäre.
81Vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 6, Seite 6.
82Zudem wird zumindest auch in vereinzelten Fällen von den im ungarischen Recht vorgesehenen Haftalternativen Gebrauch gemacht. Laut dem HHC sei in 13 der 107 untersuchten Haftentscheidungen begründet worden, warum nicht auf Haftalternativen zurückgegriffen worden sei. Im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 17. April 2014 sei in 32 Fällen eine Kaution angeordnet worden. Die Betroffenen seien vorab gefragt worden, ob sie Geld besäßen bzw. jemand Geld schicken könne.
83Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9; dem UNHCR liegen hierzu keine Informationen vor.
84Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis ‑ wenn auch nur in Ausnahmefällen – tatsächlich angewendet werden. Dass die Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde gering ausfällt überrascht das Gericht nicht, da Flüchtlinge in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen werden, um eine Kaution in Höhe von 962,00 und 2.000,00 Euro bezahlen zu können.
85Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9.
86Unter Berücksichtigung der Funktion einer Kaution als eine Sicherheitsleistung, welche nur bei einer gewissen – für den Betroffenen spürbaren – Höhe erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die geforderte Höhe. Auch spricht der Umstand, dass die Höhe der geforderten Kaution variiert, dafür, dass die Höhe der Kaution im jeweiligen Einzelfall entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Inhaftierten festgesetzt wird.
87Aus den vorstehenden Ausführungen folgt überdies, dass die Haftanordnung in Übereinstimmung mit Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft, die letztlich eine Überprüfbarkeit gewährleisten, ergeht. Diese werden den Asylsuchenden auch verbal übersetzt.
88Vgl. Auskunft Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 30. Oktober 2014 zu Frage 1.
89Damit wird dem durch Artikel 5 Absatz 2 EMRK gewährleisteten Recht eines jeden Festgenommenen auf Unterrichtung hinreichend entsprochen. Eine mündliche Unterrichtung genügt insoweit.
90Vgl. Dörr, in: Grote/Marahun, EMRK/GG, S. 574, Rn. 36.
91Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmitte eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
92vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe, Seite 2.
93Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr – bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung – fortlaufend gegeben ist.
94Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 1 B 862/14 –, juris, Rn. 15.
95Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
96Schließlich kann das Gericht den aktuellen Auskünften nicht entnehmen, dass die konkreten Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen.
97Hinsichtlich der Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten liegen dem Gericht im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse vor:
98Die Asylhafteinrichtungen seien nicht überbelegt. Die gesetzliche Mindestvorgabe von 5 m² pro Person werde in allen Einrichtungen gewahrt. Asylbewerber könnten sich innerhalb der Hafteinrichtungen zwischen 6 und 23 Uhr frei bewegen. Außerhalb der Einrichtungen, auf dem Weg zum Krankenhaus oder zum Gericht, würden die Asylbewerber hingegen an einer Leine geführt. Zur Freizeitgestaltung gebe es in den Hafteinrichtungen Computerräume mit Internetzugang, Fitnessräume und Gemeinschaftsräume, in denen ein Fernseher stehe. Bezüglich der hygienischen Verhältnisse in den Asylhafteinrichtungen lägen Mängel vor. In Békéscaba hätten einige der Toiletten keine Türen gehabt und einige Wasserhähne würden nicht funktionieren, weshalb der Zugang zu warmen Wasser nicht immer gewährleistet sei. In Nyírbátor habe eine unzureichende Versorgung mit Putzutensilien und Reinigungsmitteln zur Reinigung der Toiletten und Duschen stattgefunden. Der Waschraum im ersten Stock sei permanent dreckig gewesen und würde stinken. Auch sei das Wasser von mangelhafter Qualität gewesen, was zu Hautausschlägen geführt habe. In Debrecen seien Duschen im zweiten Stock häufig verstopft und daher unbenutzbar gewesen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln erfolge entsprechend einer Verordnung des Innenministeriums. Religiöse und medizinische Besonderheiten würden in der Regel berücksichtigt. Kritisiert werde aber die schlechte Qualität des Essens. Eine medizinische Grundversorgung werde gewährleistet, auch wenn diese oft als unzureichend empfunden werde. Sanitäter bzw. Krankenschwestern seien permanent anwesend; Allgemeinmediziner würden die Einrichtungen zweitweise besuchen. In schwerwiegenden Fällen könne eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen. Die Kosten der Behandlung trage der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtung. In der Aufnahmeeinrichtung Békéscaba werde zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt.
99Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 ff.; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 15 ff.
100Obschon das Gericht nicht verkennt, dass Defizite in den Haftbedingungen bestehen, erreichen diese jedenfalls nicht das erforderliche Mindestmaß an Schwere, um von systemischen Mängeln in dem geschilderten Sinne ausgehen zu können. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers.
101Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – M.S. S./Belgien u. Griechenland, Rn. 219.
102Die vorstehend genannten hygienischen, medizinischen und sonstigen Mängel in den Asylhaftanstalten, insbesondere auch die Vorfälle, in denen Asylbewerber von „armed security guards“ misshandelt worden sind, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Indes lässt sich daraus nicht ableiten, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn nicht nur vereinzelt sondern gerade systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der früheren Lage in Ungarn, dass zwischenzeitlich weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen eingetreten sind.
103So auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68.
104Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Ungarn deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
105Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 69; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015 – 13 L 58/15.A –, juris, Rn. 43 m.w.N.
106Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der UNHCR – auch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Inhaftierungspraxis Ungarns infolge der durch das Gericht veranlassten Beweisaufnahme – keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
107So auch Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Au 7 S 15.50015 –, juris, Rn. 31.
108Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer entgegen des Refoulement-Verbots ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn – wie vorliegend – über den Asylantrag des Asylbewerbers noch nicht entschieden worden ist, weil dieser infolge des Verlassens Ungarns während des Asylverfahrens als zurückgenommen gilt.
109Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2, Seite 2 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 20.
110Dass das Asylverfahren des Antragstellers in Ungarn eingestellt worden ist, ohne dass über seinen Asylantrag entschieden worden ist, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der auf Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b) Dublin III-VO gestützten Zustimmung Ungarns zur Übernahme des Antragstellers fest. Danach ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Drittstaatangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats befindet nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
111Steht nach alldem nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet, geht dieser Umstand – nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast – zu Lasten des Antragstellers. Bereits aus dem eingangs dargestellten Erfordernis, dass sich das Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (S. 10),
112BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, S. 5,
113folgt, dass es zu Lasten des Asylbewerbers geht, wenn das Gericht – wie vorliegend – nicht zu dieser Überzeugungsgewissheit gelangt. Gleiches ergibt sich auch aus der Diktion des EuGH, wonach ein Asylbewerber seiner Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (Hervorhebung durch das Gericht), die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
114Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
115Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen im Ergebnis daher keine Bedenken. Es sind auch keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Antragstellers, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
116Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
117Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
118Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
I.
- 1
Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe folgt daraus, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.
II.
- 2
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
- 3
Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.). Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine Hindernisse entgegen (2.).
- 4
1. Die Zuständigkeit Ungarns i.S.d. § 27a AsylVfG ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 26.6.2013 Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).
- 5
Die durch Anhang I Dublin-III-VO aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (v. 18.2.2003, Amtsbl. EG Nr. 50 S. 1 – Dublin-II-VO) findet keine Anwendung, da der Antragsteller nicht vor dem sich aus Art. 49 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergebenden Stichtag 1. Januar 2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seinen gegenüber der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2014 gemachten Angaben hat der am … 1984 in Syrien geborene Antragsteller als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sunnitischer Konfession sein Herkunftsland am 18. August 2013 verlassen. Ausweislich der Erklärung der ungarischen Behörden vom 13. Januar 2015 hat er in Ungarn am 2. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt.
- 6
Ungarn hat am 13. Januar 2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO das Gesuch der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2015 um Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend.
- 7
Es kommt nicht darauf an, ob Ungarn vor der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin-III-VO für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung des abgebenden Mitgliedstaats ist nicht zu prüfen, ob der aufnehmende Mitgliedstaat zu Recht seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO angenommen hat. Für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach der Dublin-III-VO gilt nichts anderes als vormals für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach den Vorgängervorschriften der Dublin-II-VO. Nach der Dublin-II-VO hat der Asylbewerber grundsätzlich kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird (VGH Mannheim, Beschl. v. 6.8.2013, 12 S 675/13, InfAuslR 2014, 29, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 15.3.2012, 10 A 227/11, juris Rn. 24; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2010, § 27a AsylVfG Rn. 26 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 40).
- 8
Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach kann in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach der Dublin-II-VO zugestimmt hat, der Asylbewerber dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (v. 12.12.2007, ABl. EU Nr. C 303 S. 1 – GR-Charta) ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Diese Rechtsprechung zur Dublin-II-VO hat ihren Niederschlag im Normtext des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gefunden. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Wesentliche Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht. Im Einzelnen:
- 9
Dem durch Art. 4 GR-Charta gewährleisteten Unionsgrundrecht ist gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite verliehen wie dem entsprechenden Recht, das in Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686 – EMRK) völkerrechtlich verbürgt ist. Ebenso wie nach Art. 4 GR-Charta darf nach Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Abschiebung eines Asylbewerbers am Maßstab des Art. 3 EMRK zu prüfen (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 93 m.w.N., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bezeichnen drei Stufen unterschiedlicher Eingriffsintensität (vgl. EGMR, Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162 ff., EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich). Folter ist die vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, in der Absicht auf den Willen des Gefolterten oder eines Dritten einzuwirken, um ein Geständnis zu erlangen oder um Dritte zu terrorisieren; eine unmenschliche Behandlung ist die absichtliche Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine ausreichende Schwere aufweisen; eine erniedrigende Behandlung kennzeichnet, dass bei dem Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterlegenheit erweckt werden, die geeignet sind, es zu demütigen und seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 8 f. m.w.N.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, kann dabei auch davon abhängen, wieweit die Maßnahmen zur Verfolgung legitimer Zeile geboten sind (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 11). Da das Recht aus Art. 3 EMRK als einzige der Gewährleistungen der EMRK auch im Notstand keinen Einschränkungen unterliegt, gilt dies auch für das ihm entsprechende Recht aus Art. 4 GR-Charta (Höfling, in Tettinger/Stern, GR-Charta, 1. Aufl. 2006, Art. 4 Rn. 15 ff.). Um dem Verbot des Art. 3 EMRK zu unterfallen muss die Schwere der Misshandlung ein Mindestniveau erreichen, wobei die Bemessung dieses Mindestniveaus von allen Umständen des Falles abhängt, wie der Dauer der Behandlung und ihren körperlichen und geistigen Folgen, in geeigneten Fällen auch von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 94, juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz; Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162, EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich).
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Für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9) das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, Slg. 2011, I-13905, Rn. 88 ff. – N.S. u.a.), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war; derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, InfAuslR 2014, 352, juris Rn. 6; a.A. United Kingdom Supreme Court, Urt. v. 19.2.2014, <2014> UKSC 12, https://www.supremecourt.uk).
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Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel liegt dabei erst dann vor, wenn hierfür kompetente Stellen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 29.5.2010, ABl. EU Nr. L 132 S. 11) errichtete Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 22.10.2014, 10 A 3085/14, n.v.; das VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, Rn. 22 verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 22 f. Dublin-III-VO). So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf abgestellt, dass es an einem Positionspapier des UNHCR fehlte, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdrücklich aufforderte, von einer Überstellung nach Ungarn im Dublin-System abzusehen (EGMR. Urt. v. 6.6.2013, Nr. 2283/12, Rn. 105, http://hudoc.echr.coe.int – Mohammed./.Österreich).
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Nach diesen Maßstäben sind keine systemischen Mängel anzunehmen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Dublin-Rückkehrers in Ungarn erwarten ließe (ebenso EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich; VG Hamburg, Beschl. v. 13.2.2015, 7 AE 240/15, n.v.; Beschl. v. 6.1.2015, 10 AE 154/15, n.v.; Beschl. v. 30.10.2014, 8 AE 2529/14, n.v.; VG Augsburg, Beschl. v. 26.1.2015, Au 7 S 15.50015, juris Rn. 24 ff.; Beschl. v. 21.1.2015, Au 2 S 14.50360, juris Rn. 19 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2015, 7 L 2975/14.A, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 12.12.2014, RN 5 S 14.50306, juris Rn. 25 ff.; VG Stade, Beschl. v. 14.7.2014, 1 B 862/14, juris Rn. 8 f.; VG Bremen, Urt. v. 25.4.2014, 4 K 2131/13.A, juris Rn. 16 ff.; österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Spruch v. 10.11.2014, W212 1438158-2/11E, http://www.ris.bka.gv.at; insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 7 f.; im Ansatz auch VG Würzburg, Beschl. v. 2.1.2015, W 1 S 14.50120, juris Rn. 29).
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Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Doch liegt dieser Fall nicht vor. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung sind nicht bereits dann offen, wenn die Frage systemischer Mängel in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt wird (so aber OVG Bautzen, Beschl. v. 24.7.2014, A 1 B 131/14, juris Rn. 4; VG München, Beschl. v. 31.10.2014, M 16 S 14.50535, juris Rn. 16). Die Erfolgsaussichten sind allenfalls dann offen, wenn eine nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens im Hauptsacheverfahren konkret anstehende weitere Aufklärung zu der für einen Erfolg der Klage führenden Überzeugungsgewissheit führen könnte, was hier nicht der Fall ist. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit von einer mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eintretenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9). Für eine Offenheit der Erfolgsaussichten genügt deshalb nicht, dass es im Zeitpunkt der Entscheidung an verlässlichen Informationsquellen fehlt (dies implizierend aber VG Bremen, Beschl. v. 17.1.2014, 4 V 2132/13.A, juris Rn. 13 f.).
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Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten (so aber implizit VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 21). Wie in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1) ausgeführt ist, findet sich die gesetzliche Regelung über die Asylhaft in Art. 31/A Abs. 1 des ungarischen Asylgesetzes. Danach besteht ein Haftgrund insbesondere dann, wenn die asylsuchende Person sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat oder hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Asylbewerber das Verfahren verzögert oder zu vereiteln sucht oder Fluchtgefahr besteht, um die notwendigen Feststellungen zur Durchführung des Asylverfahrens treffen zu können. Die Haftgründe stimmen mit den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (v. 29.6.2013, Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 96 – AufnahmeRL) weitgehend überein, so dass die ungarische Gesetzesregelung als solche keine Verletzung des Unionsrechts darstellt (insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8).
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Auch kann aus der Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuregelung der Asylhaft in Ungarn kein systemischer Mangel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen hergeleitet werden (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014, 20 L 2345/14.A, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.12.2014, 2 K 422/14, http://bordermonitoring.eu; das Vorliegen systemischer Mängel für offen haltend VG Magdeburg, Beschl. v. 11.12.2014, 9 B 449/14, juris Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch nach dem verfolgten Sinn und Zweck, der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Dublin-System im Normtext Ausdruck zu verschaffen, auf drohende Verletzungen des Art. 4 GR-Charta beschränkt ist. Wenngleich der überstellende Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO (ebenso wie nach der Dublin-II-VO, dazu EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris Rn. 64 ff.) wegen Art. 51 GR-Charta die Überstellungsentscheidung unter Beachtung der Unionsgrundrechte trifft, folgt daraus nicht, dass der überstellende Mitgliedstaat gegen Unionsgrundrechte verstößt, sobald nicht ausgeschlossen ist, dass der aufnehmende Mitgliedstaat dies tun wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 GR-Charta entnommen (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Somit ist für den überstellenden Mitgliedstaat das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GR-Charta ebenso wenig Maßstab (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8) wie dies allgemein an den aufnehmenden Mitgliedstaat gerichtete „unionsrechtliche Vorgaben“ sind (a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 17).
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Wenngleich eine willkürliche Inhaftnahme im Einzelfall mit einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta einhergehen kann, ist nicht zu erwarten, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt werden. Es liegt kein Positionspapier des UNHCR vor, das die Staaten dazu auffordert, von Überstellungen nach Ungarn im Dublin-System abzusehen. Wie in drei Auskünften der Vertretung in Deutschland des UNHCR (v. 30.9.2014 an das VG Bremen, das VG Düsseldorf bzw. das VG Freiburg, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn G 4 bis 6/14) ausgeführt, werden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen, ausgenommen Familien und besonders vulnerable Asylsuchende. Hat ein dem Dublin-System unterliegender Asylbewerber den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat verlassen, um in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat erneut Asyl zu beantragen, so erscheint eine Inhaftnahme bei Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat nicht willkürlich, so dass auch im Hinblick auf den Schutz und die Achtung der elementaren Rechtsgleichheit aller Menschen (dazu Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung nicht ersichtlich ist. Die Praxis, dass regelmäßige Haftprüfungstermine im Halbstundentakt und für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 30.9.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 5/14), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass eine Fortdauer der mit Fluchtgefahr begründeten Haft willkürlich bestimmt werde.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende regelmäßig durch eine lange Haftdauer ohne Aussicht auf Entlassung gedemütigt würden. Die Asylhaft ist gesetzlich auf maximal sechs Monate beschränkt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, 2014/1). Für Überschreitungen der gesetzliche Höchstdauer ist nichts ersichtlich.
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Die näheren Bedingungen einer etwaigen Haft lassen für einen ohne seine Familie geflohenen gesunden jungen, aber volljährigen Mann, wie den Antragsteller, ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrige Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221, http://hudoc.echr.coe – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn nicht an (EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht ein Gutachten von Pro Asyl e.V. (an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, S. 3 ff., juris) zugrunde. Danach wird die Asylhaft getrennt von der Immigrations- oder der Strafhaft durchgeführt. Überbelegungen finden nicht statt. Die Inhaftierten werden tagsüber nicht in Zellen eingesperrt. Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. Sanitäter bzw. Krankenschwestern sind permanent anwesend. Von nachhaltigen oder durchgehenden hygienischen oder Versorgungsmängeln wird nicht berichtet, wenngleich es in einzelnen Hafteinrichtungen in der Vergangenheit zu Mängeln in der Reinigung einzelner Waschräume gekommen ist.
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Sofern es zum Einsatz von Handfesseln und Leinen bei Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei einer Behörde, einem Gericht oder dem Arzt kommt (so Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an VG Düsseldorf, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G/14), kann darin im Einzelfall dann ein Mangel in den Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch die Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (dazu Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 1/14), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.
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Sofern in dem Gutachten von Pro Asyl e.V. (v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf, S. 4 f., juris) ein Bericht eines aus einer Hafteinrichtung entlassenen Asylbewerbers wiedergegeben wird, wonach in der Hafteinrichtung „immer die selben Tabletten“ verabreicht würden, kann dem Gericht keinen Hinweis aus einen systemischen Mangel des Haftbedingungen entnehmen.
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Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft nicht die Bedingungen in Ungarn für die Aufnahme eines erwachsenen Asylsuchenden, sondern die Bedingungen in Italien für die Aufnahme von asylsuchenden Personen in Italien mit sechs minderjährigen Kindern (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 100 ff., 121 f., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall angenommen, dass die Beschwerdeführer nach Italien zurückgeführt würden, ohne dass die schweizerischen Behörden zuvor individuelle Garantien von den italienischen Behörden dafür erlangen, dass die Beschwerdeführer in einer Weise übernommen werden würden, die dem Alter der Kinder angemessen ist, und dafür, dass die Familie zusammenbleiben würde. Ein solches Erfordernis der vorherigen individuellen Garantie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf Italien nicht verlangt, wenn es sich um einen gesunden jungen Mann ohne Angehörige handelt (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 34, juris). Eben dies trifft auf den Antragsteller zu, dessen Familie sich noch in seinem Herkunftsland befindet.
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2. Die weitere Voraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist gegeben, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Zu prüfen sind objektive und in der Person des Ausländers liegende subjektive, rechtliche oder tatsächliche Hindernisse der Abschiebung. Über auf den Zielstaat der Abschiebung bezogene Hindernisse hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, InfAuslR 2011, 310, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, NVwZ 2011, 512
, juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris Rn. 9). Für solche Hindernisse ist nichts ersichtlich. Die Ehefrau und die knapp anderthalbjährige Tochter des Antragstellers befinden sich noch im Herkunftsland Syrien, so dass eine Familienzusammenführung nicht nur, was der Antragsteller hervorhebt, in Ungarn als nicht möglich erscheint, sondern allgemein innerhalb der Dublin-Staaten.
III.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde am ... in Bad K. geboren. Seine Eltern sowie die beiden älteren Brüder betreiben eigene Asylverfahren und dazugehörige Gerichtsverfahren (Az: W 1 K 14.30137, W 1 S 14.30138, W 1 K 14.30139, W 1 S 14.30140). Für sie liegen Eurodac-Treffer für U. vor.
Am
Aufgrund des Wiederaufnahmeersuchens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt)
Mit Bescheid vom
Am
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. April 2014 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Zu Recht wurde U. als für die Behandlung des Asylgesuchs des Antragstellers zuständiger Mitgliedstaat bestimmt. Die Antragsgegnerin ist auch nicht wegen Ablaufs der Frist für das Wiederaufnahmegesuch zuständig geworden.
Da sowohl der Asylantrag als auch das Wiederaufnahmeersuchen an U. nach dem
2. Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in U. (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr insoweit aufgrund im Folgenden noch darzulegender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) sowie einiger anderer deutscher Verwaltungsgerichte (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.;
Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Dass die Antragsteller nach einer Rücküberstellung nach U. unmittelbar nach Griechenland weitergeschoben würden, ist damit aufgrund dieser Erkenntnisquellen nicht anzunehmen. Gegenteiliges lässt sich auch dem Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, nicht entnehmen.
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in U. in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systematische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).
Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) davon auszugehen, dass auch für U. die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.
Schließlich geht das Gericht davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in U. zwar schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16 ff. und S. 35 f.). Diese stellen sich, unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller bzw. seinen Familienangehörigen ein solcher Status überhaupt zuerkannt werden wird, nach Auffassung des Gerichts aber als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten. Denn von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf öffentliche Leistungen haben (vgl. den genannten Bericht von bordermonitoring.eu, S. 16). Dass trotz dieser Unterstützungsleistungen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in ganz U. in systemischer Weise Obdachlosigkeit drohen würde, ist durch diesen Bericht dagegen nicht glaubhaft gemacht. So wird dort insbesondere auf Mietkosten in der Hauptstadt Budapest abgestellt, wo die Mietkosten deutlich höher sein dürften als im restlichen U. (vgl. bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16). Auch dieser Gesichtspunkt steht einer Rücküberstellung des Antragstellers daher nicht entgegen (so auch VG Würzburg, B. v. 10.12.2014 - W 1 S 14.50008, UA S. 9;
Weder das Vorbringen des Antragstellers noch die neueren Erkenntnismittel, insbesondere der Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014, die Auskunft von UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände insbesondere der Inhaftierungspraxis in U. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).
Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in U., insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern, ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält (so VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris;
Im Übrigen droht dem Antragsteller als Kleinkind ohnehin keine Inhaftierung. Denn dem aktuellen aida-Bericht (European Council on Refugees and Exiles - ECRE, Asylum Information Database - aida, National Report, Hungary vom 30.4.2014, S. 48) ist zu entnehmen, dass in U. Frauen und Familien mit Kindern in der Praxis nicht mehr inhaftiert werden (ebenso VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 13; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 87 ff.; anderer Ansicht, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem o. g. Bericht: VG München, B. v. 30.5.2014 - M 10 S 14.50134, M 10M 10 S 14.50136, M 10 S M 10 S 14.50138 - juris Rn. 20 ff.;
3. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in der Form einer Reiseunfähigkeit folgt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 30. Juni 2014. Soweit dort eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers aufgrund einer durchgeführten Operation bescheinigt wird, dürfte diese durch Zeitablauf entfallen sein. Sollte aufgrund des gegenwärtigen Gesundheitszustandes des Antragstellers eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit vorliegen, so hätte das Bundesamt bzw. die für die Durchführung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde dies - auch nach dem Erlass der Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid - bei der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung bzw. im Rahmen der Entscheidung über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen; das Bundesamt hat die Ausländerbehörde ggf. anzuweisen, von einer Abschiebung abzusehen (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 10 ff.; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21). Dies gilt ebenso für die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutze des Antragstellers als Kleinkind (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 7 ff.).
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Ungarn.
Der am ...1991 geborene Kläger zu 1) und seine am ...1991 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten nach ihren eigenen Angaben am 22.6.2013 aus dem Kosovo über Serbien nach Ungarn, wo sie am 23.6.2013 von der Polizei verhaftet wurden. Nachdem sie ca. zwei Wochen in Ungarn in verschiedenen Asyleinrichtungen gelebt hatten, reisten die Kläger am 15.7.2013 über Österreich nach Deutschland ein. Am 22.7.2013 stellten sie Asylanträge.
Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben sie am
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am
Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom
Am
Mit Bescheid vom 9.4.2014 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Ungarn aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gem. Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-Verordnung für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen.
Gegen diesen Bescheid, der den Klägern am
Auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4.6.2014 unter Hinweis auf die bei der Klägerin zu 2) bestehende Risikoschwangerschaft die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
In ihrer Klagebegründung verweisen die Kläger darauf, dass beim Kläger zu 1) eine größere Augenoperation bevorstehe. Diese habe nicht früher durchgeführt werden können, weil die während ihrer Schwangerschaft bettlägerige und nach der Geburt an einer Wochenbettdepression leidende Klägerin zu 2) auf die Versorgung durch den Kläger zu 1) angewiesen gewesen sei. Die erforderliche medizinische Versorgung für die komplizierte Augenkrankheit sei in Ungarn nicht gewährleistet. Außerdem sei eine Abschiebung nach Ungarn wegen der dort vorliegenden systemischen Mängel des Asylverfahrens unzulässig. In den ungarischen Flüchtlingslagern herrschten katastrophale Zustände.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie stellt in Frage, ob die geplante Operation akut notwendig sei. Die Gefahr einer akuten Verschlechterung ohne sofortige Operation sei nicht dargelegt worden. Der Kläger zu 1) habe, obwohl er sich seit dem 22.7.2013 in Deutschland befinde, erst für den 4.12.2014 einen ersten Augenarzttermin anberaumt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Akten des Bundesamts, die gewechselten Schriftsätze in diesem sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Az. RN 6 S 14.50088 sowie den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1) Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom
a) Die Republik Ungarn ist gemäß § 27 a AsylVfG i. V. m. Art. 13 und 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom
Maßgeblich für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist die Dublin II-Verordnung, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26.6.2013 - Dublin III-Verordnung).
Die Voraussetzungen von Art. 13 Dublin II-Verordnung liegen vor, da die Republik Ungarn der erste EU-Mitgliedsstaat ist, in dem die Kläger einen Asylantrag gestellt haben. Wie sich aus der Bestätigung der Republik Ungarn vom 16.12.2013 ergibt, haben die Kläger am 25.6.2013 in Ungarn Asylanträge gestellt.
Gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-Verordnung ist die Republik Ungarn zur Wiederaufnahme der Kläger verpflichtet, da diese während der Prüfung ihres Asylantrags in Ungarn unerlaubt in deutsches Hoheitsgebiet eingereist sind.
Es besteht auch keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, weil in Ungarn die ordnungsgemäße Durchführung des Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre. Bei der Republik Ungarn handelt es sich als Mitgliedsstaat der EU um einen sicheren Drittstaat i. S. v. Art. 16 a Abs. 2 GG und § 26 a AsylVfG.
Insoweit geht das Gericht als Prüfungsmaßstab vom Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, B. v. 15.5.1996 - 2 BvR 1938/38 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (Europäischer Gerichtshof - EuGH B. v. 21.12.2011 - C - 411/10, NVwZ 2012, 417) aus, wonach die Vermutung gilt, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention der Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EuV entspricht.
Hierzu hat der EuGH entschieden, dass dem Unionsrecht keine unwiderlegliche Vermutung innewohne, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedsstaat werde die Unionsgrundrechte beachten. Vielmehr obliege den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gebe, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (EuGH, B. v. 21.12.2011, a. a. O.).
Im Rahmen dieser Prüfung ist jedoch nicht anzunehmen, dass gegenwärtig im Fall der Republik Ungarn systemische Mängel vorliegen, die eine solche Gefahr für die Kläger begründen könnten.
Zwar gehen einige Verwaltungsgerichte in Deutschland vom Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens in Ungarn aus (vgl. VG Magdeburg, B. v. 11.4.2013 - 9 B 140/13 - juris; VG Freiburg, B. v. 28.8.2013 - A 5 K 14067/13 - juris; VG München, B. v. 23.12.2013 - M 23 S 13.31303; juris). Soweit sich diese Entscheidungen aber auf Erkenntnisquellen wie das UNHCR-Positionspapier vom 15.3.2012 beziehen, wonach in Ungarn die Unterbringungsmöglichkeiten, insbesondere bei Jugendlichen, nicht europäischem Standard entsprächen und Misshandlungen in der Haft sowie Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge mittels Medikamenten zu beobachten seien, kann davon ausgegangen werden, dass diese Berichte durch spätere Erkenntnisquellen überholt sind. So führt der UNHCR in seinem Bericht vom Dezember 2012 aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet habe, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden dürften, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Auch würden Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Dem entsprechen die Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung. Auf diese Erkenntnisse stützt sich insbesondere auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris) und kommt zum Ergebnis, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn nicht vorliegen. Dieser Rechtsprechung folgt das entscheidende Gericht auch weiterhin (ebenso VG Regensburg
Gestützt wird diese Auffassung auch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12), wonach aufgrund geplanter oder bereits durchgeführter Änderungen im ungarischen Recht davon auszugehen ist, dass überstellte Personen nunmehr einen hinreichenden Zugang zum Asylverfahren in Ungarn hätten.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsänderung zum 1.7.2013, wonach nun wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber vorgesehen sind. Zwar haben diese Rechtsänderung und ihre Anwendung dazu geführt, dass auch in jüngerer Zeit erneut einige Verwaltungsgerichte Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren Ungarns angenommen haben (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris). Das Gericht folgt diesen Entscheidungen jedoch nicht.
Zwar ist in Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f der der Richtlinie 2013/33 EU (Aufnahmerichtlinie) bestimmt, dass Mitgliedsstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen dürfen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Anknüpfungspunkt für die Inhaftierung eines Asylantragstellers in Ungarn ist aber gerade nicht die Asylantragstellung als solche, sondern - wie im ungarischen Asylgesetz detailliert geregelt wird - die Feststellung der Identität oder Nationalität bzw. das Bestehen ernstlicher Gründe für die Annahme, der Asylsuchende werde das Asylverfahren verzögern oder vereiteln oder es bestehe Fluchtgefahr. Damit steht die Regelung in Ungarn in Einklang mit Art. 8 Abs. 3 b Aufnahmerichtlinie, dass nämlich ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Inhaftierungspraxis. Auch wenn nach einer Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Schließlich begründet auch die Tatsache, dass nach den vorliegenden Erkenntnisquellen Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, keine andere Bewertung. Zwar entnimmt das VG Düsseldorf der Auskunft des UNHCR vom 9.5.2014, dass es hinsichtlich dieser Personengruppe an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheine (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014, a. a. O., Rdnr. 82). Dem steht aber entgegen, dass nach den Informationen des ungarischen Helsinki-Komitees vom Mai 2014 ausgeführt wird, dass weibliche Asylsuchende und asylsuchende Familien mit Kinder unter 18 Jahren - also gerade auch die Personengruppe, zu der die Kläger zählen - kaum jemals inhaftiert werden, obwohl das Gesetz dies grundsätzlich zuließe (Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, S. 5). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch aida im National Country Report Hungary (S. 9). Dies belegt, dass ganz offenkundig zumindest eine standardisierte Einzelfallprüfung stattfindet. Da das Gericht der Auffassung ist, dass in Anbetracht der hohen Zahlen von Asylbewerbern in Ungarn an eine Einzelfallprüfung keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind und eine solche Prüfung für die Verwaltung handhabbar bleiben muss, sind damit zumindest die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an eine Einzelfallprüfung erfüllt (ebenso ausführlich VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris, Rdnr.13).
Systemische Mängel ergeben sich schließlich auch nicht aus den Unterbringungs- oder Haftbedingungen in Ungarn.
Auch der im Beschluss des VG München
Auch ergeben die aktuellen Auskünfte nicht, dass die Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen (vgl. hierzu VG Stade, B. v. 14.7.2014, a. a. O., Rdnr. 19). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Behandlung von Inhaftierten teilweise problematisch ist, jedoch stellen Fehlleistungen im Einzelfall das Konzept der normativen Vergewisserung nicht grundsätzlich in Frage.
Schließlich führt auch das Vorbringen der Kläger, das Übernahmeersuchen sei nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zu spät gestellt und Ungarn sei deshalb nicht zuständiger Staat i. S. d. Dublin II-Verordnung, zu einem abweichenden Ergebnis. Insoweit geht das Gericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Dreimonatsfrist in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung kein subjektives Recht eines Asylantragstellers begründet (vgl. hierzu zuletzt VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014, A 11 S 1721/13 - juris).
c) Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorliegen.
aa) Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Zustimmung des ausländischen Staates erfolgt ist und die Rücknahmefristen eingehalten sind. Beide Bedingungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Mit der Übernahmeerklärung vom 16.12.2013 hat die Republik Ungarn der Überstellung der Kläger zugestimmt, so dass diese gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II-Verordnung noch möglich ist.
bb) Die Abschiebungsanordnung ist nicht aufgrund des Vorliegens inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse aufzuheben. Anders als bei der Abschiebungsandrohung darf eine Abschiebungsanordnung erst erfolgen, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, wenn also sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung grundsätzlich vorliegt. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Diese Rechtsprechung stimmt mit den Entscheidungen anderer Obergerichte überein (vgl. NdsOVG, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris, Rdnr. 41; OVG Berlin-Brandenburg, B. v.1.2.2012 - OVG 2 S 6.12 - juris, Rdnr. 4 ff.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris, Rdnr. 4; VGH BW, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris, Rdnr. 4) und findet ihre Stütze im eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach eine Abschiebungsanordnung zulässig ist, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Auch das Verwaltungsgericht Regensburg folgt dieser Rechtsprechung (vgl. VG Regensburg, B. v. 12.4.2013 - RO 9 S 13.30112 - juris). Soweit Abschiebungshindernisse erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten, hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen. Hierzu gehört auch die Frage der Reisefähigkeit.
Vorliegend begründen jedoch weder die vorgelegten Atteste hinsichtlich der Augenerkrankung beim Kläger zu 1) noch die eines Entwurzelungssyndroms, einer Schlafstörung und eines Angstgefühls mit Appetitlosigkeit bei der Klägerin zu 2) ernstliche Zweifel an der Reisefähigkeit der Kläger.
cc) Die genannten Erkrankungen führen auch nicht zum Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse.
Es ist nämlich davon auszugehen, dass Asylsuchende, die an einer Krankheit leiden, in Ungarn grundsätzlich die gleiche medizinische Behandlung wie ungarische Staatsbürger erhalten. Dies ergibt sich aus den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes, wonach auch für Dublin II-Rückkehrer eine medizinische Notfallversorgung gesichert ist (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Augsburg
Dahingestellt bleiben kann schließlich, ob auch eine Behandlung des Augenleidens des Klägers zu 1) in Ungarn durchgeführt werden kann. Ein Abschiebungshindernis i. S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG ist nämlich nicht schon bei jedweder Erkrankung eines Abzuschiebenden anzunehmen. Vielmehr verlangt auch die Berufung auf eine Krankheit eine extreme Gefahrenlage für den betroffenen Ausländer wie sie etwa bei einer Verschlimmerung eines schweren Leidens anzunehmen ist (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Aufenthaltsgesetz, § 60, Rdnr. 54). Hiervon ist im Fall der Augenerkrankung des Klägers zu 1) nicht auszugehen. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Erkrankung eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung für den Kläger zu 1) darstellt, zeigen doch die Tatsachen, dass der Kläger zu 1) nicht nur mehr als ein Jahrzehnt im Kosovo ohne Behandlung leben konnte, und dass er auch nach seiner Einreise nach Deutschland bis zu einem ersten Behandlungstermin die Geburt seines Kindes abwarten konnte, dass es jedenfalls an der von Art. 60 Abs. 7 AufenthG geforderten extremen Gefährdung fehlt. Der vom Kläger zu 1) vorgetragene Hinweis auf die gesundheitlichen Probleme der Klägerin zu 2) im Rahmen der Schwangerschaft überzeugt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 1) sich schon vor oder zu Beginn der Schwangerschaft der Klägerin zu 2) um einen Untersuchungstermin hätte bemühen können.
Das Gericht verkennt im Übrigen nicht die schwierige persönliche Gesamtsituation der Kläger. Es geht jedoch davon aus, dass die Beklagte die ungarischen Behörden über die besondere Schutzbedürftigkeit, die sich im Fall einer Familie mit einem Kleinkind, dessen Mutter an einer psychischen Erkrankung leidet, ergibt, informieren und auf diese Weise eine entsprechende Behandlung sicherstellen wird.
2) Die Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG abzuweisen.
3) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.