Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119

bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach U.

Der im Jahre 1990 geborene Kläger zu 1) (im Folgenden: Kläger) und seine im Jahre 1993 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2) (im Folgenden: Klägerin), sind aserbaidschanische Staatsangehörige. Sie reisten am 3. Dezember 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 9. Dezember 2013 Asylanträge.

Am ... Juni 2014 wurde im Bundesgebiet die Tochter der Kläger geboren, deren Asylantrag vom Bundesamt unter Verweis auf die Zuständigkeit U.s abgelehnt wurde. Die hiergegen beim Verwaltungsgericht ... erhobene Klage ruht (...) wegen „Vorgreiflichkeit“.

Am Tag ihrer Einreise wurden die Kläger als Mitfahrer eines ungarischen Taxis einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Sie legten jeweils einen gültigen aserbaidschanischen Reisepass sowie ein Schengen-Visum der Kategorie C aus U. vor. Dabei handelte es sich um ein Einreisevisum, das am 29. November 2013 im ungarischen Konsulat ... ausgestellt wurde und bis zum 11. Dezember 2013 gültig war. Bei der polizeilichen Einreisebefragung gaben die Kläger an, am 3. Dezember 2013 in ... eingereist zu sein und mit dem Taxi nach ... und schließlich zu den Eltern des Klägers nach ... weiterreisen zu wollen. Ein ungarisches Visum hätten sie sich verschafft, weil man ein solches leichter bekomme als ein deutsches Visum. In Aserbaidschan hätten sie keine Probleme gehabt. Der Kläger habe dort als Lkw-Fahrer gearbeitet. Seit 4. Dezember 2013 befanden sich die Kläger in Zurückschiebungshaft in der Justizvollzugsanstalt ...

Nach Eingang der Asylanträge der Kläger (per Telefax ihres Bevollmächtigten) stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-Verordnung an U.. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 erklärten die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-II-VO.

Im Rahmen einer Haftvorführung am 19. Dezember 2013 am Amtsgericht ... äußerten die Kläger vor Beginn des Termins, dass sie nicht nach U., sondern nach Aserbaidschan zurückgehen wollen.

Die Kläger wurden aufgrund Beschlusses des Landgerichts ... vom 2. Januar 2014 am selben Tag aus der Justizvollzugsanstalt entlassen und zur Erstaufnahmeeinrichtung ... weitergeleitet.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Asylanträge seien gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da U. aufgrund der Ausstellung der Visa gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Deutschland sei verpflichtet die Überstellung nach U. als zuständigem Mitgliedsstaat innerhalb der in Art. 19 Abs. 3, 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO festgesetzten Fristen durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 31. Januar 2014 Klage.

Auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 14. Februar 2014 (AN 4 S 14.30118) unter Hinweis auf die bei der Klägerin bestehende Schwangerschaft die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Die Klägerin gehöre als schwangere Frau einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an, so dass die möglicherweise schwierige Unterkunftssituation in U. für sie konkret die Gefahr einer unmenschlichen oder gar erniedrigenden Behandlung berge. Aufgrund des Grundsatzes der Familieneinheit sei eine alleinige Abschiebung des Klägers unzumutbar. Gemäß des allgemeinen Grundsatzes in Art. 21 Dublin-II-VO hätten die Mitgliedsstaaten im einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung der Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen, insbesondere von Schwangeren, zu berücksichtigen. Es bestünden keine sicheren Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, dass die spezielle Situation für Schwangere in U. tatsächlich berücksichtigt werde.

Bei einer Befragung durch das Bundesamt am 3. Februar 2014 erklärte der Kläger, er wolle in Deutschland bleiben, da seine Eltern ebenfalls in Deutschland seien. Er habe für sich und seine Frau ein Visum, touristische Gründe, für U. beantragt. Mit diesem Visum sei er am 3. Dezember 2013 mit dem Flugzeug von ... nach U./... geflogen. Der Flug habe für beide Personen 4.000 Manat gekostet. Er möchte hier bei seinen Eltern bleiben, seine Frau sei schwanger und sie bräuchten Hilfe. Die Klägerin erklärte bei der Befragung, sie wolle in Deutschland bleiben, da ihre Schwiegereltern bereits in Deutschland lebten. Sie sei schwanger und brauche ihre Hilfe.

Zur Klagebegründung ließen die Kläger im Wesentlichen Folgendes vortragen: Am ...Juni 2014 sei die Tochter der Kläger geboren. Die Kläger hätten in U. eine unmittelbare und ernsthafte Verletzung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu befürchten (EU-GR-Charta). Es lägen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, dass U. nicht die in der Aufnahmerichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (RL 2003/9/EG), sowie die in der Verfahrensrichtlinie (RL 2005/85/EG) und die in der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) normierten Standards gewährleiste. Den Klägern drohe willkürliche und rechtswidrige Inhaftierung ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeit. In U. bestünden systemische Mängel im Asylsystem, die offenkundig seien. Die Unterbringungsmöglichkeiten entsprächen nicht den europäischen Vorgaben, Misshandlungen in Haft und Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge seien regelmäßig zu beobachten. Aufgrund einer am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderung in U. drohe den Klägern im Falle einer Rückführung dort die Inhaftierung. Diese Inhaftierung von Flüchtlingen widerspreche eindeutig den Standards der RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie). Aus den eingeholten Auskünften und den wiederkehrenden Berichten verschiedenster Flüchtlingsorganisationen ergebe sich zusammenfassend vor allem ein Problem: Die menschenrechts- und richtlinienwidrige Inhaftierungspraxis von Asylbewerbern durch die ungarischen Behörden. Die Asylsuchenden würden in schematischen Verfahren ohne konkrete Einzelfallprüfung inhaftiert. Rechtsmittel gegen die Inhaftierung existierten nicht. Es erfolge nur eine gegebenenfalls automatisierte Überprüfung durch das Gericht, die de facto aber so gut wie nie zu Entlassungen führe und damit ohne praktische Wirksamkeit sei (Pro Asyl vom 31.10.2014 an das VG Düsseldorf). Darüber hinaus beschränke sich die Inhaftierung aufgrund fehlender Rechtsmittel und der festgelegten Überprüfungsintervalle nicht auf die kürzest mögliche Dauer (Verletzung von Art. 15 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie). Dublin-Rückkehrer würden nicht ausnahmslos, aber regelmäßig inhaftiert, verstärkt nun auch Familien. Darüber hinaus würden in U. auch Familien mit Kindern - auch im schematisierten Verfahren - ohne Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kinder inhaftiert. Die hygienischen Verhältnisse in Haft seien unzureichend. In Haft komme es zu menschenunwürdiger Behandlung, Diskriminierungen und Misshandlungen durch das ungarische Behördenpersonal. In die stetig menschenrechtswidriger werdende Politik der ungarischen Regierung reihe sich das derzeitige Vorhaben neuer weitreichender Gesetzesverschärfungen. Weiter werde auf die Entscheidung des EGMR, Urteil vom 4. November 2014 „Tarakhel“, verwiesen, wonach eine Rückführung einer afghanischen Familie nach Italien nicht erfolgen dürfe (systemischer Mangel), bevor die konkrete Unterbringung abgeklärt worden sei.

Die Kläger beantragen:

Der Bescheid des Bundesamts vom 24. Januar 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Mit Beschluss vom 19. März 2015 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten, die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die Klagen sind zulässig und begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 24. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Bescheid ist deshalb gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

1. Die Klagen sind als Anfechtungsklagen statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Statthafte Klageart gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27 a AsylVfG ist die (isolierte) Anfechtungsklage (BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 7; U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 22). Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin-II-VO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.2.2003) bzw. Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.6.2013) ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden (BayVGH, B. v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris Rn. 6). Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es nicht, weil bei bestehender Zuständigkeit der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage fehlte deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

2. Die Klage ist auch begründet.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Beklagte ist an der Überstellung der Kläger nach U. gemäß der Dublin-II-VO gehindert, weil das ungarische Asylsystem nach der Überzeugung des Gerichts hier ausnahmsweise gerade für die Gruppe, der die Kläger zugehören - Familie mit Kleinkind - systemische Mängel insbesondere im Hinblick auf Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen für Kinder aufweist.

Vorliegend ist das Verfahren bzgl. des Kindes der Kläger beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängig und hier nicht streitgegenständlich. Da der Grundsatz der Familieneinheit ein tragendes Prinzip der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin-II-Verordnung ist (vgl. Art. 6 bis 8, 14 und 15 Abs. 1 und 2 Dublin-II-VO), der ggf. eine Selbsteintrittspflicht der Beklagten zur Folge haben kann (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012 S. 383 ff., zit. nach juris Rn. 42) und vor dem Hintergrund, dass Art. 8 EMRK jedenfalls als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ohnehin bei der Prüfung, ob die Abschiebungsanordnung aufrechterhalten bleibt, zu berücksichtigen ist, erscheint es im Fall einer Familie mit Kleinkind sachgerecht, das Vorliegen eines systemischen Mangels einheitlich bei der Rücküberstellung der untrennbar verbundenen Eltern mit ihrem Kleinkind zu beurteilen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Dublin-II-VO).

2.1 Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27 a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung § 34 a Abs. 1 AsylVfG.

Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Da sowohl der Asylantrag als auch das Aufnahmeersuchen an U. vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, ergibt sich die Maßgeblichkeit der Dublin-II-VO aus Art. 49 Satz 2, 3 Dublin-III-VO (vgl. BVerwG, U. v.17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn.27).

2.2 Nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II-VO ist U. der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Dublin-II-VO hat prinzipiell allein auf der Grundlage der dort festgelegten Kriterien zu erfolgen, für die eine bestimmte Rangfolge gilt (Art. 5 ff. Dublin-II.-VO). Hiernach war im vorliegenden Fall U. zuständig.

Nach Art. 9 Abs. 2 Dublin-II-VO ist dann, wenn ein Asylbewerber ein gültiges Visum für einen Mitgliedstaat besitzt, der Mitgliedstaat, der dieses Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Kläger sind im Gültigkeitszeitraum ihrer Schengen-Visa nach U. und weiter nach Deutschland zur Asylantragstellung gereist. Die ungarischen Behörden haben dementsprechend mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Art. 9 Absatz 2 Dublin-II-VO erklärt.

Die gem. Art. 19 Abs. 3, 4 Dublin-II-VO maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten in den zuständigen Mitgliedstaat ist noch nicht abgelaufen. Die Überstellungsfrist beginnt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 29. 1. 2009 - C-19/08 „Petrosian“ - juris Rn. 37ff.) bei Vorliegen aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs erst zu laufen ab der gerichtlichen Entscheidung, „mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann“. Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag der Kläger gem. § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 14. Februar 2014 die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen angeordnet Dies bedeutet, dass die Überstellungsfrist hier erst mit Rechtskraft des Urteils in der vorliegenden Sache zu laufen beginnt (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. April 2014 - 11 S 1721/13 -, juris Rn. 33; U. v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - juris Rn. 36, 58).

Es sind auch keine Verfahrensfehler im Hinblick auf das Aufnahmegesuch des Bundesamts ersichtlich (vgl. Kap. V der Dublin-II-VO).

2.3 Im Falle der Kläger - als einer Familie mit einem Kind unter einem Jahr - entfällt die Zuständigkeit U.s zur Entscheidung über den Asylantrag der Kläger, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin-II-VO zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist.

Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin II-Verordnung nach U. als dem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union überstellt werden sollen, müssen - jedenfalls sofern sie keiner besonders schutzbedürftigen Gruppe angehören - nach herrschender Rechtsprechung derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) rechnen (2.3.1; 2.3.2) (vgl. Entscheidungen zur Rückführung von Personen, die nicht einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis angehören: VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A; VG Ansbach, U. v. 6.2.2015 - AN 14 K 14.50206; VG Gelsenkirchen, B. v.10.4.2015 - 18a L 453/15.A; VG Hamburg, B. v.18.2.2015 - 2 AE 354/15 - alle juris).

Vorliegend bestehen aber bei einer Rückführung nach U. in der besonderen Situation der Kläger als Familie mit Kleinkind wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen (Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen, „asylum detention“) systemische Mängel aufweisen und die Kläger bei einer Überstellung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, der Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im vorgenannten Sinne ausgesetzt sind (2.3.3).

2.3.1 Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Absatz 2 Dublin-II-VO - dann unzulässig, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 et al. - juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, U. v. 21.1.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 413).

Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. - juris Rn. 94).

Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta implizieren, (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. - juris Rn. 86).

Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9/EG, 2004/83 oder 2005/85/EG genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (BVerwG, U. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 6 m. w. N.)

Bei der Bewertung der in U. anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation der Kläger zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation der Kläger auswirken (können) (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12 -juris Rn. 130).

Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, bei denen es sich - wie bei den Klägern - um eine Familie mit einem Kleinkind im ersten Lebensjahr handelt.

2.3.2 Wegen der Änderungen des ungarischen Asylsystems zum 1. Juli 2013 sind für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insbesondere solche Erkenntnisquellen heranzuziehen, die sich auf den nachfolgenden Zeitraum beziehen. Zum 1. Juli 2013 wurden in U. erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. „asylum detention“ - eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft - in das Asylrecht aufgenommen.

Maßgebliche Erkenntnisquellen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 et al. juris Rn. 90 ff.). Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (EuGH, U. v. 30.5.2013 - C 528/11 - juris Rn. 44).

Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind (vgl. EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - InfAuslR 2014, 197ff.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in U. unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass es nach den Länderberichten eine sog. Asylhaft auch für Dublin-Rückkehrer gibt. Die Haftgründe seien vage formuliert und es gebe kein Rechtsmittel gegen Asylhaft. Die Berichte zeigten aber auch, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und dass Alternativen zur Abschiebungshaft nun vom Gesetz vorgesehen würden. In Bezug auf die Haftbedingungen gebe es immer noch Berichte über Mängel, aus einer Gesamtschau scheine es aber Verbesserungen gegeben zu haben (EGMR, U. v.3.7.2014 - 71932/12 - NLMR 2014, 282ff.). Dem folgend wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass Dublin-Rückkehrer - jedenfalls soweit es sich nicht um Familien mit Kleinkindern bzw. besonders schutzbedürftige Personenkreise handelt - grundsätzlich nach einer Rücküberstellung nach U. nicht Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Art. 3 EMRK zu unterfallen.

2.3.3 Da vorliegend bei der Bewertung der in U. anzutreffenden Umstände in erster Linie auf eine den Klägern vergleichbare Situation und somit auf die Überstellung einer Familie mit Kleinkind abzustellen ist, hat sich das Gericht aus den in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen und unter Zugrundelegung der sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben die erforderliche Überzeugungsgewissheit dahingehend verschafft, dass das ungarische Asylsystem im Hinblick auf Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen von rückgeführten Familien an systemischen Mängeln leidet, die die notwendige Schwelle einer Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK überschreiten.

Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:

2.3.3.1 Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten. Die gesetzlichen Regelungen U.s zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) werden im Wesentlichen den Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL) gerecht (VG Düsseldorf, B. v.1.4.2015 - 13 L 1031/15.A - juris Rn. 57ff.; VG Hamburg, B. v. 18.2.2015 - 2 AE 354/15 - juris Rn. 14; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris Rn. 8). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert.

Gemäß § 31/B Abs. 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Abs.1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Art. 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Abs. 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Abs. 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Abs. 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Abs. 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Abs. 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Abs. 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. § 31/A Abs. 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.

2.3.3.2 Im Hinblick auf die nach derzeitiger Auskunftslage von ungarischen Behörden vorgenommene Inhaftierungspraxis bei Familien mit Kleinkindern liegen nach der Auffassung des Gerichts ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass diese gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidung über die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachtet werden. Hieraus ergibt sich gerade im Hinblick auf die von dieser Inhaftierungspraxis betroffenen Kleinkinder eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung, die nach der Rechtsprechung des EGMR die erforderliche Schwelle überschreitet.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann (vgl. BVerfG, B. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - juris Rn. 32) und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat in seiner Rechtsprechung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta folgendes ausgeführt:

In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher, die nicht das Bild eines illegalen Einwanderers bieten, in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte (vgl. EGMR, U. v. 21.1.2011 - 30696/09 - juris Rn. 225, 234). Art. 3 EMRK verpflichte die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt (EGMR, U. v. 21.1.2011 - a. a. O. - Rn. 222). Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, seien die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. komme umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta ein besonderes Gewicht zu (EGMR, U. v. 21.1.2011 - a. a. O. -, Rn. 250, 263; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 172/13 - juris Rn. 40).

Für die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK müsse die drohende Behandlung ein Mindestmaß an Intensität aufweisen. Sämtliche Umstände des Einzelfalles seien dabei zu berücksichtigen (EGMR, U. v.4.11.2014 - 29217/12 „Tarakhel gg. die Schweiz“ - www.asylnet auszugsweise). Kinder genössen über die Gruppe der Asylsuchenden hinaus einen besonderen Schutz, da sie spezifische Bedürfnisse haben und extrem verletzlich sind. Dies gelte unabhängig davon, ob sie allein oder in Begleitung ihrer Eltern sind. Die Aufnahmebedingungen für asylsuchende Kinder müssten ihrem Alter und ihren Bedürfnissen angepasst sein.

Was Minderjährige angeht, hat der Gerichtshof entschieden, es müsse im Auge behalten werden, dass ihre besonders verwundbare Lage entscheidend ist und schwerer wiegt als die Tatsache, dass sie Ausländer mit unrechtmäßigem Aufenthalt sind. Kinder hätten besondere Bedürfnisse wegen ihres Alters und ihrer Abhängigkeit, aber auch wegen ihres Status als Asylbewerber. Die Kinderkonvention der UN verpflichte im Übrigen die Staaten zu angemessenen Maßnahmen, damit ein Kind, das sich um einen Flüchtlingsstatus bemüht, Schutz und menschliche Hilfe erhält, einerlei, ob es allein oder von seinen Eltern begleitet ist (EGMR, U. v. 19.1.2012 - 39472/07 Nr. 91 „Popov gg. Frankreich“).

Im Fall Popov gegen Frankreich (15-tägige Haftdauer, Kinder im Alter von knapp 6 Monaten und 3 Jahren) sah der EGMR die von Art. 3 EMRK geforderte Schwelle an Schwere überschritten und eine Verletzung von Art. 3 EMRK hinsichtlich der Kinder als gegeben an. Dem lag zugrunde, dass die Bedingungen, unter denen die Kinder „angehalten“ wurden, nicht ihrem Alter angepasst waren. Die Dauer der „Anhaltung“ der Kinder über einen Zeitraum von 15 Tagen - wenn sie auch an sich nicht exzessiv erscheine - habe von ihnen angesichts der Ungeeignetheit der Infrastruktur für ihre Aufnahme und ihr Alter doch als unendlich lang empfunden werden können. Eine solche Situation könne zu Angst, psychischer Störung und Schädigung des Elternbildes der Kinder beitragen. Daraus folge, dass die Bedingungen, unter denen die Kinder für fünfzehn Tage angehalten wurden, nämlich in einer Umgebung von Erwachsenen, unter starker Polizeipräsenz und ohne Beschäftigung und zusätzlich zur Not ihrer Eltern, für ihr Alter offensichtlich ungeeignet waren. Die beiden Kinder hätten sich in einer Situation besonderer Verwundbarkeit befunden, die durch die Situation der Haft weiter verschärft wurde. Diese Lebensbedingungen hätten für sie eine Situation von Stress und Angst schaffen und besonders traumatisierende Folgen für ihre Psyche haben müssen. Die Behörden hätten den Kindern keine Behandlung gewährleistet, die mit den Bestimmungen der Konvention vereinbar ist (EGMR, U. v. 19.1.2012 - 39472/07 Nr. 91 - Popov/Frankreich).

2.3.3.3 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind nach den aktuellen in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln zur Inhaftierungspraxis U.s bei Familien mit Kindern derzeit folgende Feststellungen zu treffen:

Nach der aktualisierten Fassung des AIDA - Berichts vom 17. Februar 2015 (Asylum Information Database: Country Report Hungary“ des European Council on Refugees and Exiles - ECRE/Verfasser: Hungarian Helsinki Committee - „HHC“) hat sich gegenüber der in der Fassung vom 30. April 2014 berichteten Lage im Wesentlichen verändert, dass nunmehr in der Praxis auch bei Dublin-Rückkehrern Familien mit Kindern in Asylhaftanstalten inhaftiert werden. Während in der Fassung vom April 2014 noch ausgeführt wurde, dass asylsuchende Kinder in Familien „nie“ festgehalten wurden, (S. 49), ist in der aktuellen Fassung „häufig“ angegeben (S. 52). Die Inhaftierungspraxis hat sich somit insoweit geändert, als nunmehr asylsuchende Familien mit Kindern häufig in Asylhaft kommen.

Die Kläger gehören damit ersichtlich nicht zu einer besonders geschützten Personengruppe, die nach der aktuellen Erkenntnislage von einer Asylhaft tatsächlich verschont bleibt (a. A. VG Würzburg, B. v.11.12.2014 - W 1 S 14.50043 - juris Rn. 25 zum AIDA-Bericht Stand April 2014; ebenso VG Regensburg, U. v. 5.12.2014 - RN 6 K 14.50089 - juris Rn. 32, 44).

Nach dem aktuellen AIDA-Länderbericht gibt es ab April 2014 sechs Haftanstalten, wobei sich die Asylhaftanstalten in Debrecen, Békéscsaba und Nyírbátor befinden. Seit Februar 2015 wird Debrecen als Asylhaftanstalt für die Inhaftierung von asylsuchenden Familien verwendet (S. 51). Im Sommer 2013 führte das Ungarische Helsinki Komitee (HHC) Besuche in den Haftanstalten Békéscsaba und Nyírbátor durch und stellte fest, dass die Haftbedingungen für Familien mit Kindern nicht geeignet sind. Es gebe keine sozialen und pädagogischen Aktivitäten für Kinder, das Essen sei nicht geeignet und sie hätten kein Spielzeug. Diese Ergebnisse seien bei den Kontrollbesuchen im Jahr 2014 bestätigt worden. Die Asylhaftanstalten würden vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN)= verwaltet. Die Sicherheit in den Zentren werde durch die Polizei getragen. Es gebe Beschwerden über das aggressive Verhalten der Sicherheitskräfte in allen Zentren (S. 59).

Obwohl unbegleitete Minderjährige gesetzlich von der Asylhaft ausgenommen seien, habe das Ungarische Helsinki Komitee auf Beobachtungsmission im Jahre 1914 viele Jugendliche in Asylhaft entdeckt. Der UNHCR bekräftigt, dass die Inhaftierung eindeutig gegen Art. 3 EMRK verstoße und dass auch eine kurzfristige Inhaftierung äußerst schädlich für die psychosoziale Entwicklung von Kindern sei (S. 56). Weiter ist zu den Haftbedingungen (S.60 f.) folgendes ausgeführt: Die Debrecen-Anlage habe nur einen kleinen Hof, der nicht ausreichend ausgestattet sei. Der Hof bestehe aus einem kleinen Bereich aus Beton, in dem keine sinnvolle körperliche Bewegung, Sport oder andere Aktivitäten durchgeführt werden könnten. Darüber hinaus gebe es keine Bank im Hof, keinen Schatten, keine Bäume oder andere Objekte, die in der Sommerhitze einen längeren Aufenthalt auf dem Hof ermöglichen würden.

Das Ungarische Helsinki Komitee hat eine Reihe von Beschwerden in Debrecen erhalten, es gebe u. a. zu wenig Speicherkapazitäten (Schränke, Regale). Das HHC hat sich besorgt darüber geäußert, dass Debrecen als offenes Aufnahmezentrum für Asylsuchende eingerichtet wurde. Die Haftanstalt habe einen riesigen Zaun mit einschüchternder Wirkung. Die auf dem Zaun installierten Wachtürme verstärkten diesen Effekt, wodurch der Eindruck eines Hochsicherheitsgefängnisses erreicht werde. Die Tatsache, dass die Gefangenen frei sich bewegende Asylsuchende auf der anderen Seite des Zauns sähen, erhöhe die Frustration und die Gefahr von Aggression und außergewöhnlichen Ereignissen.

Zu der Zeit des dritten Update (Februar 2015) seien Familien in der Haftanstalt Debrecen festgehalten. Nach Meinung des HHC sei diese Asylhaftanstalt nicht für die Inhaftierung von Familien geeignet. Kinder gingen nicht zur Schule, es gebe keine sozialen oder pädagogischen Aktivitäten in den Zentren organisiert, das Essen sei nicht geeignet für Kinder und sie hätten nur sehr wenige Spielwaren. Die Debrecen Asylhafteinrichtung sei für die Inhaftierung von Familien aufgrund ihres geringen Außenraumes besonders ungeeignet. Außerdem seien die in Asylhafteinrichtungen vorhanden bewaffneten Sicherheitsleute einschüchternd für Kinder.

Die übrigen in das Verfahren eingeführten Auskünfte stimmen allgemein zur Inhaftierungspraxis aufgrund des seit Juli 2013 in Kraft getretenen ungarischen Gesetzes und den Haftbedingungen mit diesen Ausführungen überein, geben jedoch aufgrund der Tatsache, dass die Inhaftierung von Familien mit Kindern in Asylhaftanstalten erst seit Ende 2014/Anfang 2015 erfolgt, im Hinblick auf die hier vorliegende Problematik der Inhaftierung von Familie nicht die aktuelle Situation in dieser Hinsicht wieder, so dass das Gericht seine Erkenntnisse hauptsächlich auf die Ausführungen im aktuellen AIDA - Bericht, Stand 17. Februar 2015, stützt. Die Beklagte hat sich trotz schriftlicher gerichtlicher Aufforderung unter Hinweis auf die neue Auskunftslage insoweit, als Familien mit minderjährigen Kindern nunmehr häufig in Asylhaft genommen würden (Telefax vom 13.4.2015), nicht geäußert.

2.3.3.4 Das Gericht ist der Auffassung, dass den Klägern als Familie bei einer Dublin-Rückführung mit hoher Wahrscheinlichkeit Asylhaft bis zu 30 Tagen droht und dass die Bedingungen, unter denen die Kleinkinder in den für Familien vorgesehen Asylhaftanstalten (vgl. 2.3.3.3) völlig ungeeignet sind, so dass auch ein Aufenthalt für einen Zeitraum von wenigen Tagen (hier bis höchstens 30 Tage) bereits geeignet ist, Stress, Angst und traumatisierende Folgen für die Psyche der Kinder hervorzurufen. Zu berücksichtigen ist, dass das Kind der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) noch nicht ein Jahr alt ist und aufgrund des geringen Alters besonders verletzlich ist. Zudem sind die Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten in U., insbesondere in Debrecen, das als Asylhaftanstalt für Familien vorgesehen ist, in jeder Hinsicht ungeeignet für die Unterbringung eines Kleinkindes - sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum. Nach den obigen Ausführungen wirkt diese Haftanstalt durch die vorhandenen bewaffneten Sicherheitsleute für Kinder besonders einschüchternd. Durch den hohen Zaun und die Wachtürme wird der Eindruck eines Hochsicherheitsgefängnisses erweckt. Da ein Kind im Alter unter einem Jahr bzw. als Kleinkind einer geeigneten altersgerechten Ernährung bedarf, ist auch die Aussage, dass das Essen für Kinder nicht geeignet ist, besonders negativ zu bewerten. Außerdem ist gerade der für die Entwicklung der Kinder notwendige Außenraum in Debrecen besonders gering und vom HHC als ungeeignet bewertet worden. Zudem gibt es keine sozialen und pädagogischen Aktivitäten. Insgesamt hat das Gericht keinen Zweifel und die erforderliche Überzeugungsgewissheit, dass die ungarischen Asylhaftbedingungen für den Aufenthalt insbesondere von Kleinkindern völlig ungeeignet sind und dass die von Art. 3 EMRK geforderte Schwelle an Schwere überschritten wird.

Unabhängig davon ergibt sich auch aus der hinsichtlich Familien mit Kindern von den ungarischen Behörden ausgeübten Inhaftierungspraxis, die von einer „regelmäßigen“ Inhaftierung von Familien mit Kindern ausgeht, eine willkürliche und die ungarischen Vorschriften missachtende Praxis. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen - in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Aufnahmerichtlinie - Familien mit Minderjährigen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Wird aber wie hier das Regel - Ausnahmeverhältnis umgekehrt und unter Verstoß gegen Art. 8 EMRK eine Familie mit Kindern in einer solchen Weise der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt, dürfte eine solche Behandlung - die nach der Auskunftslage auch nicht auf Einzelfälle beschränkt ist, sondern systemisch erfolgt, bereits für sich genommen die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta erforderliche Schwere aufweisen. Für das Erreichen der erforderlichen Schwere der Grundrechtsverletzung spricht ferner, dass eine solche Inhaftierungspraxis, ungeachtet gegebenenfalls abweichender rechtlicher Vorgaben des ungarischen Asylrechts, auch nicht mit den unionsrechtlichen Mindeststandards der maßgeblichen Aufnahmerichtlinie in Einklang zu bringen ist (Art. 11 Abs. 2 AufnRL).

Nach alledem hat die Anfechtungsklage der Kläger in vollem Umfang Erfolg.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119 zitiert oder wird zitiert von 22 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 4 K 14.30119 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. März 2015 - 13a ZB 15.50000

bei uns veröffentlicht am 06.03.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 06. Feb. 2015 - AN 14 K 14.50206

bei uns veröffentlicht am 06.02.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der 1978 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und wendet sich ge

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2015 - 13a ZB 14.50071

bei uns veröffentlicht am 23.01.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ge

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 05. Dez. 2014 - RN 6 K 14.50089

bei uns veröffentlicht am 05.12.2014

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 11. Dez. 2014 - W 1 S 14.50043

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragsteller wurde am ... in Bad K. geboren.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2014 - 13a B 13.30295

bei uns veröffentlicht am 28.02.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 10. Apr. 2015 - 18a L 453/15.A

bei uns veröffentlicht am 10.04.2015

Tenor Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 18a K 1140/15.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 in Ziffer 2. enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 01. Apr. 2015 - 13 L 1031/15.A

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Gründe: 2Der am 23. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag, 3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2268/15.A gegen

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 20. März 2015 - 13 K 501/14.A

bei uns veröffentlicht am 20.03.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sich

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 18. Feb. 2015 - 2 AE 354/15

bei uns veröffentlicht am 18.02.2015

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordn

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Aug. 2014 - A 11 S 1285/14

bei uns veröffentlicht am 27.08.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Der am xx.xx.1992
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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 26. Apr. 2016 - AN 3 S 16.50125

bei uns veröffentlicht am 26.04.2016

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR. Gründe I. Der Antragsteller ist nach eigenen

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 20. Apr. 2016 - AN 3 S 16.50102

bei uns veröffentlicht am 20.04.2016

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR. Gründe I. Der Antragsteller ist nach eigenen

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 20. Apr. 2016 - AN 3 S 16.50109

bei uns veröffentlicht am 20.04.2016

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR. Gründe I. Der Antragsteller ist nach eigenen

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 17. Feb. 2016 - AN 3 S 16.50035

bei uns veröffentlicht am 17.02.2016

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR. Gründe I. Der An

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. November 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Januar 2014 betrifft, hat keinen Erfolg. In Nr. 1 dieses Bescheids war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Die Beklagte wirft zunächst als gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob „der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG bereits deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und infolge dessen i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Verletzung in eigenen Rechten vorliegt“.

Insoweit ist das Rechtsmittel bereits nicht statthaft und unzulässig, weil die Beklagte durch die Aufhebung von Nr. 1 ihres Bescheids nicht beschwert ist. Eine Beschwer läge nur vor, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für sie nach ihrem Inhalt nachteilig wäre, also dem Kläger etwas zu ihren Lasten zusprechen, zu ihren Lasten rechtsgestaltend wirken oder einen Streit um ein Rechtsverhältnis zu ihren Ungunsten entscheiden würde (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 29; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, vor § 124 Rn. 39). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Bundesrepublik Deutschland durch Zeitablauf nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgeblich ist hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in der der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Unstreitig ist hier die Überstellungsfrist abgelaufen. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der 6-Monatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 19 K34). Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (dies., Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 K9, zu der Nachfolgeregelung des Art. 29 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist). Auch die Beklagte geht von ihrer Zuständigkeit aus, wie sich aus deren Überlegungen zu einer Umdeutung des Bescheids ergibt. Der Ausspruch, der Asylantrag des Klägers sei mangels Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, entspricht daher weder der Rechtslage noch der nunmehrigen Auffassung der Beklagten. Seine Aufhebung verletzt diese nicht in ihren Rechten.

Auf die weitere Frage, ob das Urteil insoweit von der Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677) abweicht, kommt es damit nicht an.

Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält insoweit für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Die aufgeworfene Frage ist jedoch durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B. v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe OVG Hamburg, B. v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris; NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden.

Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden. Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, dürfte - worauf der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg selbst im Urteil vom 16. April 2014 (A 11 S 1721/13 a. a. O.) hinweist - durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2014 betrifft, ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen. In Nr. 1 des Bescheids vom 12. März 2014 war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Das Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B.v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist. Aus der zudem von der Beklagten genannten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 2.9.2014 - A 11 S 1611/14 - n.v.) lässt sich nicht entnehmen, ob die grundsätzliche Bedeutung wegen der hier einschlägigen Frage angenommen wurde oder zur Klärung, ob in Bulgarien systemische Mängel vorhanden sind.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenes Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt ist, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrechtlicher Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der am xx.xx.1992 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger Er reiste seinen Angaben zufolge am 04.10.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 07.10.2013 einen Asylantrag. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsyIVfG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger am 22.10.2013 an, im September 2013 mit dem Schiff kommend in Italien eingereist zu sein, wo er auch erkennungsdienstlich behandelt worden sei.
Auf ein Übernahmeersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.12.2013 an die zuständige italienische Behörde reagierte Italien nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wies Italien mit Schreiben vom 03.03.2014 darauf hin, dass das Übernahmeersuchen gem. Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO als angenommen gelte.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 12.03.2014 fest, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Die Zustellung des Bescheids an den Kläger erfolgte am 17.03.2014.
Am 19.03.2014 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart, die nicht näher begründet wurde und mit der er die Aufhebung des Bescheids vom 12.03.2014 und die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens begehrte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Ein beim Verwaltungsgericht am 19.03.2014 gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 07.04.2014 - A 4 K 1411/14 - zugestellt am 09.04.2014).
Durch Urteil vom 05.05.2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Nach § 27a AsyIVfG sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers sei Italien zuständig. Die Zuständigkeit bestimme sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (VO Dublin II), da noch unter der Geltung der VO Dublin II um Aufnahme nachgesucht worden sei (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 343/2003 i.V.m. Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III). Damit sei Italien gemäß Art. 16 Abs. 1 VO Dublin II gehalten, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 VO Dublin II wiederaufzunehmen. Im Rahmen des Art. 20 bestehe dabei zum einen die Möglichkeit, dass der ersuchte Mitgliedstaat der Wiederaufnahme ausdrücklich zustimme (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. d); zum anderen könne davon ausgegangen werden, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiere, wenn er innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen, wenn das Wiederaufnahmegesuch Hinweise enthalte, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen könne, dass er zuständig sei, keine Antwort erteile (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. c). Im vorliegenden Fall habe die Beklagte am 30.12.2013 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden gerichtet. Dieses Übernahmeersuchen sei bis heute unbeantwortet geblieben. Damit stehe gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c) fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers (stillschweigend) zugestimmt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union könne der Asylbewerber in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers zugestimmt habe bzw. eine solche Zustimmung als erteilt gelte, einer Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Es obliege dem Asylbewerber, der sich auf systemische Mängel im jeweiligen Aufnahmestaat berufe, diese unter Angabe von Quellen darzulegen Der Kläger habe das Vorliegen solcher systemischer Mängel für Italien nicht geltend gemacht, solche seien im Übrigen für das Gericht auch nicht erkennbar Die Abschiebungsanordnung sei ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne, d. h. rechtlich und tatsächlich möglich sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines inländischen Vollstreckungshindernisses, das vom Bundesamt bei Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG zu prüfen sei, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das Urteil wurde dem Kläger am 09.05.2014 zugestellt.
Am 10.06.2014 (Dienstag nach Pfingsten) hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.
10 
Durch Beschluss vom 02.07.2014 hat der Senat hinsichtlich der im Bescheid vom 12.03.2014 enthaltenen Abschiebungsanordnung (Ziffer 2) die Berufung zugelassen und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Der Beschluss wurde dem Kläger am 10.07.2014 zugestellt.
11 
Am 11.08.2014 (einem Montag) hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet.
12 
Er trägt vor: § 34a Abs. 1 AsylVfG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar, weil es eine Abschiebung anordne, die typischerweise mit Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werde und dadurch eine Eingriffsschärfe aufweise, die unverhältnismäßig sei und bei realistischer Betrachtung das abgestufte Regelungswerk der Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung ausschließe, welches das Unionsrecht vorgebe. Es sei auch keine unionsrechtskonforme Auslegung oder Handhabung möglich, da der Inhalt des Begriffes der Abschiebungsanordnung einen zwingenden Imperativ enthalte, von dem nicht ersichtlich sei, wie von ihm abgerückt werden könne. Die Abschiebungsanordnung sei ein dem Aufenthaltsrecht durchaus bekanntes Regelungsinstrument, es finde sich ebenfalls in der Regelung des § 58a AufenthG. Danach könne die Oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer unter anderem zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorherige Ausweisung eine Abschiebungsandrohung erlassen. Hier sei eine hohe Eingriffsschwelle gegeben. Es bedeute für einen Flüchtling eine diskriminierende Behandlung, wenn er durch die identische Rechtsfolge des angeordneten Verwaltungshandelns im Grunde genommen mit Gefährdern der öffentlichen Sicherheit oder mit Terroristen auf eine Stufe gestellt werde. In materiell-rechtlicher Hinsicht stelle eine Abschiebungsanordnung eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung dar, da sie ohne vorherige Ausweisung ergehen könne und zur Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führe. Sie lasse anders als die Ausweisung keine Abwägung zwischen den Belangen der Betroffenen zu, sondern verabsolutiere einseitig das öffentliche Interesse. Sie schließe auch für dauernd die Wiederkehroption aus (§ 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG). Insofern stelle die Abschiebungsanordnung ein bislang dem deutschen Recht nicht bekanntes schärfstes Schwert zur Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts dar. Bei realistischer und praktischer Betrachtung sei es für einen betroffenen Asylbewerber selbst dann, wenn die Behörde die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht ausführe, wohl eher nicht möglich, sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Die „Selbstüberstellung" sei aus der Sicht eines einfachen Flüchtlings kaum durchführbar, da Akte der Zusammenarbeit und der Kontaktaufnahme zwischen den Behörden der beiden zuständigen Mitgliedstaaten notwendig seien und es schwer vorstellbar sei, wie und auf welche Art und Weise ein Flüchtling sich anschicken solle, selbst die Reise anzutreten, denn es müsse geregelt sein, wohin genau er sich begeben müsse und wie die Reise vonstattengehen solle. Deshalb würden auch so wenige Überstellungsentscheidungen später tatsächlich vollzogen. Die Ausführungen der Beklagten zu der Rechtsterminologie würden ebenfalls nicht weiterhelfen. Es sei zunächst darauf hinzuweisen, dass die Regelung im Unionsrecht, wonach die Überstellung „gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates" erfolge, keine Freigabe enthalte, Maßnahmen zu ergreifen, die über eine „Überstellung" hinausgingen, der Begriff der Überstellung markiere einen Rahmen. Dieser werde zum Beispiel in der englischen Sprache mit „Transfer" beschrieben. Für den Begriff der „Abschiebung" gebe es sowohl in der englischen als auch in der französischen Sprache einen eigenständigen Begriff, nämlich den der sogenannten „Deportation". Somit handele es sich um zwei unterschiedliche Arten des Verwaltungshandelns. „Überstellung" schließe nicht als allgemeiner Begriff eine „Abschiebung" mit ein. Aus der Sicht des Klägers bedeute die „Überstellung" eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung, nämlich eine Aufenthaltsbeendigung „sui generis", welche die Notwendigkeit einer eigenständigen Ergänzung des Asylverfahrensgesetzes oder des Aufenthaltsgesetzes erforderlich gemacht hätte. Gegebenenfalls müssten auch die Detailregelungen VO Dublin III direkt angewandt werden. Auch verlange Art. 19 Abs. 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II, dass im Bescheid bereits die Frist für die Überstellung und ggf. der Zeitpunkt und der Ort anzugeben seien, zu dem oder an dem sich der Betroffene zu melden habe; diesen Anforderungen genüge der Bescheid der Beklagten nicht.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 05.05.2014 - A 4 K 1410/14 - zu ändern und Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 12.03.2014 aufzuheben.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie führt aus: § 34a Abs. 1 AsylVfG stehe nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben, zumindest sei er einer Auslegung zugänglich, die die Wirksamkeit der Vorschrift unberührt lasse. Soweit geltend gemacht werde, § 34a Abs. 1 AsylVfG verstoße gegen die in Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin genannten drei unterschiedlichen Modalitäten der Überstellung, sei zunächst fraglich, ob der europäische Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten überhaupt die Vorgabe habe machen wollen, grundsätzlich alle drei Überstellungsmodalitäten nebeneinander vorzusehen, oder ob er dem nationalen Gesetzgeber insoweit einen Gestaltungsspielraum eingeräumt habe. Hinsichtlich der deutschen Gesetzeslage sei insbesondere die Frage von Bedeutung, ob dem Asylbewerber die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, sich auf eigene Initiative innerhalb einer vorgegebenen Frist in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Letzteres sei vom Wortlaut her nicht zwingend. Für einen Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers spreche vielmehr die Formulierung, "die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen". Von einem Gestaltungsspielraum gehe auch Art. 29 Abs. 1 Satz 1 VO Dublin III aus, wonach die Überstellung "gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaats" erfolge. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften wäre überflüssig, wenn der europäische Verordnungsgeber die Modalitäten der Überstellung abschließend hätte regeln wollen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet sei, eine Durchsetzung der Überstellung ausschließlich im Wege des Verwaltungszwangs vorzusehen. Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin liege damit auch dann nicht vor, wenn § 34a AsylVfG keine freiwillige Ausreise zulassen sollte. Es sei auch fraglich, ob der betroffene Asylbewerber durch eine nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ergangene Abschiebungsanordnung rechtlich gehindert sei, sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Dies sei nicht der Fall. Denn wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG könne die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe nicht vollstreckt werden. Zwar erkläre § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung nur bei rechtzeitiger Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO für unzulässig. Das Recht, gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen, liefe jedoch leer, wenn eine Abschiebung innerhalb dieser Wochenfrist zulässig wäre. Der Zeitraum einer Woche verbleibe dem Asylbewerber also in jedem Fall, um sich freiwillig in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben, es sei denn, er befinde sich in Haft. Haft jedoch komme nach Art. 28 Abs. 1 u. 2 VO Dublin III nur in begründeten Einzelfällen in Betracht. Der mögliche Ausreisezeitraum sei von Gesetzes wegen mit einer Woche klar umrissen, was den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a DVO Dublin genüge. Damit stehe § 34a AsylVfG auch dann nicht im Widerspruch zu Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin, falls diese Vorschrift die Möglichkeit einer Ausreise "auf Initiative" zwingend vorschreiben sollte. Soweit weitergehend vertreten werde, § 34a Abs. 1 AsylVfG verstoße bereits deshalb gegen Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bzw. Art. 29 Abs. 1 Satz 2 VO Dublin III, weil diese nur eine "Überstellung" zuließen, nicht jedoch eine "Abschiebung", werde verkannt, dass europäische Rechtstexte, die regelmäßig in englischer oder französischer Sprache verfasst und für die Übersetzung in weitere Sprachen gedacht seien, nicht an der Rechtsterminologie eines einzelnen Mitgliedstaates gemessen werden könnten. Die Formulierung "Überstellungen (..) in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung" (engl. "transfers (...) carried out by supervised departure or under escort") sei deshalb im "untechnischen" Sinne zu verstehen. Sowohl die "kontrollierte Ausreise" als auch die "begleitete Ausreise" ließen sich unter den deutschen Rechtsbegriff der "Abschiebung" subsumieren, so dass bei zutreffender Auslegung ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben nicht bestehe.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
19 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten und die Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie unter Stellung eines Antrags frist- und formgerecht begründet.
21 
Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg.
22 
I. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung vom 12.03.2014 ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
23 
1. Diese Bestimmung ist nach Maßgabe der folgenden Ausführungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) wie auch der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) vereinbar. Der Senat kann daher offen lassen, ob hier im Hinblick auf Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III auf das eigentliche Überstellungsverfahren, das erst nach dem 31.12.2013 eingeleitet wurde, schon die Neufassung anzuwenden ist, auch wenn das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen bereits vor dem 01.01.2014 gestellt worden war.
24 
a) Es widerspricht insbesondere nicht dem Union, wenn nach dem nationalen Recht zwingend der Erlass einer Abschiebungsanordnung vorgesehen ist, die nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen verlangt, dass feststehen muss, dass die Abschiebung in den jeweiligen Zielstaat durchgeführt werden kann. Denn der Wortlaut ist zumindest in einer Weise offen, dass hieraus nicht abgleitet werden kann, dass eine Abschiebung ausnahmslos stattfinden muss, selbst wenn Union dem entgegensteht.
25 
Nach Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II teilt u. a. im Fall des Art. 16 Abs. 1 lit. e) der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und „gegebenenfalls“ der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist. Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 27 Absatz 2 VO Dublin II festgelegt wird. Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen gemeldet hat. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II erfolgt die Überstellung gemäß den nationalen Rechtsvorschriften.
26 
Diese Regelungen entsprechen den für die Aufnahme geltenden Vorgaben in Art. 19 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 und Abs. 3 UA 1 und 2 VO Dublin II.
27 
Die VO Dublin III unterscheidet hinsichtlich des Überstellungsverfahrens nicht mehr zwischen der Aufnahme und der Wiederaufnahme und trifft insoweit einheitliche Regelungen. Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III bestimmt, dass die Entscheidung nach Absatz 1 eine Rechtsmittelbelehrung enthält, die, falls „erforderlich“, auch auf das Recht, die aufschiebende Wirkung zu beantragen, hinzuweisen hat; außerdem hat sie Informationen zu enthalten über die Frist für die Durchführung der Überstellung mit erforderlichenfalls Angaben über den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zu dem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diese Person sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Art. 29 Abs. 1 VO Dublin III regelt, dass die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats erfolgt.
28 
Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02.09.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (ABl. 2003, Nr. L 222 S. 3 - im Folgenden DVO Dublin), der nicht durch die DVO (EU) Nr. 118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. Nr. L 39, 1) geändert wurde, sieht vor, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen kann: a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist, b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird. Nach Art. 7 Abs. 2 der genannten Durchführungsverordnung erhält der Asylbewerber in den Fällen des Absatzes 1 lit. a) und b) einen Passierschein und im Fall lit. c) ein Laissez-passer.
29 
Das insoweit unmittelbar anzuwendende Unionsrecht geht - in Kenntnis des Risikos, dass der Asylbewerber diese ihm eingeräumte Möglichkeit missbrauchen kann - nach den dargestellten Bestimmungen somit unzweifelhaft von der Möglichkeit einer freiwilligen oder kontrollierten Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat aus. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob diese Möglichkeit nur dann zu gewähren ist, wenn auch das nationale Recht die freiwillige oder kontrollierte Ausreise bei Dublin-Überstellungen ausdrücklich vorsieht, oder ob es eine bindende unionsrechtliche Vorgabe darstellt, dass jeder Mitgliedstaat - quasi als milderes Mittel - auch eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise vorsehen muss und in welchem (rechtlichen) Rahmen dies zu geschehen hat.
30 
b) Unter Berufung auf die in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II enthaltene Klausel „gegebenenfalls“, die auch so schon im Kommissionsentwurf enthalten war (vgl. Art. 21 KOM/2001/0447endg.), sowie den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften, wird die Auffassung vertreten, eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise sei nur dann zu ermöglichen, wenn das innerstaatliche Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehe, was im deutschen Recht nicht der Fall sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass Art. 7 DVO Dublin die dort genannten Alternativen der Aufenthaltsbeendigung nicht in ein Rangverhältnis stelle und die begleitete Überstellung nicht von dem Erfordernis der vorher eingeräumten Möglichkeit der freiwilligen Ausreise oder kontrollierten Ausreise abhängig gemacht werde (HessVGH, Beschluss vom 31.08.2006 - 9 UE 1464/06.A - juris). Wenn nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen könne, so bedeute dies nur, dass die Wahl des Vorgehens im Einzelfall allein nach den innerstaatlichen Vorschriften erfolge (so etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 29.03.2005 - A 18 K 10372/05 - juris Rn. 3). Gem. Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bestehe eine durch innerstaatliches Recht auszufüllende Gestaltungsmöglichkeit eines jeden Mitgliedstaats (VG Bremen, Urteil vom 25.10.2006 - 1 K 222/05.A - juris Rn. 20). Die Verwendung des Wortes „gegebenenfalls“ zeige, dass es grundsätzlich in der Entscheidungsfreiheit des die Überstellung durchführenden Mitgliedstaats liege, ob tatsächlich eine freiwillige Überstellung erfolgen solle, mithin jedenfalls kein Rechtsanspruch des Asylbewerbers auf eine solche Vorgehensweise bestehen könne. Der Erlass einer Abschiebungsanordnung wird mit diesen Überlegungen als unionsrechtskonform angesehen (vgl. auch BremOVG, Beschluss vom 03.11.2009 - 2 A 460/06 - juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 25.02.2008 - 21 B 06.30145 - juris - Rn. 20; a.A. aber etwa GK-AsylVfG, § 34a Rn. 53 und § 27a Rn. 252 ff. ; Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 27a AsylVfG Rn. 2).
31 
c) Dem folgt der Senat nicht. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften besagt nur, dass die Verordnung insoweit keine abschließende, ins Einzelne gehende Regelung treffen wollte, was das gesamte Verfahren der Aufenthaltsbeendigung bzw. Überstellung betrifft, nicht aber, dass es im Belieben eines jeden Mitgliedstaats stehen soll, nationale Regelungen zu treffen, die eine Überstellung ausschließlich im Wege der Abschiebung, d.h. einer förmlichen Vollstreckung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zulassen. Sowohl der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III liegt vielmehr zugrunde, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine konkrete Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll, denn die unionsrechtlich vorgesehenen Varianten der Aufenthaltsbeendigung werden zumindest auch mit Blick auf die Betroffenen und deren hiervon berührte Interessen eröffnet, weshalb auch in diesem Sinne von ihnen Gebrauch zu machen ist. Dieses Ermessen ist nationalrechtlich für die Bundesrepublik allerdings in zulässiger Weise durch § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG gebunden.
32 
Dem steht die von der VO Dublin II verwendete „Gegebenenfalls-Klausel“, die sich in der VO Dublin III in sinngemäßer, aber inhaltsgleicher Weise in Art. 26 Abs. 2 wiederfindet, nicht entgegen. Diesen Begriff als eine derart weitgehende „Öffnungsklausel“ für das nationale Recht einzustufen, stellt eine nicht gerechtfertigte Überinterpretation dar; nichts anderes gilt für den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften. Die Klausel bezieht sich nur auf eine Notwendigkeit, dem oder der Betroffenen Ort und Zeit zu nennen, wo bzw. wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat zu melden hat, wenn die Überstellung auf freiwilliger Basis ermöglicht wird. Durch die Nennung dieser Daten wird sichergestellt, dass der Asylbewerber seinen „Treffpunkt“ kennt - falls er (oder ihn betreuende Organisationen oder sein Rechtsanwalt) nicht ohnehin im Rahmen einer Ausreise aus eigener Initiative unmittelbar mit den für ihn zuständigen Stellen im Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmemitgliedstaat im Vorfeld Kontakt aufgenommen hat und ihm daher bekannt ist, wann und wo er sich einzufinden hat. Im Übrigen kann die Bekanntgabe von Ort und Zeit auch dazu dienen, dem zuständigen Mitgliedstaat die Mitteilung an den ersuchenden Staat über das Eintreffen des Asylbewerbers zu erleichtern (vgl. Art. 19 Abs. 3 UA 3 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II bzw. Art. 29 Abs. 1 UA 4 VO Dublin III). Soweit die VO Dublin II in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. in Art. 20 Abs. 1 lit d) Satz 2 bzw. die VO Dublin III in Art. 29 Abs. 1 UA 1 auf die „Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts“ abstellen, zwingt dies nicht dazu, von einer unbegrenzten Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten auszugehen. Mit einer solchen Sicht der Dinge würde nicht angemessen berücksichtigt, dass Zwangsmittel nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen möglichst zurückhaltend einzusetzen sind (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151). Der Umstand, dass jedes staatliche Handeln dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss und eine zwangsweise Durchsetzung einer Ausreisepflicht – ungeachtet der hierdurch möglicherweise nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG verbundenen Rechtsfolgen – stets mit erheblichen Beeinträchtigungen von Freiheitsrechten verbunden ist (vgl. auch den 15. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 19. und 32. Erwägungsgrund der VO Dublin III), spricht auch dafür, dass es unionsrechtlich nicht zulässig ist, völlig ungeachtet der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen die Überstellung allein im Wege der Abschiebung vorzusehen und durchzuführen. Da bei einer Abschiebung immer auch Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 GG und ggf. Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 6 GRCh) betroffen sind, steht für den Senat außer Zweifel, dass die Art der Überstellung und deren Durchführung an ihnen zu messen sind und in letzter Konsequenz eigene einklagbare Rechte des Asylbewerbers betreffen. Für die neue Rechtslage wird dies durch den 24. Erwägungsgrund der VO Dublin III, namentlich dessen Satz 2, unterstrichen, wonach die Mitgliedstaaten sich durch entsprechende Informationen des Antragstellers für Überstellungen auf freiwilliger Basis einsetzen und sicherstellen sollten, dass Überstellungen in Form der kontrollierten Ausreise oder Begleitung in humaner Weise und in voller Übereinstimmung mit den Grundrechten und unter Achtung der Menschenwürde sowie dem Wohl des Kindes etc. vorgenommen werden. Dieser „Sicherstellungsauftrag“ verbietet eine Interpretation der Verordnung dahingehend, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt sein könnte, ob sie die Möglichkeit einer Überstellung in freiwilliger oder kontrollierter Form vorsehen wollen (ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin II VO, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151 u. zu Art. 7 DVO K4, S. 224).
33 
c) Aus den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III lässt sich allerdings nicht entnehmen, den Betroffenen müsste zunächst generell die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in der Weise eingeräumt werden, dass ihnen – dem deutschen allgemeinen Aufenthaltsrecht vergleichbar (vgl. § 59 AufenthG) – die Abschiebung unter Setzung einer Frist zu freiwilligen Ausreise angedroht werden muss (vgl. auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Deshalb kann die Entscheidung über den konkreten Vollzug der Überstellungentscheidung den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder überlassen werden und bedarf keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts, der aus den dargestellten Gründen des Unionsrechts nur nicht in der Weise verstanden werden darf, dass eine Überstellung lediglich in der Form der Abschiebung, d.h. der begleiteten Überstellung erfolgen darf (wohl auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 40/08 - juris Rn. 3, wonach es an einer Darlegung fehle, warum sich im Fall des Klägers, der seinen Asylantrag erst nach Aufgriff durch die Polizei im Anschluss an einen - nach seinen Angaben - zweiwöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt habe, der Erlass und die Vollstreckung einer Abschiebungsanordnung infolge einer Ermessensreduzierung nicht aufgedrängt haben solle; VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061 - juris Rn. 20, wonach die Entscheidung über die Art und Weise der Überstellung Aufgabe der Ausländerbehörde sei und es ist nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller von Anfang an zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen wäre; ebenso VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2013 - 33 L 500.13 A - juris Rn. 27, vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 30.10.2006 - A 3 K 710/06 - juris Rn. 4, wonach keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass sich die Antragstellerin überhaupt auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begeben wolle). Allerdings könnte der Wortlaut der Bestimmungen der Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II bzw. des Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III auch so gedeutet werden, dass all das, was die Überstellung betrifft, also die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einschließlich der Modalitäten der Überstellung, in einer einzigen Entscheidung geregelt werden soll, gegen die dann Rechtsschutz möglich ist; zwingend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Es ist nämlich zu bedenken, dass der gesamte Komplex des Verwaltungsvollzugs und dessen Ausgestaltung regelmäßig Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, so dass auch ein Ineinandergreifen verschiedener Behördenzuständigkeiten durch das Unionsrecht akzeptiert wird mit der Folge, dass in Konsequenz des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland der Vollzug im Einzelnen von den zuständigen Ausländerbehörden der Länder durchzuführen und zu organisieren ist. Insoweit kommt dann der in beiden Verordnungen enthaltene Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsvorschriften zum Tragen, wenn wie hier, keine eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben gemacht werden. Wesentlich ist allein, dass die Entscheidung über die konkrete Form der geplanten Überstellung und alle Einzelheiten und Modalitäten so rechtzeitig getroffen und gleichermaßen rechtzeitig den Betroffenen bekanntgeben werden, dass sie noch effektiven Rechtsschutz erlangen können, sofern sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, die von der nach nationalem Recht für den Vollzug zuständigen Behörde getroffenen wurde.
34 
Der Senat leitet dieses Ergebnis auch aus der Tatsache ab, dass etwa die Informationsrechte nach Art. 4 VO Dublin III i.V.m. den Anhängen X bis XIII der DVO Dublin zu umfangreichen bis ins Detail gehenden Vorgaben führen, worüber der Asylbewerber zu belehren und zu informieren ist. Ihm werden die Fristen für die Überstellung und die möglichen Rechtsmittel erklärt. Es findet sich aber kein Hinweis auf die Arten der Überstellung, insbesondere auch nicht zur freiwilligen Ausreise. Das spricht dagegen, dass nach den beiden Verordnungen generell die freiwillige Ausreise einzuräumen ist - auch wenn die VO Dublin II diese umfangreichen Informationsblätter noch nicht kannte. Des Weiteren spricht die in Art. 7 Abs. 1 der DVO zum Ausdruck kommende Wahlfreiheit dafür, es allein der Entscheidung im Einzelfall zu überlassen, wie die Überstellung erfolgt.
35 
Will der Betroffene freiwillig ausreisen, so müssen ihm folglich die Einzelheiten (bis wann er ausgereist sein muss, wo und wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat einzufinden hat) durch die Ausländerbehörde im Außenverhältnis (und nicht durch das Bundesamt) mitgeteilt werden. Eine Konsequenz des seit 06.09.2013 nunmehr ausdrücklich in § 34a Abs. 2 AsylVfG eröffneten Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO (der im Übrigen auch schon für Überstellungen nach der VO Dublin II gilt, falls diese hier noch anzuwenden sein sollte) ist, dass, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, Abschiebungen nunmehr erst konkret geplant werden, wenn die Wochenfrist für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelaufen ist, weshalb auch aus diesem Grund eine ins Detail gehende Regelung durch das Bundesamt in der von ihm zu erlassenden Verfügung nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wenig praktikabel wäre und v.a. auch nicht immer ausreichend zeitnah die konkreten individuellen Verhältnisse der Betroffenen in den Blick nehmen könnte. Die Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genügt für die Betroffenen ebenfalls, um sich mit der Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen und die Möglichkeiten einer freiwilligen Ausreise zu klären. Kommt die zuständige Ausländerbehörde zu der Auffassung, dass eine Abschiebung (zunächst) nicht erforderlich ist und unverhältnismäßig wäre und insbesondere die Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, sind die dargestellten weiteren Einzelheiten von ihr zu veranlassen. Eine Konsequenz der unterschiedlichen Behördenzuständigkeit ist allerdings, dass unterschiedlicher bzw. zusätzlicher Rechtsschutz erforderlich werden kann. Das ist etwa dann denkbar, wenn der Asylbewerber sich primär gegenüber der Beklagten z.B. mit dem Argument, Deutschland sei für sein Asylverfahren zuständig (geworden), gegen die Aufnahme oder Wiederaufnahme wendet, er allerdings jedenfalls auch seine freiwillige Ausreise durchsetzen möchte, die ihm bisher als Möglichkeit von der Ausländerbehörde verweigert wird (gegen den Träger der zuständigen Ausländerbehörde). Solches ist jedoch nicht unzumutbar, zumal dadurch auch eine zeitnahe Beurteilung der konkreten Verhältnisse möglich ist.
36 
2. a) Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsanordnung auch nicht deshalb infrage, weil etwa die Überstellung nach Italien nicht mehr durchgeführt werden könnte. Geht man davon aus, dass das Übernahmeersuchen am 30.12.2013 an Italien übermittelt wurde, so war die hier maßgebliche Beantwortungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 VO Dublin II von zwei Wochen am 13.01.2014 abgelaufen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II wäre dann möglicherweise am Montag, den 14.07.2014, abgelaufen mit der Folge, dass die Bundesrepublik wieder zuständig geworden wäre. Unklar ist in diesem Zusammenhang, welche Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen sind, das im vorliegenden Fall ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes – allerdings mit für den Kläger negativem Ausgang – durchgeführt worden war, während dessen Anhängigkeit gem. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig war, und dass auch vom Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung der Beklagten an den Kläger bis zur Antragstellung mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bzw. Art. 47 Abs. 1 GRCh ein vorübergehendes Abschiebungsverbot bestanden hatte. Nach den in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II oder Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III enthaltenen Wertungen kann kaum angenommen werden, dass die Überstellungsfrist in dieser Zeit uneingeschränkt läuft und in letzter Konsequenz ablaufen kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu betonen, dass der unionsrechtliche Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ nicht in dem spezifischen rechtstechnischen Sinn des deutschen Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts verstanden werden kann und darf, da das Unionsrecht keine genauere Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens bzw. Rechtschutzsystems vornimmt, sondern den nationalen Regelungsbestand voraussetzt (vgl. zu alledem auch GK-AsylVfG, § 27a Stand November 2013 Rn. 227 ff.). Nach Auffassung des Senats hält sowohl die VO Dublin II wie auch die VO Dublin III für diese Fallkonstellation keine angemessene Regelung vor (a.A. aber wohl VG Göttingen, Beschluss vom 30.06.2014 - 2 B 86/14 - juris, das zu Unrecht nicht einmal eine Ablaufhemmung annimmt, sondern den Fristlauf ausschließlich mit Ergehen eines positiven Beschlusses beginnen lassen will, was aber einer sehr formalistischen Betrachtungsweise geschuldet ist, die die von den entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen berücksichtigten Belange der Mitgliedstaaten, die der Europäische Gerichtshof in der Sache Petrosian, Urteil vom 29.1.2009 - C- 19/08 - InfAuslR 2009, 139, herausgearbeitet hat, und die notwendigen Rechtsfolgen einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht angemessen in den Blick nimmt). Der EuGH hat im genannten Urteil u.a. Folgendes ausgeführt:
37 
„…32. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers in den Mitgliedstaat, der ihn wieder aufnehmen muss, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Nach Art. 20 Abs. 2 geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird.
38 
33. Der Wortlaut dieser Bestimmungen an sich erlaubt nicht die Feststellung, ob die Frist zur Durchführung der Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, oder erst ab einer gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden wird.
39 
34. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Mai 2000, KVS International, C-301/98, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, und vom 23. November 2006, ZVK, C-300/05, Slg. 2006, I-11169, Randnr. 15).
40 
35. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 in Verbindung mit Abs. 1 Buchst. c können je nach den Umständen drei Ereignisse den Lauf der Frist von sechs Monaten auslösen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um die Überstellung des Asylbewerbers durchzuführen. Es kann sich erstens um die Entscheidung des ersuchten Mitgliedstaats handeln, die Wiederaufnahme des Asylbewerbers zu akzeptieren, zweitens um den fruchtlosen Ablauf der Frist von einem Monat, die dem ersuchten Mitgliedstaat für eine Stellungnahme zum Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats auf Wiederaufnahme des Asylbewerbers gesetzt worden ist, und drittens um die Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser im ersuchenden Mitgliedstaat aufschiebende Wirkung hat.
41 
36. Diese drei Ereignisse müssen in Abhängigkeit davon analysiert werden, ob es in den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gibt oder nicht, wobei das Ziel zu berücksichtigen ist, dessentwegen die Verordnung Nr. 343/2003 eine Frist für die Durchführung der Überstellung vorsieht.
42 
37. Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden.
43 
38. Wie aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 hervorgeht, läuft in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen ist, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung, durch die der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiert, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliegt, den der Asylbewerber gegebenenfalls gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedstaats erhoben hat.
44 
39. Dann bleiben lediglich die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln und insbesondere deren Datum festzusetzen.
45 
40. In diesem Zusammenhang erlegt Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dem ersuchenden Mitgliedstaat eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung auf. Somit verfolgt diese Frist in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt.
46 
41. Außerdem ergibt sich aus der Darlegung der Gründe zu dem von der Kommission am 26. Juli 2001 vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat (KOM[2001] 447 endg., S. 5, 19 und 20), dass die Kommission gerade deshalb, um den für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, vorgeschlagen hat, die Frist für die Durchführung der Überstellung zu verlängern. Diese Frist, die im am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (ABl. 1997, C 254, S. 1), das durch die Verordnung Nr. 343/2003 ersetzt wurde, mit einem Monat festgesetzt wurde, wurde sodann entsprechend dem genannten Verordnungsvorschlag in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung auf sechs Monate erhöht.
47 
42. Für die zweite Konstellation – wenn der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt – sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung ab der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ läuft.
48 
43. In dieser zweiten Konstellation ist zwar der Beginn der Frist zur Durchführung der Überstellung ein anderer als der, der für die erste angeführte Konstellation festgelegt wird, doch bleibt es dabei, dass sich jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung mit den gleichen praktischen Schwierigkeiten konfrontiert sieht und folglich über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen sollte, um diese Überstellung zu bewerkstelligen. Denn der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 enthält keinen Hinweis darauf, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beabsichtigt hätte, diese beiden Konstellationen unterschiedlich zu behandeln.
49 
44. Daraus folgt, dass angesichts des Ziels, das damit verfolgt wird, dass den Mitgliedstaaten eine Frist gesetzt wird, der Beginn dieser Frist in der zweiten Konstellation so zu bestimmen ist, dass die Mitgliedstaaten wie in der ersten Konstellation über eine Frist von sechs Monaten verfügen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen sollen.
50 
45. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen.
51 
46. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, mit dem die Frist zur Durchführung der Überstellung festgelegt wird, diese Frist in der zweiten angeführten Konstellation nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
52 
47. Dieses Ergebnis wird durch zwei weitere Reihen von Erwägungen bestätigt, die sich einerseits aus der Wahrung des von einem Mitgliedstaat gewährleisteten gerichtlichen Schutzes und zum anderen aus der Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten herleiten.
53 
48. Erstens ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können, wodurch sie dem Asylbewerber ermöglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen.
54 
49. Die Mitgliedstaaten, die Rechtsbehelfe schaffen wollten, die zu Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung im Rahmen des Überstellungsverfahrens führen können, dürfen nämlich nicht im Namen der Einhaltung des Erfordernisses einer zügigen Sachbehandlung in eine weniger günstige Lage versetzt werden als diejenigen Mitgliedstaaten, die dies nicht für notwendig erachtet haben.
55 
50. So befände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asylbewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 – wonach, sobald die Frist für die Durchführung der Überstellung einmal abgelaufen ist, die Annahme der Zuständigkeit durch den ersuchten Mitgliedstaat hinfällig wird – letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
56 
51. Die Auslegung der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, der den Beginn der Frist festlegt, die dem ersuchenden Mitgliedstaat für die Vornahme der Überstellung des Asylbewerbers gesetzt wird, kann folglich nicht zu dem Ergebnis führen, dass sich der ersuchende Mitgliedstaat im Namen der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts über die aufschiebende Wirkung der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung hinwegsetzen müsste, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs ergangen ist, der eine derartige Wirkung haben kann, die dieser Staat in seinem innerstaatlichen Recht doch vorsehen wollte.
57 
52. Was zweitens die Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dahin, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung bereits ab der vorläufigen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung läuft, das nationale Gericht, das die Einhaltung dieser Frist mit der Beachtung einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung vereinbaren wollte, veranlasst wäre, über die Rechtmäßigkeit des Überstellungsverfahrens vor Ablauf der genannten Frist durch eine Entscheidung zu befinden, die gegebenenfalls wegen Zeitmangels der Richter nicht in zufriedenstellender Weise dem komplexen Charakter des Rechtsstreits Rechnung tragen konnte. Wie einige Regierungen und die Kommission in ihren dem Gerichtshof vorliegenden Stellungnahmen betonen, liefe eine derartige Auslegung dem genannten Grundsatz zuwider, wie er in der Gemeinschaftsrechtsprechung niedergelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2003, Safalero, C-13/01, Slg. 2003, I-8679, Randnr. 49, und vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 39)…“
58 
Die vorliegend vom Senat zu beurteilende Fallkonstellation wurde vom Europäischen Gerichtshof nicht genauer angesprochen, geschweige denn beschieden. Die VO Dublin II, aber auch die VO Dublin III, die insoweit keine Änderungen gebracht hat, befassen sich mit dieser Fallgestaltung nicht. Orientiert man sich (zu) eng am Wortlaut der Bestimmungen, so wäre der Fristlauf nicht gehemmt, noch viel weniger wäre die Frist erst mit der Bekanntgabe der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt worden. Außerdem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Verfassungsrechts wie auch einfachen Gesetzesrechts bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre. Andererseits akzeptiert, wie der Europäische Gerichtshof im genannten Urteil ausdrücklich herausgearbeitet hat, das Unionsrecht ausdrücklich, dass für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Dieses zugrunde gelegt muss davon ausgegangen werden, dass eine zu schließende Regelungslücke vorliegt. Diese ist in einer Weise zu schließen, die einen möglichst beide Seiten schonenden Interessenausgleich zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat bewirkt. Diesem Anliegen entspricht es aus der Sicht des Senates am besten, wenn hier während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier vom 17.03.2014 bis zum 09.04.2014) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Frist sich entsprechend verlängert (vgl. § 209 BGB entspr.). Allerderdings ist dieser Sicht der Dinge immanent, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach der Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat die Überstellungsentscheidung unverzüglich erlassen muss, um nach einer negativen Gerichtsentscheidung noch ausreichend Zeit für die Durchführung der Überstellung zur Verfügung zu haben. Diese Konsequenz entspricht aber durchaus den berechtigen und wohl verstandenen Interessen des ersuchten Mitgliedstaats (und mittelbar auch denen des betroffenen Flüchtlings). Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre die Überstellungsfrist hiernach zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen mit der Folge, dass die Zuständigkeit gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 29, Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
59 
b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris) kann allerdings der Kläger den Zuständigkeitsübergang nicht mit Erfolg einwenden, solange die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist. Abgesehen davon ist ihm der Einwand hier auch deshalb abgeschnitten, weil die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids unanfechtbar geworden ist; er müsste insoweit erst ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einleiten. Etwas anderes müsste nur dann gelten, wenn Italien eine zeitnahe Durchführung der Überstellung nunmehr ablehnen würde. Von einer zeitnahen Möglichkeit der Überstellung ist jedoch nach den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auszugehen. Denn die Beklagte hatte Italien im vorliegenden Fall mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist mit Rücksicht auf ein durchgeführtes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erst am 09.10.2014 ablaufe, was darauf beruht, dass die Beklagte der Auffassung ist, die Überstellungsfrist werde erst durch die Zustellung der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt. Nach den plausiblen weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters werden diese nationalen Vorgaben und Mitteilungen jedoch regelmäßig von den ersuchten Mitgliedstaaten akzeptiert, weshalb der Senat davon ausgeht, dass eine Überstellung noch zeitnah möglich ist.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
20 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie unter Stellung eines Antrags frist- und formgerecht begründet.
21 
Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg.
22 
I. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung vom 12.03.2014 ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
23 
1. Diese Bestimmung ist nach Maßgabe der folgenden Ausführungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) wie auch der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) vereinbar. Der Senat kann daher offen lassen, ob hier im Hinblick auf Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III auf das eigentliche Überstellungsverfahren, das erst nach dem 31.12.2013 eingeleitet wurde, schon die Neufassung anzuwenden ist, auch wenn das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen bereits vor dem 01.01.2014 gestellt worden war.
24 
a) Es widerspricht insbesondere nicht dem Union, wenn nach dem nationalen Recht zwingend der Erlass einer Abschiebungsanordnung vorgesehen ist, die nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen verlangt, dass feststehen muss, dass die Abschiebung in den jeweiligen Zielstaat durchgeführt werden kann. Denn der Wortlaut ist zumindest in einer Weise offen, dass hieraus nicht abgleitet werden kann, dass eine Abschiebung ausnahmslos stattfinden muss, selbst wenn Union dem entgegensteht.
25 
Nach Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II teilt u. a. im Fall des Art. 16 Abs. 1 lit. e) der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und „gegebenenfalls“ der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist. Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 27 Absatz 2 VO Dublin II festgelegt wird. Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen gemeldet hat. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II erfolgt die Überstellung gemäß den nationalen Rechtsvorschriften.
26 
Diese Regelungen entsprechen den für die Aufnahme geltenden Vorgaben in Art. 19 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 und Abs. 3 UA 1 und 2 VO Dublin II.
27 
Die VO Dublin III unterscheidet hinsichtlich des Überstellungsverfahrens nicht mehr zwischen der Aufnahme und der Wiederaufnahme und trifft insoweit einheitliche Regelungen. Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III bestimmt, dass die Entscheidung nach Absatz 1 eine Rechtsmittelbelehrung enthält, die, falls „erforderlich“, auch auf das Recht, die aufschiebende Wirkung zu beantragen, hinzuweisen hat; außerdem hat sie Informationen zu enthalten über die Frist für die Durchführung der Überstellung mit erforderlichenfalls Angaben über den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zu dem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diese Person sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Art. 29 Abs. 1 VO Dublin III regelt, dass die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats erfolgt.
28 
Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02.09.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (ABl. 2003, Nr. L 222 S. 3 - im Folgenden DVO Dublin), der nicht durch die DVO (EU) Nr. 118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. Nr. L 39, 1) geändert wurde, sieht vor, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen kann: a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist, b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird. Nach Art. 7 Abs. 2 der genannten Durchführungsverordnung erhält der Asylbewerber in den Fällen des Absatzes 1 lit. a) und b) einen Passierschein und im Fall lit. c) ein Laissez-passer.
29 
Das insoweit unmittelbar anzuwendende Unionsrecht geht - in Kenntnis des Risikos, dass der Asylbewerber diese ihm eingeräumte Möglichkeit missbrauchen kann - nach den dargestellten Bestimmungen somit unzweifelhaft von der Möglichkeit einer freiwilligen oder kontrollierten Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat aus. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob diese Möglichkeit nur dann zu gewähren ist, wenn auch das nationale Recht die freiwillige oder kontrollierte Ausreise bei Dublin-Überstellungen ausdrücklich vorsieht, oder ob es eine bindende unionsrechtliche Vorgabe darstellt, dass jeder Mitgliedstaat - quasi als milderes Mittel - auch eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise vorsehen muss und in welchem (rechtlichen) Rahmen dies zu geschehen hat.
30 
b) Unter Berufung auf die in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II enthaltene Klausel „gegebenenfalls“, die auch so schon im Kommissionsentwurf enthalten war (vgl. Art. 21 KOM/2001/0447endg.), sowie den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften, wird die Auffassung vertreten, eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise sei nur dann zu ermöglichen, wenn das innerstaatliche Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehe, was im deutschen Recht nicht der Fall sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass Art. 7 DVO Dublin die dort genannten Alternativen der Aufenthaltsbeendigung nicht in ein Rangverhältnis stelle und die begleitete Überstellung nicht von dem Erfordernis der vorher eingeräumten Möglichkeit der freiwilligen Ausreise oder kontrollierten Ausreise abhängig gemacht werde (HessVGH, Beschluss vom 31.08.2006 - 9 UE 1464/06.A - juris). Wenn nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen könne, so bedeute dies nur, dass die Wahl des Vorgehens im Einzelfall allein nach den innerstaatlichen Vorschriften erfolge (so etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 29.03.2005 - A 18 K 10372/05 - juris Rn. 3). Gem. Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bestehe eine durch innerstaatliches Recht auszufüllende Gestaltungsmöglichkeit eines jeden Mitgliedstaats (VG Bremen, Urteil vom 25.10.2006 - 1 K 222/05.A - juris Rn. 20). Die Verwendung des Wortes „gegebenenfalls“ zeige, dass es grundsätzlich in der Entscheidungsfreiheit des die Überstellung durchführenden Mitgliedstaats liege, ob tatsächlich eine freiwillige Überstellung erfolgen solle, mithin jedenfalls kein Rechtsanspruch des Asylbewerbers auf eine solche Vorgehensweise bestehen könne. Der Erlass einer Abschiebungsanordnung wird mit diesen Überlegungen als unionsrechtskonform angesehen (vgl. auch BremOVG, Beschluss vom 03.11.2009 - 2 A 460/06 - juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 25.02.2008 - 21 B 06.30145 - juris - Rn. 20; a.A. aber etwa GK-AsylVfG, § 34a Rn. 53 und § 27a Rn. 252 ff. ; Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 27a AsylVfG Rn. 2).
31 
c) Dem folgt der Senat nicht. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften besagt nur, dass die Verordnung insoweit keine abschließende, ins Einzelne gehende Regelung treffen wollte, was das gesamte Verfahren der Aufenthaltsbeendigung bzw. Überstellung betrifft, nicht aber, dass es im Belieben eines jeden Mitgliedstaats stehen soll, nationale Regelungen zu treffen, die eine Überstellung ausschließlich im Wege der Abschiebung, d.h. einer förmlichen Vollstreckung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zulassen. Sowohl der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III liegt vielmehr zugrunde, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine konkrete Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll, denn die unionsrechtlich vorgesehenen Varianten der Aufenthaltsbeendigung werden zumindest auch mit Blick auf die Betroffenen und deren hiervon berührte Interessen eröffnet, weshalb auch in diesem Sinne von ihnen Gebrauch zu machen ist. Dieses Ermessen ist nationalrechtlich für die Bundesrepublik allerdings in zulässiger Weise durch § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG gebunden.
32 
Dem steht die von der VO Dublin II verwendete „Gegebenenfalls-Klausel“, die sich in der VO Dublin III in sinngemäßer, aber inhaltsgleicher Weise in Art. 26 Abs. 2 wiederfindet, nicht entgegen. Diesen Begriff als eine derart weitgehende „Öffnungsklausel“ für das nationale Recht einzustufen, stellt eine nicht gerechtfertigte Überinterpretation dar; nichts anderes gilt für den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften. Die Klausel bezieht sich nur auf eine Notwendigkeit, dem oder der Betroffenen Ort und Zeit zu nennen, wo bzw. wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat zu melden hat, wenn die Überstellung auf freiwilliger Basis ermöglicht wird. Durch die Nennung dieser Daten wird sichergestellt, dass der Asylbewerber seinen „Treffpunkt“ kennt - falls er (oder ihn betreuende Organisationen oder sein Rechtsanwalt) nicht ohnehin im Rahmen einer Ausreise aus eigener Initiative unmittelbar mit den für ihn zuständigen Stellen im Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmemitgliedstaat im Vorfeld Kontakt aufgenommen hat und ihm daher bekannt ist, wann und wo er sich einzufinden hat. Im Übrigen kann die Bekanntgabe von Ort und Zeit auch dazu dienen, dem zuständigen Mitgliedstaat die Mitteilung an den ersuchenden Staat über das Eintreffen des Asylbewerbers zu erleichtern (vgl. Art. 19 Abs. 3 UA 3 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II bzw. Art. 29 Abs. 1 UA 4 VO Dublin III). Soweit die VO Dublin II in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. in Art. 20 Abs. 1 lit d) Satz 2 bzw. die VO Dublin III in Art. 29 Abs. 1 UA 1 auf die „Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts“ abstellen, zwingt dies nicht dazu, von einer unbegrenzten Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten auszugehen. Mit einer solchen Sicht der Dinge würde nicht angemessen berücksichtigt, dass Zwangsmittel nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen möglichst zurückhaltend einzusetzen sind (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151). Der Umstand, dass jedes staatliche Handeln dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss und eine zwangsweise Durchsetzung einer Ausreisepflicht – ungeachtet der hierdurch möglicherweise nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG verbundenen Rechtsfolgen – stets mit erheblichen Beeinträchtigungen von Freiheitsrechten verbunden ist (vgl. auch den 15. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 19. und 32. Erwägungsgrund der VO Dublin III), spricht auch dafür, dass es unionsrechtlich nicht zulässig ist, völlig ungeachtet der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen die Überstellung allein im Wege der Abschiebung vorzusehen und durchzuführen. Da bei einer Abschiebung immer auch Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 GG und ggf. Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 6 GRCh) betroffen sind, steht für den Senat außer Zweifel, dass die Art der Überstellung und deren Durchführung an ihnen zu messen sind und in letzter Konsequenz eigene einklagbare Rechte des Asylbewerbers betreffen. Für die neue Rechtslage wird dies durch den 24. Erwägungsgrund der VO Dublin III, namentlich dessen Satz 2, unterstrichen, wonach die Mitgliedstaaten sich durch entsprechende Informationen des Antragstellers für Überstellungen auf freiwilliger Basis einsetzen und sicherstellen sollten, dass Überstellungen in Form der kontrollierten Ausreise oder Begleitung in humaner Weise und in voller Übereinstimmung mit den Grundrechten und unter Achtung der Menschenwürde sowie dem Wohl des Kindes etc. vorgenommen werden. Dieser „Sicherstellungsauftrag“ verbietet eine Interpretation der Verordnung dahingehend, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt sein könnte, ob sie die Möglichkeit einer Überstellung in freiwilliger oder kontrollierter Form vorsehen wollen (ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin II VO, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151 u. zu Art. 7 DVO K4, S. 224).
33 
c) Aus den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III lässt sich allerdings nicht entnehmen, den Betroffenen müsste zunächst generell die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in der Weise eingeräumt werden, dass ihnen – dem deutschen allgemeinen Aufenthaltsrecht vergleichbar (vgl. § 59 AufenthG) – die Abschiebung unter Setzung einer Frist zu freiwilligen Ausreise angedroht werden muss (vgl. auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Deshalb kann die Entscheidung über den konkreten Vollzug der Überstellungentscheidung den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder überlassen werden und bedarf keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts, der aus den dargestellten Gründen des Unionsrechts nur nicht in der Weise verstanden werden darf, dass eine Überstellung lediglich in der Form der Abschiebung, d.h. der begleiteten Überstellung erfolgen darf (wohl auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 40/08 - juris Rn. 3, wonach es an einer Darlegung fehle, warum sich im Fall des Klägers, der seinen Asylantrag erst nach Aufgriff durch die Polizei im Anschluss an einen - nach seinen Angaben - zweiwöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt habe, der Erlass und die Vollstreckung einer Abschiebungsanordnung infolge einer Ermessensreduzierung nicht aufgedrängt haben solle; VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061 - juris Rn. 20, wonach die Entscheidung über die Art und Weise der Überstellung Aufgabe der Ausländerbehörde sei und es ist nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller von Anfang an zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen wäre; ebenso VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2013 - 33 L 500.13 A - juris Rn. 27, vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 30.10.2006 - A 3 K 710/06 - juris Rn. 4, wonach keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass sich die Antragstellerin überhaupt auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begeben wolle). Allerdings könnte der Wortlaut der Bestimmungen der Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II bzw. des Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III auch so gedeutet werden, dass all das, was die Überstellung betrifft, also die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einschließlich der Modalitäten der Überstellung, in einer einzigen Entscheidung geregelt werden soll, gegen die dann Rechtsschutz möglich ist; zwingend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Es ist nämlich zu bedenken, dass der gesamte Komplex des Verwaltungsvollzugs und dessen Ausgestaltung regelmäßig Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, so dass auch ein Ineinandergreifen verschiedener Behördenzuständigkeiten durch das Unionsrecht akzeptiert wird mit der Folge, dass in Konsequenz des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland der Vollzug im Einzelnen von den zuständigen Ausländerbehörden der Länder durchzuführen und zu organisieren ist. Insoweit kommt dann der in beiden Verordnungen enthaltene Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsvorschriften zum Tragen, wenn wie hier, keine eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben gemacht werden. Wesentlich ist allein, dass die Entscheidung über die konkrete Form der geplanten Überstellung und alle Einzelheiten und Modalitäten so rechtzeitig getroffen und gleichermaßen rechtzeitig den Betroffenen bekanntgeben werden, dass sie noch effektiven Rechtsschutz erlangen können, sofern sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, die von der nach nationalem Recht für den Vollzug zuständigen Behörde getroffenen wurde.
34 
Der Senat leitet dieses Ergebnis auch aus der Tatsache ab, dass etwa die Informationsrechte nach Art. 4 VO Dublin III i.V.m. den Anhängen X bis XIII der DVO Dublin zu umfangreichen bis ins Detail gehenden Vorgaben führen, worüber der Asylbewerber zu belehren und zu informieren ist. Ihm werden die Fristen für die Überstellung und die möglichen Rechtsmittel erklärt. Es findet sich aber kein Hinweis auf die Arten der Überstellung, insbesondere auch nicht zur freiwilligen Ausreise. Das spricht dagegen, dass nach den beiden Verordnungen generell die freiwillige Ausreise einzuräumen ist - auch wenn die VO Dublin II diese umfangreichen Informationsblätter noch nicht kannte. Des Weiteren spricht die in Art. 7 Abs. 1 der DVO zum Ausdruck kommende Wahlfreiheit dafür, es allein der Entscheidung im Einzelfall zu überlassen, wie die Überstellung erfolgt.
35 
Will der Betroffene freiwillig ausreisen, so müssen ihm folglich die Einzelheiten (bis wann er ausgereist sein muss, wo und wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat einzufinden hat) durch die Ausländerbehörde im Außenverhältnis (und nicht durch das Bundesamt) mitgeteilt werden. Eine Konsequenz des seit 06.09.2013 nunmehr ausdrücklich in § 34a Abs. 2 AsylVfG eröffneten Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO (der im Übrigen auch schon für Überstellungen nach der VO Dublin II gilt, falls diese hier noch anzuwenden sein sollte) ist, dass, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, Abschiebungen nunmehr erst konkret geplant werden, wenn die Wochenfrist für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelaufen ist, weshalb auch aus diesem Grund eine ins Detail gehende Regelung durch das Bundesamt in der von ihm zu erlassenden Verfügung nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wenig praktikabel wäre und v.a. auch nicht immer ausreichend zeitnah die konkreten individuellen Verhältnisse der Betroffenen in den Blick nehmen könnte. Die Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genügt für die Betroffenen ebenfalls, um sich mit der Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen und die Möglichkeiten einer freiwilligen Ausreise zu klären. Kommt die zuständige Ausländerbehörde zu der Auffassung, dass eine Abschiebung (zunächst) nicht erforderlich ist und unverhältnismäßig wäre und insbesondere die Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, sind die dargestellten weiteren Einzelheiten von ihr zu veranlassen. Eine Konsequenz der unterschiedlichen Behördenzuständigkeit ist allerdings, dass unterschiedlicher bzw. zusätzlicher Rechtsschutz erforderlich werden kann. Das ist etwa dann denkbar, wenn der Asylbewerber sich primär gegenüber der Beklagten z.B. mit dem Argument, Deutschland sei für sein Asylverfahren zuständig (geworden), gegen die Aufnahme oder Wiederaufnahme wendet, er allerdings jedenfalls auch seine freiwillige Ausreise durchsetzen möchte, die ihm bisher als Möglichkeit von der Ausländerbehörde verweigert wird (gegen den Träger der zuständigen Ausländerbehörde). Solches ist jedoch nicht unzumutbar, zumal dadurch auch eine zeitnahe Beurteilung der konkreten Verhältnisse möglich ist.
36 
2. a) Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsanordnung auch nicht deshalb infrage, weil etwa die Überstellung nach Italien nicht mehr durchgeführt werden könnte. Geht man davon aus, dass das Übernahmeersuchen am 30.12.2013 an Italien übermittelt wurde, so war die hier maßgebliche Beantwortungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 VO Dublin II von zwei Wochen am 13.01.2014 abgelaufen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II wäre dann möglicherweise am Montag, den 14.07.2014, abgelaufen mit der Folge, dass die Bundesrepublik wieder zuständig geworden wäre. Unklar ist in diesem Zusammenhang, welche Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen sind, das im vorliegenden Fall ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes – allerdings mit für den Kläger negativem Ausgang – durchgeführt worden war, während dessen Anhängigkeit gem. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig war, und dass auch vom Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung der Beklagten an den Kläger bis zur Antragstellung mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bzw. Art. 47 Abs. 1 GRCh ein vorübergehendes Abschiebungsverbot bestanden hatte. Nach den in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II oder Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III enthaltenen Wertungen kann kaum angenommen werden, dass die Überstellungsfrist in dieser Zeit uneingeschränkt läuft und in letzter Konsequenz ablaufen kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu betonen, dass der unionsrechtliche Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ nicht in dem spezifischen rechtstechnischen Sinn des deutschen Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts verstanden werden kann und darf, da das Unionsrecht keine genauere Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens bzw. Rechtschutzsystems vornimmt, sondern den nationalen Regelungsbestand voraussetzt (vgl. zu alledem auch GK-AsylVfG, § 27a Stand November 2013 Rn. 227 ff.). Nach Auffassung des Senats hält sowohl die VO Dublin II wie auch die VO Dublin III für diese Fallkonstellation keine angemessene Regelung vor (a.A. aber wohl VG Göttingen, Beschluss vom 30.06.2014 - 2 B 86/14 - juris, das zu Unrecht nicht einmal eine Ablaufhemmung annimmt, sondern den Fristlauf ausschließlich mit Ergehen eines positiven Beschlusses beginnen lassen will, was aber einer sehr formalistischen Betrachtungsweise geschuldet ist, die die von den entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen berücksichtigten Belange der Mitgliedstaaten, die der Europäische Gerichtshof in der Sache Petrosian, Urteil vom 29.1.2009 - C- 19/08 - InfAuslR 2009, 139, herausgearbeitet hat, und die notwendigen Rechtsfolgen einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht angemessen in den Blick nimmt). Der EuGH hat im genannten Urteil u.a. Folgendes ausgeführt:
37 
„…32. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers in den Mitgliedstaat, der ihn wieder aufnehmen muss, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Nach Art. 20 Abs. 2 geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird.
38 
33. Der Wortlaut dieser Bestimmungen an sich erlaubt nicht die Feststellung, ob die Frist zur Durchführung der Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, oder erst ab einer gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden wird.
39 
34. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Mai 2000, KVS International, C-301/98, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, und vom 23. November 2006, ZVK, C-300/05, Slg. 2006, I-11169, Randnr. 15).
40 
35. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 in Verbindung mit Abs. 1 Buchst. c können je nach den Umständen drei Ereignisse den Lauf der Frist von sechs Monaten auslösen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um die Überstellung des Asylbewerbers durchzuführen. Es kann sich erstens um die Entscheidung des ersuchten Mitgliedstaats handeln, die Wiederaufnahme des Asylbewerbers zu akzeptieren, zweitens um den fruchtlosen Ablauf der Frist von einem Monat, die dem ersuchten Mitgliedstaat für eine Stellungnahme zum Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats auf Wiederaufnahme des Asylbewerbers gesetzt worden ist, und drittens um die Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser im ersuchenden Mitgliedstaat aufschiebende Wirkung hat.
41 
36. Diese drei Ereignisse müssen in Abhängigkeit davon analysiert werden, ob es in den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gibt oder nicht, wobei das Ziel zu berücksichtigen ist, dessentwegen die Verordnung Nr. 343/2003 eine Frist für die Durchführung der Überstellung vorsieht.
42 
37. Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden.
43 
38. Wie aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 hervorgeht, läuft in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen ist, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung, durch die der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiert, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliegt, den der Asylbewerber gegebenenfalls gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedstaats erhoben hat.
44 
39. Dann bleiben lediglich die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln und insbesondere deren Datum festzusetzen.
45 
40. In diesem Zusammenhang erlegt Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dem ersuchenden Mitgliedstaat eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung auf. Somit verfolgt diese Frist in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt.
46 
41. Außerdem ergibt sich aus der Darlegung der Gründe zu dem von der Kommission am 26. Juli 2001 vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat (KOM[2001] 447 endg., S. 5, 19 und 20), dass die Kommission gerade deshalb, um den für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, vorgeschlagen hat, die Frist für die Durchführung der Überstellung zu verlängern. Diese Frist, die im am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (ABl. 1997, C 254, S. 1), das durch die Verordnung Nr. 343/2003 ersetzt wurde, mit einem Monat festgesetzt wurde, wurde sodann entsprechend dem genannten Verordnungsvorschlag in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung auf sechs Monate erhöht.
47 
42. Für die zweite Konstellation – wenn der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt – sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung ab der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ läuft.
48 
43. In dieser zweiten Konstellation ist zwar der Beginn der Frist zur Durchführung der Überstellung ein anderer als der, der für die erste angeführte Konstellation festgelegt wird, doch bleibt es dabei, dass sich jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung mit den gleichen praktischen Schwierigkeiten konfrontiert sieht und folglich über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen sollte, um diese Überstellung zu bewerkstelligen. Denn der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 enthält keinen Hinweis darauf, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beabsichtigt hätte, diese beiden Konstellationen unterschiedlich zu behandeln.
49 
44. Daraus folgt, dass angesichts des Ziels, das damit verfolgt wird, dass den Mitgliedstaaten eine Frist gesetzt wird, der Beginn dieser Frist in der zweiten Konstellation so zu bestimmen ist, dass die Mitgliedstaaten wie in der ersten Konstellation über eine Frist von sechs Monaten verfügen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen sollen.
50 
45. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen.
51 
46. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, mit dem die Frist zur Durchführung der Überstellung festgelegt wird, diese Frist in der zweiten angeführten Konstellation nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
52 
47. Dieses Ergebnis wird durch zwei weitere Reihen von Erwägungen bestätigt, die sich einerseits aus der Wahrung des von einem Mitgliedstaat gewährleisteten gerichtlichen Schutzes und zum anderen aus der Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten herleiten.
53 
48. Erstens ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können, wodurch sie dem Asylbewerber ermöglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen.
54 
49. Die Mitgliedstaaten, die Rechtsbehelfe schaffen wollten, die zu Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung im Rahmen des Überstellungsverfahrens führen können, dürfen nämlich nicht im Namen der Einhaltung des Erfordernisses einer zügigen Sachbehandlung in eine weniger günstige Lage versetzt werden als diejenigen Mitgliedstaaten, die dies nicht für notwendig erachtet haben.
55 
50. So befände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asylbewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 – wonach, sobald die Frist für die Durchführung der Überstellung einmal abgelaufen ist, die Annahme der Zuständigkeit durch den ersuchten Mitgliedstaat hinfällig wird – letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
56 
51. Die Auslegung der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, der den Beginn der Frist festlegt, die dem ersuchenden Mitgliedstaat für die Vornahme der Überstellung des Asylbewerbers gesetzt wird, kann folglich nicht zu dem Ergebnis führen, dass sich der ersuchende Mitgliedstaat im Namen der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts über die aufschiebende Wirkung der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung hinwegsetzen müsste, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs ergangen ist, der eine derartige Wirkung haben kann, die dieser Staat in seinem innerstaatlichen Recht doch vorsehen wollte.
57 
52. Was zweitens die Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dahin, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung bereits ab der vorläufigen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung läuft, das nationale Gericht, das die Einhaltung dieser Frist mit der Beachtung einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung vereinbaren wollte, veranlasst wäre, über die Rechtmäßigkeit des Überstellungsverfahrens vor Ablauf der genannten Frist durch eine Entscheidung zu befinden, die gegebenenfalls wegen Zeitmangels der Richter nicht in zufriedenstellender Weise dem komplexen Charakter des Rechtsstreits Rechnung tragen konnte. Wie einige Regierungen und die Kommission in ihren dem Gerichtshof vorliegenden Stellungnahmen betonen, liefe eine derartige Auslegung dem genannten Grundsatz zuwider, wie er in der Gemeinschaftsrechtsprechung niedergelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2003, Safalero, C-13/01, Slg. 2003, I-8679, Randnr. 49, und vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 39)…“
58 
Die vorliegend vom Senat zu beurteilende Fallkonstellation wurde vom Europäischen Gerichtshof nicht genauer angesprochen, geschweige denn beschieden. Die VO Dublin II, aber auch die VO Dublin III, die insoweit keine Änderungen gebracht hat, befassen sich mit dieser Fallgestaltung nicht. Orientiert man sich (zu) eng am Wortlaut der Bestimmungen, so wäre der Fristlauf nicht gehemmt, noch viel weniger wäre die Frist erst mit der Bekanntgabe der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt worden. Außerdem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Verfassungsrechts wie auch einfachen Gesetzesrechts bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre. Andererseits akzeptiert, wie der Europäische Gerichtshof im genannten Urteil ausdrücklich herausgearbeitet hat, das Unionsrecht ausdrücklich, dass für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Dieses zugrunde gelegt muss davon ausgegangen werden, dass eine zu schließende Regelungslücke vorliegt. Diese ist in einer Weise zu schließen, die einen möglichst beide Seiten schonenden Interessenausgleich zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat bewirkt. Diesem Anliegen entspricht es aus der Sicht des Senates am besten, wenn hier während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier vom 17.03.2014 bis zum 09.04.2014) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Frist sich entsprechend verlängert (vgl. § 209 BGB entspr.). Allerderdings ist dieser Sicht der Dinge immanent, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach der Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat die Überstellungsentscheidung unverzüglich erlassen muss, um nach einer negativen Gerichtsentscheidung noch ausreichend Zeit für die Durchführung der Überstellung zur Verfügung zu haben. Diese Konsequenz entspricht aber durchaus den berechtigen und wohl verstandenen Interessen des ersuchten Mitgliedstaats (und mittelbar auch denen des betroffenen Flüchtlings). Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre die Überstellungsfrist hiernach zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen mit der Folge, dass die Zuständigkeit gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 29, Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
59 
b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris) kann allerdings der Kläger den Zuständigkeitsübergang nicht mit Erfolg einwenden, solange die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist. Abgesehen davon ist ihm der Einwand hier auch deshalb abgeschnitten, weil die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids unanfechtbar geworden ist; er müsste insoweit erst ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einleiten. Etwas anderes müsste nur dann gelten, wenn Italien eine zeitnahe Durchführung der Überstellung nunmehr ablehnen würde. Von einer zeitnahen Möglichkeit der Überstellung ist jedoch nach den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auszugehen. Denn die Beklagte hatte Italien im vorliegenden Fall mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist mit Rücksicht auf ein durchgeführtes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erst am 09.10.2014 ablaufe, was darauf beruht, dass die Beklagte der Auffassung ist, die Überstellungsfrist werde erst durch die Zustellung der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt. Nach den plausiblen weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters werden diese nationalen Vorgaben und Mitteilungen jedoch regelmäßig von den ersuchten Mitgliedstaaten akzeptiert, weshalb der Senat davon ausgeht, dass eine Überstellung noch zeitnah möglich ist.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der 1978 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach U.

Der Kläger reiste illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 31. Oktober 2014 Asylantrag.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke im Rahmen einer EURODAC-Anfrage ergab am 21. September 2014 einen Treffer der Kategorie 1 für U., d. h. eine vorangegangene Asylantragstellung in U. Am 21. Oktober 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nummer 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) an U., auf das die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO erklärten (vgl. Behördenakte S. 62).

Mit Bescheid vom 17. November 2014, zugestellt am 19. November 2014,hat das Bundesamt mit Verweis auf die Zuständigkeit des Mitgliedstaates U. den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach U. angeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach U. sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. November 2014 am 25. November 2014 Klage erhoben und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sowie Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, es gebe zahlreiche Hinweise, wonach in U. systemische Mängel des Asylverfahrens bestünden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat durch Beschluss vom 15. Januar 2015 (Az. AN 14 S 14.50205) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2015 trägt die Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, die Beklagte sei aufgrund unhaltbarer Zustände in U. verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Unter Verweis auf mehrere Gerichtsentscheidungen sei in U. kein ordnungsgemäßes Asylverfahren gewährleistet, so dass von systemischen Mängeln auszugehen sei. Die Klägerbevollmächtigte regt an, die Ergebnisse des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Januar 2015 (Az. 2 K 6465/14.A) zur Situation in U. im vorliegenden Verfahren abzuwarten.

Der Kläger gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2015 an, er sei von vornherein aus Syrien mit der Absicht geflüchtet, nach Deutschland zu gelangen. In U. sei er zwei Tage inhaftiert und zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gezwungen worden. In der Haft seien 50 Personen in einem Raum gewesen, und es habe nur einmal täglich eine Mahlzeit gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2015 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber nicht begründet ist.

Die Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG erhoben und als isolierte Anfechtungsklage statthaft (vgl. OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A; VG München, Gerichtsbescheid v. 28.4.2014 - M 21 K 13.31396 - juris). Bezüglich des Anfechtungsbegehrens ist der Kläger klagebefugt, da sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im ungarischen Asylverfahren beruft, so dass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 EU-Grundrechtecharta möglich erscheint.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 17. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach U. angeordnet.

Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Asylantrag des Klägers wurde gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, da der Kläger bereits in U. einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, so dass die Republik U. gemäß Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 23 Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Dem vom Bundesamt am 21. Oktober 2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen stimmte die Republik U. mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 zu. Somit obliegen der Republik U. die Verpflichtungen aus Art. 18 ff. der Dublin III-VO. Die Republik U. ist gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.

Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

Bei der Republik U. handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und somit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG, so dass aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen ist, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist.

Die Dublin III-VO ist das grundlegende Regelwerk auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - m. w. N., juris). Dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem fußt auf dem Grundsatz, dass ein Schutzsuchender im ersten sicheren Mitgliedsstaat um Schutz nachsuchen muss und eine freie, selbstbestimmte Wahl des Zufluchtslandes nicht besteht. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH (große Kammer), U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 414 ff.). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn der zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH (große Kammer), U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - Abdullahi, NVwZ 2014, 208 ff.). Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (vgl. EUGH a. a. O.).

Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin III-VO, wonach der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat wird, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta mit sich bringen und auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.

An diesen in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 ff.). Von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber kann nur bei strukturellen landesweiten Missständen ausgegangen werden, die eine individuelle und konkrete Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern begründen und die von den nationalen Behörden tatenlos hingenommen werden. Eine umfassende Prüfung des Asylverfahrens, der Aufnahme- und Lebensbedingungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten und die dortige Einhaltung des Unionsrechts kann nicht Aufgabe deutscher Verwaltungsgerichte sein. Vielmehr gebietet der Respekt vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber, der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG im Hinblick auf das Asylgrundrecht zu sicheren Drittstaaten erklärt hat, und die Verwirklichung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems innerhalb der Europäischen Union als „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ die Überprüfung systemischer Mängel auf eine Evidenzkontrolle, auf Sonderfälle ähnlich der verfassungsgerichtlichen Ausnahmen vom Konzept normativer Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. -, juris, Rdnr. 189), zu beschränken (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 1.4.2014 - 13 LA 22/14 -, juris). Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK muss im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bestehen. Sie liegt maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet, oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen nicht mehr in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW a. a. O.).

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).

Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in U. (vgl. Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, following his visit to Hungary, from 1 to 4 July 2014, vom 16. Dezember 2014, abrufbar unter https://www...net; Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 19. November 2014; Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in U., Stand Mai 2014; Stellungnahme des UNHCR vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A; U. Länderbericht des AIDA (Asylum Information Database), Stand 30.4.2014; Bericht von bordermonitoring.eu, Stand Oktober 2013,) für den Kläger derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass in U. das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Asylbewerber systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten.

Das Gericht folgt insoweit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend, dass in U. derzeit derartige systemische Mängel nicht bestehen (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 „Mohamadi“ - abrufbar unter www.dejure.org; VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013, - 12 S 675/13 -, juris). Hierbei kommt es, wie dargelegt, nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 -, juris). Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt: VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; VG München, B. v. 30.10.2014, - M 16 S 14.50546 - juris), wonach systemische Mängel im Wesentlichen damit begründet werden, dass Asylbewerber der Gefahr begegnen würden, bei einer Rückkehr nach den U. mit Inhaftierungen für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten überzogen zu werden, und die Aufnahmebedingungen sehr defizitär seien.

Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch eine ungerechtfertigte, schematische Inhaftierung von bis zu sechs Monaten bei einer Rückkehr nach U. aus. Nach dem Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 16. Dezember 2014 befanden sich zum Zeitpunkt des Besuchs vom Juli 2014 386 Asylbewerber, mithin 25% aller Asylsuchenden in Haft (vgl. Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, following his visit to Hungary, from 1 to 4 July 2014, vom 16. Dezember 2014, S. 37). Die vergleichsweise hohe Quote an Inhaftierungen von Asylsuchenden in U. mag auch aus den in U. verstärkt festzustellenden Weiterwanderungsbemühungen der dortigen Asylsuchenden resultieren. Anhand der Inhaftierungsquote von 25% lässt sich nicht eine schematische, nicht einzelfallbezogene Inhaftierungspraxis feststellen. Eine Inhaftierung allein wegen der Stellung eines Asylantrages erfolgt nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht. Wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung bei alleinstehenden Männern, insbesondere Dublin-Rückkehrern höher zu veranschlagen ist als beispielsweise bei Familien oder Frauen, die regelmäßig nicht inhaftiert werden, ist vorliegend nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer drohenden Inhaftierung des Klägers auszugehen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 könne nicht bestätigt werden, dass rücküberstellte Dublin-Rückkehrer immer, somit regelhaft in Haft genommen würden. Dublin-Rückkehrer, deren Verfahren wegen Verzugs ins Ausland eingestellt wurden, erhalten bei einer Rücküberstellung nach U. erneut ein Erstverfahren und werden nicht wie Folgeantragsteller behandelt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 19. November 2014, S. 2). Nach einer Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das VG Düsseldorf kommen syrische Flüchtlinge selten in Haft (vgl. Stellungnahme des UNHCR vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A, Nr. 3). Hauptherkunftsländer der Inhaftierten sind Afghanistan, Pakistan, Mali, Iran und Elfenbeinküste, wobei die Haft im Wesentlichen auf illegale Einreise, fehlende Identitätsnachweise oder Fluchtgefahr gestützt wird (vgl. Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in U., Stand Mai 2014). Die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern lässt sich in der Praxis wohl häufig auf die Annahme von Fluchtgefahr nach Artikel 31/A Absatz 1 b) des ungarischen Gesetzes LXXX über das Asyl, einem nach Artikel 8 Abs. 3 b) der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (EU-Aufnahmerichtlinie) unionsrechtlich anerkannten Haftgrund zurückführen. Die im ungarischen Asylgesetz vorgesehenen Inhaftierungsgründe entsprechen im Wesentlichen den in Art. 8 Abs. 3 der EU-Aufnahmerichtlinie aufgeführten Haftgründen. Der in Art. 31/A des ungarischen Asylgesetzes genannte, relativ weit gefasste Grund der Verfahrensvereitelung oder -behinderung lässt sich mit dem in Art. 8 Abs. 3 b) EU-Aufnahmerichtlinie genannten Grund der Beweissicherung im Asylverfahren in Einklang bringen. Im Übrigen ist eine Inhaftierung an bestimmte konkrete Voraussetzungen geknüpft und durch unabhängige Gerichte überprüfbar. Eine im Einklang mit der EU-Aufnahmerichtlinie mögliche Inhaftierung vermag nach Auffassung des Gerichts indes nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu begründen. Allein die geäußerte Kritik, dass die ungarischen Regelungen zur Inhaftierung zum Teil zu unbestimmt gefasst worden seien und somit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung, einer Pönalisierung des Ersuchens von Flüchtlingsschutz bestehe, stellt sich nicht als eine regelhafte Funktionsstörung von solcher Gravität dar, die die Annahme systemischer Mängel rechtfertigen würde (vgl. ebenso VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 -; VG Augsburg, B. v. 26.1.2015 - Au 7 S 15.50015 -; VG Regensburg, U. v. 5.12.2014 - RN 6 K14.50089 -; jeweils juris).

Eine weitere Sachverhaltsaufklärung oder ein Abwarten der Ergebnisse des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Januar 2015 (Az. 2 K 6465/14.A) drängt sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf. Ziffer 1 des Beweisbeschlusses zur absoluten Zahl der bislang in Haft genommenen Asylbewerber seit der Änderung der ungarischen Rechtslage zum 1. Juli 2013 wurde bereits durch das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 19. November 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit der Angabe von 3137 Fällen beantwortet. Ziffer 2 des Beweisbeschlusses hinsichtlich der Haftdauer wurde durch die Stellungnahme seitens Pro Asyl e. V. an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 mit der Angabe von durchschnittlich 32 Tagen Haftdauer bereits beantwortet. Hinsichtlich der Inhaftierung von Dublin Rückkehrern (Ziff. 4 des Beweisbeschlusses) liegen ebenfalls bereits hinlänglich belastbare Angaben seitens des Auswärtigen Amtes und Pro Asyl e. V. vor, wonach Dublin Rückkehrer häufig, jedoch nicht in jedem Fall inhaftiert werden (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 19. November 2014, S. 2; Stellungnahme von Pro Asyl e. V in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Helsinki Komitee an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014, S. 2). Als Haftgründe (Ziff. 4 des Beweisbeschlusses) finden nach den vorliegenden Erkenntnissen vor allem die Gründe „risk of absconding“, „establishment of identity“ oder „previous absconding“ Anwendung (vgl. Stellungnahme von Pro Asyl e. V in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Helsinki Komitee an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014, S. 3). Auch hinsichtlich der Haftbedingungen, der Regelungen für von der Haft ausgenommenen Personen oder besonders schutzbedürftigen Personen, der Rechtsschutzmöglichkeiten und der Aufnahmebedingungen in U. liegen hinlängliche Erkenntnisse aufgrund der bestehenden Auskünfte und Stellungnahmen vor. Wegen der erforderlichen Gravität und Regelhaftigkeit der Mängel im Asylsystem oder der Aufnahmebedingungen kommt es im Übrigen auf Details der Haftbedingungen wie beispielsweise Sportangebote in der Haft nach Auffassung des Gerichts nicht maßgeblich an. Ein Abwarten der Ergebnisse des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Januar 2015 ließe damit nur einen begrenzten zusätzlichen Erkenntnisgewinn erwarten und ist daher mit dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung im Asylrecht (vgl. BT-Drs. 11/6321, S. 48 ff.) nicht vereinbar.

Auch hinsichtlich der Aufnahme- und Haftbedingungen vermag das Gericht keine systemischen Mängel zu erkennen. Nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes ist nach Engpässen in der Unterbringung im ersten Halbjahr 2013 nach Kapazitätserweiterungen keine aktuelle Kritik hinsichtlich der Unterbringung bekannt geworden. Inhaftierte könnten sich tagsüber frei bewegen; Freizeitmöglichkeiten, Sprechstunden der Rechtsberatung und eine medizinische Grundversorgung seien gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 19. November 2014, S. 3). Wenngleich sich im Einzelfall die Behandlung von inhaftierten Asylbewerbern als problematisch darstellen mag, stellen Fehlleistungen im Einzelfall das Konzept der normativen Vergewisserung bzw. das unionsrechtliche Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht grundlegend in Frage. Individuelle negative Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers vorliegen, und führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (vgl. BVerwG, U. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 1677 ff.).

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von mitunter schwierigen Lebensbedingungen und einer relativ weitgehenden Inhaftierungspraxis in U. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt im Hinblick auf die dem UNHCR übertragene Rolle eine besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660; ebenso VG Augsburg, B. v. 26.1.2015 - Au 7 S 15.50015 -, juris).

Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheidung vom 3.7.2014, a. a. O.), der sich ausführlich nicht nur mit den theoretischen Grundlagen des Asylverfahrens und Aufnahmebedingungen in U. auseinandergesetzt hat, sondern der auch entsprechende Unterlagen des UNHCR sowie des ungarischen Helsinki Komitees und der „Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung der Vereinten Nationen“ ausgewertet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK in U. nicht zu befürchten sei.

Der Kläger kann einer Überstellung nach U. somit nicht damit entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für ihn in diesem Mitgliedstaat systemische Mängel bzw. Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen würde.

Die Anordnung der Abschiebung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist nicht zu beanstanden. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Republik U. hat vorliegend die Bereitschaft zur Übernahme des Klägers mit seiner Zustimmung zum Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 31. Oktober 2014 ausdrücklich bekundet. Die Abschiebung ist somit rechtlich zulässig und tatsächlich möglich. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen liegen nicht vor.

Die Klage ist daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.

Tenor

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 18a K 1140/15.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 in Ziffer 2. enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn anzuordnen,

hat keinen Erfolg.


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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe folgt daraus, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.

II.

2

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

3

Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.). Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine Hindernisse entgegen (2.).

4

1. Die Zuständigkeit Ungarns i.S.d. § 27a AsylVfG ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 26.6.2013 Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).

5

Die durch Anhang I Dublin-III-VO aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (v. 18.2.2003, Amtsbl. EG Nr. 50 S. 1 – Dublin-II-VO) findet keine Anwendung, da der Antragsteller nicht vor dem sich aus Art. 49 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergebenden Stichtag 1. Januar 2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seinen gegenüber der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2014 gemachten Angaben hat der am … 1984 in Syrien geborene Antragsteller als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sunnitischer Konfession sein Herkunftsland am 18. August 2013 verlassen. Ausweislich der Erklärung der ungarischen Behörden vom 13. Januar 2015 hat er in Ungarn am 2. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt.

6

Ungarn hat am 13. Januar 2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO das Gesuch der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2015 um Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend.

7

Es kommt nicht darauf an, ob Ungarn vor der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin-III-VO für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung des abgebenden Mitgliedstaats ist nicht zu prüfen, ob der aufnehmende Mitgliedstaat zu Recht seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO angenommen hat. Für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach der Dublin-III-VO gilt nichts anderes als vormals für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach den Vorgängervorschriften der Dublin-II-VO. Nach der Dublin-II-VO hat der Asylbewerber grundsätzlich kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird (VGH Mannheim, Beschl. v. 6.8.2013, 12 S 675/13, InfAuslR 2014, 29, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 15.3.2012, 10 A 227/11, juris Rn. 24; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2010, § 27a AsylVfG Rn. 26 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 40).

8

Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach kann in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach der Dublin-II-VO zugestimmt hat, der Asylbewerber dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (v. 12.12.2007, ABl. EU Nr. C 303 S. 1 – GR-Charta) ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Diese Rechtsprechung zur Dublin-II-VO hat ihren Niederschlag im Normtext des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gefunden. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Wesentliche Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht. Im Einzelnen:

9

Dem durch Art. 4 GR-Charta gewährleisteten Unionsgrundrecht ist gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite verliehen wie dem entsprechenden Recht, das in Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686 – EMRK) völkerrechtlich verbürgt ist. Ebenso wie nach Art. 4 GR-Charta darf nach Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Abschiebung eines Asylbewerbers am Maßstab des Art. 3 EMRK zu prüfen (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 93 m.w.N., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bezeichnen drei Stufen unterschiedlicher Eingriffsintensität (vgl. EGMR, Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162 ff., EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich). Folter ist die vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, in der Absicht auf den Willen des Gefolterten oder eines Dritten einzuwirken, um ein Geständnis zu erlangen oder um Dritte zu terrorisieren; eine unmenschliche Behandlung ist die absichtliche Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine ausreichende Schwere aufweisen; eine erniedrigende Behandlung kennzeichnet, dass bei dem Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterlegenheit erweckt werden, die geeignet sind, es zu demütigen und seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 8 f. m.w.N.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, kann dabei auch davon abhängen, wieweit die Maßnahmen zur Verfolgung legitimer Zeile geboten sind (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 11). Da das Recht aus Art. 3 EMRK als einzige der Gewährleistungen der EMRK auch im Notstand keinen Einschränkungen unterliegt, gilt dies auch für das ihm entsprechende Recht aus Art. 4 GR-Charta (Höfling, in Tettinger/Stern, GR-Charta, 1. Aufl. 2006, Art. 4 Rn. 15 ff.). Um dem Verbot des Art. 3 EMRK zu unterfallen muss die Schwere der Misshandlung ein Mindestniveau erreichen, wobei die Bemessung dieses Mindestniveaus von allen Umständen des Falles abhängt, wie der Dauer der Behandlung und ihren körperlichen und geistigen Folgen, in geeigneten Fällen auch von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 94, juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz; Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162, EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich).

10

Für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9) das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, Slg. 2011, I-13905, Rn. 88 ff. – N.S. u.a.), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war; derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, InfAuslR 2014, 352, juris Rn. 6; a.A. United Kingdom Supreme Court, Urt. v. 19.2.2014, <2014> UKSC 12, https://www.supremecourt.uk).

11

Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel liegt dabei erst dann vor, wenn hierfür kompetente Stellen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 29.5.2010, ABl. EU Nr. L 132 S. 11) errichtete Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 22.10.2014, 10 A 3085/14, n.v.; das VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, Rn. 22 verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 22 f. Dublin-III-VO). So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf abgestellt, dass es an einem Positionspapier des UNHCR fehlte, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdrücklich aufforderte, von einer Überstellung nach Ungarn im Dublin-System abzusehen (EGMR. Urt. v. 6.6.2013, Nr. 2283/12, Rn. 105, http://hudoc.echr.coe.int – Mohammed./.Österreich).

12

Nach diesen Maßstäben sind keine systemischen Mängel anzunehmen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Dublin-Rückkehrers in Ungarn erwarten ließe (ebenso EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich; VG Hamburg, Beschl. v. 13.2.2015, 7 AE 240/15, n.v.; Beschl. v. 6.1.2015, 10 AE 154/15, n.v.; Beschl. v. 30.10.2014, 8 AE 2529/14, n.v.; VG Augsburg, Beschl. v. 26.1.2015, Au 7 S 15.50015, juris Rn. 24 ff.; Beschl. v. 21.1.2015, Au 2 S 14.50360, juris Rn. 19 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2015, 7 L 2975/14.A, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 12.12.2014, RN 5 S 14.50306, juris Rn. 25 ff.; VG Stade, Beschl. v. 14.7.2014, 1 B 862/14, juris Rn. 8 f.; VG Bremen, Urt. v. 25.4.2014, 4 K 2131/13.A, juris Rn. 16 ff.; österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Spruch v. 10.11.2014, W212 1438158-2/11E, http://www.ris.bka.gv.at; insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 7 f.; im Ansatz auch VG Würzburg, Beschl. v. 2.1.2015, W 1 S 14.50120, juris Rn. 29).

13

Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Doch liegt dieser Fall nicht vor. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung sind nicht bereits dann offen, wenn die Frage systemischer Mängel in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt wird (so aber OVG Bautzen, Beschl. v. 24.7.2014, A 1 B 131/14, juris Rn. 4; VG München, Beschl. v. 31.10.2014, M 16 S 14.50535, juris Rn. 16). Die Erfolgsaussichten sind allenfalls dann offen, wenn eine nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens im Hauptsacheverfahren konkret anstehende weitere Aufklärung zu der für einen Erfolg der Klage führenden Überzeugungsgewissheit führen könnte, was hier nicht der Fall ist. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit von einer mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eintretenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9). Für eine Offenheit der Erfolgsaussichten genügt deshalb nicht, dass es im Zeitpunkt der Entscheidung an verlässlichen Informationsquellen fehlt (dies implizierend aber VG Bremen, Beschl. v. 17.1.2014, 4 V 2132/13.A, juris Rn. 13 f.).

14

Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten (so aber implizit VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 21). Wie in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1) ausgeführt ist, findet sich die gesetzliche Regelung über die Asylhaft in Art. 31/A Abs. 1 des ungarischen Asylgesetzes. Danach besteht ein Haftgrund insbesondere dann, wenn die asylsuchende Person sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat oder hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Asylbewerber das Verfahren verzögert oder zu vereiteln sucht oder Fluchtgefahr besteht, um die notwendigen Feststellungen zur Durchführung des Asylverfahrens treffen zu können. Die Haftgründe stimmen mit den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (v. 29.6.2013, Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 96 – AufnahmeRL) weitgehend überein, so dass die ungarische Gesetzesregelung als solche keine Verletzung des Unionsrechts darstellt (insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8).

15

Auch kann aus der Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuregelung der Asylhaft in Ungarn kein systemischer Mangel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen hergeleitet werden (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014, 20 L 2345/14.A, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.12.2014, 2 K 422/14, http://bordermonitoring.eu; das Vorliegen systemischer Mängel für offen haltend VG Magdeburg, Beschl. v. 11.12.2014, 9 B 449/14, juris Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch nach dem verfolgten Sinn und Zweck, der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Dublin-System im Normtext Ausdruck zu verschaffen, auf drohende Verletzungen des Art. 4 GR-Charta beschränkt ist. Wenngleich der überstellende Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO (ebenso wie nach der Dublin-II-VO, dazu EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris Rn. 64 ff.) wegen Art. 51 GR-Charta die Überstellungsentscheidung unter Beachtung der Unionsgrundrechte trifft, folgt daraus nicht, dass der überstellende Mitgliedstaat gegen Unionsgrundrechte verstößt, sobald nicht ausgeschlossen ist, dass der aufnehmende Mitgliedstaat dies tun wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 GR-Charta entnommen (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Somit ist für den überstellenden Mitgliedstaat das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GR-Charta ebenso wenig Maßstab (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8) wie dies allgemein an den aufnehmenden Mitgliedstaat gerichtete „unionsrechtliche Vorgaben“ sind (a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 17).

16

Wenngleich eine willkürliche Inhaftnahme im Einzelfall mit einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta einhergehen kann, ist nicht zu erwarten, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt werden. Es liegt kein Positionspapier des UNHCR vor, das die Staaten dazu auffordert, von Überstellungen nach Ungarn im Dublin-System abzusehen. Wie in drei Auskünften der Vertretung in Deutschland des UNHCR (v. 30.9.2014 an das VG Bremen, das VG Düsseldorf bzw. das VG Freiburg, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn G 4 bis 6/14) ausgeführt, werden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen, ausgenommen Familien und besonders vulnerable Asylsuchende. Hat ein dem Dublin-System unterliegender Asylbewerber den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat verlassen, um in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat erneut Asyl zu beantragen, so erscheint eine Inhaftnahme bei Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat nicht willkürlich, so dass auch im Hinblick auf den Schutz und die Achtung der elementaren Rechtsgleichheit aller Menschen (dazu Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung nicht ersichtlich ist. Die Praxis, dass regelmäßige Haftprüfungstermine im Halbstundentakt und für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 30.9.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 5/14), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass eine Fortdauer der mit Fluchtgefahr begründeten Haft willkürlich bestimmt werde.

17

Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende regelmäßig durch eine lange Haftdauer ohne Aussicht auf Entlassung gedemütigt würden. Die Asylhaft ist gesetzlich auf maximal sechs Monate beschränkt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, 2014/1). Für Überschreitungen der gesetzliche Höchstdauer ist nichts ersichtlich.

18

Die näheren Bedingungen einer etwaigen Haft lassen für einen ohne seine Familie geflohenen gesunden jungen, aber volljährigen Mann, wie den Antragsteller, ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrige Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221, http://hudoc.echr.coe – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn nicht an (EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht ein Gutachten von Pro Asyl e.V. (an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, S. 3 ff., juris) zugrunde. Danach wird die Asylhaft getrennt von der Immigrations- oder der Strafhaft durchgeführt. Überbelegungen finden nicht statt. Die Inhaftierten werden tagsüber nicht in Zellen eingesperrt. Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. Sanitäter bzw. Krankenschwestern sind permanent anwesend. Von nachhaltigen oder durchgehenden hygienischen oder Versorgungsmängeln wird nicht berichtet, wenngleich es in einzelnen Hafteinrichtungen in der Vergangenheit zu Mängeln in der Reinigung einzelner Waschräume gekommen ist.

19

Sofern es zum Einsatz von Handfesseln und Leinen bei Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei einer Behörde, einem Gericht oder dem Arzt kommt (so Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an VG Düsseldorf, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G/14), kann darin im Einzelfall dann ein Mangel in den Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch die Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (dazu Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 1/14), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.

20

Sofern in dem Gutachten von Pro Asyl e.V. (v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf, S. 4 f., juris) ein Bericht eines aus einer Hafteinrichtung entlassenen Asylbewerbers wiedergegeben wird, wonach in der Hafteinrichtung „immer die selben Tabletten“ verabreicht würden, kann dem Gericht keinen Hinweis aus einen systemischen Mangel des Haftbedingungen entnehmen.

21

Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft nicht die Bedingungen in Ungarn für die Aufnahme eines erwachsenen Asylsuchenden, sondern die Bedingungen in Italien für die Aufnahme von asylsuchenden Personen in Italien mit sechs minderjährigen Kindern (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 100 ff., 121 f., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall angenommen, dass die Beschwerdeführer nach Italien zurückgeführt würden, ohne dass die schweizerischen Behörden zuvor individuelle Garantien von den italienischen Behörden dafür erlangen, dass die Beschwerdeführer in einer Weise übernommen werden würden, die dem Alter der Kinder angemessen ist, und dafür, dass die Familie zusammenbleiben würde. Ein solches Erfordernis der vorherigen individuellen Garantie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf Italien nicht verlangt, wenn es sich um einen gesunden jungen Mann ohne Angehörige handelt (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 34, juris). Eben dies trifft auf den Antragsteller zu, dessen Familie sich noch in seinem Herkunftsland befindet.

22

2. Die weitere Voraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist gegeben, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Zu prüfen sind objektive und in der Person des Ausländers liegende subjektive, rechtliche oder tatsächliche Hindernisse der Abschiebung. Über auf den Zielstaat der Abschiebung bezogene Hindernisse hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, InfAuslR 2011, 310, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, NVwZ 2011, 512 , juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris Rn. 9). Für solche Hindernisse ist nichts ersichtlich. Die Ehefrau und die knapp anderthalbjährige Tochter des Antragstellers befinden sich noch im Herkunftsland Syrien, so dass eine Familienzusammenführung nicht nur, was der Antragsteller hervorhebt, in Ungarn als nicht möglich erscheint, sondern allgemein innerhalb der Dublin-Staaten.

III.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 83b AsylVfG, 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe folgt daraus, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.

II.

2

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

3

Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.). Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine Hindernisse entgegen (2.).

4

1. Die Zuständigkeit Ungarns i.S.d. § 27a AsylVfG ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 26.6.2013 Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).

5

Die durch Anhang I Dublin-III-VO aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (v. 18.2.2003, Amtsbl. EG Nr. 50 S. 1 – Dublin-II-VO) findet keine Anwendung, da der Antragsteller nicht vor dem sich aus Art. 49 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergebenden Stichtag 1. Januar 2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seinen gegenüber der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2014 gemachten Angaben hat der am … 1984 in Syrien geborene Antragsteller als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sunnitischer Konfession sein Herkunftsland am 18. August 2013 verlassen. Ausweislich der Erklärung der ungarischen Behörden vom 13. Januar 2015 hat er in Ungarn am 2. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt.

6

Ungarn hat am 13. Januar 2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO das Gesuch der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2015 um Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend.

7

Es kommt nicht darauf an, ob Ungarn vor der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin-III-VO für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung des abgebenden Mitgliedstaats ist nicht zu prüfen, ob der aufnehmende Mitgliedstaat zu Recht seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO angenommen hat. Für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach der Dublin-III-VO gilt nichts anderes als vormals für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach den Vorgängervorschriften der Dublin-II-VO. Nach der Dublin-II-VO hat der Asylbewerber grundsätzlich kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird (VGH Mannheim, Beschl. v. 6.8.2013, 12 S 675/13, InfAuslR 2014, 29, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 15.3.2012, 10 A 227/11, juris Rn. 24; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2010, § 27a AsylVfG Rn. 26 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 40).

8

Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach kann in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach der Dublin-II-VO zugestimmt hat, der Asylbewerber dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (v. 12.12.2007, ABl. EU Nr. C 303 S. 1 – GR-Charta) ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Diese Rechtsprechung zur Dublin-II-VO hat ihren Niederschlag im Normtext des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gefunden. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Wesentliche Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht. Im Einzelnen:

9

Dem durch Art. 4 GR-Charta gewährleisteten Unionsgrundrecht ist gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite verliehen wie dem entsprechenden Recht, das in Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686 – EMRK) völkerrechtlich verbürgt ist. Ebenso wie nach Art. 4 GR-Charta darf nach Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Abschiebung eines Asylbewerbers am Maßstab des Art. 3 EMRK zu prüfen (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 93 m.w.N., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bezeichnen drei Stufen unterschiedlicher Eingriffsintensität (vgl. EGMR, Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162 ff., EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich). Folter ist die vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, in der Absicht auf den Willen des Gefolterten oder eines Dritten einzuwirken, um ein Geständnis zu erlangen oder um Dritte zu terrorisieren; eine unmenschliche Behandlung ist die absichtliche Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine ausreichende Schwere aufweisen; eine erniedrigende Behandlung kennzeichnet, dass bei dem Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterlegenheit erweckt werden, die geeignet sind, es zu demütigen und seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 8 f. m.w.N.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, kann dabei auch davon abhängen, wieweit die Maßnahmen zur Verfolgung legitimer Zeile geboten sind (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 11). Da das Recht aus Art. 3 EMRK als einzige der Gewährleistungen der EMRK auch im Notstand keinen Einschränkungen unterliegt, gilt dies auch für das ihm entsprechende Recht aus Art. 4 GR-Charta (Höfling, in Tettinger/Stern, GR-Charta, 1. Aufl. 2006, Art. 4 Rn. 15 ff.). Um dem Verbot des Art. 3 EMRK zu unterfallen muss die Schwere der Misshandlung ein Mindestniveau erreichen, wobei die Bemessung dieses Mindestniveaus von allen Umständen des Falles abhängt, wie der Dauer der Behandlung und ihren körperlichen und geistigen Folgen, in geeigneten Fällen auch von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 94, juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz; Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162, EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich).

10

Für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9) das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, Slg. 2011, I-13905, Rn. 88 ff. – N.S. u.a.), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war; derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, InfAuslR 2014, 352, juris Rn. 6; a.A. United Kingdom Supreme Court, Urt. v. 19.2.2014, <2014> UKSC 12, https://www.supremecourt.uk).

11

Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel liegt dabei erst dann vor, wenn hierfür kompetente Stellen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 29.5.2010, ABl. EU Nr. L 132 S. 11) errichtete Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 22.10.2014, 10 A 3085/14, n.v.; das VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, Rn. 22 verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 22 f. Dublin-III-VO). So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf abgestellt, dass es an einem Positionspapier des UNHCR fehlte, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdrücklich aufforderte, von einer Überstellung nach Ungarn im Dublin-System abzusehen (EGMR. Urt. v. 6.6.2013, Nr. 2283/12, Rn. 105, http://hudoc.echr.coe.int – Mohammed./.Österreich).

12

Nach diesen Maßstäben sind keine systemischen Mängel anzunehmen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Dublin-Rückkehrers in Ungarn erwarten ließe (ebenso EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich; VG Hamburg, Beschl. v. 13.2.2015, 7 AE 240/15, n.v.; Beschl. v. 6.1.2015, 10 AE 154/15, n.v.; Beschl. v. 30.10.2014, 8 AE 2529/14, n.v.; VG Augsburg, Beschl. v. 26.1.2015, Au 7 S 15.50015, juris Rn. 24 ff.; Beschl. v. 21.1.2015, Au 2 S 14.50360, juris Rn. 19 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2015, 7 L 2975/14.A, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 12.12.2014, RN 5 S 14.50306, juris Rn. 25 ff.; VG Stade, Beschl. v. 14.7.2014, 1 B 862/14, juris Rn. 8 f.; VG Bremen, Urt. v. 25.4.2014, 4 K 2131/13.A, juris Rn. 16 ff.; österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Spruch v. 10.11.2014, W212 1438158-2/11E, http://www.ris.bka.gv.at; insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 7 f.; im Ansatz auch VG Würzburg, Beschl. v. 2.1.2015, W 1 S 14.50120, juris Rn. 29).

13

Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Doch liegt dieser Fall nicht vor. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung sind nicht bereits dann offen, wenn die Frage systemischer Mängel in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt wird (so aber OVG Bautzen, Beschl. v. 24.7.2014, A 1 B 131/14, juris Rn. 4; VG München, Beschl. v. 31.10.2014, M 16 S 14.50535, juris Rn. 16). Die Erfolgsaussichten sind allenfalls dann offen, wenn eine nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens im Hauptsacheverfahren konkret anstehende weitere Aufklärung zu der für einen Erfolg der Klage führenden Überzeugungsgewissheit führen könnte, was hier nicht der Fall ist. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit von einer mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eintretenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9). Für eine Offenheit der Erfolgsaussichten genügt deshalb nicht, dass es im Zeitpunkt der Entscheidung an verlässlichen Informationsquellen fehlt (dies implizierend aber VG Bremen, Beschl. v. 17.1.2014, 4 V 2132/13.A, juris Rn. 13 f.).

14

Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten (so aber implizit VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 21). Wie in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1) ausgeführt ist, findet sich die gesetzliche Regelung über die Asylhaft in Art. 31/A Abs. 1 des ungarischen Asylgesetzes. Danach besteht ein Haftgrund insbesondere dann, wenn die asylsuchende Person sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat oder hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Asylbewerber das Verfahren verzögert oder zu vereiteln sucht oder Fluchtgefahr besteht, um die notwendigen Feststellungen zur Durchführung des Asylverfahrens treffen zu können. Die Haftgründe stimmen mit den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (v. 29.6.2013, Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 96 – AufnahmeRL) weitgehend überein, so dass die ungarische Gesetzesregelung als solche keine Verletzung des Unionsrechts darstellt (insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8).

15

Auch kann aus der Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuregelung der Asylhaft in Ungarn kein systemischer Mangel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen hergeleitet werden (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014, 20 L 2345/14.A, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.12.2014, 2 K 422/14, http://bordermonitoring.eu; das Vorliegen systemischer Mängel für offen haltend VG Magdeburg, Beschl. v. 11.12.2014, 9 B 449/14, juris Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch nach dem verfolgten Sinn und Zweck, der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Dublin-System im Normtext Ausdruck zu verschaffen, auf drohende Verletzungen des Art. 4 GR-Charta beschränkt ist. Wenngleich der überstellende Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO (ebenso wie nach der Dublin-II-VO, dazu EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris Rn. 64 ff.) wegen Art. 51 GR-Charta die Überstellungsentscheidung unter Beachtung der Unionsgrundrechte trifft, folgt daraus nicht, dass der überstellende Mitgliedstaat gegen Unionsgrundrechte verstößt, sobald nicht ausgeschlossen ist, dass der aufnehmende Mitgliedstaat dies tun wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 GR-Charta entnommen (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Somit ist für den überstellenden Mitgliedstaat das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GR-Charta ebenso wenig Maßstab (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8) wie dies allgemein an den aufnehmenden Mitgliedstaat gerichtete „unionsrechtliche Vorgaben“ sind (a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 17).

16

Wenngleich eine willkürliche Inhaftnahme im Einzelfall mit einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta einhergehen kann, ist nicht zu erwarten, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt werden. Es liegt kein Positionspapier des UNHCR vor, das die Staaten dazu auffordert, von Überstellungen nach Ungarn im Dublin-System abzusehen. Wie in drei Auskünften der Vertretung in Deutschland des UNHCR (v. 30.9.2014 an das VG Bremen, das VG Düsseldorf bzw. das VG Freiburg, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn G 4 bis 6/14) ausgeführt, werden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen, ausgenommen Familien und besonders vulnerable Asylsuchende. Hat ein dem Dublin-System unterliegender Asylbewerber den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat verlassen, um in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat erneut Asyl zu beantragen, so erscheint eine Inhaftnahme bei Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat nicht willkürlich, so dass auch im Hinblick auf den Schutz und die Achtung der elementaren Rechtsgleichheit aller Menschen (dazu Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung nicht ersichtlich ist. Die Praxis, dass regelmäßige Haftprüfungstermine im Halbstundentakt und für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 30.9.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 5/14), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass eine Fortdauer der mit Fluchtgefahr begründeten Haft willkürlich bestimmt werde.

17

Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende regelmäßig durch eine lange Haftdauer ohne Aussicht auf Entlassung gedemütigt würden. Die Asylhaft ist gesetzlich auf maximal sechs Monate beschränkt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, 2014/1). Für Überschreitungen der gesetzliche Höchstdauer ist nichts ersichtlich.

18

Die näheren Bedingungen einer etwaigen Haft lassen für einen ohne seine Familie geflohenen gesunden jungen, aber volljährigen Mann, wie den Antragsteller, ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrige Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221, http://hudoc.echr.coe – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn nicht an (EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht ein Gutachten von Pro Asyl e.V. (an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, S. 3 ff., juris) zugrunde. Danach wird die Asylhaft getrennt von der Immigrations- oder der Strafhaft durchgeführt. Überbelegungen finden nicht statt. Die Inhaftierten werden tagsüber nicht in Zellen eingesperrt. Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. Sanitäter bzw. Krankenschwestern sind permanent anwesend. Von nachhaltigen oder durchgehenden hygienischen oder Versorgungsmängeln wird nicht berichtet, wenngleich es in einzelnen Hafteinrichtungen in der Vergangenheit zu Mängeln in der Reinigung einzelner Waschräume gekommen ist.

19

Sofern es zum Einsatz von Handfesseln und Leinen bei Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei einer Behörde, einem Gericht oder dem Arzt kommt (so Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an VG Düsseldorf, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G/14), kann darin im Einzelfall dann ein Mangel in den Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch die Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (dazu Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 1/14), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.

20

Sofern in dem Gutachten von Pro Asyl e.V. (v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf, S. 4 f., juris) ein Bericht eines aus einer Hafteinrichtung entlassenen Asylbewerbers wiedergegeben wird, wonach in der Hafteinrichtung „immer die selben Tabletten“ verabreicht würden, kann dem Gericht keinen Hinweis aus einen systemischen Mangel des Haftbedingungen entnehmen.

21

Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft nicht die Bedingungen in Ungarn für die Aufnahme eines erwachsenen Asylsuchenden, sondern die Bedingungen in Italien für die Aufnahme von asylsuchenden Personen in Italien mit sechs minderjährigen Kindern (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 100 ff., 121 f., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall angenommen, dass die Beschwerdeführer nach Italien zurückgeführt würden, ohne dass die schweizerischen Behörden zuvor individuelle Garantien von den italienischen Behörden dafür erlangen, dass die Beschwerdeführer in einer Weise übernommen werden würden, die dem Alter der Kinder angemessen ist, und dafür, dass die Familie zusammenbleiben würde. Ein solches Erfordernis der vorherigen individuellen Garantie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf Italien nicht verlangt, wenn es sich um einen gesunden jungen Mann ohne Angehörige handelt (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 34, juris). Eben dies trifft auf den Antragsteller zu, dessen Familie sich noch in seinem Herkunftsland befindet.

22

2. Die weitere Voraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist gegeben, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Zu prüfen sind objektive und in der Person des Ausländers liegende subjektive, rechtliche oder tatsächliche Hindernisse der Abschiebung. Über auf den Zielstaat der Abschiebung bezogene Hindernisse hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, InfAuslR 2011, 310, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, NVwZ 2011, 512 , juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris Rn. 9). Für solche Hindernisse ist nichts ersichtlich. Die Ehefrau und die knapp anderthalbjährige Tochter des Antragstellers befinden sich noch im Herkunftsland Syrien, so dass eine Familienzusammenführung nicht nur, was der Antragsteller hervorhebt, in Ungarn als nicht möglich erscheint, sondern allgemein innerhalb der Dublin-Staaten.

III.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 83b AsylVfG, 154 Abs. 1 VwGO.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am ... in Bad K. geboren. Seine Eltern sowie die beiden älteren Brüder betreiben eigene Asylverfahren und dazugehörige Gerichtsverfahren (Az: W 1 K 14.30137, W 1 S 14.30138, W 1 K 14.30139, W 1 S 14.30140). Für sie liegen Eurodac-Treffer für U. vor.

Am 17. Februar 2014 wurde für den Antragsteller Asyl beantragt.

Aufgrund des Wiederaufnahmeersuchens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. März 2014 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 1. April 2014 ihr Einverständnis mit der Übernahme des Antragstellers.

Mit Bescheid vom 3. April 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Ziffer 2). Aufgrund der untrennbaren Verbindung mit den Familienangehörigen des Antragstellers, für die U. zuständig sei, sei U. gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO auch für die Behandlung seines Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Weder der UNHCR, noch das Hungarian Helsinki Commitee oder European Refugee Council hätten eine generelle Empfehlung ausgesprochen, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach U. zu überstellen. Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Bescheid Bezug genommen. Dieser wurde der Mutter des Antragstellers ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 67/68 der Bundesamtsakte) am 10. April 2014 zugestellt.

Am 14. April 2014 wurde für den Antragsteller Klage erhoben (Az: W 1 K 14.50042), über die noch nicht entschieden ist.

Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. April 2014 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

1. Zu Recht wurde U. als für die Behandlung des Asylgesuchs des Antragstellers zuständiger Mitgliedstaat bestimmt. Die Antragsgegnerin ist auch nicht wegen Ablaufs der Frist für das Wiederaufnahmegesuch zuständig geworden.

Da sowohl der Asylantrag als auch das Wiederaufnahmeersuchen an U. nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach der Verordnung der Europäischen Union Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO, ABl. Nr. L 180, S. 31). Weil U. der nach Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge der Familienangehörigen des Antragstellers zuständige Mitgliedstaat ist, liegt bei diesem Staat auch gem. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers. Die Frist für die Stellung des Wiederaufnahmegesuchs an den ersuchten Mitgliedstaat nach Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO von drei Monaten ab Asylantragstellung, soweit sich dieses nicht auf eine EURODAC-Treffermeldung stützt, wurde eingehalten.

2. Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.

Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. des bei der Auslegung des Art. 4 GR-Charta nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta heranzuziehenden Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in U. (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr insoweit aufgrund im Folgenden noch darzulegender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) sowie einiger anderer deutscher Verwaltungsgerichte (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.; B. v. 19.5.2014 - W 3 S 14.50045 - UA S. 5 ff.; VG Augsburg, B. v. 11.6.2014 - Au 7 S 14.50134 - juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B. v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.), die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in U. verneinen (entgegen SächsOVG, B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m. w. N.; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.).

Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Dass die Antragsteller nach einer Rücküberstellung nach U. unmittelbar nach Griechenland weitergeschoben würden, ist damit aufgrund dieser Erkenntnisquellen nicht anzunehmen. Gegenteiliges lässt sich auch dem Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, nicht entnehmen.

Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in U. in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systematische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).

Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) davon auszugehen, dass auch für U. die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.

Schließlich geht das Gericht davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in U. zwar schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16 ff. und S. 35 f.). Diese stellen sich, unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller bzw. seinen Familienangehörigen ein solcher Status überhaupt zuerkannt werden wird, nach Auffassung des Gerichts aber als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten. Denn von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf öffentliche Leistungen haben (vgl. den genannten Bericht von bordermonitoring.eu, S. 16). Dass trotz dieser Unterstützungsleistungen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in ganz U. in systemischer Weise Obdachlosigkeit drohen würde, ist durch diesen Bericht dagegen nicht glaubhaft gemacht. So wird dort insbesondere auf Mietkosten in der Hauptstadt Budapest abgestellt, wo die Mietkosten deutlich höher sein dürften als im restlichen U. (vgl. bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16). Auch dieser Gesichtspunkt steht einer Rücküberstellung des Antragstellers daher nicht entgegen (so auch VG Würzburg, B. v. 10.12.2014 - W 1 S 14.50008, UA S. 9; B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147 - juris; B. v. 12.3.2014 - W 2 S 14.30217 - juris; VG Augsburg, B. v. 25.7.2013 - Au 7 S 13.30210 - juris).

Weder das Vorbringen des Antragstellers noch die neueren Erkenntnismittel, insbesondere der Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014, die Auskunft von UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 und der Bericht von PRO ASYL vom 11. Juli 2014 sowie die neuere Rechtsprechung führen zu einer anderen Beurteilung.

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände insbesondere der Inhaftierungspraxis in U. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).

Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in U., insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern, ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält (so VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris), sondern schließt sich vielmehr der gegensätzlichen Auffassung an (VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 12; VG Düsseldorf, B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris; VG Würzburg, B. v. 19.5.2014 - W 3 S 14.50045). Nach den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Mohammadi versus Österreich (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.) ist nicht von systematischen Inhaftierungen von Asylsuchenden in U. auszugehen. Auch nach der die Lage in U. - ohne Auseinandersetzung mit der oben genannten Entscheidung des EGMR - anders bewertenden Rechtsprechung belegen die Inhaftierungsvorschriften in U. und die Anwendung dieser Vorschriften für sich noch keinen Anhaltspunkt für systemische Mängel. Denn die ungarischen Inhaftierungsvorschriften entsprechen bei summarischer Betrachtung den Vorgaben des Europäischen Rechts, insbesondere den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU - Aufnahmerichtlinie - genannten Haftgründen. Danach darf ein Antragsteller nur in Haft genommen werden, um u. a. Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf internationalen Schutz stützt, und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere, wenn Fluchtgefahr besteht, was naheliegend ist, wenn ein Asylbewerber bereits einmal illegal U. verlassen hat, um in einem anderen Mitgliedstaat einen weiteren Asylantrag zu stellen. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass die ungarische Asylhaftpraxis die Grenzen des europäischen Rechts systematisch überschreitet, selbst wenn entsprechend der Auskunft des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil und soweit die ungarischen Behörden einen Haftgrund im Einklang mit dem europäischen Unionsrecht annehmen. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich, dass im Einzelfall auch von einer Asylhaft abgesehen werden kann und auch abgesehen wird, mithin die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles bei einer Haftanordnung berücksichtigt werden. Auch die Dauer der Asylhaft ist nach dem ungarischen System an das Fortbestehen eines Haftgrundes gekoppelt.

Im Übrigen droht dem Antragsteller als Kleinkind ohnehin keine Inhaftierung. Denn dem aktuellen aida-Bericht (European Council on Refugees and Exiles - ECRE, Asylum Information Database - aida, National Report, Hungary vom 30.4.2014, S. 48) ist zu entnehmen, dass in U. Frauen und Familien mit Kindern in der Praxis nicht mehr inhaftiert werden (ebenso VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 13; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 87 ff.; anderer Ansicht, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem o. g. Bericht: VG München, B. v. 30.5.2014 - M 10 S 14.50134, M 10M 10 S 14.50136, M 10 S M 10 S 14.50138 - juris Rn. 20 ff.; B. v. 15.4.2014 - M 16 S 14.50045, M 16M 16 S 14.50047 - juris Rn. 15 ff.; B. v. 15.4.2014 - M 16 S 14.50049 - juris Rn. 15 ff.). Die Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen ist ohnehin nach den einschlägigen Rechtsvorschriften unzulässig (aida-Report, a. a. O.).

3. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in der Form einer Reiseunfähigkeit folgt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 30. Juni 2014. Soweit dort eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers aufgrund einer durchgeführten Operation bescheinigt wird, dürfte diese durch Zeitablauf entfallen sein. Sollte aufgrund des gegenwärtigen Gesundheitszustandes des Antragstellers eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit vorliegen, so hätte das Bundesamt bzw. die für die Durchführung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde dies - auch nach dem Erlass der Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid - bei der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung bzw. im Rahmen der Entscheidung über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen; das Bundesamt hat die Ausländerbehörde ggf. anzuweisen, von einer Abschiebung abzusehen (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 10 ff.; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21). Dies gilt ebenso für die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutze des Antragstellers als Kleinkind (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 7 ff.).

4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Ungarn.

Der am ...1991 geborene Kläger zu 1) und seine am ...1991 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten nach ihren eigenen Angaben am 22.6.2013 aus dem Kosovo über Serbien nach Ungarn, wo sie am 23.6.2013 von der Polizei verhaftet wurden. Nachdem sie ca. zwei Wochen in Ungarn in verschiedenen Asyleinrichtungen gelebt hatten, reisten die Kläger am 15.7.2013 über Österreich nach Deutschland ein. Am 22.7.2013 stellten sie Asylanträge.

Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben sie am 22.7.2013 an, dass sie am 23.6.2013 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden seien. Einwände dagegen, dass ihre Asylanträge in Ungarn geprüft würden, trugen die Kläger nicht vor, sie wollten aber nach Deutschland.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 1.8.2013 erklärte der Kläger zu 1) unter anderem, dass er vor allem wegen einer Augenkrankheit nach Deutschland gekommen sei, die im Kosovo nicht operiert werden könne. Auf seinem linken Auge befinde sich eine Schicht, durch die er nicht richtig sehen könne. Hierzu legte er Unterlagen aus den Jahren 2001 und 2002 vor, aus denen laut der Übersetzung des Bundesamts hervorgeht, dass er nach einer Herpesinfektion an einer dichten weißen Hornhautnarbe (Macula corneae) leide, die zu Beeinträchtigung des Sehvermögens, Blendungsüberempfindlichkeit und Tränenfluss führen könne.

Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 10.12.2013 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 16.12.2013 ihre Zustimmung nach Art. 16 Abs. 1 c der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (sogenannte Dublin II-Verordnung).

Am 27.12.2013 teilten die Kläger dem Bundesamt durch Schreiben ihres Bevollmächtigten mit, dass die Klägerin zu 2) ein Kind erwarte und es sich um eine Risikoschwangerschaft handle. Der Kläger zu 1) leide zudem an einer komplizierten Augenkrankheit.

Mit Bescheid vom 9.4.2014 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Ungarn aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gem. Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-Verordnung für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen.

Gegen diesen Bescheid, der den Klägern am 22.4.2014 zugestellt wurde, haben diese am 29.4.2014 Klage erhoben.

Auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4.6.2014 unter Hinweis auf die bei der Klägerin zu 2) bestehende Risikoschwangerschaft die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

In ihrer Klagebegründung verweisen die Kläger darauf, dass beim Kläger zu 1) eine größere Augenoperation bevorstehe. Diese habe nicht früher durchgeführt werden können, weil die während ihrer Schwangerschaft bettlägerige und nach der Geburt an einer Wochenbettdepression leidende Klägerin zu 2) auf die Versorgung durch den Kläger zu 1) angewiesen gewesen sei. Die erforderliche medizinische Versorgung für die komplizierte Augenkrankheit sei in Ungarn nicht gewährleistet. Außerdem sei eine Abschiebung nach Ungarn wegen der dort vorliegenden systemischen Mängel des Asylverfahrens unzulässig. In den ungarischen Flüchtlingslagern herrschten katastrophale Zustände.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 9.4.2014 aufzuheben und ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt in Frage, ob die geplante Operation akut notwendig sei. Die Gefahr einer akuten Verschlechterung ohne sofortige Operation sei nicht dargelegt worden. Der Kläger zu 1) habe, obwohl er sich seit dem 22.7.2013 in Deutschland befinde, erst für den 4.12.2014 einen ersten Augenarzttermin anberaumt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Akten des Bundesamts, die gewechselten Schriftsätze in diesem sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Az. RN 6 S 14.50088 sowie den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg vom 5.12.2014 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1) Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 9.4.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO, da die Republik Ungarn für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig ist (unten a), den Klägern kein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland zusteht (unten b) und auch die Anordnung der Abschiebung keinen rechtlichen Zweifeln begegnet (unten c).

a) Die Republik Ungarn ist gemäß § 27 a AsylVfG i. V. m. Art. 13 und 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom18.2.2003 - Dublin II-Verordnung) für die weitere Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Maßgeblich für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist die Dublin II-Verordnung, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26.6.2013 - Dublin III-Verordnung).

Die Voraussetzungen von Art. 13 Dublin II-Verordnung liegen vor, da die Republik Ungarn der erste EU-Mitgliedsstaat ist, in dem die Kläger einen Asylantrag gestellt haben. Wie sich aus der Bestätigung der Republik Ungarn vom 16.12.2013 ergibt, haben die Kläger am 25.6.2013 in Ungarn Asylanträge gestellt.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-Verordnung ist die Republik Ungarn zur Wiederaufnahme der Kläger verpflichtet, da diese während der Prüfung ihres Asylantrags in Ungarn unerlaubt in deutsches Hoheitsgebiet eingereist sind.

Es besteht auch keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, weil in Ungarn die ordnungsgemäße Durchführung des Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre. Bei der Republik Ungarn handelt es sich als Mitgliedsstaat der EU um einen sicheren Drittstaat i. S. v. Art. 16 a Abs. 2 GG und § 26 a AsylVfG.

Insoweit geht das Gericht als Prüfungsmaßstab vom Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, B. v. 15.5.1996 - 2 BvR 1938/38 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (Europäischer Gerichtshof - EuGH B. v. 21.12.2011 - C - 411/10, NVwZ 2012, 417) aus, wonach die Vermutung gilt, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention der Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EuV entspricht.

Hierzu hat der EuGH entschieden, dass dem Unionsrecht keine unwiderlegliche Vermutung innewohne, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedsstaat werde die Unionsgrundrechte beachten. Vielmehr obliege den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gebe, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (EuGH, B. v. 21.12.2011, a. a. O.).

Im Rahmen dieser Prüfung ist jedoch nicht anzunehmen, dass gegenwärtig im Fall der Republik Ungarn systemische Mängel vorliegen, die eine solche Gefahr für die Kläger begründen könnten.

Zwar gehen einige Verwaltungsgerichte in Deutschland vom Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens in Ungarn aus (vgl. VG Magdeburg, B. v. 11.4.2013 - 9 B 140/13 - juris; VG Freiburg, B. v. 28.8.2013 - A 5 K 14067/13 - juris; VG München, B. v. 23.12.2013 - M 23 S 13.31303; juris). Soweit sich diese Entscheidungen aber auf Erkenntnisquellen wie das UNHCR-Positionspapier vom 15.3.2012 beziehen, wonach in Ungarn die Unterbringungsmöglichkeiten, insbesondere bei Jugendlichen, nicht europäischem Standard entsprächen und Misshandlungen in der Haft sowie Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge mittels Medikamenten zu beobachten seien, kann davon ausgegangen werden, dass diese Berichte durch spätere Erkenntnisquellen überholt sind. So führt der UNHCR in seinem Bericht vom Dezember 2012 aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet habe, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden dürften, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Auch würden Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Dem entsprechen die Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung. Auf diese Erkenntnisse stützt sich insbesondere auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris) und kommt zum Ergebnis, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn nicht vorliegen. Dieser Rechtsprechung folgt das entscheidende Gericht auch weiterhin (ebenso VG Regensburg v. 17.12.2013, RN 5 S 13.30749 - juris).

Gestützt wird diese Auffassung auch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12), wonach aufgrund geplanter oder bereits durchgeführter Änderungen im ungarischen Recht davon auszugehen ist, dass überstellte Personen nunmehr einen hinreichenden Zugang zum Asylverfahren in Ungarn hätten.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsänderung zum 1.7.2013, wonach nun wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber vorgesehen sind. Zwar haben diese Rechtsänderung und ihre Anwendung dazu geführt, dass auch in jüngerer Zeit erneut einige Verwaltungsgerichte Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren Ungarns angenommen haben (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris). Das Gericht folgt diesen Entscheidungen jedoch nicht.

Zwar ist in Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f der der Richtlinie 2013/33 EU (Aufnahmerichtlinie) bestimmt, dass Mitgliedsstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen dürfen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Anknüpfungspunkt für die Inhaftierung eines Asylantragstellers in Ungarn ist aber gerade nicht die Asylantragstellung als solche, sondern - wie im ungarischen Asylgesetz detailliert geregelt wird - die Feststellung der Identität oder Nationalität bzw. das Bestehen ernstlicher Gründe für die Annahme, der Asylsuchende werde das Asylverfahren verzögern oder vereiteln oder es bestehe Fluchtgefahr. Damit steht die Regelung in Ungarn in Einklang mit Art. 8 Abs. 3 b Aufnahmerichtlinie, dass nämlich ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Inhaftierungspraxis. Auch wenn nach einer Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9.5.2014 im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25% aller Asylantragsteller inhaftiert wurden (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 a. a. O., Rdnr. 62), begründet diese Zahl allein noch keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn. Es erscheint nämlich angesichts der hohen Zahl an Asylbewerbern, die sich dem Asylverfahren in Ungarn entziehen und beispielsweise in Deutschland entgegen den Regelungen der Dublin II- bzw. III-Verordnung einen weiteren Asylantrag stellen, nicht ausgeschlossen, dass bei 25% aller Asylantragsteller in Ungarn tatsächlich Fluchtgefahr anzunehmen ist.

Schließlich begründet auch die Tatsache, dass nach den vorliegenden Erkenntnisquellen Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, keine andere Bewertung. Zwar entnimmt das VG Düsseldorf der Auskunft des UNHCR vom 9.5.2014, dass es hinsichtlich dieser Personengruppe an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheine (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014, a. a. O., Rdnr. 82). Dem steht aber entgegen, dass nach den Informationen des ungarischen Helsinki-Komitees vom Mai 2014 ausgeführt wird, dass weibliche Asylsuchende und asylsuchende Familien mit Kinder unter 18 Jahren - also gerade auch die Personengruppe, zu der die Kläger zählen - kaum jemals inhaftiert werden, obwohl das Gesetz dies grundsätzlich zuließe (Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, S. 5). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch aida im National Country Report Hungary (S. 9). Dies belegt, dass ganz offenkundig zumindest eine standardisierte Einzelfallprüfung stattfindet. Da das Gericht der Auffassung ist, dass in Anbetracht der hohen Zahlen von Asylbewerbern in Ungarn an eine Einzelfallprüfung keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind und eine solche Prüfung für die Verwaltung handhabbar bleiben muss, sind damit zumindest die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an eine Einzelfallprüfung erfüllt (ebenso ausführlich VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris, Rdnr.13).

Systemische Mängel ergeben sich schließlich auch nicht aus den Unterbringungs- oder Haftbedingungen in Ungarn.

Auch der im Beschluss des VG München vom 23.12.2013 zitierte aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“ rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit hier argumentiert wird, dass davon auszugehen sei, dass die angenommenen systemischen Mängel in Ungarn deshalb noch weiter zunehmen würden, weil die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage wären, eine menschenwürdige Unterbringung für den Fall zu gewährleisten, dass ein Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhalten, zurück nach Ungarn überstellt würde, basieren solche Überlegungen auf bloßer Spekulation und sind keine Darstellung der gegenwärtigen Situation. Für eine unmittelbar bevorstehende gleichzeitige Überstellung einer so hohen Anzahl von Personen nach Ungarn gibt es auch keine realen Anhaltspunkte, so dass diese Gefahr jedenfalls nicht hinreichend konkret ist. Eine über das generell alle Staaten der Europäischen Union treffende Risiko steigender Asylbewerberzahlen hinausgehende spezifische Gefahr in Ungarn sieht das Gericht derzeit nicht.

Auch ergeben die aktuellen Auskünfte nicht, dass die Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen (vgl. hierzu VG Stade, B. v. 14.7.2014, a. a. O., Rdnr. 19). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Behandlung von Inhaftierten teilweise problematisch ist, jedoch stellen Fehlleistungen im Einzelfall das Konzept der normativen Vergewisserung nicht grundsätzlich in Frage.

Schließlich führt auch das Vorbringen der Kläger, das Übernahmeersuchen sei nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zu spät gestellt und Ungarn sei deshalb nicht zuständiger Staat i. S. d. Dublin II-Verordnung, zu einem abweichenden Ergebnis. Insoweit geht das Gericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Dreimonatsfrist in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung kein subjektives Recht eines Asylantragstellers begründet (vgl. hierzu zuletzt VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014, A 11 S 1721/13 - juris).

c) Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorliegen.

aa) Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Zustimmung des ausländischen Staates erfolgt ist und die Rücknahmefristen eingehalten sind. Beide Bedingungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Mit der Übernahmeerklärung vom 16.12.2013 hat die Republik Ungarn der Überstellung der Kläger zugestimmt, so dass diese gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II-Verordnung noch möglich ist.

bb) Die Abschiebungsanordnung ist nicht aufgrund des Vorliegens inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse aufzuheben. Anders als bei der Abschiebungsandrohung darf eine Abschiebungsanordnung erst erfolgen, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, wenn also sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung grundsätzlich vorliegt. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Diese Rechtsprechung stimmt mit den Entscheidungen anderer Obergerichte überein (vgl. NdsOVG, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris, Rdnr. 41; OVG Berlin-Brandenburg, B. v.1.2.2012 - OVG 2 S 6.12 - juris, Rdnr. 4 ff.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris, Rdnr. 4; VGH BW, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris, Rdnr. 4) und findet ihre Stütze im eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach eine Abschiebungsanordnung zulässig ist, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Auch das Verwaltungsgericht Regensburg folgt dieser Rechtsprechung (vgl. VG Regensburg, B. v. 12.4.2013 - RO 9 S 13.30112 - juris). Soweit Abschiebungshindernisse erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten, hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen. Hierzu gehört auch die Frage der Reisefähigkeit.

Vorliegend begründen jedoch weder die vorgelegten Atteste hinsichtlich der Augenerkrankung beim Kläger zu 1) noch die eines Entwurzelungssyndroms, einer Schlafstörung und eines Angstgefühls mit Appetitlosigkeit bei der Klägerin zu 2) ernstliche Zweifel an der Reisefähigkeit der Kläger.

cc) Die genannten Erkrankungen führen auch nicht zum Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass Asylsuchende, die an einer Krankheit leiden, in Ungarn grundsätzlich die gleiche medizinische Behandlung wie ungarische Staatsbürger erhalten. Dies ergibt sich aus den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes, wonach auch für Dublin II-Rückkehrer eine medizinische Notfallversorgung gesichert ist (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Augsburg vom 23.5.2013, zit. in VG Augsburg, B. v. 5.12.2013, Au 7 S 13.30454 - juris, Rdnr. 28, ebenso aida, National Country Report Hungary, S. 40 f.). Auch der in Ungarn am 1.1.2013 in Kraft getretene Act LXXX of 2007 on Asylum Government Decree 301/2007 (XI.9) sieht für Asylsuchende einen Zugang zur Gesundheitsversorgung als Teil der materiellen Aufnahmebedingungen vor. Sowohl in Aufnahmeeinrichtungen als auch in Haftanstalten sind dabei Gesundheitszentren vorhanden, die mit allen notwendigen Medikamenten, auch für psychische Erkrankungen ausgestattet sind (vgl. VG Ansbach, U. v. 9.1.2014 - AN 3 K 13.30581 unter Verweis auf den Bericht des Bundesamts vom 18.9.2013). Asylsuchende sind zudem berechtigt, kostenlose Gesundheitsversorgung und insbesondere psychologische Betreuung und psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, wenngleich in der Praxis die Kapazitäten eingeschränkt sind und Sprachbarrieren die Behandlung erschweren. Eine Betreuung findet aber auch durch die nichtstaatliche Cordelia Foundation statt (vgl. VG Oldenburg, B. v. 16.1.2014, 5 B 33/14 - juris, aida, a. a. O., S. 41). Insoweit hat das Gericht keine ernstlichen Zweifel, dass in Ungarn eine angemessene Behandlung der psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2) möglich ist.

Dahingestellt bleiben kann schließlich, ob auch eine Behandlung des Augenleidens des Klägers zu 1) in Ungarn durchgeführt werden kann. Ein Abschiebungshindernis i. S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG ist nämlich nicht schon bei jedweder Erkrankung eines Abzuschiebenden anzunehmen. Vielmehr verlangt auch die Berufung auf eine Krankheit eine extreme Gefahrenlage für den betroffenen Ausländer wie sie etwa bei einer Verschlimmerung eines schweren Leidens anzunehmen ist (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Aufenthaltsgesetz, § 60, Rdnr. 54). Hiervon ist im Fall der Augenerkrankung des Klägers zu 1) nicht auszugehen. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Erkrankung eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung für den Kläger zu 1) darstellt, zeigen doch die Tatsachen, dass der Kläger zu 1) nicht nur mehr als ein Jahrzehnt im Kosovo ohne Behandlung leben konnte, und dass er auch nach seiner Einreise nach Deutschland bis zu einem ersten Behandlungstermin die Geburt seines Kindes abwarten konnte, dass es jedenfalls an der von Art. 60 Abs. 7 AufenthG geforderten extremen Gefährdung fehlt. Der vom Kläger zu 1) vorgetragene Hinweis auf die gesundheitlichen Probleme der Klägerin zu 2) im Rahmen der Schwangerschaft überzeugt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 1) sich schon vor oder zu Beginn der Schwangerschaft der Klägerin zu 2) um einen Untersuchungstermin hätte bemühen können.

Das Gericht verkennt im Übrigen nicht die schwierige persönliche Gesamtsituation der Kläger. Es geht jedoch davon aus, dass die Beklagte die ungarischen Behörden über die besondere Schutzbedürftigkeit, die sich im Fall einer Familie mit einem Kleinkind, dessen Mutter an einer psychischen Erkrankung leidet, ergibt, informieren und auf diese Weise eine entsprechende Behandlung sicherstellen wird.

2) Die Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG abzuweisen.

3) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.