I.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die vollständige Übernahme von Schülerbeförderungskosten zur ... Wirtschaftsschule ... in ...
Der Kläger wohnt in ... und besuchte bis Mai 2016 die Wirtschaftsschule in ... Seit Juni 2016 besucht der Kläger die ... Wirtschaftsschule ... in ...
Mit Erfassungsbogen vom 13. Juli 2015 beantragte die Mutter des Klägers die Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung zur ... Wirtschaftsschule ... in ...
Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 teilte das Landratsamt des Beklagten der Mutter des Klägers mit, der Kläger erhalte für das Schuljahr 2016/17 eine Jahres-Abo-Karte des AVV zur Beförderung an die ... Wirtschaftsschule ... in ... Die Kosten für diese Jahreskarte könnten grundsätzlich nur vom Wohnort zur nächstgelegenen Schule, im Falle des Klägers die ... Wirtschaftsschule in, übernommen werden. Die Kosten der Beförderung zur ... Wirtschaftsschule ... betrügen 91,90 EUR monatlich. Die Kosten zur ... Wirtschaftsschule ... in ... betrügen 106,30 EUR monatlich. Der Differenzbetrag von 14,40 EUR monatlich, insgesamt 158,40 EUR für das gesamte Schuljahr, sei von der Mutter des Klägers zu erstatten.
Hiergegen ließ die Mutter des Klägers am 27. Juni 2016 Widerspruch einlegen. Zur Begründung des Widerspruchs wurde mit weiterem Schriftsatz vom 5. September 2016 vorgetragen, die ... Wirtschaftsschule ... stehe für den Kläger nicht zur Verfügung. Der Zwillingsbruder des Klägers (der Kläger im Parallelverfahren Au 3 K 17.129) habe die Probezeit an dieser Schule nicht bestanden. Die Schule habe dabei geäußert, der Bruder des Klägers sei zu alt. Die ... Wirtschaftsschule in ... werde deshalb auch den Kläger im Schuljahr 2016/17 nicht. Außerdem sei sie nicht aufnahmefähig. Deshalb sei die ... Wirtschaftsschule in ... für den Kläger nicht die nächstgelegene Schule. Der Beklagte habe deshalb die Kosten für die Beförderung an die ... Wirtschaftsschule in ... in vollem Umfang zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 16. November 2016 legte der Beklagte den Widerspruch der Regierung von ... zur Entscheidung vor. Die Regierung von ... wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2016 zurück. Ein Anspruch für die Übernahme der Beförderungskosten bestehe nur für die Beförderung zur nächstgelegenen Wirtschaftsschule. Dabei handele es sich um die ... Wirtschaftsschule ... Ob die betreffende Schule auch im konkreten Fall für den jeweiligen Schüler die nächstgelegene sei, bestimme sich allein nach objektiven Kriterien. So entfalle die Nächstgelegenheit etwa bei fehlender Aufnahmekapazität dieser Schule, nicht jedoch, wenn die Weigerung der Aufnahme auf Gründe zurückzuführen sei, die in der Verantwortungssphäre des Schülers (bzw. seiner Eltern) lägen. Die Darlegungslast dafür, dass die Aufnahme an der eigentlich nächstgelegenen Schule aus objektiven Gründen scheitere, liege auf der Antragstellerseite. Derartiges sei nicht vorgebracht, eher deute der Sachvortrag auf nichtberücksichtigungsfähige schülerseitige Hinderungsgründe am Besuch der hier nächstgelegenen Wirtschaftsschule hin. Die Entscheidung des Beklagten, die Schülerbeförderungskosten in Anwendung von § 2 Abs. 4 Nr. 3 Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) die Beförderungskosten zur nicht nächstgelegenen Schule anteilig zu übernehmen, sei nicht zu beanstanden. Auch ansonsten sei nichts gegen die Sachbehandlung des Landratsamtes zu erinnern. Der Umstand, dass die Familie des Klägers Transferleistungen beziehe, habe keine Auswirkung auf die Schülerbeförderung.
Der Widerspruchsbescheid wurde nach einem Vermerk in der Akte am 22. Dezember 2016 versandt.
Am 30. Januar 2017 ließ der Kläger Klage erheben. Zur Begründung ist ausgeführt, die Wirtschaftsschule in ... sei für den Kläger nicht die nächstgelegene Schule. Insofern wird im Wesentlichen das Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt.
Der Kläger lässt beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von ... vom 15. Dezember 2016 zu verpflichten, dem Kläger die vollständigen Kosten der Beförderung zur ... Wirtschaftsschule ... in ... für das Schuljahr 2016/2017 zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
An der Zulässigkeit der Klage bestünden schon Zweifel, denn das Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten des Klägers datiere vom 29. Dezember 2016. Dies sei angesichts der Aufgabe des Widerspruchsbescheides zur Post am 22. Dezember 2016 nicht nachvollziehbar, zumal der Widerspruchsbescheid am 23. Dezember 2016 beim Beklagten eingegangen sei. Die vom Bevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe für eine Nichtaufnahme an der ... Wirtschaftsschule ... führten nicht dazu, dass diese Schule ihre Eigenschaft als nächstgelegene verliere. Die Frage der Nächstgelegenheit beurteile sich ausschließlich an objektiven Kriterien, individuelle Besonderheiten aus dem persönlichen Bereich des Schülers seien bei der Beurteilung außer Acht zu lassen. Die darüber hinaus angeführte fehlende Aufnahmekapazität sei aufgrund des individuellen Aufnahmehindernisses ohne Belang.
Für das Klageverfahren ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist zulässig und begründet.
1. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Klage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten gestellt werden. Insbesondere wäre es unzulässig, schwierige Sach- oder Rechtsfragen, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können als von der Beklagtenseite angenommen, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 1 BVR 1526/02 – NJW 2003, 1857). Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt deshalb bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Dies trifft auch dann zu, wenn die Frage nach der Begründetheit der Klage nicht eindeutig in die eine oder andere Richtung zu beantworten ist, sondern erst einer weiteren Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren bedarf (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 12 C 06.2108 – und B.v. 25.11.2013 – 12 C 13.2126 – beide juris).
aa) Die Klage ist zulässig, sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar spekuliert der Beklagte, dass dem Bevollmächtigten des Klägers der Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2016 entgegen dessen Empfangsbekenntnis früher als am 29. Dezember 2016 zugegangen sein könnte. Einen Beweis hierfür gibt es allerdings nicht, sodass das Gericht davon ausgeht, dass der Bescheid dem Bevollmächtigten tatsächlich erst am 29. Dezember 2016 zugegangen ist. Damit begann die Klagefrist am 30. Dezember 2016 zu laufen und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 BGB am 29. Januar 2017. Da dieser Tag auf einen Sonntag fiel, verschob sich das Fristende gemäß § 222 Abs. 2 ZPO auf den nächstfolgenden Werktag, also auf Montag, den 30. Januar 2017. Die an diesem Tag bei Gericht eingegangene Klage war daher fristgemäß.
bb) Die Erfolgsaussichten der Klage in der Sache sind jedenfalls zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife als offen anzusehen.
(1) Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf die Übernahme der Beförderungskosten zur ... Wirtschaftsschule ... in ... aus Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKfrG) i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Schülerbeförderung (SchBefV).
Danach ist die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg u. a. zu einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Realschule oder einem Gymnasium durch den Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers oder der Schülerin sicherzustellen. Der Aufgabenträger erfüllt seine Aufgabe grundsätzlich im Zusammenwirken mit Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlunterricht der nächstgelegenen Schule. Die ist die Schule, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird hierbei der Beförderungsaufwand nach rein finanziellen Gesichtspunkten durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten beurteilt. Entfernung oder Zeitaufwand sind indes nicht maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 ZB 12.2441 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Gemessen daran war für den Kläger, der im Landkreis ... seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, im Schuljahr 2016/2017 nicht die ... Wirtschaftsschule in, sondern die ... Wirtschaftsschule in ... die nächstgelegene Schule, wie sich aus der vom Kläger nicht angegriffenen Kostengegenüberstellung des Landratsamtes im angegriffenen Bescheid vom 15. Juni 2016 ergibt. Daran ändert auch der Umstand, dass dem Bruder des Kläger der Besuch der ... Wirtschaftsschule in ... wegen der dort nicht bestandenen Probezeit persönlich im Schuljahr 2016/2017 nicht möglich gewesen sein dürfte. Denn es ist bereits nicht erkennbar, warum deshalb dem Kläger selbst der Besuch der ... Wirtschaftsschule in ... nicht möglich gewesen sein sollte. Hätte sich der Kläger wegen der persönlichen Erfahrungen seines Bruders gegen einen Schulbesuch in ... entschieden, lägen die Grund ausschließlich in der Person des Klägers und wäre für die Beurteilung des Merkmals der Nächstgelegenheit insofern unbeachtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.11.2010 – Au 3 K 10.1214 – juris Rn. 26).
(2) Auch ein Anspruch auf die Übernahme der vollständigen Beförderungskosten zu einer (nicht nächstgelegenen) Schule nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV besteht nicht. Danach kann die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernommen werden, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 v.H. übersteigt. Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, weil die Kosten der Beförderung zur ... Wirtschaftsschule ... in ... die Kosten der Beförderung zur ... Wirtschaftsschule ... um nicht mehr als 20% übersteigen. Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Kosten beschränkt, die bei einer Beförderung zur ... Wirtschaftsschule in ... entstanden wären. Noch ausreichende Ermessenserwägung sind insofern dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen.
(3) Allerdings ist derzeit offen, ob die Ausgangs- bzw. die Widerspruchsbehörde eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV hätte treffen müssen.
Nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV kann die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernommen werden, wenn die betroffenen Aufwandsträger und Schulen zustimmen. Ob diese Zustimmungen im hier zu entscheidenden Fall vorlagen, ist offen. Offen ist insofern auch, ob (und ggf. unter welchen Voraussetzungen) der Aufwandsträger die Erteilung der Zustimmung im Wege Amtsermittlung erfragen muss oder ob insoweit der Antragsteller darlegungspflichtig ist.
Ermessenerwägungen im Hinblick auf § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV sind weder dem Ausgangsnoch dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang schließlich, ob § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV eine (gegenüber den anderen Regelungen des Abs. 4) selbständige Ermessensentscheidung eröffnet (in diesem Sinne VG Würzburg, Gerichtsbescheidv. 1.10.2015 – W 2 K 15.650 – juris 35; wohl auch Allmannshofer, in: Wüstendörfer (Hrsg.), Schulfinanzierung in Bayern, § 2 SchBefV Rn. 42) oder ob die entsprechenden Erwägungen nur Gegenstand einer einheitlichen Ermessenausübung zur (teilweisen) Übernahme von Beförderungskosten zur nicht nächstgelegenen Schule darstellen. Denn entweder liegt hier ein Ermessensausfall oder ein Ermessensdefizit vor. Einen Unterschied würde dies nur im Hinblick auf die Frage machen, ob die entsprechenden Erwägungen im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden können. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife läge in beiden Fällen ein Ermessenfehler vor, der den Ablehnungsbescheid rechtswidrig machen und einen Anspruch auf Neubescheidung des Antrags gewähren würde.
b) Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den vorlegten Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers vor. Der Kläger selbst hat weder Einkommen noch Vermögen. Seine Mutter bezieht selbst Transferleistungen. Von seinem Vater erhält der Kläger lediglich 117,50 EUR monatlich Barunterhalt.