Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Jan. 2019 - Au 6 K 17.35376
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Zu ihren Ausreisegründen gab sie an, ihre Eltern hätten sie zwingen wollen, einen älteren reichen Mann zu heiraten; er sei zwischen 39 und 40 Jahre alt gewesen, sie 21 Jahre alt. Sie sei nicht einverstanden gewesen, deshalb hätten ihr Vater und ihr Bruder sie geschlagen und ihr gesagt, sie habe nicht mitzureden, sondern müsse es akzeptieren; auch ihre Schwestern hätten ihr nicht zugehört. Der Mann habe nach Auskunft ihrer Familie als Brautpreis 100 ha Land und Vieh geboten; dafür hätten sie die Klägerin verkauft. Sie habe sich mit ihrer Schwester mit dem Mann zum Essen getroffen und habe ihm sagen wollen, dass sie nicht einverstanden sei, aber ihre Schwester habe das nicht erlaubt (ebenda Bl. 84).
Sie sei in einen anderen Mann verliebt gewesen, den sie 2015 über das Internet kennen gelernt habe. Er habe ihren Großvater in ... besucht, so hätten sie einander ein paar Mal getroffen; ihm habe sie alles erzählt. Er habe für sie Leute gefunden, die ihr Unterlagen besorgt hätten; sie habe nur alles unterschrieben und sei ohne Wissen ihrer Familie nach Deutschland gereist; in der Türkei hätte sie den älteren Mann heiraten müssen oder ihre Familie hätte sie umgebracht (ebenda Bl. 84 f.). Ihr Vater, ihr Bruder und ihr Onkel väterlicherseits hätten ihr die Nachricht geschickt, dass sie sie umbringen würden; sie habe von ihrer Familie nur Gewalt erlebt (ebenda Bl. 85).
Der Vater ihres Freundes und zwei Cousins hätten die Klägerin am Flughafen in Italien abgeholt und zur Familie gebracht. Sie habe gedacht, ihr Freund habe sie aus Liebe geheiratet, nicht bloß, damit ihn seine Familie in Ruhe lasse. Zwei Tage sei es gut gegangen, dann hätten er und seine Familie sie beschimpft und geschlagen; nach einem Monat im Keller festgehalten mit einem Bett und sie habe nur Wasser bekommen. Einmal sei ihr Freund dann doch zu ihr gekommen und habe sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Als sie eines Tages aus Hunger zu seiner Mutter gegangen sei, um etwas zu bekommen, habe diese ihr gedroht, sie solle nicht nerven, sonst würde sie in die Türkei zurückgeschickt; es sei ja ihr Wunsch gewesen, nach Deutschland zu kommen (ebenda Bl. 85). Da die Klägerin nichts zu essen bekommen habe, sei es ihr sehr schlecht gegangen, sie habe stark abgenommen und sei einmal von ihm gewürgt worden, denn er nehme Alkohol und „Pillen“ zu sich (ebenda Bl. 85). Erst hätten sie sie eingesperrt, dann habe seine Mutter sie mit den wenigen aus der Türkei mitgebrachten Sachen hinausgeworfen. Sie habe sich an ihren Onkel gewandt, der einer Aufforderung ihrer Familie, sie umzubringen, nicht nachkommen wolle; nur bei ihm und im Lager sei sie sicher (ebenda Bl. 85).
Auf Nachfrage, ob ihr Anwalt ihre Geschichte kenne, verneinte sie, dort sei ihr Onkel dabei gewesen und deshalb habe sie es dort nicht erzählt. Sie [die Familie ihres Freundes] habe gedroht, sie in die Türkei zurückzuschicken, wenn sie etwas erzähle; sie wolle keine Anzeige aus Angst vor der Familie, auch wenn ihr Freund abgeschoben werden sollte (ebenda Bl. 85). Auf Nachfrage datierte sie die Vergewaltigung auf etwa zwei Monate nach ihrer Einreise und den Rauswurf durch seine Mutter auf etwa zwei oder drei Monate nach der Vergewaltigung (ebenda Bl. 86).
Auf Frage, ob sie nicht bei Behörden oder in einem Frauenhaus in der Türkei hätte Schutz finden können, meinte die Klägerin, als Kurdin sei sie gegen ihre Eltern gewesen, wie hätte sie damit zu Behörden gehen können und wohin; auf Frage nach Schutz in einem Frauenhaus meinte die Klägerin, es gebe in der Türkei Traditionen, sie habe einen sehr bösen Onkel und sie hätten sie überall in der Türkei finden können, außerdem habe sie ja mit ihrem Freund fliehen wollen (ebenda Bl. 86).
Für den Fall der Rückkehr habe sie Angst, getötet zu werden; keine Frau könne in der Türkei alleine leben; ihre Familie werde sie finden und töten; sie vertraue dem türkischen Staat nicht und gegen die Tradition könne man nichts machen (ebenda Bl. 86).
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen, weil die Klägerin eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht hätten glaubhaft machen können. Es lägen erheblichen Widersprüche oder Steigerungen im Sachvortrag vor, denn die Klägerin habe in der Anhörung zwar wesentlich genauere Angaben gemacht als in der Erstbefragung der ZAB, diese widersprächen sich aber zum Teil in wesentlichen Punkten. So sei schon die Glaubhaftigkeit des gesamten Vortrags zur geplanten Zwangsheirat in der Türkei in Frage zu stellen, da sie bei der ZAB angegeben habe, sie sei nach Deutschland geflogen und habe zunächst in ... gelebt, weil sie hier heiraten sollte, was dann nicht zustande gekommen sei. Dort habe sie kein Wort von einer Flucht vor einer arrangierten oder zwangsweisen Heirat gesagt, sondern vielmehr eine Reise zu einer arrangierten Heirat in Deutschland, da sie angebe, sie habe hier heiraten „sollen“, nicht „wollen“. Dann habe sie angegeben, sie sei nach drei Monaten zu ihrem Onkel gezogen, aus der Anhörung beim Bundesamt ergäben sich vier bis fünf Monate, denn zwei Monate nach der Ankunft habe der Missbrauch stattgefunden, nach zwei bis drei weiteren Monaten sei sie zum Onkel gezogen. Aufgrund des hohen Bildungsstandes der Klägerin sollten hier übereinstimmende Angaben zu erwarten sein, insbesondere da zwischen den beiden Befragungen nur 14 Tage gelegen hätten. Auch widersprächen sich die Angaben zum Visum, welches in der Anhörung als Schengen-Visum angegeben worden sei, in der Befragung der ZAB aber als gefälschtes Visum. Da eine VisaAbfrage keine Treffer ergeben habe, habe die Klägerin wohl bei der ZAB die korrekte Angabe hierzu gemacht.
Darüber hinaus sei ihr Vortrag nicht in sich stimmig. So habe sie zum einen angegeben, die Hochschulreife erlangt zu haben, eine Aufnahmeprüfung für die Uni gemacht und sich auch an der Universität eingeschrieben zu haben; auf der anderen Seite habe sie nicht raus dürfen, immer machen müssen, was man ihr gesagt habe und sie sei von der Familie misshandelt worden. Dass ihr die Eltern höchstes Schulniveau hätten zukommen lassen, auf der anderen Seite sie aber quasi zu Hause gefangen gehalten hätten; wie sie - wenn sie nur zu Arztbesuchen das Haus ohne Begleitung hätte verlassen dürfen - gleichzeitig die Aufnahme für die Uni mitmachen und sich dort einschreiben habe können, wenn die Eltern schon andere Pläne für sie gehabt hätten, sei nicht nachvollziehbar.
Widersprüchlich seien die Angaben zum Verhalten ihres Onkels in Deutschland. So soll dieser sie einerseits vor der ganzen Familie vor einem Ehrenmord bewahren wollen, dann aber der Klägerin gedroht haben, sie zurückzuschicken, sollte sie dem Anwalt ihre Geschichte erzählen; das Motiv des Onkels erschließe sich hier in keiner Weise. Selbst wenn die Idee wäre, die Familie vor Repressalien zu schützen, müsste dem Onkel klar sein, dass ein Anwalt einer Schweigepflicht unterliege und gleichzeitig die Informationen extrem wertvoll für einen angemessenen Schutzstatus der Klägerin hätten sein können. Daher sei nicht auszuschließen, dass das Vorbringen zumindest zum Teil Schutzbehauptungen seien, hierfür sprächen auch die verspätete Asylantragstellung nach eineinhalb Jahren, der Schriftverkehr des damaligen Rechtsvertreters mit der damals zuständigen Ausländerbehörde, sowie deren Schriftverkehr mit dem Bundesamt (beispielsweise Schreiben vom 14.06.2017, 13.07.2017). Danach habe die Klägerin einen Asylantrag gestellt, weil die Duldung nicht habe verlängert werden sollen, und die erst eineinhalb Jahre nach der Einreise im Juni 2017 beginnenden Psychotherapie spreche ebenfalls dafür. Zudem habe die Klägerin angegeben, dass sie ja mit ... nach Deutschland gewollt habe. Aber selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags wäre die Klägerin bei Rückkehr auf internen Schutz zu verweisen; eine Reise in eine andere Gegend der Türkei sei möglich und zumutbar, so sei sie samt Pass und Personalausweis zum Zwecke der Ausreise eine Strecke von über 1000 km von ... nach ... gereist. Als gebildete junge Frau, die auch in der Heimat vorhatte, ein Studium zu beginnen, spreche nichts dagegen, dies in einer Großstadt wie Istanbul oder Ankara auch zu tun. Da der Onkel sie uneingeschränkt in Deutschland schütze und unterstütze, sollte hiervon auch bei einer Rückkehr auszugehen sein, bis es der Klägerin gelinge, auf eigenen Beinen zu stehen. Dass sie von ihren Verwandten im ganzen Land gefunden hätte werden können, überzeuge nicht; selbst wenn sie überall Verwandte habe, so hätte sie doch die Möglichkeit, in einer von ihrem Mann angemieteten Wohnung in einer Millionenstadt wie beispielsweise Istanbul oder Ankara unentdeckt leben zu können. Schließlich habe sie Zugang zu Schutzmöglichkeiten durch den Staat, die sie nicht ausgeschöpft hat, weil sie erst gar nicht versucht habe, staatlichen Schutz zu erlangen, sondern mit ... auszureisen. Schließlich unterliege die Volksgruppe der Kurden in der Türkei keiner landesweiten staatlichen Verfolgung, auch nicht im Osten und Südosten der Türkei. Zudem stehe eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Türkei würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei ermessensgerecht; die Klägerin habe keine wesentlichen Bindungen im Bundesgebiet.
I.
II.
III.
Gründe
Das Heiratsalter ist im Jahr 2002 gesetzlich auf 17 Jahre für beide Geschlechter festgelegt worden (mit richterlichem Beschluss und Zustimmung der Eltern 16 Jahre). Diese Vorschrift wird allerdings häufig durch eine von einem Imam vollzogene, amtlich nicht anerkannte, Trauung umgangen. Nach Angaben des türkischen Amts für Statistik ist der Prozentsatz der 16-19 jährigen Frauen bei zivilen Eheschließungen zwischen 2006 und 2013 von 28% auf 24% gesunken. Einer Ende 2014 veröffentlichten Studie der Hacettepe-Universität zufolge wurden 3,3% der heute zwischen 20-49 jährigen Frauen in der Türkei im Alter unter 15 Jahren verheiratet, 20,8% vor ihrem 18. Geburtstag. Nichtregierungsorganisationen kritisieren, dass das Alter von minderjährigen Mädchen zunehmend nach oben „korrigiert“ werde, um eine zivile Heirat zu ermöglichen (vgl. Lagebericht ebenda S. 21).
In der Türkei kommt es immer noch zu so genannten „Ehrenmorden“, d. h. insbesondere zu der Ermordung von Frauen oder Mädchen, die eines sog. „schamlosen Verhaltens“ aufgrund einer (sexuellen) Beziehung vor der Eheschließung bzw. eines „Verbrechens in der Ehe“ verdächtigt werden. Dies schließt auch vergewaltigte Frauen ein. Auch Männer werden - vor allem im Rahmen von Familienfehden (Blutrache) - Opfer von sog. „Ehrenmorden“, z. T. weil sie „schamlose Beziehungen“ zu Frauen eingehen bzw. sich weigern, die Ehre der Familie wiederherzustellen. Zu diesen Morden gibt es keine offiziellen statistischen Angaben; sie wurden seit 2008, als das Amt für Menschenrechte für das Jahr 2007 183 „Ehrenmorde“ an Frauen registrierte, nicht weitergeführt. Dem Anfang 2007 veröffentlichten Bericht einer „Ehrenmord“-Kommission des Parlaments zufolge kam es in den Jahren 2001 bis 2006 zu 1.190 sog. „Ehrenmorden“ und Blutrachedelikten, davon 710 an Männern und 480 an Frauen/Mädchen. Die generell bei Gewalt gegen Frauen steigenden Zahlen der letzten Jahre können ein Hinweis sein, dass mehr Straftaten bekannt und verfolgt werden bzw. Frauen eher bereit sind, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Diese Tendenz wird auch durch belastbare Aussagen des Menschenrechtsvereins İnsan Hakları Derneği (IHD) gestützt (vgl. Lagebericht ebenda S. 21 f.; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 71 ff.). Mädchen, die aufgrund einer Vergewaltigung ihre Jungfräulichkeit verloren haben, sind oft unmittelbar bedroht (vgl. Lagebericht ebenda S. 22). Nach den letzten verfügbaren Angaben des Generaldirektorats für Frauenstatusfragen sind 2007 und 2008 insgesamt 1.985 Frauen infolge häuslicher Gewalt gestorben. Polizeilich erfasst wurden im Zeitraum Februar 2010 bis August 2011 rund 80.000 Fälle häuslicher Gewalt. NROs gehen jedoch grundsätzlich davon aus, dass sich nur eine von acht Frauen bei häuslicher Gewalt überhaupt an Außenstehende wendet. Eine im Januar 2009 vom Generaldirektorat veröffentlichte Studie zu Gewalt an Frauen in der Familie kommt zu dem Schluss, dass jede fünfte Frau ab 15 Jahren von körperlicher Gewalt und jede dritte von sexuellen Übergriffen betroffen ist. Jede siebte Frau gab zudem an, als Kind (unter 15) sexuell missbraucht worden zu sein (vgl. Lagebericht ebenda S. 22).
Regierung und Nichtregierungsorganisationen bestätigen, dass sich die Polizeiarbeit beim Umgang mit Gewaltopfern verbessert hat. Dennoch wurde Erhebungen türkischer Frauen-NROs zufolge 2011 73% der um staatlichen Schutz bittenden Frauen die Unterstützung verwehrt. Eine im Juli 2012 vorgestellte Studie des türkischen Innenministeriums bestätigt, dass Behörden und Polizei auf kommunaler Ebene häufig nur unzureichend über die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt informiert sind. Seit 2005 müssen Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern, soweit es ihre finanzielle Kapazität erlaubt, Frauenhäuser einrichten. Tatsächlich existieren nach Angaben des türkischen Familienministeriums Ende 2017 insgesamt 137 staatliche Frauenhäuser mit einer Kapazität von insgesamt 3.443 Plätzen. Nach Aussage staatlicher Stellen stehen diese Einrichtungen auch Rückkehrern zur Verfügung (vgl. Lagebericht ebenda S. 22).
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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Jan. 2019 - Au 6 K 17.35376 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.
- 2
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Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.
- 3
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Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.
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Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.
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Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.
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Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.
- 7
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Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.
- 8
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.
- 9
-
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.
- 10
-
Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 12
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1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).
- 13
-
In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.
- 14
-
2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
- 15
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Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).
- 16
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Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).
- 17
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Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
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a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).
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Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).
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aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).
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Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).
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Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).
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Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.
- 24
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bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.
- 25
-
b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Tenor
I. Auf die Klage hin wird Ziffer 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Mai 2017 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens vier Fünftel zu tragen; die Beklagte ein Fünftel.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger abwen¬den, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Gründe
I.
Im Parlament besteht von Verfassungs wegen ein Mehrparteiensystem, in welchem die seit dem Jahr 2002 regierende „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) des früheren Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Erdoğan die zahlenstärkste Fraktion darstellt. Die heutige Parteienlandschaft in der Türkei ist geprägt von drei Faktoren, die sich gegenseitig verstärken: Erstens herrschen zwischen den Parteien relativ stabile Größenverhältnisse in der Relation 4 zu 2 zu 1. Die AKP ist stets unangefochten stärkste Kraft. Mit klarem Abstand folgt die CHP, die in der Regel halb so viele Stimmen bekommt wie die AKP, und darauf die MHP mit wiederum circa der Hälfte der Stimmen der CHP. Die pro-kurdische Partei der Demokratie der Völker (HDP) hat sich erst in den letzten Jahren dauerhaft etabliert. Zweitens sind die Wähler von drei der genannten Parteien relativ klar abgegrenzten Milieus zuzuordnen, die sich nicht nur nach ethno-kulturellen Zugehörigkeiten unterscheiden lassen, sondern auch nach divergierenden Lebensstilen sowie schichten-spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Lagen. Die AKP stützt sich primär auf eine türkisch-national empfindende und ausgeprägt religiöse Wählerschaft mit konservativer Sittlichkeit und traditionellem Lebensstil, die eher den unteren Einkommens- und Bildungsschichten zuzurechnen ist. Die CHP dagegen vertritt die türkisch-säkularen Schichten höheren Bildungsgrades mit einem europäischen Lebensstil und durchschnittlich deutlich höheren Einkommen. Ob im Hinblick auf Schicht oder Bildung, Modernität oder Konservatismus: Die MHP steht zwischen den beiden größeren Parteien. Charakteristisch für sie ist ein stark ethnisch gefärbter türkischer Nationalismus, der sich in erster Linie als bedingungslose Identifikation mit dem Staat und als starke Ablehnung kurdischer Identität äußert. Die HDP gibt sich als linke Alternative, wird jedoch generell als die Partei der kurdischen Bewegung wahrgenommen. Mehr noch als bei den anderen Parteien ist die ethnisch-nationale Komponente für die Zugehörigkeit ihrer Anhängerschaft bestimmend. Drittens verfügen drei der genannten Parteien über geographische Stammregionen mit einem eigenen Milieu. So ist die AKP in allen Landesteilen stark vertreten, hat aber ihr Stammgebiet in Zentralanatolien und an der Schwarzmeerküste. Die CHP hat an den Küsten der Ägäis und in zweiter Linie in Thrazien und am Mittelmeer großen Rückhalt; die HDP hingegen in den primär kurdisch besiedelten Regionen. Die klare Aufteilung folgt auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Stammregionen, denn die CHP reüssiert in den ökonomisch am stärksten entwickelten Regionen, die keine oder nur wenig staatliche Förderung benötigen. Die AKP vertritt die immer noch eher provinziell geprägten Gebiete, die auf staatliche Infrastrukturleistungen und Investitionen angewiesen sind. Die HDP ist in den kurdischen besiedelten Gebieten zuhause, die als Schauplatz des türkisch-kurdischen Konflikts (dazu unten) besonders unterentwickelt sind. Wahlergebnisse in der Türkei bilden deshalb nicht primär Verteilungskonflikte ab, sondern Identitäten ihrer Wähler: In den europäischen Ländern, die türkische Arbeitsmigranten aufgenommen haben, stimmten weit über 60 Prozent für Erdoğan und seine AKP; dagegen votierten in den USA, wo sich die türkische Migration aus Akademikern und anderen Angehörigen der Mittelschicht zusammensetzt, weniger als 20 Prozent für die AKP (zum Ganzen Stiftung Wissenschaft und Politik - SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 2 f., www.swp-berlin.org).
Durch die damit abgeschlossene Verfassungsänderung wird Staatspräsident Erdoğan zugleich Regierungschef, denn das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Ohne parlamentarische Mitsprache ernennt und entlässt der Staatspräsident die Regierungsmitglieder, kann Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen und vier der 13 Mitglieder im Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) ernennen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 7; Lagebericht ebenda S. 8).
Der nach zwei Jahren am 18. Juli 2018 ausgelaufene Ausnahmezustand wurde zwar nicht mehr verlängert, aber zentrale Inhalte in Gesetzesform dauerhaft gesichert, insbesondere die Ermächtigung der Gouverneure, Ausgangssperren zu verhängen, Demonstrationen und Kundgebungen zu verbieten, Vereine zu schließen sowie Personen und private Kommunikation intensiver zu überwachen (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik - SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 8, www.swp-berlin.org; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 8).
Als Sicherheitsorgane werden die Polizei in den Städten, die Jandarma am Stadtrand und in den ländlichen Gebieten sowie der Geheimdienst (MIT) landesweit tätig; das Militär ging in den vergangenen Jahren seiner staatlichen Sonderrolle mit einer de-facto-Autonomie gegenüber parlamentarischer Kontrolle als Hüter kemalistischer Grundsätze verlustig (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 10 f.) und dem Verteidigungsminister als ziviler Instanz unterstellt mit der zusätzlichen Befugnis des Staatspräsidenten, den Kommandeuren der Teilstreitkräfte direkt Befehle zu erteilen (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 28). Durch die „Säuberungen“ in Folge des Putsches wurde sein innenpolitisches Gewicht gemindert und durch den Einmarsch in den grenznahen Gebieten Syriens wurden seine Kapazitäten nach außen gelenkt.
II.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Zu seinen Ausreisegründen gab er an, er habe die Türkei verlassen, weil er eine Morddrohung von der Polizei erhalten habe. Er habe mit Parteifreunden der HDP in ... eine „Nein“-Kampagne gegen Erdogan geführt und sie sei 10 bis 15 Tage gegangen; das sei so ungefähr 1 ½ - 2 Monate her. Von der Partei seien sie in Dreier-Gruppen eingeteilt worden und hätten unter anderem auch Flyer in den Vierteln und Dörfern verteilt mit den Parolen „NEIN zu der Politik von Erdogan“, „NEIN zum Präsidialsystem“ sowie „Freiheit für die Kurden“. Am 5. März 2017 seien sie zu dritt unterwegs gewesen. Dann seien vier Polizisten mit einem Fahrzeug gekommen, hätten sie in einer Nebenstraße in ... angehalten und festgenommen, weil sie die Flyer verteilt hätten. Sie seien zur Polizeiwache gebracht und am Anfang alle in einem Raum geschlagen und bedroht worden. Danach habe man sie getrennt. Dem Kläger sei eine Pistole an den Kopf gehalten worden mit der Drohung, wenn er an der Kampagne weiter teilnehme, werde er ermordet. Sie seien einen Tag in einem kleinen Raum festgehalten, nicht befragt oder verhört, aber dauernd mit Fäusten und Schlagstock geschlagen, mit den Füßen getreten, bedroht worden und es sei mit der Waffe auf sie gezielt worden. Darüber habe er aber keine Nachweise oder Unterlagen und auch keinen Flyer mehr (ebenda Bl. 43 f.).
Nach seiner Freilassung habe sein Großvater ihm geraten, dass er das Land verlassen soll. Am 8. März 2017 habe er sich dann mit seinem Onkel im Auto auf den Weg nach Istanbul gemacht. Batman und Istanbul seien ungefähr 27 Stunden auseinander. Er habe dann mit seinem Onkel in Istanbul einen Fahrer organisiert und sei auf die Reise gegangen (ebenda Bl. 44).
Auf Frage erläuterte er, er sei seit ungefähr einem Jahr Mitglied der HDP, seit ungefähr 28. April 2016. Er sei Mitglied geworden wegen seiner Familie; sein Vater sei früher schon Mitglied, als er noch in der Türkei gewesen sei. Er wisse nicht, ob er jetzt noch Mitglied sei. Außerdem sei er wegen der Politik und Unterdrückung gegen sein Volk der Partei beigetreten (ebenda Bl. 44).
Der Mitgliedsausweis der HDP sei noch bei seinen Eltern; der Kläger wurde aufgefordert, den Mitgliedsausweis bis 24. April 2017 dem Bundesamt in A. noch vorzulegen (ebenda Bl. 44), was nicht erfolgte.
Ob seine Eltern eine besondere Funktion oder Position in der HDP hatten, wisse er nicht; er selbst sei nur normales Mitglied (ebenda Bl. 44).
In der Türkei sei er nicht persönlich bedroht worden und auch nicht konkret in Gefahr gewesen; in der Türkei habe er bei der Polizei oder den Behörden nicht nach Schutz oder Hilfe nachgefragt (ebenda Bl. 44). Seine einzige Schwierigkeit sei die Festnahme und Bedrohung gewesen (ebenda Bl. 45).
Schutz oder Arbeit in einer anderen Stadt oder anderen Provinz habe er nicht gesucht, das wäre nicht sicher gewesen. Die Polizei sei überall; irgendwann hätten sie ihn wieder erwischt (ebenda Bl. 45). Nach Deutschland sei er gekommen, denn hier seien bereits seine Eltern. Das sei der Hauptgrund, warum er hierhergekommen sei (ebenda Bl. 45).
Für den Fall der Rückkehr in die Türkei fürchte er, er würde umgebracht werden; dort könne er niemand vertrauen. Er könnte zwar wieder dort als Friseur arbeiten, aber er wolle nicht zurück, weil es für ihn dort nicht sicher sei (ebenda Bl. 45).
Auf Frage nach schutzwürdigen Belangen erläuterte er, sein Vater sei schon seit ungefähr 15 Jahren hier in Deutschland, seine Mutter seit ungefähr zwei Jahren. Er wolle auch bei ihnen wohnen und werde dazu noch einen Umverteilungsantrag bei der zuständigen Ausländerbehörde stellen. Andere schutzwürdige Belange habe er nicht (ebenda Bl. 45 f.).
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, weil der Kläger eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht habe glaubhaft machen können. Eine Gruppenverfolgung der Kurden in der Türkei finde nicht statt. Als Kurde habe er in der Westtürkei eine sichere Zuflucht. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben zur Flyerverteilung und der Verhaftung durch die Polizei wiesen die Ereignisse ein typisch regionales Gepräge auf, so dass anderweitig Schutz möglich sei. Der Kläger habe nichts substantiiert vorgetragen, was ihn aus der Menge der einfachen Mitglieder der HDP hervorgehoben hätte und weshalb er als ernstzunehmender Regimekritiker in das Blickfeld der türkischen Sicherheitsbehörden landesweit geraten sollte. Ihm wäre eine Wohnsitznahme im Westen der Türkei möglich und zumutbar. Darüber hinaus seien seine Angaben zur Bedrohung im Kern oberflächlich; ein Beweismittel über seine angebliche HDP-Parteimitgliedschaft habe er nicht erbracht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 6 Monate sei angemessen angesichts der vorgetragenen schutzwürdigen Belange.
Gründe
Die heutige Parteienlandschaft in der Türkei ist geprägt von drei Faktoren, die sich gegenseitig verstärken: Erstens herrschen zwischen den Parteien relativ stabile Größenverhältnisse in der Relation 4 zu 2 zu 1. Die AKP ist stets unangefochten stärkste Kraft. Mit klarem Abstand folgt die CHP, die in der Regel halb so viele Stimmen bekommt wie die AKP, und darauf die MHP mit wiederum circa der Hälfte der Stimmen der CHP. Die pro-kurdische Partei der Demokratie der Völker (HDP) hat sich erst in den letzten Jahren dauerhaft etabliert. Zweitens sind die Wähler von drei der genannten Parteien relativ klar abgegrenzten Milieus zuzuordnen, die sich nicht nur nach ethno-kulturellen Zugehörigkeiten unterscheiden lassen, sondern auch nach divergierenden Lebensstilen sowie schichten-spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Lagen. Die AKP stützt sich primär auf eine türkisch-national empfindende und ausgeprägt religiöse Wählerschaft mit konservativer Sittlichkeit und traditionellem Lebensstil, die eher den unteren Ein-kommens- und Bildungsschichten zuzurechnen ist. Die CHP dagegen vertritt die türkisch-säkularen Schichten höheren Bildungsgrades mit einem europäischen Lebensstil und durchschnittlich deutlich höheren Einkommen. Ob im Hinblick auf Schicht oder Bildung, Modernität oder Konservatismus: Die MHP steht zwischen den beiden größeren Parteien. Charakteristisch für sie ist ein stark ethnisch gefärbter türkischer Nationalismus, der sich in erster Linie als bedingungslose Identifikation mit dem Staat und als starke Ablehnung kurdischer Identität äußert. Die HDP gibt sich als linke Alternative, wird jedoch generell als die Partei der kurdischen Bewegung wahrgenommen. Mehr noch als bei den anderen Parteien ist die ethnisch-nationale Komponente für die Zugehörigkeit ihrer Anhängerschaft bestimmend. Drittens verfügen drei der genannten Parteien über geographische Stammregionen mit einem eigenen Milieu. So ist die AKP in allen Landesteilen stark vertreten, hat aber ihr Stammgebiet in Zentralanatolien und an der Schwarzmeerküste. Die CHP hat an den Küsten der Ägäis und in zweiter Linie in Thrazien und am Mittelmeer großen Rückhalt; die HDP hingegen in den primär kurdisch besiedelten Regionen. Die klare Aufteilung folgt auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Stammregionen, denn die CHP reüssiert in den ökonomisch am stärksten entwickelten Regionen, die keine oder nur wenig staatliche Förderung benötigen. Die AKP vertritt die immer noch eher provinziell geprägten Gebiete, die auf staatliche Infrastrukturleistungen und Investitionen angewiesen sind. Die HDP ist in den kurdischen besiedelten Gebieten zuhause, die als Schauplatz des türkisch-kurdischen Konflikts (dazu unten) besonders unterentwickelt sind. Wahlergebnisse in der Türkei bilden deshalb nicht primär Verteilungskonflikte ab, sondern Identitäten ihrer Wähler: In den europäischen Ländern, die türkische Arbeitsmigranten aufgenommen haben, stimmten weit über 60 Prozent für Erdoğan und seine AKP; dagegen votierten in den USA, wo sich die türkische Migration aus Akademikern und anderen Angehörigen der Mittelschicht zusammensetzt, weniger als 20 Prozent für die AKP (zum Ganzen Stiftung Wissenschaft und Politik - SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 2 f., www.swp-berlin.org).
Es ist zu erwarten, dass der nach nunmehr zwei Jahren am 18. Juli 2018 ausgelaufene Ausnahmezustand nicht mehr verlängert wird, aber zentrale Inhalte in Gesetzesform überführt und damit dauerhaft gemacht werden, insbesondere die Ermächtigung der Gouverneure, Ausgangssperren zu verhängen, Demonstrationen und Kundgebungen zu verbieten, Vereine zu schließen sowie Personen und private Kommunikation intensiver zu überwachen (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik - SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 8, www.swp-berlin.org).
Als Sicherheitsorgane werden die Polizei in den Städten, die Jandarma am Stadtrand und in den ländlichen Gebieten sowie der Geheimdienst (MIT) landesweit tätig; das Militär ging in den vergangenen Jahren seiner staatlichen Sonderrolle mit einer de-facto-Autonomie gegenüber parlamentarischer Kontrolle als Hüter kemalistischer Grundsätze verlustig (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 9). Durch die „Säuberungen“ in Folge des Putsches wurde sein innenpolitisches Gewicht gemindert und durch den Einmarsch in den grenznahen Gebieten Syriens wurden seine Kapazitäten nach außen gelenkt.
In der Türkei gibt es zwar keine mit dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe. Sozialleistungen für Bedürftige werden aber über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt und von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardımlaşma ve Dayanişma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Eine neu eingeführte Datenbank vernetzt Stiftungen und staatliche Institutionen, um Leistungsmissbrauch entgegenzuwirken. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besonderen Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 19.2.2017, S. 26 f. - im Folgenden: Lagebericht).
Zum 1. Januar 2012 hat die Türkei eine allgemeine, obligatorische Krankenversicherung eingeführt für alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei mit Ausnahmen u.a. für Soldaten/Wehrdienstleistende und Häftlinge. Die obligatorische Krankenversicherung erfasst u. a. Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich. Nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallende türkische Staatsbürger mit einem Einkommen von weniger als einem Drittel des Mindestlohns können von der Beitragspflicht befreit werden. Bei einem Einkommen zwischen einem Drittel und dem doppelten Mindestlohn gelten ermäßigte Beitragssätze. Bis Mitte des Jahres 2014 haben sich rund 12 Mio. Türken einer solchen Einkommensüberprüfung unterzogen, für rund 8 Mio. von ihnen hat der Staat die Zahlung der Beiträge übernommen (vgl. Lagebericht ebenda S. 28).
Die für eine gesundheitliche Versorgung mittelloser türkischer Staatsbürger bisher geltenden „Grünen Karten“ (2011: knapp 9 Millionen Inhaber) sind ausgelaufen, ihre Inhaber sollen in die allgemeine Krankenversicherung überwechseln. Für Kinder bis zum Alter von 18 bzw. 25 Jahren, Ehepartner und (Schwieger-)Elternteile ohne eigenes Einkommen besteht die Möglichkeit einer Familienversicherung. Besondere Beitragsregelungen gelten schließlich auch für Bezieher von Alters- und Erwerbsminderungsrenten (vgl. Lagebericht ebenda S. 29).
Aufgrund eines Runderlasses des türkischen Innenministeriums dürfen keine Suchvermerke (insbesondere für Wehrdienstflüchtlinge oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen) mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden; vorhandene Suchvermerke sollen Angaben türkischer Behörden zufolge im Jahr 2005 gelöscht worden sein (vgl. Lagebericht ebenda S. 29).
Unbegleitet zurückkehrende Minderjährige finden in der Regel Aufnahme bei Verwandten, sonst im Einzelfall ggf. in einem Waisenhaus oder Kinderheim. In letzterem Fall sollten die zuständigen türkischen Behörden rechtzeitig informiert werden (vgl. Lagebericht ebenda S. 29).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.