Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Nov. 2017 - B 3 K 17.50037

bei uns veröffentlicht am13.11.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, syrischer Staatsangehöriger, reiste am 08.09.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21.10.2016 einen Asylantrag.

Bei der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 21.10.2016 in Bamberg erklärte der Kläger, er sei am 04.06.2013 von Syrien aus in die Türkei und von dort aus weiter mit dem Flugzeug nach Ägypten. In Ägypten sei er drei Jahre geblieben. Danach sei er mit einem Boot nach Italien gefahren. In Italien habe er sich zwei bis drei Tage in einem Flüchtlingscamp in aufgehalten. Anschließend sei er über Österreich nach Deutschland eingereist.

Die EURODAC-Abfrage ergab einen Treffer der „Kategorie 2“ () aufgrund einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers am 31.08.2016 in Italien.

Am 25.11.2016 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Italien, auf das innerhalb der festgesetzten Frist (zwei Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der Kategorie 2) keine Antwort einging.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 10.02.2017 lehnte die Beklagten den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Es wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziff. 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Unzulässigkeit des Antrags ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Italien aufgrund des illegalen Aufenthalts gem. § 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids, die sich vor allem mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel in Italien auseinandersetzt, verwiesen.

Am 15.02.2017 erhob der Kläger zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts Bayreuth Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2017, Az.: , wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, mich als asylberechtigt anzuerkennen bzw. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren oder festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, er habe sich lediglich drei Tage in Italien aufgehalten. In dieser Zeit habe er sich polizeirechtlich erfassen lassen müssen und Fingerabdrücke abgeben müssen. Einen Asylantrag habe er in Italien nicht gestellt. Er beantrage daher die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 23.02.2017,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 27.02.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 3 S 17.50036 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

Mit Schriftsatz vom 04.07.2017 zeigte die Bevollmächtigte die anwaltliche Vertretung des Klägers an. Ferner teilte sie mit Schriftsatz vom 24.07.2017 mit, dass sich der Kläger nunmehr im Kirchenasyl bei der evangelisch-lutherischen Pfarrgemeinde in H befinde.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 25.07.2017 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gehört. Am 14.08.2017 wurde die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 21.08.2017 hat die Beklagte der zuständigen Behörde in Italien mitgeteilt, dass der Kläger „flüchtig“ sei und die Überstellung nunmehr gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bis spätestens 27.08.2018 erfolge.

Die Klägerbevollmächtigte beantrage mit Schriftsatz vom 24.08.2017 die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Zur Begründung wurde mit Schriftsätzen vom 24.08.2017 und 17.10.2017 im Wesentlichen ausgeführt, eine Verlängerung der Überstellungsfrist wegen des Aufenthalts im Kirchenasyl sei nicht möglich, da nach anerkannter Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nicht erfüllt seien. Der Beklagten sei der Aufenthalt des Klägers immer bekannt gewesen. Diese habe aber offensichtlich bewusst darauf verzichtet, eine Rückführung durchzuführen, obwohl sie dazu weder rechtlich noch tatsächlich gehindert gewesen wäre. Dieser freiwillige Verzicht auf eine Rückführung sei nicht anders zu bewerten, als die Fälle, in denen eine Rücküberstellung mangels entsprechender Vollzugskapazitäten oder anderer in der Sphäre des Staates liegender Umstände nicht möglich sei. Die Überstellungsfrist habe somit am 27.08.2017 geendet.

Mit Schriftsätzen vom 23.10.2017 bzw. 24.10.2017 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass sich der Kläger nunmehr in der Abtei im Kirchenasyl befinde.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2017 wies die Klägerbevollmächtigte – unter Bezugnahme auf ein Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 12.10.2017 an die Beklagte – darauf hin, dass die Republik Italien den Aufenthalt im Kirchenasyl ebenfalls als rechtmäßig erachte.

Mit Beschluss der Kammer vom 12.10.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 06.11.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Eilverfahrens (B 3 S 17.50036) sowie auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 06.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der - zwischenzeitlich anwaltlich vertretene - Kläger „Verpflichtungsanträge“ auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bzw. auf Feststellung von Abschiebungsverboten im Hinblick auf das Herkunftsland (Syrien), gestellt bzw. in der mündlichen Verhandlung am 06.11.2017 die Anträge vom 15.02.2017 weiterhin aufrechterhalten hat. Geht es - wie vorliegend - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 10.02.2017 (BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris; BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – juris). Ist die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung erfolgreich, wird das Verwaltungsverfahren in den Stand zurückversetzt, in dem es sich vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen befunden hat. Das Bundesamt ist in diesem Fall gemäß §§ 24, 31 AsylG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. Die Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung führt somit zur weiteren Prüfung der Anträge des Klägers durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel.

Weiterhin hat der Kläger jedoch die Anfechtungsklage gegen den Unzulässigkeitsbescheid mit einem hilfsweisen Verpflichtungsbegehren auf Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes zu verbinden, wenn er die Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten für fehlerhaft erachtet und in Bezug auf den Abschiebezielstaat (Italien) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG sieht (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris). Für eine unbedingt beantragte klageweise Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten fehlt dem Kläger hingegen das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist wegen der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Bundesamt auch in den Fällen zur Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungsverboten verpflichtet, in welchen es den Asylantrag (hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) für unzulässig erachtet. Aufgrund der gesetzlichen Systematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots aber nur für den Fall begehrt werden, dass der Bescheid in Ziffer 1 aufrechterhalten bleibt, also als Hilfsantrag. Denn im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung wird auch eine Feststellung, wonach Abschiebungsverbote nicht vorliegen, kassiert (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris; vgl. auch VG Ansbach U.v. 6.9.2017 – AN 3 K 17.51126 – juris). Vorliegend wurde aber Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten nicht für den Fall der erfolglosen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) beantragt, sondern als (weiterer) Hilfsantrag für das – schon unzulässige – Verpflichtungsbegehren in Ziffer 2 des Klageantrags (Verpflichtung auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft).

III.

Soweit die Klage zulässig ist, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Der Bescheid vom 10.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

a) Vorliegend ist der Kläger von Ägypten aus nach Italien eingereist und wurde am 31.08.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt. Dies ergibt sich aus dem EURODAC-Treffer der „Kategorie 2“. Damit ist Italien nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig.

Da Italien das am 25.11.2016 gestellte Übernahmeersuchen innerhalb der festgesetzten Frist (zwei Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der „Kategorie 2“) nicht beantwortet hat, gilt das Übernahmeersuchen gem. Art. 22 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Dublin III-VO als angenommen und akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person aufzunehmen.

b) Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen.

aa) Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO sechs Monate ab dem Tag der Annahme des Auf- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 1 AsylG) unterbricht den Lauf der Frist für eine Überstellung nach den Regelungen der Dublin III-Verordnung. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen solchen Antrag wird die Frist auch dann neu in Lauf gesetzt, wenn – wie hier mit Beschluss vom 27.02.2017 – der Antrag abgelehnt wurde (BVerwG, U.v. 26.5.2016 – 1 C 15/15 – juris; BayVGH, U.v. 29.3.2017 – 15 B 16.50080 – juris).

bb) Zwar ist die Sechs-Monats-Frist am 27.08.2017 um 24 Uhr abgelaufen, die Beklagte hat jedoch mit Schreiben vom 21.08.2017 die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO in zulässigerweise auf 18 Monate, also bis zum 27.08.2018, verlängert.

Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO kann die Überstellungsfrist auf höchstens 18 Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Die Beklagte hat Italien am 21.08.2017 über die „Flüchtigkeit“ des Klägers und die daraus folgende Unmöglichkeit der Überstellung informiert. Darin liegt auch eine - jedenfalls konkludent getroffene - nach dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO („Die Frist […] kann verlängert werden […]“) erforderliche Entscheidung der Beklagten über die Fristverlängerung (vgl. VG Dresden, U.v. 12.6.2015 – 7 K 2951/14.A – juris sowie VG Ansbach, B.v. 29.8.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris und VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris).

Der Kläger ist seit dem 24.07.2017, an dem der illegale Aufenthalt im Kirchenasyl begonnen hat, „flüchtig“ i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO, so dass die Verlängerung der Überstellungsfrist rechtmäßig erfolgte. Im Lichte von Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO konnte in der vorliegenden Konstellation die Verlängerung der Überstellungfrist erfolgen, weil dadurch vermieden wird (und werden soll), dass sich der Zuständigkeitsübergang durch pflichtwidriges Tun oder Unterlassen des Klägers vollzieht.

Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die Überstellung an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.2.2015 – RN 3 K 14.50264 – juris; VG Magdeburg, B.v. 11.12.2014 – 1 B 1196/14 – juris; VG Ansbach, B.v. 29.8.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris).

Aus Sicht des Gerichts ist - zumindest im vorliegenden Einzelfall - der Eintritt ins Kirchenasyl einem „Untertauchen“ in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht gleichzusetzen, weil sich der Kläger insoweit der staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union nicht unterordnet, sondern sich dieser bewusst und gerade solange entzieht, bis die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO abgelaufen ist. Dabei ist unerheblich, dass den Behörden der Aufenthalt des Klägers jederzeit bekannt war. Dem Kläger ist nämlich geläufig, dass die bayerischen Ausländerbehörden aufgrund entsprechender Abreden mit den Kirchen und der bereits jahrelangen Praxis gegen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer im Kirchenasyl nicht vorgehen. Aufgrund der politischen Entscheidung zur Respektierung des Kirchenasyls, besteht jedenfalls ein faktisches Vollzugshindernis für die Ausländerbehörden (BayLSG, B.v. 11.11.2016 – L 8 AY 28/16 B ER – juris). Obwohl die Ausländerbehörden rechtlich nicht gehindert sind auch aus dem Kirchenasyl abzuschieben, hat der Kläger de facto die (nahezu) hundertprozentige Sicherheit, dass er während des illegalen Kirchenasyls nicht überstellt wird. Sein Status gegenüber Ausländerbehörde ist damit kein anderer, als der eines „unbekannt“ Untergetauchten, da sich der Kläger ebenfalls vorsätzlich dem Zugriff der Ausländerbehörde entzieht (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 7.12.2016 – AN 14 S 16.50339 – juris; VG Bayreuth, GB.v. 7.6.2017– B 3 K 17.50070 –; VG Regensburg, U.v. 20.2.2015 – RN 3 K 14.50364 – juris; VG Augsburg, B.v. 8.10.2014 – Au 7 K 14.30121 – juris; VG Ansbach, U.v. 21.12.2015 – An 3 K 15.50498 – juris; VG Saarland, U.v. 6.3.2015 – 3 K 832/14 – juris; VG Bayreuth, U.v. 7.3.2016 – B 3 K 15.50293 – juris; a.A. beispielsweise VG München, B.v. 6.6.17– M 9 S 17.50290 – juris und VG Hannover, U.v. 31.5.2017 – 10 A 6796/16 – juris).

Dahinstehen kann, ob der „Gang ins Kirchenasyl“ generell die Verlängerung der Überstellungsfrist rechtfertigt. Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass beim Kläger keinerlei humanitäre Gründe ersichtlich sind, die das Kirchenasyl als „ultima ratio“ rechtfertigen würden. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er ist ledig und kinderlos. Ihm ist in Italien nichts zugestoßen. Die Aufnahme des Klägers in das Kirchenasyl erfüllt daher schon im Ansatz nicht die Kriterien, die Kirchen zur Gewährung des „übergesetzlichen Schutzes“ vorgesehen und mit dem Bundesamt vereinbart haben (vgl. nur http://www.kirchenasyl.de/erstinformation/). Der hiesige Kläger stellt sich vielmehr bewusst und grundlos gegen die deutsche Rechtsordnung. Er hat während des Verfahrens bereits wiederholt versucht, eine Sonderbehandlung zu erreichen (vgl. Bl. 33 ff. der Gerichtsakte). Nachdem diese Versuche gescheitert sind, unterwandert er die Rechtsordnung nunmehr mit dem offensichtlich illegalen Aufenthalt im Kirchenasyl.

Zumindest im vorliegenden Fall hat die Beklage - unter Anwendung des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO - die Überstellungsfrist rechtmäßig bis zum 27.08.2018 verlängert. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist daher kein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte gegeben.

cc) Letztlich wird noch darauf hingewiesen, dass es für die Rechtmäßigkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist völlig unerheblich ist, ob Italien den Eintritt in das Kirchenasyl ebenfalls als Verlängerungsgrund i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO erachtet. Das Erfordernis der Information des Zielstaates vor Ablauf der Überstellungsfrist folgt aus Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 i.V.m. Art. 29 Abs. 4 Dublin III-VO. Dem hat die Beklagte mit ihrem Schreiben an die italienischen Behörden genügt. Weitere Voraussetzungen, insbesondere die Zustimmung oder das Einverständnis des Zielstaats, sind gesetzlich nicht vorgesehen.

dd) Die Meldung der Beklagten an Italien vom 21.06.2017 bzgl. der Verlängerung der Überstellungsfrist bis zum 27.08.2018 wegen Nichtanwesenheit des Kläger vom 09.06.2017 bis 20.06.2017 in der zugewiesenen Unterkunft, stellt hingegen keine ordnungsgemäße Verlängerung der Überstellungsfirst dar, da der Kläger im obigen Zeitraum nicht „flüchtig“, sondern - zumindest zeitweise - erlaubt zu einer Familienfeier abwesend war. Dies ist vorliegend aber unerheblich, da die Beklagte jedenfalls aufgrund des Kirchenasyls die Überstellungsfrist am 21.08.2017 rechtzeitig und rechtmäßig bis zum 27.08.2018 verlängert hat.

c) Es liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen.

aa) Systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – Rs. C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.

Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris, BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).

Gemessen hieran ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Überstellung eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht (so auch VG Augsburg, B.v. 6.10.2017 – Au 3 S 17.50239 – juris; VG München, B.v. 6.7.2017 – M 9 S 16.51285 – juris; VG Würzburg, B.v. 26.6.2017 – W 8 K 17.50340 – juris; VG München, B.v. 11.1.2017 – M 8 S 16.51193 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris). Es ist nicht ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (s. hierzu statt vieler aktuell OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris, m.w.N., U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/15.A – juris). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. (vgl. OVG NRW, U.v. 18.7.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris, m.w.N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 a.a.O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften. Es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. - wenn sie das noch nicht getan haben - einen Asylantrag oder - falls das Asylverfahren in Italien mit negativem Ergebnis bereits abgeschlossen sein sollte - einen Folgeantrag stellen können (s. OVG NRW, U.v. 19.5.2016 – 13A 516/14.A – juris)

bb) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich.

Der EGMR hat in seiner „Tarakhel“-Entscheidung zwar ausgeführt, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien. Das gelte auch, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden. Eine Überstellung nach Italien in solchen Fällen verstoße deshalb nur dann nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn die italienischen Behörden eine individuelle Garantieerklärung abgeben, wonach die Betroffenen eine Unterkunft erhalten und ihre elementaren Bedürfnisse abgedeckt sind (vgl. EGMR, U.v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Tarakhel ./. Schweiz, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014 (2 BvR 732/14) festgestellt, dass auf Grund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG im Dublin-System zur Vermeidung erheblicher konkreter Gesundheitsgefahren für neugeborene und Kleinstkinder bis drei Jahren eine ausreichende Versorgung im Zielstaat sicherzustellen ist. Hierzu sei es notwendig, sich mit den Behörden des Zielstaates abzustimmen. Der Kläger fällt aber ersichtlich nicht unter diesen besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Eine Ausweitung der „Tarakhel“- Rechtsprechung erscheint auch unter Berücksichtigung der deutschen Grundrechte nicht geboten. Insoweit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb sich die Lage in Italien soweit verändert haben sollte, dass die Rechtsprechung des BVerfG auszuweiten wäre. Dies widerspräche letztendlich dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens, das aus der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta und der Genfer Flüchtlingskonvention resultiert (vgl. VG Lüneburg, U.v. 13.12.2016 – 8 A 175/16 – juris; VG Bayreuth, U.v. 2.2.2017 – B 3 K 16.30085).

Der Kläger ist jung und gesund. Es ist nicht annährend ersichtlich, warum er das Asylverfahren nicht in Italien betreiben könnte.

2. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hinblick auf Italien festzustellen, in prozessual zulässigerweise zum Klagegegenstand gemacht wurde (s.o.), hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.

Insbesondere droht dem Kläger keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zum einen beruft sich der Kläger weder im Klageverfahren noch im Eilverfahren auf gesundheitliche Einschränkungen. Andererseits ergibt sich auch aus dem in der Behördenakte befindlichen Arztbrief des Klinikums C vom 18.12.2016 kein Krankheitsbild, das einer Überstellung nach Italien entgegenstehen würde. Dem Arztbrief vom 18.12.2016 ist zwar zu entnehmen, dass am 17.12.2016 der Verdacht eines epileptischen Anfalls bestand; im Nachhinein war wohl ein deutlicher Schlaf- und Ernährungsmangel sowie der plötzliche Kontakt mit drei Hunden für das Zusammensacken des Klägers am 17.12.2016 ursächlich. Nachdem der Kläger die Klinik gegen ärztlichen Rat verlassen hat und daher keine weiteren Untersuchungen möglich waren, wird im Arztbrief von einer konvulsiven Synkope, am ehesten vaso-vagaler Genese, im Rahmen einer Angstreaktion ausgegangen. Weitere, über diesen einmaligen Zusammenbruch hinausgehende, Vorfälle sind nicht ersichtlich bzw. attestiert. Für das Gericht ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass – sollte es überhaupt nochmal zu einem solchen Vorfall kommen – dieser in Italien nicht ausreichend behandelt werden könnte. Der Kläger leidet daher nicht an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheit, die sich bei einer Abschiebung wesentlich verschlimmern würde (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Bei einer Abschiebung nach Italien kann daher nicht von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben des Antragstellers im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Anhaltspunkte für innerstaatliche Abschiebungsverbote sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

3. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier – wie vorstehend sowie im angefochtenen Bescheid ausgeführt – im Hinblick auf die Abschiebung nach Italien vor.

4. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG) beruht auf § 11 Abs. 2 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Nov. 2017 - B 3 K 17.50037

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Nov. 2017 - B 3 K 17.50037

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Nov. 2017 - B 3 K 17.50037 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 24 Pflichten des Bundesamtes


(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über sein

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Nov. 2017 - B 3 K 17.50037 zitiert oder wird zitiert von 21 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Jan. 2017 - M 8 S 16.51193

bei uns veröffentlicht am 11.01.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der nach seinen Angaben am ... geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöri

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Okt. 2017 - Au 3 S 17.50239

bei uns veröffentlicht am 06.10.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller, nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Juni 2017

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Feb. 2015 - RN 3 K 14.50264

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Tenor I. Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III.

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 07. Dez. 2016 - AN 14 S 16.50339

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

Tenor I. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragstel

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 06. Sept. 2017 - AN 3 K 17.51126

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Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Dezember 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte 5/6 un

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 29. Aug. 2017 - AN 14 E 17.50998

bei uns veröffentlicht am 29.08.2017

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste am 17. Juli 201

Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Juni 2017 - M 9 S 17.50290

bei uns veröffentlicht am 06.06.2017

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: M 9 K 17.50289) des Antragstellers gegen Nr. 4 (Anordnung der Abschiebung nach Spanien) des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2017 wird angeordnet.

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 11. Dez. 2015 - AN 14 K 15.50316

bei uns veröffentlicht am 11.12.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Bescheids der

Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Juli 2017 - M 9 S 16.51285

bei uns veröffentlicht am 06.07.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italie

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. März 2017 - 13a B 17.50003

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Tenor I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Oktober 2016 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. November 2015 aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfa

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2017 - B 3 K 17.50070

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger begehrt die Aufhebu

Verwaltungsgericht Bayreuth Gerichtsbescheid, 07. März 2016 - B 3 K 15.50293

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger, irakischer Staatsa

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 29. März 2017 - 15 B 16.50080

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Tenor I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Mai 2015 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 31. Juli 2014 wird abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beid

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 01. Juni 2017 - 1 C 9/17

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Tatbestand 1 Die Klägerinnen, russische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen die Feststellung des Bundesamts

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 03. Apr. 2017 - 1 C 9/16

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Gründe I 1 Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Juni 2014 auf dem Landweg nach

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 08. Feb. 2017 - 9 AE 5887/16

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Tenor Der Antrag vom 18. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 5886/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2016 anzuordnen, wird abgelehnt. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerich

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 11. Dez. 2014 - 1 B 1196/14

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Gründe 1 Die auf § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Anhörungsrüge des Antragstellers hat keinen Erfolg. 2 Der Antragsteller hat nicht im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 06. Juni 2014 - 10 B 35/14

bei uns veröffentlicht am 06.06.2014

Gründe I. 1 Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angab

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Apr. 2014 - A 11 S 1721/13

bei uns veröffentlicht am 16.04.2014

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.Die Revisio
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Sozialgericht Regensburg Urteil, 30. Mai 2018 - S 7 AY 4/17

bei uns veröffentlicht am 30.05.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten Tatbestand Der Kläger begehrt die Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2018 - 20 ZB 18.50011

bei uns veröffentlicht am 16.05.2018

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2017, Az. B 3 K 17.50944, ist wirkungslos geworden. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tra

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Oktober 2016 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. November 2015 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die im Jahr 1971 geborene Klägerin und ihre beiden 2006 und 2008 geborenen Kinder sind kurdische Yeziden aus Sheikhan im Irak. Sie reisten am 5. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 14. September 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 14. September 2015 gab die Mutter, die Klägerin zu 1, an, sie habe ihr Heimatland am 1. Juli 2015 verlassen. In der Heimat lebten noch ihr Ehemann und 2 weitere Kinder sowie drei Brüder und zwei Schwestern. Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 16. Oktober 2015 gab die Klägerin zu 1 an, sie sei ca. einen Monat unterwegs gewesen und dabei über ihr unbekannte Länder gefahren. In Ungarn seien ihr Fingerabdrücke abgenommen worden.

Nachdem sich ein Eurodac-Treffer für Ungarn ergeben hatte, bat das Bundesamt am 21. Oktober 2015 Ungarn um Übernahme des Asylverfahrens. Der ungarische Staat bestätigte den Empfang der Anfrage am 22. Oktober 2015.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 wurden die Anträge als unzulässig abgelehnt (1.) und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet (2.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (3.). Zur Begründung ist ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG a.F. unzulässig, da Ungarn nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31 - Dublin III-VO), zur Prüfung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zu einem Selbsteintrittsrecht führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Vortrag der Kläger, dass sie in Ungarn zwei Tage ohne Essen im Gefängnis gewesen seien und die Klägerin zu 1 deshalb aktuell psychisch sehr belastet sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im ungarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die in Deutschland lebenden Geschwister bzw. Verwandten der Klägerin zu 1 seien keine „Familienangehörige“ im Sinn der Dublin III-VO. Die Asylanträge würden daher in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Am 1. Dezember 2015 erhoben die Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage und stellten zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sie führten aus, es sei von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn auszugehen. Das ergebe sich aus zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Zudem werde zu Unrecht angenommen, dass die Kläger der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a.F.) unterfielen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. Januar 2016 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2017 deren Fortdauer (13a AS 17.50010).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Oktober 2016 erklärten die Kläger, in Ungarn seien zwangsweise Fingerabdrücke abgenommen worden und es sei ihnen keine gute Behandlung widerfahren. Die Kinder hätten trotz starken Fiebers keine Behandlung bekommen; sie seien zusammen mit vielen anderen Personen inhaftiert gewesen.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach den unionsrechtlichen Rechtsvorschriften sei Ungarn für die Durchführung der Asylverfahren zuständig. Aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch Beschluss vom 4. Januar 2016 sei die Wiederaufnahmefrist noch nicht abgelaufen. Derzeit sei auch nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufwiesen. Das gelte auch nach der Verschärfung der gesetzlichen Regelungen in Ungarn zum 15. August 2015. Dafür spreche, dass der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen habe, Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Auch die nach der Rechtslage mögliche Anwendung von Asylhaft bei Rückkehrern im Dublin-Verfahren führe nicht zur Annahme systemischer Mängel. Das hätten auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 3.7.2014 - 71932/12) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; B.v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris) festgestellt. Zwar seien Dublin-Rückkehrer häufiger von Asylhaft betroffen als Ersteinreisende, jedoch würden Asylkläger aus sogenannten anerkennungsträchtigen Herkunftsländern regelmäßig weder in Asylhaft noch in Abschiebehaft genommen, im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 nur 0,7% aller Asylantragsteller. Familien mit minderjährigen Kindern müssten in separaten Gebäuden getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht werden. Asylhaft werde nur in begründeten Einzelfällen angewendet. Dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde, sei nicht ersichtlich. Es gebe regelmäßig eine medizinische Betreuung, teilweise arbeiteten dort Sozialpädagogen und es bestehe die Möglichkeit der freien Bewegung. Den aktuellen Berichten könne weiter nicht entnommen werden, dass den Klägern eine Überstellung von Ungarn nach Serbien drohe. Auch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegenüber Ungarn durch die europäische Kommission führe nicht per se zur Annahme von systemischen Mängeln im Asylsystem. Die vorübergehenden Kapazitätsprobleme dürften sich mittlerweile nach den von der ungarischen Regierung ergriffenen Maßnahmen wieder entschärft haben.

Auf Antrag der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Januar 2017 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen (13a ZB 16.50076).

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, im ungarischen Asylsystem herrschten größere Funktionsstörungen, so dass die ernst zu nehmende Gefahr bestehe, dass sie bei einer Überstellung in einer Weise behandelt würden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar sei. Insbesondere bestehe mit der Aufnahme von Serbien in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass Schutzsuchende nach einer Überstellung nach Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben würden, für die zweifelhaft sei, dass die dortigen Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprächen und Abschiebungen unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen seien. Zudem sei zu befürchten, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den europäischen Verfahrensgarantien zurückbleibe. Diese Einschätzung werde bestätigt durch die Berichte von Bordermonitoring, Pro Asyl, Amnesty International, European Council on Refugees and Exiles (ecre) und des Hungarian Helsinki Committee.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Oktober 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Berufungszurückweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015, wenn es um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin III-VO geht (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 = NVwZ 2016, 154 zu Art. 2 Buchst. e Dublin II-VO).

II.

Die Klage ist auch begründet. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran wäre der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 29 AsylG unzulässig, weil die Kläger nach den Eurodac-Treffern in Ungarn aus einem Drittstaat kommend die Grenze dieses Mitgliedstaats überschritten haben, der damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Zwischen den Beteiligten besteht auch kein Streit über die prinzipielle Zuständigkeit Ungarns. Die Kläger befürchten allerdings, dass ihnen im Fall ihrer Abschiebung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) drohen würde. Davon ist in Ungarn auch auszugehen.

Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers zugestimmt (oder nicht geantwortet) hat, kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats deshalb gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nur mit dem Einwand entgegentreten, es gebe wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen (siehe zur Dublin II-VO EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208). Das ist vorliegend der Fall. Nach den dargestellten Grundsätzen ist es geboten, eine Überstellung nach Ungarn zu unterlassen, weil dort derzeit von systemischen Schwachstellen in diesem Sinn auszugehen ist.

2. Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass bei diesen und damit auch den Klägern eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nach Ungarn ernsthaft zu befürchten ist.

a) Das ergibt sich aus der dortigen (gesetzlichen) Entwicklung in den letzten Jahren. Nach der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Asylgesetzes, die die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern vorsah, kam es ab Sommer 2015 zu weiteren Gesetzesänderungen betreffend unter anderem die Einführung eines beschleunigten Verfahrens, den Rechtsschutz und die Inhaftierung sowie die Aufnahme von Serbien in eine nationale Liste sicherer Drittstaaten mit der Folge der Unzulässigkeit von Asylanträgen bei Einreise über Serbien (UNHCR, Hungary: As a Country of Asylum, Mai 2016 - UNHCR Mai 2016; Hungarian Helsinki Committee, Information Note v. 7.8.2015: Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary - HHC 7.8.2015; AIDA - Asylum Information Database, Country-Report: Hungary v. November 2015 - aida November 2015; Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 und 44944/15 v. 17.12.2015 - CHR). Im September 2015 wurde mit der Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien ein Grenzverfahren in dort eingerichteten Transitzonen etabliert (UNHCR Mai 2016; aida November 2015; CHR). Im Fall von Unzulässigkeit und im beschleunigten Verfahren ist vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN) innerhalb von 15 Tagen zu entscheiden, im regulären Verfahren innerhalb von zwei Monaten (aida November 2015, S. 12; CHR). Die Rechtsmittelfrist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen des OIN bzw. gegen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren beträgt drei Tage, im Standardverfahren acht Tage (UNHCR Mai 2016, S. 10; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 21 ff.). Unter Beibehaltung der im Juli 2013 eingeführten Asylhaft im Allgemeinen wurde die zulässige Haftdauer für Grenzankömmlinge ohne Papiere auf 24 statt bisher 12 Stunden heraufgesetzt und die Haftanordnung im Dublin-Verfahren erleichtert. Im Allgemeinen kann Asylhaft erstmalig maximal für 72 Stunden sowie aufgrund eines Verlängerungsantrags um maximal 60 Tage aus im Einzelnen genannten Gründen angeordnet werden, insbesondere bei unklarer Identität und Gefahr des Untertauchens. Zuvor ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Anwendung kommen kann (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Regensburg v. 27.1.2016: Rücküberstellungen nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens - AA 27.1.2016). Die maximale Dauer der Asylhaft beträgt 6 Monate, bei Folgeanträgen 12 Monate und bei Familien mit Kindern 1 Monat (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 63). Die bisher verpflichtende Platzgröße für die Asylhaft wurde in eine Empfehlung umgewandelt, die so weit wie möglich einzuhalten ist. Ferner kann OIN Asylantragsteller ohne Dokumente verpflichten, ihr Heimatland zu kontaktieren (HHC 7.8.2015; CHR).

Dublin-Rückkehrer, über deren Erstantrag bei Rückkehr noch nicht entschieden wurde, werden als Erstantragsteller behandelt (AA 27.1.2016). Grundsätzlich hat die Asylbehörde in Fällen, in denen Asylantragsteller während eines laufenden Asylverfahrens in einen Mitgliedstaat weiterreisen, in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, entweder auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen eine Sachentscheidung zu treffen oder aber das Asylverfahren einzustellen. Regelmäßig wird das Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 21 ff.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann bis zu neun Monate nach Einstellung des Verfahrens beantragt werden (UNHCR Mai 2016, S. 20; AA 27.1.2016). Danach wird die Einstellung endgültig und der Asylbewerber wird wie ein Folgeantragsteller behandelt, wobei Änderungen dergestalt in Planung seien, dass der Asylantrag auch in diesem Fall vollumfänglich geprüft werde (AA 27.1.2016).

b) Angesichts dieser Ausgangslage, die nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ab dem Jahr 2013 bis zum jetzigen Zeitpunkt durch eine fortschreitende (gesetzliche) Intensivierung und Verschärfung gekennzeichnet ist, besteht für die Kläger insbesondere die Gefahr, in Ungarn ohne ausreichende gesetzmäßige Anordnung und ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftiert zu werden.

Die Anordnung der Asylhaft ist schon nach den gesetzlichen Vorgaben in großem Umfang zulässig. Danach kann Asylhaft angeordnet werden 1. bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit, 2. bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, 3. wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, 4. wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, 5. wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder 6. zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (AA 27.1.2016). Diese Formulierung der Haftgründe ist sehr weit gefasst und lässt damit Raum für eine weitreichende Inhaftierung von Asylbewerbern (siehe auch UNHCR, Stellungnahme an das VG Düsseldorf v. 30.9.2014: Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer und Inhaftierungen - UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014: Haftsituation von Asylbewerbern in Ungarn - Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 59 ff.).

Auch die tatsächliche Praxis der Inhaftierung in Ungarn wird schon länger in vielen Punkten erheblich kritisiert. So solle das OIN vor einer Haftanordnung zwar prüfen, ob Alternativen zur Haft bestünden, aber nach Auskunft des Hungarian Helsinki Committee und Pro Asyl (Brief Information Note for the Seminar on the Right to Asylum in Europe, Barcelona, 9.-10.6.2016: The Reception Infrastructure for Asylum-Seekers in Hungary - HHC Juni 2016; Pro Asyl 31.10.2014) werde hiervon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht; Verlängerungen würden automatisch für den Höchstzeitraum beantragt und die Haftanordnungen seien nicht individualisiert (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Kritisch angemerkt wird dabei ferner, dass es in „Asylhaft“-Einrichtungen des OIN praktisch kein ausgebildetes Personal gebe; Sozialarbeiter erhielten nur Zugang unter Begleitung einer bewaffneten Wache. Auch wenn sich die Inhaftierten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr innerhalb der Hafteinrichtungen frei bewegen könnten (Pro Asyl 31.10.2014) und es in der polizeilichen „Einwanderungshaft“ für Folgeantragsteller ausgebildetes Bewachungspersonal gebe (UNHCR 30.9.2014), wird festgestellt, dass Asylbewerber bei etwaigen Behördengängen und Gerichtsterminen wie im Strafverfahren gefesselt und mit Handschellen vorgeführt würden (aida November 2015, S. 65; CHR). Weiter wird kritisiert, dass die Inhaftierungsquote ab dem Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen sei. Während in einer Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015) noch angegeben wurde, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 2,1% aller Asylantragsteller und 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, komme es in der Praxis nach Auskunft von aida (November 2015, S. 62) und CHR sehr häufig zu Inhaftierungen und entgegen der gesetzlichen Regelung seit September 2014 auch bei Familien mit Kindern, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als schwerwiegendstes Mittel bis zu 30 Tage inhaftiert werden könnten. UNHCR kann jedoch nicht bestätigen, dass die Haft nur unter dieser Voraussetzung stattfindet (UNHCR 30.9.2014). Pro Asyl gibt vielmehr an, dass OIN ab September 2014 Familien verstärkt inhaftiert habe (Pro Asyl 31.10.2014). Anlässlich seines Besuchs vom 24. bis 27. November 2015 wurde dem CHR von OIN mitgeteilt, dass sich derzeit 525 Asylantragsteller in offenen Aufnahmeeinrichtungen befänden und 412, mithin ca. 44%, inhaftiert seien. Anfang November 2015 soll die Inhaftierungsquote CHR zufolge sogar 52% gegenüber 11% im Jahr 2014 betragen haben (siehe auch HHC v. Juni 2016). Zudem scheint sich nach Auffassung der genannten Organisationen der ungenügende Gebrauch von Haftalternativen fortzusetzen. Auch das Problem der willkürlichen Inhaftierung sei weiterhin akut. Nach Auskunft von HHC waren am 30. Mai 2016 insgesamt 702 Asylbewerber in Haft, 1.583 in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt meldete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Kurzinformation Ungarn v. 14.12.2016: Zentrum Bicske geschlossen - BFA 14.12.2016), dass im Dezember 2016 nach offiziellen Zahlen 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig waren. Zur Haftdauer berichtet Pro Asyl in Zusammenarbeit mit dem HHC, das wiederum eine Anfrage an OIN richtete, dass die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1.7.2013 bis 31. August 2014 dem OIN zufolge zwar „nur“ 32 Tage betragen habe, nach den eigenen Einschätzungen und einer Untersuchung des HHC allerdings deutlich länger sei. Die Diskrepanz beruhe auf vermutlich darauf, dass OIN nicht nur die Zeit von Inhaftierungen einrechne, sondern auch diejenigen Fälle ohne jegliche Inhaftierung.

Schließlich wies HHC im Juni 2016 nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Ungarn einer der wenigen Staaten in Europa sei, in dem Asylerstantragsteller in der Regel für mehrere Monate inhaftiert würden (HHC Juni 2016). Dublin-Rückkehrer würden in der Praxis regelmäßig inhaftiert (so auch UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; CHR). Diese Haft werde als „Asylhaft“, nicht als „Abschiebehaft“ oder „Einwanderungshaft“ verhängt (UNHCR 30.9.2014). Auch das Auswärtige Amt (AA 3.7.2015) gibt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in Haft genommen zu werden, im ersten Halbjahr 2015 für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht gewesen sei.

Zudem lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen, dass ein effektiver Rechtsschutz existieren würde. Insbesondere bestehen für das OIN und auch die Gerichte sehr restriktive Fristenregelungen zur Entscheidung. Diese sind nicht ausreichend, um die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu gewährleisten. Bei Fristen im Tagebereich wie dargestellt können die unverzichtbaren Anforderungen an ein solches Verfahren einschließlich Dolmetscher, Anhörung, (individualisierter) Herkunftslandinformationen etc. nicht eingehalten werden (siehe hierzu HHC 7.8.2015; aida November 2015; CHR). Gleiches gilt für die Rechtmittelfristen (siehe auch aida November 2015; CHR). Weiter gibt es zwar de iure Zugang zu Rechtsberatung, in der Praxis ist diese aber den Auskünften zufolge mangels entsprechender staatlicher Finanzierung nicht verfügbar (UNHCR 30.9.2014). Soweit überhaupt staatliche Anwälte bestellt seien, agierten diese passiv (Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015). Tatsächlich gebe es damit nur Zugang zu den (Vertrags-)Anwälten des HHC, so dass nur eine Minderheit anwaltliche Vertretung erhalte (Pro Asyl 31.10.2014). Außerdem ist gegen die Verhängung von „Asylhaft“ kein gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen, sondern nur eine sogenannte „Einspruchsmöglichkeit“. Nach den Informationen von UNHCR werde aber auch hiervon aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht (UNHCR 30.9.2014). Gegen die „Einwanderungshaft“ gebe es ebenfalls keinen Rechtsbehelf, nur eine automatische Überprüfung (UNHCR 30.9.2014). Die gerichtliche Haftüberprüfung erfolge in einem „automatisierten“ Prozess alle 60 Tage durch dieselben (Straf-)Richter, die die Erstprüfung durchgeführt hätten (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 67 ff.). In der täglichen Praxis würden Entscheidungen für 5 bis 15 Häftlinge innerhalb von 30 Minuten gefällt, ohne dass eine individuelle Prüfung erfolgen könne (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Schon im Jahr 2012 habe der Oberste Gerichtshof (Kuria) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die 8.000 Entscheidungen analysiert habe, von denen nur in drei Fällen keine Haftverlängerung erfolgt sei (UNHCR 30.9.2014). Die Asylarbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof bestätigte im Oktober 2014, dass die gerichtliche Überprüfung der Asylhaft wirkungslos sei (aida November 2015, S. 67 ff.). Die Entscheidungen seien schematisch, das Verfahren nicht individualisiert und es erfolge keine Überprüfung, ob die Haft das einzige Mittel sei. Seit der Beanstandung durch die Kuria habe sich aber in der Praxis nichts geändert (aida November 2015, S. 67 ff.). Angesichts dieser gravierenden Missstände kann der Rechtsschutz damit insgesamt gesehen nicht mehr als wirksam bezeichnet werden.

Die Bewertung dieser Erkenntnisse ist insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als jeweils nur punktuelle Angaben gemacht, wie etwa zu bestimmten Zeiträumen oder zu den betroffenen Gruppen, und keine statistisch aufbereiteten Daten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 genannt werden zur (Gesamt-)Anzahl der Asylanträge in Ungarn, zur Anzahl der Dublin-Rückkehrer und zu den Verhältnissen in der Transitzone sowie dem jeweiligen Anteil an Inhaftierungen. Das kann wohl kaum darin begründet sein, dass keine offiziellen statistischen Informationen vorlägen, etwa ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden, wie das Auswärtige Amt angibt (AA 27.1.2016). Denn das widerspräche zum einen dessen eigener Aussage in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015), wonach im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien. Zum anderen wurde dem CHR im November 2015 von OIN mitgeteilt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Inhaftierungsquote von ca. 44% gegeben habe und von den in diesem Jahr durchgeführten 1.338 Dublin-Überstellungen 332 Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, also ca. 25%. Auch wenn hiermit keine übergreifende Aussage getroffen wird, die Angaben zur Inhaftierungsquote sehr differieren und nicht zu erkennen ist, inwieweit sich die statistischen Ausgangsdaten decken, lässt sich in der Zusammenschau mit den weiteren Angaben, insbesondere des Hungarian Helsinki Committee (Hungary: Key Asylum Figures as of 1 September 2016 - HHC 1.9.2016: am 29.8.2016 waren 233 von 707 Asylbewerbern in Haft) und des österreichischen Bundesamts für Asylwesen (BFA 14.12.2016: im Dezember 2016 waren 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig), dennoch ein Gesamtbild entnehmen. Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen deutlich, dass die Inhaftierung von Asylbewerbern in Ungarn weit verbreitet ist. Es tritt klar zu Tage, dass die gesetzlichen Vorgaben eine weitreichende Anordnung von Haft ermöglichen und sie auch in der praktischen Handhabung in beachtlichem Umfang stattfindet. Da zudem die Anordnung der Haft schematisch und ohne Einzelfallprüfung erfolgt und eine gerichtliche Überprüfung faktisch nicht stattfindet, muss davon ausgegangen werden, dass Dublin-Rückkehrer wie die Kläger im Fall ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch deren unbestrittenen Angaben, dass sie in Ungarn bereits inhaftiert gewesen seien.

c) Ein weiterer Grund für die Annahme, dass das Asylverfahren in Ungarn systemische Schwachstellen aufweist, die zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung führen, ist die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK. Im Fall einer Rückführung nach Ungarn würde die Abschiebung nach Serbien drohen. Neben den bereits erwähnten Gesetzesänderungen wurde im Juli 2015 eine nationale Liste von sicheren Drittstaaten, zu denen aus ungarischer Sicht auch Serbien gehört, aufgestellt (UNHCR Mai 2016, S. 15 ff.; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 43 ff.; CHR). Das widerspricht dem europarechtlichen Konzept des sicheren Drittstaats, der Position von UNHCR und steht auch im Widerspruch zum Leitfaden des ungarischen Obersten Gerichtshofs. Mit der Gesetzesänderung wird das OIN ermächtigt, ohne inhaltliche Überprüfung des Asylbegehrens alle Anträge von Asylbewerbern abzulehnen, die durch einen solchen sicheren Drittstaat gekommen sind. Die Betroffenen werden dabei zwar informiert, dass ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird, aber nicht mehr über die weiteren Verfahrensschritte. Sie bekommen die Unzulässigkeitsentscheidung zwar mündlich in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt, nicht aber eine schriftliche Übersetzung (aida November 2015, S. 23). Erschwerend kommt hinzu, dass es gegen die Entscheidung des OIN faktisch kaum Rechtsschutz gibt. Zwar kann gegen die Entscheidung des OIN unter bestimmten Voraussetzungen und mit inhaltlichen Vorgaben ein Rechtsmittel eingelegt werden, jedoch beträgt die Frist hierfür, wie bereits dargelegt, nur drei Tage bzw. nach einer weiteren Gesetzesänderung im September 2015 sieben Tage (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). In dieser kurzen Zeitspanne kann weder ein Rechtsbeistand erlangt noch ein substantiierter Rechtsbehelf erhoben werden, zumal die lückenhafte Information der Asylantragsteller und Verständigungsschwierigkeiten noch berücksichtigt werden müssen. Die gerichtliche Überprüfung einer Unzulässigkeitsentscheidung muss innerhalb von acht Tagen nach dem Antrag auf Überprüfung erfolgen; ein Anhörungsrecht des Asylsuchenden besteht nicht (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). Selbst wenn eine gerichtliche Entscheidung erlangt werden kann, wird diese vom OIN entweder gar nicht, verspätet oder sehr zögerlich umgesetzt (UNHCR Mai 2016, S. 18)

Im Ergebnis würde damit eine quasi automatische Zurückweisung ohne inhaltliche Überprüfung der Schutzbedürftigkeit stattfinden mit der Folge einer unverzüglichen Abschiebung nach Serbien, wo derzeit kein Schutz verfügbar ist und zudem die Gefahr einer Kettenabschiebung unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot besteht (siehe aida November 2015, S. 45; HHC 7.8.2015). Die Regelung findet auch auf Dublin-Rückkehrer Anwendung, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung am 1. August 2015 über Serbien als - aus ungarischer Sicht - sicherem Drittstaat eingereist sind (aida November 2015, S. 24). Damit wären auch die Kläger der Gefahr einer Rückführung nach Serbien ausgesetzt, ohne dass sie vorher angehört würden oder dass ein wirksamer Rechtsschutz gegen die Entscheidung des OIN zur Verfügung stünde (aida November 2015, S. 24 ff.).

Die dargestellte Gesetzesänderung entzieht dem Einwand der Beklagten, gegenwärtig bestehe keine reale und durch Tatsachen belegte Gefahr, dass Schutzsuchende bei einer Rücküberstellung nach Ungarn einem indirekten Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgesetzt sein könnten, den Boden. Unstreitig lässt die Gesetzeslage in Ungarn jedenfalls die Abschiebung nach Serbien ohne jegliche inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens zu. Inwieweit Serbien tatsächlich die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ablehnt, bleibt dabei insoweit ohne Bedeutung, als das OIN vom Gesetzgeber zur sofortigen Abschiebung ermächtigt wurde. Zwar mag diese im Einzelfall mangels Nachweis, dass die Betroffenen tatsächlich über Serbien eingereist sind, oder weil zwischen dem Grenzübertritt von Serbien nach Ungarn und dem Antrag auf Rückübernahme mehr als ein Jahr verstrichen ist (AA 27.1.2016) tatsächlich nicht durchgeführt werden können. Das vermag aber an der gesetzlichen Zulässigkeit einer Abschiebung nichts zu ändern. Zudem finden den Erkenntnisquellen zufolge durchaus Rückübernahmen statt, auch wenn Serbien nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmt. So wurden im Zeitraum von Januar bis Mai 2016 in der Praxis pro Woche durchschnittlich zwei Personen rückübernommen (UNHCR Mai 2016). Allein die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um eine exorbitante Größenordnung handeln mag, rechtfertigt die Verneinung einer realen Gefahr nicht (in diesem Sinn auch zu § 34a AsylG: OVG SH, B.v. 21.11.2016 - 2 LA 111/16 - juris). Das übersieht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 - 3 K 509.15 A - juris), in der nur darauf abgestellt wird, dass Serbien die Übernahmeersuchen Ungarns formal ablehne. Angesichts der tatsächlich stattfindenden Abschiebungen und der dargestellten gesetzlichen Zulässigkeit bestehen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass ohne inhaltliche Prüfung von Asylanträgen eine Abschiebung nach Serbien erfolgen könnte. Wenn die Beklagte demgegenüber unter Berufung auf das Verwaltungsgericht Berlin der Auffassung ist, dass vorliegend ausnahmsweise kein Risiko bestehen sollte, unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot von Ungarn nach Serbien abgeschoben zu werden, wäre es ihre Aufgabe, die Gründe hierfür näher darzulegen. Das ist nicht geschehen.

d) Die Einschätzung zum Vorliegen von systemischen Schwachstellen entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 13.10.2016 - A 11 S 1596/16 - DVBl 2016, 1615) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 20.12.2016 - 8 LB 184/15 - juris, Bezug nehmend auf U.v. 15.11.2016 - 8 LB 92/15 - juris). Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 - 3 K 509.15 A - juris), auf die sich die Beklagte beruft, erklärt nicht, weshalb sich aus den genannten Daten keine belastbaren Erkenntnisse ergeben sollten, welche die hier und von den beiden weiteren Obergerichten vorgenommene Bewertung stützen könnten. Unter anderem wegen der dortigen Inhaftierungspraxis hat im Übrigen mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 17.3.2017 - 47287/15 - abrufbar unter https: …dejure.org/2017, 6131) Ungarn zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, weil die Rechtsgrundlagen für die Inhaftierung unbestimmt seien und sie aufgrund einer formalen Entscheidung ohne individuelle Prüfung erfolge. Im Hinblick auf die Einstufung von Serbien als sicheren Drittstaat geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls von einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK aus. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die Betroffenen mangelhaft informiert würden, deshalb keinen effektiven Zugang zu den relevanten Verfahren hätten und ihre Rechte nicht substantiiert geltend machen könnten. Gerügt wird weiter die fehlende Prüfung der individuellen Risiken, was dazu führe, dass in einer automatisierten Weise (Ketten-)Abschiebungen stattfinden würden. Die ungarische Regierung vermöge keine überzeugende Erklärung zu geben, weshalb Serbien entgegen den allgemeinen europarechtlichen Einschätzungen und den Berichten der internationalen Institutionen als sicherer Drittstaat eingestuft werde. Insgesamt vermag der Gerichtshof deshalb nicht zu erkennen, dass effektive Garantien vorhanden seien, die die Betroffenen davor schützen würden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein.

3. Angesichts dieser systemischen Schwachstellen - wie dargelegt - kommt es auch auf den Einwand der Beklagten nicht mehr an, die Auffassung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (U.v. 13.10.2016 a.a.O. Rn. 45 ff.) zur Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG könne nicht geteilt werden. Danach sei Voraussetzung einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen könne und dies auch alsbald der Fall sein werde. Bestünden aufgrund einer in Relation zu den Übernahmezustimmungen niedrigen Quote an vollzogenen Überstellungen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, führe dies zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung. Diese Frage kann hier dahingestellt bleiben, weil sich die Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 AsylG (bzw. § 27a AsylG a.F.) schon aus dem Vorliegen systemischer Schwachstellen in Ungarn ergibt mit der Folge, dass auch die hierauf gestützte Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Einschätzung in erster Linie ebenfalls auf das Vorliegen von systemischen Schwachstellen gestützt und lediglich ergänzend ausgeführt, dass die angegriffenen Verfügungen auch aus diesem weiteren Grund aufzuheben seien. Die Zuständigkeit sei auch deshalb auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werde. Gleiches gilt für die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 20.12.2016 a.a.O. Rn. 60 ff.). Dessen ungeachtet gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Abschiebungen nach Ungarn nicht erfolgen könnten. So gibt HHC 1.9.2016 an, dass von Januar bis Juli 2016 377 Dublin-Rückführungen nach Ungarn stattgefunden hätten, davon 203 aus Deutschland (siehe hierzu auch OVG SH, B.v. 21.11.2016 - 2 LA 111/16 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben, da der Frage, ob in Ungarn systemische Schwachstellen bestehen, nur in tatsächlicher Hinsicht eine grundsätzlich Bedeutung zukommt.

(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt

1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder
2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
Von der Anhörung ist abzusehen, wenn der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und der Sachverhalt auf Grund des Inhalts der Verfahrensakten der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Die Tatsache, dass keine Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung nicht negativ beeinflussen. Die Entscheidung nach den Sätzen 4 und 7 ergeht nach Aktenlage.

(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über

1.
die getroffene Entscheidung und
2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe
a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder
b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.

(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn

1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben,
2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder
3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
Das Bundesamt kann die Frist von 15 Monaten ausnahmsweise um höchstens weitere drei Monate verlängern, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags zu gewährleisten.

(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.

(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.

(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.

(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Gründe

I

1

Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Juni 2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Griechenland und Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten sich mit der Wiederaufnahme der Kläger einverstanden. Mit Bescheid vom 11. September 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Ungarn an (Ziffer 2).

2

Hiergegen erhoben die Kläger Klage und beantragten vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie geltend, dass das in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Ermessen dahingehend auf Null reduziert sei, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und den Asylantrag in der Sache zu prüfen habe. Sie legten fachärztliche psychiatrische Gutachten vor, wonach bei der Klägerin zu 2 eine depressive Störung mit Suizidalität und eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

3

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 3. Dezember 2015 zurück. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

4

Nach einem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beklagte den Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt und den angegriffenen Bescheid auch zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

5

Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II

6

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos.

7

Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <362 f.>).

8

Danach sind hier der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

9

Der Rechtmäßigkeit des auf § 27a AsylG a.F. (jetzt: § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG) gestützten Bescheids der Beklagten steht allerdings nicht bereits die fehlende Feststellung dazu, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen. Nach dem durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geänderten § 31 Abs. 3 AsylG ist das Bundesamt nunmehr auch bei allen unzulässigen Asylanträgen zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verpflichtet. Hierbei ist davon auszugehen, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat (Zielland der Überstellung) bezieht. Denn eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 20 B 15.30049 - juris Rn. 41; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 31 AsylG Rn. 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 13).

10

Allein die fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu den nationalen Abschiebungsverboten führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 20). Hierin kommt die Verpflichtung der Gerichte zum Ausdruck, zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und den Kläger in seinen (subjektiven) Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung haben die Verwaltungsgerichte alle einschlägigen Rechtsnormen und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 28). Ausgehend davon führt es nicht bereits zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, wenn ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG fehlt oder eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nicht erfolgt ist. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung - gegebenenfalls auch erstmals - selbst vorzunehmen.

11

Ob der Bescheid aus anderen Gründen rechtswidrig war, ist für die nach Erledigung der Hauptsache nur noch zu treffende Kostenentscheidung hier nicht mehr von Bedeutung. Es entsprach schon deshalb billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben und damit die Kläger klaglos gestellt hat.

12

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

Gründe

I

1

Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Juni 2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Griechenland und Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten sich mit der Wiederaufnahme der Kläger einverstanden. Mit Bescheid vom 11. September 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Ungarn an (Ziffer 2).

2

Hiergegen erhoben die Kläger Klage und beantragten vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie geltend, dass das in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Ermessen dahingehend auf Null reduziert sei, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und den Asylantrag in der Sache zu prüfen habe. Sie legten fachärztliche psychiatrische Gutachten vor, wonach bei der Klägerin zu 2 eine depressive Störung mit Suizidalität und eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

3

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 3. Dezember 2015 zurück. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

4

Nach einem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beklagte den Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt und den angegriffenen Bescheid auch zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

5

Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II

6

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos.

7

Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <362 f.>).

8

Danach sind hier der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

9

Der Rechtmäßigkeit des auf § 27a AsylG a.F. (jetzt: § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG) gestützten Bescheids der Beklagten steht allerdings nicht bereits die fehlende Feststellung dazu, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen. Nach dem durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geänderten § 31 Abs. 3 AsylG ist das Bundesamt nunmehr auch bei allen unzulässigen Asylanträgen zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verpflichtet. Hierbei ist davon auszugehen, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat (Zielland der Überstellung) bezieht. Denn eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 20 B 15.30049 - juris Rn. 41; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 31 AsylG Rn. 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 13).

10

Allein die fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu den nationalen Abschiebungsverboten führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 20). Hierin kommt die Verpflichtung der Gerichte zum Ausdruck, zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und den Kläger in seinen (subjektiven) Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung haben die Verwaltungsgerichte alle einschlägigen Rechtsnormen und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 28). Ausgehend davon führt es nicht bereits zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, wenn ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG fehlt oder eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nicht erfolgt ist. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung - gegebenenfalls auch erstmals - selbst vorzunehmen.

11

Ob der Bescheid aus anderen Gründen rechtswidrig war, ist für die nach Erledigung der Hauptsache nur noch zu treffende Kostenentscheidung hier nicht mehr von Bedeutung. Es entsprach schon deshalb billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben und damit die Kläger klaglos gestellt hat.

12

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen, russische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihnen aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.

2

Die Klägerin zu 2 ist die Mutter der im Jahre 2008 geborenen Klägerin zu 3. Die Klägerinnen reisten im September 2010 nach Polen ein und beantragten dort erfolglos Asyl. Nach Widerspruch beim Rat für Flüchtlingsangelegenheiten wurden für sie nationale Abschiebungsverbote festgestellt. Die Klägerinnen erhielten bis zum 30. April 2013 gültige polnische Aufenthaltskarten.

3

Die Klägerinnen reisten gemeinsam mit dem nach islamischen Ritus angetrauten Ehemann der Klägerin zu 2 im Juni 2012 nach Berlin und stellten am 19. Juni 2012 beim Bundesamt unbeschränkte Asylanträge. Auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 13. Februar 2013 erklärte Polen am 18. Februar 2013 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Klägerinnen. Mit Bescheid vom 13. März 2013 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge der Klägerinnen nach § 27a AsylVfG a.F. unzulässig seien (Ziffer 1) und ordnete ihre Überstellung nach Polen an. Die Klägerinnen erhoben hiergegen Klage. Wegen einer Risiko-Schwangerschaft der Klägerin zu 2 kam es nicht zu der für den 10. April 2013 geplanten Überstellung. Das Bundesamt hob mit Bescheid vom 24. September 2013 den Bescheid vom 13. März 2013 auf, weil die Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist für die Bearbeitung und Bescheidung der Anträge international zuständig geworden sei.

4

Nach Anhörung der Klägerinnen zu ihrem Verfolgungsschicksal stellte das Bundesamt zuletzt mit Bescheid vom 23. Juni 2014 fest, dass den Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht/internationaler Schutz zustehe (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach Polen an (Ziffer 2). Die Klägerinnen hätten wegen der Schutzgewähr in Polen keinen Anspruch auf Feststellung internationalen Schutzes in Deutschland und könnten sich wegen ihrer Einreise aus Polen, einem sicheren Drittstaat, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen.

5

Hiergegen erhoben die Klägerinnen Klage und beantragten erfolglos die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2014 die Klage abgewiesen und hieran in seinem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Mai 2015 ergangenen Urteil festgehalten.

6

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 21. April 2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerinnen den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2014 aufgehoben. Die Klägerinnen könnten lediglich mit der Anfechtungsklage die für sie negative Feststellung des Bundesamtes angreifen, nicht aber mit der Verpflichtungsklage (weitergehenden) Schutz begehren. Die Feststellung, dass den Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe, weil sie aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist seien, sei rechtswidrig. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG sei hier nicht anwendbar, weil eine Ausnahme nach § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG vorliege, nach der die Drittstaatenregelung nicht greife, wenn die Bundesrepublik Deutschland nach Unionsrecht zuständig sei. Dies sei hier der Fall. Für die Prüfung der Asylzweitanträge der Klägerinnen sei nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der hier auch anzuwendenden Dublin II-VO die Bundesrepublik Deutschland zuständig (geworden). In Polen sei über die Asylanträge der Klägerinnen nicht endgültig entschieden worden, weil ihnen lediglich Abschiebungsschutz nach nationalem Recht zuerkannt worden sei. Für die auf die Flüchtlingsanerkennung gerichteten Aufstockungsanträge sei nach der Dublin II-VO Polen zwar zunächst zuständig und wiederaufnahmepflichtig gewesen. Die erklärte Übernahmebereitschaft sei indes nicht ausgenutzt worden, so dass die Zuständigkeit durch Ablauf der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen sei. Wegen der Asylantragstellung vor dem 20. Juli 2015 sei auch noch die Altfassung der Asylverfahrensrichtlinie anzuwenden, so dass eine Zuerkennung subsidiären Schutzes unerheblich sei. Art. 25 Abs. 2 Richtlinie 2005/85/EG lasse die Abweisung eines Asylantrages ohne materielles Prüfungsverfahren nur zu, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe. Auf den Zuständigkeitsübergang könnten sich die Klägerinnen auch berufen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine (fortwirkende) Übernahmebereitschaft Polens vorlägen. Die Abschiebungsanordnung sei wegen der Rechtswidrigkeit der Feststellung nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG rechtswidrig.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 26a AsylG i.V.m. § 31 Abs. 4 AsylG. Sie macht geltend, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts unzutreffend sei, dass auch ein nach Antragstellung in Deutschland im Lauf des weiteren Aufenthalts eintretender Zuständigkeitsübergang den Tatbestand von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG erfülle. § 26a AsylG sei anwendbar und mit den Vorgaben der Richtlinie 2005/85/EG vereinbar. Eine Ablehnung auf der Grundlage des § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG sei im Vergleich zu einer durch Art. 25 Richtlinie 2005/85/EG bzw. Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU eröffneten Möglichkeit der Ablehnung ohne inhaltliche Antragsprüfung eine für den Antragsteller günstigere Bestimmung, die nach Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG beibehalten werden könne. Denn anders als eine Ablehnung nach Art. 25 Richtlinie 2005/85/EG/Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU verpflichte § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG zur Prüfung, ob der Staat, aus dem der Ausländer nach Deutschland eingereist ist, ein sicherer Drittstaat ist. Rechtsfehlerhaft sei auch die Beschränkung der Klägerinnen auf eine reine Anfechtungsklage. Mit weiterem Bescheid vom 29. Mai 2017 hat das Bundesamt die Asylanträge der Klägerinnen (erneut) als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation und der Republik Polen nicht vorliegen, die Klägerinnen zur Ausreise aufgefordert und ihnen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Russische Föderation oder nach Polen angedroht.

8

Die Klägerinnen verteidigen die angegriffene Entscheidung.

9

Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss vom 1. Juni 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht das vorliegende Verfahren der beiden Klägerinnen von dem zuvor gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 2 geführten Verfahren 1 C 22.16 abgetrennt. Die Beteiligten haben das Revisionsverfahren in der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2017 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, nachdem die Beklagte den Bescheid vom 23. Juni 2014 aufgehoben hatte, soweit dieser die Abschiebung der Klägerinnen nach Polen angeordnet hatte (Ziffer 2 des Bescheides).

Entscheidungsgründe

10

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben; insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. Mai 2015 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. April 2016 unwirksam.

11

Im Übrigen ist die Revision der Beklagten nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg steht, soweit es in Bezug auf die Klägerinnen mit der Revision angegriffen worden ist, im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) mit Bundesrecht im Einklang. Offenbleiben kann, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutrifft, § 26a AsylG sei hier bereits deswegen nicht anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland international zuständig geworden sei. Der Bescheid ist jedenfalls deswegen auf die hier allein statthafte Anfechtungsklage (dazu 2.) hin aufzuheben, weil er nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG gestützt werden kann (dazu 3.1) und eine Umdeutung in einen rechtmäßigen Bescheid, der den Asylantrag aus anderem Rechtsgrund als unzulässig ablehnt, nicht möglich ist (dazu 3.2).

12

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 23. Juni 2014 gerichteten Anfechtungsklagen und damit auch der Revision richtet sich nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460); die Änderungen durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögenabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) treten erst am 1. Juli 2017 in Kraft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG.

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach der Trennung des Verfahrens von dem Verfahren 1 C 22.16 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg allein insoweit, als es den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2014 aufhebt, soweit dieser die Klägerinnen betrifft. Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. Mai 2017 hat Ziffer 1 des Bescheids weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben, so dass sich der Rechtsstreit nicht auch insoweit erledigt hat. Der neue Bescheid ist auch nicht kraft Gesetzes oder durch die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 31. Mai 2017 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, diese Entscheidung und deren Begründung wurden "zum Gegenstand des Revisionsverfahrens" gemacht. Eine gesetzliche Erweiterung des Prüfungsgegenstandes des Revisionsverfahrens auf diesen zusätzlichen, selbstständig neben den Bescheid vom 23. Juni 2014 tretenden Bescheid scheidet mangels Rechtsgrundlage aus. Die Klägerinnen haben auch keine Erklärung abgegeben, dass sie (zusätzlich) diesen Bescheid in dem vorliegenden Verfahren angreifen wollen. Einer solchen Erklärung hätte überdies das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren entgegengestanden (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

2. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Anfechtungsklage gegen den Bescheid als (allein) statthaft angesehen und hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens die weitergehende Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen; das Berufungsurteil ist in dem Aufhebungsausspruch daher nicht schon deswegen aufzuheben, weil die Klägerinnen die Abweisung der Verpflichtungsklage haben rechtskräftig werden lassen.

15

Die Feststellung in dem Bescheid vom 23. Juni 2014, dass sich die Klägerinnen aufgrund ihrer Einreise aus Polen, einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zum AsylG nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen können und in solchen Fällen grundsätzlich auch weder über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennungen des internationalen Schutzes noch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden ist, stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG dar. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - InfAuslR 2017, 162 = juris Rn. 17 ff.) sind jedenfalls seit der Zusammenfassung der verschiedenen Unzulässigkeitsgründe in § 29 Abs. 1 AsylG Bescheide, die einen Asylantrag ohne Prüfung der materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, als unzulässig ablehnen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen; insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht. Das Gericht hat vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung lediglich zu prüfen, ob diese auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Dies gilt auch für die Klage gegen eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 26a AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

16

3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Bescheid vom 23. März 2014 zu Ziffer 1 aufgehoben. Der Bescheid kann nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gestützt werden, weil die Republik Polen bei unionsrechtskonformer Auslegung im Sinne des § 26a AsylG kein sicherer Drittstaat sein kann. (3.1). Dieser Bescheid kann auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.2).

17

3.1 § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheidet als Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides aus. Dabei bedarf die zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren umstrittene Frage keiner Entscheidung, ob - wie vom Berufungsgericht bejaht - § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG auch dann greift, wenn die internationale Zuständigkeit erst nach der Einreise und der Antragstellung auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, oder - so die Beklagte - Fälle eines nachträglichen Zuständigkeitsübergangs nicht erfasst sind. Denn auf eine Einreise aus der Republik Polen, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) nicht anwendbar, weil "sicherer Drittstaat" in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 - juris Rn. 13 ff.). Hierzu hat der Senat in diesem Beschluss, der den Beteiligten bekannt ist und an dem der Senat festhält, ausgeführt:

"Zwar ist die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anknüpft, weiter gefasst. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG, der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zum Asylgesetz bezeichneten Staaten, zu denen derzeit nur Norwegen und die Schweiz zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der deutschen Drittstaatenregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale Drittstaatenregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/EU in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des ersten Asylstaats bzw. des sicheren Drittstaats, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des europäischen sicheren Drittstaats nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer Unzulässigkeitsentscheidung berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auf europäische Staaten, die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D IV Art. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren Drittstaats und des ersten Asylstaats war ebenfalls auf Staaten beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2005/85/EG).

Von dieser Begrenzung auf Drittstaaten im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG geht hervor, dass mit Drittstaaten im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur solche Staaten gemeint sind, die durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, da diese keiner Eintragung bedürfen."

18

3.2 Die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung kann auch nicht in eine andere, nach § 29 Abs. 1 AsylG rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

19

a) Einer Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG steht entgegen, dass die Beklagte selbst anerkannt hat, dass die Regelungen der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) auf den vorliegenden Fall anwendbar sind und hier zu einem Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland geführt haben. Der Senat hält diese Rechtsanwendung für zutreffend und sieht keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Insbesondere ergeben sich solche Zweifel nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. April 2017 (C-36/17 [ECLI:EU:C:2017:273]). Den Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens ist kein internationaler Schutz gewährt worden, ihre Anträge haben sie auch vor den in Art. 49 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) genannten Stichtagen und zudem vor dem Inkrafttreten sowohl dieser Verordnung als auch der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU) gestellt.

20

b) In einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann der Bescheid nicht umgedeutet werden, weil schon dessen Voraussetzung nicht erfüllt ist, dass den Klägerinnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden ist.

21

c) Dass ein sonstiger Drittstaat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, zur Wiederaufnahme der Klägerinnen bereit ist und daher eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG in Betracht käme, ist nicht erkennbar und wird von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.

22

d) In eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG kann der Bescheid schon deswegen nicht umgedeutet werden, weil es sich bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG i.V.m. §§ 71, 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für die Klägerinnen ungünstigeren Rechtsfolgen handelte; denn sie hätte zur Folge, dass der (Folge/Zweit)-Antrag der Klägerinnen auch von keinem anderen Staat geprüft würde und die Klägerinnen grundsätzlich in jeden zu ihrer Aufnahme bereiten Staat einschließlich ihres Herkunftslands abgeschoben werden könnten (BVerwG, Urteile vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff. und vom 9. August 2016 - 1 C 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 21). Dies anerkennt letztlich auch der (neuerliche) Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2017, in dem überdies in erheblichem Umfange entscheidungserhebliche Tatsachen herangezogen werden, zu denen keine tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts getroffen worden sind. Eine Umdeutung ist zwar auch noch im Revisionsverfahren möglich, setzt aber u.a. voraus, dass die das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen ausreichen (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 30).

23

4. Die Kostenentscheidung folgt, soweit das Verfahren eingestellt worden ist, aus § 161 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die Beklagte insoweit den angegriffenen Bescheid aufgehoben hat. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung mit Blick auf die erfolgte Abtrennung, die hier auch bei der Kostenentscheidung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen ist, für das Revisionsverfahren aus § 154 Abs. 2 VwGO und in Bezug auf die Vorinstanzen aus § 155 Abs. 1 VwGO.

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Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Dezember 2016 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte 5/6 und der Kläger 1/6. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

3. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am … 1989 geborene Kläger ist aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Er reiste mit einem Schengen-Visum der ungarischen Botschaft in … über … am 23. Mai 2016 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juni 2016 einen Asylantrag.

Auf Anfrage des Bundesamtes vom 3. August 2016 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 16. September 2016 die Bereitschaft zur Rückübernahme des Klägers nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016, der ausweislich der Akte des Bundesamtes am 29. Dezember 2016 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).

Die Bundesrepublik Deutschland sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig und es lägen hinsichtlich Ungarn keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, der am 5. Januar 2017 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes erheben.

Er beantragt,

  • 1.den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Dezember 2016 aufzuheben und

  • 2.unter Aufhebung dieses Bescheides festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Ungarn vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2017 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 17. Januar 2017 ordnete das Verwaltungsgericht Ansbach auf Antrag des Klägers die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3) des streitgegenständlichen Bescheids an (AN 3 S. 17.50023).

Auf Anfrage des Gerichts verzichtete der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 14. August 2017 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.

Streitgegenstand vorliegender Klage ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Dezember 2016.

Die Klage ist zum Teil unzulässig, soweit sie zulässig ist, ist sie auch begründet.

1. Hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens in 2 des Klageantrags erweist sich die Klage als unzulässig.

Für eine – unbedingt beantragte – klageweise Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist wegen der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Bundesamt auch in den Fällen zur Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungsverboten verpflichtet, in welchen es den Asylantrag (nach § 29 Abs. 1 AsylG) für unzulässig erachtet. Wegen der gesetzlichen Systematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots aber nur für den Fall begehrt werden, dass der Bescheid in Ziffer 1) aufrechterhalten bleibt, also als Hilfsantrag. Denn mit der Aufhebungsentscheidung wird – wie vorliegend – auch die Feststellung, wonach Abschiebungsverbote in den Zielstaat der Überstellung bzw. Abschiebung (hier Ungarn) nicht vorliegen, kassiert (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris Rn. 15). Erst wenn das Asylverfahren nach Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung im nationalen Verfahren durchgeführt wird, trifft das Bundesamt eine Sachentscheidung über den Asylantrag, von welcher auch das Bestehen von Abschiebungsverboten hinsichtlich des Herkunftsstaates des Asylbewerbers umfasst ist, vgl. § 31 Abs. 2 AsylG.

2. Hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens ist die Klage zulässig (z.B. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris) und begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Zu Unrecht beurteilt die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG (siehe unten a). Infolge davon erweist sich auch die im angefochtenen Bescheid erlassene Abschiebungsanordnung nach § 34a Satz 1 Alternat. 2 AsylG sowie die ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtswidrig (siehe unten b).

a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 bis 59), nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Gemäß Art. 7, 13 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 b Dublin III-VO wäre vorliegend für die Prüfung des Asylantrags des Klägers grundsätzlich Ungarn zuständig.

Jedoch erweist sich die Überstellung des Klägers nach Ungarn wegen der dort bestehenden grundlegenden Defizite sowohl im Zugang zum Asylverfahren als auch in dessen Ausgestaltung als nicht zulässig, Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. z.B. Urteil v. 10.12.2013 – C 394/12, NVwZ 2014, 208) kann sich für einen Mitgliedstaat die Pflicht ergeben, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen und den Selbsteintritt zu erklären, wenn systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. Art. 3 2. UA Dublin III-VO) des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür darstellen, dass die Asylbewerber in jenem anderen, an sich zuständigen Mitgliedstaat Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 Grundrechtecharta (EuGRCh) ausgesetzt zu sein.

Unter systemischen Schwachstellen in obigem Sinne sind dabei entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeverfahren angelegte Mängel zu sehen, die alle Asylbewerber oder doch bestimmte Gruppen vorhersehbar und regelhaft betreffen oder aber tatsächliche Umstände, die zur Folge haben, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem faktisch zumindest in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und somit weitgehend unwirksam wird (vgl. BVerwG v. 19.3.2014, 10 B 6.14, NVwZ 14, 1093).

Die Kammer ist unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen und in Ansehung der obergerichtlichen Rechtsprechung, so z.B. BayVGH vom 23. März 2017, 13 a B 17.50003 – juris, der Überzeugung, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Ungarn infolge des Vorhandenseins systemischer Schwachstellen die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ernsthaft droht.

Der BayVGH führt dazu in seiner Entscheidung vom 23. März 2017, a.a.O., Folgendes aus:

„a) Das ergibt sich aus der dortigen (gesetzlichen) Entwicklung in den letzten Jahren. Nach der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Asylgesetzes, die die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern vorsah, kam es ab Sommer 2015 zu weiteren Gesetzesänderungen betreffend unter anderem die Einführung eines beschleunigten Verfahrens, den Rechtsschutz und die Inhaftierung sowie die Aufnahme von Serbien in eine nationale Liste sicherer Drittstaaten mit der Folge der Unzulässigkeit von Asylanträgen bei Einreise über Serbien (UNHCR, Hungary: As a Country of Asylum, Mai 2016 – UNHCR Mai 2016; Hungarian Helsinki Committee, Information Note v. 7.8.2015: Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary – HHC 7.8.2015; AIDA – Asylum Information Database, Country-Report: Hungary v. November 2015 – aida November 2015; Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 und 44944/15 v. 17.12.2015 – CHR). Im September 2015 wurde mit der Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien ein Grenzverfahren in dort eingerichteten Transitzonen etabliert (UNHCR Mai 2016; aida November 2015; CHR). Im Fall von Unzulässigkeit und im beschleunigten Verfahren ist vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN) innerhalb von 15 Tagen zu entscheiden, im regulären Verfahren innerhalb von zwei Monaten (aida November 2015, S. 12; CHR). Die Rechtsmittelfrist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen des OIN bzw. gegen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren beträgt drei Tage, im Standardverfahren acht Tage (UNHCR Mai 2016, S. 10; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 21 ff.). Unter Beibehaltung der im Juli 2013 eingeführten Asylhaft im Allgemeinen wurde die zulässige Haftdauer für Grenzankömmlinge ohne Papiere auf 24 statt bisher 12 Stunden heraufgesetzt und die Haftanordnung im Dublin-Verfahren erleichtert. Im Allgemeinen kann Asylhaft erstmalig maximal für 72 Stunden sowie aufgrund eines Verlängerungsantrags um maximal 60 Tage aus im Einzelnen genannten Gründen angeordnet werden, insbesondere bei unklarer Identität und Gefahr des Untertauchens. Zuvor ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Anwendung kommen kann (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Regensburg v. 27.1.2016: Rücküberstellungen nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens – AA 27.1.2016). Die maximale Dauer der Asylhaft beträgt 6 Monate, bei Folgeanträgen 12 Monate und bei Familien mit Kindern 1 Monat (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 63). Die bisher verpflichtende Platzgröße für die Asylhaft wurde in eine Empfehlung umgewandelt, die so weit wie möglich einzuhalten ist. Ferner kann OIN Asylantragsteller ohne Dokumente verpflichten, ihr Heimatland zu kontaktieren (HHC 7.8.2015; CHR).

Dublin-Rückkehrer, über deren Erstantrag bei Rückkehr noch nicht entschieden wurde, werden als Erstantragsteller behandelt (AA 27.1.2016). Grundsätzlich hat die Asylbehörde in Fällen, in denen Asylantragsteller während eines laufenden Asylverfahrens in einen Mitgliedstaat weiterreisen, in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, entweder auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen eine Sachentscheidung zu treffen oder aber das Asylverfahren einzustellen. Regelmäßig wird das Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 21 ff.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann bis zu neun Monate nach Einstellung des Verfahrens beantragt werden (UNHCR Mai 2016, S. 20; AA 27.1.2016). Danach wird die Einstellung endgültig und der Asylbewerber wird wie ein Folgeantragsteller behandelt, wobei Änderungen dergestalt in Planung seien, dass der Asylantrag auch in diesem Fall vollumfänglich geprüft werde (AA 27.1.2016).

b) Angesichts dieser Ausgangslage, die nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ab dem Jahr 2013 bis zum jetzigen Zeitpunkt durch eine fortschreitende (gesetzliche) Intensivierung und Verschärfung gekennzeichnet ist, besteht für die Kläger insbesondere die Gefahr, in Ungarn ohne ausreichende gesetzmäßige Anordnung und ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftiert zu werden.

Die Anordnung der Asylhaft ist schon nach den gesetzlichen Vorgaben in großem Umfang zulässig. Danach kann Asylhaft angeordnet werden 1. bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit, 2. bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, 3. wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, 4. wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, 5. wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder 6. zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (AA 27.1.2016). Diese Formulierung der Haftgründe ist sehr weit gefasst und lässt damit Raum für eine weitreichende Inhaftierung von Asylbewerbern (siehe auch UNHCR, Stellungnahme an das VG Düsseldorf v. 30.9.2014: Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer und Inhaftierungen – UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014: Haftsituation von Asylbewerbern in Ungarn – Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 59 ff.).

Auch die tatsächliche Praxis der Inhaftierung in Ungarn wird schon länger in vielen Punkten erheblich kritisiert. So solle das OIN vor einer Haftanordnung zwar prüfen, ob Alternativen zur Haft bestünden, aber nach Auskunft des Hungarian Helsinki Committee und Pro Asyl (Brief Information Note for the Seminar on the Right to Asylum in Europe, Barcelona, 9.-10.6.2016: The Reception Infrastructure for Asylum-Seekers in Hungary – HHC Juni 2016; Pro Asyl 31.10.2014) werde hiervon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht; Verlängerungen würden automatisch für den Höchstzeitraum beantragt und die Haftanordnungen seien nicht individualisiert (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Kritisch angemerkt wird dabei ferner, dass es in „Asylhaft“-Einrichtungen des OIN praktisch kein ausgebildetes Personal gebe; Sozialarbeiter erhielten nur Zugang unter Begleitung einer bewaffneten Wache. Auch wenn sich die Inhaftierten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr innerhalb der Hafteinrichtungen frei bewegen könnten (Pro Asyl 31.10.2014) und es in der polizeilichen „Einwanderungshaft“ für Folgeantragsteller ausgebildetes Bewachungspersonal gebe (UNHCR 30.9.2014), wird festgestellt, dass Asylbewerber bei etwaigen Behördengängen und Gerichtsterminen wie im Strafverfahren gefesselt und mit Handschellen vorgeführt würden (aida November 2015, S. 65; CHR). Weiter wird kritisiert, dass die Inhaftierungsquote ab dem Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen sei. Während in einer Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015) noch angegeben wurde, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 2,1% aller Asylantragsteller und 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, komme es in der Praxis nach Auskunft von aida (November 2015, S. 62) und CHR sehr häufig zu Inhaftierungen und entgegen der gesetzlichen Regelung seit September 2014 auch bei Familien mit Kindern, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als schwerwiegendstes Mittel bis zu 30 Tage inhaftiert werden könnten. UNHCR kann jedoch nicht bestätigen, dass die Haft nur unter dieser Voraussetzung stattfindet (UNHCR 30.9.2014). Pro Asyl gibt vielmehr an, dass OIN ab September 2014 Familien verstärkt inhaftiert habe (Pro Asyl 31.10.2014). Anlässlich seines Besuchs vom 24. bis 27. November 2015 wurde dem CHR von OIN mitgeteilt, dass sich derzeit 525 Asylantragsteller in offenen Aufnahmeeinrichtungen befänden und 412, mithin ca. 44%, inhaftiert seien. Anfang November 2015 soll die Inhaftierungsquote CHR zufolge sogar 52% gegenüber 11% im Jahr 2014 betragen haben (siehe auch HHC v. Juni 2016). Zudem scheint sich nach Auffassung der genannten Organisationen der ungenügende Gebrauch von Haftalternativen fortzusetzen. Auch das Problem der willkürlichen Inhaftierung sei weiterhin akut. Nach Auskunft von HHC waren am 30. Mai 2016 insgesamt 702 Asylbewerber in Haft, 1.583 in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt meldete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Kurzinformation Ungarn v. 14.12.2016: Zentrum Bicske geschlossen – BFA 14.12.2016), dass im Dezember 2016 nach offiziellen Zahlen 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig waren. Zur Haftdauer berichtet Pro Asyl in Zusammenarbeit mit dem HHC, das wiederum eine Anfrage an OIN richtete, dass die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. August 2014 dem OIN zufolge zwar „nur“ 32 Tage betragen habe, nach den eigenen Einschätzungen und einer Untersuchung des HHC allerdings deutlich länger sei. Die Diskrepanz beruhe auf vermutlich darauf, dass OIN nicht nur die Zeit von Inhaftierungen einrechne, sondern auch diejenigen Fälle ohne jegliche Inhaftierung.

Schließlich wies HHC im Juni 2016 nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Ungarn einer der wenigen Staaten in Europa sei, in dem Asylerstantragsteller in der Regel für mehrere Monate inhaftiert würden (HHC Juni 2016). Dublin-Rückkehrer würden in der Praxis regelmäßig inhaftiert (so auch UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; CHR). Diese Haft werde als „Asylhaft“, nicht als „Abschiebehaft“ oder „Einwanderungshaft“ verhängt (UNHCR 30.9.2014). Auch das Auswärtige Amt (AA 3.7.2015) gibt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in Haft genommen zu werden, im ersten Halbjahr 2015 für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht gewesen sei.

Zudem lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen, dass ein effektiver Rechtsschutz existieren würde. Insbesondere bestehen für das OIN und auch die Gerichte sehr restriktive Fristenregelungen zur Entscheidung. Diese sind nicht ausreichend, um die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu gewährleisten. Bei Fristen im Tagebereich wie dargestellt können die unverzichtbaren Anforderungen an ein solches Verfahren einschließlich Dolmetscher, Anhörung, (individualisierter) Herkunftslandinformationen etc. nicht eingehalten werden (siehe hierzu HHC 7.8.2015; aida November 2015; CHR). Gleiches gilt für die Rechtsmittelfristen (siehe auch aida November 2015; CHR). Weiter gibt es zwar de iure Zugang zu Rechtsberatung, in der Praxis ist diese aber den Auskünften zufolge mangels entsprechender staatlicher Finanzierung nicht verfügbar (UNHCR 30.9.2014). Soweit überhaupt staatliche Anwälte bestellt seien, agierten diese passiv (Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015). Tatsächlich gebe es damit nur Zugang zu den (Vertrags-)Anwälten des HHC, so dass nur eine Minderheit anwaltliche Vertretung erhalte (Pro Asyl 31.10.2014). Außerdem ist gegen die Verhängung von „Asylhaft“ kein gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen, sondern nur eine sogenannte „Einspruchsmöglichkeit“. Nach den Informationen von UNHCR werde aber auch hiervon aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht (UNHCR 30.9.2014). Gegen die „Einwanderungshaft“ gebe es ebenfalls keinen Rechtsbehelf, nur eine automatische Überprüfung (UNHCR 30.9.2014). Die gerichtliche Haftüberprüfung erfolge in einem „automatisierten“ Prozess alle 60 Tage durch dieselben (Straf-) Richter, die die Erstprüfung durchgeführt hätten (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 67 ff.). In der täglichen Praxis würden Entscheidungen für 5 bis 15 Häftlinge innerhalb von 30 Minuten gefällt, ohne dass eine individuelle Prüfung erfolgen könne (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Schon im Jahr 2012 habe der Oberste Gerichtshof (Kuria) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die 8.000 Entscheidungen analysiert habe, von denen nur in drei Fällen keine Haftverlängerung erfolgt sei (UNHCR 30.9.2014). Die Asylarbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof bestätigte im Oktober 2014, dass die gerichtliche Überprüfung der Asylhaft wirkungslos sei (aida November 2015, S. 67 ff.). Die Entscheidungen seien schematisch, das Verfahren nicht individualisiert und es erfolge keine Überprüfung, ob die Haft das einzige Mittel sei. Seit der Beanstandung durch die Kuria habe sich aber in der Praxis nichts geändert (aida November 2015, S. 67 ff.). Angesichts dieser gravierenden Missstände kann der Rechtsschutz damit insgesamt gesehen nicht mehr als wirksam bezeichnet werden.

Die Bewertung dieser Erkenntnisse ist insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als jeweils nur punktuelle Angaben gemacht, wie etwa zu bestimmten Zeiträumen oder zu den betroffenen Gruppen, und keine statistisch aufbereiteten Daten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 genannt werden zur (Gesamt-)Anzahl der Asylanträge in Ungarn, zur Anzahl der Dublin-Rückkehrer und zu den Verhältnissen in der Transitzone sowie dem jeweiligen Anteil an Inhaftierungen. Das kann wohl kaum darin begründet sein, dass keine offiziellen statistischen Informationen vorlägen, etwa ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden, wie das Auswärtige Amt angibt (AA 27.1.2016). Denn das widerspräche zum einen dessen eigener Aussage in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015), wonach im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien. Zum anderen wurde dem CHR im November 2015 von OIN mitgeteilt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Inhaftierungsquote von ca. 44% gegeben habe und von den in diesem Jahr durchgeführten 1.338 Dublin-Überstellungen 332 Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, also ca. 25%. Auch wenn hiermit keine übergreifende Aussage getroffen wird, die Angaben zur Inhaftierungsquote sehr differieren und nicht zu erkennen ist, inwieweit sich die statistischen Ausgangsdaten decken, lässt sich in der Zusammenschau mit den weiteren Angaben, insbesondere des Hungarian Helsinki Committee (Hungary: Key Asylum Figures as of 1 September 2016 – HHC 1.9.2016: am 29.8.2016 waren 233 von 707 Asylbewerbern in Haft) und des österreichischen Bundesamts für Asylwesen (BFA 14.12.2016: im Dezember 2016 waren 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig), dennoch ein Gesamtbild entnehmen. Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen deutlich, dass die Inhaftierung von Asylbewerbern in Ungarn weit verbreitet ist. Es tritt klar zu Tage, dass die gesetzlichen Vorgaben eine weitreichende Anordnung von Haft ermöglichen und sie auch in der praktischen Handhabung in beachtlichem Umfang stattfindet. Da zudem die Anordnung der Haft schematisch und ohne Einzelfallprüfung erfolgt und eine gerichtliche Überprüfung faktisch nicht stattfindet, muss davon ausgegangen werden, dass Dublin-Rückkehrer wie die Kläger im Fall ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch deren unbestrittenen Angaben, dass sie in Ungarn bereits inhaftiert gewesen seien.

c) Ein weiterer Grund für die Annahme, dass das Asylverfahren in Ungarn systemische Schwachstellen aufweist, die zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung führen, ist die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK. Im Fall einer Rückführung nach Ungarn würde die Abschiebung nach Serbien drohen. Neben den bereits erwähnten Gesetzesänderungen wurde im Juli 2015 eine nationale Liste von sicheren Drittstaaten, zu denen aus ungarischer Sicht auch Serbien gehört, aufgestellt (UNHCR Mai 2016, S. 15 ff.; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 43 ff.; CHR). Das widerspricht dem europarechtlichen Konzept des sicheren Drittstaats, der Position von UNHCR und steht auch im Widerspruch zum Leitfaden des ungarischen Obersten Gerichtshofs. Mit der Gesetzesänderung wird das OIN ermächtigt, ohne inhaltliche Überprüfung des Asylbegehrens alle Anträge von Asylbewerbern abzulehnen, die durch einen solchen sicheren Drittstaat gekommen sind. Die Betroffenen werden dabei zwar informiert, dass ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird, aber nicht mehr über die weiteren Verfahrensschritte. Sie bekommen die Unzulässigkeitsentscheidung zwar mündlich in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt, nicht aber eine schriftliche Übersetzung (aida November 2015, S. 23). Erschwerend kommt hinzu, dass es gegen die Entscheidung des OIN faktisch kaum Rechtsschutz gibt. Zwar kann gegen die Entscheidung des OIN unter bestimmten Voraussetzungen und mit inhaltlichen Vorgaben ein Rechtsmittel eingelegt werden, jedoch beträgt die Frist hierfür, wie bereits dargelegt, nur drei Tage bzw. nach einer weiteren Gesetzesänderung im September 2015 sieben Tage (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). In dieser kurzen Zeitspanne kann weder ein Rechtsbeistand erlangt noch ein substantiierter Rechtsbehelf erhoben werden, zumal die lückenhafte Information der Asylantragsteller und Verständigungsschwierigkeiten noch berücksichtigt werden müssen. Die gerichtliche Überprüfung einer Unzulässigkeitsentscheidung muss innerhalb von acht Tagen nach dem Antrag auf Überprüfung erfolgen; ein Anhörungsrecht des Asylsuchenden besteht nicht (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). Selbst wenn eine gerichtliche Entscheidung erlangt werden kann, wird diese vom OIN entweder gar nicht, verspätet oder sehr zögerlich umgesetzt (UNHCR Mai 2016, S. 18).

Im Ergebnis würde damit eine quasi automatische Zurückweisung ohne inhaltliche Überprüfung der Schutzbedürftigkeit stattfinden mit der Folge einer unverzüglichen Abschiebung nach Serbien, wo derzeit kein Schutz verfügbar ist und zudem die Gefahr einer Kettenabschiebung unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot besteht (siehe aida November 2015, S. 45; HHC 7.8.2015). Die Regelung findet auch auf Dublin-Rückkehrer Anwendung, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung am 1. August 2015 über Serbien als – aus ungarischer Sicht – sicherem Drittstaat eingereist sind (aida November 2015, S. 24). Damit wären auch die Kläger der Gefahr einer Rückführung nach Serbien ausgesetzt, ohne dass sie vorher angehört würden oder dass ein wirksamer Rechtsschutz gegen die Entscheidung des OIN zur Verfügung stünde (aida November 2015, S. 24 ff.).

Die dargestellte Gesetzesänderung entzieht dem Einwand der Beklagten, gegenwärtig bestehe keine reale und durch Tatsachen belegte Gefahr, dass Schutzsuchende bei einer Rücküberstellung nach Ungarn einem indirekten Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgesetzt sein könnten, den Boden. Unstreitig lässt die Gesetzeslage in Ungarn jedenfalls die Abschiebung nach Serbien ohne jegliche inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens zu. Inwieweit Serbien tatsächlich die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ablehnt, bleibt dabei insoweit ohne Bedeutung, als das OIN vom Gesetzgeber zur sofortigen Abschiebung ermächtigt wurde. Zwar mag diese im Einzelfall mangels Nachweis, dass die Betroffenen tatsächlich über Serbien eingereist sind, oder weil zwischen dem Grenzübertritt von Serbien nach Ungarn und dem Antrag auf Rückübernahme mehr als ein Jahr verstrichen ist (AA 27.1.2016) tatsächlich nicht durchgeführt werden können. Das vermag aber an der gesetzlichen Zulässigkeit einer Abschiebung nichts zu ändern. Zudem finden den Erkenntnisquellen zufolge durchaus Rückübernahmen statt, auch wenn Serbien nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmt. So wurden im Zeitraum von Januar bis Mai 2016 in der Praxis pro Woche durchschnittlich zwei Personen rückübernommen (UNHCR Mai 2016). Allein die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um eine exorbitante Größenordnung handeln mag, rechtfertigt die Verneinung einer realen Gefahr nicht (in diesem Sinn auch zu § 34a AsylG: OVG SH, B.v. 21.11.2016 – 2 LA 111/16 – juris). Das übersieht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 – 3 K 509.15 A – juris), in der nur darauf abgestellt wird, dass Serbien die Übernahmeersuchen Ungarns formal ablehne. Angesichts der tatsächlich stattfindenden Abschiebungen und der dargestellten gesetzlichen Zulässigkeit bestehen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass ohne inhaltliche Prüfung von Asylanträgen eine Abschiebung nach Serbien erfolgen könnte. Wenn die Beklagte demgegenüber unter Berufung auf das Verwaltungsgericht Berlin der Auffassung ist, dass vorliegend ausnahmsweise kein Risiko bestehen sollte, unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot von Ungarn nach Serbien abgeschoben zu werden, wäre es ihre Aufgabe, die Gründe hierfür näher darzulegen. Das ist nicht geschehen.

d) Die Einschätzung zum Vorliegen von systemischen Schwachstellen entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 13.10.2016 – A 11 S 1596/16 – DVBl 2016, 1615) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 20.12.2016 – 8 LB 184/15 – juris, Bezug nehmend auf U.v. 15.11.2016 – 8 LB 92/15 – juris). Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 – 3 K 509.15 A – juris), auf die sich die Beklagte beruft, erklärt nicht, weshalb sich aus den genannten Daten keine belastbaren Erkenntnisse ergeben sollten, welche die hier und von den beiden weiteren Obergerichten vorgenommene Bewertung stützen könnten. Unter anderem wegen der dortigen Inhaftierungspraxis hat im Übrigen mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 17.3.2017 – 47287/15 – abrufbar unter https://dejure.org/2017, 6131) Ungarn zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, weil die Rechtsgrundlagen für die Inhaftierung unbestimmt seien und sie aufgrund einer formalen Entscheidung ohne individuelle Prüfung erfolge. Im Hinblick auf die Einstufung von Serbien als sicheren Drittstaat geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls von einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK aus. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die Betroffenen mangelhaft informiert würden, deshalb keinen effektiven Zugang zu den relevanten Verfahren hätten und ihre Rechte nicht substantiiert geltend machen könnten. Gerügt wird weiter die fehlende Prüfung der individuellen Risiken, was dazu führe, dass in einer automatisierten Weise (Ketten-)Abschiebungen stattfinden würden. Die ungarische Regierung vermöge keine überzeugende Erklärung zu geben, weshalb Serbien entgegen den allgemeinen europarechtlichen Einschätzungen und den Berichten der internationalen Institutionen als sicherer Drittstaat eingestuft werde. Insgesamt vermag der Gerichtshof deshalb nicht zu erkennen, dass effektive Garantien vorhanden seien, die die Betroffenen davor schützen würden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein.“

Das Sächsische OVG sieht sowohl hinsichtlich des Zugangs zum Asylverfahren als auch in Bezug auf dessen Ausgestaltung grundlegende Defizite und führt im Urteil vom 6. Juni 2017, 4 A 584/16.A – juris, dazu unter anderem Folgendes aus:

„2.2.2.1. Das ungarische Asylrecht und die Aufnahmebedingungen sind davon geprägt, den Zugang zu Asyl im Land zu beschränken bzw. zu behindern (UNHCR, Ungarn als Asylland, deutsche Version: Juli 2016, S. 4). Es handelt sich um systemische Mängel, die die ernsthafte Gefahr bergen, dass dem Kläger der Zugang zu einer Sachprüfung seines Asylantrages verschlossen bleibt.

Neben der grenzsichernden Maßnahme der Errichtung eines Zaunes entlang der ungarischen Grenze zu Serbien und Kroatien hat Ungarn Transitzonen eingerichtet, in denen seit 2015 nach dem damals geltenden ungarischen Asylrecht - außer in Fällen von Personen mit besonderen Bedürfnissen - die Zulässigkeitsprüfung zum Asylverfahren der über diese Grenze einreisenden Antragsteller durchzuführen war (bordermonitoring.eu/Pro Asyl e.V., Gänzlich unerwünscht, Juli 2016, S. 22; UNHCR a.a.O., S. 9). Allerdings wurden in den Transitzonen an der kroatischen Grenze seit 31. März 2016, zumindest bis Mai 2016, keine Asylanträge gestellt (UNHCR a.a.O., S. 11). Bei den Transitzonen handelt es sich um unmittelbar an der Grenze gelegene umzäunte Gelände mit Wohn- und Bürocontainern, neuerdings auch mit Spielplatz und Sportstätte, die die Asylbewerber nur in Richtung der Außengrenze verlassen können (Amnesty International [ai], Stranded Hope, September 2016, S. 16 f.; Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] v. 24. Juni 2016, An der roten Linie; Frankfurter Rundschau [FR] v. 7. April 2017, Spielplatz mit Stacheldraht).

Die ungarische Asylbehörde hatte dort innerhalb von acht Tagen eine Entscheidung zur Zulässigkeit des Asylantrages zu treffen (aida, Country Report: Hungary, 2016 update Feb. 2017, S. 36), wobei in den Transitzonen alle Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden (UNHCR a.a.O., S. 12 für den Zeitraum 15.9.2015 bis 31.3.2016). Dies beruht darauf, dass Ungarn Serbien als sicheren Drittstaat ansieht und ein Asylantrag einer Person, die durch einen sicheren Drittstaat gereist ist und dort die Möglichkeit hatte, effektiven Schutz zu erlangen, nach ungarischem Asylrecht als unzulässig angesehen wird (aida a.a.O., S. 50 f.). Nach ungarischem Asylrecht sind die Asylbewerber vor einer entsprechenden Entscheidung anzuhören und es ist ihnen Gelegenheit zu gegeben, innerhalb von 3 Tagen darzulegen, weshalb in ihrem jeweiligen Fall der Drittstaat nicht sicher ist (aida a.a.O., S. 37). Gleichwohl erfolgen die Antragsablehnung als unzulässig entweder am Tag der Antragstellung bzw. am Folgetag (UNHCR a.a.O., S. 13), weil in der Praxis die 3-Tages-Frist dadurch unterlaufen wird, dass den Asylbewerbern unmittelbar nach der Anhörung eine Erklärung zum Unterschreiben vorgelegt wird, nach der sie mit dem Verweis auf den sicheren Drittstaat nicht einverstanden seien. Mit dem Ausfüllen dieser Erklärung wird das Anhörungserfordernis als erfüllt angesehen und die Unzulässigkeitsentscheidung gefällt. Auf diese Weise wird verhindert, dass anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen wird und eine nähere Begründung der mangelnden Qualität von Serbien als sicherer Drittstaat erfolgt (aida a.a.O., S. 37).

Die Unzulässigkeitsentscheidung kann durch einen innerhalb von sieben Tagen zu stellenden Rechtsbehelf angefochten werden, wobei zweifelhaft ist, ob das Gericht neue Tatsachen und Umstände berücksichtigt (bordermonitoring.eu/Pro Asyl e.V. a.a.O., S. 19; UNHCR a.a.O., S. 10). In der Rechtsbehelfsfrist und solange die Klage anhängig ist, längstens jedoch 28 Tage, war es den Asylbewerbern verwehrt, die Transitzone in Richtung Ungarn zu verlassen (ai a.a.O., S. 16; UNHCR a.a.O., S. 13). Die – nicht zwingend vorgesehene – gerichtliche Anhörung findet in Form einer Videokonferenz statt (aida a.a.O., S. 16/39, UNHCR a.a.O., S. 10), wobei die gerichtliche Entscheidung innerhalb von acht Tagen ergehen soll (UNHCR a.a.O., S. 10). Tatsächlich ergehen die Entscheidungen teilweise bereits ein bis zwei Tage nach Eingang des Verfahrens (aida a.a.O., S. 39).

Selbst im Falle der gerichtlichen Aufhebung der auf Serbien als sicherer Drittstaat beruhenden Unzulässigkeitsentscheidung wiederholt die ungarische Asylbehörde die aufgehobene Entscheidung und prüft Asylanträge erst inhaltlich, wenn eine zweite oder dritte gerichtliche Aufhebung erfolgt ist (UNHCR a.a.O., S. 19; bordermonitoring.eu/Pro Asyl e.V. a.a.O., S. 19). Im Falle einer negativen gerichtlichen Entscheidung oder der Rücknahme oder Unanfechtbarkeit der Unzulässigkeitsentscheidung werden die Asylbewerber aus der Transitzone in Richtung Serbien entlassen (aida a.a.O., S. 38).

Das Recht auf anwaltlichen Beistand während des gesamten Verfahrens kann in der Praxis nur schwer umgesetzt werden. So wird das Interview zum Fluchtweg unmittelbar nach der Ankunft in der Transitzone geführt. Selbst wenn nach gerichtlicher Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung eine erneute Anhörung zur Frage des sicheren Drittstaates angesetzt wird, erfolgt dies so kurzfristig, dass der anwaltliche Beistand kaum rechtzeitig eintreffen kann (UNHCR a.a.O., S. 13). Die im Klageverfahren durch den anwaltlichen Beistand vorgelegten Unterlagen werden von der Asylbehörde dem Gericht zum Teil nicht vorgelegt. Selbst wenn sie direkt bei Gericht eingereicht werden, erreichen sie den zuständigen Richter aufgrund der beschleunigten Verfahrensbearbeitung nicht immer vor der Entscheidung (aida a.a.O., S. 39). Darüber hinaus wird der Kontakt zwischen Rechtsanwälten und Asylbewerbern seit Anfang 2017 durch Zugangshindernisse erschwert (aida, a.a.O., S. 40).

Zwischenzeitlich ist in Ungarn am 28. März 2017 eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, nach der für alle Asylbewerber, die älter als 14 Jahre sind, auch für diejenigen, die nicht über die serbisch-ungarische Grenze eingereist sind, das gesamte Asylverfahren – nicht wie bisher, lediglich die Zulässigkeitsprüfung über maximal 28 Tage – in den Transitzonen an der serbischen Grenze abgewickelt wird (FAZ vom 7.4.2017, Raus nur rückwärts; Süddeutsche Zeitung [SZ] vom 11.4.2017, Asylbewerber in Ungarn; FR vom 7.4.2017 a.a.O.; Spiegel Online vom 10.4.2017, EU-Staaten sollen keine Flüchtlinge nach Ungarn schicken; Abschnitte 1 und 3 des in englischer Sprache vom Beklagten überreichten Gesetzestextes).“

Diese Einschätzung wird auch vom UNHCR geteilt, dessen Stellungnahmen im Rahmen des einheitlichen europäischen Asylsystems eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – juris, zur Bedeutung unter Geltung der Richtlinie 2005/85/EG, jetzt Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013).

Mit einer Pressemitteilung vom 10. April 2017 rief der UNHCR auf, Dublin-Überstellungen nach Ungarn auszusetzen (http://unhcr.org/dach/ch-de/14512-unhcr-dublin-ueberstellungen-nach-ungarn-aussetzen). Es sei am 28. März 2017 ein neues Gesetz (Gesetz T/13976 über die Anpassung mehrerer Gesetze zur Verschärfung der Verfahren in den Grenzzonen) in Kraft getreten, das Asylsuchende zwangsweise interniere. Auch werde ihnen durch physische Hindernisse und eine restriktive Politik effektiv der Zugang zum Territorium und damit zum Asyl verwehrt.

Nach alldem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sich als rechtswidrig erweist infolge der zu bejahenden systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn und dass der Kläger durch diese Entscheidung in seinen Rechten verletzt wird.

b)

aa) Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung erweist sich infolge der oben festgestellten Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten, dass der Asylantrag unzulässig ist, und deren daher zu erfolgender Aufhebung, ebenfalls als rechtswidrig.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Wie oben unter 2.) ausgeführt, ist zum streitentscheidenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) wegen des festgestellten Vorliegens systemischer Mängel derzeit eine Abschiebung nach Ungarn nicht möglich; damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vor mit der Folge der den Kläger in seinen Rechten verletzenden Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung.

bb) Auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist aufzuheben.

Nach § 75 Nr. 12 AufenthG ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für diese Entscheidung nur bei Vorliegen einer Abschiebungsandrohung bzw. einer Abschiebungsanordnung zuständig. Fehlt es an einer solchen (siehe oben b aa), erweist sich der in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides getätigte Ausspruch nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Somit war der Klage im dargestellten Umfang stattzugeben.

Kosten: § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tenor

I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Mai 2015 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 31. Juli 2014 wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen gesamtschuldnerisch. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind georgische Staatsangehörige, die am 2. April 2014 in der Bundesrepublik Asylanträge stellten, nachdem ihnen lettische Behörden zuvor am 6. März 2014 Schengen-Visa erteilt hatten. Auf ein Übernahmeersuchen vom 18. Juni 2014 hin erklärten die lettischen Behörden mit Schreiben vom 8. Juli 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO).

Mit am 8. August zugestelltem Bescheid vom 31. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Den parallel zur Klage erhobenen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 3. September 2014 ab; die Entscheidung wurde allen Beteiligten am 8. September 2014 zugestellt.

In einem weiteren Beschluss vom 10. Februar 2015, zugestellt am 13. Februar 2015, änderte das Verwaltungsgericht seinen ersten Beschluss auf Antrag der Kläger gemäß § 80 Abs. 7 VwGO und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. August 2014 gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamts vom 31. Juli 2014 an. Die mit der Übernahmeerklärung vom 8. Juli 2014 in Gang gesetzte Frist von sechs Monaten für die Überstellung nach Lettland sei im Zeitraum zwischen der Zustellung des Bescheids der Beklagten bis zur Entscheidung des Gerichts vom 3. September 2014 analog § 209 BGB gehemmt gewesen und daher am 4. Februar 2015 abgelaufen. Nach diesem Zeitpunkt sei die Rechtsstellung des Einzelnen zumindest insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein müsse. Das sei hier die Beklagte.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2015, der Beklagten zugestellt am 28. Mai 2015, hob das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf seine vorangegangene Entscheidung den Bescheid der Beklagen vom 31. Juli 2014 auf. Auf Antrag der Beklagten vom 9. Juni 2015 hat der Senat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Asylantrag sei unzulässig. Auf die Gründe des angefochtenen Bescheids werde Bezug genommen. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO sei noch nicht abgelaufen. Nach den zwischenzeitlichen Klarstellungen der obergerichtlichen Rechtsprechung komme einem erfolglosen Eilrechtsschutzantrag in Fällen der vorliegenden Art keine fristhemmende Wirkung zu. Vielmehr werde der Lauf der Überstellungsfrist nur unterbrochen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Überstellungsfrist sei abgelaufen. Nach dem Unionsrecht komme nur dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zu, auf den hin endgültig über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung entschieden werde. Mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes könne nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung deren Vollzugs erreicht werden. Zudem könne nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (B.v. 8.9.2014 - 13 A 1347/14.A - juris) nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeiführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Vorgang der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Bedenken gegen eine Überstellung der Kläger nach Lettland wurden im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht; insoweit sind auch keine Umstände ersichtlich, die der Prüfung ihrer Asylanträge in dem bezeichneten Staat entgegenstehen könnten. Daher war - nur noch - über die Rechtsfrage des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO zu entscheiden. Der Senat sieht das Rechtsmittel der Beklagten vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - NVwZ 2016, 1185 = juris Ls und Rn. 11; B.v. 22.8.2016 - 1 B 95/16, 1 PKH 71 PKH 75/16, 1 VR 4 /16 - juris Rn. 7 m.w.N.) für begründet an.

1. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung schließt sich der Senat der zuletzt in mehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geäußerten Meinung an, dass die sechsmonatige Frist für die Überstellung auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung (§ 34 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AsylG) ablehnt (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - NVwZ 2016, 1185 = juris Ls und Rn. 11). Danach ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung erfolgen werde und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, U.v. 29.1.1.2009 - C-19/08, Petrosian - juris Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung gemäß § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot des § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass die Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen sei (so VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.

Die Entscheidung des EuGH (U.v. 29.1.2009 - C-19/08 - juris) zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO), der bis auf im vorliegenden Zusammenhang unerhebliche, marginale Änderungen wortgleich mit Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist, stellte zunächst fest (a.a.O. Rn. 33), dass der Wortlaut der Vorschrift an sich keine Feststellung darüber erlaube, ob die Frist zur Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung laufe, mit der die Durchführung der Überstellung ausgesetzt werde, oder erst ab einer (erg.: endgültigen) Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden werde. Unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte (a.a.O. Rn. 41), einer vergleichenden Folgenbetrachtung (a.a.O. Rn. 47 bis 52) und zur „Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003“ ergebe sich aber (a.a.O. Rn. 46), dass die Frist (erg.: in jedem Fall) erst ab der gerichtlichen Entscheidung zu laufen beginne, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden werde und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen könne.

2. Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass sich aus einem derart gestreckten Zeitablauf möglicherweise für die fortbestehende Bereitschaft des „zuständigen Mitgliedstaats“ zur Übernahme der betroffenen Personen Probleme ergeben können, weil sich in der Praxis die „drittstaatsangehörigen Antragsteller“ (Art. 2 Buchst. a und b Dublin III-VO) inzwischen in den „ersuchenden Mitgliedstaat“ integriert haben könnten, bedeutet das für den Streitfall, dass die Überstellungsfrist erst mit der Rechtskraft der in der Hauptsache ergehenden (End) Entscheidung über Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten vom 31. Juli 2014 zu laufen beginnt. Denn mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anordnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wurde der zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist, der frühestens mit der Zustellung des ersten Eilbeschlusses an die Beklagte am 8. September 2014 begonnen hatte, erneut unterbrochen und diese Frist damit gleichsam wieder „auf 0“ gestellt.

3. Die Bedenken, die sich aus dem Verhalten der Beklagten insbesondere in den letzten vier Monaten des Jahres 2015 hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses für den vorliegenden Fall unter dem Blickwinkel des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) ergeben haben könnten, weil der Vollzug der Regeln der Dublin-Verordnung wohl nicht nur in Bezug auf syrische Staatsangehörige - zumindest „faktisch“ - ausgesetzt war, greifen nach der Rückkehr der Beklagten zu einer einheitlichen Rechtsanwendung nicht (mehr) durch.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO, § 83 b AsylG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Der Gegenstandswert beträgt 6.000 Euro (§ 30 Abs. 1 RVG).

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste am 17. Juli 2016 über Polen nach Deutschland ein und stelle am 8. August 2016 seinen Asylantrag. Am 18. Oktober 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an Polen, das mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 positiv beantwortet wurde im Sinne der Zuständigkeit Polens nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers ab und ordnete die Abschiebung nach Polen an. Hiergegen klagte der Antragsteller am 7. Februar 2017. Über die Klage ist noch nicht entschieden, der Antragsteller hat seinen Antrag mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2017 umgestellt, nachdem er nach Polen rücküberführt worden ist, wie folgt: „Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den am 28.06.2017 (2016, Schreibfehler) erfolgten Vollzug der Abschiebungsanordnung vom 16.01.2017 … rückgängig zu machen.“ Mit eben diesem Schriftsatz beantragt der Kläger und Antragsteller, dies ebenso im Wege der einstweiligen Anordnung zu entscheiden.

Ein Überstellungsversuch nach Polen durch die Antragsgegnerin und deren zuständige Behörde fand am 20. März 2017 statt. Der Antragsgegner war aber nicht auffindbar, da er ohne Abmeldung bei einem Freund in … (bei …) vom 18. bis 23. März 2017 weilte.

Vom 24. März 2017 bis 22. Mai 2017 befand sich der Antragsteller im Kirchenasyl, dies teilte die Kirchengemeinde der Antragsgegnerin am 27. März 2017 (Montag) mit.

Am 28. Juni 2017 wurde der Antragsteller nach Polen abgeschoben. Demnächst steht seine Abschiebung von Polen aus in sein Herkunftsland bevor.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, den am 28. Juni 2017 erfolgten Vollzug der Abschiebungsanordnung vom 16. Januar 2017 rückgängig zu machen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Eilantrag abzulehnen. Die Überstellung nach Polen sei rechtmäßig; die Überstellungsfrist sei verlängert worden.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist statthaft, da nach erfolgter Abschiebung eine Regelungsanordnung angestrebt wird.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf aber nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechtes, den sog. Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Der Antragsteller begehrt hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung über sein Klagebegehren auf Rücküberstellung aus Polen. Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn die drohenden Nachteile unzumutbar und die geltend gemachten Ansprüche hinreichend wahrscheinlich und vom Antragsteller glaubhaft gemacht sind.

Zwar hat der Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihm unzumutbare Nachteile drohen, falls nicht rechtzeitig entschieden wird, bevor Polen ihn in sein Herkunftsland abschiebt, was unmittelbar bevorsteht. Der Antragsteller hat durch seinen Prozessbevollmächtigten also das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht, im Sinne erheblicher Nachteile, die den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Entscheidung begründen könnten.

2. Es fehlt aber an einem Anordnungsanspruch, also dem materiell-rechtlichen Anspruch, auf den sich das Antragsbegehren stützt.

2.1. Zunächst geht es um den angegriffenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017: mit diesem lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nummer 1 des Bescheides), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (Nummer 2 des Bescheides), ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nummer 3 des Bescheides) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nummer 4).

Dieser Bescheid ist rechtmäßig ergangen. Der Asylantrag des Antragstellers war gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Polen auf Grund des in Polen ausgestellten Visums gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig ist.

Es liegen keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Polens in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin III-VO entfallen ließen. Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen würden, sind seitens des Antragstellers weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C 4 11/10 und C 493/10, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bzw. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Der Asylbewerber kann der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat mithin nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (so grundsätzlich EUGH, U.v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). So bestimmt Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen hierfür nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14, juris; B.v. 6.6.2014 - 10 B 25/14, juris).

Ausgehend davon bestehen im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller in Polen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Die „Gefahr“, dass Polen seinen Asylantrag ablehnt und den Antragsteller in sein Herkunftsland überstellt, ist dem Asylverfahren allgemein immanent. Die Verneinung systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen entspricht im Übrigen auch der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2016 - 11 B 15.50130; U.v. 22.6.2015 - 11 B 15.50049 sowie B.v. 28.4.2015 - 11 ZB 15.50065; Sächsisches OVG, B.v. 12.10.2015 - 5 B 259/15.A; VG Göttingen, U.v. 27.1.2016 - 2 A 931/13; VG Aachen, U.v. 19.8.2015 - 6 K 2553/14.A; VG München, B.v. 29.6.2015 - M 24 K 15.50074; VG Frankfurt|Oder, B.v. 09.6.2015 - 6 L 324/15.A; VG Magdeburg, B.v. 14.4.2015, 9 B 147/15; VG Gelsenkirchen, U.v. 10.3.2015 - 6a K 3687/14.A; VG Düsseldorf, B.v. 2.03.2015 - 17 L 2510/14.A; VG Weimar, U.v. 29.10.2014 - 7 K 20180/11 We -, alle juris) sowie der ständigen Rechtsprechung der Kammer (VG Ansbach, U.v. 27.1.2016 - AN 14 K 15.50448 und AN 14 K 15.50450; B.v. 19.6.2015 - 14 S. 15.50134, U.v. 17.2.2015 - 14 K 14.50221 sowie AN 14 K 14.50222). Ergänzend hierzu wird auf die ausführliche und zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 16. Januar 2017 Bezug genommen.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller unabhängig davon aufgrund weiterer besonderer Umstände im Einzelfall eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, d.h. ein Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta, bei der Überstellung nach Polen droht, sind nicht ersichtlich.

Auch außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, sind nicht gegeben.

Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Der Antragsteller sagte am 27. Oktober 2016 lediglich, dass er in keinen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden wolle, weil er in Deutschland gut behandelt werde und es ein gutes Land für Asylbewerber sei, zudem wollte er immer nach Deutschland. Ein der Abschiebung nach Polen entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014, S. 244 ff., juris Rn. 11 f; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11, juris, Rn. 4), ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Schließlich begegnete auch die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Polen keinen Bedenken, da die polnischen Behörden seiner Rückführung ausdrücklich zugestimmt haben.

2.2. Die Abschiebung am 28. Juni 2017 durfte deshalb erfolgen, weil sie innerhalb der verlängerten Überstellungsfrist von 18 Monaten erfolgte. Der Antragsteller hätte nur dann Recht, wenn für ihn die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Dublin III-VO die Regeldauer von sechs Monaten hätte (dann hätte sie am 26. April 2017 geendet), was aber nicht der Fall ist. Denn die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO Gebrauch gemacht. Danach kann die Überstellungsfrist auf höchstens 18 Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat ausführlich dargelegt, wie vorbildlich der Antragsteller an seiner Integration mitgewirkt hat und auch die Gründe seiner Abwesenheit am 20. März 2017 und danach erläutert. Aber der Umstand, dass der Antragsteller im relevanten Zeitpunkt (bei Behörden) unangemeldet abwesend gewesen ist, steht fest. Zum Zeitpunkt einer versuchten Überstellung am 20. März 2017 war der Antragsteller für die Behörden nicht auffindbar. Im fraglichen Zeitrahmen galt die Zuweisung an die genannte Unterkunft durch Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 28. September 2016, Bl. 47 der Akte des Bundesamtes, an die Unterkunft … Dort war aber der Antragsteller vom 18. bis 23. März 2017 nicht anwesend.

Im Lichte von Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 Dublin III-VO konnte die Verlängerung der Überstellungfrist durch die Antragsgegnerin erfolgen, weil dadurch vermieden wird (und werden soll), dass sich der Zuständigkeitsübergang durch pflichtwidriges Tun oder Unterlassen vollzieht.

Die Fristenregelungen der Dublin III-VO begründen zwar für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Der Antragsteller hat aber aus dem materiellen Asylrecht nach inzwischen gefestigter Meinung einen Anspruch darauf, dass der nach der Dublin III-VO zuständige Staat das Asylverfahren durchführt (vgl. noch zur Dublin II-VO Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3, wonach der Asylbewerber kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung hat, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird (vgl. OVG NW, U. v. 16.9.2015 - 13 A 2159/14.A, juris, Rn. 67, 82 ff., zur Dublin II-VO). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Antragsgegnerin hat vielmehr von der Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist Gebrauch gemacht. Dabei ist dies - und das genügt mangels entgegenstehenden Unionsrechts - dadurch dokumentiert, dass die Antragsgegnerin den polnischen Behörden am 21. März 2017 die Fristverlängerung angezeigt hat, und zwar innerhalb des Laufs der zunächst geltenden 6-monatigen Überstellungsfrist. Die Antragsgegnerin hat Polen dabei über die Flüchtigkeit des Antragstellers und die daraus folgende Unmöglichkeit der Überstellung informiert. Das Erfordernis der Information des Zielstaates vor Ablauf der Überstellungsfrist folgt aus Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014. Dem hat die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben an die polnischen Behörden genügt. Darin liegt auch eine - jedenfalls konkludente getroffene - nach dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO („Die Frist […] kann verlängert werden […]“) erforderliche Entscheidung der Antragsgegnerin über die Fristverlängerung (vgl. zur Notwendigkeit einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Fristverlängerung VG Dresden, U.v. 12.06.2015 - 7 K 2951/14.A, juris). Nach der VO (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 erhielt Artikel 9 Absatz 2 folgende Fassung: „(2) Ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, unterrichtet den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der genannten Verordnung dem ersuchenden Mitgliedstaat zu.“

Der Antragsteller kann sich mithin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO von 6 Monaten abgelaufen ist.

Denn ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht. „Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten“ (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264, juris, sowie VG Magdeburg, B.v. 11.12.2014 Az. 1 B 1196/14 m.w.N., juris).

Dies gilt insbesondere im Betrachte des § 10 Abs. 1 AsylG, über den der Antragsteller belehrt wurde, wonach der Asylbewerber („Ausländer“) während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen hat, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Ein Asylbewerber gilt als „flüchtig“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht (BayVGH, B.v. 29.04.2016 - 11 ZB 16.50024, juris). Dieses subjektive Moment im Sinne eines dolus eventualis ergibt sich aus dem Wort „flüchtig“, das eben mehr voraussetzt als nur „abwesend“ oder “nicht erreichbar“, aber die Inkaufnahme einer vergeblichen Abschiebung genügen lässt.

Im vorliegenden Fall sollte der Antragsteller am 20. März 2017 nach Polen abgeschoben werden. Dieser Überstellung entzog er sich faktisch, zumindest mit bedingtem Vorsatz, durch seine zeitweise ungeklärte Abwesenheit, denn es erfolgte weder Abmeldung noch Nachricht über den Ort, an dem er sich aufhält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller die bevorstehende Abschiebung bekannt war oder nicht. Denn er musste jedenfalls mit einer Überstellung nach Polen rechnen.

Eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bringt es auf den Punkt: „Eine Verlängerung, weil der Asylbewerber flüchtig ist, ist dann möglich, wenn ein Überstellungsverfahren bereits gescheitert oder aussichtlos ist, weil die Person ohne Verschulden der Behörden nicht auffindbar ist oder rechtmäßigen Anordnungen, ihren Aufenthaltsort mitzuteilen oder sonstigen Pflichten zur Mitwirkung an einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachkommt“ (wiss. Dienst des BT, AZ: WD 3 - 3000 - 115/15, vgl. auch Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Anm. 49 zu § 29 AsylG).

Ebenso urteilte das VG Schwerin (B.v. 24.08.2016, 3 B 2176/16 As SN, juris): „…hat die Antragsgegnerin am 07.06.2016 vor Ablauf der Überstellungsfrist am 10.06.2016 einen Überstellungsversuch unternommen, dem sich der Antragsteller in zurechenbarer Weise entzogen hat mit der Folge, dass er als flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO anzusehen war…Unter ‚flüchtig‘ sind alle Sachverhalte zu subsumieren, in denen der Antragsteller aus von diesem zu vertretenden Gründen für die Behörden des die Überstellung durchführen wollenden Staates nicht auffindbar ist oder sonst wie das Verfahren absichtlich behindert (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Stand: 01.02.2014, Art. 29 K12 m.w.N.). Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Regensburg, Urt, v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264 - Rn. 54 ff., juris m.w.N.).“

Ähnlich judiziert das Verwaltungsgericht Greifswald (U.v. 16.12.2016 - 3 A 231/16 As HGW, juris sowie Gerichtsbescheid v. 31.05.2016 - 3 A 256/16 As HGW, juris): „Flüchtig … ist eine Person dann, wenn sie über einen erheblichen Zeitraum hinweg aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht auffindbar ist.“

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller seine Unauffindbarkeit (und diese nicht nur über eine kurze Zeitspanne, etwa zum Einkaufen oder Abendbummel, sondern drei Tage) auch zu vertreten: Er hatte selbst nachträglich vorgetragen, dass er sich bei Freunden aufgehalten habe und hingegen nichts dazu geäußert, woraus sich ergibt, dass auch dem BAMF oder der zuständigen Ausländerbehörde bzw. der Unterkunftsleitung sein Aufenthaltsort bekannt gewesen ist. Die hier ausgeführten Grundsätze müssen übrigens auch unabhängig davon gelten, ob ein Überstellungsversuch - wie hier - konkret stattgefunden hat oder nicht. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kommt es bei der 2. Alternative nicht darauf an, ob ein Abschiebungsversuch unternommen wurde: „Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“ Es ist dem betreffenden abschiebewilligen Mitgliedstaat, so die ratio dieser unionsrechtlichen Vorschrift, nicht zuzumuten, mit ständigen Unwägbarkeiten zu rechnen, sondern ihm soll die 6-monatige Überstellungsfrist ununterbrochen zur Verfügung stehen, um die Überstellung in Abstimmung mit dem zuständigen Mitgliedstaat vernünftig und für den Asylbewerber sozialverträglich zu organisieren. Dieser Wertung entspricht auch die gängige Rechtsprechung, dass durch einen Eilantrag und Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts die 6-Monatsfrist zur Überstellung unterbrochen wird. Die Überstellungsfrist beginnt mithin ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe eines ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22.15 - und U.v. 26.5.2016 - 1 C15.15 - juris; OVG NRW - B.v. 7.7.2016 - 13 A 2302/15.A -, juris).

Freilich begrenzt der auch europarechtlich fundierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. statt vieler EuGH, U.v. 11.07.1989, C-265/87, Slg. 1989, 2237, zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts) die Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist: ist der Ausländer nur für eine unerheblich kurze Zeit oder unverschuldet unangemeldet unauffindbar (Einkauf, sonstige private Erledigung, Arztbesuch), ist nicht von Flüchtigkeit auszugehen. Bei der hier streitgegenständlichen Zeitspanne des Fernbleibens über mehrere Tage verhält es sich jedoch anders.

Die Verlängerung der Überstellungsfrist war also rechtlich korrekt, da der Antragsteller a.) für eine nicht unerheblich kurze Zeit unentschuldigt und ohne Abmeldung unauffindbar war und b.) dies dem Bundesamt bekannt wurde.

Aus diesem Grund kommt es hier nicht mehr darauf an, ob das Kirchenasyl des Antragstellers „Flüchtigsein“ bedeutet. Zumindest hat das Bundesamt das Kirchenasyl nicht zum Anlass für eine Verlängerung der Überstellungsfrist genommen.

Eine andere Frage - die sich ebenso hier nicht (mehr) stellt - ist, ob der vom 24. März 2017 bis 22. Mai 2017 im Kirchenasyl befindliche Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Rechtsbehelf gegen Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes in dieser Zeitspanne hatte, was das Gericht verneint, da sich der Antragsteller während des Kirchenasyls der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, entzog. Der Antragsteller vertraute darauf, dass sich die bayerischen Ausländerbehörden in diesen Fällen scheuen, auch gegen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer vorzugehen. Der Antragsteller verhielt sich also widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn er sich einerseits an ein Gericht wendet, um vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Verteilungsentscheidung unter den europäischen Mitgliedsstaaten zu fordern, andererseits aber bereits während des gerichtlichen Verfahrens dartut, dass er sich den Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entzieht (vgl. auch VG Cottbus v. 16.06.2016, Az.: 5 K 273/16.a; VG Ansbach v. 14.04.2016, Az.: AN 6 K 15.31132).

2.3. Nach Überstellung des Antragstellers am 28. Juni 2017 in den Mitgliedstaat Polen ist das Klageverfahren bezüglich der Abschiebungsanordnung erledigt, weil die Überstellung rechtmäßig war. Durch die vollzogene Abschiebung haben sich die Rechtswirkungen des streitgegenständlichen Bescheides insoweit vollständig erledigt und ist das im Bescheid bestimmte Land (hier: Polen) endgültig für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig geworden, da der Antragsteller dorthin überstellt worden ist (vgl. VG Ansbach U.v. 25.11.2010, Az. AN 11 K 10.30388, juris; vom 13.10.2010, Az. AN 11 K 10.30314, juris und vom 13.10.2010, Az. AN 11 K 10.30315, juris). Eine Erledigung liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist, insbesondere die Regelungswirkung entfallen ist, was im Fall der Vollziehung des Verwaltungsaktes weiter voraussetzt, dass die Vollziehung auch nicht rückgängig gemacht werden kann oder dies objektiv unzumutbar ist. Zwar muss nicht allein der Vollzug eines Verwaltungsaktes zur Erledigung führen und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden; eine Erledigung tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist. Im Fall des Erlasses einer Abschiebungsanordnung in einen Mitgliedstaat der EG sind in diesem Zusammenhang nach Ansicht des Gerichts zunächst die beiden zu treffenden Entscheidungen, nämlich die Nichtdurchführung eines Asylverfahrens und die Überstellung/Abschiebung an bzw. in den Mitgliedstaat, in ihrer Gesamtheit zu sehen und können daher nicht getrennt werden. Nach Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist die Zuständigkeit Polens hierdurch endgültig eingetreten, eine Änderung dieser Rechtsfolge wäre nunmehr gemeinschaftsrechtlich gar nicht mehr zulässig (vgl. auch VG Frankfurt, Oder, v. 28.11.2012, Az. 3 K 525/11.A, juris; VG München vom 2.7.2012, Az. M 15 K 12.30110, juris). Die Regelungen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 sind somit nicht mehr geeignet, rechtliche Wirkungen zu erzeugen. Mit der Abschiebung des Antragstellers hat sich nämlich nicht nur die Abschiebungsanordnung erledigt, sondern Polen ist auch endgültig für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers zuständig geworden; eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist nunmehr ausgeschlossen.

Aus dem vorgenannten Gründen ist ein Fall der §§ 51 Abs. 5 i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht gegeben. Die Überstellungsfrist war zum Zeitpunkt der Abschiebung nach Polen nicht abgelaufen. Damit ist auch ein - ansonsten möglicherweise denkbarer - Folgenbeseitigungsanspruch, vgl. Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO, nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gemäß § 83 b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..

Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).

Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am 28. Juli 2014 mit, dass der Kläger untergetaucht und die Ausschreibung zur Fahndung veranlasst worden sei. Das Gericht forderte den Bevollmächtigten des Klägers unter Hinweis auf § 81 AsylVfG mit Schreiben vom 6. August 2014, zugestellt am 8. August 2014, auf, eine ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen. Der Berichterstatter stellte das Verfahren mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 wegen Nichtbetreibens ein. Der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers beantragte mit Schriftsatz vom 4. November 2014, insbesondere unter Hinweis auf seine Schreiben vom 5. und 14. September 2014, das Verfahren fortzusetzen.

Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom 6. August 2014 gesetzten Frist mitgeteilt habe, dass der Kläger nach einer Auskunft des Ausländeramts den Schutz der Kirche in Anspruch genommen habe und das Pfarramt H. als aktuelle Adresse anzusehen sei. Vorsorglich habe der Bevollmächtigte am 5. September 2014 beantragt, innerhalb einer Woche ergänzend die konkrete Adresse nachreichen zu dürfen. Die Aufforderung vom 6. August 2014 sei am 8. August 2014 eingegangen, so dass die Frist am 8. September 2014 abgelaufen sei. Mangels anderweitiger Mitteilung des Gerichts sei davon auszugehen gewesen, dass die Nachreichung der Adresse innerhalb einer weiteren Woche akzeptiert werde. Die Vermutung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sei entkräftet worden. Innerhalb der Nachfrist sei die Angabe der konkreten Anschrift des Klägers erfolgt. Auf den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Mitteilung der genauen Anschrift sei keine Entscheidung ergangen. Im Falle einer Ablehnung der Fristverlängerung hätte die Möglichkeit bestanden, die Adresse über Telefonate zu konkretisieren. Sodann hätte bereits am 8. September 2014 die Adresse benannt werden können.

Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.

Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.

Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.

Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am1. Oktober 2014 abgelaufen. Hinreichende Gründe für eine Verlängerung seien nicht ersichtlich. Eine vorübergehende Abwesenheit des Klägers in der Unterkunft könne nicht als Flucht im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO gewertet werden. Die Verlängerung stelle einen Ausnahmefall zum Regelfall der Selbsteintrittspflicht dar, weshalb es der Beklagten obliege, die Voraussetzungen hierfür nachvollziehbar darzulegen.

Der Kläger lässt beantragen,

das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2014 gerichtete Klage ist zulässig aber unbegründet, da dieser Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Der mit Schriftsatz vom 4. November 2014 gestellte Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hat Erfolg. Die am 24. März 2014 bei Gericht eingegangene Klage (damaliges Az. RN 3 K 14.50033) gilt nicht als zurückgenommen, weil das Verfahren fristgerecht betrieben wurde. Das Klageverfahren wird daher antragsgemäß fortgesetzt.

Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).

Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.

Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom 15. Oktober 2014 erging zu Unrecht, da das Klageverfahren mit am 5. September 2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben, also innerhalb der Monatsfrist, betrieben wurde. In diesem teilte der Klägervertreter mit, dass sich der Kläger im „Kirchenasyl in H. „ befinde. Mit einem weiteren am 14. September 2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben gab er die (damals) aktuelle Adresse des Klägers bekannt. Wäre das erste Schreiben dem Gericht bereits damals bekannt gewesen, hätte Veranlassung bestanden, den Klägervertreter zur Mitteilung der genauen Adresse aufzufordern. Von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers wäre nicht mehr auszugehen gewesen. Das Klageverfahren wäre nicht wegen Nichtbetreibens eingestellt worden, zumal mit dem zweiten Schreiben die genaue Adresse mitgeteilt wurde. Die Schreiben des Klägervertreters wurden dem damaligen Berichterstatter und jetzigen Einzelrichter jedoch erst am 5. November 2014 nach Eingang des Antrags auf Fortführung des Verfahrens vorgelegt.

2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.

a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.

Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf vom 23.09.2014 Az. 8 K 4481/14.A). Die Beklagte ist nach Aufhebung des Bescheids nämlich von Gesetzes wegen verpflichtet, ein Asylverfahren durchzuführen (vgl. BayVGH vom 23.1.2015 Az. 13a ZB 14.50071, vom 28.2.2014 Az. 13a B 13.30295).

Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH vom 23.1.2015 a. a. O.; BVerwG vom 7.3.1995 Az. 9 C 264/94). Eine hiermit vergleichbare Situation besteht auch hier. Da das Asylbegehren in der Sache - in dem durch § 71a AsylVfG gezogenen Rahmen - noch nicht geprüft wurde, würde dem Kläger bei einem „Spruchreifmachen“ eine Tatsacheninstanz verloren gehen, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (vgl. BayVGH vom 28.2.2014 a. a. O. m. w. N.). Das gilt etwa für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist.

Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg vom 21.10.2014 Az. RO 9 K 14.30217 m. w. N.). Ein (zusätzlicher) Verpflichtungsantrag auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts wäre überflüssig, da die Durchführung des Verfahrens Folge der Aufhebung des auf § 27a, § 34a AsylVfG gestützten Bescheids ist (s. o.).

b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.

aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.

Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.

Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.

Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10). Da U. von dem ihm zustehenden Ermessen mit dem Übernahmeschreiben vom 6. März 2014 Gebrauch machte, ist es zumindest deshalb zuständiger Mitgliedsstaat im Sinne der Dublin III-VO. Schließlich kann ein Asylbewerber der Situation, dass ein Mitgliedsstaat seiner Aufnahme zustimmt, nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (vgl. EuGH vom 10.12.2013 Az. C-394/12). Ein subjektives gerichtlich durchsetzbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem konkreten Mitgliedsstaat gibt es nicht.

§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93). Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bestimmt, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.

Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG vom 19.3.2014 Az. 10 B 6.14).

Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg vom 2.8.2012 Az. 4 MC 133/12). Solche Defizite müssen im Rechtssystem des jeweiligen Staats angelegt sein oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen müssen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG vom 19.3.2014 a. a. O.). Das Gericht geht nicht davon aus, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung nach U. eine solche Gefahr droht.

Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:

„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“

Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg vom 21.1.2015 Az. Au 2 S 14.50360; VG Würzburg vom 2.1.2015 Az. W 1 S 14.50120; VG Regensburg vom 12.12.2014 Az. RN 5 S 14.50306; VG Stade vom 18.2.2014 Az. 1 B 862/14; VG Ansbach vom 18.2.2014 Az. AN 1 S 14.30183; VG München vom 6.2.2014 Az. M 4 S 14.30161; VG Regensburg vom 17.12.2013 Az. RN 5 S 13.30749; VG Augsburg vom 5.12.2013 Az. Au 7 S 13.30454 m. w. N., vom 28.10.2013 Az. Au 6 E 13.30399; VG Ansbach vom 3.12.2013 Az. AN 11 S 13.31074; VGH Baden-Württemberg vom 6.8.2013 Az. 12 S 675/13; a. A. z. B.: VG Berlin vom 15.1.2015 Az. 23 L 899.14 A; VG München vom 26.6.2014 Az. M 24 S 14.50325, vom 11.11.2013 Az. M 18 S 13.31119; VG Düsseldorf vom 28.5.2014 Az. 13 L 172/14.A).

Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:

„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu: Beschl. v. 16. Juni 2014 - 13 L 141/14.A -, juris) noch die „Information Note“ des Hungarian Helsinki Committee aus dem Mai 2014 (abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/information-note-on-asylum-seekers-in-detention-and-in-dublin-pro cedures-in-hungary) oder der National Country Report Hungary der Asylum Information Database („aida“), Stand 30. April 2014 (abrufbar unter: http://www...org/files/...pdf), bieten nach Auffassung der Einzelrichterin belastbare Anhaltspunkte für solche Schwachstellen. Das Gericht folgt der auf Grundlage dieser Auskünfte ergangenen Entscheidung des VG Düsseldorf (Beschl. v. 16. Juni 2014, a. a. O.) und der sich anschließenden Entscheidung des VG München (Beschl. v. 26. Juni 2014 - M 24 S 14.50325 -, juris) nicht.

Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -

„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.

Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).

Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:

„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).

Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.

Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:

„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 7, S. 7.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.

Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf vom 09. Mai 2014 zu Frage 7). Das Gericht verkennt nicht, dass die Erfolgsquote dieser Rechtsbehelfe nach den vorliegenden Auskünften minimal ist und dass das Verfahren - auch hinsichtlich der verwendeten Sprache - dringend rechtsstaatlicher Verbesserungen bedarf. Hieraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass das ungarische Verfahren den europäischen Asylstandards generell nicht genügt.

Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf vom 09. Mai 2014 zu Frage 4, S. 5). Gegenüber der Situation, die der Entscheidung des EuGH vom 10. Dezember 2013 (a. a. O.) zugrunde lag, dürfte sich die Situation demnach eher verbessert haben, auch wenn insbesondere die fehlende klare Abgrenzung der Asyl- zur Strafhaft weiter kritikwürdig bleibt.“

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).

Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin vom 7.10.2013 Az. 33 L 403.13 A; VG München vom 17.8.2011 Az. M 16 E 11.30637 m. w. N.).

Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen vom 4.9.2013 Az. 4 V 1037/13.A). Der Kläger hat jedoch nicht substantiiert belegt, dass er in U. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen war und er im Falle einer Überstellung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in eine vergleichbare Situation geraten würde. Hierzu genügen seine - nicht belegten - Angaben zu den Mängeln der Unterbringung in U. nicht. Dass er möglicherweise in U. in Haft genommen werden wird, stellt keinen systemischen Mangel dar (s. o.). Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gebrauch von Beruhigungsmitteln in einem solchen Umfang erfolgt, dass von einem solchen systembedingten Mangel gesprochen werden könnte.

cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg vom 11.12.2014 Az. 1 B 1196/14 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am 14. Juli 2014 vom Flughafen M. nach Budapest abgeschoben werden. Dieser Überstellung entzog er sich durch sein zeitweises Untertauchen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger die bevorstehende Abschiebung bekannt war oder nicht. Spätestens mit Erhalt des Beschlusses vom 1. April 2014 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Az. RN 3 S 14.50032 musste er nämlich mit einer Rückführung nach U. rechnen. Eine Abschiebung ist nach der gerichtlichen Entscheidung in diesem Verfahren zulässig, vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.

Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.

dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.

Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH vom 12.3.2014 Az. 10 CE 14.427; VG Regensburg vom 7.10.2013 Az. RN 8 S 13.30403). Es sind hier jedoch weder relevante Vollstreckungshindernisse substantiiert geltend gemacht noch für das Gericht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.

Gründe

1

Die auf § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Anhörungsrüge des Antragstellers hat keinen Erfolg.

2

Der Antragsteller hat nicht im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorliegen und das Gericht mit seinem Beschluss vom 06.11.2014 (Az.: 1 A 1140/14 MD) den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

3

Der in Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet grundsätzlich das Recht, sich in dem Verfahren sowohl zur Rechtslage als auch zum zugrunde liegenden Sachverhalt äußern zu können (vgl. im Folgenden: OVG LSA, B. v. 14.05.2010 - 3 L 184/10 und 3 L 260/08 -, nicht veröffentlicht). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht dabei, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (std. Rspr. d. BVerfG, u. a. B. v. 14.06.1960 - 2 BvR 96/60 -, BVerfGE 11, 218 [220]; B. v. 30.10.1990 - 2 BvR 562/88 -, BVerfGE 83, 24 [35]). Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist allerdings erst dann verletzt, wenn das Gericht gegen den vorbezeichneten Grundsatz, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, erkennbar verstoßen hat. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dem genannten Verfassungsgebot entsprochen worden ist (vgl. BVerfG, B. v. 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 -, BVerfGE 84, 133 [146]; B. v. 17.11.1992 - 1 BvR 168/89 u. a. -, BVerfGE 87, 363 [392 f.]), ist die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens und des In-Erwägung-Ziehens desselben erst dann gerechtfertigt, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (vgl. BVerfG, B. v. 19.07.1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267 [274]; B. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, BVerfGE 88, 366 [375]). Hierfür reicht es nicht schon aus, dass in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist. Denn jedenfalls ist das Gericht weder nach Art. 103 Abs. 1 GG noch nach einfachem Verfahrensrecht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen; es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, „die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind“ (vgl. BVerfG, B. v. 17.11.1992, a. a. O.).

4

Im vorliegenden Fall ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das beschließende Gericht der ihm obliegenden Verpflichtung nach Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht, das Vorbringen des Antragstellers in seinem Antrag vom 21.10.2014 (1 B 1140/14 MD) zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist.

5

Vielmehr hat sich das Gericht in dem gerügten Beschluss mit dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 1 B 1140/14 MD auseinandergesetzt und dessen Relevanz in der gebotenen Weise erörtert. Dabei konnte das Gericht sich darauf beschränken, sich mit den Gründen zu befassen, die von dem Antragsteller bislang dargelegt wurden und die Gründe anzuführen, die insoweit für die richterliche Überzeugungsbildung – hier die Ablehnung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – leitend gewesen sind.

6

Entgegen der Ansicht des Antragstellers war das Gericht nicht nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, eine Stellungnahme des Antragstellers zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.10.2014 nebst Anlagen abzuwarten, in dem sie vortrug, die Überstellungsfrist habe sich verlängert weil sich der Antragsteller der für den 02.09.2014 vorgesehenen Überstellung durch Untertauchen entzogen habe und die Antragsgegnerin den italienischen Behörden dies unter dem 02.09.2014 mitgeteilt habe. Denn der anwaltlich vertretene Antragsteller war bereits im Zeitpunkt der Stellung des Abänderungsantrages 1 B 1140/14 MD vom 21.10.2014 in der Lage gewesen, zu einer etwaigen Verlängerung der Überstellungsfrist durch die Antragsgegnerin Stellung zu nehmen. Denn ihm war der geplante Überstellungstermin vom 02.09.2014 offensichtlich bekannt und es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller auf der Grundlage des ärztlichen Attestes vom 01.09.2014 nicht als reisefähig angesehen hat. Als gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste der Antragsteller bei dieser Sachlage damit rechnen, dass die Antragsgegnerin durch eine entsprechende Mitteilung an die italienischen Behörden versucht, die Überstellungsfrist zu verlängern. Die war vorliegend umso mehr geboten, weil der Antragsteller seinen Abänderungsantrag vom 21.10.2014 ausschließlich mit dem Ablauf der Überstellungsfrist begründet hat.

7

Darüber hinaus war sein Vorbringen, er habe den Überstellungstermin am 02.09.2014 nicht wahrnehmen können, weil er seit dem 01.09.2014 krankheitsbedingt nicht von B-Stadt nach Ascherleben habe reisen können und nicht, weil er nicht untergetaucht sei, nicht entscheidungserheblich. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO kann die Überstellungsfrist auf achtzehn Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist ein Asylbewerber nicht erst dann flüchtig im Sinne dieser Vorschrift, wenn er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht, Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft an die Überstellung des Asylbewerbers an. Dies erlaubt es, auch den Sachverhalt vom Wortlaut und –sinn erfasst anzusehen, in dem sich der Asylbewerber seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten. Zumindest ist dem Asylbewerber dann der Ablauf der Sechs-Monats-Frist zuzurechnen, wenn er vorsätzlich und unentschuldigt zu seiner Überstellung nicht erschienen ist (vgl. VG B-Stadt, B. v. 13.01.2011 – 33 L 530.10 A -, juris, Rdnr. 22; VG Potsdam, U. v. 04.06.2014 -, juris, Rdnr. 16). Für diese Auslegung des Merkmals „flüchtig ist“ spricht, dass die Regelungen zur Überstellungsfrist Sanktionscharakter haben, und ein Staat der die sechs Monate betragende Überstellungsfrist missachtet, nunmehr zuständig sein soll. Es kann aber keine Rede davon sein, dass die Bundesrepublik Deutschland die Frist missachtet hat, wenn der Asylbewerber zu seiner Überstellung nicht erscheint (vgl. – allerdings mit den Voraussetzungen des vorsätzlichen und unentschuldigten Nichterscheinens zur Überstellung: VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O, Rdnr. 23).

8

Der ist bereits deshalb flüchtig, weil er sich im Zeitpunkt seiner Überstellung nicht in der Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt aufgehalten hat, in der entsprechend seiner Duldungsbescheinigung vom 30.06.2014 seinen Wohnsitz zu nehmen hatte. Dass er im Zeitpunkt der vorgesehenen Überstellung auf der Grundlage des § 51 AsylVfG bereits in ein anderes Bundesland umverteilt worden war, ist nicht zu ersehen. Dem vom Antragsteller vorgelegten „Einigungspapier Oranienplatz“ und dem Beschluss des Berliner Senats vom 27.05.2014 kann an solche Umverteilungsentscheidung des Antragstellers nach B-Stadt nicht entnommen werden. Auch hat das Land B-Stadt entgegen der Ansicht des Antragstellers weder durch das Einigungspapier noch dem Senatsbeschluss rechtsverbindlich die Übernahme der Zuständigkeit für den Antragsteller zugesichert.

9

Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem daraus abgeleiteten „Vorrang des Gesetzes“ darf die Verwaltung nicht von bestehenden Gesetzen abweichen. Unabhängig von Form (z. B. Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag oder Rechtsnorm) und Wirkung (begünstigend oder belastend) ihres Handelns ist die Verwaltung stets an sämtliche bestehende - nationale und unmittelbar anwendbare europäische - Rechtsnormen gebunden. Die länderübergreifende Verteilung von Ausländern ist - wie ausgeführt - in § 51 AsylVfG geregelt. Eine länderübergreifende (Um)Verteilung von Ausländern unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG - oder gar in Widerspruch zu diesen - verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Bei verständiger Würdigung des „Einigungspapiers Oranienplatz“ ist allerdings davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde B-Stadt von der einzelfallbezogenen Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG nicht dispendiert werden sollte (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).

10

In Ziffer 4 des Einigungspapiers heißt es, nach Erfüllung bestimmter - dort näher genannter - Zusagen durch die registrierten Flüchtlinge erfolge „auf Antrag eine umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten (Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung, Anträge auf Umverteilung nach § 51 AsylVfG, etc.) […] In diesem Sinne wird die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Für die Zeit der Prüfung der jeweiligen Einzelfallverfahren bleibt die Abschiebung ausgesetzt“. Danach liegt es schon nach dem Wortlaut des Einigungspapiers fern, dass hierdurch ohne Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall die Ergreifung bestimmter aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen - wie etwa die Umverteilung nach B-Stadt - in Aussicht gestellt werden sollte. Vielmehr sprechen die Hinweise auf die „(umfassende) Prüfung der Einzelfallverfahren“ und der den Betroffenen „bei ihren Einzelverfahren“ gewährten Unterstützung sowie der Verweis auf den zu beachtenden „Rahmen aller rechtlicher Möglichkeiten“ dafür, dass eine ausländerbehördliche Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Stellung im jeweiligen Einzelfall erfolgen soll, ohne dass die Ausländerbehörde dabei von vornherein auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt ist (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).

11

Diese Auslegung wird durch die Presseerklärung der Senatskanzlei B-Stadt vom 18. März 2014 (http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/politik-aktuell/2014/meldung.91447.php; zuletzt abgerufen am 2. Dezember 2014) anlässlich der Senatspressekonferenz vom gleichen Tag gestützt. Dort heißt es u. a.: „Der Berliner Senat hat im Konflikt um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz und die Besetzung der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ein Lösungsangebot vorgelegt. In Einzelfallverfahren soll geprüft werden, ob die Betroffenen in der Stadt bleiben können.“ In diesem Sinne wird dort auch der Berliner Senator für Inneres und Sport Frank Henkel zitiert. Aus Sicht seiner Partei sei es u. a. wichtig gewesen, dass es „für die Flüchtlinge ‚keine Sonderbehandlung‘ gebe, sondern in jedem Fall der Einzelfall geprüft werde.“ Dies deckt sich mit der dort ebenfalls wiedergegebenen Aussage der Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat, Maximalforderungen nach einem Bleiberecht für alle habe sie aufgrund der Rechtslage nicht entsprechen können. Vereinbart worden sei, dass die Flüchtlinge die Zelte auf dem Oranienplatz selbst abbauten. Zugleich sei ihnen Unterstützung, darunter Rechtsberatung, in ihren Verfahren zugesichert worden (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 f- d. BA.).

12

Aus der unterlassenen Durchsetzung der räumlichen Beschränkung durch die Ausländerbehörde lässt sich nicht ableiten, dass das Land B-Stadt konkludent eine Umverteilung des Antragstellers vorgenommen hat. Das bloße Schweigen einer Behörde oder die behördliche Duldung eines bestimmten Verhaltens oder Zustandes kann nicht als Verwaltungsakt angesehen werden, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor, die zweifelsfrei für das Gegenteil sprechen. Dies ist nicht der Fall. Dass Unterlassen einer zwangsweise Räumung des Oranienplatzes und aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen gegenüber den Campbewohnern beruhte nicht auf der Annahme der Zuständigkeit für die Flüchtlinge oder auf einem politischen Willen zur Zuständigkeit, sondern auf offenkundigen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen innerhalb des Berliner Senats und darüber hinaus sowie auf dem Bestreben nach einer gewaltlosen Lösung des Konflikts, was letztlich zum „Einigungspapier Oranienplatz“ geführt hat (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 7 f. d. BA.)..

13

Eine länderübergreifende Umverteilung des Antragstellers nach B-Stadt kommt auch nicht konkludent dadurch zum Ausdruck, dass die auf dem Oranienplatz campierenden Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen wurden und ihnen im „Einigungspapier Oranienplatz“ Unterstützung und Beratung bei ihren Einzelverfahren und der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven zugesagt wurde. Diese Leistungen und Zusagen sind Teil der konsensualen Beilegung des Konflikts um das Protestcamp und damit im Kontext des „Einigungspapiers Oranienplatz“ zu bewerten. Danach handelt es sich um begleitende Leistungen zu den vereinbarten Einzelfallprüfungen, die deren Ergebnis nicht präjudizieren. So heißt es unter Nr. 4 des Einigungspapiers, die Ausländerbehörde werde „die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Die auf der Liste benannten Personen erhalten bei ihren Einzelverfahren Unterstützung durch den Unterstützungspool, der von den Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie sowie der Integrationsbeauftragten des Landes B-Stadt sichergestellt wird.“ (Hervorhebung nicht im Original). Zwar ist Nr. 5 des Einigungspapiers, wonach die Flüchtlinge Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven erhalten, insoweit offener formuliert; insbesondere fehlt es an einer ausdrücklichen Beschränkung auf die Zeit der Einzelfallprüfung. Doch kann diese Aussage - hierfür spricht die Zusammenschau mit Nr. 4 - auch so verstanden werden, dass die - längerfristige - Unterstützung abhängig vom Ergebnis der Einzelfallprüfung auch vorzeitig beendet werden kann. Jedenfalls lässt sich aus der offenen Formulierung von Nr. 5 des Einigungspapiers nicht der Wille zur Übernahme von Asylbewerbern unabhängig vom Ergebnis der vereinbarten Einzelfallprüfung ableiten (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 d. BA.).

14

Die dargelegten Gründe gegen eine konkludente Umverteilung des Antragstellers sprechen entgegen der Ansicht des Antragstellers auch gegen die Annahme einer „konkludenten Zweitduldung“ durch die Ausländerbehörde. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf eine länderübergreifende Umverteilung im Wege der „Zweitduldung“. Das von einigen Obergerichten befürwortete Institut der „Zweitduldung“ wurde entwickelt, um nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens geduldeten Ausländern einen länderübergreifenden Wohnsitzwechsel - insbesondere zur Herstellung oder Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft - zu ermöglichen, deren Rechte nicht durch - vorübergehende - Verlassenserlaubnisse nach § 12 Abs. 5 AufenthG gewahrt werden können. Die nach § 56 Abs. 3 AsylVfG räumlich beschränkte „Erstduldung“ soll danach mit der von der aufnehmenden Ausländerbehörde zu erteilenden „Zweitduldung“ gegenstandslos werden. Diese auf das Schließen einer Regelungslücke abzielenden Erwägungen greifen hier offensichtlich nicht ein, weil das Asylverfahren des Antragstellers noch nicht abgeschlossen ist (vgl. VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 f. d. BA. m. w. N.).

15

Darüber hinaus hat der Antragsteller seine Überstellung verhindert, indem vorsätzlich und unentschuldigt nicht zur Abschiebung erschienen ist. Die Antragsgegnerin hat sich um eine fristgemäße Überstellung des Antragstellers bemüht, die letztlich nur daran gescheitert ist, dass der Antragsteller vorsätzlich und unentschuldigt nicht zum Überstellungstermin erschienen ist. Dem Antragsteller war der Termin zu seiner Überstellung offensichtlich bekannt, Mit Schreiben vom 01.09.2014 teilte er dem Salzlandkreis mit, er könne sich entgegen der Aufforderung des Landkreises vom 12.08.2014 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft Dr.-Wilhelm-Feit-Str. 26 in A-Stadt einfinden. Sein Fernbleiben ist auch nicht entschuldigt. Der Antragsteller legte dem Salzlandkreis zwar ein ärztliches Attest vom 01.09.2014 vor, dass ihm bescheinigt, mindestens bis zum 05.09.2014 nicht wege- oder reisefähig zu sein. Dem Attest kann jedoch nicht entnommen, weshalb der Antragsteller wegen einer Durchfallerkrankung nicht wege- oder reisfähig war.

16

Unerheblich ist vorliegend, dass die Antragsgegnerin in dem Formular, mit dem sie die italienischen Behörden davon unterrichtet hat, dass sie die Überstellung des Antragstellers innerhalb der sechs Monate betragenden Frist nicht vornehmen kann, den Grund hierfür mit dem im Formular vorgesehenen Begriff „untergetaucht“ nicht zutreffend beschreibt. Maßgeblich ist allein, dass sie die italienischen Behörden tatsächlich über eine Fristverlängerung aus den Gründen des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO informiert hat (VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O., Rdnr. 27).

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste am 17. Juli 2016 über Polen nach Deutschland ein und stelle am 8. August 2016 seinen Asylantrag. Am 18. Oktober 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an Polen, das mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 positiv beantwortet wurde im Sinne der Zuständigkeit Polens nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers ab und ordnete die Abschiebung nach Polen an. Hiergegen klagte der Antragsteller am 7. Februar 2017. Über die Klage ist noch nicht entschieden, der Antragsteller hat seinen Antrag mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2017 umgestellt, nachdem er nach Polen rücküberführt worden ist, wie folgt: „Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den am 28.06.2017 (2016, Schreibfehler) erfolgten Vollzug der Abschiebungsanordnung vom 16.01.2017 … rückgängig zu machen.“ Mit eben diesem Schriftsatz beantragt der Kläger und Antragsteller, dies ebenso im Wege der einstweiligen Anordnung zu entscheiden.

Ein Überstellungsversuch nach Polen durch die Antragsgegnerin und deren zuständige Behörde fand am 20. März 2017 statt. Der Antragsgegner war aber nicht auffindbar, da er ohne Abmeldung bei einem Freund in … (bei …) vom 18. bis 23. März 2017 weilte.

Vom 24. März 2017 bis 22. Mai 2017 befand sich der Antragsteller im Kirchenasyl, dies teilte die Kirchengemeinde der Antragsgegnerin am 27. März 2017 (Montag) mit.

Am 28. Juni 2017 wurde der Antragsteller nach Polen abgeschoben. Demnächst steht seine Abschiebung von Polen aus in sein Herkunftsland bevor.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, den am 28. Juni 2017 erfolgten Vollzug der Abschiebungsanordnung vom 16. Januar 2017 rückgängig zu machen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Eilantrag abzulehnen. Die Überstellung nach Polen sei rechtmäßig; die Überstellungsfrist sei verlängert worden.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist statthaft, da nach erfolgter Abschiebung eine Regelungsanordnung angestrebt wird.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf aber nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechtes, den sog. Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Der Antragsteller begehrt hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung über sein Klagebegehren auf Rücküberstellung aus Polen. Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn die drohenden Nachteile unzumutbar und die geltend gemachten Ansprüche hinreichend wahrscheinlich und vom Antragsteller glaubhaft gemacht sind.

Zwar hat der Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihm unzumutbare Nachteile drohen, falls nicht rechtzeitig entschieden wird, bevor Polen ihn in sein Herkunftsland abschiebt, was unmittelbar bevorsteht. Der Antragsteller hat durch seinen Prozessbevollmächtigten also das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht, im Sinne erheblicher Nachteile, die den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Entscheidung begründen könnten.

2. Es fehlt aber an einem Anordnungsanspruch, also dem materiell-rechtlichen Anspruch, auf den sich das Antragsbegehren stützt.

2.1. Zunächst geht es um den angegriffenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017: mit diesem lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nummer 1 des Bescheides), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (Nummer 2 des Bescheides), ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nummer 3 des Bescheides) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nummer 4).

Dieser Bescheid ist rechtmäßig ergangen. Der Asylantrag des Antragstellers war gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Polen auf Grund des in Polen ausgestellten Visums gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig ist.

Es liegen keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Polens in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin III-VO entfallen ließen. Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen würden, sind seitens des Antragstellers weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C 4 11/10 und C 493/10, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bzw. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Der Asylbewerber kann der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat mithin nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (so grundsätzlich EUGH, U.v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). So bestimmt Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen hierfür nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14, juris; B.v. 6.6.2014 - 10 B 25/14, juris).

Ausgehend davon bestehen im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller in Polen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Die „Gefahr“, dass Polen seinen Asylantrag ablehnt und den Antragsteller in sein Herkunftsland überstellt, ist dem Asylverfahren allgemein immanent. Die Verneinung systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen entspricht im Übrigen auch der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2016 - 11 B 15.50130; U.v. 22.6.2015 - 11 B 15.50049 sowie B.v. 28.4.2015 - 11 ZB 15.50065; Sächsisches OVG, B.v. 12.10.2015 - 5 B 259/15.A; VG Göttingen, U.v. 27.1.2016 - 2 A 931/13; VG Aachen, U.v. 19.8.2015 - 6 K 2553/14.A; VG München, B.v. 29.6.2015 - M 24 K 15.50074; VG Frankfurt|Oder, B.v. 09.6.2015 - 6 L 324/15.A; VG Magdeburg, B.v. 14.4.2015, 9 B 147/15; VG Gelsenkirchen, U.v. 10.3.2015 - 6a K 3687/14.A; VG Düsseldorf, B.v. 2.03.2015 - 17 L 2510/14.A; VG Weimar, U.v. 29.10.2014 - 7 K 20180/11 We -, alle juris) sowie der ständigen Rechtsprechung der Kammer (VG Ansbach, U.v. 27.1.2016 - AN 14 K 15.50448 und AN 14 K 15.50450; B.v. 19.6.2015 - 14 S. 15.50134, U.v. 17.2.2015 - 14 K 14.50221 sowie AN 14 K 14.50222). Ergänzend hierzu wird auf die ausführliche und zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 16. Januar 2017 Bezug genommen.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller unabhängig davon aufgrund weiterer besonderer Umstände im Einzelfall eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, d.h. ein Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta, bei der Überstellung nach Polen droht, sind nicht ersichtlich.

Auch außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, sind nicht gegeben.

Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Der Antragsteller sagte am 27. Oktober 2016 lediglich, dass er in keinen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden wolle, weil er in Deutschland gut behandelt werde und es ein gutes Land für Asylbewerber sei, zudem wollte er immer nach Deutschland. Ein der Abschiebung nach Polen entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014, S. 244 ff., juris Rn. 11 f; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11, juris, Rn. 4), ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Schließlich begegnete auch die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Polen keinen Bedenken, da die polnischen Behörden seiner Rückführung ausdrücklich zugestimmt haben.

2.2. Die Abschiebung am 28. Juni 2017 durfte deshalb erfolgen, weil sie innerhalb der verlängerten Überstellungsfrist von 18 Monaten erfolgte. Der Antragsteller hätte nur dann Recht, wenn für ihn die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Dublin III-VO die Regeldauer von sechs Monaten hätte (dann hätte sie am 26. April 2017 geendet), was aber nicht der Fall ist. Denn die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO Gebrauch gemacht. Danach kann die Überstellungsfrist auf höchstens 18 Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat ausführlich dargelegt, wie vorbildlich der Antragsteller an seiner Integration mitgewirkt hat und auch die Gründe seiner Abwesenheit am 20. März 2017 und danach erläutert. Aber der Umstand, dass der Antragsteller im relevanten Zeitpunkt (bei Behörden) unangemeldet abwesend gewesen ist, steht fest. Zum Zeitpunkt einer versuchten Überstellung am 20. März 2017 war der Antragsteller für die Behörden nicht auffindbar. Im fraglichen Zeitrahmen galt die Zuweisung an die genannte Unterkunft durch Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 28. September 2016, Bl. 47 der Akte des Bundesamtes, an die Unterkunft … Dort war aber der Antragsteller vom 18. bis 23. März 2017 nicht anwesend.

Im Lichte von Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 Dublin III-VO konnte die Verlängerung der Überstellungfrist durch die Antragsgegnerin erfolgen, weil dadurch vermieden wird (und werden soll), dass sich der Zuständigkeitsübergang durch pflichtwidriges Tun oder Unterlassen vollzieht.

Die Fristenregelungen der Dublin III-VO begründen zwar für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Der Antragsteller hat aber aus dem materiellen Asylrecht nach inzwischen gefestigter Meinung einen Anspruch darauf, dass der nach der Dublin III-VO zuständige Staat das Asylverfahren durchführt (vgl. noch zur Dublin II-VO Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3, wonach der Asylbewerber kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung hat, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird (vgl. OVG NW, U. v. 16.9.2015 - 13 A 2159/14.A, juris, Rn. 67, 82 ff., zur Dublin II-VO). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Antragsgegnerin hat vielmehr von der Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist Gebrauch gemacht. Dabei ist dies - und das genügt mangels entgegenstehenden Unionsrechts - dadurch dokumentiert, dass die Antragsgegnerin den polnischen Behörden am 21. März 2017 die Fristverlängerung angezeigt hat, und zwar innerhalb des Laufs der zunächst geltenden 6-monatigen Überstellungsfrist. Die Antragsgegnerin hat Polen dabei über die Flüchtigkeit des Antragstellers und die daraus folgende Unmöglichkeit der Überstellung informiert. Das Erfordernis der Information des Zielstaates vor Ablauf der Überstellungsfrist folgt aus Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014. Dem hat die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben an die polnischen Behörden genügt. Darin liegt auch eine - jedenfalls konkludente getroffene - nach dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO („Die Frist […] kann verlängert werden […]“) erforderliche Entscheidung der Antragsgegnerin über die Fristverlängerung (vgl. zur Notwendigkeit einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Fristverlängerung VG Dresden, U.v. 12.06.2015 - 7 K 2951/14.A, juris). Nach der VO (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 erhielt Artikel 9 Absatz 2 folgende Fassung: „(2) Ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, unterrichtet den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der genannten Verordnung dem ersuchenden Mitgliedstaat zu.“

Der Antragsteller kann sich mithin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO von 6 Monaten abgelaufen ist.

Denn ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht. „Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten“ (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264, juris, sowie VG Magdeburg, B.v. 11.12.2014 Az. 1 B 1196/14 m.w.N., juris).

Dies gilt insbesondere im Betrachte des § 10 Abs. 1 AsylG, über den der Antragsteller belehrt wurde, wonach der Asylbewerber („Ausländer“) während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen hat, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Ein Asylbewerber gilt als „flüchtig“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht (BayVGH, B.v. 29.04.2016 - 11 ZB 16.50024, juris). Dieses subjektive Moment im Sinne eines dolus eventualis ergibt sich aus dem Wort „flüchtig“, das eben mehr voraussetzt als nur „abwesend“ oder “nicht erreichbar“, aber die Inkaufnahme einer vergeblichen Abschiebung genügen lässt.

Im vorliegenden Fall sollte der Antragsteller am 20. März 2017 nach Polen abgeschoben werden. Dieser Überstellung entzog er sich faktisch, zumindest mit bedingtem Vorsatz, durch seine zeitweise ungeklärte Abwesenheit, denn es erfolgte weder Abmeldung noch Nachricht über den Ort, an dem er sich aufhält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller die bevorstehende Abschiebung bekannt war oder nicht. Denn er musste jedenfalls mit einer Überstellung nach Polen rechnen.

Eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bringt es auf den Punkt: „Eine Verlängerung, weil der Asylbewerber flüchtig ist, ist dann möglich, wenn ein Überstellungsverfahren bereits gescheitert oder aussichtlos ist, weil die Person ohne Verschulden der Behörden nicht auffindbar ist oder rechtmäßigen Anordnungen, ihren Aufenthaltsort mitzuteilen oder sonstigen Pflichten zur Mitwirkung an einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachkommt“ (wiss. Dienst des BT, AZ: WD 3 - 3000 - 115/15, vgl. auch Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Anm. 49 zu § 29 AsylG).

Ebenso urteilte das VG Schwerin (B.v. 24.08.2016, 3 B 2176/16 As SN, juris): „…hat die Antragsgegnerin am 07.06.2016 vor Ablauf der Überstellungsfrist am 10.06.2016 einen Überstellungsversuch unternommen, dem sich der Antragsteller in zurechenbarer Weise entzogen hat mit der Folge, dass er als flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO anzusehen war…Unter ‚flüchtig‘ sind alle Sachverhalte zu subsumieren, in denen der Antragsteller aus von diesem zu vertretenden Gründen für die Behörden des die Überstellung durchführen wollenden Staates nicht auffindbar ist oder sonst wie das Verfahren absichtlich behindert (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Stand: 01.02.2014, Art. 29 K12 m.w.N.). Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Regensburg, Urt, v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264 - Rn. 54 ff., juris m.w.N.).“

Ähnlich judiziert das Verwaltungsgericht Greifswald (U.v. 16.12.2016 - 3 A 231/16 As HGW, juris sowie Gerichtsbescheid v. 31.05.2016 - 3 A 256/16 As HGW, juris): „Flüchtig … ist eine Person dann, wenn sie über einen erheblichen Zeitraum hinweg aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht auffindbar ist.“

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller seine Unauffindbarkeit (und diese nicht nur über eine kurze Zeitspanne, etwa zum Einkaufen oder Abendbummel, sondern drei Tage) auch zu vertreten: Er hatte selbst nachträglich vorgetragen, dass er sich bei Freunden aufgehalten habe und hingegen nichts dazu geäußert, woraus sich ergibt, dass auch dem BAMF oder der zuständigen Ausländerbehörde bzw. der Unterkunftsleitung sein Aufenthaltsort bekannt gewesen ist. Die hier ausgeführten Grundsätze müssen übrigens auch unabhängig davon gelten, ob ein Überstellungsversuch - wie hier - konkret stattgefunden hat oder nicht. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kommt es bei der 2. Alternative nicht darauf an, ob ein Abschiebungsversuch unternommen wurde: „Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“ Es ist dem betreffenden abschiebewilligen Mitgliedstaat, so die ratio dieser unionsrechtlichen Vorschrift, nicht zuzumuten, mit ständigen Unwägbarkeiten zu rechnen, sondern ihm soll die 6-monatige Überstellungsfrist ununterbrochen zur Verfügung stehen, um die Überstellung in Abstimmung mit dem zuständigen Mitgliedstaat vernünftig und für den Asylbewerber sozialverträglich zu organisieren. Dieser Wertung entspricht auch die gängige Rechtsprechung, dass durch einen Eilantrag und Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts die 6-Monatsfrist zur Überstellung unterbrochen wird. Die Überstellungsfrist beginnt mithin ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe eines ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22.15 - und U.v. 26.5.2016 - 1 C15.15 - juris; OVG NRW - B.v. 7.7.2016 - 13 A 2302/15.A -, juris).

Freilich begrenzt der auch europarechtlich fundierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. statt vieler EuGH, U.v. 11.07.1989, C-265/87, Slg. 1989, 2237, zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts) die Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist: ist der Ausländer nur für eine unerheblich kurze Zeit oder unverschuldet unangemeldet unauffindbar (Einkauf, sonstige private Erledigung, Arztbesuch), ist nicht von Flüchtigkeit auszugehen. Bei der hier streitgegenständlichen Zeitspanne des Fernbleibens über mehrere Tage verhält es sich jedoch anders.

Die Verlängerung der Überstellungsfrist war also rechtlich korrekt, da der Antragsteller a.) für eine nicht unerheblich kurze Zeit unentschuldigt und ohne Abmeldung unauffindbar war und b.) dies dem Bundesamt bekannt wurde.

Aus diesem Grund kommt es hier nicht mehr darauf an, ob das Kirchenasyl des Antragstellers „Flüchtigsein“ bedeutet. Zumindest hat das Bundesamt das Kirchenasyl nicht zum Anlass für eine Verlängerung der Überstellungsfrist genommen.

Eine andere Frage - die sich ebenso hier nicht (mehr) stellt - ist, ob der vom 24. März 2017 bis 22. Mai 2017 im Kirchenasyl befindliche Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Rechtsbehelf gegen Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes in dieser Zeitspanne hatte, was das Gericht verneint, da sich der Antragsteller während des Kirchenasyls der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, entzog. Der Antragsteller vertraute darauf, dass sich die bayerischen Ausländerbehörden in diesen Fällen scheuen, auch gegen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer vorzugehen. Der Antragsteller verhielt sich also widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn er sich einerseits an ein Gericht wendet, um vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Verteilungsentscheidung unter den europäischen Mitgliedsstaaten zu fordern, andererseits aber bereits während des gerichtlichen Verfahrens dartut, dass er sich den Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entzieht (vgl. auch VG Cottbus v. 16.06.2016, Az.: 5 K 273/16.a; VG Ansbach v. 14.04.2016, Az.: AN 6 K 15.31132).

2.3. Nach Überstellung des Antragstellers am 28. Juni 2017 in den Mitgliedstaat Polen ist das Klageverfahren bezüglich der Abschiebungsanordnung erledigt, weil die Überstellung rechtmäßig war. Durch die vollzogene Abschiebung haben sich die Rechtswirkungen des streitgegenständlichen Bescheides insoweit vollständig erledigt und ist das im Bescheid bestimmte Land (hier: Polen) endgültig für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig geworden, da der Antragsteller dorthin überstellt worden ist (vgl. VG Ansbach U.v. 25.11.2010, Az. AN 11 K 10.30388, juris; vom 13.10.2010, Az. AN 11 K 10.30314, juris und vom 13.10.2010, Az. AN 11 K 10.30315, juris). Eine Erledigung liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist, insbesondere die Regelungswirkung entfallen ist, was im Fall der Vollziehung des Verwaltungsaktes weiter voraussetzt, dass die Vollziehung auch nicht rückgängig gemacht werden kann oder dies objektiv unzumutbar ist. Zwar muss nicht allein der Vollzug eines Verwaltungsaktes zur Erledigung führen und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden; eine Erledigung tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist. Im Fall des Erlasses einer Abschiebungsanordnung in einen Mitgliedstaat der EG sind in diesem Zusammenhang nach Ansicht des Gerichts zunächst die beiden zu treffenden Entscheidungen, nämlich die Nichtdurchführung eines Asylverfahrens und die Überstellung/Abschiebung an bzw. in den Mitgliedstaat, in ihrer Gesamtheit zu sehen und können daher nicht getrennt werden. Nach Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist die Zuständigkeit Polens hierdurch endgültig eingetreten, eine Änderung dieser Rechtsfolge wäre nunmehr gemeinschaftsrechtlich gar nicht mehr zulässig (vgl. auch VG Frankfurt, Oder, v. 28.11.2012, Az. 3 K 525/11.A, juris; VG München vom 2.7.2012, Az. M 15 K 12.30110, juris). Die Regelungen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 sind somit nicht mehr geeignet, rechtliche Wirkungen zu erzeugen. Mit der Abschiebung des Antragstellers hat sich nämlich nicht nur die Abschiebungsanordnung erledigt, sondern Polen ist auch endgültig für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers zuständig geworden; eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist nunmehr ausgeschlossen.

Aus dem vorgenannten Gründen ist ein Fall der §§ 51 Abs. 5 i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht gegeben. Die Überstellungsfrist war zum Zeitpunkt der Abschiebung nach Polen nicht abgelaufen. Damit ist auch ein - ansonsten möglicherweise denkbarer - Folgenbeseitigungsanspruch, vgl. Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO, nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gemäß § 83 b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016, der sich auf die Verordnung Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) stützt.

Seinen eigenen Angaben folgend ist der Antragsteller irakischer Staatsangehöriger, dem Volk der Araber zugehörig und sunnitischen Glaubens. Er gab an, über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich am 19. Dezember 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein und hier am 20. Mai 2016 Asylantrag gestellt zu haben. Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit von Finnland vor. Am 23. Mai 2016 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen gemäß der vorgenannten Dublin III-VO an Finnland. Die finnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 23. Mai 2016 ihre Zustimmung für die Wiederaufnahme gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO.

Daraufhin lehnte das Bundesamt mit dem obengenannten Bescheid vom 5. Oktober 2016 den Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, ordnete die Abschiebung nach Finnland an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage und beantragte zugleich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (gemeint ist wohl: Abschiebungsanordnung) des Bundesamtes vom 7. Oktober 2016 anzuordnen.

Zur Begründung ließ er mit weiterem Schreiben vom 21. Oktober 2016 vortragen, er widersetze sich einer Überführung nach Finnland. Aus seiner Sicht sei nicht erkennbar, inwiefern Finnland für die Durchführung seines Asylbegehrens zuständig sein könnte. Er habe in Finnland keinen Asylantrag gestellt. Er sei gerade erst 18 Jahre alt geworden. Eine Überführung nach Finnland wäre eine unzumutbare Härte. Im Übrigen machte er Angaben zu seinen Asylgründen.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 ließ er nunmehr vortragen, aufgrund unglücklicher Umstände sei er auf der Flucht von seiner Familie getrennt worden und mit anderen Landsleuten dann nach Finnland gelangt. Von dort aus habe er sich nach Deutschland begeben, weil er in Finnland kein faires Verfahren zu erwarten habe.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragte mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Mit weiterem Schreiben vom 22. November 2016 unterrichtete das Bundesamt das Verwaltungsgericht Ansbach, dass sich der Antragsteller im sogenannten Kirchenasyl befinde. Dazu vorgelegt wurde ein Schreiben der Katholischen Kirchenstiftung, ... wonach die dortige Verwaltungsleiterin dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilt, dass sich der Antragsteller „seit heute, Donnerstag, 17. November 2016, im Kirchenasyl in ... befinde. Er halte sich in den Räumen der Pfarrei ..., auf.“

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag wird abgelehnt, weil er nach Eintritt des Antragstellers in das von der Verwaltungsleiterin der Katholischen Kirchenstiftung, ... mitgeteilte „Kirchenasyl“ unzulässig geworden ist.

Der Antragsteller hat für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Er entzieht sich durch Eintritt in das sogenannte Kirchenasyl vorgefasster Absicht der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als eine gerichtliche Entscheidung über die von ihm aufgeworfenen Fragen der Zumutbarkeit einer etwaigen Überstellung nach Finnland noch gar nicht gefallen ist. Er stellt darauf ab, dass sich die bayerischen Ausländerbehörden ohnehin nach bekannter, bereits jahrelanger Praxis durchgängig in diesen Fällen scheuen, auch gegen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer vorzugehen. Aus Sicht des Gerichts ist das Aufsuchen eines solchen Kirchenasyls einem „Untertauchen“ in aufenthaltsmäßiger Hinsicht gleichzusetzen, weil sich der Antragsteller insoweit der staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht unterordnet sondern bewusst und gerade solange entzieht, bis die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO abgelaufen ist. Der Antragsteller verhält sich in diesem entscheidungserheblichen Punkt widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn er sich einerseits an ein Gericht wendet, um vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Verteilungsentscheidung innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten in Anspruch zu nehmen, andererseits aber bereits während des gerichtlichen Verfahrens zeigt, dass er sich den Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ohnehin entzieht (ebenso Verwaltungsgericht Cottbus vom 16. Juni 2016, Az.: 5 K 273/16.a; Verwaltungsgericht Ansbach vom 14. April 2016, Az.: AN 6 K 15.31132).

Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach alledem unzulässig geworden ist, kommt es auf die Frage der Begründetheit nicht mehr an, weshalb weitergehende Ausführungen zur Antragsbegründung nicht mehr entscheidungserheblich sind.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 06.02.2017.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.06.2017 wies das Gericht die am 22.02.2017 erhobene Klage ab. Laut Empfangsbekenntnis ging der Bescheid dem Prozessvertreter des Klägers am 05.07.2017 zu.

Mit Schriftsatz vom 27.06.2017 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass ihn die 18-Monatsfrist nicht überzeuge. Die Situation eines sich in das Kirchenasyl begebenden Ausländers sei nicht mit der eines flüchtigen vereinbar, da die Beklagte nicht gehindert sei, die Abschiebung aus dem Kirchenasyl heraus durchzuführen. Die Abschiebung nach Finnland führe zu einer Abschiebung von dort in den Irak. Dies widerspreche dem Schutzgedanken, der der derzeit nicht praktizierten Rückführung von Irakern im Gebiet der Beklagten zugrunde liegt.

Mit Schriftsatz vom 17.07.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragte der Klägerbevollmächtigte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er verwies auf den Abschiebestopp des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren. Da nicht direkt in den Irak, sondern erst nach Finnland abgeschoben werde, würde dieser Schutz umgangen.

Mit Schriftsatz vom 31.07.2017 wiederholte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen die bisher vorgebrachten Argumente. Er ergänzte unter Bezugnahme auf die TAZ-Online vom 18.05.2016, dass Finnland keine humanitären Gründe für eine Aufenthaltsgewährung hinsichtlich des Irakes mehr anerkenne. Insoweit sei das Konzept gegenseitigen Vertrauens erschüttert.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage hat keinen Erfolg.

Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, der Kläger wird durch diesen nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO. Das Gericht folgt der Begründung des Gerichtsbescheides, § 84 Abs. 4 VwGO:

1.1 Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides ist rechtmäßig, der Asylantrag des Klägers ist unzulässig, da die Beklagte nicht für die Entscheidung zuständig ist, § 29 Abs. 1 Nr. 1.a) AsylG. Eine materielle Prüfung findet damit nicht statt.

Finnland ist für die Entscheidung über den Asylantrag des Antragsstellers zuständig, sodass es grundsätzlich als einziger Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Asylantrag des Klägers prüfen muss, Art. 3 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Der Kläger hat bereits in Finnland ein Asylverfahren durchlaufen, das nach eigenen Angaben seitens des finnischen Staates abschlägig beschieden wurde. Dass der finnische Staat im Rahmen der Regelungen der Dublin III-VO weiterhin für die Prüfung der Asyl(folge) anträge des Klägers zuständig bleibt, zeigt nicht zuletzt Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO.

Es fand kein Zuständigkeitswechsel auf die Beklagte statt:

1.1.1 Ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ist nicht gegeben.

Die Beklagte fragte am 11.10.2016 die Eurodac-Treffer des Klägers ab und erfuhr in der Anhörung am 17.11.2016 von dem Asylverfahren in Finnland. Der Kläger stellte am 17.11.2016 bei der Beklagten einen Asylantrag.

Die Beklagte stellte laut Aktenlage am 30.11.2016 ein Wiederaufnahmegesuch bei Finnland, das der zuständigen Stelle am selben Tag zuging. Damit wurde die Zwei-Monats-Frist (Ende: 11.12.2016) gewahrt und es trat kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ein.

1.1.2 Auch hat kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO stattgefunden. Die Beklagte hat Finnland am 30.11.2016 um Wiederaufnahme ersucht. Hierauf erteilte dieses mit Schreiben vom 01.12.2016 seine Zustimmung. Die Überstellungsfrist endet demnach (frühestens) mit dem 01.06.2017.

Die Frist beginnt abweichend hiervon mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser gemäß § 27 Abs. 3 Dublin III-Verordnung aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend wurde ein Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (Az. B 3 S 17.50069) durchgeführt. Ein solches Eilverfahren stellt einen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung dar (BVerwG, U. v. 26.5.2016 – 1 C 15.15). Der das Eilverfahren abschließende Beschluss wurde gemäß Postzustellungsurkunde am 08.03.2017 einem zum Empfang ermächtigten Vertreter übergeben und gilt damit gemäß §§ 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2, 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG spätestens am 11.03.2017 zugestellt (Bergmann/Dienelt, AuslR, § 10 AsylG, Rn. 21). Die Frist endet demnach (frühestens) am 11.09.2017.

Da der Kläger ab 30.03.2017 offenes Kirchen-„Asyl“ in Anspruch genommen hat, verlängert sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung auf höchstens 18 Monate; diese Frist ist im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen und es ist im Zeitpunkt der Entscheidung nicht ersichtlich, dass sich der Kläger nicht mehr im Kirchenasyl befindet.

Der Kläger hat sich durch das Begeben in das Kirchen-„Asyl“ zielgerichtet der staatlichen Verfolgung entzogen und ist damit flüchtig im Sinne der Dublin III-Verordnung, zumal er durch sein Verhalten den erfolglosen Ablauf der Regelüberstellungsfrist bewusst herbeigeführt hat (vgl. VG Köln, GB. v. 09.10.2015, AZ.: 13 K 2489/15.A; VG Saarland, U. v. 06.03.2015, AZ.: 3 K 832/4; VG Regensburg, U. v. 20.02.2015, AZ.: RN 3 K 14.50364; VG Augsburg, GB. v. 08.10.2014, AZ.: Au 7 K 14.30121; VG Minden, U. v. 20.01.2014, AZ.: 10 K 1096/13.A; OVG Saarland, U. v. 13.09.2006, AZ.: 1 R 17/06; zu der vergleichbaren Problematik in § 1a Abs. 3 AsylbLG: BayLandessozialgericht, B. v. 11.11.2016, AZ.: L 8 AY 29/16 B ER; zur Widersprüchlichkeit des Verhaltens: VG Ansbach, B. v. 29.08.2017, Az. AN 14 E 17.50998).

Die Formulierung „flüchtig ist“ meint, dass sich der Ausländer zielgerichtet dem staatlichen Zugriff durch Änderung seines Aufenthaltsortes zu entziehen versucht – ob dieses Entziehen erfolgreich ist und aus welchen Gründen, spielt für die Einordnung keine Rolle, soweit das relevante räumliche Element des Wegbewegens vorliegt. Es geht damit um den aktiven Akt des Sich-Entziehens und nicht um den Erfolg desselben. Dieses Verständnis wird nicht zuletzt auch durch Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung gestützt.

Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung stellt darauf ab, dass der Ausländer flüchtig ist. In der englischen Fassung findet sich die Formulierung: „[…] or up to a maximum of eighteen months if the person concerned absconds.“, in der französischen “[…] à dix-huit mois au maximum si la personne concernée prend la fuite.”

Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung definiert die „Fluchtgefahr“ und stellt dabei darauf ab, dass sich der Ausländer dem Überstellungsverfahren durch Flucht entziehen könnte. Die englische Formulierung lautet: „[…] ‘risk of absconding’ means the existence of reasons in an individual case, which are based on objective criteria defined by law, to believe that an applicant or a third-country national or a stateless person who is subject to a transfer procedure may abscond.”, die französische: „[…]«risque de fuite», dans un cas individuel, l’existence de raisons, fondées sur des critères objectifs définis par la loi, de craindre la fuite d’un demandeur, un ressortissant de pays tiers ou un apatride qui fait l’objet d’une procédure de trans-fert.“

Dass es auf den aktiven Akt des sich Entziehens und nicht auf das Ergebnis des tatsächlichen Entzuges ankommt, wird aus folgenden Erwägungen deutlich:

Zwar ist der deutsche Formulierung „flüchtig ist“ nicht direkt zu entnehmen, ob es auf die Handlung des Sich-Entziehens oder den Erfolg des Entziehens ankommt. Unter Flucht ist jedoch gemäß der Definition im Duden „das Ausweichen aus einer als unangenehm empfundenen oder nicht zu bewältigenden [Lebens]situation“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Flucht_Ausbruch, Stand 07.06.2017), also die Handlung des Weichens und eben nicht der Erfolg, zu verstehen.

Deutlicher wird diese Unterscheidung in der französischen Fassung, die sowohl in Art. 29 Abs. 2 Satz 2, als auch in Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung die Formulierung „prend la fuite“ auf Deutsch „die Flucht ergreifen“ oder „flüchten“ (https://de.langenscheidt.com/deutsch-franzoesisch/search?term=prendre+la+fuite; https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/franz %C3%B6sisch-deutsch/fuite; http://dict.leo.org/franz%C3%B6sisch-deutsch/fuite%20la%20 prendre) und damit die Beschreibung des aktiven Vorganges nutzt.

In der englischen Version wird in den relevanten Artikeln das Verb „abscond“ benutzt, was mit „sich den Gesetzen entziehen“, „sich davonmachen“, „verschwinden“ oder „fortlaufen“ übersetzt werden kann (https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/abscond; https://www.dict.cc/?s=abscond; https://dict.leo.org/englisch-deutsch/abscond; https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?l=deen& q=abscond). Auch hier wird insbesondere bei Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung die aktive Formulierung des Entzugsvorganges und nicht die Beschreibung des Ergebnisses verwendet.

Die Anknüpfung an die behördliche Kenntnis des (illegalen) Aufenthaltsortes und die damit verbundene Möglichkeit der Abschiebung (vgl.: VG München, U. v. 06.06.2017, Az. M 9 S 17.50290; U. v. 27.03.2017, AZ.: M 22 K 16.50220VG Würzburg, U. v. 31.08.2015, AZ.: W 3 K 14.50040; VG Greifswald, BG. V. 31.05.2016, AZ.: 3 A 256/16 As HGW m.w.N.) greift zu kurz; insoweit wird darauf abgestellt, dass der Erfolg (= Entzug) nicht eingetreten ist, da der Staat sein Gewaltmonopol auch in Kirchenräumen durchsetzen könnte und der Vollzug damit nicht unmöglich ist.

Das Argument, die faktische Duldung des Kirchen-„Asyls“ durch den Staat würde eine Zurechnung des Vollzugsdefizites zum Flüchtling hindern (so wohl: VG Greifswald, GB. v. 31.05.2016, Az. 3 A 256/16 As HGW), greift ebenfalls zu kurz; vorliegend kommt es eben auf die Handlung des Sich-Entziehens und nicht auf den Grund für die unterbliebene Abschiebung an, zumal letztendlich jede Form des Untertauchens dem Staat zugerechnet werden könnte, da er die abzuschiebenden Personen nicht genügend überwacht und nach untergetauchten Ausländern nicht mit ausreichendem Personaleinsatz gefahndet hat.

Stellt man zutreffender Weise auf die Handlung des Sich-Entziehens ab, so ist der Tatbestand des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung im Fall des Kirchen-„Asyls“ erfüllt. Das Kirchen-„Asyl“ dient ausschließlich dazu, den Ausländer entgegen der geltenden Rechtsordnung und ungeachtet der grundsätzlichen Strafbarkeit eines solchen Verhaltens nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Dies wird umso augenscheinlicher, wenn ein Ausländer entgegen § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG seinen zugewiesenen Aufenthaltsort aufgibt, um durch den Aufenthaltsortswechsel Abschiebemaßnahmen zu verhindern.

Das Untertauchen hat die Beklagte auch rechtzeitig innerhalb der Sechs-Monats-Frist an Finnland mitgeteilt, sodass kein Zuständigkeitsübergang nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (Durchführungsverordnung Dublin) eingetreten ist. Insoweit findet sich in der Verwaltungsakte der entsprechende Entwurf der Mitteilung.

1.1.3 Außergewöhnliche Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht oder ersichtlich.

Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylsystems in Finnland sind nicht ersichtlich (vgl.: VG Sigmaringen, B. v. 05.01.2017, Az.: A 4 K 6158/16; und: AI, Amnesty Report 2016. Finnland; Amnesty Report 2015. Finnland).

Soweit sich der Klägerbevollmächtigte darauf beruft, dass es Unterschiede in der Entscheidungspraxis der einzelnen Mitgliedstaaten gebe, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies systemische Mängel begründen sollte. Die materielle Asylentscheidung obliegt dem zuständigen Mitgliedstaat, eine Kontrolle der Einzelfallentscheidung durch andere Mitgliedstaaten im Rahmen der Überprüfung der Unzuständigkeitsentscheidung findet nicht statt, da sich die Prüfungshoheit der nationalen Gerichte nicht auf die Entscheidungen anderer Staaten erstreckt. Auch lässt sich aus abweichenden politischen Entscheidungen bezüglich eines Abschiebestopps bzw. eines vergleichbaren Instrumentariums in den Rechtsordnungen der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten und aus unterschiedlichen rechtlichen Würdigungen per se kein systemischer Mangel herleiten. Die Tatsache einer angeblichen „Kettenabschiebung“ spielt damit keine Rolle. Soweit sich der Prozessvertreter auf die Abschaffung des humanitären Bleiberechts beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieses keine Vorgabe des Art. 40 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes darstellt.

Soweit der Kläger anführt, dass sein Asylantrag in Finnland abgelehnt worden sei und er deshalb mit einer Abschiebung in den Irak rechnen müsse, wird darauf hingewiesen, dass eine möglicherweise vorhandene oder zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle spielt. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der §§ 3 Abs. 2 Unterabsatz 2, 17 Dublin III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre. Dass eine Wiederaufnahme auch bei bereits erfolgter Ablehnung des Asylantrages im zuständigen Mitgliedsstaat möglich ist, zeigt Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO. Hierin tritt nicht zuletzt der für die Europäische Union fundamentale Gedanke gegenseitigen Vertrauens zu Tage.

Auf die materielle Rechtslage kommt es vorliegend damit nicht an.

1.2 Auch die Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheides sind rechtmäßig. Insoweit wird auf dessen Begründung und den obigen Ausführungen verwiesen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, irakischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 25.03.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20.05.2015 einen Asylantrag.

Der Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ist ein sogenannter EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Ungarn zu entnehmen. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt am 15.07.2015 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Ungarn. Die ungarischen Behörden haben hierauf keine Antwort erteilt.

Mit Bescheid vom 28.10.2015, der laut Postzustellungsurkunde am 30.10.2015 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Außerdem befristete es das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 3).

Zur Begründung führt das Bundesamt aus, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Diese Beurteilung werde von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch die Entscheidung des EGMR vom 03.07.2014 bestätigt. Daher würde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Mit Schreiben vom 02.11.2015, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben und beantragten,

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28.10.2015 wird in den Ziffern 1. und 2. aufgehoben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Rücküberstellung nach Ungarn unzulässig sei, da das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen dieses Landes systemische Mängel aufwiesen. Außerdem bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, denn im Hinblick auf die jüngste Entscheidung der Bundesregierung im September 2015, Flüchtlinge - die sich in Ungarn aufhielten - ungehindert nach Deutschland einreisen zu lassen, könnte die Beklagte, durch die hier mangelnde Ausübung des Selbsteintrittsrechtes, willkürlich gehandelt haben. Dies gelte auch hinsichtlich der Tatsache, dass für Flüchtlinge aus Syrien das Dublin-Verfahren ausgesetzt worden sei, während es für den Kläger weiter angewandt würde.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 09.11.2015,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 18.11.2015 hat das Gericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (Az.: B 3 S. 15.50292).

Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 15.12.2015 eine Mitteilung der Abtei in vom 10.12.2015, wonach diese dem Kläger seit dem 10.12.2015 Kirchenasyl gewähre, weil ihm die Abschiebung nach Ungarn drohe.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18.12.2015 wurde der Klägerbevollmächtigte zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Die Beklagte erklärte - auf Anfrage des Gerichts - im Schreiben vom 25.02.2016, dass die sogenannte Überstellungsfrist nicht abgelaufen sei, denn durch den gestellten Eilantrag sei der Fristlauf gehemmt worden und habe mit dem Erlass des negativen Eilbeschlusses neu zu laufen begonnen. Es sei ein neues Fristende „18.05.2016“ notiert worden.

Mit Beschluss der Kammer vom 29.02.2016 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte des Verfahrens Az.: B 3 S. 15.50292 verwiesen.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Der Klägervertreter wurde gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Die Beklagte erklärte ihr Einverständnis im Schreiben vom 09.11.2015.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 28.10.2015 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Asylantrag des Klägers ist gemäß § 27a AsylG unzulässig. Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass Ungarn gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrages und die Wiederaufnahme des Klägers zuständig ist. Denn die ungarischen Behörden haben auf das am 15.07.2015 vom Bundesamt gestellte Wiederaufnahmegesuch - dem ein EURODAC - Treffer der Kategorie 1 zugrunde lag - nicht geantwortet. Die Abschiebungsanordnung rechtfertigt sich aus § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die Beklagte ist nicht zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechtes verpflichtet. Das Gericht verweist insgesamt auf die Gründe des Eilbeschlusses vom 18.11.2015 (Az.: B 3 S. 15.50292), in denen dargelegt wurde, dass weder eine Ungleichbehandlung oder willkürliche Verfahrensweise bei der Anwendung der Dublin III - Vorschriften durch die Beklagte gesehen wird, noch von systemischen Mängeln bei der Asylpraxis in Ungarn auszugehen ist.

Die Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO) ist nicht abgelaufen.

Es kann hier dahinstehen, ob durch die Erhebung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine „Verlängerung“ der sogenannten Überstellungsfrist eingetreten ist, sodass sich der von der Beklagten ursprünglich vermerkte Fristablauf zum 30.01.2016 auf den 18.05.2016 verschoben hat oder ob das vorläufige Rechtsschutzverfahren keine Auswirkungen auf den Lauf der Überstellungsfrist hat. Im vorliegenden Fall gilt nämlich für den Kläger aufgrund des Umstandes, dass er sich seit dem 10.12.2015 im Kirchenasyl befindet, nicht die Überstellungsfrist von sechs Monaten, sondern die für „flüchtige“ Personen vorgesehene Frist von 18 Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Der Kläger hat mit dem Zugang in das Kirchenasyl seine Abschiebung nach Ungarn verhindern wollen und sich damit bewusst der Ordnung des Staates entzogen. Er ist insoweit als „flüchtig“ im Sinne der o.g. Vorschrift anzusehen. Er ist nicht besser zu stellen als ein sich den Regeln des Gesetzgebers entsprechend verhaltender Ausländer (vgl. VG Saarland, U.v. 06.03.2015 - 3 K 902/14 -; VG Ansbach, U.v. 21.12.2015 - AN 3 K 15.50498 - beide in juris).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: M 9 K 17.50289) des Antragstellers gegen Nr. 4 (Anordnung der Abschiebung nach Spanien) des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2017 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Spanien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf die zu diesem Verfahren beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren Aktenzeichen M 9 S. 16.50446, M 9 K 16.50445 und M 9 S7 16.50539 einschließlich der in diesen Verfahren vorgelegten Behördenakten und auf die zwischen denselben Beteiligten wie hier ergangenen Beschlüsse vom 7. Juli 2016 (Ablehnung des ursprünglichen Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage Az. M 9 K 16.50445), vom 28. Juli 2016 (Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO) und vom 6. März 2017 (Einstellung des Klageverfahrens Az. M 9 K 16.50445 auf Grund übereinstimmender Erledigterklärungen nach Aufhebung des damals streitgegenständlichen Bescheids vom 21. Juni 2016 durch die Antragsgegnerin) Bezug genommen.

Aus den zu diesem Verfahren (und zum dazugehörigen Klageverfahren Az. M 9 K 17.50289) vorgelegten Bundesamtsakten ergibt sich (Bl. 81), dass der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben an das Bundesamt - Außenstelle München vom 4. November 2016, versendet per Telefax am 5. November 2016, mitteilte, dass sich der Antragsteller „nunmehr im Kirchenasyl ..., M. Platz ..., R. befindet“.

Mit Schreiben vom 11. November 2016, beim Bundesamt – Zentrale in Nürnberg eingegangen am 16. November 2016, in der Außenstelle München am 22. November 2016 (jeweils laut den angebrachten Eingangsstempeln), wandte sich die Regierung von Oberbayern Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern (= ZAB Oberbayern) / Zentrale Passbeschaffung Bayern an das Bundesamt und teilte mit, dass der Antragsteller seit dem 4. August 2016 untergetaucht sei; es werde um Verlängerung der Überstellungsfrist nach Spanien „Fristende: 07.01.2016“ [sic! gemeint ist wohl 2017] gebeten. Diesem Schreiben beigefügt ist ein Bildschirmausdruck aus dem iMVS (integriertes Migrantenverwaltungssystem), aus dem hervorgeht, dass für den Antragsteller als Auszugsdatum aus der Unterkunft KVB (= Kreisverwaltungsbehörde) München, H. Straße ... in M. der 4. August 2016 eingetragen ist und als Auszugsgrund untergetaucht (ubk. = unbekannt).

Auf weitere Erinnerung mit Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 9. Dezember 2016 (Bl. 80 des vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Regierung von Oberbayern, d.h. der Ausländerakte der ZAB) teilte das Bundesamt ebenfalls unter dem 9. Dezember 2016 (Bl. 160 der Bundesamtsakte) der ZAB Oberbayern mit, dass die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren des Antragstellers gemäß Art. 29 Dublin III-VO verlängert worden sei. Das neue Fristende sei der 7. Januar 2018.

Im Folgenden enthält die „neue“, d.h. die zum streitgegenständlichen Antrags- und Klageverfahren vorgelegte Bundesamtsakte die Aufnahme eines undatierten (vermutlich 20. Januar 2017) Asylantrags des Antragstellers sowie anschließend Niederschriften über Dublin – Erst- und Zweitbefragung sowie eine Anhörung gemäß § 25 AsylG usw. Der Antragsteller hat, nach dem Akteninhalt zu urteilen wohl kurz vor dem 20. Januar 2017 (wohl am 10. Januar 2017, an dem Tag meldete sich der Antragsteller bei der Regierungsaufnahmestelle RAST, vgl. Bl. 141 der Bundesamtsakten), das Kirchenasyl verlassen und sich erneut (vgl. die zu den früheren Gerichtsverfahren vorgelegten Bundesamtsakten) beim Bundesamt gemeldet.

Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 24. Januar 2017 wurde der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Juni 2016 aufgehoben (Nr. 1), der Antrag als unzulässig abgelehnt (Nr. 2), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3) und die Abschiebung nach Spanien angeordnet (Nr. 4). Die Nr. 5 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Zur Begründung der Entscheidung in Nr. 1 des Bescheids wird auf S. 2 des neuen Bescheids (Bl. 128 der Bundesamtsakten) ausgeführt, dass der Bescheid vom 21. Juni 2016 gemäß § 48 VwVfG aufzuheben gewesen sei. Außerdem ist in der Begründung des Bescheids auf dessen Seite 5 (Bl. 131 der Bundesamtsakten), fünfter Absatz von unten, ausgeführt, dass die zuständige Ausländerbehörde mitgeteilt habe, dass der Antragsteller seit dem 4. August 2016 als untergetaucht gelte, weswegen die Überstellung auf den 7. Januar 2018 verlängert worden sei. Auf den Bescheid und seine Begründung im Übrigen wird Bezug genommen.

Mit Begleitschreiben vom 25. Januar 2017 wurde eine Kopie des Bescheids an den Bevollmächtigten des Antragstellers versandt. Mit Schreiben vom selben Tag wurde der Bescheid an den Antragsteller versendet. Laut zurückgelaufener Empfangsbestätigung (Bl. 176f. der Bundesamtsakten) wurde der Bescheid dem Antragsteller am 3. Februar 2017 ausgehändigt.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten ebenfalls vom 3. Februar 2017, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage erheben (Az. M 9 K 17.50289) und beantragen, den Bescheid vom 24. Januar 2017 aufzuheben. Außerdem ließ er beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage – Anordnung der Abschiebung nach Spanien – anzuordnen.

Hinsichtlich der Begründung von Klage und Eilantrag wird auf den Schriftsatz Bezug genommen, außerdem auf den weiteren Schriftsatz vom 18. März 2017, in dem der zwischenzeitlich eingetretene Ablauf der Überstellungsfrist geltend gemacht und darauf verwiesen wird, dass eine Verlängerung wegen Untertauchens nicht möglich gewesen sei, da der Antragsteller im Kirchenasyl gewesen sei.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren, der vorgelegten Behördenakten sowie der oben bereits angeführten weiteren beigezogenen Gerichts- und Behördenakten einschließlich der Ausländerakte der ZAB Oberbayern Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat Erfolg.

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 390), das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern sowie zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 394) und das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I, S. 1939) geänderten Fassungen zur Anwendung.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Der Antrag ist auch begründet, denn die Klage in der Hauptsache hat in Bezug auf die für den vorläufigen Rechtsschutz allein relevante Abschiebungsanordnung Aussicht auf Erfolg, weil wegen des eingetretenen Ablaufs der sog. Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin übergegangen ist. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung überwiegt daher das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung ist die Überstellungsfrist bereits abgelaufen.

Die Antragsgegnerin ist inzwischen durch Zeitablauf für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO) durchgeführt wird. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Sechsmonatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern, wie bereits ohne weiteres aus dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO folgt, eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (BayVGH, B.v.11.05.2015 – 13a ZB 15.50006 –, juris Rn. 4f.).

Im vorliegenden Fall ist die Überstellung des Antragstellers nach Spanien nicht in diesem Sinne fristgemäß erfolgt. Die sechsmonatige Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat. Vor Ablauf der Überstellungsfrist hat der Antragsteller aber Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Den Antrag (Az. M 9 S. 16.50446) hat das Gericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 abgelehnt und diesen Beschluss dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und dem Bundesamt mit Empfangsbekenntnis zugestellt und zwar dem Prozessbevollmächtigten am 11. Juli 2016 und dem Bundesamt am 12. Juli 2016. Dies hatte den neuen Beginn der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO zur Folge, denn die Überstellungsfrist wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den vor ihrem Ablauf gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unterbrochen und mit einer ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes neu in Lauf gesetzt (vgl. BVerwG, U.v.27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris Rn. 18; Vorlagebeschluss v. 27.04.2016 - 1 C 22.15 -, juris Rn. 18ff; vgl. auch SächsOVG, B.v.05.10.2015 - 5 B 259/15.A -, juris Rn. 8ff.; OVG NRW, U.v.07.07.2016 - 13 A 2302/15.A –, juris Rn. 22 – 24). Damit endete die Überstellungsfrist hier spätestens mit Ablauf des 12. Januar 2017, ohne dass aber die Überstellung durchgeführt wurde. Auf den Ablauf der Überstellungsfrist nach diesem Datum wurde die Antragsgegnerin mit Schreiben des Gerichts vom 11. Januar 2017 auch hingewiesen.

Die von der Antragsgegnerin verfügte Verlängerung der Frist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (vgl. das Schreiben des Bundesamts vom 9. Dezember 2016, Bl. 160 der Bundesamtsakte) ändert am Ergebnis nichts, da diese Fristverlängerung unwirksam ist, weil die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung nicht vorlagen.

Nach dieser Vorschrift kann die sechsmonatige Frist höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Hier kommt mangels Inhaftierung des Antragstellers nur die zweite Variante, das Flüchtig-Sein, in Betracht; hierauf wurde die Verlängerungsentscheidung der Antragsgegnerin auch gestützt. Diese Verlängerungsentscheidung ist jedoch rechtswidrig, da der Antragsteller tatsächlich nicht im Sinne der Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO flüchtig gewesen ist.

Der Antragsteller befand sich spätestens seit dem 4. November 2016 im sog. Kirchenasyl; das ergibt sich aus den vorgelegten Akten, außerdem wird von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten, dass sich der Antragsteller im sog. Kirchenasyl befand. Dieser Umstand war der Antragsgegnerin auch bekannt seit Zugang der entsprechenden Mitteilung des Bevollmächtigten am 5. November 2016 (vgl. Bl. 81 der Bundesamtsakten). In diesem Schreiben des Bevollmächtigten wird auch die Adresse des Antragstellers, unter der er sich im „Kirchenasyl“ aufhielt, mitgeteilt. Zum Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung, am 9. Dezember 2016, war der Antragsgegnerin mithin seit über einem Monat bekannt, dass sich der Antragsteller im sog. Kirchenasyl aufhält und unter welcher Adresse er zu erreichen ist.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Aufenthalt im sog. Kirchenasyl die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-Verordnung nicht erfüllt (vgl. nur VG München, U.v. 6.2.2017 - M 9 K 16.50076 - juris Rn. 11; U.v. 23.12.2016 M 1 K 16.50681 juris Rn. 18f. m.w.N.). Denn in diesem Fall fehlt es an der für die in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung geregelten Fristverlängerungstatbestände vorausgesetzten Unmöglichkeit der Überstellung durch entweder die Inhaftierung oder das Flüchtig-Sein: Ist eine Person inhaftiert oder flüchtig, so ist eine Überstellung unmöglich; die Möglichkeit der Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO soll als Ausnahme von dem den Fristen des Dublin-Systems zugrunde liegenden Beschleunigungsgrundsatz ein längeres Zuwarten bei der Rücküberstellung ermöglichen, weil ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis die Einhaltung der Frist vereitelt. Ein solches Hindernis, das einen vergleichbaren Ausnahmefall rechtfertigen könnte, besteht beim sogenannten Kirchenasyl gerade nicht. Der Staat ist weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen. Er verzichtet vielmehr bewusst darauf, das Recht durchzusetzen. Es existiert kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das sog. Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden. Der Umstand, dass die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden offenbar davor zurückschrecken, die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten bei Personen im sog. Kirchenasyl auszuschöpfen, also insbesondere auch unmittelbaren Zwang in kirchlichen Räumen anzuwenden, macht die Überstellung nicht unmöglich. Der freiwillige Verzicht auf eine Rücküberstellung im Fall des sog. Kirchenasyls ist nicht anders zu bewerten, als die Fälle, in denen eine Rücküberstellung mangels entsprechender Vollzugskapazitäten oder anderer in der Sphäre des Staates liegender Umstände nicht möglich ist. Eine in der Sphäre des Antragstellers liegendes Hindernis für den Vollzug der Rücküberstellung, wie insbesondere im Fall der Flucht, ist nicht gegeben.

Die Antragsgegnerin hätte nicht, wie geschehen, die Mitteilung des Bevollmächtigten einfach ignorieren dürfen. Vielmehr hat sie sich, obwohl ihr zum Zeitpunkt der Fristverlängerungsentscheidung aktenkundig bekannt war, wo sich der Antragsteller aufhielt, wider besseres Wissen auf die Meldung der Regierung von Oberbayern / ZAB berufen, nach der der Antragsteller nach „unbekannt“ abgemeldet und als untergetaucht behandelt wurde, was aus Sicht der Regierung von Oberbayern / ZAB als zu diesem Zeitpunkt zuständiger Ausländerbehörde auch konsequent war, da diese, anders als die Behörde der Antragsgegnerin, nichts vom sog. Kirchenasyl und der Adresse des Antragstellers in dieser Zeit wusste. Es braucht auch nicht ermittelt werden, ob der Antragsteller tatsächlich in der fraglichen Zeitspanne im sog. Kirchenasyl unter der vom Bevollmächtigten benannten Adresse zu erreichen gewesen wäre. Denn abgesehen davon, dass jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das nicht zutreffend gewesen wäre, fehlt, hat die Behörde der Antragsgegnerin nicht einmal versucht, sich zu vergewissern, ob die benannte Adresse zutrifft. Vor diesem Hintergrund braucht das im Nachhinein nicht mehr näher aufgeklärt werden.

Da somit die Verlängerungsentscheidung der Antragsgegnerin rechtswidrig gewesen ist, verbleibt es bei der ursprünglichen Dauer der Überstellungsfrist bis zum Ablauf des 12. Januar 2017. Die sechsmonatige Frist ist daher im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits längst abgelaufen. Das Verstreichen der Überstellungsfrist hat gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zur Folge, dass der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ist damit auf die Antragsgegnerin übergegangen.

Es liegt neben der soeben aufgezeigten, durch den Ablauf der Überstellungsfrist eingetretenen objektiven Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids auch eine subjektive Rechtsverletzung des Antragstellers vor. Der Antragsteller kann sich nämlich auf die mittlerweile eingetretene Zuständigkeit der Antragsgegnerin berufen. Er hat nach materiellem Asylrecht einen Anspruch darauf, dass die nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO zuständige Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführt. Dem Antragsteller kann auch nicht eine fortdauernde Aufnahmebereitschaft Spaniens entgegengehalten werden. Denn das Bundesamt hat bereits nicht vorgetragen, dass Spanien den Antragsteller trotz Ablaufs der Überstellungsfrist aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird noch Belege hierfür vorgelegt und auch davon abgesehen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür (vgl. hierzu OVG NRW, B.v.11.11.2015 – 13 A 1692/15.A –, juris Rn. 6ff.).

Dem Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller, nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Juni 2017 bei der Außenstelle ... des Bundesamts einen Asylantrag. Nachdem eine Eurodac-Abfrage ergeben hatte, dass der Antragsteller bereits am 8. Mai 2017 in Italien erkennungsdienstlich erfasst worden war, richtete das Bundesamt am 11. Juli 2017 ein Aufnahmegesuch an Italien. Eine Antwort erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 13. September 2017, zugestellt am 15. September 2017, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens, ordnete die Abschiebung nach Italien an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Am 20. September 2017 erhob der Antragsteller Klage und beantragte zugleich,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid seien in dem italienischen Asyl- und Aufnahmesystem sehr wohl systemische Mängel gegeben. Es bestünden weiterhin erhebliche Mängel des Aufnahmeverfahrens, insbesondere im Hinblick auf die extrem hohe Zahl der über das Mittelmeer in Italien ankommenden Flüchtlinge. Selbst wenn man die Bedingungen während des Asylverfahrens für junge gesunde Männer in Italien grundsätzlich als menschenrechtlich noch akzeptabel ansehe, bestünden auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg Anhaltspunkte dafür, dass die in Italien herrschenden Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte noch schlechter seien als für Asylbewerber. Sollten die Bedingungen im Anschluss an ein positives Asylverfahren nicht den menschen- und grundrechtlichen Standards von Art. 3 EMRK bzw. Art. 3 GRCh entsprechen, stehe diese absehbare Rechtsverletzung bereits der Überstellung eines Asylsuchenden entgegen, die der Durchführung eben jenes Asylverfahrens diene. Deshalb habe der VGH Baden-Württemberg dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen zur Zulässigkeit von Dublin-Überstellungen nach Italien vorgelegt. Auch dies begründe den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet. Da die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Interesse an der alsbaldigen Überstellung des Antragstellers nach Italien sein gegenläufiges Interesse an einem weiteren Verbleib in Deutschland.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Italien rechtmäßig. Nach dieser Bestimmung ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Da Italien das Aufnahmegesuch des Bundesamts vom 11. Juli 2017 nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten beantwortet hat, ist es verpflichtet, den Antragsteller aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen (vgl. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO). Die kraft der Verordnung fingierte Zustimmung Italiens zur Aufnahme des Antragstellers entfaltet konstitutive Wirkung (vgl. BayVGH, U.v. 21.5.2015 – 14 B 12.30323 – BayVBl 2015, 682 zur Dublin II-VO).

Systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen, die für Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 4 EU-Grundrechte-Charta mit sich bringen würden, gibt es in Italien nicht (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5 f.; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 65 ff. m.w.N.; U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris Rn. 72 ff.; VG München, B.v. 6.7.2017 – M 9 S. 16.51285 – juris Rn. 27 ff.). Da in den letzten Monaten deutlich weniger Flüchtlinge und Migranten über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, dürften sich die dortigen Aufnahmebedingungen zuletzt sogar verbessert haben.

Das Gericht teilt nicht die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof vertretene Auffassung, dass in sogenannten Dublin-Verfahren auch eine Prüfung der für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zu erwartenden Lebensumstände zu erfolgen hat (vgl. VGH BW, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris Rn. 25). Dies sieht die Dublin III-Verordnung nicht vor (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Auch der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz nicht. Vielmehr ist es einem Asylbewerber zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens in dem für ihn zuständigen Mitgliedstaat abzuwarten und gegebenenfalls den dort garantierten Rechtsschutz durch die zuständigen Gerichte in Anspruch zu nehmen, falls nach Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus die Lebensbedingungen menschenrechtlichen Mindeststandards nicht genügen sollten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens widersprechen würde, von dem für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens an sich nicht zuständigen Mitgliedstaat eine wenn auch nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten zu verlangen. Eine Prognose der Erfolgsaussichten des in einem anderen Mitgliedstaat durchzuführenden Asylverfahrens wird zudem in der Regel mit großen Unsicherheiten belastet sein und einen zusätzlichen Ermittlungsaufwand erfordern, der für die angestrebte beschleunigte Bearbeitung der Asylanträge kontraproduktiv ist. In Dublin-Verfahren auf die Lebensumstände im Fall der Gewährung eines internationalen Schutzstatus abzustellen, ist zudem deshalb nicht sachgerecht, weil auch ungewiss ist, ob und wie sich die allgemeinen Lebensbedingungen für diesen Personenkreis im Lauf des sich unter Umständen jahrelang hinziehenden Asylverfahrens des Antragstellers verändern. Eine Prognose über die Lebensumstände, die der Antragsteller für den Fall einer Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien zu erwarten hätte, wäre folglich mit zahlreichen Unwägbarkeiten befrachtet und weitgehend spekulativ.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind hinsichtlich Italiens nicht ersichtlich. Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote bezieht sich in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat. Eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9.16 – m.w.N.). Das Bundesamt hat daher zu Recht darauf abgestellt, ob zugunsten des Antragstellers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italiens besteht. Dies wurde zutreffend verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben) äthiopischer Staatsangehöriger und geboren am ... 1993 (mitunter gab er wohl auch andere Geburtsdaten an, vgl. Bl. 21 und 27 der Bundesamtsakten: 1.1.1986 und anderer Geburtsort). Er wurde am 1. November 2016 wegen unerlaubter Einreise (in Kiefersfelden) bzw. unerlaubten Aufenthalts unter Verstoß gegen ein bestehendes Einreise-/Aufenthaltsverbot in Rosenheim vorläufig festgenommen. Der Antragsteller wurde bereits am 2. Oktober 2016 aus Deutschland nach Österreich zurückgeschoben, anlässlich dieser Zurückschiebung wurde ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt (Bl. 8 - 13 der Bundesamtsakten). Bereits am 6. Juni 2016 wurde dem Antragsteller am Grenzübergang Freilassing die Einreise verweigert (Bl. 14 der Bundesamtsakten). Bis 25. Dezember 2016 verbüßte der Antragsteller wegen der unerlaubten Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Bernau. In Zusammenhang mit den Ermittlungen, die zu der entsprechenden Verurteilung führten, wurde der Antragsteller am 1. November 2016 polizeilich vernommen; auf die Niederschrift der Vernehmung wird Bezug genommen (Bl. 24 - 26 der Bundesamtsakten). In der Bundesamtsakte wird der Antragsteller als sog. „Aufgriffsfall“ ohne Asylantragstellung im Bundesgebiet geführt.

Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac-Treffer für Österreich (AT...62; Bl. 18 und 28 der Bundesamtsakten).

Auf seine Angaben in der Erst- und Zweitbefragung Dublin jeweils im schriftlichen Verfahren („Questionnaire for determining the member state responsible for examining an application - initial inquiry“, Bl. 34 - 36 der Bundesamtsakten und „Questionnaire for determining obstacles to deportation in Dublin procedure - supplementary enquiry“, Bl. 37f. der Bundesamtsakten) wird Bezug genommen. Gesundheitliche Einschränkungen hat der Antragsteller dort nicht angegeben (vgl. Bl. 37 unten und Bl. 38 oben der Bundesamtsakten), anders als in der polizeilichen Vernehmung am 1. November 2016, in der er von allerdings nicht näher spezifizierten „gesundheitlichen Problemen“ sprach (Bl. 26 der Bundesamtsakten).

Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 16. November 2016 an Österreich antworteten die österreichischen Behörden mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24. November 2016 (Bl. 59 der Bundesamtsakten) und verwiesen unter Vorlage eines Schreibens der italienischen Behörden (Ministero dell‘ Interno) vom 3. August 2016, in dem Italien das Einverständnis mit einer Überstellung nach der Dublin III-VO erklärt, auf die Zuständigkeit Italiens. Daraufhin richtete die Antragsgegnerin unter dem 29. November 2016 ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Italien an (Nr. 1). Die Nr. 2 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.

Mit Begleitschreiben ebenfalls vom 14. Dezember 2016 wurde der Bescheid an den Antragsteller versandt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 16. Dezember 2016 zugestellt.

Der Antragsteller erhob hiergegen mit Schreiben vom 23. Dezember 2016, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage (Az.: M 9 K 16.51284) mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Außerdem beantragte er im selben Schriftsatz,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung von Klage und Antrag ist im Schreiben des Antragstellers ausgeführt, dass er Probleme mit den Augen habe, nachdem er in seiner Heimat geschlagen worden sei. Deshalb könne er Dinge, die direkt vor ihm seien und auf ihn zukämen, nicht richtig sehen und ihm sei deshalb schwindlig. Er bekomme dafür in Italien keine ausreichende medizinische Behandlung.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den aktuellen Fassungen (AsylG: zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, BGBl I, 872; AufenthG: zuletzt geändert durch das Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 8.6.2017, BGBl I, 1570) zur Anwendung.

Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dass mit der Klage neben dem Anfechtungszusätzlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgt wird, das sich in der Hauptsache als unzulässig erweisen wird (vgl. hierzu VG München, U.v. 1.12.2016 - M 9 K 16.50067 - juris Rn. 24 m.w.N.), ist für das Antragsverfahren unschädlich.

Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2016, auf den im Sinne von

§ 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.

Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

1. Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.

Das Gericht geht davon aus, dass Italien gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO der originär zuständige Mitgliedstaat ist. Die Vorschrift sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ob das hier Italien ist, steht nicht bereits auf Grund der Angaben des Antragstellers fest. Zwar hat die Antragsgegnerin auch keinen Eurodac-Treffer für Italien. Vielmehr hat sich die Antragsgegnerin mit der Auskunft der österreichischen Behörden begnügt, dass eine originäre Zuständigkeit Italiens nach der Dublin III-Verordnung besteht, obwohl es mindestens nahe gelegen hätte, sich die italienische Eurodac-Treffernummer von den österreichischen oder den italienischen Behörden übermitteln zu lassen. Gleichwohl ist dieses Vorgehen in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. hierzu für einen ähnlichen, aber weniger eindeutigen Fall VG München, B.v. 6.3.2017 - M 9 S. 17.50277 - juris Rn. 24), da erstens die Eurodac-Treffermeldung nicht das einzige Beweismittel für die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats ist, wie der Dublin III-Verordnung an mehreren Stellen (z.B. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 oder auch Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Unterabs. 2) zu entnehmen ist, zweitens keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Auskunft der österreichischen Behörden falsch sein könnte und vor allem drittens im hiesigen Fall wegen der von Österreich übermittelten italienischen Zustimmung zur Überstellung feststeht, dass die Zuständigkeit Italiens besteht und auch nicht bestritten wurde.

Es ist auch zwischenzeitlich kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin eingetreten.

Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO steht der Zuständigkeit Italien nicht entgegen. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Verfahrens zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, der hier wegen fehlender Angaben des Antragstellers nicht genau nachvollzogen werden kann, der aber nach den zeitlichen Zusammenhängen vermutlich etwas länger zurückliegt als zwölf Monate. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem Mitgliedstaat ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Antrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob die zwölfmonatige Frist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist (vgl. OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 - juris Rn. 46 ff. zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO; VG Minden, B.v. 18.2.2015 - 10 L 107/15.A - juris Rn. 22 ff.). Demnach steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO der Zuständigkeit Italiens nicht entgegen.

Auch ein Zuständigkeitsübergang wegen eines zwischenzeitlichen Ablaufs der Überstellungsfrist ist nicht gegeben. Der Umstand, dass eine Überstellung des Antragstellers nach Italien bisher nicht stattgefunden hat, bewirkt keinen Zuständigkeitsübergang gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Der von Österreich verfügten Verlängerung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO - die wegen des aus österreichischer Sicht erfolgten Untertauchens des Antragstellers in Gestalt von dessen wiederholten illegalen Einreisen in das Bundesgebiet, die in der vorgelegten Behördenakte dokumentiert sind, ohne weiteres gerechtfertigt ist - bedurfte es dafür gar nicht. Denn gerechnet ab der italienischen Annahmeerklärung (Schreiben vom 3.8.2016) bis zum Eingang des hiesigen Rechtsbehelfs des Antragstellers bei Gericht (23.12.2016) war die in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin Var. 1 III-VO („spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat“) geregelte Frist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen. Ab Eingang des hiesigen Rechtsbehelfs dagegen tritt eine Unterbrechung dieser Sechs-Monats-Frist ein, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin Var. 2 III-VO („oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat“). Der Lauf einer „neuen“ Sechs-Monats-Frist beginnt erst mit Zustellung dieses Beschlusses (vgl. hierzu BVerwG, U.v.27.4.2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 18; VG München, U.v.1.12.2016 - M 9 K 16.50067 - juris Rn. 20 m.w.N.).

Da die italienischen Behörden auf das (erneute) Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).

2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.

Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 - 13a B 13.30295 -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 - 13 A 316/17.A - juris Rn. 3 - 5; U.v.22.09.2016 - 13 A 2248/15.A -, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 - 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 - 14 A 2356/12.A -, juris; U.v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 - 10 A 10656/13.OVG -, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 - 3 L 645/12 -, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 - OVG 7 S. 33.13 -, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; U.v.25.06.2015 - 11 LB 248/14 -, juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 - 2 BvR 732/14 -, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).

Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 - Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 -, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 - Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 -, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 - 2 BvR 2333/08 -, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 - HUDOC) ausdrücklich bestätigt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles des Antragstellers mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.

Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA - Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden.

Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https://www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 - 16 A 1757/15 As SN -, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 - 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 103ff.).

Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O.).

Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 - a.a.O.).

Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 - 39350/13 - A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 -, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 - Au 7 S. 15.50412 -, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 - M 18 S. 14.50356 - juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller, der noch dazu jedenfalls nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren gesund ist, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Der Antragsteller hat geltend gemacht, dass er an gesundheitlichen Einschränkungen in Bezug auf die Augen und die Sehfähigkeit leide. Dieser Vortrag steht aus zwei unabhängig voneinander Geltung beanspruchenden Gründen der Überstellung nach Italien nicht entgegen. Erstens hat der Antragsteller weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren auch nur irgendeinen Nachweis hierfür vorgelegt, obwohl ihm das ohne weiteres möglich gewesen wäre - insbesondere wäre dafür mehr als genug Zeit gewesen - und obwohl es Sache des Antragstellers ist, behauptete gesundheitliche Einschränkungen, die einer Überstellung entgegen stehen könnten, detailliert geltend zu machen und vor allem zu belegen. Zweitens trifft es nach dem oben Gesagten nicht zu, dass eine medizinische Behandelbarkeit in Italien nicht besteht. Es sind keine Umstände ersichtlich, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine erforderliche Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Auf die Ausführungen auf Seite 14 und 15 dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Das bedeutet, dass der Antragsteller, unterstellt, seine (nicht belegte) Behauptung einer gesundheitlichen Einschränkung träfe zu, in Italien ohne weiteres behandelt werden kann. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 25.8.2015 - 13 K 1723/15.A - juris Rn. 98ff.).

Es fehlt auch nicht an der von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG aufgestellten Voraussetzung, dass die Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Zwar ist dem italienischen Annahmeschreiben (auf das österreichische Übernahmeersuchen) vom 3. August 2016 zu entnehmen, dass eine Überstellung bis zum 3. Februar 2017 durchgeführt worden sein muss. Allerdings liegt wegen der nicht erfolgten Reaktion Italiens auf das erneute deutsche Übernahmeersuchen wegen des Eintritts der Fiktion gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eine erneute Stattgabe Italiens vor, so dass es auf die Modalitäten der ursprünglichen Annahme des italienischen Wiederaufnahmegesuchs nicht mehr ankommt.

Schließlich ist der streitgegenständliche Bescheid auch nicht deswegen zu beanstanden, weil entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 AsylG keine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG (in Bezug auf den Dublin-Zielstaat, vgl. BVerwG, B.v.3.4.2017 - 1 C 9/16 - juris Rn. 9) getroffen wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht allein deswegen rechtswidrig, weil in dem Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Feststellung zu nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG fehlt (BVerwG, B.v.3.4.2017 - 1 C 9/16 - juris Rn. 10).

3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der nach seinen Angaben am ... geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er behauptete zunächst am 26. Januar 2016, später am 10. April 2016 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein und stellte am 2. August 2016 Asylantrag.

Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am ... August 2016 erklärte er, er sei im Oktober 2015 aus Nigeria ausgereist und über Niger und Libyen mit dem Boot nach Italien gefahren, wo er am 13. Dezember 2015 eingereist sei. In Italien habe er sich einen Monat aufgehalten und sei anschließend auf dem Landweg nach Deutschland weitergereist. Am 13. Dezember 2015 habe man in Italien seine Fingerabdrücke genommen. Er habe einen Monat in einer Notunterkunft in Messina verbracht. Bei einer EURODAC-Abfrage ergab sich ein Treffer der „Kategorie 2“, IT2... Am 23. August 2016 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien gerichtet, auf das innerhalb der festgesetzten Frist (2 Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der Kategorie 2) nach der Dublin-III-VO keine Antwort beim Bundesamt einging.

Mit Bescheid vom 25. November 2016 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1.), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2.), die Abschiebung nach Italien angedroht (Ziff. 3.) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Unzulässigkeit des Asylantrags ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Italien aufgrund der illegalen Einreise nach Italien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.

Auf die Begründung des Bescheids, die sich vor allem auch mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel auseinandersetzt, wird verwiesen.

Eine Zustellung des Bescheids vom 25. November 2016 ist aus den Akten nicht ersichtlich.

Mit einem am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom ... Dezember 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2016 - zugestellt am 30. November 2016 - und beantragte gleichzeitig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2016 anzuordnen.

Zur Begründung von Klage und Antrag wurden im Wesentlichen systemische Mängel in Italien geltend gemacht und angeführt, dass die Dublin-III-VO faktisch außer Kraft gesetzt sei, da die Bundesregierung seit September 2015 die Regelungen der Dublin-III-VO aufgekündigt habe, indem sie seitdem die Einreise der in Ungarn festsitzenden, aber nicht registrierten Flüchtlinge ermöglicht habe.

Der Antragsteller leide an psychischen Problemen, die von Erlebnissen in der Heimat und der Flucht herrührten, aber bislang verdrängt worden seien. Wegen mangelnder Kenntnis der Behandlungsmöglichkeiten eben dieser Beschwerden und der Unklarheit des Zugangs zu einer ärztlichen Versorgung hier als Asylbewerber sei zum Zeitpunkt der Antragstellung und der Zweitbefragung noch keine ärztliche Behandlung vorgenommen worden.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 die elektronische Akte vor, stellte aber keinen Antrag.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2017 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. ... vom 14. Dezember 2016 vor, in dem „eine affektive Störung, eine depressive Episode mittelgradiger Ausprägung ohne somatisches Syndrom“ festgestellt wird. „Differenzialdiagnostisch sei auch an eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptomatik“ zu denken.

Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegte Behördenakte und insbesondere Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.

II.

1. Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

An der Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (vgl. § 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

1.1 Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Antragsteller illegal nach Italien eingereist ist. Dies ergibt sich aus dem EURODAC-Treffer der „Kategorie 2“. Damit ist Italien nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig.

Da Italien das am 23. August 2016 gestellte Übernahmeersuchen innerhalb der festgesetzten Frist (2 Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der Kategorie 2 nicht beantwortet hat, gilt das Übernahmeersuchen gemäß Art. 22 Abs. 7 VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates damit als angenommen und akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen.

Da sich die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts vom 25. November 2016 nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist, führt die vorzunehmende Interessenabwägung im Fall des Antragstellers zu einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses.

2. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

2.1 Italien ist als Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller ausweislich des erzielten EURODAC-Treffers einen Asylantrag gestellt hat, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (Art. 3 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO). Nach Aktenlage hat Italien das gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO rechtzeitig gestellte Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 1 Dublin-III-VO nicht beantwortet. Gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin-III-VO ist davon auszugehen, dass von italienischer Seite dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen.

2.2 Entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist die Dublin-III-Verordnung weder faktisch noch tatsächlich außer Kraft gesetzt. Vielmehr verfährt die Antragsgegnerin grundsätzlich regelhaft nach der Dublin-III-VO. Die Zulassung der Einreise der im August 2015 in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge war eine zeitlich befristete Maßnahme. Eine Aufkündigung des Dublin-III-Abkommens durch die Bundesregierung erfolgte rechtlich nicht. Auch eine faktische Außer-Kraft-Setzung liegt nicht vor, da die Dublin-III-VO mit Ausnahme eines kurzen Zeitraums vollzogen wurde und wird.

2.3 Die Zuständigkeit liegt auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO bei der Antragsgegnerin (oder einem anderen Mitgliedsstaat), weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EUGrdRCh - ausgesetzt wäre.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris Rn. 181). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und C-493/10 - juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.

Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12 - juris, BVerfG, U. v. 14.5.1996 a. a. O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m. w. N., B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (s. hierzu statt vieler aktuell OVG NW, U. v. 18.7.2016 - 13 A 1859/14.A - juris Rn. 41 ff. m. w. N., U. v. 7.7.2016 - 13 A 2302/15.A - juris Rn. 41). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. (vgl. OVG NRW, U. v. 18.7.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 - juris Rn. 24 m. w. N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 a. a. O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften; es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. - wenn sie das noch nicht getan haben - einen Asylantrag oder - falls das Asylverfahren in Italien mit negativem Ergebnis bereits abgeschlossen sein sollte - einen Folgeantrag stellen können (s. OVG NRW, U. v. 19.5.2016 - 13A 516/14.A - juris Rn. 65 ff.).

Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt, sondern vielmehr nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

2.4 Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso wenig ersichtlich wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.

Die Behauptung, der Antragsteller leide unter gesundheitlichen Einschränkungen, die ein Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen würden, führt, abgesehen davon, dass es sich bei der geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung um eine Standardbehauptung handelt, zu keiner anderen Bewertung. Der Einwand, der Antragsteller sei über Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland nicht informiert gewesen, erscheint in keiner Weise glaubhaft, da nach den Erfahrungen des Gerichts Asylbewerber in der Regel - schon aufgrund der meist bestehenden guten Vernetzung untereinander - relativ schnell Kenntnis von ihren Rechten und den Sozialleistungen, die in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen werden können, erhalten.

Auch das am ... Januar 2017 vorgelegte Attest rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Gesetzgeber geht mit dem seit dem 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016 - BGBl I S. 390) neu eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nunmehr davon aus, dass nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Eine solche wurde durch das Attest vom 14. Dezember 2016 nicht belegt (vgl. BayVGH, B. v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

Tenor

Der Antrag vom 18. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 5886/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 21. September 2016. Denn die Abschiebungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten.

2

Die Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.

3

Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich:

4

1. Für die Durchführung des Asylverfahrens ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 – Dublin III-VO), nicht die Antragsgegnerin, sondern der italienische Staat zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG). Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Urteile der Großen Kammer des EuGH v. 7.6.2016, C-63/15 und C-155/15, beide juris) hat ein Asylsuchender im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Anspruch auf Prüfung der fehlerfreien Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den in Kapitel III der Dublin III-VO aufgeführten Kriterien.

5

a) Italien ist nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz. Denn der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben von Afghanistan aus im Mai 2016 nach Italien gelangt, hielt sich dort etwa drei Tage auf und wurde erkennungsdienstlich behandelt. Dies bestätigt ein entsprechender EURODAC-Treffer der Kategorie 2.

6

b) Auf das Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2016 hat Italien nach Aktenlage nicht reagiert. Nach Art. 22 Abs. 7 i. V. m. Abs. 1 Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat mit dem Gesuch befasst wurde, keine Antwort erteilt wird. Damit ist Italien seit dem 14. September 2016 zuständig.

7

c) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Italien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.

8

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris) liegen systemische Mängel vor, wenn es sich um Defizite handelt, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dabei müssen das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, juris). Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn hierfür kompetente Stellen wie der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 3.3.2015, 10 A 4414/14, n. v.; s. auch die Erwägungsgründe 22 und 23 sowie Art. 33 der Dublin III-VO).

9

Gemessen hieran sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen in Italien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich (vgl. dazu ausführlich OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris; Urt. v. 7.7.2016, 13 A 2238/15.A, juris; ebenso Bundesverwaltungsgericht Österreich, Spruch v. 14.12.2015, W153 2116055-1/7E). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (v. 17.9.2014, u.a. 2 BvR 1795/14, juris) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung der Großen Kammer v. 4.11.2014, Tarakhel, Nr. 29217/12) geben für den Fall des volljährigen Antragstellers, der als junger Alleinreisender nicht zu einer besonders schutzwürdigen Gruppe gehört, nichts her. Systemische Mängel in Italien werden in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt. Beide Gerichte haben vielmehr unter Hervorhebung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern die Auffassung vertreten, eine Überstellung nach Italien bedürfe einer vorherigen Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden, dass die jeweils betroffenen Asylsuchenden in Italien in einer der besonderen Situation von Kindern gerecht werdenden Einrichtung gemeinsam mit ihren Eltern untergebracht werden. Diese Entscheidungen, selbst wenn man etwa die Entscheidung des EGMR als Hinweis auf einen systembedingten Mangel der Aufnahmebedingungen in Italien für eine bestimmte Personengruppe verstehen wollte, treffen für den Fall des Klägers indes keine Aussage. So hat auch der EGMR (Entscheidung der Dritten Kammer v. 5.2.2015, A.M.E against the Netherlands, Nr. 51428/10) für einen 21 Jahre alten Mann entschieden, dass eine Verletzung in dem Recht aus Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien nicht zu befürchten ist.

10

Nichts anderes folgt aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf) vom August 2016 (ebenso VG Schwerin, Urt. v. 26.9.2016, 16 A 1757/15 As SN, juris). Auch der genannte Bericht liefert keine Hinweise darauf, dass Italien zur Bewältigung der Probleme durch die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen ergreift. Vielmehr reagiert Italien gerade im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden sehr flexibel auf den steigenden Zustrom (OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris). Dies bestätigen auch die von der Österreichischen Botschaft Rom dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich übermittelten Zahlen über die in Italien in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen, die auf Auskünften des italienischen Innenministeriums beruhen (Länderreport von Österreich v. 2.8.2016 und v. 29.9.2016). Danach waren in Italien mit Stand 27. Juli 2016 139.207 Personen untergebracht, davon 1.016 in Hotspots, 13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGO´s und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Mit Stand 26. September 2016 waren 160.030 Personen untergebracht, davon 980 in Hotspots, 13.377 in Erstaufnahmezentren, 123.481 in temporären Strukturen und 22.192 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Soweit der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe darauf verweist, dass Personen Obdachlosigkeit drohe, weil ein Anspruch auf Unterbringung in einem Aufnahmezentrum nicht mehr besteht, wenn dieses ohne Genehmigung verlassen wurde, so begegnet dies keinen Bedenken, weil dieser Umstand an ein von den jeweils Betroffenen zu vertretendes Verhalten anknüpft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederaufnahme mit Genehmigung der Präfektur gewährt werden kann und in Gemeinden ausweislich des Berichts Informationsschalter bestehen, an denen Unterkunftsplätze auf Gemeindeebene vermittelt werden können. Im Übrigen folgt aus dem Bericht, dass das italienische Sozialsystem die Deckung der Elementarbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung in noch ausreichender Weise gewährleistet.

11

2. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Italien – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris), nicht berufen. Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.

12

3. Ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 6 Monate rechtmäßig ist, kann dahinstehen. Denn die Rechtmäßigkeit der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, wirkt sich nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung aus, wenn der Antragsteller ausnahmsweise einen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf „Null“ hätte, wenn damit also auch die Ausreiseverpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entfiele (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014, 1 C 2/13, juris). Umstände, die einen solchen Anspruch begründen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Für den Fall von zu lang bemessenem Einreise- und Aufenthaltsverbot ist es dem Antragsteller zuzumuten, auszureisen und einen ggf. erforderlichen Rechtsstreit vom Ausland aus zu führen.

II.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

III.

14

Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch gemessen an dem im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten des Antragstellers anzulegenden großzügigen Maßstab, der lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2016, 1 So 42/16, juris), aus den unter I. genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Bescheids der Beklagten, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.

Der am ... 1994 in ..., Äthiopien, geborene Kläger ist äthiopischer Staatsbürger, gehört der Volksgruppe der Oromo an und ist islamischen Bekenntnisses. Er reiste am 1. März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 9. März 2015 Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) lagen aufgrund eines EURODAC Treffers Italien der Kategorie 1 (IT1SA01ISH) vom 26. März 2015 Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens vor. Der Antragsteller hatte bereits am 18. Februar 2015 in Italien Asyl beantragt. In seiner Befragung durch das Bundesamt am 19. Juni 2015 gab der Kläger an, er sei Anfang des Jahres 2015 mit einem Fischerboot von Libyen über das Mittelmeer nach Italien gekommen.

Am 23. April 2015 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an Italien. Eine Antwort der zuständigen italienischen Behörde erfolgte nicht innerhalb der nach Art. 25 Abs. 1 S. 2 Dublin III-VO auf zwei Wochen verkürzten Frist.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2015, dem Kläger am 9. Juli 2015 zugestellt, hat die Beklagte den Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet (Ziffer 2).

Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Oktober 2015 abgelehnt (AN 14 S 15.50315).

Im Klageverfahren beantragt der Kläger,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2015 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juli 2015 ist unter Zugrundelegung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 27a AsylG i. V. m. der Dublin III-VO.

Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ist dies der Fall, ist nach § 34a Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen, ohne dass es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf.

Im vorliegenden Fall ist der Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylG unzulässig, da die Republik Italien nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Dublin III-VO ist auf den Kläger als äthiopischen Staatsangehörigen und damit Drittstaatsangehörigen i. S. v. Art. 2 Lit. 1 Dublin III-VO anzuwenden, der noch in keinem Staat einen Schutzstatus erhalten hat. Aufgrund des EURODAC Treffers der Kategorie 1 steht fest, dass der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat. Die Republik Italien treffen daher die sich aus den Art. 18 ff. Dublin III-VO ergebenden Pflichten, insbesondere die Pflicht, den Kläger wieder aufzunehmen.

Am 23. April 2015 richtete das Bundesamt das erforderliche Wiederaufnahmegesuch an Italien. Nachdem die italienischen Behörden auf dieses Gesuch nicht innerhalb der gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO geltenden Frist von zwei Wochen geantwortet haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nach Ablauf der 2-Wochen-Frist, also am 8. Mai 2015, davon auszugehen, dass Italien dem Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten stattgegeben hat.

Die Zuständigkeit Italiens ist nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Dublin III-VO entfallen. Nach § 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. Der deutsche Gesetzgeber hat auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 3 lit. c) Dublin III-VO in § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag nicht zulässig ist. Damit kommt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 29 UAbs. 1 Dublin III-VO zu. Der Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist wird demnach durch die rechtzeitige Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO unterbrochen und beginnt mit Erlass des ablehnenden Beschlusses, hier mit Zustellung des ablehnenden Beschlusses vom 19. Oktober 2015, von neuem zu laufen (so zuletzt VG Ansbach, B. v. 28.7.2015 - AN 14 S 15.50184; B. v. 11.8.2015 - AN 14 S 15.50234; ebenso: Sächs. OVG, B. v. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A -, juris; VG Aachen, U. v. 19.8.2015 - 6 K 2553/14.A, juris, VG Minden, U. v. 29.4.2015 - 10 K 2430/14.A - juris; VG Frankfurt, B. v. 5.2.2015 - 5 K 567/14 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 29.12.2014 - 23 L 3127/14.A - juris; VG Karlsruhe, B. v. 30.11.2014 - A 5 K 2026/14, juris; a.A. VGH Bad.-Württemberg, U. v 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris und U. v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - juris; VG Würzburg, B. v. 9.4.2015 - W 3 S 15.50067 - juris, die nur von einer Fristhemmung während des vorläufigen Rechtsschutzes ausgehen mit der Folge, dass die Frist nach negativem Abschluss des Verfahrens nicht neu beginnt, sondern weiterläuft). Ausgehend davon ist die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall nicht abgelaufen, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO entfallen ist.

Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO gehindert, den Kläger nach Italien überzustellen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zuständigen Mitgliedstaat - hier Italien - systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EU-Grundrechtecharta (bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK) darstellen. Davon ist im Hinblick auf den Mitgliedstaat Italien nicht auszugehen. Diese Einschätzung entspricht der bisherigen Rechtsprechung der Kammer sowie der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte und Obergerichte (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris und U. v. 24.4.2015 - 14 A 2356/12.A - juris; VG Augsburg, U. v. 19.10.2015 - Au 5 K 15.50416 - juris; VG des Saarlandes, U. v. 6.3.2015 - 3 K 832/14 - juris; VG Ansbach, zuletzt U. v. 28.8.2015 - AN 14 K 15.50172 - juris; B. v. 28.7.2015 - AN 14 S 15.50184 - juris; B. v. 11.8.2015 - AN 14 S 15.50234 - juris). Bestätigt wird diese Auffassung durch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13.1.2015 (Nr. 51428/10) sowie vom 30.6.2015 (Nr. 39350/13).

Einer der Hauptzwecke der Dublin III-VO ist die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2 und 4 der Dublin III-VO; BVerwG, B. v. 19.3.2014, 10 B 6/14 - juris). Dieses System basiert auf dem gegenseitigen Vertrauen, dass die Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union entsprechend den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) behandelt werden (vgl. EuGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, RS: C-411/10 und C-493/10). Diese Grundannahme findet auch auf die Republik Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union Anwendung. Sie kann allerdings auf Grundlage von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO widerlegt werden, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem betreffenden Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen. Solche systemischen Mängel können nicht allein deshalb angenommen werden, weil Asylsuchenden in dem betreffenden Mitgliedstaat in Einzelfällen Grundrechtsverletzungen drohen. Vielmehr muss sich die konkrete Gefahr einer solchen Grundrechtsverletzung aus der grundsätzlichen Behandlung von Asylsuchenden ergeben. Sie muss in dem System selbst angelegt sein, weil es so defizitär ist, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. EuGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, Rs. 10-394/12; BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Darüber hinaus müssen diese Missstände derart offensichtlich sein, dass sie auch von dem überstellenden Mitgliedstaat ohne weiteres erkannt werden können und aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit von den Behörden und Gerichten verlässlich prognostiziert werden können (vgl. EuGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, RS: C-411/10 und C-493/10; BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris; B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). In einem solchen Fall wäre die Abschiebung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat unzulässig.

Für die Frage nach dem Vorliegen systemischer Mängel können verschiedene Kriterien herangezogen werden. Unter anderem ist danach zu fragen, ob überhaupt eine Struktur zur Aufnahme von Asylbewerbern besteht, wie der Zugang für Asylbewerber zu diesen Einrichtungen und zum Asylverfahren gestaltet ist, ob Zugang zu medizinischer, auch psychologischer und psychiatrischer Betreuung besteht, inwieweit Asylsuchende verpflegt werden und nicht zuletzt, ob für sie in dem betroffenen Mitgliedstaat gegen Entscheidungen im Asylverfahren effektiver Rechtsschutz möglich ist (vgl. zu diesen Kriterien auch OVG Münster, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Ausgehend davon stehen der Rückführung des Klägers nach Italien systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht entgegen.

Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren ist darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Dennoch ist in dem Mitgliedstaat Italien ein an sich funktionierendes Asylsystem vorhanden. Von insgesamt 35.180 Entscheidungen über die Zuerkennung eines Schutzstatus fielen im Jahr 2014 20.580 Entscheidungen positiv aus (vgl. Pro Asyl, Zahlen und Fakten 2014). Mit ca. 59 Prozent bringt das italienische Asylverfahren damit eine seit Jahren gleichbleibend hohe Schutzquote hervor (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Bern, Oktober 2013, S. 7). Dies kann als Zeichen für ein funktionierendes System gesehen werden. So stellt auch der UNHCR fest, dass Anstrengungen unternommen wurden, die Verfahren zu beschleunigen (vgl. UNHCR, Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 6 f.).

Es bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für Dublin-Rücküberstellte. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 15 ff.). Die Einbeziehung solcher nichtstaatlicher Träger in die Betreuung Asylsuchender kann dem italienischen Staat auch zugerechnet werden, da diese Träger nicht ausschließlich aus eigenem Antrieb tätig werden, sondern auch auf staatlichen Auftrag hin (vgl. Ebd., S. 14, 22, 33; OVG Münster, U. v. 7.3.2014, Az.: 1 A 21/12.A). Nach Angaben des Jesuitenhilfswerkes Centro Astalli und des italienischen Innenministeriums wurde die Zahl der Unterbringungsplätze in der jüngsten Vergangenheit bedeutend erhöht (vgl. Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu einer Anfrage des VG Schwerin vom 23. April 2015). Das zeigt, dass der italienische Staat der steigenden Anzahl an Asylbewerbern nicht untätig gegenübersteht.

Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten (Art. 5 Ziff. 5 Decreto Legislativo Nr. 140 vom 30.3.2005). Damit wurde die damalige europäische Aufnahmerichtlinie umgesetzt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 12). In der Praxis wird Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst mit der formellen Registrierung des Asylantrags (verbalizzazione) gewährt. Hierdurch kann eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen. Die Behörden sind darum bemüht, diese zu verringern (vgl. Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu einer Anfrage des VG Schwerin vom 23. April 2015). Die Gewährung von Schutz wird also an die Stellung des Asylantrags geknüpft. Wenn Personen - was vorkommt - in Italien bewusst keinen Asylantrag stellen, weil sie lieber in ein anderes europäisches Land möchten, finden sie auch keinen Zugang zu den Aufnahmezentren. Dieses Verhalten ist dem italienischen Staat aber nicht zuzurechnen, weil diese Personen bewusst abseits des Systems bleiben. Dublin-Rückkehrer haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften. Ihre Ankunft dort wird (etwa durch die Abgabe von Zugfahrkarten) von den italienischen Behörden unterstützt (vgl. Ebd., S. 13 f.). Bei ihnen ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben können, bzw. einen Asylantrag stellen können, wenn sie das noch nicht getan haben (vgl. Ebd., S. 13 f.; UNHCR, a. a. O.).

Auch funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 49 f.). Die Asylsuchenden haben während des Asylverfahrens auch Anspruch auf Verpflegung. Hierzu zählen Nahrung, Kleidung und Hygieneartikel (vgl. Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 21.1.2013 für das OVG Sachsen-Anhalt, Az.: 3 L 171/12). Laut dem Lagebericht der Organisation bordermonitoring.eu vom 5. Februar 2013 ist der Nachweis eines festen Wohnsitzes Voraussetzung für den Erhalt eines Gesundheitsausweises. Andere Quellen bestätigen dies (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 49 f.), weisen aber zugleich darauf hin, dass es für Asylsuchende ausreiche, eine virtuelle Adresse bei einer Nichtregierungsorganisation anzugeben. Auch wenn dies in der Praxis zum Teil an fehlender Information scheitern mag, kann der Umstand als solcher nicht für die Begründung systemischer Mängel herangezogen werden.

Angesichts der Tatsache, dass der Mitgliedstaat Italien beachtliche Anstrengungen unternommen hat und auch aktuell noch unternimmt, um die im italienischen Asylsystem vorhandenen Defizite und Mängel zu beseitigen, sieht auch der UNHCR die Schutzstandards im Rahmen des italienischen Asylverfahrens für ausreichend an (vgl. UNHCR, a. a. O.; diese Ansicht wird auch in den ergänzenden Informationen vom März 2014 nicht revidiert). Davon geht auch das Auswärtige Amt in seinen letzten, dem Gericht vorliegenden Auskünften aus (vgl. AA, Auskünfte an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013 - 3 L 171/12 - und vom 21.8.2013 3 L 76/12). Neuere Erkenntnisquellen, die Anlass zu einer geänderten Beurteilung geben, sind derzeit nicht ersichtlich. Ergänzend wird auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 7. Juli 2015 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Nach alledem ist festzustellen, dass das italienische Flüchtlingsaufnahmesystem zwar insbesondere im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin Mängel und Defizite aufweist. Diese sind aber für sich genommen insgesamt noch nicht als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen dieses Mitgliedstaates vorliegen würde. Der Kläger muss derzeit also nicht ernsthaft mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta oder von Art. 3 EMRK rechnen. Insbesondere gehört der Kläger als alleinstehender, junger und kinderloser Mann nicht zu dem Kreis der besonders schutzbedürftigen bzw. verletzlichen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht (vgl. EGMR, Entscheidung vom 13.1.2015 - Nr. 51428/10). Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel im Einzelfall zu Unverträglichkeiten kommen kann, kommt es - wie bereits ausgeführt - in diesem Zusammenhang nicht an.

Nach alledem erweist sich die in Ziffer 1) des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Regelung (Ablehnung des Asylantrags als unzulässig) als rechtmäßig.

Auch die in Ziffer 2) angeordnete Abschiebung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Vom Bundesamt gemäß § 34 a i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 GVG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.