Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 12. Jan. 2018 - VG 11 K 523.17

bei uns veröffentlicht am10.05.2023

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Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Verwaltungsgericht Berlin

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

In der Verwaltungsstreitsache

 

des Herrn A,

Klägers,

 

Verfahrensbevollmächti gte(r): BSP Rechtsanwälte,                 ·

Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

g e g e n

 

das Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten - Ausländerbehörde -,

Friedrich-Krause-Ufer 24, 13353 Berlin,

Beklagten,

 

hat das Verwaltungsgericht  Berlin, 11. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Grigoleit als Einzelrichterin

 

für Recht erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung  in Höhe von 11O % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren  Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

der 32 Jahre alte Kläger, der ägyptischer Staatsangehöriger ist, reiste im Jahr 2011 mit einem Visum zu Studienzwecken  in das Bundesgebiet ein. Am 1. August 2012 heiratete er in Deutschland die deutsche Staatsangehörige Frau B. Mit Bescheid des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 15. Dezember 2015 wurde dem Kläger erstmals eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, gültig bis zum 14. Dezember 2018, erteilt.

Am 7. Dezember 2016 stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und reichte eine Immatrikulationsbescheinigung der Freien Universität Berlin ein, wonach er dort als Masterstudent im Studiengang Arabistik im 3. Fachsemester im Wintersemester 2016/2017 immatrikuliert worden ist. Ferner reichte er einen Bescheid des Studentenwerks Berlin vom 6. Oktober 2016 ein, woraus sich ergab, dass er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezieht. Ferner reichte er von ihm selbst ausgestellte Rechnungen vom 24. Juni 2016, 19. Oktober 2016, 1. Dezember 2016 und 2. Februar 2017 ein, wonach er der Sprach- und Kulturbörse der technischen Universität Berlin für seine Leistungen im Sommersemester 2016 und Wintersemester 2016/2017 (Kursbegleitung für bestimmte Kurse, Unterrichtsstunden) Beträge in Höhe von 657,20 Euro, 657,20 Euro, 679,70 Euro, 657,20 Euro in Rechnung gestellt hatte.

Mit Bescheid des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 17. Februar 2017 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, dass er zwar seit drei Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, seine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet fortbestehe und kein Ausweisungsinteresse bestehe. Es fehle jedoch an der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes. Von einer dauerhaften Sicherung des ·Lebensunterhaltes könne im Fall des Klägers nicht ausgegangen werden. Zwar sei der Bezug von Leistungen nach dem Bundes Berufsausbildungsgesetz unschädlich. Gleichwohl könne von keiner nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes ausgegangen werden, weil die Förderung grundsätzlich nur für die Dauer des Studiums gewährt werde, längstens jedoch bis sich aus der entsprechenden Prüfungsordnung ergebenden Regelstudienzeit. Sobald sein Studium beendet sei, erlösche der Mittelzufluss und der Lebensunterhalt sei folglich dann nicht mehr gesichert. Aus den von ihm erstellten Rechnungen ergebe sich keine nachhaltige Lebensunterhaltssicherung.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er erhalte Leistungen nach dem Berufsausbildungsgesetz und arbeitet zusätzlich freiberuflich als Dozent für Arabisch. Seine zukünftigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt stünden äußerst gut. Als erstes Studium habe er Germanistik absolviert, derzeit studiere er gleichzeitig Arabistik und Energietechnik.  Neben seiner Tätigkeit als Dozent arbeite er zudem ehrenamtlich im Bereich der Flüchtlingshilfe.  Durch die gegenwärtige Migrationswelle gebe es in Deutschland einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, die Arabisch und Deutsch beherrschten.

Mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 1. Juni 2017 (Zustellung 7. Juni 2017) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert. Seine bisherige Erwerbsbiografie lasse zum jetzigen Zeitpunkt nicht den Schluss zu, dass er künftig sein Lebensunterhalt ohne Anspruch auf die Zahlung öffentlicher Mittel sichern können werde.

Mit seiner bei Gericht am 6. Juli 2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Be­ gehren weiter. Er macht geltend, dass er als Student monatlich lediglich 450 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen dürfe. Er studiere, arbeite im erlaubten Umfang und sei ehrenamtlich tätig. Vor kurzem habe er sich um eine Teilzeitstelle bei der C-GmbH beworben, Dort sei ihm eine Vollzeitstelle angeboten worden, die er jedoch aufgrund des noch andauernden Studiums nicht habe annehmen können. Am 14. Juni 2017 habe ein Bewerbungsgespräch für eine Teilzeitstelle an der FU Berlin am Institut für Arabistik stattgefunden, er rechne demnächst mit einer Antwort. Er habe in Berlin auf dem Arbeitsmarkt sehr gute Chancen. Er könne als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten. Zudem stehe ihm der Weg für eine wissenschaftliche Tätigkeit offen. Die Einkommenssicherungsprognose habe daher positiv auszufallen. Seit dem 1. September 2017 habe er einen Arbeitsvertrag mit dem Deutschen Roten Kreuz geschlossen, der nach Verlängerung nunmehr bis zum 30. Juni 2018 Gültigkeit habe. Dort verdiene er monatlich 450 Euro. Bundesausbildungsförderungsmittel seien ihm bis September 2018 bewilligt worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 17. Februar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom  1. Juni 2017 zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis  zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Streitakte und die beigezogene Ausländerakte verwiesen, welche vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Vorsitzenden als Einzelrichterin zur Entscheidung mit Beschluss vom 29. November 2017 übertragen gemäß § 6 Abs. 1 VwGO.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 17. Februar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 1. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung ·e·iner Niederlassungserlaubhis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für die begehrte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist einem Ausländer in der Regel eine Niederlassungserlaubnis erteilt, wenn er seit drei Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft  mit dem Deutschen fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse  besteht und er über ausreichende  Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger zwar vor.

Neben den in § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen müssen jedoch auch die in § 5 AufenthG geregelten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen.  Denn in § 28 Abs. 2 AufenthG findet sich keine ausdrückliche abweichende Regelung wie sonst in den Fällen, in denen der Gesetzgeber von der Erfüllung bestimmter allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen abweichen wollte (vgl. etwa § 28 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 AufenthG).  Dass der Gesetzgeber in § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausdrücklich das fehlende Ausweisungsinteresse erwähnt, bedeutet lediglich, dass auch bei atypischen Fallgestaltungen bei Vorliegen eines Ausweisungsinteresses die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht in Betracht kommt. Ein Verzicht auf die in § 5 AufenthG im Übrigen genannten Regelerteilungsvoraussetzungen wird damit nicht begründet (BVerwG, Urteil vom 16. August 2011 - BVerwG 1 C 12.10 - Juris).

Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis scheitert vorliegend an § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er die Sicherung des Lebensunterhalts nicht nachgewiesen hat und kein Ausnahmefall vorliegt.  Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).  Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AufenthG der Bezug von Leistungen der Ausbildungsförderung u.a. nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG). Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt (§ 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG).

Entscheidend für die Frage der Lebensunterhaltssicherung ist eine positive Prognose der künftigen Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel. Die Prognose setzt eine Einschätzung voraus, dass der Ausländer aufgrund realistischer Annahmen und konkreter Disposition den Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel erbringen kann (BVerwG, Urteil vom 18.  April 2013 - BVerwG 10 C 10/12 - Juris). Dabei können auch in rückschauender Betrachtung die bisherigen Erfahrungen mit der Fähigkeit des Ausländers, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, einbezogen werden. Es reicht nicht aus, wenn nur derzeit Mittel zur Gewährung des derzeitigen Existenzminimums, etwa aufgrund befristeter Teilzeitarbeitsverhältnisse oder vorübergehender Tätigkeit, erwirtschaftet · werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2016, § 2 AufenthG Rn. 44).

Der Kläger kann vorliegend seinen Lebensunterhalt nicht nach diesen Maßstäben decken. Dabei kann dahinstehen, ob sein Lebensunterhalt aktuell durch den Bezug von Bundesausbildungsförderungsmitteln   und seine Tätigkeit beim Deutschen Roten Kreuz gedeckt wird. Selbst unter der Prämisse aktueller Lebensunterhaltssicherung ist nämlich zu fordern, dass dieses Einkommen die erforderliche Nachhaltigkeit aufweist und der Lebensunterhalt damit auch in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffenlicher Mittel gesichert ist, was  hier nach summarischer  Prüfung nicht der Fall ist.

Angesichts der bisherigen Erwerbsbiographie des Klägers rechtfertigen sein jetziges Beschäftigungsverhältnis sowie die ihm nach dem BaföG zur Verfügung stehenden Mittel nicht die Prognose, dass er in Zukunft dauerhaft ein den Lebensunterhalt deckendes Einkommen erzielen wird. Denn sowohl der Bezug der Bundesausbildungsförderungsmittel als auch die Tätigkeit des Klägers bei dem Deutschen Roten Kreuz sind zeitlich befristet. Die Bewilligung der Leistungen nach dem BaföG ist nach eigenen Angaben bis zum September 2018 befristet. Auch die zweite Einkommensquelle des Klägers, sein Beschäftigungsverhältnis mit dem Deutschen Roten Kreuz, stellt prognostisch keine hinreichend sichere Einkommensquelle dar. Dieses Arbeitsverhältnis besteht erst seit dem 1. September 2017, ist nunmehr - nach erneutem Vertragsschluss - bis zum 30. Juni 2018 befristet und endet nach dem Arbeitsvertrag zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Prognose dauerhafter Lebensunterhaltssicherung kann somit auf keine dieser Erwerbsquellen gestützt werden. Dass der Kläger in der Zukunft nach abgeschlossenem Studium gute Berufsaussichten haben mag, lässt seine Lebensunterhaltssicherung zum jetzigen Zeitpunkt prognostisch nicht hinreichend gesichert erscheinen. Denn zum einen ist ungewiss, wie sich der deutsche Arbeitsmarkt in der Zukunft entwickelt, zum anderen steht nicht fest, wie sich die potentiellen Arbeitsmarktchancen im Einzelfall des Klägers auswirken und schließlich kann prognostisch zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, ob der Kläger die Chancen, die ihm der Arbeitsmarkt in der Zukunft bieten mag, auch tatsächlich zur Lebensunterhaltssicherung nutzen wird. Bloße Chancen und Möglichkeiten reichen nicht aus, um darauf auf die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts schließen zu können.

Es liegt auch im Übrigen kein atypischer Ausnahmefall vor, bei dem von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden könnte.

Insbesondere liegt ein derartiger Ausnahmefall nicht deshalb vor, weil der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und mit ihr zusammen zwei Kinder hat. Ein solcher Ausnahmefall ergibt sich nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nach Art. 6 Abs. 1 GG. Der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erfordert es nicht, dass das Aufenthaltsrecht des mit einer deutschen Staatsangehörigen  verheirateten Ausländers  trotz fehlender dauerhafter Sicherung desLebensunterhalts durch Erteilung einer  Niederlassungserlaubnis verfestigt wird. Dem Schutz der Lebensgemeinschaft gern. Art. 6 Abs. 1 GG wird vielmehr ohne Wei­ teres Genüge getan, wenn der Aufenthalt des Ausländers - wie im vorliegenden Fall - erlaubt bleibt durch Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gern. § 28 Abs. 1 Auf­enthG.

Weitere Anhaltspunkte für die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls  sind weder vorgetragen  worden  noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entschei­ dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit  der Kostenentscheidung  folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.  

 

Grigoleit

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 12. Jan. 2018 - VG 11 K 523.17

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 12. Jan. 2018 - VG 11 K 523.17

Referenzen

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 103/09
vom
27. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2009 beschlossen:
Der Nebenklägerin Be. wird im Adhäsionsverfahren für die Revisionsinstanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin S. -R. aus Köln beigeordnet. Ihr weitergehender Antrag auf Bestellung von Rechtsanwältin S. -R. als Beistand für die Revisionsinstanz ist gegenstandslos.

Gründe:

1
1. Einer Entscheidung über den Antrag der Nebenklägerin, ihr auch für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. -R. aus Köln zu gewähren, bedarf es hinsichtlich des Strafverfahrens gegen die Angeklagten nicht. Die durch Beschluss des Landgerichts vom 7. Dezember 2007 erfolgte Bestellung von Rechtsanwältin S. -R. als Beistand nach § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO wirkt über die jeweilige Instanz hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz.
2
2. Dagegen ist im Adhäsionsverfahren über den Prozesskostenhilfeantrag der Nebenklägerin gesondert zu entscheiden. Die Bestellung als Beistand umfasst nicht das Adhäsionsverfahren (vgl. BGH NJW 2001, 2486; StraFo 2008, 131). Das Landgericht hat demgemäß der Nebenklägerin durch weiteren Beschluss vom 11. März 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. -R. bewilligt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wirkt jedoch nur für die jeweilige Instanz, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i. V. m. § 199 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
3
Danach ist der Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin S. -R. insoweit zur Vertretung beizuordnen.
4
Die Nebenklägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen weiterhin nicht in der Lage, die Prozesskosten aufzubringen. Die Erfolgsaussichten ihres Schmerzensgeldanspruches sind nicht mehr zu prüfen (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Da die Angeklagten in der Revisionsinstanz durch ihre Verteidiger vertreten werden, ist der Nebenklägerin Rechtsanwältin S. -R. beizuordnen (§ 404 Abs. 5 Satz 2 StPO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO). Fischer Rothfuß Roggenbuck Appl Schmitt

(1) Dem Nebenkläger ist auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er

1.
durch ein Verbrechen nach den §§ 177, 232 bis 232b und 233a des Strafgesetzbuches oder durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches verletzt ist,
1a.
durch eine Straftat nach § 184j des Strafgesetzbuches verletzt ist und der Begehung dieser Straftat ein Verbrechen nach § 177 des Strafgesetzbuches oder ein besonders schwerer Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches zugrunde liegt,
2.
durch eine versuchte rechtswidrige Tat nach den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches verletzt oder Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne des § 395 Absatz 2 Nummer 1 ist,
3.
durch ein Verbrechen nach den §§ 226, 226a, 234 bis 235, 238 bis 239b, 249, 250, 252, 255 und 316a des Strafgesetzbuches verletzt ist, das bei ihm zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder voraussichtlich führen wird,
4.
durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k und 225 des Strafgesetzbuchs verletzt ist und er zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder
5.
durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 221, 226, 226a, 232 bis 235, 237, 238 Absatz 2 und 3, §§ 239a, 239b, 240 Absatz 4, §§ 249, 250, 252, 255 und 316a des Strafgesetzbuches verletzt ist und er bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann.

(2) Liegen die Voraussetzungen für eine Bestellung nach Absatz 1 nicht vor, so ist dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. § 114 Absatz 1 Satz 1 zweiter Halbsatz sowie Absatz 2 und § 121 Absatz 1 bis 3 der Zivilprozessordnung sind nicht anzuwenden.

(3) Anträge nach den Absätzen 1 und 2 können schon vor der Erklärung des Anschlusses gestellt werden. Über die Bestellung des Rechtsanwalts, für die § 142 Absatz 5 Satz 1 und 3 entsprechend gilt, und die Bewilligung der Prozesskostenhilfe entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts.