Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Feb. 2019 - M 10 S7 19.50049

bei uns veröffentlicht am06.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt nach § 80 Abs. 7 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. Juli 2018 unter Abänderung eines ablehnenden Beschlusses vom 20. August 2018.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger und stellte am 20. Juli 2018 einen Asylantrag. Es liegt ein Eurodac-Ergebnis vor, wonach der Antragsteller am 30. Dezember 2013 einen Asylantrag in Italien gestellt hat. Der Antragsteller hat selbst angegeben, er habe in Italien einen Asylantrag gestellt und dieser sei zweimal abgelehnt worden.

Am 25. Juni 2018 wurde vom Bundesamt ein Übernahmegesuch an Italien gerichtet. In der Akte des Bundesamts findet sich neben dem Gesuch eine automatisch generierte Eingangsbestätigung Italiens vom selben Tag.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24. Juli 2018 wurde in Ziff. 1 der Antrag auf Asyl als unzulässig abgelehnt, in Ziff. 2 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen, in Ziff. 3 die Abschiebung nach Italien angeordnet und in Ziff. 4 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Am 31. Juli 2018 hat der Antragsteller über seine Bevollmächtigte Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben. Gleichzeitig begehrte er einstweiligen Rechtsschutz im Wege des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss vom 20. August 2018 (M 10 S 18.52425) abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers im Klageverfahren eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft für das am 26. Juli 2018 geborene Kind sowie eine Urkunde über die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung vorgelegt. Zudem wurde eine Urkunde über die Erklärung der gemeinsamen elterlichen Sorge vorgelegt. Die Urkunden enthalten den Hinweis, dass die Identitäten der Mutter des Kindes sowie des Antragstellers auf eigenen Angaben beruhten und nicht nachgewiesen seien.

Am 31. Januar 2019 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage unter Aufhebung des Beschlusses vom 20. August 2018 nach § 80 Abs. 7 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung wird ausgeführt: Der Bescheid sei rechtswidrig aufgrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Familieneinheit. Die Aufnahmebedingungen in Italien hätten sich seit Oktober 2018 derart verschlechtert, dass der Kläger, der zu den vulnerablen Personen zähle, einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt sei. Das sogenannte „SalviniGesetz“ habe die Aufnahmebedingungen für Rückkehrer verschlechtert: ab dem 5. Oktober 2018 seien Dublin-Rückkehrer nicht mehr berechtigt, einen Platz in einen SPRARZentrum zu erhalten. Vielmehr seien sie darauf angewiesen, eine Unterkunft Platz in einem der größeren Kollektivzentren (CDA oder CARA) zugeteilt zu bekommen. Dort fehle es an ausreichender medizinischer und psychologischer Versorgung. Die Aufnahmebedingungen entsprächen nicht den rechtlichen Mindestanforderungen. Tatsächlich seien darüber hinaus gerade DublinRückkehrer in der Praxis oft obdachlos. Der Antragsteller sei aufgrund einer schweren Stichverletzung im Bauchbereich auf medizinische Versorgung angewiesen. Die familiäre Bindung des Antragstellers sei durch die Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft vom 19. Dezember 2018 nachgewiesen.

Es wurde eine Seite eines Arztberichts des Notfallzentrums Klinikum … vom 7. Dezember 2018 eingereicht. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 K 18. 2424 Bezug genommen.

II.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn ist. Die Abänderungsbefugnis des Gerichts ist dabei nicht auf stattgebende Entscheidungen beschränkt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.).

Ein Anspruch auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist dann gegeben, wenn sich nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage ergeben hat und sich aus den veränderten Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 11 VR 8.98 - NVwZ 1999, 650; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 197).

Unter Zugrundelegen dieser Maßstäbe ist der Antrag abzulehnen. Zwar liegen mit der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgerechtserklärung neue Beweismittel vor, die zulässigerweise mit einem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO dem Gericht zur erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage vorgelegt werden können. Jedoch wird die Hauptsache nach summarischer Prüfung weiterhin auch trotz des neuen Vortrags keinen Erfolg haben, so dass der Antrag unbegründet ist.

Italien ist weiterhin für das Asylverfahren des Antragstellers zuständig. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31) - im Folgenden: Dublin III-VO - für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 20. August 2018 Bezug genommen, mit dem im Verfahren des Antragstellers M 10 S 18.52425 der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde. Die sechsmonatige Überstellungfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO ist noch nicht abgelaufen, nachdem der Beschluss erst am 20. August 2018 ergangen ist.

Die vorgelegten Unterlagen über die Vaterschaft des Antragstellers (dazu unter 1.) vermögen daran ebenso wenig zu ändern wie die vorgetragenen politischen Veränderungen in Italien (dazu unter 2.)

1. Die bestehende Zuständigkeit Italiens ändert sich nicht deshalb, weil durch die vom Antragsteller vorgetragene Vaterschaft eine Zuständigkeit der Bundesrepublik nach Art. 9 oder Art. 10 Dublin III-VO - jeweils in Verbindung mit Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO - begründet würde.

Ein Fall nach Art. 9 Dublin III-VO liegt nicht vor. Ungeachtet der Frage, ob die Partnerin des Antragstellers oder dessen Kind den Status eines Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO innehaben, fehlt es schon daran, dass eine der genannten Personen als Begünstigter internationalen Schutzes in der Bundesrepublik aufenthaltsberechtigt ist. Hierzu ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Die Voraussetzungen des Art. 10 Dublin III-VO liegen ebenfalls nicht vor.

Die Tochter des Antragstellers ist keine Familienangehörige nach Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO, da diese Norm nur Verwandte erfasst, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestand.

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO notwendig machen, sind wegen der Geburt der Tochter ebenso wenig ersichtlich wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Vaterschaftsanerkennung und die Sorgerechtserklärung überhaupt als Nachweis der Vaterschaft anzusehen sind, nachdem der Antragsteller keine Möglichkeit hatte, sich auszuweisen (vgl. hierzu VG München, B.v. 16.1.2018 - M 8 S 17.53599).

Beide rechtlichen Instrumente - das Selbsteintrittsrecht und die Duldung - kommen nur in Betracht hinsichtlich des Grund- und Menschenrechtes auf Familie des Antragstellers und seiner Tochter (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK). Diesbezüglich ist auszuführen: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. B. v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris) entfaltet Art. 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen, sondern entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. auch BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris; BayVGH, B. v. 24.11.2008 - 10 CE 08.3014 - juris; BayVGH, B. v. 17.5.2013 - 10 CE 13.1065 - juris, VG München B. v. 23.10.2013 - M 10 E 13.3727 - juris). Erforderlich ist eine durch Tatsachen belegte Nähebeziehung, die verdeutlicht, dass eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung hinreichend sicher zu erwarten ist. (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60a AufenthG Rn. 24). Eine bloß formale Vaterschaftsanerkennung des nichtehelichen Vaters kann allein keinen Abschiebungsschutz begründen (vgl. VG München, G.v. 29.2.2016 - M 12 K 15.50784 - juris Rn. 47). Die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes. Bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen und das Kind beide Eltern braucht (vgl. aktuell BVerfG, B.v. 22.5.2018 - 2 BvR 941/18 - juris).

Der Antragsteller hat versäumt zu belegen oder auch nur zu behaupten, dass er eine wichtige Bezugsperson für seine Tochter darstellt und einen wichtigen Beitrag zu ihrem Leben und ihrer Erziehung leistet. Nach Aktenlage leben der Antragsteller und seine Lebensgefährtin sowie die Tochter zwar an einer Adresse, jedoch erst seit dem 24. Januar 2019. Das Kind trägt mittlerweile den Vornamen des Antragstellers als Nachnamen, bei der Geburt war der Name wohl noch unklar, in der Vaterschaftsanerkennung ist er nicht genannt. Wie sich das Zusammenleben gestaltet, ist dem Gericht nicht bekannt.

Darüber hinaus ist hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts (dazu unter a.) und möglicher Duldungsgründe (dazu unter b.) auszuführen:

a. Das Ermessen des Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ist auch darüber hinaus nicht dahingehend reduziert, dass das Bundesamt zum Schutz des Rechts auf Familie Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht machen muss. Denn auch wenn die Dublin-III-Verordnung auf dem Grundsatz der Familieneinheit (Erwägungsgründe 14 bis 16) beruht, hat der Verordnungsgeber sich bewusst auf den Bestand der Familie im Heimatland beschränkt und die Familie dementsprechend in Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO definiert. Gerade der Unterschied von Art. 9 und Art. 10 Dublin-III-VO zeigt, dass es sich nicht um ein Versehen handelte, sondern der Verordnungsgeber die Möglichkeit einer späteren Familiengründung durchaus in seine Erwägungen einbezogen hat. Reduzierte man in Fällen nachgeborener Kinder das Ermessen des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Dublin-III-VO automatisch, würde dieser Differenzierung nicht ausreichend Rechnung getragen. Im vorliegenden Fall liegen auch keine Besonderheiten vor, die das Ermessen auf die einzig rechtmäßige Entscheidung des Selbsteintritts reduzierten. Denn zwar ist in der vorliegenden Konstellation die Besonderheit gegeben, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers und sein Kind kein Dublin-Verfahren durchlaufen haben, sondern Deutschland für ihre Verfahren zuständig war. Jedoch liegt anders als in anderen Verfahren, in denen auf Grund der unterschiedlichen Zuständigkeiten eine langfristige Trennung der Familie zu erwarten ist, eine solche Trennung vorliegend nicht nahe. Denn der Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers ist nach seinen eigenen Angaben in Italien abgelehnt worden, so dass er nach Nigeria ausreisepflichtig ist. Der Antragsteller ist also nicht auf eine ungewisse Verfahrensdauer in Italien verwiesen; sein Verfahren dort ist bereits abgeschlossen. Auch seine Lebensgefährtin ist (soweit nicht unbekannte ausländerrechtliche Umstände vorliegen) ausreisepflichtig, nachdem ihr Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde und die beantragte aufschiebende Wirkung ihrer Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde. Auch der Asylantrag der Tochter wurde abgelehnt, die dagegen erhobene Klage ist noch anhängig. Nach alldem liegt unter humanitären Gesichtspunkten keine Situation vor, in der eine langfristige Trennung ohne eine Möglichkeit, die Familieneinheit im Ausland zu führen droht, der allein durch einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland begegnet werden kann.

b. Im Rahmen der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG sind sowohl inlands- als auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu betrachten (vgl. z.B. BayVGH, B.v.12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Solche liegen indes bei dem Antragsteller nicht vor.

Eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG steht dem Antragsteller nicht unter dem Aspekt der rechtlichen Unmöglichkeit wegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu. Art. 6 GG gewährt keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Allerdings folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Anspruch des Grundrechtsträgers und die korrespondierende Pflicht der Ausländerbehörden, dass diese bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen haben und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen haben (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris Rn. 11 m.w.N.). Ebenso ist nach Art. 8 EMRK bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 54273/00 - InfAuslR 2001, 476/478). Das von diesen Bestimmungen u.a. geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen - angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen - bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 - juris Rn. 21; BVerfG, B.v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - juris Rn. 33).

Dies gilt zum einen wegen der bereits behandelten Unklarheiten der gelebten familiären Beziehung. Zudem steht ein aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK abgeleitetes Duldungsrecht des Antragstellers in Zusammenhang zu der Verwurzelung der Familie in Deutschland (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 10.12.2014 - 2 M 127/14 - juris Rn. 6 a. E.; VG Bayreuth, B.v. 08.01.2016 - B 4 E 16.9 - juris Rn. 31; VG Gelsenkirchen, B.v. vom 19.9.2017 - 9a L 2652/17.A - juris Rn. 59; BVerfGE 35, 382 (408) = NJW 1974, 227; BVerfGE 37, 217 (247) = NJW 1974, 1609; BVerfGE 51, 386 (397 f.) = NJW 1980, 514; BVerwGE 56, 246 (249 ff.) = DÖV 1979, 293; BVerwGE 69, 359 (362) = NJW 1984, 2780; BVerwGE 81, 155 (162 f.) = NVwZ 1989, 770; BVerwGE 102, 12 (22) = NVwZ 1997, 1116; BeckOK Grundgesetz/Uhle, 39. Ed. 15.11.2018, GG Art. 6 Rn. 44, 45). Es wurde nicht vorgetragen oder belegt, dass die Kindsmutter oder das Kind ein gesichertes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland hätten (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 - M 6 S 16.50261 - juris Rn. 25; VG München, G.v. 29.2.2016 - M 12 K 15.50784 - juris Rn. 47). Kein Mitglied des Familienverbands hat nach Aktenlage ein gesichertes Aufenthaltsrecht.

Zudem verweist die obergerichtliche Rechtsprechung auch in ausländerrechtlichen Verfahren Antragsteller auf die Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumsverfahrens und damit einer vorübergehenden Trennung auch von Kleinkindern. Die Berufung auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK begründet danach keine Unzumutbarkeit, da sie kein Recht auf Einreise und Aufenthalt gewährleisten; dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigterweise in Deutschland Lebenden, sogar für den Nachzug zu deutschen Familienangehörigen und muss daher erst Recht für den Nachzug zu Personen ohne gefestigten Aufenthalt gelten. Zwar muss ein betroffener Ausländer mit Blick auf Art. 6 GG nicht hinnehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung seiner familiären Bindungen gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen Aufenthalt zu nehmen. Allein der Umstand, dass jemand eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen muss, reicht jedoch für eine Unzumutbarkeit auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe und Familie durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2014 - 19 CS 14.1576 - juris Rn. 41, B.v. 21.7.2015 - 10 CS 15.859 u.a. - juris Rn. 67; BVerwG, Vorlagebeschluss v. 26.1.2017 - 1 C 1.16 - juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 19.6.2018 - 10 CE 18.993 - juris Rn. 5). Dieser Gedanke kann auch in der vorliegenden Konstellation herangezogen werden. Anders liegt der Fall etwa, wenn die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft erfüllt, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist. Diese Konstellation liegt jedoch nicht vor. Daher sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 30.9.2014 - 19 CS 14.1576 -, Rn. 41, juris). Es ist dem Antragsteller daher insgesamt zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte das Kind im gerichtlichen Verfahren ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen (vgl. VG München, B. v. 20.6.2016 - M 6 S 16.50261 - juris Rn. 25; VG München, G. v. 29.2.2016 - M 12 K 15.50784 - juris Rn. 47; VG München B. v. 18.12.2017 - M 8 S7 17.53622; vgl. auch VG München, B.v. 23.10.2013 - M 10 E 13.3727 - juris - Rn. 19).

2. Die Zuständigkeit ist schließlich auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO scheitern würde.

Dies würde voraussetzen, dass es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien (mittlerweile) systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen. Dies ist nicht der Fall.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 - juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris Rn. 79 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht.

Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden. Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt.

An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris Rn. 86 ff.; BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Ls. und Rn. 6).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anzunehmen, dass der Antragsteller aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Es mag zwar vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil obdachlos sind. Dies wird in aktuellen Erkenntnismitteln erwähnt, wie etwa dem Länderbericht des Europäischen Flüchtlingsrats (ECRE) für das Projekt AIDA - Asylum Information Database - zu Italien, Update Februar 2017, und dem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe von August 2016 (abrufbar unter:

- http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy,

- https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf).

Diese Umstände und auch die teilweise lange Dauer von Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber feststellbaren Mängel und Defizite sind jedoch weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaats vorläge, mit der Folge einer zu prognostizierenden, systembedingt unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta oder Art. 3 EMRK. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der italienische Staat hiergegen wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen und dass der UNHCR weiterhin keine generelle Empfehlung dahingehend ausgesprochen hat, Asylbewerber nicht nach Italien zu überstellen. Der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien gegebenenfalls als deutlich schlechter darstellen mag als im Bundesgebiet, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - juris).

Eine andere Beurteilung der Situation in Italien gebietet sich auch nicht vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26.16 - juris) und des Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Europäischen Gerichtshof vom 15. März 2017 (A 11 S 2151/16 - juris). Die jeweils gestellten Fragen betreffen nicht das konkrete Verfahren des Antragstellers (vgl. BVerfG, B.v. 14.12.2017 - 2 BvR 1872/17 - juris Rn. 20 ff.).

Schließlich folgt nichts anderes aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Nr. 29217/12; NVwZ 2014, 127), weil sich daraus lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien mit Kleinkindern nach Italien ergibt. Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Nr. 51428/10; juris) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des Dublin-Verfahrens zu verbieten.

Nach alledem vermag das Gericht - jedenfalls soweit es sich nicht um besonders schutzbedürftige Personen handelt - derzeit keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Italien zu erkennen und schließt sich damit der ganz überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung an (vgl. nur VG München, B.v. 11.5.2018 - M 9 S 17.51806; B.v. 3.4.2018 - M 3 S 18.50618; OVG Lüneburg, U.v. 6.4.2018 - 10 LB 109/18 - juris Ls. und Rn. 26; BayVGH, U.v. 28.02.2014 - 13a B 13.30295 - juris; zur jüngsten politischen Änderung OVG Lüneburg, B.v. 6.8.2018 - 10 LA 320/18 - juris).

Das Gericht hat die Umstände in Italien bereits vertieft gewürdigt (vgl. Seiten 4 ff. des Beschlusses vom 20. August 2018; vgl. Näheres zu den Aufnahmebedingungen in Italien OVG Lüneburg, B.v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 - juris). Es ist nach dem Ausgeführten nicht ersichtlich, dass sich die Umstände in Italien seit dem Beschluss des Gerichts vom 20. August 2018 in entscheidungserheblicher Weise verändert hätten. Das Gericht schließt sich insofern den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in seinen Beschlüssen vom 6. August 2018 (10 LA 320/18) an.

Soweit die Antragstellerbevollmächtigte vorträgt, der Zugang der rückkehrenden Asylbewerber zu Aufnahmeeinrichtungen im Rahmen des sog. SPRAR-Systems sei nun durch das Dekret Nr. 113/2018 vom 4. Oktober 2018 eingeschränkt worden, so führt auch dies nicht zu einem generellen systemischen Versagen Italiens bezüglich der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und einer damit einhergehenden Verletzung des Art. 3 EMRK. Zwar sind ausweislich des Dekrets die sog. SPRAR-Einrichtungen denjenigen Personen vorbehalten, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde sowie den unbegleiteten Minderjährigen. Neben den SPRAR-Einrichtungen gibt es jedoch auch ein Erstaufnahmesystem sowie Notfallzentren (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 4.4.2018 - 10 LB 96/17 und B.v. 21.12.2018 - 10 LB 201/18). Das Erstaufnahmesystem besteht aus den CDA („Centro di accoglienza“) und den „Centri governativi di prima accoglienza“ (ehemals CARA). Diese Erstaufnahmeeinrichtungen verfügen über eine Kapazität von insgesamt 14.694 Plätzen (AIDA 2017: Country Report: Italy, Update 2016, S. 69). Gemäß Gesetzesdekret 142/2015 werden die Erstaufnahmeeinrichtungen durch öffentliche und private Träger betrieben. Insgesamt waren diese Anfang 2017 mit 14.290 Personen belegt (AIDA, Country Report: Italy, Update 2016, S. 70). Neben diesen Unterkünften stehen für Schutzsuchende ferner Notfallzentren, die CAS, zur Aufnahme bereit. Anfang des Jahres 2017 bestand eine Gesamtkapazität von 137.218 Plätzen (AIDA 2017: Country Report: Italy, Update 2016, S. 69). Die Notfallzentren sind nicht nur auf die Erstaufnahme von Schutzsuchenden ausgerichtet, sondern dienen auch im Notfall als Reserve im Rahmen der Zweitaufnahme. Gegenwärtig werden die Notfallzentren zu diesen Zwecken herangezogen (AIDA 2017, Country Report: Italy, Update 2016, S. 71). Sie sind aufgrund der hohen Ankunftszahlen praktisch in das normale Aufnahmesystem integriert und haben somit ihren Charakter als Notfallzentren verloren. Bis Ende des Jahres 2016 waren 75 Prozent der Schutzsuchenden in solchen Notfallzentren untergebracht (AIDA 2017, Country Report: Italy, Update 2016, S. 72). Laut MSF sind dort derzeit mehr als 150.000 Migranten untergebracht (MSF, Stand: 08.02.2018). In den Notfallzentren erfolgt eine Versorgung und Unterstützung durch Nahrung, Taschengeld bzw. Gutscheine in Höhe von 2,50 Euro/Tag (bis zu 7,50 Euro/Tag für Familien), Gesundheitsversorgung, Hygieneartikel, Telefonkarte und Asylberatung (Bundesamt, Länderinformation Italien, Stand: Mai 2017). Von einem generellen Verstoß gegen Art. 3 EMRK ist aufgrund dessen nicht auszugehen.

Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe eine Verletzung im Bauchraum. Die eingereichte erste Seite des Entlassbriefes vom 7. Dezember 2018 bezieht sich auf eine virale Gastroenteritis, also eine vorübergehende übliche Erkrankung. Der Antragsteller wurde nicht stationär aufgenommen. Bezüglich der vorgetragenen Verletzung hat der Antragsteller auch in Italien die medizinische Versorgung durch eine Operation in Anspruch genommen; aktuelle deutschsprachige Dokumente über eine Behandlungsbedüftigkeit liegen nicht vor. Der italienische Arztbrief vom 13. Mai 2018 hält als Diagnose beim Entlassen ein Magengeschwür fest. Somit sind nach summarischer Prüfung weder Reiseunfähigkeit noch eine besondere Vulnerabilität naheliegend.

3. Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenpflicht nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

… …

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Feb. 2019 - M 10 S7 19.50049

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Feb. 2019 - M 10 S7 19.50049

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG
Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Feb. 2019 - M 10 S7 19.50049 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Feb. 2019 - M 10 S7 19.50049 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Der am ... geborene Antragsteller, ein nigerianischer Staatsangehöriger, verließ nach eigenen Angaben am 22. September 2008 sein Heimatland und gelangte über Niger, Libyen, Italien, die Schweiz und wiederum Italien in die Bundesrepublik Deutschland wo er am 2. Oktober 2017 einreiste und gleichen Tag einen Asylantrag stellte.

Am 14. und 16. Oktober 2017 wurde der Antragsteller persönlich angehört. Er gab an keine Papiere zu besitzen, da er sie in der Schweiz gelassen habe. Als schutzwürdigen Belang benannte er seine schwangere Frau.

Nach Aktenlage - es ergab sich ein Eurodac-Treffer Nr.: IT1* … - hatte der Antragsteller bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Am 20. November 2017 stellte die Antragsgegnerin ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, auf das nur am gleichen Tag eine Eingangsbestätigung erfolgte, im Übrigen aber nicht beantwortet wurde.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 6 Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4).

Zur Begründung führte es u.a. aus, dass Italien aufgrund des dort gestellten Asylantrags für dessen Behandlung zuständig sei. Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im italienischen Asylverfahren und der dortigen Aufnahmebedingungen lägen nicht vor.

Der Bescheid vom 5. Dezember 2017 wurde dem Antragsteller am 6. Dezember 2017 zugestellt.

Am … Dezember 2017 erhob der Antragsteller Klage zum Bayer. Verwaltungsgericht München und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2017 (M 8 K 17.53600). Außerdem beantragte er am selben Tag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziff. 3 des Bescheids vom 5. Dezember 2017 anzuordnen.

Zur Begründung gab er an, dass seine mit traditionell verheiratete Ehefrau am … November 2017 eine Tochter geboren habe und ihm eine Rückkehr nach Italien ohne seine Familie nicht zumutbar sei.

Das Bundesamt übermittelte für die Antragsgegnerin die elektronische Behördenakte, stellte jedoch keinen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 8 K 17.53600 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

1. Der nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.

Da sich die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts vom 5. Dezember 2017 nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist, führt die vorzunehmende Interessenabwägung im Fall des Antragstellers zu einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses.

Nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Italien ist als Mitgliedsstaat, in dem der Antragsteller ausweislich des erzielten Eurodac-Treffers einen Asylantrag gestellt hat, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (Art. 3 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO). Nach Aktenlage hat Italien das gemäß Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO - innerhalb der 3-Monatsfrist - rechtzeitig gestellte Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO nicht beantwortet. Gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass von italienischer Seite dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen.

Die Zuständigkeit liegt auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO bei der Antragsgegnerin (oder einem anderen Mitgliedsstaat), weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EUGrdRCh - ausgesetzt wäre.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 - juris Rn. 181). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und C-493/10 - juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.

Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12 - juris, BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m.w.N., B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (s. hierzu statt vieler aktuell OVG NW, Urteile vom 18.7.2016 - 13 A 1859/14.A - juris Rn. 41 ff. m.w.N., U.v. 7.7.2016 - 13 A 2302/15.A - juris Rn. 41). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. (vgl. OVG NW, U.v. 18.7.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 - juris Rn. 24 m.w.N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 a.a.O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften; es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. - wenn sie das noch nicht getan haben - einen Asylantrag oder - falls das Asylverfahren in Italien mit negativem Ergebnis bereits abgeschlossen sein sollte - einen Folgeantrag stellen können (s. OVG NW, U.v. 19.5.2016 - 13A 516/14.A - juris Rn. 65 ff.).

Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt, sondern vielmehr nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

2. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen, sind nicht gegeben. Soweit der Antragsteller erklärt, ihm sei eine Rückkehr ohne seine Familie nach Italien nicht zumutbar, ist festzustellen, dass bereits der Nachweis, dass der Antragsteller eine hier lebende Familie hat, nicht ansatzweise erbracht ist.

Abgesehen davon würde aus dem fehlenden Identitätsnachweises des Antragstellers auch die Nichtverwertbarkeit entsprechender Erklärungen und/oder sonstiger Urkunden, die keinen Rückschluss auf die Identität des Antragstellers zulassen, folgen. Dementsprechend wäre auch eine etwaige Vaterschaftsanerkennung ohne belegte Identität, da deren Rechtswirkungen insoweit mehr als fragwürdig sind, nicht beweiskräftig, abgesehen davon, dass eine solche auch nicht erfolgt ist.

Im Übrigen würde dem Antragsteller auch mit Blick auf Art. 6 GG kein Duldungsanspruch zustehen. Es wurde nicht vorgetragen oder belegt, dass die Kindsmutter oder das Kind ein gesichertes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland hätten (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 - M 6 S 16.50261 - juris Rn. 25; VG München, G.v. 29.2.2016 - M 12 K 15.50784 - juris Rn. 47). Soweit weder die Mutter noch das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, würde dies jedenfalls ein gesichertes Aufenthaltsrecht der Kindesmutter oder des gemeinsamen Kindes voraussetzen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch gerade an einem Nachweis für den rechtmäßigen Aufenthalt der „Ehefrau“ und des „Kindes“ des Antragstellers. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts setzt grundsätzlich voraus, dass der Aufenthalt durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Das ist der Fall, wenn die Gebietszulassung wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Ein bloßes gesetzliches vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht stellt keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar (Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung 2013, § 27a, Rn. 75f.; VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 - 13 L 914/15.A - juris). Es reicht nicht aus, wenn von einer Abschiebung von Mutter und Kind nach Italien nur solange abgesehen wird, als Italien die angemessene Unterbringung von Mutter und Kind nicht ausdrücklich garantiert. Bei der Abschiebung von Familien mit Kleinstkindern nach Italien muss nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine konkrete und einzelfallbezogene Zusicherung der italienischen Behörden einholen, dass die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde (vgl. BVerfG, 17.09.2014, 2 BvR 939/14, NVwZ 2014, 1511; EGMR, 04.11.2014, 29217/12, NVwZ 2015, 127; BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 27.5.2015 - 2 BvR 3024/14 - juris Rn.4). Daraus ergibt sich aber keine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne der o.g. Rechtsprechung, der durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Spanien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Sie ist nach eigenen Angaben eine nigerianische Staatsangehörige, die am 21. April 2015 ins Bundesgebiet eingereist ist (Bl. 20, 32 der Behördenakte) und am 18. Juni 2015 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 6 der Behördenakte).

Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2015 gab die Klägerin an, sie sei über den Niger (3 Monate), Marokko (6 Monate), Spanien (7 Jahre) mit dem Bus nach Deutschland gereist (B. 20 der Behördenakte). Die Reise habe insgesamt 8 Jahre gedauert. Nach Spanien sei sie im Juni oder Juli 2008 eingereist. Dort habe sie sich in ... ... aufgehalten. In Spanien seien ihr auch die Fingerabdrücke abgenommen worden; sie habe dort als Prostituierte gearbeitet (Bl. 21, 37 der Behördenakte). Der Asylantrag in Spanien sei abgelehnt worden (Bl. 37 der Behördenakte).

Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Spanien (ES1...; Bl. 46 der Behördenakte).

In der Akte befindet sich die Kopie eines Mutterpasses, wonach die Klägerin schwanger ist. Der berechnete Entbindungstermin ist nicht lesbar (Bl. 40/41 der Behördenakte).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 27. Juli 2015 (in dem die Schwangerschaft der Klägerin mitgeteilt wurde) erklärte Spanien am 31. Juli 2015 die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III VO; Bl.46 und 55 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 26. August 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig an (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 0 Monate ab der Abschiebung (Nr.3).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs.1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am .... September 2015 erhob die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Bescheid des Bundesamtes vom 26. August 2015 aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (M 12 S 15.50785).

Klage und Antrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei im sechsten Monat schwanger. Vater des Kindes sei ein nigerianischer Staatsangehöriger, der in ... lebe. Er habe beim Jugendamt des Landratsamtes ... die Vaterschaft anerkannt. Sie seien verlobt und möchten in familiärer Gemeinschaft leben. Sie habe einen Antrag auf Umverteilung gestellt. Durch die Abschiebung nach Spanien würde ein gemeinsames Familienleben mit dem Verlobten verhindert. Im Übrigen könne eine schwangere Frau bzw. eine Frau mit einem Neugeborenen nicht in das mit Mängeln behaftete spanische Asylsystem abgeschoben werden. Hinzu komme, dass die Klägerin in Spanien Opfer einer Vergewaltigung geworden sei und die Polizei keine Hilfe geleistet habe. Möglicherweise könne sie bei Rückkehr nach Spanien Schäden an ihrer psychischen Gesundheit erleiden.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Die Beklagte teilte am 6. Oktober 2015 mit, dass sich der Kindsvater noch im Asylverfahren befindet und noch keine Entscheidung ergangen ist.

Am 8. Oktober 2015 übersandte das Bundesamt die Postzustellungsurkunde, wonach der streitgegenständliche Bescheid am 3. September 2015 zugestellt wurde.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2015 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (M 12 S 15.50785).

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am .... November 2015 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin. Sie erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid. Die Klägerin legte eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Klägerin und eines nigerianischen Staatsangehörigen vor. In Verbindung mit der Vaterschaftsanerkennung ergäbe sich daraus ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 17. Dezember 2015. Aus dem anstehenden Geburtstermin ergäbe sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte hat selbst die Entscheidung durch Gerichtsbescheid angeregt (Schreiben vom ....11.2015), die Beklagte hat auf die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet (Schreiben vom 24.6.2015).

Die Klage ist bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 26. August 2015 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 26. August 2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheides ist die Klage unzulässig, da die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 42 Abs. 2 VwGO.

Zu Recht hat die Beklagte den Antrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Nr.1).

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Anwendbar ist die Dublin III VO, s. Art. 49 Dublin III VO. Der Asylantrag wurde am 18. Juni 2015 (Bl. 6 der Behördenakte), das Gesuch um Wiederaufnahme des Antragstellers am 27. Juni 2015 gestellt (Bl. 46 ff. der Behördenakte).

Spanien hat mit Schreiben vom 31. Juli 2015 seine Zuständigkeit bejaht und der Wiederaufnahme der Klägerin zugestimmt (Bl. 55 der Behördenakte).

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Spaniens den Asylantrag der Klägerin selbst inhaltlich zu prüfen.

Die Auslegung der Dublin III Verordnung, die wie die Dublin II VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, U.v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129, mit Anm. Thym, NVwZ 2014, 130; EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - juris).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten (ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 75, 78; vgl. dazu: Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406). Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung und die Dublin-III-Verordnung erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 78, 79; U.v. 10.12.2013, a. a. O., Rn. 52, 53).

Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12. 2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).

In Bezug auf Spanien ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg B.v. 20.1.2014 - Au 7 S 14.30003 - juris; VG München B.v. 13.9.2013 - M 4 S 13.30881 -; VG Augsburg B.v. 30.8.2013 - Au 5 S 13.30274 - juris; VG Aachen, B.v. 14.1.2015 - 4 L 786)14.A - juris; VG Aachen, B.v. 27.2.2015 - 4 L 68/15.A -juris; VG Potsdam, U.v. 25.6.2015 -VG 6 K 754/15.a - juris; VG Minden, U.v. 16.3.2015 - 10 K 494/15.A - juris; VG Bayreuth, B. v. 9.7.2015 - B 3 S 15.50172 - juris; VG Oldenburg, B.v. 15.9.2015 - 11 B 3485/15 - juris).

Nach dem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien Departements of State der Vereinigten Staaten von Amerika vom 2. Juni 2015 (Sektion 2d) zur Behandlung von Asylbewerbern ist dort das Asylrecht gesetzlich garantiert und wird auch durch administrative Strukturen abgesichert. So kann insbesondere bei jeder Polizeistation ein Asylgesuch angebracht werden, ohne dass die Gefahr einer Abschiebung besteht. Jedes Asylgesuch wird individuell geprüft; gegen ablehnende Entscheidungen ist gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Nach dem königlichen Dekret Nr. 16/2012 erhalten Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zwar nur einen beschränkten Zugang zum Gesundheitssystem. Ausnahmen gelten jedoch in Notfällen sowie für Minderjährige, Schwangere, Patienten mit Infektionskrankheiten sowie psychischen Erkrankungen (vgl. www.ibicasa.com, Ausgabe 59, Juni bis August 2013). Grundsätzlich ist zudem nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/09/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (sog. Aufnahmerichtlinie) davon auszugehen, dass in den Mitgliedsstaaten - und damit auch in Spanien - die Asylbewerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Die geringere Möglichkeit der Behandelbarkeit einer Erkrankung in einem anderen Staat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, führt zudem auch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu einer unmenschlichen Behandlung im Sinn der Art. 4 GR-Charta/Art. 3 EMRK durch den abschiebenden Staat, nämlich dann, wenn humanitäre Gründe zwingend entgegenstehen (vgl. EGMR, U.v.27.5.2008 -26565/05 - NVwZ 2008,1334,1336,Rn.42 ff.; BVerwG, B.v.25.10.2012 - 10 B 16.12. - InfAuslR 2013,45).

Die Behandlung von Personen, die sich ohne Asylantrag oder nach unanfechtbar abgelehntem Asylbegehren in Spanien aufhalten, ist für die Beurteilung systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens ohne Bedeutung.

Spanien gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49).

Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Spaniens nicht vor.

Eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nicht aus Art. 16 Dublin III VO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschlichen Erwägungen erfolgen soll. Der Verordnungsgeber hat in Art. 16 Abs.1 als Voraussetzung für eine Familienzusammenführung den Bestand der familiären Bindung bereits im Herkunftsland angeführt. Dies entspricht der in Art. 2 lit.g) Dublin III VO genannten allgemeinen Beschränkung. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Kindsvater offenbar außerhalb des Herkunftslandes kennengelernt und sich mit ihm verlobt hat. Im Übrigen hat der Kindsvater als Asylbewerber keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift, weil ihm die Gebietszulassung nicht durch einen exekutiven oder legislativen Akt ausdrücklich ermöglicht wurde. Ein bloß vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht, wie es § 55 Abs. 1 AsylVfG vermittelt, stellt keine Legalisierung dar. Der Kindsvater verfügt als Asylbewerber nur über eine Gestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Dementsprechend liegt kein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Dublin III VO vor (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 -13 L 914/15.A - juris; VG Berlin, B.v.20.8.2015 - 33 L 244.15.A - juris).

Die Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 und 2 Dublin III VO.

Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen, auch wenn er nicht für die Prüfung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 Dublin III VO). Damit wird der Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin III VO. Ob der Mitgliedsstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, U.v. 21. 12. 2011 - C-411/10; C-493/10). Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedsstaats voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedsstaats verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO in eigener Verantwortung durchzuführen (vgl. zur Dublin II VO: BayVGH, B.v. 3. 3. 2010 -15 ZB 10.30005 - juris). Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin III VO nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt (VG Düsseldorf, B.v. 20. 2. 2015 - 10 L 3022/14.A - juris). Auch eine „konkludente“ Ausübung des Rechts gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO ist denkbar. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass der Selbsteintritt keine dem Asylbewerber gegenüber abzugebende Erklärung ist und das „Verhalten“ des Bundesamts folglich auch nicht aus dessen Horizont zu beurteilen ist (BayVGH, B. v. 3. 3. 2010, a. a. O.). Eine bloß routinemäßige Befragung zu Herkunft, Modalitäten der Einreise sowie des Reiseweges bringt nicht zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland den Entschluss gefasst hat, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in eigener Verantwortung durchzuführen.

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie das Verfahren in eigener Zuständigkeit durchführen will; im Gegenteil hat das Bundesamt von Anfang an das Dublin-Verfahren eröffnet und durchgeführt und im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen begründet die Selbsteintrittskompetenz des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO kein subjektives Recht des Asylbewerbers. Die Vorschrift dient - wie die übrigen Vorschriften der Dublin-Verordnungen in der Regel auch - der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten (vgl. VG Berlin v. 7. 10. 2013 -33 L 403.13A - juris).

Das Selbsteintrittsrecht des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO hat sich auch nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sind in der Dublin III VO nicht geregelt und bleiben daher dem innerstaatlichen Recht überlassen. Art. 17 Dublin III VO wird als eine Generalklausel für die Zuständigkeitsübernahme angesehen in den Fällen, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III VO; vgl. VG Bremen, B.v. 4. 9. 2013 - 4 V 1037/13.A - juris zu Dublin II VO).

Außergewöhnliche humanitäre (familiäre oder krankheitsbedingte) Gründe, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt fordern und ausnahmsweise eine Ermessensreduktion auf null zugunsten eines Selbsteintritts erzeugen könnten, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Klägerin, die zwischenzeitlich erfolgte Geburt (wohl Mitte Dezember 2015) und die mögliche Trennung vom kenianischen Kindsvater, der sich auch im Asylverfahren befindet und aufenthaltsrechtlich nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung, Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte), stellt keine solchen außergewöhnlichen humanitären Gründe dar.

Die Abschiebung der Klägerin kann derzeit auch durchgeführt werden. Zwar hat das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).

Als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis könnte im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichten, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der Klägerin verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuschG). Vorliegend ist dem Mutterpass der genaue Entbindungstermin wegen Schwärzung der entscheidenden Stelle nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt am .... September 2015 aber selbst vor, sich im sechsten Monat der Schwangerschaft zu befinden, so dass im entscheidungserheblichen Zeitraum der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 AsylVfG) am 29. Februar 2016 die acht Wochen nach der Entbindung (wohl Mitte Dezember 2015) bereits abgelaufen sind.

Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgeerklärung für das von der Klägerin inzwischen wohl geborene Kind durch einen nigerianischen Staatsangehörigen vom 29. Juli 2015 und 16. November 2015 (Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte). Der Kindsvater befindet sich ebenfalls im Asylverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist; es wurde nicht vorgetragen, in welchem Verfahrensstadium sich das Asylverfahren des Kindesvaters befindet. Ein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet hat er daher nicht. Es ist der Klägerin zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte der Kindsvater ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und zum gemeinsamen Sorgerecht können allein keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005 2 BvR 1001/04). Die Klägerin hat sich zu der tatsächlichen Verbundenheit zwischen Vater und Kind überhaupt nicht geäußert. Von der Klägerin wurde weder vorgetragen, dass ein Kind geboren wurde noch dass zwischen Vater und Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Vater erbringt. Ebenso wenig wurde vorgetragen, ob über das Asylverfahren des Kindsvaters entschieden wurde. Eine weitere Ermittlung durch das Gericht hat sich daher nicht aufgedrängt.

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, sie sei in Spanien vergewaltigt worden und die Polizei habe nichts unternommen. Spanien ist ein Rechtsstaat, der willens und in der Lage ist, Straftaten zu verfolgen. Wenn die Straftat an der Klägerin nicht verfolgt worden sein sollte, ist dies eine Entscheidung der Polizei und Justizbehörden im Einzelfall, die nichts mit der grundsätzlichen Verfolgung von Straftaten durch die dafür zuständigen spanischen Behörden und Gerichte zu tun hat.

Die Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Untersagung seiner für den 22. Mai 2018 geplanten Abschiebung.

2

Der am 5. Mai 2000 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens wurde er am 17. Mai 2018 in Abschiebungshaft genommen. Einen weiteren Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 18. Mai 2018 ab. Am 22. Mai 2018 beantragte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Duldung wegen aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG. Er sei seit neun Monaten mit einer minderjährigen deutschen Staatsangehörigen liiert, die jetzt von ihm schwanger sei (voraussichtlicher Entbindungstermin: 20. Dezember 2018). Sie beabsichtigten die Aufnahme einer familiären Lebensgemeinschaft und die gemeinsame Erziehung des ungeborenen Kindes. Einen am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 22. Mai 2018 ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom selben Tag zurück.

3

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 76, 253 <255>).

4

2. Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde auf der Grundlage des bisherigen Vortrags des Antragstellers - auch unter Berücksichtigung reduzierter Anforderungen in extremen Eilfällen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2017 - 2 BvQ 7/17 -, juris, Rn. 3) - mangels ausreichender Begründung unzulässig. Für eine Folgenabwägung ist daher kein Raum.

5

a) Der Antragsteller hat die Möglichkeit einer Verletzung in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK durch die angegriffenen Beschlüsse nicht substantiiert aufgezeigt.

6

Das Verwaltungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Duldung aus rechtlichen Gründen wegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK mit der Begründung verneint, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass tatsächlich eine Vaterschaft hinsichtlich des noch ungeborenen Kindes bestehe. Daneben hat es - selbstständig tragend - aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG, die in Betracht kämen, wenn neben einer - hier nicht ärztlich nachgewiesenen - Risikoschwangerschaft oder sonstigen besonderen Hilfsbedürftigkeit die Vaterschaft anerkannt worden sei oder die Betroffenen in Verhältnissen lebten, die die Übernahme der elterlichen Verantwortung und eine gemeinsame Erziehung des Kindes sicher erwarten ließen, mit der Erwägung abgelehnt, dass eine in ausreichendem Verantwortungsbewusstsein gelebte familiäre Beziehung unter den gegebenen Umständen nicht erkennbar sei, namentlich angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Zeitpunkt der Empfängnis und des negativen Abschlusses des Asylverfahrens des Antragstellers, des erheblichen Altersunterschieds zwischen diesem und der Kindesmutter, der eingeschränkten Schutzwürdigkeit der familiären Beziehung wegen ihrer strafrechtsrelevanten Begründung (§ 176 StGB) und der Minderjährigkeit der Kindesmutter, die Zweifel an der angestrebten familiären Lebensgemeinschaft begründe (§§ 1791c, 1673 und 1675 BGB). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und näher ausgeführt, dass alles darauf hindeute, dass der Antragsteller nicht am Wohl der Kindesmutter und/oder des ungeborenen Kindes, sondern allein an seinem Verbleib im Bundesgebiet interessiert sei.

7

aa) Es kann offen bleiben, ob die fachgerichtliche Bewertung, die Aufnahme einer tatsächlich gelebten, von Verantwortung getragenen und damit verfassungsrechtlich schutzwürdigen familiären Lebensgemeinschaft zwischen behauptetem Vater und ungeborenem Kind sei nicht zu erwarten, der Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts in jeder Hinsicht gerecht wird. Allerdings steht weder der Umstand, dass das Kind unter Verletzung von Strafvorschriften (§ 176 StGB) gezeugt worden ist, noch der Umstand, dass die minderjährige Kindesmutter in der Ausübung der elterlichen Sorge eingeschränkt ist (§§ 1673 Abs. 2, 1675 BGB), der Annahme einer im Grundsatz schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung entgegen, auf die es für die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK allein ankommt. Denn die Vorschriften über die elterliche Sorge nach §§ 1626 ff. BGB, die ihrerseits verfassungsrechtlich geprägt sind, stellen seit ihrer Neufassung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz das Kindeswohl in den Mittelpunkt und erkennen die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig an (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris, Rn. 24). Dementsprechend ist bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen auch grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen und das Kind beide Eltern braucht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris, Rn. 26). Ist ein Elternteil minderjährig, kann der Elternverantwortung des anderen bereits volljährigen Elternteils gegenüber dem Kind im Hinblick auf das Kindeswohl sogar ein besonderes Gewicht zukommen (§ 1678 Abs. 1 BGB).

8

bb) Der Antragsteller ist jedenfalls der - selbstständig tragenden - fachgerichtlichen Begründung, seine Vaterschaft sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, nicht durchgreifend entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht ist in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es für die Annahme aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK grundsätzlich der auch schon vor der Geburt des Kindes zulässigen Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 4 BGB) bedarf (vgl. ebenso: Funke-Kaiser, in GK-AufenthG, Bd. 3, Stand: April 2018, § 60a, Rn. 174; Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 2, Stand: Januar 2018, § 60a, Rn. 50). Denn bei der Vaterschaftsanerkennung handelt es sich um einen rechtlichen Statusakt, der - anders als eine bloße eidesstattliche Versicherung - mit Wirkung für und gegen alle Klarheit über die Abstammung des Kindes schafft. Der Antragsteller hat auch keine besonderen Umstände aufgezeigt, die ausnahmsweise die Annahme aufenthaltsrechtlicher Schutzwirkungen auch ohne eine Vaterschaftsanerkennung gebieten würden. Insbesondere hat er nicht substantiiert dargelegt, weshalb ihm die Anerkennung der Vaterschaft vor Anordnung der Abschiebungshaft nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll. Nach seinen eigenen Angaben hat die Kindesmutter bereits seit knapp vier Wochen Kenntnis von der Schwangerschaft, so dass die Einleitung des Verfahrens zur Vaterschaftsanerkennung ab diesem Zeitpunkt und jedenfalls seit dem Eintritt seiner Volljährigkeit am 5. Mai 2018 möglich und zumutbar war. Dass der Versuch, die Vaterschaftsanerkennung während der Abschiebungshaft beurkunden zu lassen, gescheitert ist, ist seiner Verantwortungssphäre zuzurechnen. Denn nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht mit Ablehnung des Asylfolgeantrags am 18. Februar 2018 stand einer sofortigen Beurkundung (zunächst) § 1597a Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen, wonach die Urkundsperson bei Bestehen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, namentlich bei Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Anerkennenden (§ 1597a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB), dies der Ausländerbehörde mitzuteilen und die Beurkundung auszusetzen hat, bis das Prüfungsverfahren nach § 85a Abs. 1 AufenthG abgeschlossen ist.

9

cc) Darüber hinaus hat sich der Antragsteller auch nicht mit der vom Verwaltungsgericht für die Annahme aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK geforderten weiteren Voraussetzung auseinandergesetzt, dass zusätzlich eine Risikoschwangerschaft oder eine sonstige besondere Hilfsbedürftigkeit vorliegen müsse, die hier ärztlich nicht attestiert worden sei. Allein der Hinweis darauf, dass nach den "Mutterschafts-Richtlinien" des Gemeinsamen Bundesausschusses bei Erstgebärenden unter 18 Jahren ein Risikofaktor für die Annahme einer Risikoschwangerschaft vorliege, genügt insoweit nicht. Vielmehr hätte es näherer Darlegungen bedurft, dass und in welcher Weise die minderjährige Kindesmutter, die selbst noch im Haushalt der eigenen Mutter lebt, gerade auch auf die Hilfe und den Beistand des Antragstellers angewiesen ist. Die im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 GG geltende Erwägung, dass Unterstützungs- und Betreuungsleistungen eines nahen Familienangehörigen grundsätzlich nicht durch dritte Personen ersetzt werden können, greift vorliegend nicht, da der Antragsteller und die Kindesmutter nicht verheiratet sind.

10

b) Im Hinblick auf die vom Antragsteller ferner gerügte Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 EMRK durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehlt es an jeder substantiierten Darlegung eines Rechtsverstoßes.

11

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, Abschiebungsmaßnahmen aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 sowie aus der Zurückschiebungsverfügung der Bundespolizeiinspektion R. vom 2. Dezember 2013 bzw. Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Entscheidung über diesen Antrag durchzuführen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus ihrem Vorbringen nicht ergibt, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung oder Zurückschiebung zusteht.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Vollziehung der Abschiebung aus der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 zu untersagen, bleibt ohne Erfolg. Insoweit ist

die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Aussetzung der mit Bescheid vom 20. Januar 2014 angeordneten Abschiebung ist allerdings unzulässig. Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG verweist § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ausdrücklich auf das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist somit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Die Antragstellerin kann insoweit im noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (Az. M 12 S7 14.30364) effektiven Rechtsschutz erlangen. In diesem Verfahren macht die Antragstellerin ebenfalls geltend, dass in ihrer Person sowohl inlandsbezogene als auch zielstaats-bezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Käme das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren bei summarischer Prüfung zum Ergebnis, dass die geltend gemachten Abschiebungshindernisse vorlägen, so hätte es die aufschiebende Wirkung der Klage (M 12 K 14.30132) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 anzuordnen, so dass die Abschiebungsanordnung bis zu einer anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vollziehbar wäre. Damit hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Vollzugsmaßnahmen aus der Abschiebungsanordnung vom 20. Januar 2014 zu unterlassen, vollständig erreicht.

Im Übrigen handelt es sich bei einer Rechtsstreitigkeit über die Entscheidung des Bundesamtes nach § 34a Abs. 1 AsylVfG um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 80 AsylVfG, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen aus der Zurückschiebungsverfügung vom 2. Dezember 2013 durchzuführen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Für eine diesbezügliche einstweilige Anordnung fehlt (wohl schon) das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Zurückschiebungsverfügung durch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 auf andere Weise erledigt hat (s. § 43 Abs. 2 VwVfG).

Eine Zurückschiebungsanordnung auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG stellt einen belastenden anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthaltsG, Stand August 2013, § 57 Rn. 17), der durch die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 13. Januar 2014 und die Entscheidung des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 obsolet geworden ist und sich deshalb dadurch erledigt hat. Rechtsgrundlage für eine mögliche Abschiebung der Antragstellerin nach Ungarn ist damit ausschließlich die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zurückschiebungsanordnung noch Rechtswirkungen entfaltet, hätte es die Antragstellerin versäumt, gegen die Zurückschiebungsverfügung als belastenden Verwaltungsakt entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung Rechtsmittel einzulegen, so dass die Zurückschiebungsverfügung bestandskräftig geworden wäre. Vorläufigen Rechtsschutz hätte die Antragstellerin im Übrigen auch nur im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurückschiebungsverfügung erlangen können. Daher stünde auch § 123 Abs. 5 VwGO einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO entgegen.

Soweit das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. Februar 2014 davon ausgegangen sein sollte, dass der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Abschiebung unabhängig von der asylverfahrensrechtlichen Streitigkeit aus § 34a AsylVfG als (zusätzliche) ausländerrechtliche Streitigkeit auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG zu behandeln sei, hilft auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG gerichtete Eilantrag in einem solchen Fall gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde und nicht gegen die Antragsgegnerin zu richten gewesen wäre. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Gründe

1

I. Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag der Antragsteller sei bereits unzulässig, da er zur Unzeit gestellt worden sei. Die Antragsteller hätten bewusst erst sehr spät am 13.10.2014 bei dem Antragsgegner eine Duldung beantragt und am 15.10.2014 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, um die zuständige Behörde und das Gericht ohne sachlichen Grund unter Druck zu setzen, obwohl ihnen der Abschiebetermin vom 17.10.2014 bereits mit Schreiben vom 17.09.2014 bekannt gegeben worden sei. Der Antrag habe aber auch in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das geltend gemachte Grundrecht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) stehe ihnen nicht zur Seite, weil keine Lebensgemeinschaft bestehe. Dass der Antragsteller zu 1 mit Frau (...) und deren Kind, dessen Vaterschaft er zeitnah anzuerkennen beabsichtige, künftig zusammenleben möchte, könne das tatsächliche Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne einer Beistandsgemeinschaft nicht ersetzen. Der Antragsteller zu 1 habe nicht dargelegt, wann, seit wann überhaupt, bei welchen Gelegenheiten und wie lange er Frau (...), die etwa in der 7. Woche schwanger sei, gesehen habe. Auch fehle es an jeglichem Vortrag dazu, wie er Frau (...) kennengelernt haben wolle, zumal sein Aufenthalt auf das Bundesland Sachsen-Anhalt beschränkt sei. Soweit der Antragsteller zu 1 auf einen bevorstehenden Termin beim Bezirksamt (...) der Freien und Hansestadt B-Stadt verweise, in dem er die Vaterschaft für das ungeborene Kind der Frau (...) anerkennen wolle, handele es sich lediglich um ein zukünftiges ungewisses Ereignis, welches das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft ebenfalls nicht ersetzen könne.

3

Dieser Würdigung durch das Verwaltungsgericht tritt die Beschwerde mit Erfolg entgegen.

4

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sogenannte Sicherungsanordnung). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

5

Diese Voraussetzungen für den Erlass der von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnung sind erfüllt. Der Antragsteller zu 1 hat einen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht (dazu 1). Auch die Antragsteller zu 2 – 3 haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (dazu 2). Es besteht auch ein Anordnungsgrund (dazu 3).

6

1. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen deutschen Kindes kommt dann in Betracht, wenn eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) besteht und die Unterstützung der Schwangeren durch den Abzuschiebenden glaubhaft gemacht wird; denn die Wahrscheinlichkeit, dass die werdende Mutter unter diesen Umständen durch eine abschiebungsbedingte Trennung Belastungen ausgesetzt ist, die die Leibesfrucht gefährden, ist ungleich höher als bei vorübergehender Trennung während einer normal verlaufenden Schwangerschaft (vgl. Beschl. d. Senats v. 15.04.2008 – 2 M 84/08 –, Juris RdNr. 3; SächsOVG, Beschl. v. 25.01.2006 – 3 BS 274/05 –, Juris RdNr. 5 und Beschl. v. 02.10.2009 – 3 B 482/09 –, Juris RdNr. 6; BayVGH, Beschl. v. 25.02.2009 – 19 CE 09.213 –, Juris RdNr. 17 und Beschl. v. 28.11.2011 – 10 CE 11.2746 –, Juris RdNr. 4; OVG BB, Beschl. v. 03.09.2012 – OVG 11 S 40.12 –, Juris RdNr. 23; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG II, Stand: Oktober 2011, § 60a RdNr. 152). Erforderlich ist, dass eine enge und durch Fürsorge geprägte persönliche Beziehung des Ausländers zur werdenden Mutter besteht. Das setzt in der Regel ein tatsächliches Zusammenleben mit ihr in häuslicher Gemeinschaft voraus. Zudem muss glaubhaft die Bereitschaft bekundet werden, in Zukunft in einer tatsächlich gelebten familiären Verbundenheit elterliche Verantwortung zu übernehmen (Funke-Kaiser, a.a.O., § 60a RdNr. 149.2). Voraussetzung ist ferner, dass der ausländische Vater gegenüber den zuständigen Behörden mit Zustimmung der Mutter seine Vaterschaft wirksam anerkannt hat (BayVGH, Beschl. v. 28.11.2011 – 10 CE 11.2746 – a.a.O. RdNr. 4; Funke-Kaiser, a.a.O., § 60a RdNr. 149.1). Die Behörden und Verwaltungsgerichte können das Berufen auf eine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB nicht mehr in Zweifel ziehen, wenn ein Ausländer die Vaterschaft über ein deutsches Kind den Formerfordernissen des BGB entsprechend anerkannt und die Kindesmutter dem formrecht zugestimmt hat. Ob der Ausländer tatsächlich der biologische Vater des Kindes ist, hat in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung (Beschl. d. Senats v. 25.08.2006 – 2 M 228/06 –, Juris RdNr. 19). Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL 6/10 –, Juris RdNr. 95). Soweit – wie hier – weder die Mutter noch das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, liegt ein Grund für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60a Abs. 2 AufenthG mit Blick auf Art. 6 GG nur dann vor, wenn es dem Ausländer und seiner Partnerin nicht zuzumuten ist, das Bundesgebiet zu verlassen und ein familiäres Zusammenleben im Heimatland des Ausländers oder seiner Partnerin zu führen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 02.02.2011 – 8 ME 305/10 –, Juris RdNr. 8). Das hängt maßgeblich vom aufenthaltsrechtlichen Status der schwangeren ausländischen Staatsangehörigen ab. Abschiebungsschutz ist zu gewähren, wenn diese über ein gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 60a RdNr. 150).

7

Nach diesen Grundsätzen hat die Schwangerschaft der neuen Lebensgefährtin des Antragstellers zu 1, Frau (...), aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungsschutzes gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG. Nach dem Attest des Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. G. vom 09.10.2014 (GA Bl. 49) ist die Schwangerschaft von Frau (...) wegen ausgeprägter Schmerzsymptomatik als Risikoschwangerschaft einzustufen. Zudem ist es wegen psychischer Probleme wünschenswert, dass der Partner von Frau (...) anwesend ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffend sind, liegen nicht vor. Die Antragsteller haben zudem durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers zu 1 vom 08.10.2014 (GA Bl. 57) sowie der eidesstattlichen Versicherung der Frau (...) vom 08.10.2014 (GA Bl. 56) glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller zu 1 Frau (...) während der Schwangerschaft unterstützen und nach der Geburt des Kindes mit ihr, dem Kind sowie seinen beiden eigenen Kindern, den Antragstellern zu 2 und 3, in familiärer Gemeinschaft leben will. Gründe, weshalb diesen eidesstattlichen Versicherungen aus formellen Gründen – wie der Antragsgegner meint – keine Bedeutung zukommen soll, sieht der Senat nicht. Eine enge persönliche Bindung zwischen dem Antragsteller zu 1 und Frau (...) wird auch dadurch glaubhaft gemacht, dass sie ausweislich der Urkunde des Jugendamtes der Freien und Hansestadt B-Stadt – Bezirksamt (...) – vom 20.10.2014 (GA Bl. 76) erklärt haben, die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam übernehmen zu wollen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Hiermit wird der Wunsch des Antragstellers zu 1, künftig mit Frau (...) in familiärer Gemeinschaft zusammenleben zu wollen, hinreichend glaubhaft gemacht. Dem steht nicht entgegen, dass sie derzeit nicht in häuslicher Gemeinschaft leben, sondern dass Frau (...) ihren Wohnsitz in B-Stadt hat, während die Antragsteller in der vom Antragsgegner betriebenen Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt wohnen. Diese räumliche Trennung lässt keine Rückschlüsse auf eine fehlende persönliche Beziehung des Antragstellers zu 1 zu der werdenden Mutter zu, da diese Trennung nicht freiwillig besteht, sondern weil der Aufenthalt der Antragsteller gemäß der Duldungsverfügung des Antragsgegners vom 06.08.2014 (BA A Bl. 114) auf das Bundesland Sachsen-Anhalt und H-Stadt beschränkt und ihnen die Wohnsitznahme nur im Landkreis C. gestattet ist, während sich Frau (...) nach den Angaben des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 07.11.2014 nicht über Nacht in der Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt aufhalten darf. Für die Zukunft ist ein gemeinsames Familienleben entweder am Ort der Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt oder am derzeitigen Wohnort der Frau (...) in B-Stadt möglich, soweit ein länderübergreifender Wohnsitzwechsel nach § 51 AsylVfG oder eine Erweiterung der räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 4 AufenthG erfolgt (vgl. hierzu Beschl. d. Senats v. 30.10.2014 – 2 M 106/14 –).

8

Der Antragsteller zu 1 hat auch die Vaterschaft des Kindes der Frau (...), dessen Geburt für den (…).05.2015 erwartet wird, gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt. Frau (...) hat dieser Anerkennung gemäß § 1595 Abs. 1 BGB zugestimmt. Diese Erklärungen sind gemäß § 1597 Abs. 1 BGB durch eine Urkunde des Jugendamtes der Freien und Hansestadt B-Stadt – Bezirksamt (...) – vom 20.10.2014 (GA Bl. 77) beurkundet worden. Damit steht rechtlich fest, dass der Antragsteller zu 1 der Vater des Kindes ist. Die Zweifel des Antragsgegners an der biologischen Vaterschaft des Antragstellers zu 1 vermögen hieran nichts zu ändern.

9

Frau (...) verfügt auch über ein gesichertes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr wurde ausweislich des bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auszugs aus dem Ausländerzentralregister vom 07.11.2014 (BA A Bl. 237 ff.) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt, zuerst am 10.12.2007 und zuletzt am 11.02.2014 befristet bis 10.02.2017. Darüber hinaus ist sie nach ihren Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 08.10.2014 in Deutschland geboren und aufgewachsen. Damit ist es ihr – bei summarischer Prüfung – auch angesichts der bestehenden Risikoschwangerschaft jedenfalls derzeit nicht zuzumuten, das Bundesgebiet zu verlassen und ein familiäres Zusammenleben mit den Antragstellern im gemeinsamen Heimatland Serbien zu führen.

10

Der Abschiebungsschutz ist jedoch in Anlehnung an § 6 Abs. 1 MuSchG auf den Zeitraum von acht Wochen nach dem Ende der Schwangerschaft der Kindesmutter zu begrenzen (vgl. OVG BB, Beschl. v. 03.09.2012 – OVG 11 S 40.12 –, Juris RdNr. 27). Durch die Gewährung von Abschiebungsschutz wird nichts darüber ausgesagt, ob der Antragsteller zu 1 nach Ablauf dieses Zeitraumes nicht doch erst einmal ausreisen muss (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG II, § 60a RdNr. 149).

11

2. Auch die Antragsteller zu 2 – 3 haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Eine rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG kann sich aus inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen ergeben, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa mit Blick auf Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Der Schutz des Art. 6 GG umfasst die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben. Sich hieraus ergebende schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers dann entgegen stehen, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, seine tatsächlichen Bindungen zu berechtigterweise im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (Beschl. d. Senats v. 14.08.2014 – 2 L 115/13 – m.w.N.). Derartige schutzwürdige Belange liegen im Fall der Antragsteller zu 2 – 3 vor. Aufgrund der oben dargestellten Umstände besteht bei dem Antragsteller zu 1 ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Die übrigen Familienmitglieder können daher einstweilen eine gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Heimatland nicht führen. Eine alleinige auch nur kurzfristige Rückkehr ohne Begleitung durch den Antragsteller zu 1 nach Serbien ist ihnen ebenfalls nicht zuzumuten.

12

3. Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsgegner hatte ursprünglich geplant, die Antragsteller am 17.10.2014 nach Serbien abzuschieben. Der Umstand, dass noch kein neuer Abschiebetermin feststeht, führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 03.04.2006 – 2 M 82/06 –, Juris RdNr. 9 m.w.N.) nicht dazu, dass das Rechtsschutzinteresse entfällt; denn muss der Ausländer nach den dem Gericht bekannten Tatsachen befürchten, dass gegen ihn Abschiebungsmaßnahmen eingeleitet werden, so kann ihm nicht zugemutet werden, ganz konkret abzuwarten, bis Abschiebungsmaßnahmen tatsächlich erkennbar werden, und dies dann dem Gericht gegenüber glaubhaft zu machen.

13

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

14

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den halben Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG je Antragsteller festzusetzen, soweit Streitgegenstand – wie hier – die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung ist (vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 11.11.2010 – 11 S 2475/10 –, Juris RdNr. 2).


Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Nürnberg wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung, seine für den 08.01.2016 vorgesehene Abschiebung auszusetzen.

Der Antragsteller, geboren am ... 1994, reiste am 16.12.2014 ins Bundesgebiet ein und stellte am 03.03.2015 einen Asylantrag. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.04.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen und auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Die Behörde forderte ihn weiter zur Ausreise auf und drohte ihm widrigenfalls die Abschiebung in den Kosovo an. Der Bescheid ist seit 30.04.2015 vollziehbar.

Am 08.07.2015 stellte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde Schwandorf, deren Bezirk er zugewiesen war, einen Duldungsantrag. Er brachte dazu vor, seine Lebensgefährtin, die ukrainische Staatsangehörige ..., die aus einer früheren Beziehung bereits zwei 2009 und 2010 geborene Kinder habe, erwarte von ihm ein Kind. Sie und ihre Kinder seien im Besitz von Aufenthaltsgestattungen, weil sie am 19.02.2015 Asylanträge gestellt hätten, über die noch nicht entschieden sei. Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde am 13.07.2015 ab. Spätestens ab 23.07.2015 hielt sich der Antragsteller nicht mehr in Schwandorf, sondern bei seiner Lebensgefährtin in ... auf, ohne die für ihn zuständige Ausländerbehörde davon in Kenntnis zu setzen.

Am 29.09.2015 erkannte der Antragsteller gegenüber einem Notar in ... die Vaterschaft an. Die Kindsmutter stimmte zu. Außerdem erklärten beide vor dem Notar, die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen. Am 17.11.2015 lehnte das Landratsamt Schwandorf einen erneut gestellten Duldungsantrag mit der Begründung ab, der Antragsteller sei seit 23.07.2015 unbekannten Aufenthalts gewesen und habe sich damit der Abschiebung entzogen.

Nachdem der Antragsteller sich am 07.12.2015 beim Bundesamt in Zirndorf gemeldet hatte, wurde er am 09.12.2015 zum Aufenthalt im Bezirk der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung in Bamberg verpflichtet. Mit Beschluss vom 22.12.2015 ordnete das Amtsgericht Bamberg mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 19.01.2016 an. Daraufhin wurde der Antragsteller in die Einrichtung für Abschiebungshaft in Mühldorf am Inn verbracht.

Am 29.12.2015 stellte seine Prozessbevollmächtigte einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung macht der Antragsteller in einem handschriftlich verfassten Schreiben geltend, er wolle in Deutschland sicherer und glücklicher leben als im Kosovo. Seine muslimische Herkunftsfamilie akzeptiere nicht, dass er eine Beziehung zu einer christlichen Frau aus der Ukraine unterhalte, die von ihm ein Kind erwarte. Außerdem habe er im Kosovo keine Arbeit gehabt und mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern in einer Drei - Zimmer-Wohnung leben müssen.

Mit Bescheid vom 30.12.2015 befristete die Regierung von Oberfranken-Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) die Wirkungen seiner Abschiebung, die auf den 08.01.2016 festgesetzt wurde, für die Dauer von 30 Monaten bis zum 08.07.2018.

Mit Telefax vom 07.01.2016 hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte beantragen lassen,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers auszusetzen.

Zugleich hat er beantragt,

ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin ... beizuordnen.

Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung. Sein Duldungsanspruch ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 GG. Denn seine Lebensgefährtin erwarte ein Kind von ihm, das voraussichtlich am 19.01.2016 zur Welt kommen werde. Seine Abschiebung hätte die vorübergehende, möglicherweise sogar endgültige Trennung von ihr und seinem Kind zur Folge, für das er die Vaterschaft anerkannt und eine Erklärung über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge abgegeben habe. Mit seiner zeitnahen Rückkehr nach Deutschland sei nicht zu rechnen. Denn seine Lebensgefährtin sei Asylbewerberin mit einer Aufenthaltsgestattung bis 19.05.2016 und habe damit derzeit keinen Aufenthaltsstatus, der ihn zum Nachzug berechtige. Es sei nicht absehbar, wann und mit welchem Ergebnis über ihren Asylantrag entschieden werde oder ob sie aufgrund ihrer Depressionen und der psychischen Probleme ihres Sohnes ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne. Eine Rückkehr in die Ukraine zusammen mit ihrem muslimischen Mann scheide genauso aus wie eine gemeinsame Ausreise mit ihren Kindern und dem Antragsteller in den Kosovo. Denn dann müsse sie ihren Asylantrag zurücknehmen und laufe Gefahr, im Kosovo schutzlos gestellt zu sein und ärztlich nicht behandelt werden zu können.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 08.01.2016 beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend, der Asylfolgeantrag des Antragstellers stehe seiner Abschiebung nicht (mehr) entgegen. Denn das BAMF habe der Ausländerbehörde am 08.01.2016 gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG mitgeteilt, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. Der Antragsteller habe zwar Atteste betreffend den Gesundheitszustand seiner Lebensgefährtin und ihres Sohnes vorgelegt, jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass deshalb seine Anwesenheit und Betreuung erforderlich sei. Außerdem sei im Hinblick auf deren Asylverfahren nicht von einem dauerhaften, sondern lediglich von einem vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen. Zudem könne der Antragsteller eine Befristung der vom Antragsgegner verfügten Einreisesperre beantragen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auch auf die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, verwiesen.

II.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren haben keinen Erfolg.

1.

Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 123 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den in der nachfolgenden Nummer 2 dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dessen Ausreisefrist abgelaufen ist, hat keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen der ggf. drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.

(a) Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG darf die Abschiebung eines Folgeantragstellers erst nach Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden. Deshalb kann ein Folgeantragsteller, bevor die Mitteilung des BAMF an die Ausländerbehörde ergangen ist, eine Duldung beanspruchen (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 71 AsylVfG Rn. 15).

Da das BAMF am 08.01.2016 den Antragsgegner schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden wird, hat der Antragsteller wegen der Stellung eines Folgeantrages keinen Duldungsanspruch mehr. Das Bundesamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung internationalen Schutzes (vgl. §§ 13 Abs. 2, 1 Abs. 1, 3 ff. AsylVfG) zu Recht verneint. An der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das Bundesamt geht zu Recht davon aus, dass bereits die Anforderungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt sind.

(b) Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Die Abschiebung ist weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.

Rechtlich unmöglich kann eine Abschiebung dann sein, wenn es durch die Abschiebung unmöglich gemacht oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert wird, eine ausländerrechtliche Rechtsposition im Bundesgebiet zu verfolgen (BayVGH, Beschluss vom 25.01.2010, Az. 10 CE 09.2762, juris Rdnr. 10).

(aa) Ein Anordnungsanspruch könnte deshalb dann bestehen, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass er einen offenbaren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, den geltend zu machen die Abschiebung zumindest erschwert (vgl. VG München, Beschluss vom 24.8.2010, Az. M 10 S 10.3263 und 3264, juris Rdnr. 35).

Ein solcher offenbarer Anspruch ist für den Antragsteller vorliegend jedoch weder glaubhaft gemacht noch ansonsten ersichtlich.

Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe der §§ 22 bis 26 AufenthG erteilt werden, es sei denn es liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor (§ 10 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 1. Halbsatz AufenthG) vor. Der Antragsteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Außerdem liegen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG im Ermessenswege schon deshalb nicht vor, weil der Antragsteller ohne das für den angestrebten Daueraufenthalt erforderliche Visum eingereist ist und damit die in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelte allgemeine Erteilungsvoraussetzung, die zu erfüllen ihm zumutbar ist, nicht vorliegt.

(bb) Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz für den Antragsteller kommt aber auch nicht mit Blick auf die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen von Art. 6 GG hinsichtlich des Verhältnisses eines ungeborenen Kindes zu seinem nichtehelichen Vater in Betracht, weil die engen Voraussetzungen, unter denen sich auf dieser Grundlage ein Duldungsanspruch ergibt, nicht vorliegen.

Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass für das ungeborene Kind oder die Mutter eine Gefahrenlage besteht (Risikoschwangerschaft), dass er die werdende Mutter bislang schon unterstützt hat und dass sie gerade auf seine Hilfe angewiesen ist (vgl. dazu OVG Magdeburg, B. v. 10.12.2014 - 2 M 127/14 - juris Rn.6). Außerdem hat er zwar die Vaterschaft anerkannt und eine Sorgerechtserklärung abgegeben, jedoch nicht deutlich gemacht, wie er in Zukunft in einer tatsächlich gelebten familiären Verbundenheit elterliche Verantwortung übernehmen will. Insbesondere hat er nicht dargetan, wie er ohne bisher je gearbeitet zu haben, zum Lebensunterhalt der Familie beitragen will. Weiter kommt dann eine Duldung für den Ausländer in Betracht, wenn es dem Ausländer und seiner Partnerin nicht zuzumuten ist, das Bundesgebiet zu verlassen und ein familiäres Zusammenleben im Heimatland des Ausländers oder seiner Partnerin zu führen. Die Gewährung von Abschiebungsschutz in diesen Fällen setzt aber weiter voraus, dass die Schwangere, über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügt (OVG Magdeburg, a. a. O.). Diese Voraussetzungen liegen bei der Lebensgefährtin des Antragstellers jedoch nicht vor: sie befindet sich vielmehr in einem Asylverfahren mit ungewissem Ausgang. Letztendlich ist mit der erzwungenen Rückkehr ins Kosovo zwar eine zeitweilige Trennung von seiner Lebensgefährtin und ihrem gemeinsamen Kind verbunden; es ist ihm jedoch zuzumuten, in seinem Heimatland, wo seine Eltern und Geschwister leben, den Ausgang des Asylverfahrens seiner Partnerin abzuwarten. Erfordern zwingende Gründe seine Anwesenheit in Deutschland kann er während dieser Zeit gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine kurzfristige Betretenserlaubnis beanspruchen. Wenn das Asylverfahren für seine Lebensgefährtin und ihre Kinder positiv ausgegangen ist, kann er vom Kosovo aus die Verkürzung seines Einreise- und Ausreiseverbotes gemäß § 11 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG beantragen und im Rahmen eines Visumverfahrens die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für den von ihm angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet nachweisen.

3.

Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.

4.

Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 8.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge am ... 1979 geboren, ledig und nigerianischer Staatsangehöriger. Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller über Niger, Libyen und Italien am ... Dezember 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er gab an, sieben bis acht Jahre in Italien gelebt zu haben. Laut Aktenlage stellte er in der Bundesrepublik Deutschland keinen Asylantrag.

Bei einer Recherche des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab sich ein EURODAC-Treffer international für Italien. Am ... März 2013 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-Verordnung (Dublin-III-VO) an Italien gerichtet. Das Ersuchen blieb nach Aktenlage unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 8. April 2016 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Italien an (Nr. 1 des Bescheids) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 2 des Bescheids). Die Abschiebung nach Italien sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG anzuordnen, da dieser Staat gemäß Art. 3 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach Italien sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Hierzu erfolgte eine ausführliche Darstellung hinsichtlich der Unterbringungs- und Versorgungssituation von „Dublin-Rückkehrern“ in Italien. Der Bescheid wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am ... April 2016 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom ... April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 8. April 2016 (M 6 K 16.50260) und beantragte zugleich,

nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Zur Begründung legte der Antragsteller die Urkunde der Stadt A. über die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft für das durch die nigerianische Staatsangehörige Frau A. am ... Februar 2016 geborene Kind ... und eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller vor.

Mit Schreiben vom 29. April 2016 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt, aber nicht begründet.

Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.

Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und mögliche summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zunächst verschont zu bleiben, zurück. Erweist sich umgekehrt der Bescheid nach vorläufiger Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung in der Regel anordnen, da kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids besteht. Ist der Ausgang des Verfahrens nicht absehbar, bleibt es bei der allgemeinen Interessenabwägung.

Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochten Bescheids, da nach vorläufiger Prüfung davon auszugehen ist, dass der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig erweisen wird und die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald fest steht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates regelt die Dublin - III - VO. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin - III - VO wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft.

Die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach Italien sind nach summarischer Überprüfung gegeben. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist gemäß Art. 13 Abs. 1, 18 Abs. 1b) der Verordnung (EG) 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Italien zuständig, weil der Antragsteller sowohl nach eigenen Angaben vor dem Bundesamt als auch aufgrund der vorliegenden Beweise und Indizien (Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO), hier der Daten aus der Eurodac-Datei, über Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist.

Die Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ist gewahrt. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO kann auch davon ausgegangen werden, dass Italien das Aufnahmegesuch vom... März 2016 akzeptiert hat, da hierauf keine fristgemäße Reaktion erfolgte.

Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.

Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta - EU-GR-Charta - mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO im Wege der Ermessensreduzierung auf Null das ihr eingeräumte Selbsteintrittsrecht zugunsten des Antragstellers ausüben müsste, den Asylantrag also in eigener Zuständigkeit sachlich prüfen müsste. Systemische Mängel, die eine solche Zuständigkeit begründen könnten, sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen weder bei der Durchführung von Asylverfahren, noch hinsichtlich des Aufnahmesystems in Italien festzustellen.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens darauf, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905 - juris - Rn. 78 f.). Daraus hat der EuGH die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 80). Da dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, geht der EuGH davon aus, dass diese Vermutung widerlegt werden kann (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 104).

Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86 und 94). Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der (damals maßgeblichen) Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 106 und LS 2; ebenso U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 30).

Schließlich hat der EuGH für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber der Überstellung gegen den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung zugrunde (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 5ff.).

Im Hinblick auf das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren muss sich das erkennende Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta, mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird; dabei müssen derartige Defizite deshalb vorhersehbar sein, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dann treffen die Mängel den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern waren von deutschen Behörden und Gerichten verlässlich vorhersehbar. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat aus (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9).

Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, also überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde. Es folgt damit der ganz überwiegenden Meinung in der aktuellen Rechtsprechung, wonach in Italien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. z. B. OVG NRW, U. v. 19.5.2016 - 13 A 516/14.A - juris - m. w. N.; VG München, B. v. 1.3.2016 - M 1 S 16.50017; VG München, B. v. 12.1.2016 - M 25 S 15.50996; VG München, B. v. 8.1.2016 - M 3 S 15.50927; VG Augsburg, U. v. 19.10.2015 - Au 5 K 15.50416 < juris > m. w. N.; VG München, B. v. 14.10.2015 - M 12 S 15.50779 < juris >; VG Gelsenkirchen, B. v. 9.10.2015 - 9a L 2021/15 A < juris >; VG München, B. v. 10.4.2015 - M 16 S 15.50307; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 < juris >). Allenfalls ist bei besonders schutzbedürftigen Personen, wie z. B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (vgl. BayVGH, B. v. 15.1.2015 - 21 ZB 14.50051 - juris) im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Aufnahmebedingungen in Italien für einen alleinstehenden jungen Mann nicht grundsätzlich die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK begründen (vgl. EGMR, B. v. 5.2.2015 - A.M.E./Niederlande Nr. 51428/10). Eine Familiengemeinschaft oder auch die Abschiebung des Kindes, dessen Vaterschaftsanerkennung der Antragsteller vorgelegt hat, sind nicht vorgetragen, so dass diese Konstellation im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Aktuelle Erkenntnisse belegen, dass das Asylsystem in Italien grundsätzlich funktionsfähig ist (vgl. die Nachweise bei OVG NRW, U. v. 19.5.2016 - a. a. O. - juris Rn. 71 ff); es ist nicht mit längerer Obdachlosigkeit der Asylbewerber zu rechnen, da das Recht auf Unterkunft beachtet wird (vgl. die Nachweise bei OVG NRW a. a. O. Rn. 97 f); die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung ist während des Asylverfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet, insbesondere haben Asylbewerber Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem (vgl. die Nachweise bei OVG NRW a. a. O. Rn. 132 f).

Einer Rückführung des Antragstellers nach Italien stehen auch keine zu prüfenden inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse (vgl. § 60a Abs. 2 AufenthG) im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylG entgegen (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung für das am ... Februar 2016 geborene Kind durch eine nigerianische Staatsangehörige. Es wurde nicht vorgetragen oder belegt, dass die Kindsmutter oder das Kind ein gesichertes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Es ist dem Antragsteller daher zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte die Kindsmutter ein Bleiberecht besitzen oder erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK auch nicht allein aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärung zur Vaterschaftsanerkennung kann insofern alleine keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005, 2 BvR 1001/04 - juris). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass zwischen ihm und dem Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Auch wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Antragsteller erbringt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG Gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

...

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Spanien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Sie ist nach eigenen Angaben eine nigerianische Staatsangehörige, die am 21. April 2015 ins Bundesgebiet eingereist ist (Bl. 20, 32 der Behördenakte) und am 18. Juni 2015 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 6 der Behördenakte).

Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2015 gab die Klägerin an, sie sei über den Niger (3 Monate), Marokko (6 Monate), Spanien (7 Jahre) mit dem Bus nach Deutschland gereist (B. 20 der Behördenakte). Die Reise habe insgesamt 8 Jahre gedauert. Nach Spanien sei sie im Juni oder Juli 2008 eingereist. Dort habe sie sich in ... ... aufgehalten. In Spanien seien ihr auch die Fingerabdrücke abgenommen worden; sie habe dort als Prostituierte gearbeitet (Bl. 21, 37 der Behördenakte). Der Asylantrag in Spanien sei abgelehnt worden (Bl. 37 der Behördenakte).

Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Spanien (ES1...; Bl. 46 der Behördenakte).

In der Akte befindet sich die Kopie eines Mutterpasses, wonach die Klägerin schwanger ist. Der berechnete Entbindungstermin ist nicht lesbar (Bl. 40/41 der Behördenakte).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 27. Juli 2015 (in dem die Schwangerschaft der Klägerin mitgeteilt wurde) erklärte Spanien am 31. Juli 2015 die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III VO; Bl.46 und 55 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 26. August 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig an (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 0 Monate ab der Abschiebung (Nr.3).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs.1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am .... September 2015 erhob die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Bescheid des Bundesamtes vom 26. August 2015 aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (M 12 S 15.50785).

Klage und Antrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei im sechsten Monat schwanger. Vater des Kindes sei ein nigerianischer Staatsangehöriger, der in ... lebe. Er habe beim Jugendamt des Landratsamtes ... die Vaterschaft anerkannt. Sie seien verlobt und möchten in familiärer Gemeinschaft leben. Sie habe einen Antrag auf Umverteilung gestellt. Durch die Abschiebung nach Spanien würde ein gemeinsames Familienleben mit dem Verlobten verhindert. Im Übrigen könne eine schwangere Frau bzw. eine Frau mit einem Neugeborenen nicht in das mit Mängeln behaftete spanische Asylsystem abgeschoben werden. Hinzu komme, dass die Klägerin in Spanien Opfer einer Vergewaltigung geworden sei und die Polizei keine Hilfe geleistet habe. Möglicherweise könne sie bei Rückkehr nach Spanien Schäden an ihrer psychischen Gesundheit erleiden.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Die Beklagte teilte am 6. Oktober 2015 mit, dass sich der Kindsvater noch im Asylverfahren befindet und noch keine Entscheidung ergangen ist.

Am 8. Oktober 2015 übersandte das Bundesamt die Postzustellungsurkunde, wonach der streitgegenständliche Bescheid am 3. September 2015 zugestellt wurde.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2015 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (M 12 S 15.50785).

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am .... November 2015 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin. Sie erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid. Die Klägerin legte eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Klägerin und eines nigerianischen Staatsangehörigen vor. In Verbindung mit der Vaterschaftsanerkennung ergäbe sich daraus ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 17. Dezember 2015. Aus dem anstehenden Geburtstermin ergäbe sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte hat selbst die Entscheidung durch Gerichtsbescheid angeregt (Schreiben vom ....11.2015), die Beklagte hat auf die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet (Schreiben vom 24.6.2015).

Die Klage ist bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 26. August 2015 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 26. August 2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheides ist die Klage unzulässig, da die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 42 Abs. 2 VwGO.

Zu Recht hat die Beklagte den Antrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Nr.1).

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Anwendbar ist die Dublin III VO, s. Art. 49 Dublin III VO. Der Asylantrag wurde am 18. Juni 2015 (Bl. 6 der Behördenakte), das Gesuch um Wiederaufnahme des Antragstellers am 27. Juni 2015 gestellt (Bl. 46 ff. der Behördenakte).

Spanien hat mit Schreiben vom 31. Juli 2015 seine Zuständigkeit bejaht und der Wiederaufnahme der Klägerin zugestimmt (Bl. 55 der Behördenakte).

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Spaniens den Asylantrag der Klägerin selbst inhaltlich zu prüfen.

Die Auslegung der Dublin III Verordnung, die wie die Dublin II VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, U.v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129, mit Anm. Thym, NVwZ 2014, 130; EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - juris).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten (ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 75, 78; vgl. dazu: Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406). Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung und die Dublin-III-Verordnung erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 78, 79; U.v. 10.12.2013, a. a. O., Rn. 52, 53).

Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12. 2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).

In Bezug auf Spanien ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg B.v. 20.1.2014 - Au 7 S 14.30003 - juris; VG München B.v. 13.9.2013 - M 4 S 13.30881 -; VG Augsburg B.v. 30.8.2013 - Au 5 S 13.30274 - juris; VG Aachen, B.v. 14.1.2015 - 4 L 786)14.A - juris; VG Aachen, B.v. 27.2.2015 - 4 L 68/15.A -juris; VG Potsdam, U.v. 25.6.2015 -VG 6 K 754/15.a - juris; VG Minden, U.v. 16.3.2015 - 10 K 494/15.A - juris; VG Bayreuth, B. v. 9.7.2015 - B 3 S 15.50172 - juris; VG Oldenburg, B.v. 15.9.2015 - 11 B 3485/15 - juris).

Nach dem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien Departements of State der Vereinigten Staaten von Amerika vom 2. Juni 2015 (Sektion 2d) zur Behandlung von Asylbewerbern ist dort das Asylrecht gesetzlich garantiert und wird auch durch administrative Strukturen abgesichert. So kann insbesondere bei jeder Polizeistation ein Asylgesuch angebracht werden, ohne dass die Gefahr einer Abschiebung besteht. Jedes Asylgesuch wird individuell geprüft; gegen ablehnende Entscheidungen ist gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Nach dem königlichen Dekret Nr. 16/2012 erhalten Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zwar nur einen beschränkten Zugang zum Gesundheitssystem. Ausnahmen gelten jedoch in Notfällen sowie für Minderjährige, Schwangere, Patienten mit Infektionskrankheiten sowie psychischen Erkrankungen (vgl. www.ibicasa.com, Ausgabe 59, Juni bis August 2013). Grundsätzlich ist zudem nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/09/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (sog. Aufnahmerichtlinie) davon auszugehen, dass in den Mitgliedsstaaten - und damit auch in Spanien - die Asylbewerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Die geringere Möglichkeit der Behandelbarkeit einer Erkrankung in einem anderen Staat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, führt zudem auch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu einer unmenschlichen Behandlung im Sinn der Art. 4 GR-Charta/Art. 3 EMRK durch den abschiebenden Staat, nämlich dann, wenn humanitäre Gründe zwingend entgegenstehen (vgl. EGMR, U.v.27.5.2008 -26565/05 - NVwZ 2008,1334,1336,Rn.42 ff.; BVerwG, B.v.25.10.2012 - 10 B 16.12. - InfAuslR 2013,45).

Die Behandlung von Personen, die sich ohne Asylantrag oder nach unanfechtbar abgelehntem Asylbegehren in Spanien aufhalten, ist für die Beurteilung systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens ohne Bedeutung.

Spanien gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49).

Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Spaniens nicht vor.

Eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nicht aus Art. 16 Dublin III VO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschlichen Erwägungen erfolgen soll. Der Verordnungsgeber hat in Art. 16 Abs.1 als Voraussetzung für eine Familienzusammenführung den Bestand der familiären Bindung bereits im Herkunftsland angeführt. Dies entspricht der in Art. 2 lit.g) Dublin III VO genannten allgemeinen Beschränkung. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Kindsvater offenbar außerhalb des Herkunftslandes kennengelernt und sich mit ihm verlobt hat. Im Übrigen hat der Kindsvater als Asylbewerber keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift, weil ihm die Gebietszulassung nicht durch einen exekutiven oder legislativen Akt ausdrücklich ermöglicht wurde. Ein bloß vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht, wie es § 55 Abs. 1 AsylVfG vermittelt, stellt keine Legalisierung dar. Der Kindsvater verfügt als Asylbewerber nur über eine Gestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Dementsprechend liegt kein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Dublin III VO vor (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 -13 L 914/15.A - juris; VG Berlin, B.v.20.8.2015 - 33 L 244.15.A - juris).

Die Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 und 2 Dublin III VO.

Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen, auch wenn er nicht für die Prüfung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 Dublin III VO). Damit wird der Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin III VO. Ob der Mitgliedsstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, U.v. 21. 12. 2011 - C-411/10; C-493/10). Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedsstaats voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedsstaats verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO in eigener Verantwortung durchzuführen (vgl. zur Dublin II VO: BayVGH, B.v. 3. 3. 2010 -15 ZB 10.30005 - juris). Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin III VO nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt (VG Düsseldorf, B.v. 20. 2. 2015 - 10 L 3022/14.A - juris). Auch eine „konkludente“ Ausübung des Rechts gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO ist denkbar. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass der Selbsteintritt keine dem Asylbewerber gegenüber abzugebende Erklärung ist und das „Verhalten“ des Bundesamts folglich auch nicht aus dessen Horizont zu beurteilen ist (BayVGH, B. v. 3. 3. 2010, a. a. O.). Eine bloß routinemäßige Befragung zu Herkunft, Modalitäten der Einreise sowie des Reiseweges bringt nicht zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland den Entschluss gefasst hat, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in eigener Verantwortung durchzuführen.

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie das Verfahren in eigener Zuständigkeit durchführen will; im Gegenteil hat das Bundesamt von Anfang an das Dublin-Verfahren eröffnet und durchgeführt und im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen begründet die Selbsteintrittskompetenz des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO kein subjektives Recht des Asylbewerbers. Die Vorschrift dient - wie die übrigen Vorschriften der Dublin-Verordnungen in der Regel auch - der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten (vgl. VG Berlin v. 7. 10. 2013 -33 L 403.13A - juris).

Das Selbsteintrittsrecht des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO hat sich auch nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sind in der Dublin III VO nicht geregelt und bleiben daher dem innerstaatlichen Recht überlassen. Art. 17 Dublin III VO wird als eine Generalklausel für die Zuständigkeitsübernahme angesehen in den Fällen, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III VO; vgl. VG Bremen, B.v. 4. 9. 2013 - 4 V 1037/13.A - juris zu Dublin II VO).

Außergewöhnliche humanitäre (familiäre oder krankheitsbedingte) Gründe, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt fordern und ausnahmsweise eine Ermessensreduktion auf null zugunsten eines Selbsteintritts erzeugen könnten, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Klägerin, die zwischenzeitlich erfolgte Geburt (wohl Mitte Dezember 2015) und die mögliche Trennung vom kenianischen Kindsvater, der sich auch im Asylverfahren befindet und aufenthaltsrechtlich nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung, Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte), stellt keine solchen außergewöhnlichen humanitären Gründe dar.

Die Abschiebung der Klägerin kann derzeit auch durchgeführt werden. Zwar hat das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).

Als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis könnte im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichten, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der Klägerin verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuschG). Vorliegend ist dem Mutterpass der genaue Entbindungstermin wegen Schwärzung der entscheidenden Stelle nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt am .... September 2015 aber selbst vor, sich im sechsten Monat der Schwangerschaft zu befinden, so dass im entscheidungserheblichen Zeitraum der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 AsylVfG) am 29. Februar 2016 die acht Wochen nach der Entbindung (wohl Mitte Dezember 2015) bereits abgelaufen sind.

Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgeerklärung für das von der Klägerin inzwischen wohl geborene Kind durch einen nigerianischen Staatsangehörigen vom 29. Juli 2015 und 16. November 2015 (Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte). Der Kindsvater befindet sich ebenfalls im Asylverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist; es wurde nicht vorgetragen, in welchem Verfahrensstadium sich das Asylverfahren des Kindesvaters befindet. Ein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet hat er daher nicht. Es ist der Klägerin zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte der Kindsvater ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und zum gemeinsamen Sorgerecht können allein keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005 2 BvR 1001/04). Die Klägerin hat sich zu der tatsächlichen Verbundenheit zwischen Vater und Kind überhaupt nicht geäußert. Von der Klägerin wurde weder vorgetragen, dass ein Kind geboren wurde noch dass zwischen Vater und Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Vater erbringt. Ebenso wenig wurde vorgetragen, ob über das Asylverfahren des Kindsvaters entschieden wurde. Eine weitere Ermittlung durch das Gericht hat sich daher nicht aufgedrängt.

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, sie sei in Spanien vergewaltigt worden und die Polizei habe nichts unternommen. Spanien ist ein Rechtsstaat, der willens und in der Lage ist, Straftaten zu verfolgen. Wenn die Straftat an der Klägerin nicht verfolgt worden sein sollte, ist dies eine Entscheidung der Polizei und Justizbehörden im Einzelfall, die nichts mit der grundsätzlichen Verfolgung von Straftaten durch die dafür zuständigen spanischen Behörden und Gerichte zu tun hat.

Die Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ... geborene Antragsteller, türkischer Staatsangehöriger, begehrt eine Aufenthaltserlaubnis zur Eheführung mit Frau M. D., einer im Jahr 1968 in der Slowakei geborenen deutschen Staatsangehörigen, und wendet sich gegen die mit dem Ablehnungsbescheid vom 7. April 2014 verbundene Aufenthaltsbeendigung.

Der Antragsteller reiste erstmals am 1. Dezember 2008 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dieser Antrag blieb erfolglos (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.3.2010). Zu der im Dezember 2008 beabsichtigten Eheschließung mit einer 1951 geborenen deutschen Staatsangehörigen kam es wegen des Verdachts einer Scheinehe nicht.

Die im Jahr 2009 geschlossene Ehe des Antragstellers mit einer 1969 geborenen deutschen Staatsangehörigen türkischer Herkunft wurde im August 2011 geschieden.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2010 reiste der Antragsteller in die Türkei zurück.

Ab Mai 2011 wurde u. a. gegen den Antragsteller und seine Brüder K. P. und F. P. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs ermittelt.

Gemäß Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion S. vom 27. September 2011 erklärte M. D., über die eine der Geschädigten den Antragsteller kennengelernt hatte, u. a., zwischenzeitlich sei es ihr größtes Ziel, dass die Brüder P. nie mehr eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland bekommen und dass sie möglichst schnell abgeschoben werden. Den Antragsteller werde sie nicht mehr heiraten, da er sie belogen habe. So habe sie erfahren, dass er in der Türkei eine Frau und zwei Kinder habe. Sie befürchte jedoch, dass er weiterhin versuchen werde, nach Deutschland einzureisen. Derzeit solle er sich in Italien befinden. Die Annahme des polizeilichen Sachbearbeiters, die Brüder P. würden seit Jahren Frauen suchen, um diese auszunutzen, bejahte M. D. Das Geld der Frauen werde in die Türkei gebracht.

Am 13. Juli 2012 heiratete der Antragsteller in der Türkei M. D.

Einen Antrag des Antragstellers, ein Visum zur Familienzusammenführung zu erteilen, lehnte das deutsche Generalkonsulat in Istanbul am 19. Dezember 2012 ab. Die Antragsgegnerin hatte zuvor ihre Zustimmung verweigert.

In einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Bedrohung erklärte die Zeugin M. M. am 8. Februar 2013 gegenüber der Kriminalpolizeiinspektion S. u. a., es sei bei M. D. alle zwei Tage der Fall gewesen, dass sie einmal gesagt habe, sie wolle mit dem Antragsteller Schluss machen, und dann am nächsten Tag wieder ganz stark verliebt in ihn gewesen sei.

Am 4. Dezember 2013 reiste der Antragsteller mit einem am 25. November 2013 ausgestellten, vom 29. November bis 21. Dezember 2013 für die Dauer von acht Tagen gültigen italienischen Schengen-Visum über den Flughaben Bergamo in die Europäische Union ein und meldete sich am 6. Dezember 2013 mit Einzugsdatum 5. Dezember 2013 in der Wohnung seiner Ehefrau M. D. im Stadtgebiet der Antragsgegnerin an.

Am 10. Dezember 2013 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth stellte mit Verfügung vom 3. März 2014 das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Betrugs gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Das Amtsgericht Nürnberg hob den gegen den Antragsteller erlassenen Haftbefehl mit Beschluss vom 12. März 2014 auf. Das Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung stellte die Staatsanwaltschaft unter dem 20. März 2014 mangels öffentlichen Interesses ein.

Nach Anhörung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. April 2014 den Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ab (Ziff. 1), forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis spätestens 20. Mai 2014 zu verlassen (Ziff. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung insbesondere in die Türkei an (Ziff. 3). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u. a. aus, von der Nachholung des Visumverfahrens könne nicht abgesehen werden. Es fehle schon an den Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Darüber hinaus könne eine Ermessensentscheidung zugunsten des Antragstellers nicht getroffen werden. Auf die Gründe des Bescheides im Einzelnen wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht (Az. AN 5 K 14.833), über die bislang nicht entschieden wurde.

Zudem beantragte der Antragsteller sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage.

Vor dem Verwaltungsgericht trug der Antragsteller u. a. vor, seine Ehefrau habe schon vor der Verheiratung unter dem Getrenntleben von ihrem Ehemann ganz erheblich gelitten. Sie sei über Jahre hinweg außerordentlich seelisch belastet worden. Seit der Anwesenheit des Antragstellers in Deutschland habe sich ihr gesundheitlicher Zustand erheblich verbessert. Sie könne seit 3. März 2014 wieder ihrer Arbeit in einem Pflegeheim nachgehen. Der Lebensunterhalt des Antragstellers sei wegen des ausreichenden Einkommens der Ehefrau gesichert. Er verfüge auch über ausreichend gute deutsche Sprachkenntnisse. Ein Vorschlag, freiwillig zur Ausstellung eines Visums in die Türkei zurückzukehren, wenn die Antragsgegnerin zusichere, diesen Antrag zu befürworten, sei von der Antragsgegnerin abgelehnt worden.

Vorgelegt wurde ein ärztliches Attest vom 29. April 2014 der Fachärztin für Allgemeinmedizin A. T. in S., Hausärztin der Ehefrau des Antragstellers. Darin heißt es, M. D. leide unter einer chronischen Erkrankung (GdB 50%) und trete nach einer langen Krankheitsphase wieder ins Berufsleben ein. Sie sei weiterhin in ständiger ärztlicher Behandlung und therapiebedürftig. Sie benötige dringend die Unterstützung ihres Ehemannes zur Bewältigung ihres Lebensalltags.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 AufenthG, da er nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumverfahren gemacht habe. Es liege auf der Hand, dass er einen Daueraufenthalt bei seiner Ehefrau schon vor der Einreise geplant habe. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG seien nicht gegeben. Es handle sich hier um eine eklatante Umgehung der Einreisevorschriften. Es sei dem Antragsteller nicht unzumutbar, das Visumverfahren nachzuholen. Die Ehefrau des Antragstellers habe im Zeitraum von der Eheschließung im Juli 2012 bis zur Einreise des Antragstellers im Dezember 2013 ihren Alltag letztlich ohne Unterstützung des Antragstellers, auch wenn sie unter dem Alleinsein wohl gelitten habe, bewältigt. Sie sei seit März 2014 auch wieder in ihrem Beruf tätig. Auch bei der vom Antragsteller angebotenen freiwilligen Rückkehr in die Türkei (zur Durchführung des notwendigen Visumverfahrens) käme es im Übrigen zu einer einstweiligen Trennung.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde vom 18. Juli 2014 führte der Antragsteller u. a. aus, sein Lebensunterhalt sei gesichert. Die Ehefrau sei im Pflegedienst tätig, er habe die sofortige Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme, auch seien Angehörige bereit, ihn zu unterstützen. Die schwerbehinderte Ehefrau (GdB 50%) leide unter einem längeren Getrenntleben in erheblich krankhafter Weise. Eine Rückkehr in die Türkei würde zu einer Trennung auf unabsehbare Zeit führen. Wenn die Antragsgegnerin nämlich dem Antrag auf Familiennachzug nicht zustimme, würde ein Visum nicht ausgestellt mit der Folge, dass dann Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben werden müsste. Bis zu einer Entscheidung würde erfahrungsgemäß mindestens ein weiteres Jahr vergehen. Ein derartiger Umstand gefährde nicht nur weiter die Gesundheit der Ehefrau des Antragstellers, sondern die Ehe insgesamt, und verstoße gegen Art. 6 GG.

Beigebracht wurden: Ein Bericht des Rheumatologen Dr. M. B., Klinikum N., vom 1. April 2014 an die Fachärztin für Allgemeinmedizin A. T. betreffend M. D.. Aufgeführt sind mehrere Krankheiten, u. a. „Depression (übernommene Diagnose)“. Vorgelegt wurde zudem ein ärztliches Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin A. T. vom 22. Juli 2014. Dort heißt es u. a., M. D. leide unter Morbus Crohn mit Verdacht auf Arthropathie sowie Depressionssyndrom mit Angstzuständen. Sie klage über ausgeprägte Schmerzen an mehreren Gelenken, die ihr derzeit körperliche Arbeiten erschwerten. Sie gebe an, dass ihr besonders die Unsicherheit der Aufenthaltsgenehmigung ihres Ehemannes Sorge bereite. Sie hätte zu ihrer schon vorhandenen labilen psychischen Verfassung zusätzlich Existenzängste, da sie auf die Hilfe ihres Mannes zur Unterstützung bei ihren chronischen Erkrankungen mit chronischem Schmerzsyndrom angewiesen sei. Beigebracht wurde zudem eine eidesstattliche Versicherung der M. D. vom 18. Juli 2014, in der es u. a. heißt, sie habe zwei erwachsene Kinder, die in guten Positionen seien. Es sei für sie eine unerträgliche Belastung gewesen, nach der Verheiratung mit dem Antragsteller nicht mit ihm zusammenleben zu können. Sie habe schon länger erhebliche psychische Probleme, die sich durch das Getrenntleben von ihrem Ehemann außerordentlich verstärkt hätten. Sie leide unter größten Angstzuständen, seit das Ausweisungsverfahren gegen ihren Mann laufe. Sie könne ihm auf Dauer nicht in die Türkei folgen. Sie spreche nicht türkisch. Außerdem lebten ihre beiden Töchter in der Nähe von S., zu denen sie ihren engen persönlichen Kontakt nicht verlieren wolle.

Der Antragsteller beantragt,

1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Juli 2014 aufzuheben sowie

2. die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 7. April 2014 anzuweisen, dem Antragsteller eine angemessene Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten wird im Übrigen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Juli 2014, soweit dieses den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. April 2014 abgelehnt hat, hat keinen Erfolg. Der Sachvortrag im Beschwerdeverfahren rechtfertigt weder eine Abänderung noch eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts, wobei sich die Prüfung auf die dargelegten Gründe zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Dahinstehen kann, ob der vor dem Verwaltungsgericht gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig war. Dagegen spricht, dass die Klage des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine aufschiebende Wirkung hat, nachdem die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG infolge des Art. 1 Nr. 27a des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl. I 2013, 3484) in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr gilt. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in der nunmehr gültigen Fassung bestimmt, dass die Fortgeltungsfiktion nicht für ein Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG und damit nicht für ein Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) gilt, wie es der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis unstreitig besessen hat. Diese zum 6. September 2013 in Kraft getretene Rechtsänderung findet im vorliegenden Fall Anwendung, da das Schengen-Visum des Antragstellers am 25. November 2013 ausgestellt wurde (zur Unzulässigkeit eines Antrages gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in diesem Fall vgl. BayVGH, B. v. 22.7.2014 - 10 CS 14.1534, NdsOVG, B. v. 12.11.2013 - 13 ME 190/13 - jeweils juris).

Selbst wenn - wie das Verwaltungsgericht meint - der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig wäre, wäre er jedenfalls unbegründet, denn die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage erscheinen gering.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller scheitert daran, dass dieser nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), die für die Erteilung maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) und die Voraussetzungen für das Absehen von diesen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) nicht vorliegen.

Der Antragsteller ist unstreitig mit einem acht Tage gültigen Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) zu touristischen Zwecken nach Italien eingereist. Für eine Einreise zu einem Daueraufenthalt, hier zum Nachzug zu seiner Ehefrau, die er am 13. Juli 2012 in der Türkei geheiratet hat, hätte er jedoch ein nationales Visum nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG benötigt, das vor der Einreise erteilt wird. Unstreitig ist der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist.

Unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 oder Alt. 2 AufenthG kann von den Pflichten des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgesehen werden. Darauf kann sich der Antragsteller nicht erfolgreich berufen:

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach der Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG, wonach die Antragsgegnerin vom Erfordernis der Visumpflicht absehen kann, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen, sind ersichtlich nicht erfüllt.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht dann, wenn das AufenthG oder ein anderes Gesetz einen strikten Rechtsanspruch, einen Regelanspruch oder einen Sollanspruch verleihen. Eine Ermessensreduzierung auf Null reicht dazu nicht aus (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, Rn. 126 zu § 5).

Dem grundsätzlich bestehenden Erteilungsanspruch gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG steht hier ersichtlich ein Ausweisungsgrund entgegen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Der Antragsteller hat unstreitig in seinem Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums den Aufenthaltszweck „Turismo“ angegeben, obwohl es ihm darum ging, nach Deutschland zu seiner Ehefrau zu gelangen. Damit bestehen ersichtlich die Ausweisungsgründe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG (falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines Schengen-Visums) und des § 55 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (unrichtige Angaben, um einen Aufenthaltstitel zu beschaffen).

Zwar kann für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden (§ 28 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Eine Aufenthaltserlaubnis, die erteilt werden kann, also im Ermessen der Behörde steht, genügt aber nicht der Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG, die einen Anspruch auf Erteilung voraussetzt.

Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG nicht erfüllt sind, kann von der Einhaltung der Visumvorschriften auch nicht abgesehen werden. Das Ermessen der Antragsgegnerin ist schon nicht eröffnet.

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG (Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls) sind nicht gegeben:

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dienen dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vorneherein zu verhindern. Gegen ein Absehen vom Visumerfordernis sprechen insbesondere Umstände, die darauf schließen lassen, dass ein Ausländer durch die Einreise mit einem Visum zu einem anderen Aufenthaltszweck vollendete Tatsachen schaffen will. Soll das Visumverfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung seine Funktion wirksam erfüllen können, dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden (BVerwG, U. v. 11.1.2011 - 1 C 23/09 - juris). So ist es hier.

Weder Art. 6 Abs. 1 und 2 GG noch Art. 8 Abs. 1 EMRK führen hier ausnahmsweise zu einer Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens:

Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vermitteln keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigterweise in Deutschland lebenden Familienangehörigen. Die Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörden, bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Ein betroffener Ausländer braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung seiner familiären Bindungen daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind. Danach ist es grundsätzlich mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, jedoch regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied hingegen grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herstellen (vgl. BVerfG, B. v. 17.5.2011 - 2 BvR 2625/10, B. v. 25.3.2011 - 2 BvR 1413/10, zusammenfassend auch BayVGH, B. v. 21.2.2013 - 10 CS 12.2679 - jeweils juris).

Davon ausgehend erscheint es mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, dem Antragsteller die Erteilung eines Aufenthaltstitels (jedenfalls) unter Verweis auf § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG zu versagen. Gründe, aus denen es ausnahmsweise mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie unvereinbar sein könnte, den Antragsteller auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen, liegen nicht vor. Nach dem Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren erfüllt die Ehe des Antragstellers mit M. D. nicht die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, ist also M. D. nicht auf die Lebenshilfe des Antragstellers angewiesen. Zwar leidet M. D. nach den im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Attesten an verschiedenen Krankheiten. Aus den Attesten ergibt sich aber nicht, dass die Ehefrau des Antragstellers ohne Versorgung durch diesen während seiner vorübergehenden Ausreise Schaden nehmen könnte, also zwingend auf dessen Beistand angewiesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass M. D. auf eine intensive Betreuung und Pflege angewiesen wäre, liegen nicht vor. Einer solchen Annahme stünde auch entgegen, dass die Ehefrau des Antragstellers nunmehr wieder als Altenpflegerin berufstätig ist. Vor der Einreise des Antragstellers, den sie im Juli 2012 in der Türkei geheiratet hat, litt sie bereits an diversen Krankheiten, kam aber unstreitig ohne ihn zurecht. Zudem kann sie Hilfe von ihren in der Nähe ihres Wohnortes lebenden Töchtern erwarten. Im Übrigen wurde nicht vorgetragen und ist auch den ärztlichen Attesten nicht zu entnehmen, auf welche konkreten Hilfestellungen sie angewiesen sein könnte. Weder vorgetragen noch ersichtlich ist auch, warum die Ehefrau des Antragstellers, die sich im September 2011 gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an ihn ausgesprochen hat, weil er ein Lügner und Betrüger sei, nun aber vorträgt, sie würde unter einer Trennung im hohen Maße leiden, mit diesem nicht (vorübergehend) eine eheliche Lebensgemeinschaft in der Türkei führen könnte. Entgegen ihrer Meinung ist dies nicht deshalb unzumutbar, weil sie kein Türkisch spricht. Jedenfalls könnte M. D. ihren Ehemann in der Türkei besuchen. Im Übrigen kann aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren einem Vergleichsvorschlag des Antragstellers (Ausreise in die Türkei gegen Vorabstimmung zur Visumerteilung) nicht zugestimmt hat, nicht geschlossen werden, dass sich die Antragsgegnerin in einem erneuten Verfahren zur Visumerteilung unrechtmäßig verhalten wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin (noch) die Auffassung vertreten würde, dass der Antragsteller und M. D. eine Scheinehe führen. Mittlerweile sind die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller eingestellt worden.

Ebenso wenig wie Art. 6 GG gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Recht des Ausländers, in einen bestimmten Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens berühren. Eingriffe sind unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft und müssen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herstellen. Dabei ist eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durchzuführen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 30.3.2010 - 1 C 8.09 m. w. N. zur Rechtsprechung des EGMR - juris).

Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis erscheint hier mit Art. 8 Abs. 1 EMRK aus den Gründen vereinbar, aus denen sie auch mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in Einklang steht.

Besondere Umstände, die dem Antragsteller die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machen, ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass er ggf. um Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Visums zur Familienzusammenführung in dem dafür vorgesehenen rechtsstaatlichen Verfahren nachsuchen müsste.

Wäre das Begehren des Antragstellers dahingehend umzudeuten, dass beantragt wird, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, bis zur Entscheidung über die Klage von aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen abzusehen, hätte der Antragsteller ebenfalls keinen Erfolg. Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch hätte der Antragsteller auch bei Berücksichtigung der von ihm im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dies ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge am ... 1979 geboren, ledig und nigerianischer Staatsangehöriger. Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller über Niger, Libyen und Italien am ... Dezember 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er gab an, sieben bis acht Jahre in Italien gelebt zu haben. Laut Aktenlage stellte er in der Bundesrepublik Deutschland keinen Asylantrag.

Bei einer Recherche des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab sich ein EURODAC-Treffer international für Italien. Am ... März 2013 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-Verordnung (Dublin-III-VO) an Italien gerichtet. Das Ersuchen blieb nach Aktenlage unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 8. April 2016 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Italien an (Nr. 1 des Bescheids) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 2 des Bescheids). Die Abschiebung nach Italien sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG anzuordnen, da dieser Staat gemäß Art. 3 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach Italien sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Hierzu erfolgte eine ausführliche Darstellung hinsichtlich der Unterbringungs- und Versorgungssituation von „Dublin-Rückkehrern“ in Italien. Der Bescheid wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am ... April 2016 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom ... April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 8. April 2016 (M 6 K 16.50260) und beantragte zugleich,

nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Zur Begründung legte der Antragsteller die Urkunde der Stadt A. über die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft für das durch die nigerianische Staatsangehörige Frau A. am ... Februar 2016 geborene Kind ... und eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller vor.

Mit Schreiben vom 29. April 2016 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt, aber nicht begründet.

Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.

Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und mögliche summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zunächst verschont zu bleiben, zurück. Erweist sich umgekehrt der Bescheid nach vorläufiger Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung in der Regel anordnen, da kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids besteht. Ist der Ausgang des Verfahrens nicht absehbar, bleibt es bei der allgemeinen Interessenabwägung.

Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochten Bescheids, da nach vorläufiger Prüfung davon auszugehen ist, dass der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig erweisen wird und die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald fest steht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates regelt die Dublin - III - VO. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin - III - VO wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft.

Die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach Italien sind nach summarischer Überprüfung gegeben. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist gemäß Art. 13 Abs. 1, 18 Abs. 1b) der Verordnung (EG) 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Italien zuständig, weil der Antragsteller sowohl nach eigenen Angaben vor dem Bundesamt als auch aufgrund der vorliegenden Beweise und Indizien (Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO), hier der Daten aus der Eurodac-Datei, über Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist.

Die Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ist gewahrt. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO kann auch davon ausgegangen werden, dass Italien das Aufnahmegesuch vom... März 2016 akzeptiert hat, da hierauf keine fristgemäße Reaktion erfolgte.

Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.

Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta - EU-GR-Charta - mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO im Wege der Ermessensreduzierung auf Null das ihr eingeräumte Selbsteintrittsrecht zugunsten des Antragstellers ausüben müsste, den Asylantrag also in eigener Zuständigkeit sachlich prüfen müsste. Systemische Mängel, die eine solche Zuständigkeit begründen könnten, sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen weder bei der Durchführung von Asylverfahren, noch hinsichtlich des Aufnahmesystems in Italien festzustellen.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens darauf, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905 - juris - Rn. 78 f.). Daraus hat der EuGH die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 80). Da dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, geht der EuGH davon aus, dass diese Vermutung widerlegt werden kann (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 104).

Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86 und 94). Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der (damals maßgeblichen) Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 106 und LS 2; ebenso U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 30).

Schließlich hat der EuGH für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber der Überstellung gegen den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung zugrunde (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 5ff.).

Im Hinblick auf das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren muss sich das erkennende Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta, mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird; dabei müssen derartige Defizite deshalb vorhersehbar sein, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dann treffen die Mängel den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern waren von deutschen Behörden und Gerichten verlässlich vorhersehbar. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat aus (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9).

Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, also überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde. Es folgt damit der ganz überwiegenden Meinung in der aktuellen Rechtsprechung, wonach in Italien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. z. B. OVG NRW, U. v. 19.5.2016 - 13 A 516/14.A - juris - m. w. N.; VG München, B. v. 1.3.2016 - M 1 S 16.50017; VG München, B. v. 12.1.2016 - M 25 S 15.50996; VG München, B. v. 8.1.2016 - M 3 S 15.50927; VG Augsburg, U. v. 19.10.2015 - Au 5 K 15.50416 < juris > m. w. N.; VG München, B. v. 14.10.2015 - M 12 S 15.50779 < juris >; VG Gelsenkirchen, B. v. 9.10.2015 - 9a L 2021/15 A < juris >; VG München, B. v. 10.4.2015 - M 16 S 15.50307; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 < juris >). Allenfalls ist bei besonders schutzbedürftigen Personen, wie z. B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (vgl. BayVGH, B. v. 15.1.2015 - 21 ZB 14.50051 - juris) im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Aufnahmebedingungen in Italien für einen alleinstehenden jungen Mann nicht grundsätzlich die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK begründen (vgl. EGMR, B. v. 5.2.2015 - A.M.E./Niederlande Nr. 51428/10). Eine Familiengemeinschaft oder auch die Abschiebung des Kindes, dessen Vaterschaftsanerkennung der Antragsteller vorgelegt hat, sind nicht vorgetragen, so dass diese Konstellation im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Aktuelle Erkenntnisse belegen, dass das Asylsystem in Italien grundsätzlich funktionsfähig ist (vgl. die Nachweise bei OVG NRW, U. v. 19.5.2016 - a. a. O. - juris Rn. 71 ff); es ist nicht mit längerer Obdachlosigkeit der Asylbewerber zu rechnen, da das Recht auf Unterkunft beachtet wird (vgl. die Nachweise bei OVG NRW a. a. O. Rn. 97 f); die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung ist während des Asylverfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet, insbesondere haben Asylbewerber Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem (vgl. die Nachweise bei OVG NRW a. a. O. Rn. 132 f).

Einer Rückführung des Antragstellers nach Italien stehen auch keine zu prüfenden inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse (vgl. § 60a Abs. 2 AufenthG) im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylG entgegen (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung für das am ... Februar 2016 geborene Kind durch eine nigerianische Staatsangehörige. Es wurde nicht vorgetragen oder belegt, dass die Kindsmutter oder das Kind ein gesichertes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Es ist dem Antragsteller daher zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte die Kindsmutter ein Bleiberecht besitzen oder erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK auch nicht allein aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärung zur Vaterschaftsanerkennung kann insofern alleine keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005, 2 BvR 1001/04 - juris). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass zwischen ihm und dem Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Auch wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Antragsteller erbringt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG Gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

...

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Spanien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Sie ist nach eigenen Angaben eine nigerianische Staatsangehörige, die am 21. April 2015 ins Bundesgebiet eingereist ist (Bl. 20, 32 der Behördenakte) und am 18. Juni 2015 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 6 der Behördenakte).

Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2015 gab die Klägerin an, sie sei über den Niger (3 Monate), Marokko (6 Monate), Spanien (7 Jahre) mit dem Bus nach Deutschland gereist (B. 20 der Behördenakte). Die Reise habe insgesamt 8 Jahre gedauert. Nach Spanien sei sie im Juni oder Juli 2008 eingereist. Dort habe sie sich in ... ... aufgehalten. In Spanien seien ihr auch die Fingerabdrücke abgenommen worden; sie habe dort als Prostituierte gearbeitet (Bl. 21, 37 der Behördenakte). Der Asylantrag in Spanien sei abgelehnt worden (Bl. 37 der Behördenakte).

Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Spanien (ES1...; Bl. 46 der Behördenakte).

In der Akte befindet sich die Kopie eines Mutterpasses, wonach die Klägerin schwanger ist. Der berechnete Entbindungstermin ist nicht lesbar (Bl. 40/41 der Behördenakte).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 27. Juli 2015 (in dem die Schwangerschaft der Klägerin mitgeteilt wurde) erklärte Spanien am 31. Juli 2015 die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III VO; Bl.46 und 55 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 26. August 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig an (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 0 Monate ab der Abschiebung (Nr.3).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs.1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am .... September 2015 erhob die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Bescheid des Bundesamtes vom 26. August 2015 aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (M 12 S 15.50785).

Klage und Antrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei im sechsten Monat schwanger. Vater des Kindes sei ein nigerianischer Staatsangehöriger, der in ... lebe. Er habe beim Jugendamt des Landratsamtes ... die Vaterschaft anerkannt. Sie seien verlobt und möchten in familiärer Gemeinschaft leben. Sie habe einen Antrag auf Umverteilung gestellt. Durch die Abschiebung nach Spanien würde ein gemeinsames Familienleben mit dem Verlobten verhindert. Im Übrigen könne eine schwangere Frau bzw. eine Frau mit einem Neugeborenen nicht in das mit Mängeln behaftete spanische Asylsystem abgeschoben werden. Hinzu komme, dass die Klägerin in Spanien Opfer einer Vergewaltigung geworden sei und die Polizei keine Hilfe geleistet habe. Möglicherweise könne sie bei Rückkehr nach Spanien Schäden an ihrer psychischen Gesundheit erleiden.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Die Beklagte teilte am 6. Oktober 2015 mit, dass sich der Kindsvater noch im Asylverfahren befindet und noch keine Entscheidung ergangen ist.

Am 8. Oktober 2015 übersandte das Bundesamt die Postzustellungsurkunde, wonach der streitgegenständliche Bescheid am 3. September 2015 zugestellt wurde.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2015 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (M 12 S 15.50785).

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am .... November 2015 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin. Sie erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid. Die Klägerin legte eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Klägerin und eines nigerianischen Staatsangehörigen vor. In Verbindung mit der Vaterschaftsanerkennung ergäbe sich daraus ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 17. Dezember 2015. Aus dem anstehenden Geburtstermin ergäbe sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte hat selbst die Entscheidung durch Gerichtsbescheid angeregt (Schreiben vom ....11.2015), die Beklagte hat auf die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet (Schreiben vom 24.6.2015).

Die Klage ist bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 26. August 2015 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 26. August 2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheides ist die Klage unzulässig, da die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 42 Abs. 2 VwGO.

Zu Recht hat die Beklagte den Antrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Nr.1).

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Anwendbar ist die Dublin III VO, s. Art. 49 Dublin III VO. Der Asylantrag wurde am 18. Juni 2015 (Bl. 6 der Behördenakte), das Gesuch um Wiederaufnahme des Antragstellers am 27. Juni 2015 gestellt (Bl. 46 ff. der Behördenakte).

Spanien hat mit Schreiben vom 31. Juli 2015 seine Zuständigkeit bejaht und der Wiederaufnahme der Klägerin zugestimmt (Bl. 55 der Behördenakte).

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Spaniens den Asylantrag der Klägerin selbst inhaltlich zu prüfen.

Die Auslegung der Dublin III Verordnung, die wie die Dublin II VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, U.v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129, mit Anm. Thym, NVwZ 2014, 130; EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - juris).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten (ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 75, 78; vgl. dazu: Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406). Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung und die Dublin-III-Verordnung erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 78, 79; U.v. 10.12.2013, a. a. O., Rn. 52, 53).

Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12. 2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).

In Bezug auf Spanien ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg B.v. 20.1.2014 - Au 7 S 14.30003 - juris; VG München B.v. 13.9.2013 - M 4 S 13.30881 -; VG Augsburg B.v. 30.8.2013 - Au 5 S 13.30274 - juris; VG Aachen, B.v. 14.1.2015 - 4 L 786)14.A - juris; VG Aachen, B.v. 27.2.2015 - 4 L 68/15.A -juris; VG Potsdam, U.v. 25.6.2015 -VG 6 K 754/15.a - juris; VG Minden, U.v. 16.3.2015 - 10 K 494/15.A - juris; VG Bayreuth, B. v. 9.7.2015 - B 3 S 15.50172 - juris; VG Oldenburg, B.v. 15.9.2015 - 11 B 3485/15 - juris).

Nach dem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien Departements of State der Vereinigten Staaten von Amerika vom 2. Juni 2015 (Sektion 2d) zur Behandlung von Asylbewerbern ist dort das Asylrecht gesetzlich garantiert und wird auch durch administrative Strukturen abgesichert. So kann insbesondere bei jeder Polizeistation ein Asylgesuch angebracht werden, ohne dass die Gefahr einer Abschiebung besteht. Jedes Asylgesuch wird individuell geprüft; gegen ablehnende Entscheidungen ist gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Nach dem königlichen Dekret Nr. 16/2012 erhalten Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zwar nur einen beschränkten Zugang zum Gesundheitssystem. Ausnahmen gelten jedoch in Notfällen sowie für Minderjährige, Schwangere, Patienten mit Infektionskrankheiten sowie psychischen Erkrankungen (vgl. www.ibicasa.com, Ausgabe 59, Juni bis August 2013). Grundsätzlich ist zudem nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/09/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (sog. Aufnahmerichtlinie) davon auszugehen, dass in den Mitgliedsstaaten - und damit auch in Spanien - die Asylbewerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Die geringere Möglichkeit der Behandelbarkeit einer Erkrankung in einem anderen Staat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, führt zudem auch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu einer unmenschlichen Behandlung im Sinn der Art. 4 GR-Charta/Art. 3 EMRK durch den abschiebenden Staat, nämlich dann, wenn humanitäre Gründe zwingend entgegenstehen (vgl. EGMR, U.v.27.5.2008 -26565/05 - NVwZ 2008,1334,1336,Rn.42 ff.; BVerwG, B.v.25.10.2012 - 10 B 16.12. - InfAuslR 2013,45).

Die Behandlung von Personen, die sich ohne Asylantrag oder nach unanfechtbar abgelehntem Asylbegehren in Spanien aufhalten, ist für die Beurteilung systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens ohne Bedeutung.

Spanien gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49).

Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Spaniens nicht vor.

Eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nicht aus Art. 16 Dublin III VO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschlichen Erwägungen erfolgen soll. Der Verordnungsgeber hat in Art. 16 Abs.1 als Voraussetzung für eine Familienzusammenführung den Bestand der familiären Bindung bereits im Herkunftsland angeführt. Dies entspricht der in Art. 2 lit.g) Dublin III VO genannten allgemeinen Beschränkung. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Kindsvater offenbar außerhalb des Herkunftslandes kennengelernt und sich mit ihm verlobt hat. Im Übrigen hat der Kindsvater als Asylbewerber keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift, weil ihm die Gebietszulassung nicht durch einen exekutiven oder legislativen Akt ausdrücklich ermöglicht wurde. Ein bloß vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht, wie es § 55 Abs. 1 AsylVfG vermittelt, stellt keine Legalisierung dar. Der Kindsvater verfügt als Asylbewerber nur über eine Gestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Dementsprechend liegt kein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Dublin III VO vor (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 -13 L 914/15.A - juris; VG Berlin, B.v.20.8.2015 - 33 L 244.15.A - juris).

Die Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 und 2 Dublin III VO.

Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen, auch wenn er nicht für die Prüfung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 Dublin III VO). Damit wird der Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin III VO. Ob der Mitgliedsstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, U.v. 21. 12. 2011 - C-411/10; C-493/10). Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedsstaats voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedsstaats verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO in eigener Verantwortung durchzuführen (vgl. zur Dublin II VO: BayVGH, B.v. 3. 3. 2010 -15 ZB 10.30005 - juris). Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin III VO nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt (VG Düsseldorf, B.v. 20. 2. 2015 - 10 L 3022/14.A - juris). Auch eine „konkludente“ Ausübung des Rechts gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO ist denkbar. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass der Selbsteintritt keine dem Asylbewerber gegenüber abzugebende Erklärung ist und das „Verhalten“ des Bundesamts folglich auch nicht aus dessen Horizont zu beurteilen ist (BayVGH, B. v. 3. 3. 2010, a. a. O.). Eine bloß routinemäßige Befragung zu Herkunft, Modalitäten der Einreise sowie des Reiseweges bringt nicht zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland den Entschluss gefasst hat, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in eigener Verantwortung durchzuführen.

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie das Verfahren in eigener Zuständigkeit durchführen will; im Gegenteil hat das Bundesamt von Anfang an das Dublin-Verfahren eröffnet und durchgeführt und im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen begründet die Selbsteintrittskompetenz des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO kein subjektives Recht des Asylbewerbers. Die Vorschrift dient - wie die übrigen Vorschriften der Dublin-Verordnungen in der Regel auch - der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten (vgl. VG Berlin v. 7. 10. 2013 -33 L 403.13A - juris).

Das Selbsteintrittsrecht des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO hat sich auch nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sind in der Dublin III VO nicht geregelt und bleiben daher dem innerstaatlichen Recht überlassen. Art. 17 Dublin III VO wird als eine Generalklausel für die Zuständigkeitsübernahme angesehen in den Fällen, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III VO; vgl. VG Bremen, B.v. 4. 9. 2013 - 4 V 1037/13.A - juris zu Dublin II VO).

Außergewöhnliche humanitäre (familiäre oder krankheitsbedingte) Gründe, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt fordern und ausnahmsweise eine Ermessensreduktion auf null zugunsten eines Selbsteintritts erzeugen könnten, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Klägerin, die zwischenzeitlich erfolgte Geburt (wohl Mitte Dezember 2015) und die mögliche Trennung vom kenianischen Kindsvater, der sich auch im Asylverfahren befindet und aufenthaltsrechtlich nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung, Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte), stellt keine solchen außergewöhnlichen humanitären Gründe dar.

Die Abschiebung der Klägerin kann derzeit auch durchgeführt werden. Zwar hat das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).

Als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis könnte im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichten, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der Klägerin verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuschG). Vorliegend ist dem Mutterpass der genaue Entbindungstermin wegen Schwärzung der entscheidenden Stelle nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt am .... September 2015 aber selbst vor, sich im sechsten Monat der Schwangerschaft zu befinden, so dass im entscheidungserheblichen Zeitraum der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 AsylVfG) am 29. Februar 2016 die acht Wochen nach der Entbindung (wohl Mitte Dezember 2015) bereits abgelaufen sind.

Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgeerklärung für das von der Klägerin inzwischen wohl geborene Kind durch einen nigerianischen Staatsangehörigen vom 29. Juli 2015 und 16. November 2015 (Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte). Der Kindsvater befindet sich ebenfalls im Asylverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist; es wurde nicht vorgetragen, in welchem Verfahrensstadium sich das Asylverfahren des Kindesvaters befindet. Ein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet hat er daher nicht. Es ist der Klägerin zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte der Kindsvater ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und zum gemeinsamen Sorgerecht können allein keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005 2 BvR 1001/04). Die Klägerin hat sich zu der tatsächlichen Verbundenheit zwischen Vater und Kind überhaupt nicht geäußert. Von der Klägerin wurde weder vorgetragen, dass ein Kind geboren wurde noch dass zwischen Vater und Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Vater erbringt. Ebenso wenig wurde vorgetragen, ob über das Asylverfahren des Kindsvaters entschieden wurde. Eine weitere Ermittlung durch das Gericht hat sich daher nicht aufgedrängt.

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, sie sei in Spanien vergewaltigt worden und die Polizei habe nichts unternommen. Spanien ist ein Rechtsstaat, der willens und in der Lage ist, Straftaten zu verfolgen. Wenn die Straftat an der Klägerin nicht verfolgt worden sein sollte, ist dies eine Entscheidung der Polizei und Justizbehörden im Einzelfall, die nichts mit der grundsätzlichen Verfolgung von Straftaten durch die dafür zuständigen spanischen Behörden und Gerichte zu tun hat.

Die Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt, um nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichthofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen einzuholen:

1. Ist ein Asylbewerber nur dann flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 604/2013, wenn er sich gezielt und bewusst dem Zugriff der für die Durchführung der Überstellung zuständigen nationalen Behörden entzieht, um die Überstellung zu vereiteln bzw. zu erschweren, oder genügt es, wenn er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der ihm zugewiesenen Wohnung aufhält und die Behörde nicht über seinen Verbleib informiert ist und deshalb eine geplante Überstellung nicht durchgeführt werden kann?

Kann sich der Betroffene auf die richtige Anwendung der Vorschrift berufen und in einem Verfahren gegen die Überstellungsentscheidung einwenden, die Überstellungsfrist von sechs Monaten sei abgelaufen, weil er nicht flüchtig gewesen sei?

2. Kommt eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO (EU) 604/2013 allein dadurch zustande, dass der überstellende Mitgliedstaat noch vor Ablauf der Frist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass der Betreffende flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die 18 Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird, oder ist eine Verlängerung nur in der Weise möglich, dass die beteiligten Mitgliedstaaten einvernehmlich eine verlängerte Frist festlegen?

3. Ist eine Überstellung des Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat unzulässig, wenn er für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus dort im Hinblick auf die dann zu erwartenden Lebensumstände einem ernsthaften Risikos ausgesetzt wäre, eine Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren?

Fällt diese Fragestellung noch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts?

Nach welchen unionsrechtlichen Maßstäben sind die Lebensverhältnisse des anerkannten international Schutzberechtigten zu beurteilen?

Der Senat beantragt die Anordnung eines Eilvorabentscheidungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben ein am 23. Oktober 1992 geborener Staatsangehöriger Gambias. Er wendet sich gegen seine Überstellung nach Italien zur Durchführung eines Asylverfahrens.
Er stellte am 23. Dezember 2014 einen Asylantrag, nachdem er Gambia am 5. Oktober 2012 verlassen und Italien über den Seeweg erreichte hatte. Von Italien aus reiste er nach Deutschland weiter. Auf Grundlage eines Eurodac-Treffers, wonach er in Italien einen Asylantrag gestellt habe (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b) VO (EU) 604/2013), ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Italien am 26. Januar 2015 um die Wiederaufnahme des Klägers. Eine Reaktion Italiens auf dieses Ersuchen blieb in der Folgezeit aus.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Nr. 2).
Der Kläger erhob am 4. März 2015 Klage und stellte am 12. März 2015 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, den das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 30. April 2015 als unzulässig ablehnte, weil verspätet gestellt. Auf einen weiteren Eilantrag hin ordnete später das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. Februar 2016 an.
Am 8. Juni 2015 sollte der Kläger nach Italien überstellt werden, was jedoch misslang, da er in seinem Wohnbereich in der Gemeinschaftsunterkunft in Heidelberg nicht angetroffen werden konnte. Nach entsprechenden Nachfragen des Regierungspräsidiums Karlsruhe teilte die "Fachstelle für Wohnungsnotfälle" der Stadt Heidelberg unter dem 16. Juni 2015 dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, der Kläger sei seit längerem nicht in der Gemeinschaftsunterkunft anzutreffen, dieses habe der zuständige Hausmeister bestätigt. In der mündlichen Verhandlung des Senates erklärte der Kläger - erstmals im gesamten gerichtlichen Verfahren - hierzu, dass er Anfang Juni zu einem in Freiberg/Neckar lebenden Freund gereist sei, um ihn zu besuchen. Nach etwa ein bis zwei Wochen habe er einen Anruf von seinem Zimmergenossen aus Heidelberg erhalte, dass die Polizei ihn suche. Er habe sich entschieden, nach Heidelberg zurückzugehen, habe aber kein Geld gehabt, um die Rückfahrt zu bezahlen; er habe sich dieses erst leihen müssen: Etwa nach zwei Wochen sei er wieder in Heidelberg gewesen und sei dort zum Sozialamt der Stadt Heidelberg gegangen und habe gefragt, ob er noch sein Zimmer habe, was bejaht worden sei. Darüber, dass er seine längere Abwesenheit melden müsse, habe ihn niemand belehrt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterrichtete das italienische Innenministerium mit einem Formblatt am 16. Juni 2015, dass eine Überstellung derzeit nicht möglich sei, weil der Kläger flüchtig sei. Dies sei ihm seit dem 16. Juni 2016 bekannt. Weiter heißt es in dem Formular, dass eine Überstellung bis spätestens zum 10. August 2016 "gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin-VO" erfolgen werde.
Am 3. Februar 2016 sollte der Kläger erneut überstellt werden; die Überstellung scheiterte erneut, weil der Kläger sich weigerte, das Flugzeug zu besteigen.
Durch Urteil vom 6. Juni 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Auf den Antrag des Klägers ließ der Senat die Berufung zu. Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger nach wie vor die Auffassung, er sei im Juni 2015 nicht flüchtig gewesen, auch habe das Bundesamt die Fristverlängerung nicht, wie geschehen, bewirken können. Die Verfügung sein auch deshalb aufzuheben, weil bislang keine seit 6. August 2016 erforderliche Entscheidung zum Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots erfolgt sei. Eine Überstellung nach Italien sei auch deshalb unzulässig, weil das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort systemischen Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO (EU) Nr. 604/2013 aufweise. Schließlich sei die Abschiebungsanordnung im Hinblick auf seine mit Erlaubnis der Ausländerbehörde aufgenommene Ausbildung aufzuheben.
10 
Während des Berufungsverfahrens konnte das Bundesamt in Erfahrung bringen, dass dem Kläger in Italien ein nationaler Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt worden war, der ein Jahr gültig und am 9. Mai 2015 abgelaufen war.
II.
11 
Der Senat setzt den Rechtsstreit aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu den im Tenor formulierten Fragen einzuholen. Die Fragen betreffen die Auslegung von Unionsrecht, insbesondere Art. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 29 Abs. 2 VO (EU) 604/2013.
12 
1.Folgende nationale Vorschriften bilden rechtlichen Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits:
13 
§ 60a Aufenthaltsgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. In den Fällen nach Satz 4 wird die Duldung für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer der Berufsausbildung erteilt…
14 
§ 29 Asylgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Unzulässige Anträge
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
ein anderer Staat
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist…
15 
§ 31 Asylgesetz
Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird.
16 
§ 34a Asylgesetz
Abschiebungsanordnung
Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig...
17 
Auf die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften kommt es nach Auffassung des Senats entscheidungserheblich an. Denn zum einen steht die vom Kläger aufgenommene Ausbildung einer Überstellung nicht entgegen, insbesondere konnte der Kläger kein schützenwertes Vertrauen entwickeln, auch in der Zukunft nach einem negativen Ausgang dieses Rechtsstreits weiter in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu können. Dem Kläger wird keine Duldung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilen sein, denn mit Erlass der Abschiebungsanordnung waren aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits eingeleitet. Auch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG scheidet aus, insbesondere kommt mit Rücksicht auf das nicht schutzwürdige Vertrauen in eine Fortsetzung der Ausbildung keine Ermessensreduzierung in Betracht, wie der Kläger meint. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel, insbesondere dem Bericht von aida "Country Report: Italy" (February 2017) leiden das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen trotz diverser erheblicher Mängel an keinen systemischen Schwachstellen, die gerade den allein stehenden Kläger, der keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, dem beachtlichen Risiko einer Schlechtbehandlung im Sinne Art. 4 GRCh aussetzen würde, wenn er zur Durchführung eines (wohl weiteren) Asylverfahrens nach Italien überstellt werden würde. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angegriffenen Bescheide auch nicht aufzuheben, auch wenn das Bundesamt noch nicht über das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat. Dies beruht darauf, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht gegolten hatte, sondern erst am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Im Anschluss an vergleichbare in der Vergangenheit aufgetretene Fallkonstellationen geht der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass dieser Streitgegenstand im Berufungsverfahren angewachsen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1992 – 9 C 59.91 – NVwZ 1992, 892 zu § 51 Abs. 1 AuslG, vom 08.09.2011 – 10 C 14.10 und 10 C 15.10 – jew. juris zu § 60 Abs. 2, 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.).
18 
Nach Auffassung des Senats führt auch die in Italien erfolgte Erteilung eines ein Jahr gültigen Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nicht zur Unanwendbarkeit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Mit der Erteilung dieses Titels ist dem Kläger kein internationaler Schutz im Sinne der RL 2011/95/EU gewährt worden.
19 
Zur ersten Vorlagefrage:
20 
Eine erste zentrale Weichenstellung nimmt der vorliegende Fall mit der Beantwortung der Frage, ob der Kläger 16. Juni 2015, d.h. am Tag der Meldung des Bundesamts an das italienische Innenministerium, "flüchtig" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 war. Denn durch die spätere Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 18. Februar 2016, der erst nach Ablauf der 6-Montsfrist ergangen war, hätte die abgelaufene Frist nicht mehr verlängert oder unterbrochen werden können. Die Fragestellung erfährt im vorliegenden Fall insofern eine ungewöhnliche Zuspitzung als nach dem unstreitigen Sachverhalt der Kläger sich genau an dem Tag, an dem die Mitteilung an die italienischen Behörden erfolgt war, wieder bei der Stadt Heidelberg gemeldet hat, eine entsprechende Information aber nicht mehr an das Bundesamt gelangt war. Es ist nicht feststellbar, ob zum genauen Zeitpunkt der Meldung bei der Stadt Heidelberg die Information des italienischen Innenministeriums durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits erfolgt war oder nicht. Geht man von der Legaldefinition der Fluchtgefahr in Art. 2 lit. n) Verordnung (EU) Nr.604/2013 aus, wonach ein "Entziehen" durch Flucht festgestellt werden muss, so liegt auch nach dem allgemeinen Wortsinn nahe, im Begriff des "Entziehens" ein Element des Planvollen und Vorsätzlichen bzw. Bewussten zu sehen, mit anderen Worten ein Verhalten, das bewusst in Bezug auf die erwartete Überstellung erfolgt ist. Ein Flüchtigsein wäre nicht schon dann anzunehmen, wenn der oder die Betreffende nicht angetroffen wird und bei dieser Gelegenheit der aktuelle Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann. Die englische Fassung spricht in Art. 2 lit. n) bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 allerdings (nur) von "risk of absconding" bzw. von "if the person concerned absconds"; im Französischen ist demgegenüber wiederum Rede von "risque de fuite" und "si la personne concernée prend la fuite". Jedenfalls die deutsche wie auch die französische Fassungen legen ein weites Verständnis nicht nahe. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich aus den öffentlich zugänglichen Materialien des Normsetzungsverfahrens nichts Erhellendes ablesen lässt. Die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 entspricht wörtlich der des Art. 20 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003. Im Kommissionsentwurf (KOM/2001/0447endg – ABl. C 2001, 304 E, 192) war der hier interessierende Satz 2 noch gar nicht enthalten. Er wurde, soweit ersichtlich, erst im Kontext der abschließenden Beratungen des Rates eingefügt. Andererseits sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein missbilligtes Verhalten des Ausländers sanktioniert werden soll. Der Senat versteht Sinn und Zweck der Vorschrift dahin gehend, dass das effektive Funktionieren des Dublin-Systems gesichert werden soll. Dieses Funktionieren kann erheblich beeinträchtigt werden, wenn die Überstellungen nicht zeitnah erfolgen können, weil dem Gründe entgegen stehen, die nicht in die Verantwortungssphäre des überstellenden Mitgliedstaat fallen. Im Übrigen würden praktisch gesehen oftmals erhebliche Ermittlungs- bzw. Beweisschwierigkeiten bestehen, wenn den Betroffenen nachgewiesen werden müsste, dass sie sich gerade, um eine Überstellung unmöglich zu machen oder zu erschweren, von ihrer Wohnung entfernt bzw. sich verborgen hatten. Hiervon ausgehend sprechen gute Gründe dafür, es ausreichen zu lassen, dass der zuständigen Behörde der Aufenthalt zum Zeitpunkt des Überstellungsversuchs und auch noch zum Zeitpunkt der Information der zuständige Behörde des zuständigen Mitgliedstaat nicht bekannt war und es auch keine verlässlichen Anhaltspunkte für diese gab, wie der aktuelle Aufenthalt in zumutbarer Weise zu ermitteln sein könnte. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zuständige Behörden hier im konkreten Fall das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - für das Asylverfahren - sowie das Regierungspräsidium Karlsruhe - für die Durchführung der Überstellung - waren. Legt man diese weitere Verständnis der Norm zugrunde, so wäre der Kläger, insbesondere nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch noch am 16. Juni 2015 flüchtig gewesen, zumal sich aus diesen noch nicht einmal entnehmen lässt, ob überhaupt oder ggf. wann er wieder nach Heidelberg zurückkehren wollte.
21 
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil vom 07. Juni 2016 (C-63/15) geht der Senat davon aus, dass durch die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auch unmittelbar Rechte des Ausländers berührt werden.
22 
Zur zweiten Vorlagefrage:
23 
Was die Frage betrifft, auf welche Weise die Fristverlängerung im Falle der Flucht (oder Krankheit) bewirkt wird, legt der Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auf den ersten Blick die Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Mitgliedstaaten nahe. Denn es heißt dort gerade nicht, dass "sich die Frist verlängert". Andererseits deckt der Wortlaut – auf den zweiten Blick – auch ein Verständnis dahin gehend, dass der überstellende Mitgliedstaat die Fristverlängerung einseitig herbeiführen kann, indem er den aufnehmenden Mitgliedstaat vor Ablauf der regulären Frist informiert und eine konkrete Frist benennt, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird; die Frist darf dann auch durchaus, wie hier geschehen den Spielraum von 18 Monaten nicht ausschöpfen. Der rechtliche Ansatz einer einvernehmlichen Verlängerung wäre nach Auffassung des Senats unpraktikabel und hätte vorhersehbar zur Folge, dass die Norm in vielen Fällen leer liefe. Von diesem Verständnis lässt sich offensichtlich auch der weiterhin gültige Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 leiten, der das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hier praktizierte Verfahren festlegt. Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass diese Verordnung selbstverständlich nicht geeignet ist, das Verordnungsrecht des Rates materiell zu ändern. Da aber der Wortlaut der hier auszulegenden Bestimmung eine Auslegung in diesem Sinn nicht gänzlich ausschließt, legt nicht zuletzt der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts ein entsprechendes Normverständnis nahe.
24 
Zur dritten Vorlagefrage:
25 
Die Frage ist nach Auffassung des Senats nicht schon deshalb irrelevant, weil der Kläger unstreitig in Italien (noch) nicht als international Schutzberechtigter anerkannt worden ist. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beschränkt sich nämlich nach Auffassung des Senats nicht nur darauf, die Phase der Aufnahme der Flüchtlinge und des Verfahrens auf Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zweckentsprechend in einer Art und Weise zu regeln, die geeignet ist, einen effektiven und menschenwürdegemäßen Flüchtlingsschutz zu gewährleisten (vgl. etwa den 2., 8., 9., 10. und 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/33/EU vom 26.06.2013 bzw. den 2., 11., 15. und 25. Erwägungsrund der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013). Vielmehr hat es auch diejenigen Personen in den Blick zu nehmen, die nach Durchlaufen des Verfahrens von dem zuständigen Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Ein effektives und menschenwürdiges Gemeinsames Europäisches Asylsystem steht und fällt auch mit den verheißenen und sodann realisierten Schutzstandards für die anerkannten Menschen. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 u.a.; vom 14.11.2013 – C-14/11; vom 10.12.2013 – C-394/12) ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass insoweit keine umfassende Bewertung gerade auch unionsrechtlich geboten sein könnte, mit anderen Worten, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem die Augen davor verschließen dürfte, in welcher Situation sich im Anschluss an die Aufnahme zum Zwecke der Verfahrensdurchführung die Schutzberechtigten befinden werden, wenn man den Schutzsuchenden nach dem Mechanismus des Dublin-Systems eine freie Wahl des Zufluchtlandes verwehrt und ihnen grundsätzlich nur einen Verfahrensweg in dem zuständigen Mitgliedstaat eröffnet. Denn notwendige und zwingende Kehrseite dieses Mechanismus muss sein, dass dann auch diese Betroffenen ein menschenwürdiges Leben in dem zuerkennenden Mitgliedstaat führen können. Dieser erweiterte Blickwinkel ist der systemimmanenten Logik dieses Mechanismus geschuldet. Daraus folgt dann auch, dass die Prüfung, ob in einem Mitgliedstaat sog. systemische Schwachstellen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013) bestehen, sich nicht auf die Beantwortung der Frage beschränken darf, ob die Aufnahmebedingungen während des Verfahren und das Verfahren selbst frei von solchen Mängel sind, sondern auch die Lage danach einbeziehen muss. Dieses hat dann aber notwendigerweise zur Konsequenz, dass systemische, nicht menschenwürdegemäße Mängel auch nur in einer Phase insgesamt dazu führen, dass die Betroffenen nicht auf das Verfahren in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat verwiesen werden können, wenn die Betroffenen andernfalls das reale Risiko eingingen, eine Schlechtbehandlung im Sinne des Art.4 GRCh zu erfahren. Mit anderen Worten: Die besten Aufnahmebedingungen während des Anerkennungsverfahrens wären unzureichend, wenn den Betroffenen anschließend nach einer Anerkennung Verelendung droht, und umgekehrt. Ungeachtet dessen gebietet es ohnehin jedenfalls Art. 3 EMRK, vor einer Überstellung außerhalb des Dublinmechanismus (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer), aus gegebenem Anlass eine Prüfung vorzunehmen. Allerdings ist dem Senat bewusst, dass die Qualifikationsrichtlinie, was die Existenzbedingungen der Schutzberechtigten betrifft, in der Regel nur Inländerbehandlung verspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 –, InfAuslR 2015, 77) und unionsrechtlich nach dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem keine bestimmten (Mindest-)Standards vorgegeben werden (vgl. allerdings auch Art. 32 QRL, der nur Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatszugehörigen verlangt). Inländerbehandlung kann allerdings unzureichend sein, selbst wenn die Standards für die Inländer noch menschenwürdegemäß sein sollten. Denn die Union muss bei alledem in den Blick nehmen, dass es sich hier typischerweise um verletzliche und entwurzelte Menschen, jedenfalls um Menschen mit vielerlei Handicaps handelt, die nicht ohne weiteres oder auch gar nicht in der Lage sein werden, allein gestellt die Rechtspositionen, die die Rechtsordnung des Aufnahmestaats an sich formal gewährleistet auch effektiv geltend zu machen. Sie müssen daher erst in die gleiche oder eine vergleichbare faktische Position einrücken, aus der heraus die einheimische Bevölkerung ihre Rechte in Anspruch nimmt und nehmen kann. Erst mit diesem realen sozialen Hintergrund erfährt Inländerbehandlung ihre innere Rechtfertigung und Tragfähigkeit. Deshalb fordert Art. 34 QRL aus gutem Grund von den Mitgliedstaaten, den effektiven Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, denen eine spezifisch kompensatorische Funktion zukommt, und dieses bedingungs- und einschränkungslos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte berücksichtigte in seiner Rechtsprechung (Entscheidung vom 21.01.2011 – Nr. 30696/09 ) im Kontext des Art. 3 EMRK ausdrücklich den Umstand, dass der hier zu betrachtende und zu würdigende Personenkreis in besonderem Maße verletzlich und/oder hilfsbedürftig ist und entwickelt die mit Blick auf Art. 3 EMRK einzuhaltenden (höheren) Standards – in Abweichung von der für die Beurteilung der in Abschiebezielstaaten allgemein herrschenden humanitären Zuständen herausgebildeten eigenen Spruchpraxis (vgl. nunmehr aber auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 – 41738/16 ) spezifisch auch unter diesem Gesichtspunkt sowie den Verheißungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Konkret bedeutet dies dann auch, dass dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem zumindest ein entsprechend dimensioniertes und den Defiziten des hier zu betrachtenden Personenkreises gerecht werdendes Integrationsprogramm gewährleisten muss, soweit dieses erforderlich ist, um jedenfalls die Inländerbehandlung faktisch und nicht nur formal rechtlich zu gewährleisten und sicherzustellen, was dann von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anforderungen bedingen kann. Dieser Standard stellt im Kontext des Unionsrechts ein flüchtlings- und menschenrechtliches Minimum dar. Er ist letztlich die Rechtfertigung und der Geltungsgrund des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, namentlich des dieses entscheidend prägenden Dublinsystems, der es den Flüchtlingen grundsätzlich verwehrt, einen effektiven Flüchtlingsschutz auch in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen und zu finden. Dieses flüchtlings- und menschenrechtliche Minimum ist gewissermaßen die Kehrseite des Dublinsystems.
26 
Auf die vom Senat aufgeworfene Problematik kommt es im vorliegenden Verfahren auch an. Denn dem Senat liegt u.a. der ausführliche Recherchebericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Aufnahmebedingungen in Italien" vom August 2016 (vgl. dort S. 33 ff.) vor, aus dem sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass international Schutzberechtigte einem konkreten Risiko ausgesetzt sein könnten, bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden. Dieser Bericht gibt, sofern die hier aufgeworfene Frage zu bejahen ist, Anlass diesen Anhaltspunkten weiter nachzugehen und eine abschließende Klärung herbeizuführen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe betont mehrfach, dass das völlig unzureichend entwickelte Sozialsystem in weiten Teilen durch den Rückhalt in familiären Strukturen zu erklären ist, bzw. anders gewendet nur wegen dieses Rückhalt unter der italienischen Bevölkerung Not nicht ein generelles Phänomen darstellt. Diese Strukturen fehlen aber bei den Schutzberechtigten völlig. Dass hier die kompensatorisch greifenden Integrationsprogramme in Italien gegenwärtig weitgehend fehlen und namentlich der Zugang zu den unerlässlichen Sprachkursen mehr oder weniger dem Zufall überlassen ist, beschreibt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (S. 53 f.) eindrücklich. Zwar soll ein Integrationsplan verabschiedet werden, er existiert allerdings noch nicht, geschweige denn, dass er umgesetzt würde; aktuell wird weiter hiervon geredet, mehr aber nicht (vgl. etwa Tagesspiegel v. 01.01.2017). Wenn überhaupt, werden einige wenige Projekte nur von Nichtregierungsorganisationen organisiert. Bei dieser Ausgangslage wäre es in Ermangelung eines ausgebauten vielfältigen sozialen Sicherungssystems unrealistisch, die Schutzberechtigten auf einen Rechtsweg zu verweisen, weil schon wegen teilweiser fehlender Ansprüche der Aspekt der Inländerbehandlung ins Abseits führen muss. Abgesehen davon dürfte die Effektivität ernsthaft infrage stehen. Dass die großen strukturellen Defizite des staatlichen Sozialsystems im weitesten Sinne angesichts der in den vergangenen Jahren stark angestiegenen Flüchtlingszahlen in Italien effektiv durch Nichtregierungsorganisationen und Kirchen ausgeglichen werden können, lässt der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht erkennen; wäre dieses der Fall, könnten die von ihr beschriebenen Verhältnisse so nicht eingetreten sein. Jedenfalls wäre dieser Frage gegebenenfalls noch weiter nachzugehen (vgl. zur Funktion und Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen in Italien vor Jahren bei wesentlich geringeren Flüchtlingszahlen VGH Bad-Württ., Urteil vom 16.04.2014 – A 11 S 1721/13).
27 
Namentlich für diese ggf. noch anzustellenden Ermittlungen ist es im Übrigen für den Senat von erheblicher Bedeutung, dass geklärt wird, welche unionsrechtlichen und menschenrechtlichen Standards für die Beurteilung der Verhältnisse in dem jeweiligen Mitgliedstaat gelten und anzuwenden sind.
28 
Der Senat erachtet es für geboten, über das Ersuchen im Eilvorabentscheidungsverfahren zu entscheiden (Art. 107 VerfO i.V.m. Art. 23a der Satzung des Gerichthofs), da die dritte Vorlagefrage von weitreichender Bedeutung ist. Sie hat Relevanz für alle Italien betreffenden Überstellungsverfahren im gesamten Dublinsystem; sie ist daher vorgreiflich in einer unübersehbaren Zahl von Verfahren. Die Ungewissheit über ihren Ausgang birgt die Gefahr, das Funktionieren des durch die Verordnung 604/2013 eingeführten Systems zu beeinträchtigen und das Gemeinsame Europäischen Asylsystem zu schwächen (vgl. EuGH, Beschluss vom 15.02.2017 - C-670/16 -, ECLI:EU:C:2017:120).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.

1

1. Die am 1. November 1967 geborene Beschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste am 5. Januar 2017 gemeinsam mit ihrem Ehemann mit einem italienischen Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie einen Tag später einen Asylantrag stellte.

2

2. Mit Bescheid vom 7. Juni 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag der Beschwerdeführerin als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen, und ordnete die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Italien an. Italien sei aufgrund des von den italienischen Behörden ausgestellten Visums nach der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien wiesen keine systemischen Mängel auf.

3

3. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 Klage beim Verwaltungsgericht Münster und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zur Begründung führte sie an, dass sie an einer Herzerkrankung leide. Zu dieser Erkrankung kündigte sie weiteren Vortrag an, weil nach ihren Angaben ein Facharzttermin erst am 21. Juni 2017 stattfinden sollte. Es fehle eine Garantieerklärung Italiens zu Unterbringung und Versorgung der Beschwerdeführerin. Bei einer Überstellung nach Italien habe sie eine menschenrechtswidrige Behandlung zu befürchten. Aus näher bezeichneten und zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, unter anderem aus dem Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 - und näher benannten Erkenntnisquellen ergebe sich, dass Betroffene in Italien insbesondere nach einer Statuszuerkennung Obdach- und Mittellosigkeit zu erwarten hätten. Der Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg erfordere eine Aussetzung der Überstellung nach Italien bis zur Klärung der Fragen durch den EuGH. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe sich nicht, ob in Italien über einen Asylantrag der Beschwerdeführerin entschieden worden sei.

4

Mit Beschluss vom 28. Juni 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung führte es an, dass der Asylantrag der Beschwerdeführerin unzulässig sei, weil Italien wegen des durch italienische Behörden ausgestellten Visums für die Durchführung ihres Asylverfahrens zuständig sei. Die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages sei auch nicht deshalb auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil die Frist für das Überstellungsgesuch abgelaufen sei. Das Bundesamt habe Italien am 14. März 2017 und damit innerhalb der dreimonatigen Frist seit Asylantragstellung um Übernahme ersucht. Auch die Überstellungsfrist sei im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrages nicht abgelaufen und seitdem unterbrochen; mit ablehnendem Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes werde sie erneut in Gang gesetzt. Das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien weise keine systemischen Mängel auf. Das italienische Asylsystem sei trotz der hohen Zahlen von Einwanderern nach Italien prinzipiell funktionsfähig. Diesbezüglich verwies das Verwaltungsgericht auf Urteile des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen von Juni und Juli 2016. Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 weise auf bekannte, vereinzelte Unzulänglichkeiten im italienischen Asylsystem hin, die nicht die Annahme systemischer Mängel rechtfertigten, und stelle zugleich deutliche Verbesserungen für Schutzsuchende fest. Schließlich habe die Beschwerdeführerin keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen dargelegt, die einer Rückkehr nach Italien entgegenstehen könnten.

5

4. Die Beschwerdeführerin erhob unter dem 4. Juli 2017 Anhörungsrüge und beantragte die Abänderung des Beschlusses vom 28. Juni 2017. Sie machte geltend, dass das Verwaltungsgericht den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt habe. Das Bundesverwaltungsgericht gehe angesichts seines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH durch Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 - davon aus, dass die Verhältnisse in Italien für anerkannte Flüchtlinge den Anforderungen der Anerkennungsrichtlinie nicht gerecht würden. Auch hiermit habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt.

6

Mit Beschluss vom 19. Juli 2017, zugestellt am 20. Juli 2017, wies das Verwaltungsgericht die Anhörungsrüge zurück. Die Beschwerdeführerin beanstande lediglich die materiell-rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts, was keinen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs begründen könne. Dies gelte auch hinsichtlich der gerügten fehlenden Auseinandersetzung mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und des Bundesverwaltungsgerichts.

7

Mit Beschluss vom gleichen Tag, zugestellt am 20. Juli 2017, wies das Verwaltungsgericht den Abänderungsantrag ab. Es liege keine beachtliche Änderung der Sach- oder Rechtslage vor, weil die Beschwerdeführerin bereits mit ihrem Eilantrag zu den Vorlagefragen an den EuGH vorgetragen habe und sich in der Sache lediglich gegen die materiell-rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts wende.

II.

8

1. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2017 und vom 28. Juni 2017 am 21. August 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zudem hat sie beantragt, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen anzuordnen. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, aus Art. 19 Abs. 4 GG und aus Art. 103 Abs. 1 GG.

9

Die angegriffenen Beschlüsse verletzten sie in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen der im Eilrechtsschutz gebotenen Folgenabschätzung nachträglich nicht zu behebende Nachteile nicht berücksichtigt habe. Es habe sich nicht - unter Beachtung der Vorlagen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und des Bundesverwaltungsgerichts an den EuGH - mit den Folgen einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien auseinandergesetzt. Jedenfalls der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württem-berg habe dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Lebensaussichten in Italien nach der Anerkennung auch die Zulässigkeit einer Überstellung im Dublin-Verfahren - also vor einer Anerkennung - in Zweifel ziehen könnten. Die in den Beschlüssen aufgeworfenen Rechtsfragen könnten offensichtlich nicht im Eilverfahren beantwortet werden, weil sie dem EuGH zur Entscheidung vorlägen.

10

Zudem sei das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil das Verwaltungsgericht die genannten Vorlagebeschlüsse trotz Hinweises der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt habe. Das Verwaltungsgericht habe schließlich gegen das Willkürverbot verstoßen, weil es unter keinem Gesichtspunkt vertretbar gewesen sei, die genannten Vorlagebeschlüsse nicht zu berücksichtigen.

11

Mit Schriftsatz vom 28. August 2017 hat die Beschwerdeführerin erneut die Abänderung des Beschlusses vom 28. Juni 2017 beantragt. Hierüber wird das Verwaltungsgericht nach eigener Auskunft und im Einverständnis der Beschwerdeführerin erst nach Abschluss jedenfalls des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht entscheiden.

12

2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Bundesamt hat von seinem Recht zur Äußerung Gebrauch gemacht.

III.

13

Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig.

14

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Vorgaben aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Nach diesen Vorschriften ist der Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen. Aus dem Vortrag eines Beschwerdeführers muss sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergeben (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 130, 1 <21>).

15

Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.

16

1. Die Beschwerdeführerin hat einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; stRspr). Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>), da dieser in besonderer Weise der Sicherung grundrechtlicher Freiheit dient. Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn sich die vorzunehmende Interessenabwägung in erster Linie an der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts orientiert (vgl. BVerfGK 15, 102 <107>). Kommt diese Prüfung bei einem von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Bescheid zu dem Ergebnis, dass an dessen Rechtmäßigkeit keine ernstlichen Zweifel bestehen oder dieser sogar offensichtlich rechtmäßig ist, steht Art. 19 Abs. 4 GG einer Ablehnung des Eilrechtsschutzbegehrens nicht entgegen.

18

Stellt sich bei dieser Rechtsprüfung eine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Frage, die im Hauptsacheverfahren voraussichtlich eine Vorlage des dann letztinstanzlich entscheidenden Gerichts an den EuGH erfordert (zu den Anforderungen an die Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 2017 - 2 BvR 63/15 -, juris Rn. 8), so gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dies im Eilverfahren bei der Prüfung der Erfolgsaussichten zu berücksichtigen. Regelmäßig wird dann jedenfalls die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts - unabhängig von der eigenen, notwendig nur vorläufigen rechtlichen Einschätzung des entscheidenden Gerichts - nicht bejaht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, juris Rn. 18).

19

Bei der im Falle offener Erfolgsaussichten durchzuführenden weiteren Interessenabwägung ist im Anwendungsbereich der Dublin-III-VO die Wertung des europäischen Rechts zu beachten, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen herrschen, die Mindeststandards festlegen und die Grundlage für das Prinzip gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem bilden (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016 - C-63/15 - Ghezelbash -, juris, Rn. 60). Diese vereinheitlichten Aufnahmebedingungen ermöglichen es regelmäßig auch, von dem anderen Mitgliedstaat aus das Hauptsacheverfahren in Deutschland einschließlich eines erforderlichen Vorabentscheidungsverfahrens durchzuführen. Liegen aber Gründe vor, die nach der Überstellung in den anderen Mitgliedstaat die Rechtsverfolgung in der Hauptsache und die Vorlage der maßgeblichen Frage an den EuGH unmöglich machen oder unzumutbar erschweren würden, so gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, ein Überwiegen des Suspensivinteresses anzunehmen und dem Eilrechtsschutzbegehren zu entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 - , juris, Rn. 18).

20

Diese Grundsätze gelten auch, wenn sich ein Beschwerdeführer auf eine bereits in einem anderen Verfahren erfolgte Vorlage an den EuGH beruft. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Vorlagefrage auch in seinem eigenen Verfahren entscheidungserheblich und eine Vorlage des dann letztinstanzlich entscheidenden Gerichts an den EuGH im Hauptsacheverfahren - vorbehaltlich der Möglichkeit der Aussetzung im Hinblick auf die in dem bereits vorgelegten anderen Verfahren zu erwartende Klärung - erforderlich (vgl. oben Rn. 18) ist.

21

b) Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, dass die fehlende Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den Vorlagebeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (Az.: 1 C 26.16) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. März 2017 (Az.: A 11 S 2151/16) gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt.

22

aa) Sie hat schon nicht hinreichend erklärt, dass eine der darin aufgeworfenen Fragen für ihr Verfahren entscheidungserheblich ist und das Verwaltungsgericht deshalb das Vorliegen unionsrechtlich ungeklärter Rechtsfragen im Rahmen einer offenen Abwägungsentscheidung hätte berücksichtigen müssen.

23

(1) Die Fragen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 27. Juni 2017 dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt hat, betreffen die Beschwerdeführerin bereits deshalb nicht, weil diese ausschließlich die Situation der in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt Schutzberechtigten beziehungsweise Verfahrensfragen bei einer unterbliebenen Anhörung zum Gegenstand haben. Die Beschwerdeführerin hat in Italien keinen Schutzstatus erhalten und macht keine Anhörungsmängel geltend.

24

(2) Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15. März 2017 unter Ziffer 3. vorgelegte Frage, ob die Überstellung eines Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat zur Durchführung des Asylverfahrens unzulässig ist, wenn im Falle einer Zuerkennung internationalen Schutzes aufgrund der dortigen Lebensumstände das ernsthafte Risiko einer Behandlung entgegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta besteht. Zwar kann diese Rechtsfrage für die Beschwerdeführerin grundsätzlich relevant werden, weil in Betracht kommt, dass ihr nach einer Rücküberstellung nach Italien dort internationaler Schutz zuerkannt wird. Entscheidungserheblich für das Verfahren der Beschwerdeführerin wäre diese Frage jedoch nur, wenn der Beschwerdeführerin für den Fall einer Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohte. Sollte dies nicht der Fall sein, wären die Vorlagefrage und ihre Beantwortung durch den EuGH für die Beschwerdeführerin ohne Bedeutung.

25

Zu den tatsächlichen Umständen einer nach Zuerkennung eines Schutzstatus drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung hat die Beschwerdeführerin jedoch weder im fachgerichtlichen Verfahren noch mit der Verfassungsbeschwerde substantiiert vorgetragen. Sie hat nicht hinreichend dargelegt, dass in Italien anerkannt Schutzberechtigten dort allgemein eine gegen Art. 3 EMRK, Art. 4 EU-Grundrechtecharta verstoßende Behandlung droht. Die Beschwerdeführerin hat im fachgerichtlichen Verfahren lediglich zu den allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Italien vorgetragen, nicht jedoch zur Situation der dort anerkannt Schutzberechtigten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin geht auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 15. März 2017 nicht von dem Risiko einer unmenschlichen, erniedrigenden Behandlung für alle in Italien anerkannt Schutzberechtigten aus. Dem Vorlagebeschluss ist keine entsprechende Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat dem EuGH unter Ziffer 3. ausschließlich eine Rechtsfrage vorgelegt, die eine Bewertung der tatsächlichen Lage von in Italien anerkannt Schutzberechtigten offen lässt.

26

Auch individuelle Umstände, die zur Annahme einer bei Rücküberstellung nach Italien und Zuerkennung internationalen Schutzes ihr konkret drohenden Gefahr berechtigten, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. Die im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemachte Herzerkrankung hat sie weder nach Art und Ausmaß der damit einhergehenden Beschwerden beschrieben noch durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachgewiesen. Sie hat ihren Vortrag hierzu auch nicht nach dem von ihr für den 21. Juni 2017 angekündigten Facharzttermin ergänzt. Die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2017 vorgetragene psychische Erkrankung und die ärztlichen Stellungnahmen hierzu haben die Beschwerdeführerin veranlasst, einen weiteren Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen; über diesen Antrag hat zunächst das Verwaltungsgericht zu entscheiden, was vor Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nicht der Fall sein wird.

27

bb) Hiervon unabhängig hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt, dass es ihr vor dem Hintergrund ihres Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG unzumutbar wäre, das Hauptsacheverfahren in Deutschland von Italien aus zu betreiben. Sie hat keine außergewöhnlichen Umstände geschildert, die die Annahme rechtfertigen, dass sie in Italien keinen Rechtsschutz wird erreichen können; auch fehlt jeder Vortrag zu den allgemeinen Möglichkeiten, von Italien aus Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Mangels substantiierter Darlegung der von ihr geltend gemachten Erkrankung ist auch diese nicht als Hindernis für die Erreichbarkeit von Rechtsschutz in Italien zu werten.

28

2. Auch einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt.

29

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Deshalb müssen, damit das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 <295>; 70, 288 <293>; 86, 133 <145 f.>). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. auch BVerfGE 47, 182 <189>; 86, 133 <146>).

30

Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht nach diesen Maßstäben ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat. Sie hat nicht erläutert, dass es sich mit ihrem Vorbringen zu den Vorlagebeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in den Beschlussgründen explizit hätte auseinandersetzen müssen. Es fehlt an einer Darlegung, dass ihr nicht ausdrücklich gewürdigter Vortrag insoweit für das Verfahren von zentraler Bedeutung gewesen ist. Nach den vorstehenden Ausführungen hat die Beschwerdeführerin nicht erklärt, dass die an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen der beiden Gerichte Fragen enthalten, die für ihr Verfahren entscheidungserheblich gewesen sind.

31

3. Schließlich ist auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

32

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts durch die Rechtsprechung stellt einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dar. Von Willkür kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 96, 189 <203>). Ein Richterspruch ist jedoch willkürlich und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist (vgl. BVerfGE 70, 93 <97>; 96, 189 <203>).

33

Daran gemessen hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt, dass die unterbliebene Würdigung ihres Vorbringens zu den unionsrechtlich ungeklärten Rechtsfragen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Sie hat das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung der fehlenden Auseinandersetzung nicht nachvollziehbar erläutert, weil sie wiederum nicht aufgezeigt hat, dass die dem EuGH vorgelegten Fragen für ihr Verfahren entscheidungserheblich waren.

34

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Christian Zimmermann wird für dieses und für das zugehörige Klageverfahren, Az.: M 9 K 17.51805 abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben, der Antragsteller hat keine Personaldokumente seines Heimatlandes vorgelegt, in den Akten befindet sich die Kopie einer Geburtsurkunde, B. 101 der Bundesamtsakte und eines Führerscheins, Bl. 119 der Bundesamtsakte) nigerianischer Staatsangehöriger und geboren am 24. Februar 1992. Auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 1. Juni 2017, Bl. 18 – 21 der Bundesamtsakte, wird Bezug genommen. Er habe sein Heimatland am 26. Dezember 2014 verlassen und sei über den Niger, Libyen, Italien, wo er sich ca. zwei Jahre aufgehalten habe, und die Schweiz nach Deutschland gekommen, wo er am 6. Mai 2017 angekommen sei und wo er am 1. Juni 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle München einen Asylantrag gestellt hat. Er habe in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Am 21. Juni 2017 fand die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG statt. Dort gab der Antragsteller an, er wolle nicht nach Italien überstellt werden. Auf die Frage, warum antwortete der Antragsteller: „Ich habe dort viele Dinge gesehen und sie sind nicht nett zu Schwarzen. Sie geben einem keine Unterkunft und kein Asyl.“ Auf entsprechende Frage gab der Antragsteller an, dass er gesund sei. Im Übrigen wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl. 74 – 78 bzw. Bl. 97 – 100 der Bundesamtsakte).

Ebenfalls am 21. Juni 2017 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 79 – 87 bzw. Bl. 89 – 96 der Bundesamtsakte).

Bereits am 31. Mai 2017 fand seitens der Regierung von Oberbayern – Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern / Zentrale Passbeschaffung Bayern eine Befragung zur Identitätsklärung statt. Dort hat der Antragsteller u.a. einen anderen Namen angegeben. Auf das Befragungsprotokoll im Übrigen (Bl. 53 – 58 sowie die Anlage Bl. 59f.) und die „Einschätzung“ zur Erstbefragung (Bl. 61f. der Bundesamtsakten) wird Bezug genommen.

Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac-Treffer für Italien (IT1TO04O1O; vgl. Bl. 3 und Bl. 108 der Bundesamtsakte).

Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 27. Juni 2017 an Italien erfolgte keine Reaktion.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.

Einen Zustellungsnachweis enthält die Bundesamtsakte nicht.

Der Antragsteller ließ hiergegen mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19. Juli 2017, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage erheben (Az.: M 9 K 17.51805) und beantragen, den Bescheid des Bundesamts vom 12. Juli 2017 aufzuheben. Zusätzlich werden Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes, hilfsweise [sic!] Asylanerkennung, hilfsweise Zuerkennung von subsidiärem Schutz und weiter hilfsweise die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG gestellt.

Außerdem ließ er beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Schließlich wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten beantragt.

Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird ausgeführt, dass der Ablehnungsgrund, dass der Antragsteller bereits einen Asylantrag in Italien gestellt habe, „bestritten“ werde. Laut Auskunft des Antragstellers seien ihm dort lediglich Fingerabdrücke abgenommen worden, einen Asylantrag habe er „laut seiner Angabe“ nicht gestellt. Außerdem würden in Bezug auf Italien Abschiebungsverbote vorliegen. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen. Eine weitere ergänzende Begründung werde ggf. erfolgen, was bis heute nicht geschehen ist.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG).

Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dass sich die Klage wegen der Verpflichtungsbegehren als überwiegend unzulässig erweisen wird – gegen einen sog. Dublin-Bescheid ist ausschließlich die Anfechtungsklage richtige Klageart (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32/14 - juris Rn. 13) –, schadet für den hiesigen Antrag nicht.

Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2017, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

1. Italien ist als Mitgliedstaat, über dessen Grenze der Antragsteller aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.

Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers Italien; unabhängig davon hat er dort auch einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wird belegt durch den für den Antragsteller erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Das „Bestreiten“ seitens des Antragstellerbevollmächtigten, dass der Antragsteller in Italien einen Asylantrag gestellt hat, geht ins Leere. Unabhängig davon, dass der Antragsteller in den Anhörungen im Verwaltungsverfahren durchgehend selbst angegeben hat, dass er in Italien einen Asylantrag gestellt hat und ebenso unabhängig davon, dass ein schlichtes Bestreiten angesichts des eindeutigen „1-er“ – Treffers für den Antragsteller (siehe oben) rechtlich gar nicht möglich ist, ist die Asylantragstellung in Italien, wie oben gezeigt, gar nicht Voraussetzung für die Zuständigkeit Italiens für das Asylverfahren des Antragstellers; insofern genügt ohne weiteres der Eurodac-Treffer, der wiederum vom Antragstellerbevollmächtigten eingeräumt wird, indem er selbst vorträgt, dass dem Antragsteller in Italien Fingerabdrücke abgenommen wurden. Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.

Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem (Wieder-) Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO). Soweit der Antragsteller in den Anhörungen teilweise geltend gemacht hat, dass sein Asylantrag in Italien abgelehnt worden sei, ändert das nichts, da gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d) Dublin III-VO auch in diesem Fall nach den Dublin-Regeln zu überstellen ist.

2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.

Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den jeweiligen Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 – 13a B 13.30295 –, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 - 13 A 316/17.A - juris Rn. 3 – 5; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A –, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 - 14 A 2356/12.A –, juris; U.v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 – 3 L 645/12 –, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 – OVG 7 S 33.13 –, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 – 4 LA 167/13 –, juris; U.v.25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris; VG Osnabrück, B.v. 8.8.2017 - 5 B 212/17 – juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 – 2 BvR 732/14 –, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).

Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 –, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 –, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 - 2 BvR 2333/08 –, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.

Etwas anderes in Bezug auf die Verhältnisse in Italien ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles des Antragstellers mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.

Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden.

Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (https://www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN –, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 103ff.).

Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O., U.v. 18.7.2016 - 13 A 1859/14.A - juris Rn. 105).

Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – a.a.O.).

Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 - Au 7 S 15.50412 –, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 – M 18 S 14.50356 – juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller, der nach eigenen Angaben gesund ist, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Für den Antragsteller ist im Verwaltungsstreitverfahren überhaupt kein individueller Vortrag erfolgt. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Verwaltungsverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis.

Der Vortrag in den Dublin-Anhörungen bezogen auf die Verhältnisse in Italien begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Schwachstellen des italienischen Asylverfahrens, unabhängig davon, dass der Antragsteller selbst angegeben hat, zwei Jahre in Italien gelebt zu haben; im Übrigen unterliegt es gerade nicht der Disposition des Antragstellers, wo er sein Asylverfahren zu durchlaufen hat.

Die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung des Antragstellers im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag des Antragstellers gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist.

Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.

3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers wird abgelehnt, da – abgesehen davon, dass der Antrag mangels Vorlage der erforderlichen Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse unvollständig ist – Antrag und Klage, wie sich aus dem oben Dargestellten ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG), das gilt auch für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch (Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 80 Rn. 3).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.