Verwaltungsgericht München Beschluss, 04. März 2016 - M 17 S 16.30346

bei uns veröffentlicht am04.03.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der 18-jährige Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger muslimischer Glaubensrichtung. Er reiste nach eigenen Angaben am ... April 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte durch die Vormundschaft des Stadtjugendamtes ... am 13. August 2014 einen Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am ... Juli 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, familiäre Probleme gehabt zu haben. Sein Vater habe getrunken und der Antragsteller sei derjenige gewesen, der sich um alles habe kümmern müssen. In Albanien hätte er immer arbeiten müssen, auch über zehn Stunden täglich. Eines Tages sei er wegen der Schulden seines Vaters für zehn bis vierzehn Tage von dessen Gläubigern entführt und misshandelt worden. Er sei mit dem Leben bedroht worden und habe in dieser Zeit zwangsweise in der Landwirtschaft oder auf Baustellen arbeiten müssen. Dabei habe er im Freien schlafen müssen und nur einfachstes Essen wie Wasser und Brot erhalten. Insgesamt sei er viermal (im Frühjahr 2013, August 2013, September 2013 und März 2014) entführt worden. Zuletzt hätten die Entführer ihn verprügelt, bedroht und in seine Richtung geschossen. Auf den Inhalt der Niederschrift (Bl. 39ff. der Behördenakte - d.BA) wird verwiesen.

Am 31. Juli 2015 nahm der Antragsteller durch die Vormundschaft des Stadtjugendamtes ... seinen Asylantrag beim Bundesamt wirksam zurück (Bl. 60 d.BA). Mit Vollendung seines 18. Lebensjahres (... November 2015) endete die Vormundschaft.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2016, der an den Antragsteller adressiert als Einschreiben gemäß § 4 Abs. 2 VwZG am18. Februar 2016 zur Post gegeben wurde, stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Albanien angedroht (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). In Anbetracht der Rücknahme des Asylantrags sei das Asylverfahren gemäß § 32 Satz 1 AsylG einzustellen gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen worden noch lägen solche nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Zum Einreise- und Aufenthaltsverbot seien keine schutzwürdigen Belange geltend gemacht worden. Der Antragsteller verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Am 26. Februar 2016 erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München Klage (M 17 K 16.30345) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 in Ziffern 2., 3. und 4. aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass beim Antragsteller Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albanien vorliegen. Gleichzeitig wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid nicht mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auseinandergesetzt habe. Sie müsse grundsätzlich den Sachverhalt klären und die erforderlichen Beweise erheben. Inhaltliche Ausführungen oder eine Überprüfung des von dem Antragsteller in der Anhörung Vorgetragenen sei nicht erfolgt. Zudem liege ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Dem Antragsteller drohe in Albanien sowohl eine unmenschliche als auch eine erniedrigende Behandlung. Der Antragsteller würde bei seiner Rückkehr nach Albanien aufgrund der Schulden seines Vaters erneut die Entführung und Zwangsarbeit bei den Schuldeneintreibern drohen und damit konkret gefährdet sein, verprügelt, geschlagen und mit dem Tod bedroht zu werden, lediglich Brot und Wasser als Nahrung neben der harten Arbeit zu erhalten und im Freien schlafen zu müssen. Hierbei handele es sich um eine erniedrigende Behandlung, da beim Antragsteller Gefühle der Angst, des Schmerzes oder der Unterlegenheit erweckt würden, die geeignet seien, ihn dazu zu bringen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln. Bei seiner Rückkehr könne ihm weder der albanische Staat Schutz bieten, noch könne er Unterstützung durch seine Familie erfahren. Die vorhandenen Berichte über Albanien zeigten deutlich, dass schwerwiegende Diskriminierungen von Angehörigen gesellschaftlicher Minderheiten, ein korruptes staatliches System in Verbindung mit schwerwiegenden Störungen des Gerichtssystems erkennbar seien. Sowohl das Auswärtige Amt als auch der Kommissar für Menschenrechte des Europarates würden ein hohes Maß an Korruption, Nepotismus und organisiertes Verbrechen und eine Kultur der Straflosigkeit und fehlenden Implementierung der vorhandenen Regelwerke feststellen. Diese schwerwiegenden Defizite würden das wirksame Funktionieren des Gerichtssystems ernsthaft beeinträchtigen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit aushöhlen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Februar 2013, S. 5; Commissioner for Human Rights, Report following his visit to Albania from 23 to 27 September 2013 vom 16. Januar 2014, S. 2ff.). Der albanische Staat sei nicht in der Lage, Fälle der Schuldeneintreibung durch Zwangsarbeit zu verhindern. Der Fall des Antragstellers sei kein Einzelfall, jedoch blieben Anzeigen bei der Polizei hinsichtlich der Zwangsarbeitsfälle ohne Erfolg. Der albanische Staat sei mit dieser Situation vollkommen überfordert. Die Polizei gehe der Sache zwar nach, jedoch blieben die Anzeigen letztlich ohne Abschluss. Der Antragsteller habe große Angst gehabt, zur Polizei zu gehen, da die Entführer ihm drohten, ihn und seine Familie zu erschießen. Eine Rückkehr zu seiner Familie sei dem Antragsteller gerade aufgrund der Bedrohung durch die Schuldeneintreiber unmöglich. Dort würde man ihn finden und wiederum die Schulden seines Vaters abarbeiten lassen. Nach Kenntnisnahme der Geschehnisse habe der Vater lediglich mit den Worten reagiert, dass dies Männersache sei und der Antragsteller lediglich hätte arbeiten müssen. Ein Schutz durch die Familie sei daher bei Rückkehr nach Albanien nicht zu erwarten. Eine alternative Ansiedlung in einem anderen Landesteil Albaniens ohne Unterstützung durch den Familienverbund sei für einen unausgebildeten Jugendlichen nicht möglich. Es bestehe die akute Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund seiner jetzigen Volljährigkeit von den Gläubigern erschossen werde, um gegenüber dem Vater ein Zeichen zu setzen, dass man es mit der Eintreibung der Schulden ernst meine. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 4 Abs. 2 EMRK vor, da dem Antragsteller im Heimatstaat Zwangs- und Pflichtarbeit drohe, zu der niemand gezwungen werden dürfe. Eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 EMRK liege nicht vor, da der Antragsteller weder vom albanischen Staat noch von der Familie Schutz erwarten könne. Des weiteren bestehe ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit vorliege.

Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 1. März 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30345 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

1. Der zulässige Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 38 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Bei der im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens gebotenen Abwägung der für und gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Gesichtspunkte unter maßgeblicher Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache überwiegt hier das öffentliche Vollziehungsinteresse. Es bestehen unter Zugrundelegung der jetzigen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

1.1. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Soweit vorgetragen wird, das Bundesamt habe sich im vorliegenden Verfahren mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht hinreichend auseinandergesetzt, trägt dies nicht.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist die Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge "schriftlich zu begründen". Auch für Einstellungsentscheidungen nach § 32 AsylG gelten die Formvorschriften des § 31 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylG (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 32 Rn. 6). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG nicht vorliegen, dahingehend begründet worden, dass entsprechende Abschiebungsverbote weder vorgetragen sind noch solche nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vorliegen. Im Hinblick darauf, dass Albanien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft ist und sich dem Bundesamt aus dem Vortrag des Antragstellers im Rahmen seiner Anhörung entsprechende Abschiebungsverbote ohne die erst im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Ergänzungen seiner Bevollmächtigten nicht haben aufdrängen müssen, genügen die Ausführungen des Bundesamtes in dem streitgegenständlichen Bescheid ungeachtet des § 46 VwVfG (noch) dem Begründungserfordernis nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite kam das Bundesamt seinen Pflichten gemäß § 24 AsylG ausreichend nach, indem es insbesondere den Antragsteller persönlich anhörte.

1.2. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG für den Erlass der Abschiebungsandrohung liegen vor, da der Antragsteller nicht als Asylberechtigter anerkannt ist, ihm weder die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch der subsidiäre Schutzstatus (§ 4 AsylG) zuerkannt wurde und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Nach wirksamer Antragsrücknahme vom 31. Juli 2015 stellte das Bundesamt zu Recht das Asylverfahren nach § 32 Satz 1 AsylG ein. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ergibt sich für den Fall der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamts aus § 38 Abs. 2 AsylG.

Das Bundesamt ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abschiebung des Antragstellers nicht gegen § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG verstößt.

Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, dass Gefahr bestehe, dass er durch nichtstaatliche Akteure entführt, bedroht und zur Zwangsarbeit gezwungen werde, erfüllt diese Bedrohungslage nicht die Voraussetzungen der § 60 Abs. 5 i. V. m. Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) (BGBl. 1952 II, S. 685) i. V. m. Art. 4 Abs. 2 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

1.2.1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand u. a. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Nach Art. 4 Abs. 2 EMRK darf niemand gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

Bei der Entscheidung darüber, ob im Falle einer Abschiebung die Gefahr von Misshandlungen besteht, müssen die absehbaren Folgen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Bestimmungsland und der besonderen Umstände des Betroffenen geprüft werden. Eine Abschiebung kann die Verantwortlichkeit des Staates nach der Konvention dabei nur begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer nach dem obigen Maßstab Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden ("real risk"; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, S. 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 - Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL).

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris; BayVGH, U. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17) berücksichtigt diese Vorschrift nicht nur Gefahren für Leib und Leben, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidungspraxis des EGMR dabei davon aus, dass Gefährdungen für ein Menschenrecht der EMRK auch von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehen können (vgl. BVerwG, U. v. 13.06.2013 - 10 C 13/12 - BVerwGE 147, 8 = juris Rn. 25 unter Ausgabe der früheren Rechtsprechung BVerwG, U. v. 15.04.1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris). Weil das Recht absolut garantiert wird, kann Art. 3 EMRK auch anwendbar sein, wenn die Gefahr von Personen oder Gruppen von Personen ausgeht, die nicht Vertreter des Staates sind. Es muss aber sowohl bei Art. 3 EMRK als auch bei Art. 4 Abs. 2 EMRK bewiesen werden, dass die Gefahr wirklich besteht und die Behörden des Bestimmungslandes die Gefahr nicht durch angemessenen Schutz beseitigen können (EGMR, U. v. 28.06.2011 - 8319/07, Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, S. 681 m.N.; VGH BW, U. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 - juris Rn. 74 - hinsichtlich Art. 3 EMRK).

Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Dem Antragsteller ist die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar (a.). Für ihn besteht die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen (b.).

a) Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelt, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 - 11 A 334/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 10.09.2015 - M 2 S 15.31175; VG München, B. v. 4.2.2016 - M 11 S 15.31693; VG München, B. v. 14.01.2016 - M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 18ff. ; B. v. 28.10.2015 - 17 L 2938/15.A - juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 23 ff.). Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers insofern zitierten Erkenntnismittel stammen vom 10. Februar 2013 und 16. Januar 2014 und spiegeln daher nicht die aktuelle Lage wider.

Dafür spricht auch die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II) aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG München, B. v. 1.03.2016 - M 17 S 16.30322).

b) Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegendem - Drohung mit Entführung und Zwangsarbeit durch nichtstaatliche Dritte wegen Schulden - ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - etwa südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U. v. 12.03.2015 - 6 K 8197/14.A - juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B. v. 23.11.2015 - 17 L 3729/15.A - juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B. v. 14.10.2015 - 17 L 3111/15. A - juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 - 5 A 1688/14 - juris; VG München, B. v. 3.2.2016 - M 5 S 15.31520 - UA S. 7). Soweit der Antragsteller vorträgt, eine alternative Ansiedlung in einem anderen Landesteil Albaniens ohne Unterstützung durch den Familienverbund sei für einen unausgebildeten Jugendlichen nicht möglich, genügt nicht für eine substantiierte Darlegung, dass im gesamten Albanien keine wirksame und dauerhafte Sicherheit vor kriminellen Übergriffen gewährleitet sei. Zumal Familienangehörige des Antragstellers - nach dessen eigenen Angaben - nicht nur in ... leben, sondern auch in ..., woher seine Familie ursprünglich stamme.

1.2.2. Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Albanien vermag sich der Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, S. 1167ff. - juris Rn. 23 - 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller eine Existenzgrundlage bei seiner Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufweisen (VG München, B. v. 23.11.2015 - M 2 S 15.31322 - UA S. 12f.; U. v. 17.11.2015 - M 2 K 15.31226). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien reicht hierfür der bloße Verweis des Antragstellers auf die schwierigen familiären Verhältnisse und die Arbeitslosigkeit der Familienmitglieder schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus.

Für den Kläger, bei dem - wie dargelegt - keine gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, besteht nach Überzeugung des Einzelrichters auf der Grundlage seines Vorbringens bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland auch keine individuelle erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung („extreme Gefahrenlage“).

2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist allein darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot hat hierauf keinen Einfluss. Ungeachtet dessen erscheint auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ebenfalls nach summarischer Prüfung rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Der Antragsteller hat keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.

3. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.

4. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

...

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bei uns veröffentlicht am 14.01.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tra-gen. Gründe I. Die 1989 bzw. 1992 geborenen Antragsteller sind albanische Staatsangehörige. Sie s

Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 23. Feb. 2016 - 5 L 242/16.A

bei uns veröffentlicht am 23.02.2016

Tenor Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I.    , I1.     , wird abgelehnt. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 01. Feb. 2016 - 17 L 95/16.A

bei uns veröffentlicht am 01.02.2016

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 1Gründe: 2Der am 14. Januar 2016 sinngemäß gestellte Antrag, 3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 257/16.A gegen die in Ziffer 5 des Besc

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 23. Nov. 2015 - 17 L 3729/15.A

bei uns veröffentlicht am 23.11.2015

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 1Gründe: 2Der am 16. November 2015 sinngemäß gestellte Antrag, 3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 7649/15.A gegen die in Ziffer 5 des B

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 28. Okt. 2015 - 17 L 2938/15.A

bei uns veröffentlicht am 28.10.2015

Tenor Der am 1. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 5956/15.A gegen die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. August 201

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 12. März 2015 - 6 K 8197/14.A

bei uns veröffentlicht am 12.03.2015

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2014 wird in Nr. 1. und 2. insoweit aufgehoben, als darin ein Offensichtlichkeitsurteil gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG enthalten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 23. Feb. 2015 - 11 A 334/14.A

bei uns veröffentlicht am 23.02.2015

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1G r ü n d e : 2Der Antrag hat keinen Erfolg. 3Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 13. Juni 2013 - 10 C 13/12

bei uns veröffentlicht am 13.06.2013

Tatbestand 1 Der Kläger, ein unbegleiteter Minderjähriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen Gefahren, die ihm in Afghanistan drohen.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 10 C 15/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2

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(1) Ein Dokument kann durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.

(2) Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Der Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten zu vermerken.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), wird verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung nach § 50 Absatz 4 genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Findet eine länderübergreifende Verteilung gemäß § 51 statt, dann ergeht die Wohnsitzauflage im Hinblick auf den sich danach ergebenden Aufenthaltsort. Der Ausländer kann den in der Wohnsitzauflage genannten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(2) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), kann verpflichtet werden,

1.
in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft zu wohnen,
2.
in eine bestimmte Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft umzuziehen oder
3.
in dem Bezirk einer anderen Ausländerbehörde desselben Landes seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnung oder Unterkunft zu nehmen.
Eine Anhörung des Ausländers ist erforderlich in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn er sich länger als sechs Monate in der Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft aufgehalten hat. Die Anhörung gilt als erfolgt, wenn der Ausländer oder sein anwaltlicher Vertreter Gelegenheit hatte, sich innerhalb von zwei Wochen zu der vorgesehenen Unterbringung zu äußern. Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(3) Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 ist die nach § 50 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Zuweisungsentscheidung nach § 50 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist die nach § 51 Absatz 2 Satz 2 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Verteilungsentscheidung nach § 51 Absatz 2 Satz 2 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 2 ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die Gemeinde oder die zu beziehende Wohnung oder Unterkunft liegt.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt

1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder
2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
Von der Anhörung ist abzusehen, wenn der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und der Sachverhalt auf Grund des Inhalts der Verfahrensakten der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Die Tatsache, dass keine Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung nicht negativ beeinflussen. Die Entscheidung nach den Sätzen 4 und 7 ergeht nach Aktenlage.

(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über

1.
die getroffene Entscheidung und
2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe
a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder
b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.

(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn

1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben,
2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder
3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
Das Bundesamt kann die Frist von 15 Monaten ausnahmsweise um höchstens weitere drei Monate verlängern, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags zu gewährleisten.

(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.

(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.

(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.

(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.

4

Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.

10

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).

11

3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).

12

3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).

14

Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.

15

Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).

16

Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.

17

3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.

18

3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.

19

a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.

20

Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).

21

b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.

22

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).

24

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).

25

Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).

26

Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.

27

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).

28

Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).

29

Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.

30

4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

31

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32

5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.

33

5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.

34

a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.

35

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).

36

Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.

37

b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).

38

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

39

Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).

40

Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.

41

Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein unbegleiteter Minderjähriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen Gefahren, die ihm in Afghanistan drohen.

2

Der am 1. März 1995 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste im August 2010 allein in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 15. März 2011 ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte wegen der katastrophalen Versorgungslage im Heimatland des Klägers zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet. Im Übrigen hat es das Verfahren eingestellt, nachdem die Klage hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen worden war.

4

Mit Urteil vom 27. April 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach rechtskräftiger Entscheidung des Verwaltungsgerichts über § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur noch über den nationalen Abschiebungsschutz zu befinden sei. Bezüglich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sei die weitergehende und "unionsrechtlich aufgeladene" Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen. Zugunsten des Klägers als unbegleitetem Minderjährigen bestehe aber ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung. Zwar seien allgemeine Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG im Rahmen von - hier nicht vorliegenden - Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Sperrwirkung werde aber unter Berücksichtigung der Schutzwirkungen der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überwunden, wenn der Ausländer in seinem Heimatland landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr ausgesetzt wäre, so dass er "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde. Diese Voraussetzungen seien im Falle des minderjährigen Klägers gegeben. Denn bei unbegleiteten Kindern und Jugendlichen ohne Verwandte oder Bekannte in Afghanistan könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese insbesondere in einer Großstadt wie Kabul eine Tageslohnarbeit fänden und sich damit notdürftig ernähren könnten. Vor dem Eintritt solcher Extremgefahren schützten auch nicht außerhalb Afghanistans lebende Familienangehörige. Selbst wenn mittlerweile Überweisungen aus Deutschland auf afghanische Konten ausgeführt werden könnten, verfüge der Kläger über keine Bankverbindung in Afghanistan und könnte sich eine solche auch nicht mit hinreichender Sicherheit verschaffen. Ausreichenden Schutz vor Extremgefahren entfalte schließlich auch nicht die Regelung des § 58 Abs. 1a AufenthG. Diese Norm, die Art. 10 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie umsetze, greife - strikt einzelfallbezogen - erst auf der Vollstreckungsebene. Als Schutznorm für Minderjährige könne sie im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht als Anspruchsausschluss gelesen werden. Ansonsten würden Kinder und Jugendliche wegen einer speziell sie schützenden Norm keinen Abschiebungsschutz (und entsprechenden Aufenthaltsstatus) erlangen. Zudem sei heute nicht absehbar, welche Ausländerbehörde für eine zukünftige Abschiebung des Minderjährigen zuständig sei. Solange weder die handelnde Behörde noch die Empfangsperson bzw. die aufnehmende Einrichtung im Abschiebungszielstaat feststehe, schütze allein die gesetzliche Regelung des § 58 Abs. 1a AufenthG Kinder und Jugendliche nicht hinreichend vor einer aktuell bestehenden Extremgefahr.

5

Die Beklagte rügt mit der Revision die mangelnde Tragfähigkeit der Gefahrenprognose des Berufungsgerichts. Zudem liege seit Einführung des § 58 Abs. 1a AufenthG für unbegleitete minderjährige Ausländer jedenfalls dann keine planwidrige Schutzlücke vor, wenn deren Rückkehrgefährdung maßgeblich auf dem Fehlen eines aufnahmebereiten Umfelds beruhe. Denn der durch diese gesetzliche Vorschrift vermittelte Schutz sei stärker als der eines Erlasses als bloßer Verwaltungsvorschrift.

6

Der Kläger tritt dem entgegen und macht geltend, dass er ohne Zuerkennung von Abschiebungsschutz jederzeit abgeschoben werden dürfe. § 58 Abs. 1a AufenthG vermittele keinen gleichwertigen Abschiebungsschutz, da der Vorbehalt einer aufnahmebereiten Einrichtung oder Person den Schutz von einer weiteren Einzelfallprüfung seitens der Ausländerbehörde abhängig mache. Die Auffassung der Beklagten verkehre die als Schutznorm für Kinder aufgenommene Bestimmung in ihr Gegenteil. Zudem seien nach Art. 3 Kinderrechtskonvention - KRK - die Behörden - und damit auch die Beklagte - verpflichtet, bei allen Regelungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, wobei u.a. nach Art. 24 Abs. 1 KRK einem Minderjährigen das "erreichbare Höchstmaß an Gesundheit" zu gewähren sei.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Revision für begründet.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Kläger zu Unrecht nationalen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen. Dabei hat er insbesondere verkannt, dass § 58 Abs. 1a AufenthG unbegleiteten Minderjährigen einen gleichwertigen anderweitigen Abschiebungsschutz vermittelt (1.). Des Weiteren hat das Berufungsgericht das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht geprüft (2.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden vermag, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG) im Rahmen der Entscheidung über ein Asylbegehren ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 22, jeweils Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Dadurch haben sich jedoch die entscheidungserheblichen Vorschriften nicht geändert.

10

Den Umstand, dass der Kläger - aufgrund seines vom Berufungsgericht festgestellten Geburtstags am 1. März 1995 - im Laufe des Revisionsverfahrens das 18. Lebensjahr vollendet hat und damit volljährig geworden ist, hat der Senat bei der Prüfung der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Denn auch eine durch reinen Zeitablauf eingetretene Veränderung der tatsächlichen Umstände stellt sich revisionsrechtlich als eine neue Tatsache dar, die vom Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich unberücksichtigt bleibt (Urteil vom 29. Juli 1985 - BVerwG 1 C 24.84 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 71 S. 184<188 f.> = DVBl 1986, 108). Allerdings hat die Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen, wenn u.a. die Berücksichtigung der neuen Tatsache dem Revisionsgericht eine abschließende Entscheidung in der Sache ermöglicht (vgl. Urteile vom 28. Januar 1971 - BVerwG 8 C 90.70 - BVerwGE 37, 151 <154 f.> = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 50 S. 77<79> und vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 <198> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 201 S. 26<31 f.>). Da der Rechtsstreit hier aber aus anderen Gründen (s.u. 3.) zurückzuverweisen ist, liegt dieser Ausnahmefall nicht vor und ist der revisionsgerichtlichen Prüfung der Berufungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der Berufungsverhandlung zugrunde zu legen.

11

1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung mit einer Begründung bejaht, die revisionsgerichtlicher Überprüfung aus mehreren Gründen nicht standhält. Nach diesen Vorschriften soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

12

1.1 Das Berufungsgericht hat das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan gestützt. Damit hat es keine individuellen, nur dem Kläger drohenden, sondern allgemeine Gefahren festgestellt, denen alle Minderjährigen in Afghanistan ohne die Möglichkeit des Beistands durch Verwandte oder Bekannte ausgesetzt sind.

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1.2 In Baden-Württemberg besteht nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kein Abschiebestopp-Erlass für afghanische Staatsangehörige. Trotzdem können allgemeine Gefahren aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG grundsätzlich kein Abschiebungsverbot nach Satz 1 der Vorschrift rechtfertigen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG befunden wird (Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <327> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 1 S. 3; vom 29. März 1996 - BVerwG 9 C 116.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 3 und vom 27. April 1998 - BVerwG 9 C 13.97 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 12 = NVwZ 1998, 973). Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die - wie hier - kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 32 m.w.N. und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 44, jeweils Rn. 11 und 20).

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1.2.1 Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht nicht, wenn der Betroffene die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann (Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 41, jeweils Rn. 12; zum dann bestehenden Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG: Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 30 ff.). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht jedoch das Begehren des Klägers auf Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes bereits rechtskräftig abgelehnt.

15

1.2.2 Mangels verfassungswidriger Schutzlücke bedarf es auch dann keiner Überwindung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG im Wege der nur subsidiär zulässigen verfassungskonformen Auslegung, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage - auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a AufenthG - oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt. Maßgeblich ist bei der Vergleichbarkeitsprüfung aus der Schutzperspektive der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG nur, dass gleichwertiger Schutz vor Abschiebung tatsächlich besteht (Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 379 <381 ff.> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50 S. 81 ff.). Ohne Bedeutung sind demgegenüber ausländerrechtliche Folgewirkungen mit Blick auf die gesetzliche Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus, der an den Abschiebungsschutz anknüpft, oder hiermit verbundene soziale Rechte. Denn die Gewährung eines Aufenthaltsrechts und die Möglichkeit seiner Verfestigung gehören nicht zu dem verfassungsrechtlich mit Rücksicht auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG gebotenen Schutz vor Abschiebung in eine unmittelbar drohende extreme Gefahrensituation (Beschlüsse vom 17. September 2005 - BVerwG 1 B 13.05 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 2 und vom 23. August 2006 - BVerwG 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19). Es widerspräche allerdings dem Schutzkonzept des Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetzes, dem Asylbewerber mit Verweis auf noch unentschiedene sonstige Bleiberechte, nur möglicherweise gegebene Duldungsansprüche oder wegen eines vorübergehenden faktischen Vollstreckungshindernisses (z.B. ausgelaufener Reisepass) die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung zu versagen (Urteil vom 12. Juli 2001 a.a.O. S. 386 bzw. S. 85).

16

1.2.3 Nach diesen Grundsätzen vermittelt § 58 Abs. 1a AufenthG im für die Beurteilung der Sachlage maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung dem Kläger als unbegleitetem Minderjährigen gleichwertigen Schutz vor Abschiebung, so dass er keinen Abschiebungsschutz vor allgemeinen Gefahren in Afghanistan im Wege der verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beanspruchen kann.

17

Gemäß § 58 Abs. 1a AufenthG hat sich die Behörde vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Mit dieser Regelung, die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist, hat der Gesetzgeber Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98) - Rückführungsrichtlinie - umgesetzt (BTDrucks 17/5470 S. 24). § 58 Abs. 1a AufenthG wirkt, solange sich die Ausländerbehörde nicht von der konkreten Möglichkeit der Übergabe des minderjährigen Ausländers an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung vergewissert hat, systematisch als rechtliches Vollstreckungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dilatorischer Wirkung. Denn § 58 Abs. 1a AufenthG ist keiner gesonderten Feststellung durch das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 AsylVfG zugänglich wie die dort genannten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG. Auch hat das Bundesamt im Rahmen der Abschiebungsandrohung die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1a AufenthG nicht zu prüfen. Auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung wirkt sich das Vollstreckungshindernis des § 58 Abs. 1a AufenthG nicht aus.

18

Der Senat entnimmt dem Wortlaut der Vorschrift ("... hat sich die Behörde zu vergewissern, dass ... übergeben wird.") strenge Anforderungen. Die Ausländerbehörden - und ggf. die Verwaltungsgerichte - müssen sich in jedem Einzelfall die Überzeugungsgewissheit davon verschaffen, dass die Übergabe des unbegleiteten Minderjährigen an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung nicht nur möglich ist, sondern tatsächlich auch erfolgen wird (konkrete Möglichkeit der Übergabe). Dieser Befund der Wortlautauslegung wird durch die Materialien zur Genese der Rückführungsrichtlinie gestützt: So sah der ursprüngliche Kommissionsvorschlag vom 1. September 2005 in Art. 8 Abs. 2 Buchst. c des Richtlinienentwurfs folgende Regelung vor:

"Artikel 8

Vertagung

1. ...

2. Die Mitgliedstaaten vollstrecken eine Abschiebungsanordnung in folgenden Fällen solange nicht, wie folgende Umstände vorliegen:

a) ...

b) ...

c) unzureichende Gewähr dafür, dass unbegleitete Minderjährige am Ausreiseort oder bei der Ankunft im Rückkehrland einem Familienangehörigen, einem gleichwertigen Vertreter, zum Beispiel einem Vormund des Minderjährigen, oder einem zuständigen Beamten des Rückkehrlandes nach Prüfung der Bedingungen, die die Minderjährigen vor Ort erwarten, übergeben werden können."

19

Der nunmehrige Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG orientiert sich, wie der Hinweis der Kommission im Ratsdokument vom 15. Februar 2008 - 6541/08 ADD 1 - auf S. 18 in Fn. 47 erhellt, an der Formulierung der Leitlinie 2 Abs. 5 Satz 2 der "Zwanzig Leitlinien zur Frage der erzwungenen Rückkehr" (Twenty guidelines on forced return) des Ministerkomitees des Europarats vom 4. Mai 2005 , auf die der 3. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115/EG Bezug nimmt:

"Guideline 2. Adoption of the removal order

1. - 4. ...

5. Before deciding to issue a removal order in respect of a separated child, assistance - in particular legal assistance - should be granted with due consideration given to the best interest of the child. Before removing such a child from its territory, the authorities of the host state should be satisfied that he/she will be returned to a member of his/her family, a nominated guardian or adequate reception facilities in the state of return."

20

Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG wird deutlich, dass die abstrakte Möglichkeit einer Übergabe des unbegleiteten minderjährigen Ausländers z.B. an Verwandte, die sich im Herkunftsland aufhalten und deren Aufenthaltsort nach der Ankunft erst noch ermittelt werden muss, nicht ausreicht. § 58 Abs. 1a AufenthG verpflichtet die Ausländerbehörde vielmehr, sich vor Durchführung jeder Abschiebung z.B. durch Einschaltung des Bundesamts oder der Botschaften und Konsulate vor Ort positiv davon zu vergewissern, dass eine Übergabe an konkret benannte Personen bzw. Stellen tatsächlich vollzogen wird. Nur dann entfällt das gesetzliche Vollstreckungshindernis für eine Abschiebung. War in Asylstreitigkeiten die Betreuungsmöglichkeit eines unbegleiteten Minderjährigen z.B. durch Verwandte bisher lediglich bei der Gefahrenprognose als Wahrscheinlichkeitsurteil zu berücksichtigen, ist die konkrete Möglichkeit der Übergabe an zu bezeichnende Personen oder Stellen durch § 58 Abs. 1a AufenthG nunmehr zu einer eigenständigen Vollzugsvoraussetzung der Abschiebung geworden, die zur Überzeugungsgewissheit der Behörden bzw. Gerichte feststehen muss. Dadurch hat sich der Schutz vor Abschiebung für unbegleitete Minderjährige erheblich verbessert.

21

Der unbegleitete Minderjährige hat auch ausreichende Möglichkeiten, in Fällen, in denen die Ausländerbehörde der Auffassung ist, dass § 58 Abs. 1a AufenthG einer Abschiebung nicht (mehr) entgegensteht, diese Entscheidung einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen oder beim Bundesamt ein Folgeschutzgesuch anzubringen. Denn die Ausländerbehörde hat ihm (bzw. seinem gesetzlichen Vertreter) das Ergebnis ihrer Ermittlungen mitzuteilen, wenn sie sich von der konkreten Möglichkeit der Übergabe vergewissert hat. Dieser kann dann gegen die damit einhergehende Entscheidung der Ausländerbehörde, die Abschiebung nicht (länger) gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen oder die Duldung gemäß § 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG zu widerrufen, um Rechtsschutz nachsuchen. War die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen (§ 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG). Darüber hinaus hat der Betroffene bei Gefahren, die ihm in seinem Herkunftsland unabhängig von der Übergabe an seine Familie oder eine geeignete Einrichtung drohen, die Möglichkeit, nunmehr ein ggf. auf die Zuerkennung von nationalem Abschiebungsschutz beschränktes Folgeschutzgesuch zu stellen und sein Abschiebungsschutzbegehren erneut vor dem Bundesamt zur Prüfung zu stellen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 2006 - BVerwG 1 C 18.05 - BVerwGE 127, 33 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 21, jeweils Rn. 24 und vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - BVerwGE 122, 103 = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 82). Denn infolge des Wegfalls des durch § 58 Abs. 1a AufenthG vermittelten Schutzes hat sich die Sachlage geändert. Die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG im Wege der verfassungskonformen Auslegung ist jetzt nicht mehr von vornherein ausgeschlossen.

22

Diese materiellen und verfahrensrechtlichen Sicherungen vermitteln einem unbegleiteten minderjährigen Ausländer seit Inkrafttreten des § 58 Abs. 1a AufenthG gleichwertigen Schutz vor Abschiebung wie der begehrte nationale Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder ein Abschiebestopp-Erlass. Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, solange weder die für eine Abschiebung zuständige Ausländerbehörde noch die Empfangsperson bzw. die Aufnahmeeinrichtung im Abschiebungszielstaat feststehe, vermittele § 58 Abs. 1a AufenthG unbegleiteten Minderjährigen keinen Schutz vor einer aktuell bestehenden Extremgefahr, geht fehl. Es verhält sich genau umgekehrt: Bis zu einer positiven Klärung der konkreten Übergabemöglichkeit durch die zuständige Ausländerbehörde besteht kraft Gesetzes Schutz vor Abschiebung. Der teleologische Einwand, § 58 Abs. 1a AufenthG als Vollstreckungshindernis dürfe im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht als Anspruchsausschluss gelesen werden, da andernfalls Kinder und Jugendliche wegen einer speziell auf sie zugeschnittenen Schutznorm keinen Abschiebungsschutz (und entsprechenden Aufenthaltsstatus) erlangen könnten, lässt die hohen Hürden für die Überwindung der in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angeordneten Sperrwirkung im Wege der verfassungskonformen Auslegung außer Betracht. Für die Gleichwertigkeit des Schutzes vor Abschiebung ist aus der maßgeblichen verfassungsrechtlichen Schutzperspektive des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG die ausländerrechtliche Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus, der an den begehrten Abschiebungsschutz anknüpft, und hieran anknüpfende Folgerechte ohne Bedeutung (s.o. unter 1.2.2). Aus den gleichen Gründen verhilft dem Kläger auch die Berufung auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes - UN Kinderrechtskonvention (KRK) vom 20. November 1989 (BGBl 1992 II S. 121, 990), das nach Rücknahme der Vorbehaltserklärung durch die Bundesrepublik Deutschland (BGBl 2011 II S. 600) nunmehr auch in Deutschland unmittelbar gilt, nicht zum Erfolg. Denn Art. 3 Abs. 1 KRK, wonach das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist, hat die Ausländerbehörde u.a. bei der Beurteilung der Eignung einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne des § 58 Abs. 1a AufenthG zu beachten. Wird im Interesse des Kindeswohls nach § 58 Abs. 1a AufenthG seitens der Ausländerbehörde wirksamer Vollstreckungsschutz gewährt, stellt sich die Frage der Gleichwertigkeit mit einem Schutz vor Abschiebung durch das Bundesamt, der sich allein mit Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke rechtfertigen lässt, nicht mehr.

23

1.3 Im Übrigen beruht die Annahme einer Extremgefahr für den Kläger als unbegleitetem Minderjährigen auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, vor dem Eintritt solcher Extremgefahren schützten auch nicht außerhalb Afghanistans lebende Familienangehörige, denn selbst wenn es zutreffe, dass mittlerweile Überweisungen aus Deutschland auf afghanische Konten ausgeführt werden könnten, verfüge der Kläger über keine Bankverbindung in Afghanistan und könnte sich eine solche auch nicht mit hinreichender Sicherheit verschaffen (UA S. 15), genügen nicht den Anforderungen an die tatrichterliche Prognose einer Extremgefahr (vgl. dazu die Urteile vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 44, jeweils Rn. 22 ff. und vom 29. September 2011 - BVerwG 10 C 24.10 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 41 Rn. 20 ff.). Die Beklagte rügt zu Recht, dass die Annahme einer Extremgefahr für den im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung 17 Jahre alten Kläger aufgrund der verwerteten Quellenlage und der Ausführungen des Berufungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung unzureichend begründet ist.

24

2. Das Berufungsurteil verletzt ferner Bundesrecht, weil der Verwaltungsgerichtshof § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht geprüft hat. Der Annahme, die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG sei vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen (UA S. 6), folgt der Senat nicht. Denn das unionsrechtliche Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG steht rechtlich selbstständig neben dem nationalen Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG; zwischen den Vorschriften besteht kein verdrängendes Spezialitätsverhältnis (Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 10 C 15.12 - juris Rn. 36, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Daher hätte das Berufungsgericht das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (vgl. Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322 <324 ff.> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 9 S. 48 zu § 53 Abs. 4 AuslG) prüfen müssen.

25

3. Da der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und zum Vorliegen einer individuellen Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Berufungsurteil aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsgericht wird für den Kläger erneut eine Prognose zu individuellen und allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage - unter Berücksichtigung von dessen mittlerweile eingetretener Volljährigkeit - erstellen müssen. Mit Blick auf das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK weist der Senat darauf hin, dass der sachliche Schutzbereich weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG ist und über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinausgeht (Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 36). Insoweit hält der Senat für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK jedenfalls seit der Entscheidung des EGMR vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07, Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681 nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigt, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen (so noch Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 - BVerwGE 99, 331 <335> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 2 S. 9; vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265 <269 ff.> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 7 S. 31 ff. und vom 2. September 1997 - BVerwG 9 C 40.96 - BVerwGE 105, 187 <188 ff.> = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 8 S. 41 ff.; zuletzt Beschluss vom 18. Dezember 2006 - BVerwG 1 B 53.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 26 Rn. 7).

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist albanische Staatsangehörige.

Sie stellte am 9. Dezember 2015 in Deutschland einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt ... (im Folgenden: Bundesamt) - Außenstelle ... - am 10. Dezember 2015 gab die Antragstellerin an, sie sei etwa am 30.September 2015 aus Albanien aus- und ca. am 2. Oktober 2015 in Deutschland eingereist. Sie sei von Albanien über Montenegro, Kroatien, Slowenien und Österreich mit dem Bus nach Deutschland gereist. Sie habe Albanien verlassen und sei nach Deutschland gekommen wegen „der Probleme“ von ihrem Verlobten. Es bestehe eine Feindschaft. Sie hätten deswegen keine Sicherheit in Albanien und ihr Verlobter traue sich auch nicht, eine Familie zu gründen. Wegen dieser Probleme sei sie von fremden Personen verfolgt worden. Deswegen habe sie dann auch gekündigt und das Hochschulstudium abgebrochen. Der Verlobte sei fast wie eingesperrt gewesen, so dass auch nur sie habe arbeiten können. Die wirtschaftliche Lage sei aber schlecht, wenn nur einer arbeiten könne. Sie wolle nicht mehr sagen, außer, dass die Sicherheit für sie in Albanien „unter null“ gewesen sei. Auf Nachfrage, ob ihr der Hintergrund dieser „Feindschaft“ bekannt sei, gab die Antragstellerin an, es sei „nichts mit Absicht gewesen“. Ihr Verlobter ... ... sei mit dem Auto mit seinem Onkel gefahren, wobei er habe fahren müssen, da er die ganze Zeit unter dem Druck von dem Onkel gewesen sei, dieser habe ihn mit der Waffe bedroht, dass er fahre. Während der Fahrt habe der Onkel jemanden auf der Straße erschossen. Das Ganze sei in der Stadt ... gewesen. Ihr Verlobter sei fünf Jahre im Gefängnis gewesen und 2013 freigekommen. Ganz genau wisse sie es jedoch nicht. Die Familie des getöteten Mannes habe dann aber nur Rache an ihrem Verlobten nehmen wollen. Die Familie des Getöteten habe viele Verbindungen bzw. Beziehungen mit der jetzt herrschenden Partei. Den Rest könne der Verlobte dann selbst erzählen. Sie hätten jedoch sehr unsicher in Albanien gelebt. Auf Nachfrage, wie sie konkret von den unbekannten Personen verfolgt worden sei, gab die Antragstellerin an, sie hätte „in der Nähe gearbeitet“ und sei auch ab und zu mit dem Bus gefahren. Oft seien Personen in den Laden gekommen und hätten sie „so komisch angeschaut“ und sie habe sich schlecht gefühlt. Sie vermute, dass diese Leute etwas von ihr wollten. Auf Nachfrage, ob sie zur Polizei gegangen sei und diese Drohungen zur Anzeige gebracht habe, verneinte die Antragstellerin, weil diese Leute mit dem Staat Beziehungen hätten. Die Antragstellerin gab an, das seien alle Gründe dafür, warum sie Albanien verlassen habe. Auf Nachfrage, was im Falle einer Rückkehr mit ihrem Verlobten passieren könne, gab die Antragstellerin an, sie wisse nicht, was passieren werde.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 und 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 4) und forderte die Antragstellerin unter Androhung der Abschiebung nach Albanien auf, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Nr. 5).

Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

In der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte befindet sich ein (gleichlautender) Bescheid vom 10. Dezember 2015, der jedoch offensichtlich nicht ausgelaufen ist.

Ausweislich der bei den vorgelegten Akten befindlichen Empfangsbestätigung wurde der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Dezember 2015 der Antragstellerin am 28. Dezember 2015 zugestellt.

Die Antragstellerin erhob zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle (Außenstelle ...) des Verwaltungsgerichts München am 30. Dezember 2015 Klage (M 11 K 15.3692).

Gleichzeitig wurde beantragt,

hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung nahm die Antragstellerin auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug. Zudem verwies sie auf das Verfahren ihres Verlobten ...

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 7. Januar 2016, beim Gericht eingegangen am 11. Januar 2016, die Behördenakte unter der Bezeichnung Vorabübersendung vor, äußerte sich zum Antrag jedoch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im hiesigen Verfahren wie auch im dazugehörigen Klageverfahren sowie in den beigezogenen Verwaltungsstreitverfahren M 11 S 15.31695 sowie M 11 K 15.31694 einschließlich der dort vorgelegten Bundesamtsakte Bezug genommen. Bei den beiden zuletzt genannten Verfahren handelt es sich um die asylgerichtlichen Verfahren des - nach eigenen Angaben - Verlobten der Antragstellerin.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, ist zulässig. Die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist eingehalten.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz - GG, § 36 Abs. 4 AsylG).

Gemäß Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel im Sinne von Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 ff.). Das ist nach ständiger Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 -, InfAuslR 1993, 196).

An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall getroffenen Entscheidungen bestehen keine ernstlichen Zweifel.

Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil u. a. dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.

Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter der Antragstellerin nicht zusteht. Die Anerkennung als Asylberechtigte scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragstellerin nach eigener Aussage auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG). Daneben liegt auch kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal vor, das die Zuerkennung der Rechtstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung des Bundesamts im angegriffenen Bescheid, auf die Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Vorbringen der Antragstellerin lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Zudem erfordert § 3 c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur wie hier behauptet ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nach der aktuellen Auskunftslage grundsätzlich nicht auszugehen (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand Mai 2015 vom 10. Juni 2015, dort S. 10 f). Danach lehnt der albanische Staat die Blutrache ab, bekämpft sie und kann Schutz vor ihr gewähren, aufgrund seiner begrenzten Kapazitäten und der langsamen und korruptionsanfälligen Justiz jedoch nur mit eingeschränktem Erfolg. Daraus lässt sich schließen, dass die albanischen Sicherheitsbehörden trotz nach wie vor vehement bestehender Defizite generell fähig und willig sind, vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren (vgl. § 3 d Abs. 1 und 2 AsylG). Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 23.2.2015 - 11 A 33/14.A -, juris Rn. 8 m. w. N.).

Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr 30 Jahren Freiheitsstrafe unter Strafe gestellt. Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18). Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens - der Verlobte der Antragstellerin, von dessen Vortrag die Antragstellerin ihre Betroffenheit ableitet, stammt aus ... in Nordostalbanien - findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde (vgl. Homeoffice, Country Information and Guidence - Albania: Bloodfeuds, 2014, S. 6 http://www.r...org/docid/53b698e74.html, aufgerufen am 2. Februar 2016).

Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen der Antragstellerin bzw. ihres Verlobten bzw. eine Strafanzeige bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wären. Etwas substantiiert Abweichendes hat sie auch nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie gegen die behauptete drohende Verfolgung nicht die Polizei eingeschaltet hat; es ist nicht ersichtlich, dass ihr bzw. ihrem Verlobten jeglicher Schutz sicher verweigert worden wäre. Die Angaben der Antragstellerin, dass die Polizei jedenfalls sinngemäß auf Seiten derjenigen sei, die sie verfolgten, sind bloße Behauptungen, die durch nichts belegt sind und darüber hinaus viel zu wenig konkret, um in irgendeiner Form glaubhaft zu sein. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es der Antragstellerin - unterstellt, die Angaben der Antragstellerin zur geltend gemachten Blutracheproblematik träfen überhaupt zu (dazu sogleich) - jederzeit möglich und zumutbar wäre, das nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen, die in diesem Bereich tätig sind, einzuschalten (vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014 S. 13 f), um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen.

Das Bundesamt hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) verneint. Das Gericht nimmt insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Schließlich liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in Bezug auf Albanien vor. Für die Antragstellerin besteht in Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist.

Aus den oben in Bezug genommenen Umständen folgt keine erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit für die Antragstellerin.

Über die oben genannten Gründe hinaus gilt in dem Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass dieses jedenfalls deswegen nicht in Betracht kommt, weil der Antragstellerin der von ihr beim Bundesamt zur Begründung ihres Asylantrags gemachte Vortrag nicht geglaubt werden kann.

Das folgt bereits daraus, dass die Angaben der Antragstellerin viel zu wenig konkret sind, um sie auch nur ansatzweise nachprüfen zu können. Zu bemerken ist jedoch, dass die Angaben der Antragstellerin immerhin nicht ganz so vage und unkonkret sind, wie diejenigen ihres Verlobten in dessen Asylverfahren. Das wiederum spricht jedoch nicht für, sondern gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragstellerin. Denn die geltend gemachten Umstände, die zu einer Gefahr für die Antragstellerin und ihren Verlobten in Albanien führen sollen, sind sämtlich begründet in der Person ihres Verlobten, nicht dagegen in ihrer Person selbst. Insofern ist es auffällig, dass man den Angaben der Antragstellerin als vom vorgebrachten Geschehen eigentlich weiter entfernte Person - im Vergleich zu ihrem Verlobten - jedenfalls mehr entnommen werden kann, als den Angaben des Verlobten selbst. Zumindest kann das Vorbringen bei der Antragstellerin inhaltlich einigermaßen verstanden werden. Jedoch sind in einer Zusammenschau desjenigen, was die Antragstellerin in ihrem und der Verlobte in seinem Verfahren vorgetragen haben, die Angaben trotzdem nicht schlüssig. Auch im Vortrag der Antragstellerin ist nicht nachvollziehbar, warum sich die angeblichen Verfolger, die ohnehin auch nach den Angaben der Antragstellerin mangels irgendeiner Benennung nicht identifizierbar sind, nur an den Verlobten der Antragstellerin, nicht jedoch an den eigentlichen Täter, den „Onkel“ des Verlobten bzw. den Cousin der Mutter des Verlobten, gehalten haben. Außerdem ist nicht nachzuvollziehen, warum es auch der Antragstellerin nicht zumutbar gewesen sein soll, behauptete Bedrohungshandlungen bei der Polizei anzuzeigen. Dazu kommt noch, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin ohnehin keine irgendwie beachtlichen Bedrohungshandlungen vorliegen. Sie gibt nämlich lediglich an, sie sei von ihr fremden Leuten komisch angeschaut worden und sie hätte aus ihrer Sicht vermutet, dass es sich dabei um Leute handle, die in irgendeiner Form ihrem Verlobten nachstellen würden. Das ist bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu wenig, um überhaupt von einer echten und nicht nur eingebildeten bzw. behaupteten Bedrohungslage auszugehen. Schließlich fällt auf, dass sich die Angaben bzw. Befürchtungen der Antragstellerin einerseits, ihres Verlobten andererseits auch in wesentlichen Punkten unterscheiden. Anders als ihr Verlobter gibt die Antragstellerin - realistisch - an, sie wisse nicht, was ihrem Verlobten bei dessen Rückkehr nach Albanien drohe, während der Verlobte in seinem Asylverfahren angegeben hat, ihm drohe - ohne dass dies in irgendeiner Form nachvollziehbar ist - der sofortige Tod. Die Angaben der Antragstellerin zugrunde gelegt zeigt jedoch auch dieser Umstand, dass tatsächliche nachvollziehbare Umstände, die eine irgendwie geartete Bedrohungslage für die Antragstellerin greifbar machen, tatsächlich nicht existieren.

Nach alledem ist der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tra-gen.

Gründe

I.

Die 1989 bzw. 1992 geborenen Antragsteller sind albanische Staatsangehörige. Sie stellten am 18. August 2015 einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am ... 2015 brachte sie im Wesentlichen u. a. Folgendes vor: Sie hätten Probleme mit Blutrache in ihrem Heimatland Albanien. Im Jahr 2000 sei ein Cousin der Mutter und im Jahr 2001 sei ein Onkel des Antragstellers ermordet worden. Im Jahr 2012 sei ein weiterer Onkel des Antragstellers ermordet worden. All dies habe einen politischen Hintergrund. Seit 2001 sei die Familie jedoch nicht mehr politisch aktiv geworden, abgesehen von der Kandidatur des Onkels, der 2012 erschossen worden sei. Der Antragsteller habe bis Mitte 2014 in der Produktion/Verkauf von Bierflaschen gearbeitet; die Antragstellerin habe Medizintechnik studiert, in diesem Ausbildungsberuf jedoch nicht gearbeitet, sondern nur ein Praktikum im Krankenhaus abgeleistet.

Mit Bescheid vom 2. November 2015, der nach Aktenlage wohl mit Begleitschreiben vom ... 2015 versandt/zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung sowie den Antrag auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Albanien oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung wurde in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragsteller hätten im Fall ihrer Rückkehr keine staatlichen oder relevanten nichtstaatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Der von den Antragstellern geschilderte Sachverhalt sei nicht stimmig und daher nicht geeignet darzulegen, dass sie wirklich der Gefahr ausgesetzt gewesen wären, Opfer von Blutrache zu werden. Auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz seien nicht gegeben. Nationale Abschiebungsverbote seien geprüft worden, aber zu verneinen.

Am 9. Dezember 2015 erhoben die Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München, die unter dem Aktenzeichen M 4 K 15.31617 rechtshängig ist, und beantragten zugleich,

die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.

Zur Begründung führten sie im Wesentlichen Folgendes an: Ihnen drohe in Albanien wegen politischer Verfolgung ein ernsthafter Schaden und es liege eine Gefahr für ihr Leib und Leben vor. Es bestehe eine Familienfehde (nach dem Prinzip der Blutrache), die sich auch auf die Antragsteller beziehe. Die verfeindete Familie habe Einfluss auf die örtliche Polizei bzw. Behörden. Auch der Antragsteller sei eingeschüchtert worden; die Teilnahme am öffentlichen/politischen Leben sei ihm unmöglich. Die Antragstellerin sei durch die Heirat mit dem Antragsteller in den Fokus der Bedrohung gerückt, da sie nun Teil der Familie geworden sei. Des Weiteren sei die Antragstellerin in der 27. Schwangerschaftswoche. Ausweislich des ärztlichen Attests vom ... 2015 sei sie nicht reisefähig; es bestehe eine Hyperemesis gravidarium. Ferner sei die Festlegung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unzulässig, da die Antragsteller noch gar nicht ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben seien.

Die Antragsgegnerin übersandte die Behördenakten, ohne einen Antrag zu stellen; dabei kündigte sie an, einen Zustellungsnachweis nach Eingang nachzureichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- anzuordnen, ist zulässig. Da kein Zustellnachweis vorliegt und das Begleitschreiben zum Bescheid das Datum vom ... 2015 trägt, ist davon auszugehen, dass die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten ist.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Recht-mäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).

2.1. Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.).

Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B. v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - DVBl 84, 673 ff. - juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 1993, 196).

Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.

2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen.

Für das Gericht ist offensichtlich, dass der jeweils geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte den Antragstellern nicht zusteht.

Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtling rechtfertigen würde, haben sie nicht glaubhaft gemacht. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 2. November 2015 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend gilt Folgendes: Zunächst fällt auf, dass die Antragsteller nicht den Familiennamen der Familien tragen, die nach dem Vortrag der Antragsteller von der verfeindeten Familie bedroht würden. Des Weiteren hat der Antragsteller nur pauschal behauptet, er sei eingeschüchtert worden; Einzelheiten hat er nicht genannt. Im Gegenteil: In der Anhörung hat er vorgetragen, dass seit dem letzten Mord (2012) nichts mehr passiert sei. Auch hat er bei der Anhörung nichts von politischen Ambitionen vorgetragen. In der Antragsbegründung hat er jedoch dann hervorgehoben, dass ihm eine Teilnahme am öffentlichen/politischen Leben unmöglich gewesen wäre und sei. Diese nachträgliche Steigerung des Vortrags spricht gegen dessen Glaubwürdigkeit. Der Umstand, dass die Antragsteller vor ihrer Ausreise aus Albanien längere Zeit in keinem Arbeitsverhältnis (mehr) standen, deutet hingegen auf wirtschaftliche Motive hin.

Unabhängig davon weist der hier vorgetragene Familienkonflikt (Blutrache) keinen Bezug zu den sog. asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmalen im Sinn des § 3b AsylG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf.

Darüber hinaus liegt auch kein asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgungsakteur vor: Die Verfolgung durch die - hier geltend gemachten - nichtstaatlichen Akteure ist gemäß § 3c Nr. 3 AsylG alleine nur dann relevant, wenn der Staat (§ 3c Nr. 1 AslyG) oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AslyG), einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Dies ist nicht der Fall. Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015, BGBl. 2015 I, 1722, Nr. 35). Im Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand 2015) heißt es zudem u. a. wie folgt (Seiten 5, 10): Die Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen und die Justizreform gehören zu den Schlüsselbedingungen für den Prozess der EU-Annäherung. Die Regierung ist entschlossen, glaubwürdige Fortschritte zu erzielen. Dank personeller Umbesetzungen, Umstrukturierung und Lohnerhöhungen hat sich der Ruf der Polizei verbessert. Die Regierung arbeitet an einer Professionalisierung der Polizei und unternimmt Anstrengungen, durch verstärkte Controllingmaßnahmen, Lehrgänge zur Berufsethik, Verbesserung der Besoldung und drastische Maßnahmen im Falle des Verstoßes gegen Dienstvorschriften die Korruptionsanfälligkeit zu reduzieren.

Der Staat lehnt die Blutrache ab, bekämpft sie und kann Schutz vor ihr gewähren, aufgrund seiner begrenzten Kapazitäten und der langsamen und korruptionsanfälligen Justiz jedoch nur mit eingeschränktem Erfolg. Es gibt einige NRO, die sich um die Schlichtung von Blutrachefehden bemühen, aber auch einige, die daraus ein Geschäft entwickeln (Verkauf von Blutrachebescheinigungen, die dann Asylanträge ermöglichen sollen).

Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbot i. S. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Eine Gefahr für Leib und Leben durch Blutrache wurde, wie bereits erwähnt, nicht glaubhaft gemacht; auch bieten die staatlichen Organisationen gegen Blutrache, wie oben dargelegt, grundsätzlich ausreichend Schutz. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr eine konkrete erhebliche Gefahr für Leib und Leben im Heimatland droht. Nach dem vorgelegten fachärztlichen Attest vom ... 2015, das nur der Vorlage beim Arbeitgeber und nicht etwa beim Bundesamt dient, besteht bei der Antragstellerin, zu diesem Zeitpunkt in der 27. Schwangerschaftswoche, eine Hyperemesis gravidarum. Die Patientin könne sich deshalb nicht in geschlossenen Räumen aufhalten und nicht Auto fahren ohne sich übergeben zu müssen. Abgesehen von dem Umstand, dass aus dem Attest nicht hervorgeht, auf welcher Grundlage die Diagnose beruht, belegt dieses kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. Eine (problematische) Schwangerschaft und bevorstehende Geburt ist keine Krankheit oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigung, die die Antragstellerin aufgrund der in Albanien allgemein bestehenden Lage in eine Gefahr für Leben und Gesundheit bringen würde. Vielmehr hat die Ausländerbehörde vor dem Vollzug der Abschiebung festzustellen, ob die Antragstellerin reise- oder transportfähig ist; ist dies zu verneinen, ist die Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG vorübergehend auszusetzen.

Wird die Abschiebung der Antragstellerin aufgrund ihrer aktuellen Gesundheitszustandes vorübergehend ausgesetzt, hat die Ausländerbehörde darüber zu befinden, ob sie die Abschiebung auch des Antragstellers aus rechtlichen Gründen nach § 60a Abs. 2 AufenthG oder nach § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG im Rahmen einer Ermessensentscheidung ebenfalls vorübergehend aussetzt; hier sind insbesondere die sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Rechtswirkungen in die Entscheidung einzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.

Die Festsetzung der Frist nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG, § 75 Nr. 12 AufenthG, die für den Fall gilt, dass die Antragsteller nicht freiwillig ausreisen, sondern abgeschoben werden, war zulässig; insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


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Tenor

Der am 1. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 5956/15.A gegen die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. August 2015 in Gestalt des lediglich isoliert den Tenor zu Ziffer 1. klarstellenden und insoweit nicht zu beanstandenden Abänderungsbescheides vom 29. September 2015 anzuordnen, wird abgelehnt. Gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz -AsylG- darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Daran fehlt es hier. Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des angegriffenen ausführlichen Bescheides, dem die Antragsteller nichts erhebliches mehr entgegengesetzt haben, und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Durchgreifende Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, bestehen nicht.

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, der albanische Staat sei grundsätzlich nicht willens und in der Lage (vgl. §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG), vor den befürchteten Übergriffen der Privatperson (Schwiegervater des Antragstellers zu 1.) Schutz zu bieten (vgl. zu Übergriffen OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn.8). Etwas substantiiert Abweichendes haben die Antragsteller nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht dargelegt, weshalb es ihnen nicht möglich gewesen sein soll, um aktuellen Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihnen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Etwaigen beachtlichen Gefahren für Leib oder Leben können die Antragsteller ungeachtet dessen jedenfalls auch durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, abwenden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, Stand: Mai 2015, S. 11; vgl. ebenso den Beschluss betreffend des Kindes der Antragsteller im Parallelverfahren VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 6 L 2939/15.A).


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Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I.    , I1.     , wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden


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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind albanische Staatsangehörige, christlicher Glaubensrichtung. Sie reisten nach eigenen Angaben über Italien am ... Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20. Oktober 2015 Asylanträge.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am ... Oktober 2015 gab der Antragsteller zu 1) zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen an, dass er und seine Familie in Albanien bedroht würden. Vor ca. 12 Jahren habe er von seinem Bruder in Italien eine Menge Geld bekommen. Als er Freunde und Bekannte eingeladen habe, sei ein gewisser ..., den der Antragsteller zu 1) unter dem Namen ... kenne und dessen Familie ca. drei Kilometer von ihm entfernt wohne, auf sein Geld aufmerksam geworden und habe von ihm mehr Geld verlangt. Als der Antragsteller zu 1) dies abgelehnt habe, hätten die Streitereien begonnen. Am 1. Juni 2004 habe ... auf offener Straße mit einem Maschinengewehr auf ihn geschossen. Dabei sei der Antragsteller zu 1) am Bein getroffen und verletzt worden. ... sei noch am gleichen Tag gefasst, inhaftiert und am 14. Oktober 2004 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach dessen Haftentlassung nach etwa sechs bis sieben Monaten habe ... den Antragsteller zu 1) ständig bedroht. Es sei zu keinen schlimmeren Vorfällen gekommen, aber die Bedrohungen seien sehr oft gewesen. Nach der Geburt seines ersten Kindes im Winter 2012/2013 sei er (gemeint wohl ...) mit dem Auto angefahren und habe gesagt, der Antragsteller zu 1) solle auf sein Kind lieber gut aufpassen. Seine daraufhin gestellte Strafanzeige habe die Polizei nicht ernst genommen, da er keine Beweise habe vorlegen können. Der Antragsteller zu 1) habe versucht, den ... in Albanien zu kontaktieren. Er habe aber ... nicht erreichen können, da dieser teilweise auch „irgendwo im Gefängnis“ gewesen sei. Selbst als er ihn habe erreichen können, habe ... nichts vom Antragsteller zu 1) wissen wollen. ... habe den Antragsteller bedroht, wenn er ihn zufällig gesehen habe. Er habe den Antragsteller zu 1) aber auch durch andere Personen bedroht und beleidigt. Die letzte Bedrohung durch einen von ... beauftragten Dritten habe vor etwa sechs Monaten stattgefunden. Aus wirtschaftlichen Gründen sei es ihm bislang nicht möglich gewesen, innerhalb Albaniens umzuziehen. Die Kirche habe sie bei einem Umzug auch unterstützen wollen, aber sie hätten das nie genau konkretisiert. Zudem sei Albanien auch sehr klein und viele Leute würden sich untereinander kennen, so dass man eine Person auch finde.

Die Antragstellerin zu 2) gab in ihrer persönlichen Anhörung am ... Oktober 2015 im Wesentlichen an, zuletzt vor etwa sechs Monaten von ... bedroht worden zu sein. Ihr Mann habe etwa drei bis vier Wochen nach der Geburt ihrer am ... Januar 2011 geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 3), über eine dritte Person die Drohung erhalten, dass ihre Tochter umgebracht werden solle. Sie hätten sich etwa im Sommer 2011 an das Polizeikommissariat ihrer Stadt gewandt, es sei aber nichts passiert. Ein Umzug innerhalb Albaniens sei zwecklos, da der Täter sie dort überall finden könnte. Zudem sei die Antragstellerin zu 2) durch den Stress und die Bedrohungen zunehmend erkrankt. Vor etwa viereinhalb Jahren sei sie ohnmächtig geworden. Danach habe sich „das Ganze“ sehr intensiviert und sie habe mehrere Krankenhäuser aufgesucht. Die ihr dort verabreichten Medikamente hätten jedoch keine Wirkung entfalten. Ihre Tochter sei vor allem gegen Hausstaub allergisch und nicht richtig behandelt worden. Bei Atemproblemen habe man ihr Adrenalin gegeben, obwohl sie noch ein Kind sei. Zudem habe sie trotz Krankenversicherungskarte zusätzlich Geld bezahlen müssen, um überhaupt im Krankenhaus aufgenommen zu werden. Zugleich wurden diverse ärztliche Unterlagen vorgelegt. Nach der ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vom ... Oktober 2015 (Bl. 58 der Behördenakte - d.BA) und vom ... Oktober 2015 (Bl. 81 d.BA) zeige sich beim Antragsteller zu 1) ein Narbenstrang am gesamten rechten medialen Unterschenkel und Fußrand sowie eine starke Fehlstellung der Großzehe, die Folge einer bleibenden Sehnenverletzung des Unterschenkels sei. Er leide infolge dieser Schussverletzung mit Knochen- und Weichteilverletzung an Lähmungen der Fußmuskulatur. Durch seine Gangstörung komme es zu Verletzungen des Fußes beim Gehen sowie zu chronischen Rücken- und Nackenschmerzen. Er benötige dringend eine orthopädische Behandlung, die eine Versorgung mit orthopädischen Schuhzurichtungen, Physiotherapie sowie adäquater Schmerztherapie einschließe. Ansonsten sei mit früher Invalidität sowie Schmerzmittelabhängigkeit zu rechnen. Bei der Antragstellerin zu 2) bestehe laut den ärztlichen Bescheinigungen des Klinikums ... vom ... August 2015 (Bl. 77f. d.BA), vom ... August 2015 (Bl. 75f. d.BA) und vom ... Oktober 2015 (Bl. 73f. d.BA) der Verdacht auf Mukoviszidose bei chronisch atrophischer Bronchitis. In der durchgeführten bakteriologischen Untersuchung habe es keinen Hinweis auf TBC gegeben. Die Entlassung aus dem Klinikum ... am ... August 2015 sei beschwerdefrei in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt. Laut Bescheinigung vom ... Oktober 2015 sei bei den linksseitig aufgetretenen Flankenschmerzen am ehesten von einem beginnenden Harnwegsinfekt auszugehen. Nach der ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vom ... Oktober 2015 leide die Antragstellerin zu 2) an einer chronisch, infektiösen Hepatitis B, chronischen Kopfschmerzen, Asthma bronchiale und Mukoviszidose. Am ... September 2015 habe die Antragstellerin zu 2) einen psychomotorischen Krampfanfall erlitten.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016, der den Antragstellern mit Schreiben vom 16. Februar 2016 übersandt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Albanien angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).

Zur Begründung wurde u. a. wie folgt ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Die Bedrohung der Antragsteller durch nichtstaatliche Akteure sei keine asylerhebliche Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG wegen eines der darin genannten Merkmale. Der Vortrag der Antragsteller sei für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht geeignet. Die Angaben über die Bedrohung, die in den letzten Jahren nur verbal gewesen seien, seien ungenau gewesen. Die Schussverletzung habe sich vor elf Jahren ereignet. Die Antragsteller hätten die Möglichkeit in Albanien in größeren Städten, in denen die Anonymität gewährleistet werde, umzuziehen und damit der Bedrohungen aus dem Wege zu gehen. Auch führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot. Es habe nicht nachvollziehbar dargelegt werden können, dass bei der Rückkehr die Familie derart schlechter gestellt sei, dass das Erreichen des Existenzminimums unter Ausschöpfung sämtlicher Hilfeleitungen nicht sicherzustellen sei. Auch die vorgetragenen Erkrankungen würden nicht zu einem nationalen Abschiebungsverbot führen. Die vorgelegten medizinischen Atteste würden weder eine notwendige medizinische Behandlung noch eine besondere Medikation erfordern. Es bestehe kein Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard an der medizinischen Versorgung in Deutschland. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei die Festlegung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate bzw. 30 Monate angemessen, da kein ausreichender Vortrag durch die Antragsteller erfolgt sei.

Die Antragsteller erhoben mit Schriftsatz vom 21. Februar 2016, dem Bayerischen Verwaltungsgericht München am 23. Februar 2016 zugegangen, Klage (M 17 K 16.30321) mit den Anträgen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Februar 2016 (richtig wohl 1. Februar 2016) aufzuheben und diese zu verpflichten, die Antragsteller als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG (zwischenzeitlich: AsylG) anzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gem. § 4 AsylVfG (zwischenzeitlich: AsylG) zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Gleichzeitig beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) im Jahr 2004 im Rahmen eines bandenmäßig organisierten Angriffs und Raubüberfalls in den Fuß geschossen worden sei. Die besonders gewalttätige Gruppe habe in seiner Heimatstadt viele Anhänger und sei allgemein gefürchtet. Sie verfüge in vielen Städten über Kontaktpersonen und weise einen erhöhten Organisationsgrad auf, der es ihr ermögliche, auch in weiter entfernt liegenden Städten nach ihm zu suchen. Hinter den immer wieder stattfindenden Drohungen und Einschüchterungen stecke der Irrglaube, die Familie der Antragsteller sei besonders vermögend. Der Vater des Mannes, der dem Antragsteller zu 1) in den Fuß geschossen habe, habe ihm unter Androhung von körperlicher Gewalt nahegelegt, seine Anzeige bei der Polizei fallen zu lassen. Die albanische Polizei biete nicht genügend Schutz. Sie sei korrupt und es bestünden Kontakte zu der kriminellen Gruppe. Eines Tages sei der älteren Tochter, der Antragstellerin zu 3), eine Waffe an den Kopf gehalten worden, was diese bis heute nicht verarbeitet habe. Sie leide unter schweren Verhaltensstörungen mit depressiven und aggressiven Phasen und an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), da sie die Bedrohungen ihres Vaters habe mitansehen müssen und dabei dem Anblick extremer Brutalität ausgesetzt gewesen sei. Zweimal habe sie versucht, sich selbst schwer, wenn nicht sogar tödlich, zu verletzen. Auch habe sie im Dezember 2015 einen Selbstmordversuch des Vaters miterleben müssen. Durch eine Abschiebung nach Albanien würden sich die psychischen Probleme der Antragstellerin zu 3) wesentlich verschlimmern, da die aktuelle psychische Behandlung in dem ... Klinikum für Kinderpsychiatrie abgebrochen werden müsste. Bei dem Anblick von Beamtenuniformen würde die Antragstellerin zu 3) sofort in traumatische Angstzustände verfallen, da diese der Kleidung der Täter ähneln würden. Auch nach der ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vom ... Februar 2016 leide die Antragstellerin zu 3) an einer schweren Verhaltensstörung mit depressiven und aggressiven Phasen. Diese hätte nach der Verhaftung des Antragstellers zu 1) während des Aufenthalts in der Flüchtlingsunterkunft im Dezember 2015 begonnen. Gemäß dem vorgelegten abschließenden Arztbrief des Klinikums ... vom ... Dezember 2015 bestehe bei der Antragstellerin zu 3) der Verdacht auf eine PTBS. Diese habe in der Nacht vom ... auf den ... Dezember mitansehen müssen, wie ihr Vater mit einer Überdosis Kokain bzw. Heroin habe Suizid begehen wollen. Seitdem ihr Vater ins ...klinikum nach ... gebracht worden sei, spreche die Antragstellerin zu 3) kaum mehr. Laut ihrer Mutter zeige die Antragstellerin zu 3) ab diesem Zeitpunkt ein seltsames Verhalten: Sie nehme ein Messer in die Hand und wenn die Mutter zu ihr komme, lege sie das Messer wieder zu Boden. Zur Überwachung sei die Antragstellerin zu 3) stationär aufgenommen worden. Während des stationären Aufenthaltes hätten sich keine Auffälligkeiten ergeben. Nach Rücksprache mit dem ... Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie sei dort die ambulante Vorstellung in die Wege geleitet worden. Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 wurde eine Bescheinigung des ... Klinikums vom ... Februar 2016 vorgelegt, wonach die Termine am ... Januar 2016 und ... Februar 2016 bestätigt wurden und mitgeteilt wurde, dass die Untersuchung aktuell noch nicht abgeschlossen sei.

Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 24. Februar 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30321 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, ist zulässig. Die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist eingehalten.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz - GG, § 36 Abs. 4 AsylG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:

1. Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte den Antragstellern offensichtlich nicht zusteht.

Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragsteller, Albanien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II). Die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1507/93 - Rn. 65).

1.1. Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. Insoweit schließt sich der zu erkennende Einzelrichter den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Berlin (B. v. 22.12.2015 - 33 L 357.15 A - juris Rn. 13-24) vollumfänglich an:

„aa) Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 16a Abs. 3 GG gestattet die Bestimmung von Staaten durch den Gesetzgeber, bei denen aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1507, 1508/93 -, BVerfGE 94, 115 [139-144]; zusammenfassend VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 - VG 7 K 546/14 A -, juris [dort als VG 7 K VG 7 K 546/15 A], Rn. 20; sowie VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 2015 - A 6 S 1259/14 -, juris, Rn. 20). Anhand der o.g. Kriterien (Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemeine politische Verhältnisse) obliegt dem Gesetzgeber - losgelöst vom Einzelfall - eine antizipierte Tatsachen- und Beweiswürdigung hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse in einem bestimmten Staat. Er muss sich anhand der von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG vorgegebenen Prüfkriterien aus einer Vielzahl von einzelnen Faktoren ein Gesamturteil über die für eine politische Verfolgung bedeutsamen Verhältnisse in dem jeweiligen Staat und die Stabilität dieser Verhältnisse bilden. Bei seinem abschließenden Urteil kann zur Abrundung und Kontrolle des Ergebnisses auch die Quote der Anerkennung von Asylbewerbern aus dem jeweiligen Land die Rolle eines Indizes spielen (BVerfGE 94, 115 [139]). Zur Ermittlung der bedeutsamen Tatsachen hat der Gesetzgeber die zugänglichen und als zuverlässig anzusehenden Quellen heranzuziehen, wobei den Berichten der zuständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland und internationaler Organisationen, insbesondere des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (engl. United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR), besonderes Gewicht zukommt (BVerfGE 94, 115 [143]). Eine bestimmte Art des Vorgehens, etwa die Einholung bestimmter Auskünfte oder die Ermittlung genau bezeichneter Tatsachen, ist von Verfassungs wegen jedoch nicht vorgeschrieben (BVerfGE 94, 115 [141]). Vielmehr kommt dem Gesetzgeber sowohl hinsichtlich der Art und Weise der zugrundeliegenden Tatsachenerhebung, als auch bezüglich der Beurteilung und Gewichtung der ermittelten Verhältnisse und der Prognose der in absehbarer Zukunft zu erwartenden Entwicklung, die der Entscheidung über die Einstufung eines Staates als sicherem Herkunftsstaat zugrunden liegen, ein Entscheidungs- und Wertungsspielraum zu, der bei der Kontrolle anhand Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG zu beachten ist (BVerfGE 94, 115 [143]). Infolge dieses Wertungsspielraumes des Gesetzgebers, aber auch angesichts der Schwierigkeit, sich über komplexe, im Ausland angesiedelte Sachverhalte ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Einstufung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat auf die Vertretbarkeit dieser Entscheidung mit der Folge, dass Verfassungswidrigkeit nur angenommen werden kann, wenn der Gesetzgeber sich bei seiner Entscheidung nicht von guten Gründen hat leiten lassen (BVerfGE 94, 115 [143, 144]). Auf der anderen Seite bedingt diese eingeschränkte materielle Prüfungsdichte ein bestimmtes Maß an Sorgfalt des Gesetzgebers bei der Erhebung und Aufbereitung der Tatsachen (BVerfGE 94, 115 [143]). Ob der Gesetzgeber diese verfahrensrechtlichen Anforderungen eingehalten hat, unterliegt der uneingeschränkten Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Anhand dieses Maßstabs erweist sich die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat als verfassungskonform. Bei der Erhebung und Aufbereitung der die Verhältnisse in der Republik Albanien betreffenden Tatsachen hat der Gesetzgeber sowohl die verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet als auch den ihm zustehenden Entscheidungs- und Wertungsspielraum eingehalten.

Am 6. September 2015 traf der Koalitionsausschuss die Entscheidung, zur Bewältigung der Vielzahl von Flüchtlingen die Asylverfahren zu beschleunigen und zu diesem Zwecke unter anderem Albanien zu einem sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen. Am 14. und 21. September 2015 wurden vorläufige Gesetzesentwürfe publiziert und knapp 150 Verbände und Institutionen um (kurzfristige) Stellungnahme gebeten. Soweit dem Gericht ersichtlich, nutzten über zwanzig Verbände und Institutionen diese Gelegenheit, wobei nicht alle zur Einstufung Albaniens als sicherem Herkunftsstaat Stellung bezogen. Zur Einstufung Albaniens als sicheren Herkunftsstaat äußerten sich unter anderem Amnesty International, Pro Asyl, die Vertretung des UNHCR für Deutschland und Österreich, der Deutsche Caritasverband, die Diakonie Deutschland, die Evangelische und Katholische Kirche, der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, der Ausschuss Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltvereins sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund. Am 29. September 2015 brachte die Regierungskoalition den endgültigen Entwurf in das Gesetzgebungsverfahren ein (BT-Drs. 18/6185). In der Begründung zu dem in dem Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes enthaltenen Vorschlag, Albanien als sicheren Herkunftsstaat einzustufen, wird im Wesentlichen auf Berichte des Auswärtigen Amtes zu der Republik Albanien Bezug genommen (BT-Drs. 18/6185, S. 37). Die Begründung berücksichtigt ferner die Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen und vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen sowie internationaler Organisationen wie dem UNHCR (BT-Drs. 18/6185, S. 37, 38). Darüber hinaus wurde der vom United States Department of State (US - State Department) veröffentliche Bericht „Albania 2014 Human Rights“ (BT-Drs. 18/6185, S. 38) und die Untersuchung des European Asylum Support Office (EASO) von Mai 2015 (BT-Drs. 18/6185, S. 39) angeführt. Schließlich wurde ergänzend die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat in Frankreich, Österreich und anderen EU-Staaten in den Blick genommen (BT-Drs. 18/6185, S. 39 f.). Der Gesetzentwurf wurde am 1. Oktober 2015 im Deutschen Bundestag beraten (BT-Plenarprotokoll 18/127) und zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen (BT-Plenarprotokoll 18/127, S. 12292). Am 12. Oktober 2015 fand vor dem federführenden Innenausschuss eine öffentliche Anhörung von elf geladenen Sachverständigen statt (Ausschussdrucksachen 18[4]404 A-K). Angehört wurden Vertreter der Evangelischen und Katholischen Kirche, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Deutscher Landkreistages. Ferner wurden Sachverständige aus der Verwaltung, der anwaltlichen Rechtspraxis und der Rechtswissenschaft angehört. Nach weiteren Ausschussberatungen wurde das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz am 15. Oktober 2015 im Deutschen Bundestag (BT-Plenarprotokoll 18/130) und am 16. Oktober 2015 im Bundesrat (BR-Plenarprotokoll 937) beschlossen.

Damit ist der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht geworden. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die herangezogenen Quellen und Erkenntnismittel nicht geeignet oder nicht ausreichend gewesen wären, ein hinlänglich zuverlässiges Bild über die Verhältnisse in der Republik Albanien zu vermitteln. Auch die Beurteilung der ermittelten tatsächlichen Verhältnisse erweist sich als verfassungsrechtlich tragfähig, denn sie kann sich auf gute Gründe stützen.

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6185, S. 25-26, 37-40) und die Beratungen in den Ausschüssen, insbesondere im Innenausschuss aufgrund der Anhörung der dort geladenen Sachverständigen (Ausschussdrucksachen 18[4]404 A-K) zeigen, dass sich der Gesetzgeber des verfassungsrechtlichen Maßstabs bewusst war. Sämtliche in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG genannten Prüfkriterien „Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemeine politische Verhältnisse“ wurden berücksichtigt. Entgegen anderslautender Auffassung (siehe beispielsweise UNHCR, Stellungnahme vom 23. September 2015, S. 2) bezieht sich die Gesetzesbegründung auch nicht nur auf die Rechtslage, sondern schließt die Rechtspraxis in Albanien mit in die Betrachtungen ein. So wird unter anderem die Behandlung Inhaftierter im Polizeigewahrsam und in Haftanstalten (BT-Drs. 18/6185, S. 38), die wirtschaftliche und soziale Lage von Minderheiten (BT-Drs. 18/6185, S. 39) und die politische Stabilität Albaniens (BT-Drs. 18/6185, S. 40) erörtert. Die Bewertung der ermittelten Erkenntnisse anhand dieser Kriterien sowie die hieran anknüpfende Prognose über die weitere Entwicklung halten sich innerhalb des dem Gesetzgeber insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Wertungsspielraums. Der Gesetzgeber durfte danach als gewährleistet ansehen, dass in der Republik Albanien weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.

Der Annahme guter Gründe für die Einstufung Albaniens als sicheres Herkunftsland steht dabei nicht entgegen, dass ältere Erkenntnismittel möglicherweise noch eine andere Lage beschreiben. Berichte, die sich auf einen Zeitraum beziehen, bevor die Republik Albanien im Juni 2014 Beitrittskandidat zur Europäischen Union wurde, sind nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich weitestgehend überholt. So ist der albanische Staat nicht nur um die Beendigung der Diskriminierung der Roma und sog. Ägypter bemüht, sondern hat auch beachtenswerte - durch die Europäische Union unterstützte - Maßnahmen zur Anerkennung der Rechte dieser Minderheiten unternommen (dazu ausführlich Beschluss der Kammer vom 30. Oktober 2015 - VG 33 L 305.15 A -, juris, Rn. 11 ff.). Diese Bemühungen werden durch den im Jahr 2014 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Rechte der Roma und der sog. Ägypter untermauert, der - mit Finanzmitteln der Europäischen Union ausgestattet - dem Abbau der Diskriminierung insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Arbeit dient (Instrument for Pre-Accession Assistance (IPA II) 2014-2020: Albania - Economic and Social Empowerment for Roma and Egyptians - a booster for social inclusion [ESERE], IPA 2014/032813.06/AL). Auch im Bereich des Justizwesens hat die albanische Regierung gerade mit Blick auf die Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten im Juni 2014 glaubwürdige Fortschritte erzielt und ist in der Lage - ggfls. mit Hilfe des nunmehr gestärkten ...-Systems - ausreichenden Schutz für von Blutrache bedrohte Familien zu leisten (st. Rspr. der Kammer seit März 2015, siehe zuletzt VG Berlin, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - VG 33 L 300.15 A -, juris, Rn. 14 ff.). Auch wenn eine deutlichere Hervorhebung der Aktualität der Erkenntnisse geholfen hätte, Missverständnisse zu vermeiden, bezieht sich der Gesetzgeber doch ersichtlich auf die aktuelle Lage in Albanien. So ist beispielsweise aus dem Zusammenhang heraus ersichtlich, dass es sich bei dem in der Gesetzesbegründung erwähnten „Nationalen Aktionsplan“ (BT-Drs. 18/6185, S. 39) um den o.g. Nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Rechte der Roma und der sog. Ägypter aus dem Jahr 2014 handelt. Auch auf die Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten im Juni 2014 und den „von EU und Deutschland tatkräftig unterstützten Reformprozess“ nimmt die Gesetzesbegründung Bezug (BT-Drs. 18/6185, S. 39). Im Übrigen ist durch den Status als EU-Beitrittskandidaten und das damit verbundene Monitoring gewährleistet, dass innerhalb der Europäischen Union publik wird, wenn die Republik Albanien hinter den derzeitigen Bemühungen zur weiteren Stärkung der Rechte von Minderheiten und des Justizsystems zurückbleibt (BT-Drs. 18/6185, S. 40). In diesem Sinne wirkt auch die nach § 29a Abs. 2 AsylG selbst auferlegte Berichtspflicht (siehe auch Art. 37 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes [Asylverfahrens-RL 2013]). Dadurch dass die Bundesrepublik Deutschland beabsichtigt, die Republik Albanien (weiter) finanziell zu unterstützen (siehe Vereinbarung im Koalitionsausschuss am 6. September 2015, S. 1-2), stärkt sie darüber hinaus die weiter erforderlichen Bemühungen. Für dennoch eventuell während dieser Fortschrittsphase auftauchende abweichende Einzelfälle sieht Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG gerade die Möglichkeit der Entkräftung der Vermutung des sicheren Herkunftsstaates vor.

Der (aktuellen) Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse entspricht auch die in der Gesetzesbegründung ebenfalls angeführte sehr geringe Erfolgsquote bei Asylanträgen von albanischen Staatsangehörigen (BT-Drs. 18/6185, S. 25; siehe ergänzend Mediendienst Integration, Informationspapier: „Wie ist die Situation in den 10 Herkunftsländern, aus denen die meisten Asylsuchenden kommen?“ [Stand: August 2015], S. 6; sowie Thym, NVwZ 2015, 1625 [1628]). Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zahl derer, die während eines gerichtlichen Verfahrens oder aufgrund einer gerichtlichen Verpflichtung des Bundesamts anerkannt wurden, ist von einer niedrigen Anerkennungsquote auszugehen. So wurden beispielsweise sämtliche im Jahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht Berlin Gericht geführte Klagen in Asylverfahren albanischer Staatsangehöriger abgewiesen (15 Urteile). In den Eilverfahren erfolgten stattgebende Entscheidungen allenfalls aufgrund Verfahrensfehler des Bundesamtes (19 Beschlüsse). Auch gegen den abschließenden Blick über die Landesgrenze und die Einstufung der Republik Albanien als sicheren Herkunftsstaat durch andere europäische Staaten (BT-Drs. 18/6185, S. 39f.) ist nichts zu erinnern.

bb) Gegen die Einstufung der Republik Albanien als sicherer Herkunftsstaat bestehen keine europarechtlichen Bedenken.

Art. 37 Abs. 1 Asylverfahrens-RL 2013 ermächtigt die Mitgliedstaaten zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten im Einklang mit Anlage I der Richtlinie. Die Richtlinie verlangt in ihrer deutschsprachigen Fassung, dass sich nachweisen lässt, dass in dem Staat, der zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden soll, generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU, noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts zu befürchten sind. Bei der in der Norm zitierten „Richtlinie 2011/95/EU“ handelt es sich um die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit internationalem Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikations-RL 2011).

Der verfahrensrechtlichen Vorgabe in Art. 37 Abs. 3 Asylverfahrens-RL 2013, verschiedene Informationsquellen, insbesondere Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und anderer einschlägiger internationaler Organisationen heranzuziehen, trägt der Gesetzentwurf Rechnung. Der Gesetzesbegründung liegen nämlich unterschiedliche Informationsquellen zugrunde, darunter auch einige der ausdrücklich in Art. 37 Abs. 3 Asylverfahrens-RL 2013 aufgeführten Erkenntnismittel, so die EASO-Untersuchung von Mai 2015 (BT-Drs. 18/6185, S. 39), die (nicht weitere präzisierten) Erkenntnisse des UNHCR (BT-Drs. 18/6185, S. 37, 38) und die Erkenntnislage in anderen Mitgliedstaaten (BT-Drs. 18/6185, S. 39 f.). Dass in der Gesetzesbegründung keine Stellungnahme des Europarates aufgelistet ist, steht dem nicht entgegen. Nach der Formulierung des Art. 37 Abs. 3 Asylverfahrens-RL 2013 ist nämlich entscheidend, dass „verschiedene Informationsquellen“ Berücksichtigung finden (so die deutsche Fassung, siehe englisch: „based on a range of sources“, französisch: „éventail de sources d’information“, italienisch: „basa su una serie di fonti di informazioni“, niederländisch: „op een reeks informatiebronnen“, spanisch: „basará en una serie de fuentes de información“, portugiesisch: „basear-se-á num conjunto de fontes de informação“) und diese Informationsquellen einer bestimmten Qualität entsprechen, was „insbesondere“ bei den dort aufgelisteten Quellen der Fall ist (so die deutsche Fassung, siehe englisch: englisch: „including“, französisch: „y compris“, italienisch: „comprese“, niederländisch: „waaronder“, spanisch: „incluida“, portugiesisch: „incluindo“). Es ist also nicht notwendig, alle dort benannten Quellen beizuziehen, solange nur die verwendeten Quellen den dort aufgelisteten entsprechen (zur Vorgängernorm Art. 30 Abs. 5 RL 2005/85/EG [Asylverfahrens-RL 2005] siehe VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 - VG 7 K 546/14 A -, juris [dort als VG 7 K VG 7 K 546/15 A], Rn. 29). Dies ist bei den in der Gesetzesbegründung erwähnten Informationsquellen der Fall (Bericht des Auswärtigen Amtes zu Albanien, Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen und vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen sowie internationaler Organisationen, wie dem UNHCR, dem US - State Department und der EASO). Eine Darlegung, aus welcher Informationsquelle welche Erkenntnis stammt, wäre zwar sicherlich zu begrüßen. Jedoch verlangt Art. 37 Abs. 3 Asylverfahrens-RL 2013 vom nationalen Gesetzgeber eine solche Zuordnung der einzelnen Erkenntnisse zu ihren jeweiligen Quellen nicht, vorgegeben ist lediglich aus welchen Informationsquellen der Gesetzgeber seine Erkenntnisse bezieht.

In materieller Hinsicht haben die Mitgliedstaaten bei der Einstufung eines Staates als sicheren Herkunftsstaat „die Rechtslage, die Anwendung der Rechtsvorschriften und die allgemeine politische Lage“ in dem betreffenden Drittstaat zu berücksichtigen. Dabei spricht die deutschsprachige Fassung der Richtlinie („nachweisen“) zwar dafür, die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten an eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit des Ausschlusses von Rechtsverstößen im Sinne der Anlage I zu knüpfen. Nimmt man dagegen die gleichermaßen verbindlichen Fassungen in jenen Sprachen hinzu, die auf dem lateinischen „demonstrare“ basieren (französisch: „démontré“, italienisch: „dimostrare“, spanisch: „demonstrarse“, portugiesisch: „demonstrado“, rumänisch: „demonstra“), so ist das Ergebnis weniger eindeutig, da mit diesen Begriffen ein Spektrum von unterschiedlichen Überzeugungsgraden erfasst ist. So bedeutet das lateinische „demonstrare“ sowohl „zeigen, aufzeigen, bezeichnen“ als auch „beweisen, darlegen“ (Stowasser primus, 2010). Die englische Sprachfassung, in der die Vokabel „to show“ (= „ausweisen, bewähren, offenbare, weisen“, siehe Köbler, Rechtenglisch, 8. Aufl. 2011) und nicht „to prove“ („ausweisen, belegen, bewähren, beweisen, nachweisen“, siehe Köbler, ebd.) verwendet wird, scheint sogar ein geringeres Maß an Sicherheit ausreichen zu lassen (dazu und zum Folgenden ausführlich VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 - VG 7 K 546/14 A -, juris [dort als VG 7 K VG 7 K 546/15 A], Rn. 32; VG Münster, Urteil vom 11. Mai 2015 - 4 K 3220/13.A -, juris, Rn. 211; sowie Thym, NVwZ 2015, 1625 [1629]). Entscheidend ist daher der materielle Regelungsgehalt der Norm. Nach der Systematik des Regelungskonzepts „sicherer Herkunftsstaat“, das auf der Ebene des Einzelfalles auch nach dem unionsrechtlichen Konzept immer die Prüfung verlangt, ob nicht ausnahmsweise doch relevante Gründe für die Anerkennung des Anspruchstellers vorliegen (vgl. Art. 36 Abs. 1 Asylverfahrens-RL 2013), ist für die Bestimmung als sicherer Herkunftsstaat keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, da - worauf die Erwägungsgründe ausdrücklich hinweisen - auch eine solche Bestimmung gerade keine absolute Garantie für die Sicherheit bieten kann (Erwägungsgrund Nr. 42 der Asylverfahrens-RL 2013).

Dass der Gesetzgeber den ihm damit unionsrechtlich eingeräumten Spielraum bei der Entscheidung, die Republik Albanien zum sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen, überschritten hat, kann das Gericht nicht feststellen. Insoweit lässt sich auf die obigen Ausführungen verweisen. Insbesondere bezieht sich der Gesetzgeber nicht nur auf die Rechtslage, sondern auch auf die Anwendung der entsprechenden Rechtsvorschriften. Ferner setzt er sich auch mit einer nicht-staatlichen Verfolgung und einer drohenden unmenschlichen Behandlung auseinander. Da der Gesetzgeber des Weiteren davon ausgeht, dass der albanische Staat (nunmehr) ausreichenden Schutz gegen diskriminierende Behandlungen von Minderheiten gewährt, musste er sich mit der unionsrechtlichen Bedeutung einer Kumulierung diskriminierender Maßnahmen nicht auseinandersetzen (zur Kumulierung diskriminierender Maßnahmen siehe beispielsweise einerseits Evangelische Kirche Deutschlands /Kommissariat der Deutschen Bischöfe, Gemeinsame Stellungnahme für die Öffentliche Anhörung im Innenausschuss am 12. Oktober 2015, Ausschussdrucksache 18[4]404 E, S. 7 und andererseits Thym, NVwZ 2015, 1625 [1629]).“

1.2. Die Antragsteller haben die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von den Antragstellern angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

1.2.1. Das Vorbringen der Antragsteller, aufgrund deren vermeintlichem Vermögen mit dem Tod bedroht worden zu sein, lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Die Antragsteller tragen vielmehr vor, Opfer kriminellen Handelns geworden zu sein, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar.

1.2.2. Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 - 11 A 334/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 10.09.2015 - M 2 S 15.31175; VG München, B. v. 4.2.2016 - M 11 S 15.31693; VG München, B. v. 14.01.2016 - M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 18ff; B. v. 28.10.2015 - 17 L 2938/15.A - juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 23 ff.). Insbesondere macht das Vorbringen des Antragstellers zu 1), er habe ... angezeigt und dieser habe eine Gefängnisstrafe verbüßen müssen, gerade deutlich, dass der albanische Staat Strafverfolgungsmaßnahmen trifft, gewalttätige Angriffe ahndet und die Antragsteller Zugang zu derartigen Schutzmaßnahmen haben.

1.2.3. Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - Drohung durch einen nichtstaatlichen Dritten wegen vermeintlichem Vermögen - ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - etwa südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U. v. 12.03.2015 - 6 K 8197/14.A - juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B. v. 23.11.2015 - 17 L 3729/15.A - juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B. v. 14.10.2015 - 17 L 3111/15. A - juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 - 5 A 1688/14 - juris; VG München, B. v. 3.2.2016 - M 5 S 15.31520 - UA S. 7).

Soweit der Antragsteller zu 1) vorträgt, die besonders gewalttätige Gruppe verfüge in vielen Städten über Kontaktpersonen und weise einen erhöhten Organisationsgrad auf, der es ihr ermögliche, auch in weiter entfernt liegenden Städten nach ihm zu suchen, genügt nicht für eine substantiierte Darlegung, dass im gesamten Albanien keine wirksame und dauerhafte Sicherheit vor kriminellen Übergriffen im Sinne des § 3 e AsylVfG gewährleitet sei.

2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).

2.1. Auch bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG durch einen nichtstaatlichen Akteur kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. der entsprechenden Anwendung des § 3c Nr. 3 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung, dass der Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, fehlt.

2.2. Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Albanien vermögen sich die Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, S. 1167ff. - juris Rn. 23 - 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern eine Existenzgrundlage bei Ihrer Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin zu 2) habe im Kindergarten als Erzieherin gearbeitet und etwa 100,-- EUR/Monat verdient. Zudem habe ihnen die Kirche durch die Übernahme ihrer Miete geholfen. Darüber hinaus können die Antragsteller mit der Unterstützung durch ihre Familienangehörigen, die sich teilweise in Italien und Albanien befinden, rechnen. So erhielt der Antragsteller zu 1)- nach seinen eigenen Angaben - im Jahr 2004 von seinem Bruder „eine Menge Geld“. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRGK aufweisen (VG München, B. v. 23.11.2015 - M 2 S 15.31322 - UA S. 12f.; U. v. 17.11.2015 - M 2 K 15.31226). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien (vgl. dazu den streitgegenständlichen Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG) reicht hierfür der bloße Verweis der Antragsteller auf eine schwierige wirtschaftliche Situation in Albanien (keine Arbeit des Antragstellers zu 1), geringes Gehalt, keine Zukunft in Albanien) schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus.

2.3. Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergäbe, ist nicht ersichtlich. Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Ungeachtet dessen, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar ist, besteht für die Antragsteller - wie dargestellt - die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.

Auch begründen die vorgebrachten Erkrankungen der Antragsteller kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche, konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 - 9 B 710.94 - DVBl 1996,108). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A - juris Rn. 56). Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Heimatland eintreten wird (vgl. OVG Nds, U. v. 12.9.2007 - 8 LB 210/05 - juris Rn. 29 m. w. N.).

Demnach kann hier von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden.

2.3.1. Hinsichtlich der mutmaßlichen Erkrankungen des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) (chronischen Rücken- und Nackenschmerzen, Notwendigkeit einer Versorgung mit orthopädischen Schuhzurichtungen, Physiotherapie sowie adäquater Schmerztherapie bzw. Verdacht auf Mukoviszidose bei chronisch atrophischer Bronchitis, beginnender Harnwegsinfekt, chronisch, infektiöse Hepatitis B, chronische Kopfschmerzen, psychomotorischer Krampfanfall) kann von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden, da die medizinische Versorgung in Albanien grundsätzlich gesichert ist. Auch wenn die Ausstattung und Hygiene medizinischer Einrichtungen zu wünschen übrig lässt, sind Ärzte gut ausgebildet. Komplizierte Behandlungen können in Tirana und den größeren Städten durchgeführt werden. Die Medikamentenversorgung stellt kein Problem dar (vgl. Lagebericht, S. 13; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 57ff.). Auch die Finanzierung der Medikamente ist gesichert. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt die anfallenden Kosten (vgl. Lagebericht, S. 13). Die Behandelbarkeit der Erkrankungen im Heimatland wird auch durch das Vorbringen der Antragstellerin zu 2) während ihrer Anhörung bestätigt. So wird geschildert, dass sie mehrere Krankenhäuser aufgesucht habe und eine Krankenversicherungskarte besitze. Letztlich folgt auch aus den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen nicht ansatzweise, dass eine Behandlung der Antragsteller in Albanien ausscheidet.

2.3.2. Aber auch hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankungen der Antragstellerin zu 3) liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vor.

a) Zunächst ist davon auszugehen, dass die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für sämtliche bezüglich der Antragstellerin zu 3) geltend gemachten psychischen Erkrankungen - ihr Vorliegen unterstellt - (im Wesentlichen schweren Verhaltensstörungen mit depressiven und aggressiven Phasen und PTBS) in Albanien zureichend sichergestellt ist (VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 26ff.; VG Düsseldorf, B. v. 9.12.2015 - 17 L 3839/15.A - juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 56 ff.; VG Berlin, B. v. 30.10.2015 - 33 L 305.15 A - juris Rn. 18 zu depressiver Störung mit Verweis auf Auskunft der Botschaft an das Bundesamt vom 21.03.2014 - jaf-17129706; sowie vom 29.03.2013 - jaf-16381022). Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten - zumindest medikamentös - auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f.).

Zudem sind insbesondere in ... Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2) und Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache vom 13. Februar 2013, S. 7f.). Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar (vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tirana an das Bundesamt vom 29. März 2013). Die Situation in psychiatrischen Kliniken mag erschreckend sein (Lagebericht S. 13), eine grundsätzliche Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen wird damit allerdings nicht in Frage gestellt. Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Behandlung von Epilepsie und Depressionen vom 2. Dezember 2015, S. 9f.) sind zwar Mängel bei der psychischen Behandlung von Patienten festzustellen, gleichwohl ist der Zugang zu Dienstleistungen im Bereich psychischer Gesundheit in Albanien in Landesteilen gewährt. Dem jüngsten Mental Health Atlas der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2014 (WHO Mental Health Atlas 2011 - Albania, 2014: www.who.int/mental_health/evidence/atlas/profiles-2014/alb.pdf?ua=1.) ist zu entnehmen, dass Albanien derzeit zwei psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern, zwei psychiatrische Kliniken sowie zehn „Wohneinheiten“ („residental care units“) unterhält. Die ambulante Behandlung psychischer Erkrankungen ist in zehn Ambulatorien und zwei Tageskliniken („day treatment facilites“) möglich. Für zahlungsfähige Patientinnen und Patienten besteht außerdem die Möglichkeit der Behandlung in einer Privatklinik.

Dass die Antragstellerin zu 3) im Übrigen überhaupt zwingend auf Medikamente angewiesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag und den vorgelegten Attesten nicht entnehmen. Zudem besteht bislang lediglich ein unbestätigter Verdacht auf eine PTBS, der auf jeweils unterschiedliche mutmaßliche traumatisierende Ereignisse gestützt wurde.

b) Ungeachtet dessen, genügen die vorgelegten Atteste schon nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Substantiierung eines Vorbringens psychischer Erkrankungen (vgl. BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15). Bei der PTBS handelt es sich um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und die Nachvollziehbarkeit des geschilderten Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes bestehen besondere Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome zur Substantiierung sowohl des Sachvortrags (§ 86 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwGO) als auch eines Sachverständigenbeweisantrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand hat, regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 8/07 - BVerwGE 129, 251 ff.; BVerwG B. v. 26.7.2012 - 10 B 21/12; VGH B-W, B. v. 9.7.2012 - A 9 S 1359/12 - BeckRS 2012, 54936; BayVGH, B. v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - BeckRS 2012, 59131).

Für die behauptete Diagnose einer PTBS haben die Antragsteller kein fachärztliches Attest, das den oben genannten besonderen Anforderungen der höchstrichterliche Rechtsprechung an die Substantiierung des Vorbringens (u. a. hinreichende Befundtatsachen, vorgenommene Untersuchungen, im Einzelnen erforderliche Behandlungen) BVerwG, B. v. 26.7.2012 - 10 B 21/12 - juris Rn. 7 m. w. N.; BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15) genüge tun könnte. Es fehlt damit an nachvollziehbaren Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt worden ist. Im Übrigen wird nicht erläutert, ob die von der Antragstellerin zu 3) geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde auch bestätigt werden.

c) Falls das Vorbringen der Antragsteller dahingehend verstanden werden soll, die ärztliche Versorgung im Bundesgebiet sei qualitativ hochwertiger als diejenige in Albanien, ist darauf hinzuweisen, dass der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu dient, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. dazu: OVG NRW, B. v. 27.07.2006 - 18 B 586/06 - und vom 14.06.2005 - 11 A 4518/02.A - juris). Es steht zwar außer Frage, dass die Antragsteller bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet wohl eine bessere gesundheitliche Versorgung erlangen könnten. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährleistet jedoch nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland nicht eine vorhandene Erkrankung aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde.

3. Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.

4. Soweit sich der Eilantrag gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbote aus Ziffern 6 und 7 des angegriffenen Bescheides richtet, ist er - ungeachtet der Fragen, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist und ob jeweils das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (§ 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) - jedenfalls unbegründet.

Dies gilt zunächst für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt hat ausweislich der Begründung des Bescheides richtig erkannt, dass ihm mit Blick auf die Frage, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet wird, Ermessen eröffnet ist. In die Ermessenserwägungen hat das Bundesamt zutreffend eingestellt, ob zugunsten der Antragsteller schutzwürdige Belange zu berücksichtigen sind. Da solche Umstände weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, durfte das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot in rechtmäßiger Weise anordnen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate weist ebenfalls keine Ermessensfehler auf. Die Bemessung der Frist auf 10 Monate steht im Einklang mit § 11 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Im Übrigen hat das Bundesamt alle insofern in die Ermessensentscheidung einzustellenden Umstände berücksichtigt. Auch die Antragsteller haben nicht konkret vorgetragen, welche Umstände das Bundesamt unberücksichtigt gelassen hat.

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ist ebenfalls rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Die Antragsteller haben keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.

5. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.

6. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

...

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2014 wird in Nr. 1. und 2. insoweit aufgehoben, als darin ein Offensichtlichkeitsurteil gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG enthalten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.