Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Sept. 2014 - 16 K 14.3124

bei uns veröffentlicht am30.09.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mit Bescheid der Beklagten vom ... Juni 2014 wurde dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Mobilfunkverträgen und Pauschalreisen, Versandhandel mit Kosmetika, Parfümeriewaren, Feinkost, Lebensmitteln, Werkzeugen, Tierbedarfsartikel, Blumen und Pflanzen, Rohstoffen, Kraftfahrzeugen (neu und gebraucht), Motorrädern und Zubehör, Möbeln, Betrieb eines Online-Shops, Versandhandel mit Elektrogeräten, Tabakwaren, Spielwaren, Textilien, Accessoires, Ausübung des zulassungsfreien Gebäudereinigerhandwerkes, Durchführung von Hausmeisterarbeiten, Betrieb einer Hausverwaltung, Durchführung von Garten- und Landschaftsbauarbeiten, Durchführung von Entrümpelungen und Wohnungsauflösungen, Durchführung von Dachrinnenreinigungen, Montage von Elektrogeräten, Montage von EDV-Anlagen, Montage von vorgefertigten Teilen, Durchführung von Akustik- und Trockenbauarbeiten, Tätigkeit als Teppichreiniger, Durchführung von Tankreinigungen und Einbau von Tankschutzgeräten, Tätigkeit im Bautrocknungsgewerbe, Tätigkeit als Fugger (im Hochbau), Ausübung des zulassungsfreien Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerkes, Tätigkeit als Rohr- und Kanalreiniger, Tätigkeit als Bodenleger (Verlegen von PVC-Belägen, Teppiche, Laminat und Fertigparkett (schwimmend)), Tätigkeit im Holz- und Bautenschutzgewerbe (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden), Einbau von genormten Baufertigteilen, Montage von Möbeln“ als selbstständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe, die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie die Ausübung jeglicher selbstständigen Tätigkeit untersagt (Nr. 1). Dem Kläger wurde unter Androhung unmittelbaren Zwangs (Nr. 3) aufgegeben, die Betriebstätigkeit innerhalb einer Frist von spätestens 10 Tagen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei gewerberechtlich unzuverlässig. Er käme seinen Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nach und befände sich in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Beim Finanzamt bestünden Steuerrückstände aus gewerblicher Tätigkeit in Höhe von EUR 20.400,49. Die Vollstreckung sei im Wesentlichen erfolglos verlaufen. Forderungspfändungen hätten nicht um Erfolg geführt. Die letzte freiwillige Zahlung sei am 2. November 2012 in Höhe von EUR 258,09 erfolgt. Ratenzahlungsvereinbarungen seien nicht getroffen worden. Da die Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen sowie Umsatzsteuervoranmeldungen nicht abgegeben worden seien, habe das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen müssen. Das Vollstreckungsportal enthalte zum 24. März 2014 den Eintrag „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger auch künftig seinen Verpflichtungen als Gewerbetreibender nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung sei gerechtfertigt, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich anderweitig gewerblich betätige und dort mit einem ähnlichen Verhalten gerechnet werden müsse. Diese sei insbesondere im Hinblick auf seine Tätigkeit als Vertretungsberechtigter der ... ... ... ... UG zu befürchten.

Am 17. Juli 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Die Klage wurde nicht begründet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ... Juni 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, die Steuerrückstände hätten sich weiter erhöht. Der Kläger habe zu keiner Zeit Kontakt zum Finanzamt aufgenommen. Am ... August 2014 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden. Im Hinblick darauf werde die Vollstreckung des angefochtenen Bescheides zunächst ausgesetzt.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. August 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2014 entschieden werden, obwohl der Kläger hierzu nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß geladen. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheide der Beklagten vom ... Juni 2014 ist rechtmäßig. Rechte des Klägers werden deshalb nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides, der das Gericht folgt, wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Lediglich ergänzend bleibt auszuführen, dass die Beklagte zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris; BVerwG, B. v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris; BVerwG, B. v. 11.11.1996 - 1 B 226/96 - juris; BVerwG, B. v. 5.3.1997 - 1 B 56/97 - juris; BVerwG, B. v. 16.2.1998 - 1 B 26/98 - juris).

Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - juris; BVerwG, B. v. 16.6.1995 - 1 B 83/95 - juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BayVGH, B. v. 23.10.2012 - 22 ZB 12. 888 - juris).

Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen. Die negative Prognose der Beklagten rechtfertigt sich bereits im Hinblick auf die im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Steuerrückstände des Klägers beim Finanzamt. Unerheblich ist dabei, dass die Steuerrückstände auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen (vgl. BVerwG, B. v. 25.10.1996 - 1 B 214/96 - juris).

Auch die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf weiteres gewerbliches Tätigwerden des Klägers ist nicht zu beanstanden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung setzt der Erlass einer solchen erweiterten Gewerbeuntersagung das Vorliegen einer „gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit“ des Betroffenen voraus. Darüber hinaus muss die Erstreckung der Untersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende Tätigkeiten ausweicht. Ausreichend für diese Annahme ist es, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende ein anderes Gewerbe oder eine der genannten leitenden Tätigkeiten in Zukunft ausübt (BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - juris; BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 CB 2/81 - juris; BVerwG, B. v. 11.9.1992 - 1 B 131/92 - juris; BVerwG, B. v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris; BayVGH, U. v. 1.6.2011 - 22 B 09.2785 - juris).

Diese Voraussetzungen sind hier ebenfalls gegeben. Der Kläger ist gewerbeübergreifend unzuverlässig, da er mit der Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten Pflichten verletzt hat, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies rechtfertigt wiederum die Annahme, dass der Kläger ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen wird. Es ist auch zu erwarten, dass er auf solche Tätigkeiten ausweichen wird.

Auch die Ermessensausübung (§ 114 Satz 1 VwGO) der Beklagten ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere steht der Ausschluss eines Gewerbetreibenden, der gewerbeübergreifend unzuverlässig ist, aus dem Wirtschaftsverkehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 GG in Einklang (BVerwG, B. v. 12.1.1993 - 1 B 1/93 - juris).

Das am ... August 2014 über das Vermögen des Klägers eröffnete Insolvenzverfahren wird von der Beklagten im Rahmen der Vollstreckung des Bescheides berücksichtigt und ist für die Rechtmäßigkeit der bereits am ... Juni 2014 verfügten Gewerbeuntersagung ohne Belang (vgl. BayVGH, U. v. 27.1.2014 - 22 BV 13.260 - juris).

Die Klage waren daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Sept. 2014 - 16 K 14.3124

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Gewerbeordnung - GewO | § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit


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Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Sept. 2014 - 16 K 14.3124 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2014 - 22 BV 13.260

bei uns veröffentlicht am 27.01.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleis

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Das Untersagungsverfahren kann fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird.

(2) Dem Gewerbetreibenden kann auf seinen Antrag von der zuständigen Behörde gestattet werden, den Gewerbebetrieb durch einen Stellvertreter (§ 45) fortzuführen, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Führung des Gewerbebetriebes bietet.

(3) Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf

1.
die Feststellung des Sachverhalts,
2.
die Beurteilung der Schuldfrage oder
3.
die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.

(3a) (weggefallen)

(4) Vor der Untersagung sollen, soweit besondere staatliche Aufsichtsbehörden bestehen, die Aufsichtsbehörden, ferner die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer und, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt, auch der Prüfungsverband gehört werden, dem die Genossenschaft angehört. Ihnen sind die gegen den Gewerbetreibenden erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und die zur Abgabe der Stellungnahme erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Die Anhörung der vorgenannten Stellen kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist; in diesem Falle sind diese Stellen zu unterrichten.

(5) (weggefallen)

(6) Dem Gewerbetreibenden ist von der zuständigen Behörde auf Grund eines an die Behörde zu richtenden schriftlichen oder elektronischen Antrages die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

(7) Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält oder in den Fällen des Absatzes 2 oder 6 unterhalten will. Bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung sind die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Für die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung sind auch die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll.

(7a) Die Untersagung kann auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 sind entsprechend anzuwenden.

(8) Soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sind die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für die Tätigkeit als vertretungsberechtigte Person eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person sowie für Vorschriften, die Gewerbeuntersagungen oder Betriebsschließungen durch strafgerichtliches Urteil vorsehen.

(9) Die Absätze 1 bis 8 sind auf Genossenschaften entsprechend anzuwenden, auch wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt; sie finden ferner Anwendung auf den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und auf den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1. Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung. Am 13. Februar 2003 meldete er in der Gemeinde M. das Gewerbe „Handelsvertreter für Bauelemente“ und am 14. September 2009 in der Gemeinde T. rückwirkend zum 1. Juli 2009 die selbstständige Tätigkeit „Handel und Montage von Bauelementen“ an. Weil der Kläger seine Betriebsverlegung pflichtwidrig nicht gemäß § 14 GewO angezeigt habe, meldete die Gemeinde M. zum 2. Februar 2010 das bei ihr gemeldete Gewerbe des Klägers von Amts wegen ab. Am 1. Juli 2010 wurde der Kläger von der Gemeinde T. von Amts wegen als Einwohner abgemeldet, weil er sich - wie man festgestellt habe - nicht in seiner Wohnung aufhalte; auch sein in T. angemeldetes Gewerbe wurde Anfang September 2010 rückwirkend zum 1. Juli 2010 von Amts wegen abgemeldet.

Einer Mitteilung der AOK vom 23. März 2010 an das Landratsamt Rottal-Inn zufolge schuldete der Kläger noch Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) für die Monate Mai und Juni 2009 und hatte im Dezember 2009 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO a. F. abgegeben. Am 28. Juni 2010 unterrichtete das Finanzamt E. das Landratsamt von Steuerrückständen des Klägers in Höhe von ca. 5.000 €. Auf Anhörung zur beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung äußerte sich der Kläger am 13. Juli 2010 gegenüber dem Landratsamt und schilderte seine schwierige finanzielle Lage, worauf man ihm riet, zur Vermeidung eines Bescheids bis zum 30. Juli 2010 seinen Gewerbebetrieb wegen Unrentabilität aufzugeben oder eine Insolvenz anzustreben; die Frist wurde mit einer weiteren Anhörung verlängert bis zum 30. August 2010. Am 13. August 2010 hatte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See bereits die Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Unternehmen des Klägers beantragt.

Mit Bescheid vom 17. September 2010 untersagte das Landratsamt - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 2 des Bescheids) und Androhung eines Zwangsgelds (Nr. 3 des Bescheids) - die Ausübung des zuletzt gemeldeten Gewerbes „Handel und Montage von Bauelementen“, die Gewerbeausübung generell sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person zum 21. Oktober 2010 und ordnete an, innerhalb dieser Frist sei die gewerbliche Tätigkeit einzustellen (Nr. 1 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei unzuverlässig im Sinn des § 35 Abs. 1 GewO, weil er wegen seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Betriebsführung biete. Der Bescheid wurde dem Kläger am 21. September 2010 zugestellt.

Mit Beschluss vom 23. September 2010 ordnete das Amtsgericht Landshut - Insolvenzgericht - zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen die vorläufige Insolvenzverwaltung an, bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zudem an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 InsO). Am 11. Oktober 2010 beantragte der Kläger auch selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nachdem im Auftrag des Insolvenzgerichts am 26. Oktober 2010 ein Sachverständigengutachten zur Vermögenslage des Klägers erstellt worden war, beschloss das Insolvenzgericht am 11. November 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Am 18. Oktober 2010 erhob der Kläger gegen den Gewerbeuntersagungsbescheid des Landratsamts vom 17. September 2010 Anfechtungsklage und beantragte, deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 10. Dezember 2010 ab. Die Beschwerde des Klägers führte zur Aufhebung des Beschlusses vom 10. Dezember 2010 und zur Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Februar 2011 - 22 CS 11.34.

Mit Urteil vom 22. November 2012 - RN 5 K 12.26 - wies das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Bescheid vom 17. September 2010 ab.

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. November 2012 und den Bescheid des Landratsamts Rottal-Inn vom 17. September 2010 aufzuheben.

Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu einem Zeitpunkt, in dem eine Gewerbeuntersagung verfügt, aber noch nicht bestandskräftig geworden sei, erfordere nach dem Sinn und Zweck von § 12 GewO eine neue, das Insolvenzverfahren berücksichtigende Rechtmäßigkeitsbeurteilung der Gewerbeuntersagung. Die Untersagungsvorschriften der Gewerbeordnung bezweckten u. a. den Schutz der Allgemeinheit vor überschuldeten und infolgedessen als unzuverlässig geltenden Gewerbetreibenden. Das streng formell geregelte Insolvenzverfahren führe jedoch dazu, dass die finanziellen Verhältnisse eines Schuldners geordnet, ihm selbst mit der Restschuldbefreiung und dem Wegfall finanzieller Altlasten ein Neuanfang ermöglicht und zugleich die finanziellen Risiken für Vertragspartner beseitigt würden. Wenn also aus den erheblichen finanziellen Verbindlichkeiten eines Gewerbetreibenden dessen Unzuverlässigkeit abgeleitet werde, so müsse das Entfallen der Verbindlichkeiten zum Wegfall der Unzuverlässigkeit führen. Die Möglichkeit eines „Neuanfangs“ müsse einem Gewerbetreibenden vor allem deshalb zugestanden werden, weil die aus der Vermögenslage folgende gewerberechtliche Unzuverlässigkeit auch dann angenommen werde, wenn - wie vorliegend - der Gewerbetreibenden unverschuldet in die Notlage geraten sei. Ebenso wie der Schuldner während des Insolvenzverfahrens vor dem Zugriff der Gläubiger bis zur Entscheidung über eine Restschuldbefreiung vorläufig geschützt sei, müsse er auch vor staatlichen Eingriffen wie der Gewerbeuntersagung geschützt sein. Hinzu komme vorliegend, dass dem Kläger mit dem angegriffenen Bescheid die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit nicht sofort verboten, sondern ihm eine Auslauffrist gewährt worden sei. Insofern unterscheide sich der Fall entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erheblich von der Konstellation, dass die Behörde dem Gewerbetreibenden nur noch die Abwicklung seines - aufgrund der Gewerbeuntersagung an sich schon illegalen - Gewerbes ermöglichen wolle und deshalb von einer Vollstreckung absehe. Vorliegend habe der Kläger aufgrund der ihm gewährten Auslauffrist noch bis zum 21. Oktober 2010 seinen Geschäftsbetrieb ohne Einschränkung weiterführen und sogar neue Verträge abschließen dürfen; die Behörde habe - anders als in der zuvor beschriebenen Konstellation - eine sofortige Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit nicht für notwendig befunden. Der Kläger habe daher im Zeitpunkt der ersten insolvenzrechtlichen Sicherungsanordnung ein von der Rechtsordnung weiterhin anerkanntes Gewerbe ausgeübt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die Anwendung von § 12 GewO auch auf solche Gewerbe geboten, die der Insolvenzverwalter wieder freigegeben habe. Der sich aufgrund des Insolvenzverfahrens ergebende völlig neue Lebenssachverhalt gebiete es somit, den Zeitpunkt für die Beurteilung der Sperrwirkung des § 12 GewO zu verschieben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei der Zeitpunkt des Bescheidserlasses (17.9.2010); in diesem Zeitpunkt sei der Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen gewesen, die erweiterte Gewerbeuntersagung sei nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung, über die nach entsprechendem Verzicht der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Die erweiterte Gewerbeuntersagung im angefochtenen Bescheid des Landratsamts Rottal-Inn vom 17. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.

1. Dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hindert eine gerichtliche Entscheidung nicht. Der Prozess ist dadurch nicht nach § 240 Satz 1 ZPO i. V. m. § 173 VwGO unterbrochen worden, weil vorliegend der Streitgegenstand nicht - wie dies § 240 ZPO voraussetzt - „die Insolvenzmasse betrifft“. Die (erweiterte) Gewerbeuntersagung ist keine Regelung, die sich auf Vermögenswerte des Gewerbetreibenden bezieht. Sie knüpft vielmehr an in seiner Person liegende Unzuverlässigkeitstatbestände an und entzieht ihm die Befugnis, bestimmten beruflichen Tätigkeiten nachzugehen. Dieses personenbezogene Recht fällt nicht in die Insolvenzmasse (BayVGH, B. v. 16.8.2012 - 22 ZB 12.949 - juris, m. w. N.).

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Gewerbeuntersagung sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung waren vorliegend im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids mit seinem Zugang (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG), der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist (dazu unter 3), erfüllt.

2.1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (vgl. BVerwG, U. v. 5.8.1965 - I C 69.62 - BVerwGE 22, 16). Grundsätzlich unerheblich ist, ob den Gewerbetreibenden ein Verschulden an seiner Situation trifft und welche Ursachen zu einer Überschuldung oder wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1/4 m. w. N.; BayVGH, B. v. 8.7.2013 - 22 C 13.1163 - und vom 27.6.2012 - 22 ZB 12.605 - NVwZ-RR 2012, 803 jeweils m. w. N.). Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1/4 m. w. N.).

Vorliegend hatte der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids am 17. September 2010 Steuerrückstände von 5.013 €, er schuldete zudem seit über einem Jahr der AOK Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 845 €. Diese Beträge sind - absolut betrachtet - zwar niedrig. Hinzu kommt aber, dass der Kläger am 21. Dezember 2009 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO a. F. abgegeben hat, wobei sich dem Protokoll hierzu (Bl. 23 der Verwaltungsverfahrensakte) Schulden des Klägers von mehr als 12.000 € entnehmen lassen, und der Kläger selbst gegenüber dem Beklagten vorgetragen hat, mittellos zu sein. Insgesamt liegen damit Tatsachen vor, die auf - relativ zu Einkommen und Vermögen - erhebliche Schulden, eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und eine ausweglose wirtschaftliche Krise des Klägers schließen lassen. Bestätigt wird diese Einschätzung im Nachhinein durch das am 26. Oktober 2010 im Auftrag des Insolvenzgerichts erstattete Sachverständigengutachten, wonach der Kläger zahlungsunfähig sei. Dass der Kläger irgendein Konzept zum Abbau seiner Schulden entwickelt hätte, ist nicht erkennbar. Der Kläger hat im Berufungsverfahren gegen diese vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung nichts vorgetragen.

2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist (sog. „erweiterte Gewerbeuntersagung“). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs (BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9/11; BayVGH, B. v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - und B. v. 1.6.2012 - 22 B 09.2785) müssen zum Erlass einer erweiterten Gewerbeuntersagung zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es müssen erstens Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Eine solche ist bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen gegeben. Zweitens muss die erweiterte Gewerbeuntersagung erforderlich sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegt. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Einer besonderen Rechtfertigung im Verhältnis zur Untersagung des ausgeübten Gewerbes bedarf eine erweiterte Gewerbeuntersagung auch dann nicht, wenn - wie vorliegend - die Steuerschulden vergleichsweise niedrig sind (vgl. BayVGH, B. v. 30.4.2013 - 22 B 13.448 - juris); es bleibt auch in einem solchen Fall dabei, dass die erweiterte Gewerbeuntersagung unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig ist, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9/11; BVerwG, B. v. 11.9.1992 - 1 B 131.92 - GewArch 1995, 116; BayVGH, B. v. 17.4.2012 - 22 ZB 11.2845 - juris Rn. 33; BayVGH, U. v. 1.6.2011 - 22 B 09.2785 - juris Rn. 14). Für solche besonderen Umstände gab es vorliegend im Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine Anhaltspunkte. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird im Nachhinein bestätigt durch den Vortrag des Klägers im Klageverfahren, wonach er - sinngemäß - aufgrund seines Alters und des zeitlichen Abstands zur letztmaligen Arbeit in seinem erlernten Beruf auf ein selbstständig ausgeübtes Gewerbe angewiesen sei.

Die Ermessenserwägungen des Landratsamts im angefochtenen Bescheid, die bei einer erweiterten Gewerbeuntersagung - im Gegensatz zur „gebundenen“ Gewerbeuntersagung - erforderlich sind, halten vorliegend der gerichtlichen Prüfung stand.

3. An der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Bescheidserlasses für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers und der Rechtmäßigkeit der (erweiterten) Gewerbeuntersagung ändert sich vorliegend nichts dadurch, dass über das Vermögen des Klägers die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet wurde (Beschluss vom 23.9.2010), nachdem der Bescheid (am 21.9.2010) bereits wirksam, aber noch nicht bestandskräftig geworden und auch die im Bescheid gewährte Frist noch nicht abgelaufen war, bis zu der die gewerbliche Betätigung eingestellt werden musste, und dass das Insolvenzgericht am 11. November 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hat. Die von § 12 GewO grundsätzlich ausgelöste Sperrwirkung ist vorliegend auf diesen Beurteilungszeitpunkt ohne Einfluss.

3.1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 GewO waren vorliegend gegeben. § 12 GewO bestimmt: „Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, finden während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (§ 260 InsO) keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde“. Die Sperrwirkung des § 12 GewO erfordert, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem den vorliegenden Kläger betreffenden Beschluss vom 14. Februar 2011 - 22 CS 11.34 - ZInsO 2011, 1846 ausgeführt hat, zunächst, dass die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nicht (auch) auf anderen Gründen als auf „ungeordneten Vermögensverhältnissen“ im Sinn des § 12 GewO beruht. Diese Voraussetzung ist beim Kläger erfüllt. Seine beträchtlichen Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 60.000 EUR (vgl. die Vermögensübersicht als Anlage zum Insolvenzgutachten vom 26.10.2010) sprechen dafür, dass die Pflichtverletzungen und Zahlungsrückstände ganz überwiegend mit seiner sich auch aus anderen Umständen ergebenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit zusammenhängen. Jedenfalls sind keine gegenteiligen Anhaltspunkte bekannt geworden. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Klageverfahren - denen keiner der Beteiligten entgegen getreten ist - ist weiterhin mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch davon auszugehen, dass der Kläger sowohl im Zeitpunkt des Fremdinsolvenzantrags vom 13. August 2010 als auch im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung gemäß § 21 InsO (23.9.2010) das untersagte Gewerbe tatsächlich ausgeübt hat.

3.2. Die vorliegend entscheidungserhebliche Frage, ob sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Bescheidserlass (wobei unter „Erlass“ der Zugang des Bescheids zu verstehen ist, vgl. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) verschiebt, ist - mit der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung - zu verneinen.

3.2.1. Gegen eine Verschiebung des Beurteilungszeitpunkts lässt sich der Wortlaut des § 12 Satz 1 GewO anführen, wonach eine „Anwendung“ solcher Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse ermöglichen, während der in § 12 GewO genannten Zeiträume untersagt ist. Insoweit hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (U. v. 21.11.2002 - 8 UE 3195/01 - GewArch 2004, 162 Rn. 27 f.) ausgeführt, aus der Formulierung, wonach Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes ermöglichen, während eines Insolvenzverfahrens „keine Anwendung ... finden“, ergebe sich, dass während eines schon laufenden Insolvenzverfahrens insbesondere keine Gewerbeuntersagung verfügt werden dürfe. Das Anwendungsverbot nach § 12 GewO greife daher nicht ein, wenn die die Untersagung des Gewerbes betreffende Vorschrift bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. vor der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO „angewendet“ worden sei. Weiter folge hieraus, dass § 12 GewO den nach ständiger Rechtsprechung maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht verschiebe, so dass eine in diesem Zeitpunkt rechtmäßige Gewerbeuntersagung nicht durch die spätere Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO oder die spätere Einleitung eines Insolvenzverfahrens rechtswidrig werde. Vielmehr bleibe es auch in einem solchen Fall dabei, dass es für die materielle Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Betroffenen und für die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme. Dieser Argumentation ist grundsätzlich zuzustimmen.

3.2.2. Für diese Ansicht spricht ferner die im materiellen Recht angelegte systematische Trennung zwischen Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren, wonach gemäß dem Regelungszusammenhang von § 35 Abs. 1 und 6 GewO spätere Änderungen der Verhältnisse im Rahmen des Antrags auf Wiedergestattung geltend zu machen sind (OVG NRW, U. v. 12.4.2011 - 4 A 1449/08 - NVwZ-RR 2011, 553 Rn. 44 ff. m. w. N.; Fortführung mit B. v. 19.5.2011 - 4 B 1707/10 - GewArch 2011, 314). § 12 GewO ändert an dieser grundsätzlichen systematischen Trennung nichts.

3.2.3. Auch die teleologische Auslegung der einschlägigen Vorschriften gebietet es nicht, dass sich an der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Bescheidserlasses dadurch etwas ändert, dass nach Erlass der Gewerbeuntersagung insolvenzrechtliche Maßnahmen im Sinn des § 12 GewO ergriffen werden; der Zweck des § 12 GewO erfordert nicht, vom Zeitpunkt des Bescheidserlasses als maßgeblichem Beurteilungszeitpunkt abzuweichen.

3.2.3.1. Der Gesetzgeber verfolgt mit § 12 GewO das Ziel, die Sanierungschancen des insolventen Unternehmens zu erhalten, dem Insolvenzverfahren im Verhältnis zum gewerberechtlichen Untersagungsverfahren die absolute Priorität zuzuweisen und damit sicherzustellen, dass keine dem Insolvenzverfahren zuwiderlaufenden Entscheidungen getroffen werden.

Nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts genügt dafür eine Ausdehnung der Sperrwirkung auf das Verwaltungsvollstreckungsverfahren; während der in § 12 GewO genannten Zeitabschnitte dürften daher nach seiner Ansicht keine Maßnahmen zur Vollziehung einer solchen Gewerbeuntersagung getroffen werden, die schon vor den insolvenzrechtlichen Verfügungen im Sinn des § 12 GewO ergangen sei (OVG NRW, U. v. 12.4.2011, a. a. O., Rn. 44 ff., insb. Rn. 50 bis 53, m. w. N.; Fortführung mit B. v. 19.5.2011 - 4 B 1707/10 - GewArch 2011, 314).

Allerdings könnte - worauf Vertreter der Gegenansicht hinweisen - eine Ausdehnung der Sperrwirkung auf die Phase der Verwaltungsvollstreckung dazu führen, dass gegen einen nicht rechtstreuen Gewerbetreibenden, der eine vor dem Ergehen insolvenzrechtlicher Maßnahmen im Sinn des § 12 GewO sofort vollziehbar oder bestandskräftig gewordene Gewerbeuntersagung beharrlich missachtet, keine Zwangsmaßnahmen (z. B. in dem vom NdsOVG mit Beschluss vom 8.12.2008 - 7 ME 144/08 - GewArch 2009, 162 entschiedenen Fall: Festsetzung eines Zwangsgelds) ergriffen werden könnten. Ein solches Ergebnis sei zu vermeiden, so dass Maßnahmen zur Vollstreckung einer Gewerbeuntersagung nicht als „Anwendung von Untersagungsvorschriften“ angesehen werden dürften und somit eine sofort vollziehbare oder bestandskräftige Gewerbeuntersagung ungeachtet eines inzwischen eingeleiteten Insolvenzverfahrens zwangsweise durchgesetzt werden könnte, weil die „Anwendung“ der Untersagungsvorschriften bereits abgeschlossen sei (NdsOVG, B. v. 8.12.2008, a. a. O., Rn. 4 unter Hinweis auf Hahn, GewArch 2000, 361 und Landmann/Rohmer, GewO, § 12 Rn. 14; Krumm, GewArch 2010, 465).

3.2.3.2. Die Bedenken gegen eine Ausdehnung der gesetzlichen Sperrwirkung gemäß § 12 GewO auf jegliche Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen sind nicht von der Hand zu weisen. Die Ablehnung einer solchen auch das Verwaltungsvollstreckungsverfahren erfassenden Sperrwirkung bedeutet aber nicht, dass als einzige Möglichkeit zur angemessenen Berücksichtigung der mit einem Insolvenzverfahren verfolgten Ziele die Verlegung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts auf einen Zeitpunkt nach Erlass der Gewerbeuntersagung bliebe. Vielmehr kann der vom Gesetzgeber verfolgte Schutzzweck auch auf andere Weise während des Stadiums der Vollstreckung einer sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Gewerbeuntersagung erreicht werden. Denn nach den einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen muss die zuständige Behörde vor der Anwendung eines jeden Zwangsmittels eine gesonderte Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ der Vollstreckung treffen. Dies ergibt sich aus dem bundesrechtlich wie landesrechtlich für Zwangsmittel zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen geltenden Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVG bzw. die der bundesrechtlichen Regelung nachgebildeten landesrechtlichen Vorschriften, z. B. Art. 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayVwZVG). Ausdruck dieses Verhältnismäßigkeitsgebots sind auch Art. 37 Abs. 4 Satz 1 BayVwZVG bzw. § 15 Abs. 3 VwVG (Einstellung der Vollstreckung, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt bzw. der Vollstreckungszweck erreicht ist). Dabei könnte auch eine möglicherweise erforderliche Differenzierung erfolgen zwischen einerseits demjenigen Gewerbetreibenden, der eine für sofort vollziehbar erklärte Gewerbeuntersagung einfach missachtet hat und nur aus diesem Grund im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (in das er sich möglicherweise sogar durch eigenen Insolvenzantrag „geflüchtet“ hat) ein Gewerbe zwar tatsächlich, aber rechtswidrig ausübt, und andererseits demjenigen, der während einer ihm eingeräumten Abwicklungsfrist oder deswegen, weil der Sofortvollzug nicht angeordnet wurde, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Gewerbe rechtmäßig betreibt. Hierbei könnte z. B. berücksichtigt werden, ob ein verwirktes Zwangsgeld von einem nicht „rechtstreuen“ Gewerbetreibenden beigetrieben werden oder ob von einer solchen Maßnahme im Interesse eines erfolgreichen Insolvenzverfahrens Abstand genommen werden soll.

Die Vollstreckungsvorschriften ermöglichen also eine Handhabung, die dem mit § 12 GewO bezweckten Schutz sowohl des zu sanierenden insolventen Gewerbebetriebs als auch der Gläubiger und des Geschäftsverkehrs angemessen Rechnung trägt.

3.2.4. Auch das Anliegen, dem Gewerbetreibenden mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens die Chance zu einem „Neuanfang“ zu geben, rechtfertigt nicht, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung seiner gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und der Rechtmäßigkeit der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. vor vorläufigen Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO ergangenen Gewerbeuntersagung zu verschieben. Vielmehr ist insofern ein Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung das richtige Instrument. Insoweit ist zu bedenken, dass das „Wartejahr“ gemäß § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO nicht zwingend ist, sondern dass das Gesetz die Wiederaufnahme des Gewerbes vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagung dann ermöglicht, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

4. Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung im angefochtenen Bescheid bestehen keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.