Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Apr. 2014 - 21 K 11.30680

bei uns veröffentlicht am28.04.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Juli 2011 wird in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt. Er wird zudem in Nr. 4 aufgehoben, als die Abschiebung nach N. angedroht wurde.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich N. vorliegen.

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1. ist die Mutter des am ... 2008 geborenen Klägers zu 2. Die Kläger, die sich nicht mit Personaldokumenten ausweisen können, stellten am ... März 2011 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in ... einen gemeinsamen Asylantrag.

Am ... März 2011 gab die Klägerin zu 1. im Rahmen einer Vorsprache bei der Regierung ... - Sachgebiet .../Flüchtlingsbetreuung und Integration (Bl. 16 ff. des Asylverfahrensakten) an, dass sie im 7. Monat schwanger sei. Sie könne weder lesen noch schreiben. Sie habe sich in den vergangenen fünf Jahren in N./I. aufgehalten, wo sie als Reinigungskraft gearbeitet habe. Sie sei 2004 illegal nach I. gereist. Eine schwarze Frau, die sie begleitet habe, habe ihr in I. aufgetragen, als Prostituierte zu arbeiten. Am ... März 2011 sei sie mit ihrem Sohn in .../... angekommen, wo sie von der deutschen Polizei festgenommen worden sei.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am ... Mai 2011 (Bl. 19 ff. der Asylverfahrensakte) erklärte die Klägerin zu 1., dass sie im 8. Monat schwanger sei. Ihre Personalpapiere habe sie in N. zurück gelassen. Sie habe keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Ihre Mutter sei gestorben, als sie zwei Jahre alt gewesen sei. Ihr erblindeter Vater habe eine andere Frau geheiratet; ihr älterer Bruder sei später verstorben. Ihre Stiefmutter habe sie zu einem anderen - bereits sehr alten - Mann geschickt, den sie habe heiraten sollen. Dieser habe sie bedroht. In einem Restaurant, in dem sie sich etwas Geld verdient habe, habe sie eine Frau namens „...“ getroffen, die sie zu einer Reise überredet habe. „...“ habe ihr versprochen, dass sie nach ihrer Rückkehr in die Schule gehen könne. Sie sei dann im Jahr 2002 von ... nach I. - wahrscheinlich M. - geflogen. In I. habe sie dann als Prostituierte arbeiten sollen, das habe sie aber abgelehnt. Sie habe die ganze Zeit bis zu Ihrer Ausreise nach Deutschland in I. und dort zuletzt in N. gelebt. In I. habe sie in einem afrikanischen Restaurant gearbeitet. Nach dessen Schließung habe sie Essen auf der Straße verkauft. Wegen ihres Kindes (des in I. geborenen Klägers zu 2.) und der Schwangerschaft habe sie nicht mehr arbeiten können und sich dann entschlossen, den Vater des ungeborenen Kindes („...“) in ... zu suchen. Am ... März 2011 sei sie mit dem Zug von Neapel kommend nach Deutschland eingereist. Sie wolle nicht zurück nach N. Der alte Mann wisse, dass sie eine Schwangerschaft von ihm in I. abgebrochen habe.

Am ... 2011 wurde das zweite Kind der Klägerin der Klägerin zu 1. geboren, für das sie sorgeberechtigt ist.

Auf ein Aufnahmeersuchen im Dublin-Verfahren erhielt die Beklagte von den italienischen Behörden mit Schreiben vom ... Juli 2011 eine abschlägige Antwort. Zuletzt sei die Anwesenheit der Klägerin in I. am ... September 2008 festgestellt worden. Es gebe keine hinreichenden Informationen über die Länge des Aufenthalts der Klägerin zu 1. in I.. Sie habe in I. niemals Asyl beantragt. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit I.’s nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO) stünde nicht fest.

Mit Bescheid vom ... Juli 2011, der der Klägerin zu 1. am ... Juli 2011 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2), und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (Ziffer 3). Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach N. oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 4).

Die Kläger haben am 11. August 2011 mit Telefax ihrer Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben.

Sie beantragten zunächst,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Juli 2011 in den Ziffern 2, 3 und 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) für die Kläger vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG (a. F.) vorliegen, sowie höchsthilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a. F.) vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014 wird zur Klagebegründung vorgetragen, dass die Klägerin zu 1. im Falle einer Rückkehr nach N. als alleinerziehende Mutter von zwei Kleinkindern keine Überlebenschance für sich und ihre Kinder hätte. Die Klägerin zu 1. könne auch nicht vorübergehend auf die Angehörigen einer Großfamilie zurückgreifen, weil eine solche für die Klägerin zu 1. nicht existiere. Der Klägerin zu 1. drohe in N. das Schicksal einer Prostituierten und ihren Kindern das Schicksal von Straßenkindern. Insofern liege in Bezug auf N. ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. August 2011 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es werde auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12. März 2014 ist der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG auf den Einzelrichter übertragen worden.

In der mündlichen Verhandlung am 28. April 2014 hat die Klägerin zu 1. Ihre Angaben im Verwaltungsverfahren bestätigt und weitere Ausführungen gemacht. U. a. hat sie klargestellt, dass auch ihr Vater verstorben sei. Auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vor dem Einzelrichter der 21. Kammer des Bayer. Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2014 wird Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung beantragte die Bevollmächtigte der Kläger für diese,

unter Aufhebung der Ziffer 4 des Bescheids der Beklagten vom ... Juli 2011 sowie unter teilweiser Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheids der Beklagten vom ... Juli 2011 (soweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt wurde) die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass zugunsten der Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich N. vorliegt.

Im Übrigen werde die Klage zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Streitgegenstand des Verfahrens ist nach der Klagerücknahme damit lediglich die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sowie die Aufhebung der dem entgegenstehenden Nr. 3 und Nr. 4 des Bescheids des Bundesamts vom... Juli 2011.

Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist sie zulässig und hat in der Sache Erfolg (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtswidrig, soweit darin in Nr. 3 festgestellt wird, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt, und soweit in Nr. 4 die Abschiebung nach N. angedroht wird. Er verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten. Die Kläger haben einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Gem. § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht.

Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in N. allgemein hart sind, stellt für sich gesehen grundsätzlich keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar: Soweit die oberste Landesbehörde davon abgesehen hat, gem. § 60a Abs. 1 i. V. mit § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG einen generellen Abschiebestopp-Erlass für Staatsangehörige oder Bevölkerungsgruppen bestimmter Staaten zu erlassen, ist hiermit grundsätzlich eine Sperrwirkung für die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verbunden. Mit § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG (entspricht § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG a. F.) soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere im Hinblick auf die die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, also insbesondere wenn er ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG v. 12.07.2001, Az. 1 C 5.01 = BVerwGE 115,1 ff., m. w. N.; BayVGH v. 17.02.2009, Az. 9 B 08.30225, m. w. N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Falle der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde: BVerwG v. 12.07.2001 a. a. O.; BVerwG v. 29.6.2010; Az. 10 C 10.09; BVerwG v. 08.09.2011, Az. 10 C 14.10; BVerwG v. 29.09.2011; Az. 10 C 24.10; BVerwG v. 13.06.2013, Az. 10 C 13.12; BayVGH v. 16.01.2014, Az. 13a B 13.30025; VG München v. 17.02.2014, Az. M 21 K 11.30405; VG München v. 29.02.2008, Az. M 21 K 07.50979; VG Augsburg v. 10.10.2013, Az. Au 7 K 13.30278; VG Augsburg v. 18.11.2013, Az. Au 7 K 13.30129; VG Aachen v. 22.05.2012, Az. 2 K 799/10.A; VG Aachen v. 24.05.2012, Az. 2 K 2051/10.A). In diesem Fall gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (= § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a. F.) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

Im vorliegenden Fall ist in der speziellen Situation der Kläger von einer solchen extremen Gefahrenlage auszugehen.

Die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage ist schon für die Mehrheit der Bevölkerung in N. problematisch. Diese leidet unter Verarmung. Nach Schätzungen des United Nations Developement Programme (UNDP) leben rund 65% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Der größte Teil der Bevölkerung muss sich über Handel und Landwirtschaft eine Subsistenzmöglichkeit erwirtschaften. Es herrscht im Übrigen hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. Das Pro-Kopf-Jahreseinkommen ist ungleichmäßig zugunsten einer kleinen Elite und zum Nachteil der Masse der Bevölkerung verteilt. Ein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Mittellose existiert nicht (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lageberichte zu N. vom 06.05.2012 und 28.08.2013, jeweils Ziffern IV. 1.1 und 1.2; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), N. Update vom März 2010, S. 21 f; VG München v. 29.02.2008 a. a. O.; VG Augsburg v. 10.10.2013 a. a. O.; VG Augsburg v. 18.11.2013 a. a. O.; VG Aachen v. 22.05.2012 a. a. O.; VG Aachen v. 24.05.2012 a. a. O.). Von dieser Situation sind im besonderen Maße alleinstehende Frauen betroffen, die vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt sind. Sie finden meist nur schwer eine Unterkunft und eine berufliche Tätigkeit in N., dies umso weniger, je geringer die Schul- bzw. Berufsausbildung ist. Da es in N. keinerlei staatliche finanzielle oder soziale Unterstützung gibt, sind alleinstehende Frauen meist von finanziellen Zuwendungen durch die Familien, Nachbarn oder Freunde abhängig. Zwar ist es auch für den Personenkreis der alleinstehende Frauen nicht gänzlich unmöglich bzw. ausgeschlossen, sich eine wirtschaftliche Grundexistenz zu schaffen, so etwa im Südwesten des Landes und in den Städten, in denen alleinstehende Frauen eher akzeptiert werden. Mancherorts existieren auch Hilfseinrichtungen bei verschiedenen Kirchengemeinden oder Nicht Regierungs-Organisationen, die verschiedene Hilfestellungen anbieten, deren Inanspruchnahme jedoch von dem persönlichen Wissen und Engagement der betroffenen Frau bzw. ihrer Zugehörigkeit zur dortigen Gemeinschaft abhängig ist. Ansonsten droht dieser Personengruppe nicht selten Prostitution und Menschenhandel (vgl. dazu insgesamt: Auswärtiges Amt, Lageberichte zu N. vom 06.05.2012 und 28.08 2013, jeweils Ziffer II 1.8 und 3.; SFH, N. Update vom März 2010, S. 22; ACCORD, N.: Situation alleinstehender Frauen, vom 14. Juli 2010 unter Bezugnahme auf ACCORD, Situation alleinstehender, alleinerziehender Frauen ohne familiäre Anknüpfungspunkte, vom 27. Februar 2008; ACCORD, N. - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsvorsorge, vom 21.06.2011, S. 11; VG Augsburg v. 18.11.2013 a. a. O.; VG Aachen v. 22.05.2012 a. a. O.; VG Aachen v. 24.05.2012 a. a. O.; VG München v. 29.02.2008 a. a. O.).

Solche allgemeinen Gefahren aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einem Großteil der Bevölkerung und insbesondere der Gruppe der alleinstehenden Frauen in N. drohen, genügen allerdings für sich noch nicht zur Begründung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Denn diese Gefahren treffen auf eine Vielzahl von Personen mit gleichem Merkmal zu, mit der Folge, dass insofern grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG (s. o.) eingreift. Das Gericht geht daher nicht generell davon aus, das bei alleinstehenden jungen Müttern und ihren Kindern eine Extremgefahr zu prognostizieren ist. Es gibt zwar gerade für alleinstehende Mütter soziale Schwierigkeiten in N., insbesondere in traditionell geprägten Landesteilen. Jedoch ist in größeren Städten und im Süden des Landes die Akzeptanz vorhanden und steigend (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu N. vom 28.08.2013, II.1.8.). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch in N. die Möglichkeit, ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben, gegeben ist. Allein in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen kommt deshalb ein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Betracht (VG Augsburg v. 10.10.2013 a. a. O.; VG Augsburg v. 18.11.2013 a. a. O.).

Das Gericht hat jedoch gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Überzeugung gewonnen, dass konkret für die Klägerin zu 1. als alleinstehende junge Mutter zweier Kleinkinder und mithin auch für den Kläger zu 2. als deren fünfjährigem Sohn aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach N. mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage besteht. Die oben aufgeführten allgemeinen Risikofaktoren führen speziell bei den Klägern dazu, dass sich ihre Situation hinsichtlich ihrer Existenzbedingungen in N. lebensbedrohlich zuspitzen würde. Die Klägerin zu 1. wäre im Falle einer Rückkehr als alleinstehende Frau und Mutter zweier Kleinkinder gezwungen, für sich und ihre Kinder ohne jede familiäre Unterstützung eigenständig eine wirtschaftliche Existenz in N. aufzubauen. Nach ihren glaubhaften Angaben hat die Klägerin in N. keine Schule besucht und keine Ausbildung absolviert. Im Moment lernt sie nach ihren ebenfalls glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung im Rahmen eines Deutschkurses, den sie sein fünf Monaten besucht, erstmals Lesen und Schreiben. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung von dem niedrigen Bildungsstand der Klägerin, die z. B. nicht imstande war, den Namen einer Freundin aus N. zu buchstabieren, einen eigenen Eindruck gewonnen. In dieses Bild passt auch, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die Ausreise von N. nach I. näher zeitlich einzuordnen, und ausschließlich anzugeben vermochte, dass dies vor sehr vielen Jahren gewesen sei. Das Gericht wertet dies sowie die widersprüchlichen zeitlichen Angaben zur Ausreise aus N. gegenüber der Regierung ... (dort: 2004) und dem Bundesamt (dort: 2002) nicht als Indiz für die Unwahrheit des Vortrags der Klägerin schlechthin, sondern in der Gesamtschau unter Berücksichtigung ihres Auftretens in der mündlichen Verhandlung als Bestätigung eines insgesamt niedrigen Bildungsniveaus, das sich auch in einem mangelnden zeitlichen Orientierungsvermögen äußert. Auch ihre sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten in der mündlichen Verhandlung vermittelten den Eindruck, dass die Klägerin zu 1. über keine bzw. jedenfalls keine längere Schulbildung verfügt. Ihr Vortrag, in N. nach dem Tod beider Eltern und des Bruders auch keine sonstigen Verwandten mehr zu haben, von denen sie Hilfe erwarten könnte, ist für das Gericht mit Blick auf die langjährige Abwesenheit von Zuhause glaubhaft und nachvollziehbar. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Klägerin zu 1. zum Aufbau einer Existenz nicht auf eine vorhandene - sie und die zwei nichtehelichen Kinder unterstützende - Familienstruktur zurückgreifen kann. Ein Anknüpfen an eine eigenständige berufliche existenzsichernde Tätigkeit im Falle einer Rückkehr erscheint in der Gesamtbetrachtung vor den genannten Hintergründen praktisch nicht möglich.

Bei dieser Sachlage und den persönlichen Voraussetzungen der Klägerin zu 1. ist bei einer Rückkehr nach N. mit einer existenziellen lebensbedrohenden Notlage der Kläger in absehbarer Zeit zu rechnen (vgl. zu ganz ähnlichen Fallgestaltungen: VG Aachen v. 24.05.2012, Az. 2 K 2051/10.A; VG München v. 17.02.2014, Az. M 21 K 11.30405). Den Klägern ist daher Abschiebungsschutz durch Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren.

Aufgrund des Abschiebungsverbots war auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 4 des Bescheids in Bezug auf N. aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Umkehrschluss zu § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG ist eine Abschiebungsandrohung unzulässig, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und kein atypischer Fall gegeben ist (BayVGH v. 23.11.2012, Az. 13a B 12.30061). Die in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts zugleich verfügte Abschiebungsandrohung nach N. und die diesbezüglich festgesetzte Ausreisefrist können sich aufgrund des Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht auf § 34 Abs. 1 AsylVfG und § 59 AufenthG stützen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO (BVerwG v. 29.06.2009, Az.: 10 B 60/08). Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. März 2012 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2011 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Gemäß den Eintragungen im Reisepass wurde er am … 1990 Neu-Delhi (Indien) geboren. Er reiste im Januar 1991 zusammen mit seiner Familie ins Bundesgebiet ein. Im Jahr 1992 trennten sich die Eltern. Am 2. Juni 1993 stellte die Mutter des Klägers für sich und ihn Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte. Mit Bescheid vom 6. Oktober 1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (1.) die Asylanträge ab und stellte fest, dass (2.) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und (3.) Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte (4.) die Abschiebung nach Afghanistan an. Aufgrund der hiergegen erhobenen Klage erließ das Verwaltungsgericht Ansbach am 29. November 1994 (Az. AN 22 K 93.56190) folgendes Urteil:

„1. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wird unter Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheides vom 6.10.1993 verpflichtet, zugunsten der Kläger festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung gemäß §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gegeben sind; im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

[2. Kosten].“

In den Entscheidungsgründen ist u.a. ausgeführt, „dass die Leibes- und Lebensgefahren in Afghanistan derzeit wesentlich erhöht sind“ [wegen Bürgerkriegsgefahren – unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 28.10.1994 – 24 BA 94.33471 – InfAuslR 1995, 73]. Demgemäß stellte das Bundesamt in seiner Entscheidung vom 1. Februar 1995 fest, „dass die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung gemäß §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gegeben sind.“

Mit Schreiben vom 11. August 2011 teilte die Stadt Nürnberg dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit, dass der Kläger derzeit eine Jugendstrafe in der JVA Ebrach bis zum 1. Oktober 2013 verbüße. Das Bundesamt wurde gebeten zu prüfen, ob die Feststellung vom 1. Februar 1995 widerrufen werden könne. Gemäß dem beigefügten Urteil des Amtsgerichts Nürnberg (Jugendschöffengericht) vom 16. Dezember 2010 (Az. 62 Ls 603 Js 36517/10) war der Kläger wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren 8 Monaten verurteilt worden, wobei eine frühere Jugendstrafe von 2 Jahren 3 Monaten wegen Diebstahls (Amtsgericht Nürnberg vom 13.1.2010) einbezogen war.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 teilte das Bundesamt dem Kläger mit, dass bezüglich der Feststellung des Abschiebungsschutzes ein Widerrufsverfahren nach § 73 AsylVfG eingeleitet worden sei. Die Situation habe sich zwischenzeitlich geändert, da er bei einer Rückkehr nach Afghanistan zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr mit einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben rechnen müsse. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 teilte der Kläger dem Bundesamt mit, dass er seit seinem ersten Lebensjahr immer in Deutschland gelebt habe. Er habe keinen Bezug zu Afghanistan, kenne dort niemand und beherrsche auch nicht die Landessprache. Im Fall der Abschiebung wäre er deshalb völlig auf sich allein gestellt. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 1. Februar 1995 nach altem Recht getroffene Feststellung, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG vorliegt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 6 AuslG, der heute im wesentlichen § 60 Abs. 7 AufenthG entspreche, gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG zu widerrufen sei, weil die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht mehr vorlägen. Die Sachlage habe sich seit der Entscheidung des Bundesamts vom 1. Februar 1995 geändert. Eine extreme Gefahrenlage, die zum damaligen Zeitpunkt zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG geführt habe, sei nun nicht mehr gegeben. Die Gesamtversorgungslage habe sich infolge der überdurchschnittlichen Ernteergebnisse nach dem Dürrejahr 2008 signifikant verbessert. Die Sicherheits- und Versorgungslage sei zumindest im Raum Kabul, auf den zu verweisen sei, nicht derart schlecht, dass der Ausländer bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Aufgrund seiner qualifizierten Schulausbildung in Deutschland und seiner umfangreichen Sprachkenntnisse könnte er sich speziell in Kabul etablieren.

Die gegen den Widerrufsbescheid beim Verwaltungsgericht Ansbach erhobene Klage (AN 11 K 11.30501) begründete der Kläger damit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht gegeben seien. Die Leibes- und Lebensgefahr sei in Afghanistan nach wie vor hoch. Der wahre Grund für den Widerruf sei die gegen ihn verhängte Jugendstrafe. Insofern sei der Hinweis auf die angeblich verbesserte Lage in Afghanistan nur vorgeschoben. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er nie in Afghanistan gelebt habe. In der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2012 gab der Kläger an, dass er nach der Trennung seiner Eltern in Deutschland vorübergehend in einer Pflegefamilie gelebt habe. Er beabsichtige, nach Verbüßung der Jugendstrafe eine Berufsausbildung als Verkäufer zu machen. In Afghanistan könnte er allein nicht existieren. Sein Vater lebe in Nürnberg; wo seine Mutter lebe, wisse er nicht. Er beantragte, den Widerrufsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 22. März 2012 ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit) nicht mehr gegeben seien. Trotz der überaus schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan könne nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa mit einer existenziellen Bedrohung rechnen müsste. Die durch den Sturz der Taliban und den Einsatz internationaler Truppen unter Führung der ISAF geprägte aktuelle Sicherheitslage rechtfertige ein Abschiebungsverbot nicht. Dem Kläger stünden auch die geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu. Es sei nicht anzunehmen, dass der Kläger, der volljährig, gesund und arbeitsfähig sei, mit einer existenziellen Bedrohung rechnen müsste. Eine besondere Situation ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger angegeben habe, die Landessprachen nicht ausreichend zu sprechen, und er in Afghanistan nicht sozialisiert sei.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 (13a ZB 12.30152) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen. Es sei insbesondere zu klären, ob für Rückkehrer, sofern sie nicht über ausreichende Kenntnisse einer der Landessprachen Dari oder Paschtu verfügen, eine Chance bestehe, irgendeine Arbeit zu finden und wenigstens das Existenzminimum zu erlangen.

Der Kläger macht zur Begründung der Berufung Folgendes geltend: Als Kleinkind sei er zeitweilig in einer deutschen Pflegefamilie aufgewachsen. Im Alter von drei Jahren sei er in den Kindergarten gekommen und mit sechs Jahren in die Grundschule. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon bei seinem Vater gelebt. Dieser habe mit ihm immer Deutsch gesprochen. Die Muttersprache seines Vaters, Dari, beherrsche er selbst nicht. Er habe den Hauptschulabschluss gemacht und danach die Berufsschule besucht. Ein Familienverband, der ihn unterstützen könnte, existiere in Afghanistan nicht. Auf sich allein gestellt wäre er im Fall der Abschiebung völlig hilf- und mittellos. Somit seien Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 und Art. 8 EMRK gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe sich die Sachlage seit der Entscheidung vom 1. Februar 1995 gerade nicht in erheblicher Weise geändert.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2011 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. März 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bezüglich der Sprachkenntnisse des Klägers verweist sie auf eine von der JVA Ebrach über den Kläger erstellte Personenbeschreibung vom 4. Februar 2011, welche folgenden Vermerk enthält: „Sprache(n): deutsch, afghanisch“.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Widerrufsbescheid des Bundesamts ist rechtswidrig (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 73c Abs. 2 AsylVfG (n.F.) ist die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entspricht dem damaligen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden konnte, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestand. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben ist im vorliegenden Fall aber nach wie vor gegeben, wenngleich hier nicht mehr auf die damaligen Bürgerkriegsgefahren, sondern auf die existentielle Notlage mangels Ernährung abzustellen ist.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seiner aktuellen Rechtsprechung davon aus, dass die Angehörigen der Zivilbevölkerung in Afghanistan durch ihre bloße Anwesenheit keiner erheblichen Gefahr für Leib oder Leben infolge militanter Gewalt ausgesetzt sind (vgl. z.B. hier die Südregion: U.v. 21.6.2013 – 13a B 12.30170 – juris; für die Südostregion: U.v. 4.6.2013 – 13a B 12.30063 – juris; für die Ostregion: U.v. 15.3.2013 – 13a B 12.30121 – juris; für die Zentralregion: U.v. 1.2.2013 –13a B 12.30045 – juris).

Die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind bei dem Kläger aber unter dem Gesichtspunkt einer extremen Gefahr nach wie vor gegeben. Eine Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann grundsätzlich auch in einer unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan, die insbesondere für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiäre Unterstützung besteht, begründet sein. Dies stellt jedoch eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 (n.F.) AufenthG dar, die auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden kann, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U.v. 8.12.1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 (n.F.) AufenthG. Demnach sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, (nur) bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine Abschiebestoppanordnung nach dieser Vorschrift besteht jedoch für die Personengruppe, welcher der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 16. April 2013 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor vorrangig zurückzuführen sind alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 (n.F.) AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226; 140, 319).

Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 NVwZ-RR 2011, 48).

Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. U.v. 24.10.2013 – 13a B 13.30031 – juris) ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass jeder afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan nach wie vor schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau grundsätzlich nicht anzunehmen, dass einem alleinstehenden arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer bei einer Abschiebung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Dies gilt selbst dann, wenn ein (Dari sprechender) Mann Afghanistan schon im Kleinkindesalter verlassen hatte.

Gemäß den vorliegenden Erkenntnismitteln, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010, der Stellungnahme der ehemaligen stellvertretenden Geschäftsführerin der AGEF Dr. Lutze vom 8. Juni 2011, der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012, dem Lagebericht des Auswärtiges Amts vom 4. Juni 2013 (Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013) und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013, geht der Senat davon aus, dass arbeitsfähige Rückkehrer trotz großer Schwierigkeiten die Chance haben, ihr Existenzminimum als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu erlangen.

Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist jedoch anzunehmen, dass es dem Kläger nicht gelingen wird, sich etwa in Kabul notdürftig „durchzuschlagen“. Da er die beiden Landessprachen Dari und Paschtu (Wikipedia, Enzyklopädie, Artikel Afghanistan, Abschn. 3.2 – de.wikipedia.org) nicht beherrscht, hätte er keine reelle Chance, als Tagelöhner irgendwelche Aufträge zu erhalten und diese zu verrichten. Ohne die Möglichkeit einer Verständigung mit den Einheimischen ist nicht zu erwarten, dass er Interessenten seine Arbeitskraft anbieten könnte. Bei einer Analphabetenrate von ca. 70% (Lagebericht S. 17) und einem niedrigen Prozentsatz höherer Bildungsabschlüsse kommt auch eine Kommunikation in einer Fremdsprache im täglichen Leben nicht in Betracht. Mangels nennenswerten Vermögens und ohne familiären Rückhalt wäre der Kläger somit der Gefahr des baldigen Verhungerns ausgesetzt.

Der Senat ist aufgrund der Klagebegründung und der eingehenden Befragung in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass Deutsch die alleinige Muttersprache des Klägers ist. Der Kläger spricht ein einwandfreies Deutsch (flüssig, wortreich und grammatikalisch richtig) ohne einen ausländischen Akzent. Da er schon als Dreijähriger in den Kindergarten kam und damals zeitweilig bei einer deutschen Pflegefamilie lebte, war er schon als Kleinkind mit der deutschen Sprache aufgewachsen. Wenngleich der Kläger als Kind und als Jugendlicher im Haushalt seines Vaters in Nürnberg aufwuchs, ist nicht zu vermuten, dass er dabei Dari, die Muttersprache seines Vaters, angenommen hat. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er mit seinem Vater Deutsch gesprochen habe. Dies erscheint plausibel, weil die gewandte Ausdrucksweise des Klägers zeigt, dass er Deutsch nicht nur halbwegs oder als zweite Sprache erlernt hat. Falls er als Kleinkind bei seiner Mutter auch etwas Dari gesprochen haben sollte, entspräche es der Lebenserfahrung, dass sich diese Kenntnisse im Laufe der Jahre verloren haben. Die von der Beklagten vorgelegte Personenbeschreibung der JVA Ebrach vom 4. Februar 2011 mit dem Vermerk „Sprache(n): Deutsch, Afghanisch“ ist nicht geeignet, die Kenntnis der Sprache Dari zu beweisen. Da es „Afghanisch“ als Sprache nicht gibt, dürfte der betreffende Vermerk des Vollzugsbeamten eine ungeprüfte Ableitung aus der Staatsangehörigkeit sein. Sonstige, vom Bundesamt nicht angeführte Anzeichen dafür, dass der Kläger auch Dari spricht, gibt es nicht (zum Erfordernis der Heranziehung aller für einen Widerruf erheblichen Umstände vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 17.12 – BVerwGE 146, 31).

Die Tatsache, dass der Kläger schon des Öfteren straffällig geworden ist – wobei das Jugendschöffengericht viermal auf Jugendstrafe erkannte – steht dem hier festgestellten Abschiebungsverbot nicht entgegen. Die Vorschrift des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG, wonach die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen ist, wenn der betreffende Ausländer wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist, greift hier nicht ein, weil die zuletzt vom Amtsgericht Nürnberg mit Urteil vom 16. Dezember 2010 verhängte Einheitjugendstrafe von zwei Jahren acht Monaten unter dieser Grenze liegt und weil diese Vorschrift ohnehin nicht auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG anzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.