Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Feb. 2014 - 21 K 12.2290

bei uns veröffentlicht am28.02.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger stand - zuletzt im Dienstgrad eines Hauptmanns - im Dienst der Beklagten. Mit Ablauf des 30. September 2007 wurde er in den Ruhestand versetzt.

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht ... vom ... Januar 1998 wurde die am ... Dezember 1972 geschlossene Ehe des Klägers, aus der zwei gemeinsame Kinder (geb. 1979 und 1981) hervorgingen, geschieden. Nach dem Scheidungsurteil sind zulasten der Versorgung des Klägers auf dem Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau bei der Versicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften von monatlich 1.396,43 DM bezogen auf den 31. März 1997 begründet worden.

Im Rahmen der Ermittlung zur Festsetzung seines Ruhegehalts gab der Kläger mit Formblatt unter dem Datum des ... Mai 2007 an, dass seine geschiedene Ehefrau (ausgebildete Frisörin) von Beginn der Ehe bis zum ... März 1979 berufstätig gewesen sei; sie sei aufgrund zu niedrigen Einkommens bis heute nicht im Stande, ihren Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen selbst zu bestreiten. Sie sei weder verheiratet noch lebe sie in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Nach einer vorgelegten Gehaltsabrechnung erzielte die geschiedene Ehefrau des Klägers im Monat März 2007 als Bäckereiverkäuferin ein Bruttogehalt von 1.643,50 € sowie ein einen Netto-Verdienst von 1.170,12 €. Im Rahmen eines Telefonats zwischen dem Sachbearbeiter der Wehrbereichsverwaltung ... und dem Kläger am ... Mai 2007 (vgl. Aktenvermerk Bl. ... der Behördenakten) klärte sich auf sich, dass der Kläger bis dahin tatsächlich keinen nachehelichen Unterhalt zahlte. Der Kläger erklärte, die Ausbildung der Kinder finanziell zu unterstützen. Mit Eintritt in den Ruhestand und Wegfall des Kindesunterhalts werde er aber die Zahlung des nachehelichen Unterhalts aufnehmen. Eine entsprechende Vereinbarung mit seiner geschiedenen Ehefrau werde er nachreichen.

Mit Schreiben vom ... Juni 2006 übersandte der Kläger eine zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau geschlossene schriftliche Unterhaltsvereinbarung vom ... Juni 2007 (Bl. ... der Behördenakten). Hierin heißt es: „Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse meiner geschiedenen Ehefrau ... verpflichte ich mich hiermit nach Beendigung der Unterhaltsleistungen an unseren gemeinsamen Sohn ... (Auslandspraktikum nach Beendigung Hochschulstudium, voraussichtlich bis Ende Juli 2007), zukünftig einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 350,- € auf nachstehendes Konto zu überweisen. (…)“ Am ... Juli 2007 legte der Kläger der Wehrbereichsbereichsverwaltung ... per Fax einen Auftrag für eine monatliche Dauerüberweisung von 350,- € von seinem Konto auf das Konto seiner geschiedenen Ehefrau vor (Bl. ... der Behördenakten). Unter dem ... Juli 2007 bestätigte die Deutsche Rentenversicherung Bund, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers bis dahin noch keinen Rentenantrag gestellt hatte (Bl. ... der Behördenakten).

Mit Bescheid vom ... September 2007 (Bl. ... der Behördenakten) stellte die Wehrbereichsverwaltung gegenüber dem Kläger fest, dass die Versorgungsbezüge gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) ab dem 1. Oktober 2007 nicht gemäß § 55 c des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) gekürzt werden. Die Voraussetzungen des § 5 VAHRG seien erfüllt, weil die geschiedene Ehefrau keine Rente beziehe und weil - auch unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit (vgl. § 1574 BGB) - davon auszugehen sei, dass sie für den Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht in voller Höhe selbst sorgen könne. Obwohl die geschiedene Ehefrau des Klägers bis zum 28. Juli 2007 keine Unterhaltszahlungen erhalten habe, sei zwischen den früheren Ehegatten kein Verzicht erklärt worden, sondern der Unterhalt in die Erziehung und Ausbildung der Kinder eingebracht worden, da dadurch die geschiedene Ehefrau auch von ihren eigenen Unterhaltsverpflichtungen befreit worden sei. Sie habe daher weiterhin einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt im Sinne des § 5 VAHR bzw. der §§ 1569 ff. BGB gegen den Kläger. Die Versorgungsbezüge seien aber von dem Tage an wieder zu kürzen, von dem an aus der im Rahmen der Scheidung über den Versorgungsausgleich erworbenen Rentenanwartschaft der früheren Ehefrau des Klägers eine Rente zu gewähren sei oder - ggf. vor diesem Zeitpunkt - von dem Tag an, von dem an seine frühere Ehefrau keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt mehr gegen den Kläger habe.

Mit Bescheid vom ... September 2007 (Bl. ... der Behördenakten) setzte die Wehrbereichsverwaltung ... den Bruttoversorgungsbezug des Klägers auf 2.612,12 € fest (ohne Kürzung nach § 55 c SVG).

Im Rahmen einer Erklärung zur Überprüfung des Anspruchs auf Familienzuschlag /Ortszuschlag gab der Kläger auf einem entsprechenden Formular gegenüber der WBV ... unter dem ... September 2009 an, seiner früheren Ehefrau seit dem 1. August 2007 monatlich 250,- € Unterhalt zu zahlen. Ein beigefügter Kontoauszug vom 1. September 2010 bestätigt eine Überweisung von 250,- € als Ehegatten-Unterhalt an seine frühere Ehefrau (Bl. ... ff. der Versorgungsakte).

Auf Anforderung der WBV ... teilte der Kläger mit unterschriebenem Formular unter dem ... Juni 2011 mit, dass er weiterhin Unterhalt an seine geschiedene Ehefrau zahle und dass diese weder geheiratet habe noch in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Mit Schreiben vom ... Juli 2011 legte er eine Gehaltabrechnung seiner geschiedenen Ehefrau vor, wonach diese im Januar 2011 als Bäckereiverkäuferin ein Bruttogehalt von 1.729,00 € sowie ein einen Netto-Verdienst von 1.229,01 € erzielt hatte (vgl. Bl. ... - ... der Behördenakten).

Mit Schreiben vom ... Juni 2011 wies die WBV ... den Kläger darauf hin, dass seine geschiedene Ehefrau durch die zum 1. August 2008 erfolgte Änderung des Unterhaltsrechts wahrscheinlich keinen gesetzlichen Anspruch mehr auf Geschiedenenunterhalt habe.

Mit Bescheid vom ... August 2011 hob die WBV ... den Bescheid über den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge vom ... September 2007 ab dem 1. Januar 2012 auf (Bl. ... der Versorgungsakte). Zur Begründung wird im Bescheid ausgeführt, dass das neue Unterhaltsrecht den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund stelle. Gem. § 1569 BGB obliege es jedem Ehegatten selbst, für seinen Unterhalt zu sorgen. Sei er dazu außerstande, habe er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach §§ 1570 ff. BGB. Bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf (Aufstockungs-) Unterhalt bestehe, sei u. a. zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Auf die bloße Einkommensdifferenz zwischen den Ehegatten komme es nicht mehr an. Es sei vielmehr zu prüfen, ob sich der Einkommensunterschied der Ehegatten als ehebedingter Nachteil darstelle und somit einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des Berechtigten rechtfertige. Die Ehefrau des Klägers sei vor, während und nach der Ehe berufstätig gewesen. Aus der aktuellen Beschäftigung als Verkäuferin erziele sie sogar ein deutlich höheres Einkommen, als sie in ihrem erlernten Beruf als Frisörin erzielen könnte. Hieraus sei ersichtlich, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers in der Lage sei, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Da nach Aktenlage keine ehebedingten Nachteile zu erkennen seien, seien die Voraussetzungen für die Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts gem. § 1578 b BGB gegeben. Es lägen daher keine Gründe mehr für den weiteren Wegfall der Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge gem. § 5 VAHRG vor. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten sei es geboten, dass sich die Betroffenen in einer angemessenen Übergangszeit auf die geänderten Verhältnisse einstellen könnten, so dass die Aufhebung (und damit die Kürzung der Versorgungsbezüge) erst ab dem 1. Januar 2012 wirksam werde.

Hiergegen erhob der Kläger am ... August 2011 Widerspruch (Bl. ... der Behördenakten). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nach wie vor unterhaltspflichtig sei, so dass die Kürzung der Versorgungsbezüge weiterhin auszusetzen sei. Im Widerspruchsverfahren wurde der Steuerbescheid der geschiedenen Ehefrau des Klägers für das Jahr 2010 vorgelegt, auf den hier Bezug genommen wird (Bruttoeinkommen 19.722,- €, zu versteuerndes Einkommen: 14.622,- €, festgesetzte Einkommensteuer: 1.295,- €, Bl. ... der Behördenakte).

Mit Bescheid vom ... Dezember 2011 (Bl. ... der Behördenakten), gegen den in der Folgezeit kein Rechtsmittel eingelegt wurde, wurden die Versorgungsbezüge des Klägers gem. § 55 c SVG um monatlich 842,78 € gekürzt. Unter dem ... März 2012 ordnete die WBV ... die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids vom ... August 2011 an (Bl. ... der Behördenakten).

Mit Widerspruchsbescheid vom ... April 2012 wies die WBV ... den Widerspruch des Klägers vom ... August 2011 als unbegründet zurück. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau in Anwendung des seit dem 1. Januar 2008 geltenden neuen Unterhaltsrechts keinen nachehelichen Unterhalt mehr schulde. Das jährliche Bruttoeinkommen der geschiedenen Ehefrau sei höher als das, welches sie in ihrem erlernten Beruf als Frisörin erreichen könnte. Die erzielten Einkünfte deckten auch einen angemessenen Lebensbedarf. Da das Einkommen der geschiedenen Ehefrau diesen Mindestbedarf überschreite, sei ein Unterhaltsanspruch nach §§ 1570 ff. BGB zu verneinen. Auch ein Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB scheide aufgrund der heutigen Regelung des § 1578 b ABGB aus. Hinsichtlich der diesbezüglichen Billigkeitsentscheidung komme es nicht auf die Ehedauer, sondern in erster Linie darauf an, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ehebedingter Nachteil darstelle, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen könne. Ein möglicherweise anderer Verlauf des beruflichen Werdegangs der geschiedenen Ehefrau des Klägers könne aufgrund seiner Vagheit nicht als ehebedingter Nachteil gewertet werden. Sie habe vor, zum Teil während und nach der Ehe ihrem erlernten Beruf bzw. als Verkäuferin gearbeitet. Sie erziele ein Gehalt, welches ihr einen angemessenen Lebensunterhalt ermögliche. Darüber hinaus seien auch schon während der Ehezeit mögliche finanzielle Nachteile infolge der Kinderbetreuung und Haushaltsführung innerhalb des Familienhaushalts ausgeglichen und rentenrechtlich im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen worden. Ein ehebedingter Nachteil sei daher nicht ersichtlich. Ein Unterhaltsanspruch sei gem. § 1578 b Abs. 2 BGB zeitlich zu begrenzen. Insbesondere insoweit spiele es eine wesentliche Rolle, in wie weit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. In Bezug auf Rentenanwartschaften sei aber zur diesbezüglichen Kompensation der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Auch wenn im Rahmen der bisherigen Vereinbarungen der geschiedenen Eheleute keine zeitliche Begrenzung des Unterhalts geregelt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass die Höhe des bisher gezahlten Unterhalts (250,- €) gering sei; zudem sei es der geschiedenen Ehefrau zuzumuten, sich in einem Zeitraum von jetzt 13 Jahren seit der Scheidung auf ihre derzeitige Einkommenssituation einzustellen, so dass sich auch aufgrund der Dauer der bisher erfolgten Unterhaltszahlungen ein weiterer Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nicht verwirklichen ließe.

Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom 15. Mai 2012 erhob der Kläger Klage. Zuletzt beantragte er in der mündlichen Verhandlung,

den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung ... vom ... August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten an ihn seine Versorgungsbezüge ungekürzt auszubezahlen.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers ausweislich des vorgelegten Steuerbescheids für 2010 in diesem Jahr über ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 14.622,- € verfügt habe. Es sei davon auszugehen, dass der geschiedenen Ehefrau des Klägers ein Aufstockungsunterhalt zustehe, womit die Voraussetzungen des § 5 VAHRG gegeben seien und die angefochtenen Bescheide sich deshalb als rechtswidrig darstellten. In der mündlichen Verhandlung wurde von der Klägerseite weiter vorgebracht, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers nach der Scheidung ehebedingte Nachteile im Hinblick auf ihr Erwerbsfortkommen gehabt habe, weil sie sich während der 25-jährigen Ehezeit keine konkreten Gedanken über ihr berufliches Fortkommen habe machen müssen. Hätte sie die spätere Scheidung einkalkuliert, hätte sie sich beruflich fortgebildet oder sich nach einer anderen Tätigkeit umgesehen, die ihr ein höheres Gehalt beschert hätte. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass es die Regelung des § 1578 b BGB im Zeitpunkt der Scheidung noch nicht gegeben habe. Die geschiedene Ehefrau des Klägers habe daher damals nicht im Zwang gestanden, auf eine Titulierung oder eine besondere Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs zu bestehen. Sie habe sich darauf verlassen können, dass sie auch später ihren Unterhaltsanspruch - etwa im Streitfall - würde geltend machen können. Keinem der Beteiligten sei ein Vorwurf daraus zu machen, dass bei der Scheidung im Jahr 1998 kein Titel über den Unterhaltsanspruch erwirkt worden sei, weil zunächst Einigkeit über den Unterhalt bestanden habe und erst später im Jahr 2007 ein konkreter Änderungsbedarf eingetreten sei. Schließlich sei im Jahr 1998 auf eine Titulierung eines Unterhaltsanspruchs wohl auch deshalb verzichtet worden, weil erwartet worden sei, dass die geschiedene Ehefrau als einziges Kind von Seiten ihrer Eltern finanziell unterstützt werde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Schriftsatz vom 16. Juli 2012 auf die Ausführungen im Bescheid vom ... August 2011 und im Widerspruchsbescheid vom ... April 2012 Bezug genommen.

Mit Kammerbeschluss vom 29. Januar 2013 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergehen, weil die Beklagte ordnungsgemäß geladen worden ist und in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).

1. Soweit der Kläger beantragt, den Bescheid der WBV ... vom ... August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012 aufzuheben, ist die Klage unzulässig.

Diesem Klagebegehren - mit dem die Aufhebung der mit Bescheid vom ... August 2011 verfügten Rücknahme der Feststellung vom ... September 2007, wonach die Versorgungsbezüge gemäß § 5 VAHRG ab dem 1. Oktober 2007 nicht gemäß § 55 c SVG gekürzt werden, verfolgt wird - fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich im Falle eines Erfolgs der Klage die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern könnte (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, vor §§ 40 ff., Rn. 16). Würde der Aufhebungsbescheid ... August 2011 kassiert, verbliebe immer noch der mit Rechtsmitteln nicht angegriffene Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011. Der Aufhebungsbescheid vom ... August 2011 hat sich durch den anschließend ergangenen und bestandskräftig gewordenen Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011, wonach die Versorgungsbezüge nach § 55 c SVG ab dem 1. Januar 2012 um monatlich 842,78 € gekürzt werden, praktisch erledigt.

Der Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011 ist aufgrund der Formulierung „ab 01.01.2012“ ein Dauerverwaltungsakt, durch den im Sinne einer - im Verhältnis zum Bescheid vom ... August 2011 - überholenden bzw. wiederholenden Verfügung für die Zukunft verbindlich geregelt wird, dass nunmehr eine Kürzung nach § 55 c Abs. 1 SVG nicht mehr zukunftsbezogen ausgesetzt, sondern ab dem 1. Januar 2012 mit einem ganz konkreten Kürzungsbetrag von 842,78 € umgesetzt wird.

Gegen diesen Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, wurde kein Rechtsmittel resp. Widerspruch gem. § 87 Abs. 2 SVG i. V. mit § 126 Abs. 2 BBG, §§ 68 ff. VwGO erhoben. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall entscheidend von der im Übrigen sehr ähnlichen Fallgestaltung bei OVG Koblenz v. 15.11.2013, Az. 10 A 10662/13: Auch dort hob die Behörde einen früheren Bescheid über den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbescheide in einem ersten Schritt mit Wirkung für die Zukunft auf, ordnete diesbezüglich die sofortige Vollziehung an und erließ sodann einen Kürzungsbescheid; im Gegensatz zur vorliegenden Fallgestaltung erhob der dortige Betroffene aber sowohl gegen den Aufhebungsbescheid als auch gegen den Kürzungsbescheid Widerspruch sowie anschließend Anfechtungsklage.

Insbesondere ist das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom ... Januar 2012 (Bl. ... der Behördenakten) nicht als Widerspruch gegen den Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2012 auszulegen. Denn dieses bezog sich - als Bitte um Verlängerung der Widerspruchsbegründungsfrist - erkennbar ausschließlich auf den vom Kläger bereits persönlich erhobenen Widerspruch vom ... August 2011, der naturgemäß nur gegen den vorher erlassenen Bescheid vom ... August 2011 und nicht auf den erst später erlassenen (zu diesem Zeitpunkt noch nicht existenten) Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2012 gerichtet war. Zum anderen bezieht sich das Anwaltsschreiben vom ... Januar 2012 nur auf das Aktenzeichen „PA ... ...“, also das Aktenzeichen des Bescheids vom ... August 2011, nicht aber auf das Aktenzeichen des Kürzungsbescheids vom ... Dezember 2011 (dieses lautet: „PA 7 3.515“).

a) Mit Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 70 VwGO ist der als Dauerverwaltungsakt einzustufende Kürzungsbescheid vom... Dezember 2012 bestandskräftig geworden. Damit ist die Kürzungsregelung nach § 55 c SVG für den Kläger unanfechtbar festgestellt. Die weitere Dynamisierung des Kürzungsbetrags nach § 55 c Abs. 2 Satz 3 SVG tritt kraft Gesetzes ein und wird üblicherweise nicht mit fortlaufenden Bescheiden aktualisiert (vgl. auch VG München v. 07.12.2010, Az. M 21 K 10.2647). Die gerichtliche Kassation des Aufhebungsbescheids vom ... August 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012 würde dem Kläger daher keinen rechtlichen Vorteil mehr bringen. Denn selbst wenn dieser Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (durch ein entsprechendes Anfechtungsurteil des Verwaltungsgerichts) aufgehoben werden würde, bliebe es bei dem bestandskräftigen Kürzungsbescheid, gegen den der Kläger nicht vorgegangen ist, der für die Zukunft die Regelung trifft, dass die Kürzung nach § 55 c SVG für die Zukunft in Höhe von 842,78 € zu vollziehen ist.

b) Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte im Anschluss an eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen den hier streitgegenständlichen Aufhebungsbescheid vom ... August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012 verpflichtet wäre, den bestandskräftig gewordenen Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2012 aufzuheben.

Ein solcher - hier nicht streitgegenständlicher - Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Kürzungsbescheids vom ... Dezember 2012 ergibt sich zunächst nicht über die Regelungen des Wiederaufgreifens des Verfahrens (im engeren Sinne) gemäß § 51 VwVfG. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein Wiederaufgreifensgrund gegeben ist. Denkbar wäre hier allenfalls § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Hiernach müsste sich durch eine zu unterstellende erfolgreiche Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid vom ... August 2011 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012) die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Klägers in Bezug auf den Kürzungsbescheid geändert haben. Dagegen spricht aber, dass der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid nicht Bedingung für den anschließend ergangenen (rechtskräftig gewordenen) Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011 ist. Der ursprüngliche begünstigende Bescheid vom ... September 2007 war in seinem Ausspruch darauf begrenzt, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge gem. § 5 VAHRG zunächst ab dem 1. Oktober 2007 nicht stattfindet. In der Begründung dieses Bescheides wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Versorgungsbezüge von dem Tage an wieder zu kürzen sind, von dem an aus der erworbenen Rentenanwartschaft der früheren Ehefrau eine Rente zu gewähren ist oder schon von dem Tage an, von dem an die frühere Ehefrau keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt gegen den Kläger mehr hat. Vor diesem Hintergrund hätte es für eine Kürzung der Versorgungsbezüge, wie sie durch den (bestandskräftig gewordenen) Bescheid vom ... Dezember 2011 umgesetzt wurde, einer vorherigen Aufhebung des Feststellungsbescheids vom ... September 2007 (streitgegenständlicher Bescheid) schon nicht bedurft, zumal - wie bereits oben dargelegt wurde - der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid inhaltlich voll im später erlassenen Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011 aufgeht und durch diesen voll ersetzt wird. Die Frage der Einschlägigkeit des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG kann aber dahinstehen. Denn ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens scheitert hier jedenfalls an § 51 Abs. 2 VwVfG, weil der Kläger im Stande gewesen wäre, den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen: Denn - wie insbesondere die Verfahrensgestaltung bei OVG Koblenz v. 15.11.2013, Az. 10 A 10662/13 zeigt - wäre es dem Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, nach Erlass des Kürzungsbescheides vom ... Dezember 2011 unter Einhaltung der entsprechenden Fristen Widerspruch und im Anschluss Anfechtungsklage zu erheben, um damit den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Insbesondere hätte im Anschluss an erfolglose Widerspruchsverfahren mit derselben Klage die Aufhebung sowohl des Rücknahmebescheids vom ... August 2011 als auch des Kürzungsbescheids vom ... Dezember 2011 verfolgt werden können.

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Aufhebung des Kürzungsbescheides gegenüber dem Beklagten besteht auch nicht nach den Regeln des sog. Wiederaufgreifens im weiteren Sinne gem. § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. mit §§ 48, 49 VwVfG. § 51 Abs. 5 VwVfG stellt klar, dass die allgemeinen Regelungen der §§ 48, 49 VwVfG parallel anwendbar bleiben. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, kann daher unter den Voraussetzungen der vorgenannten Rechtsnormen - grundsätzlich im weiten Ermessen der Behörde - auch dann erfolgen, wenn dieser bestandskräftig geworden ist. Ein entsprechender Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Aufhebung des Kürzungsbescheides gegenüber dem Beklagten gemäß § 48 Abs. 1 VwGO - dem ggf. der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid vom ... August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2012 entgegenstünde (mit der Folge eines ggf. verbleibenden Rechtsschutzbedürfnisses für eine diesbezügliche Anfechtungsklage) - würde aber voraussetzen, dass das Rücknahmeermessen in Bezug auf den Kürzungsbescheid auf Null reduziert wäre. Dies wäre allenfalls dann denkbar wäre, wenn die Umstände des Einzelfalles die Aufrechterhaltung des (bestandskräftigen) Kürzungsbescheids vom ... Dezember 2012 mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit als schlechthin unerträglich bzw. als Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen ließen (z. B.: BVerwG v. 27.01.1994, Az. 2 C 12/92 = BVerwGE 95, 86 ff.; BVerwG v. 20.10.2004, Az. 1 C 15/03 = BVerwGE 122, 103 ff.; BayVGH v. 29.11.2011, Az. 19 BV 11.1915). Dies ist aber nicht der Fall, weil schon Vieles dafür spricht, dass die Kürzung der Versorgungsbezüge jedenfalls ab dem 1. Januar 2012 rechtmäßig erfolgt ist. Denn der geschiedenen Ehefrau dürfte schon ab dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung (August 2011) kein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger mehr zugestanden haben, so dass damit auch die Voraussetzungen für das Absehen von der Kürzung nach § 5 VAHRG, der gem. § 49 VersAusglG auf den vorliegenden Altfall weiterhin Anwendung findet (OVG Koblenz v. 15.11.2013, Az. 10 A 10662/13), entfallen wären:

- Ein Unterhaltsanspruch aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau ist - unabhängig davon, dass zuletzt in Abweichung von der Vereinbarung statt der vormaligen 350,- € nur noch 250,- € überwiesen wurde - für die Anwendung des § 5 VAHRG irrelevant. Nur solche Unterhaltsansprüche können gem. § 5 VAHRG zu einem Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge führen, die sich auf eine gesetzliche Verpflichtung zurückführen lassen (OVG Koblenz v. 15.11.2013, Az. 10 A 10662/13; BayVGH v. 27.09.2011, Az. 14 ZB 11.1071). Eine im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen vertraglich begründete Pflicht genügt nicht. Würden auch vertraglich, also freiwillig begründete Unterhaltspflichten nach § 5 VAHRG zur Aussetzung der Kürzung als Ausnahmegrund anerkannt, könnten die Versorgungsträger und die Versichertengemeinschaft durch manipulierte Unterhaltsvereinbarungen geschädigt werden.

- Der vormals aufgrund der erheblichen Einkunftsunterschiede entstandene Aufstockungsunterhaltsanspruch gemäß § 1573 Abs. 2 BGB am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB) unterliegt wegen § 1578 b BGB keiner Ewigkeitsgarantie. Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Entscheidend ist eine individuelle Billigkeitsabwägung, deren Kriterien sich gem. § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Kriterien des § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB richten.

- Danach ist vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind. Hierzu muss regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden. Entscheidend ist, ob die geschiedene Ehefrau konkrete berufliche Entwicklungsmöglichkeiten eingebüßt hat, die so konkret sein müssen, dass sie auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (BGH v. 26.10.2011, XII ZR 162/09; OLG Hamm v. 92.03.2012, Az. II-2 UF 215/11). Insofern hat die Beklagte mit überzeugenden Argumenten im Widerspruchsbescheid sowie im vorliegenden Klageverfahren u. a. unter Verweis auf einschlägige Gerichtsentscheidungen (BGH v. 16.04.2008, Az. XII ZR 107/06; OLG Zweibrücken v. 08.02.2008, Az. 2 UF 138/07) darauf hingewiesen, dass derartige ehebedingte Nachteile auf Seiten der geschiedenen Ehefrau des Klägers als gelernte Frisörin, die nunmehr als Verkäuferin arbeitet, nicht festgestellt werden können (vgl. auch: BGH v. 23.11.2011, Az. XII ZR 47/10; zu § 1573 Abs. 5 BGB a. F. vgl. bereits: BGH v. 12.04.2006, Az. XII ZR 240/03; BGH v. 14.11.2007, Az. XII ZR 16/07): Ist - wie vorliegend - die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es auch nach langjähriger Ehe nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den der Ehegatte ohne die Ehe erreicht hätte. Einbußen in der eigenen Altersversorgung der geschiedenen Ehefrau werden, bezogen auf die Ehezeit, durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen (BGH v. 16.04.2008, Az. XII ZR 107/06; OLG Stuttgart v. 15.11.2011, Az. 17 UF 177/11 unter Rekurs auf BGH, FamRZ 2010, 1633, 1635 m. Anm. Borth). Im Übrigen hat die geschiedene Ehefrau des Klägers vor, z.T. während und nach der Ehe durch ihre eigene Erwerbstätigkeit eigene Rentenanwartschaften erwerben können.

- In die Billigkeitsentscheidung ist zudem eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität einzubeziehen (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB), insbesondere - einzelfallbezogen - die Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinsamer Kinder, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe (bei Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit eines Ehepartners) sowie die Dauer der Ehe (vgl. BGH v. 06.10.2010, AZ. XII ZR 202/08; BGH v. 26.10.2011, XII ZR 162/09; OLG Schleswig-Holst. V. 24.11.2010, Az. 10 UF 89/10; OLG Hamm v. 92.03.2012, Az. II-2 UF 215/11; BbgOLG v. 21.02.2012, Az. 10 UF 252/11). Insofern sind eine immerhin 25-jährige Ehezeit sowie das Ableisten der Kindererziehung der geschiedenen Ehefrau des Klägers unter weitgehendem Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit in die Waagschale zu werfen. Diese Umstände sprechen dafür, dass zunächst nach der Scheidung ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt - auch wenn dieser in den ersten Jahren tatsächlich nicht „geflossen“ ist, sondern durch Unterhaltsbeiträge des Klägers an die gemeinsamen Kinder während der Ausbildung abgedeckt wurde - entstanden war. Es erscheint aber in Anwendung von § 1578 b Abs. 2 BGB nicht zwingend, dass dieser Anspruch in Gesamtabwägung aller Umstände auch noch über den Zeitpunkt August 2011 (Erlass des Aufhebungsbescheids) nach über dreizehnjährigem Eheende weiterbestehen muss. Insofern ist zu berücksichtigen, (1) dass nach der Scheidung die geschiedene Ehefrau über viele Jahre tatsächlich keine Unterhaltsleistungen erhalten hat und sich insofern auf ein Leben ohne Aufstockungsunterhalt einrichten konnte, (2) dass vorliegend kein besonderer - rechtlich begründeter - Vertrauensschutz auf eine bestimmte Unterhaltsleistung bestand, da Unterhaltsansprüche nach der Scheidung nicht tituliert worden sind (vgl. BGH v. 23.11.2011, Az. XII ZR 47/10; OLG Schleswig-Holst. v. 24.11.2010, Az. 10 UF 89/10), zumal die vormals vereinbarten monatlichen 350,- € offenbar in freier Absprache auf 250,- € reduziert worden sind und (3) dass im Zeitpunkt der Ehescheidung die geschiedene Ehefrau 45 Jahre als war und damit noch viele Jahre die Möglichkeit der Schaffung und Verbesserung einer eigenen Existenzgrundlage hatte (anders bei OLG Hamm v. 16.05.2011, Az. 8 UF 246/10).

Zusammenfassend erscheint damit die Bewertung der Beklagten in Bezug auf § 1578 b Abs. 2 BGB - bei allen Unwägbarkeiten, die eine insoweit abverlangte Billigkeitsabwägung im Einzelfall mit sich bringt -grundsätzlich plausibel und nachvollziehbar. Jedenfalls ist nicht von einer Ermessensreduzierung bezüglich einer Aufhebung des (bestandskräftigen) Kürzungsbescheids vom ... Dezember 2012 auszugehen, weil etwa die Umstände des Einzelfalls dessen Aufrechterhaltung mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit als schlechthin unerträglich bzw. als Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen ließen (s. o.). Damit lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid vom ... August 2012 und den Widerspruchsbescheid vom ... April 2012 auch nicht damit begründen, dass die gerichtliche Kassation diesbezüglich notwendig wäre, um einen Anspruch auf Aufhebung des später erlassenen und bestandskräftig gewordenen Kürzungsbescheides zur Durchsetzung zu verhelfen.

2. Soweit der Kläger mit seinem weiteren Klageantrag die Verurteilung der Beklagten begehrt, dass an ihn die Versorgungsbezüge rückwirkend ungekürzt ausbezahlt werden, ist diese (allgemeine Leistungs-) Klage unbegründet, weil einem Anspruch auf ungekürzte Zahlung von vornherein der bestandkräftige Kürzungsbescheid vom ... Dezember 2011 entgegensteht.

Schon vom Wortlaut des Antrags geht das Gericht nicht gem. § 88 VwGO davon aus, dass mit diesem Antragsteil eine Anfechtungsklage gegen den Kürzungsbescheid vom... Dezember 2011 gemeint war, zumal der Zulässigkeit eines solchen Anfechtungsantrags die Bestandskraft dieses Bescheides (kein Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist) entgegenstünde und zudem ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gem. § 51 VwVfG oder auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gem. § 48 Abs. 1 VwVfG nicht ersichtlich ist (s. o., ein entsprechender Antrag wäre zunächst ohnehin bei der Behörde zu stellen).

3. Nach alldem war der Klage im Ganzen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Feb. 2014 - 21 K 12.2290

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Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Feb. 2014 - 21 K 12.2290 zitiert 20 §§.

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Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.

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Für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1. September 2009 eingegangen ist, ist das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden.

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(1) Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.

(2) Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.

(3) Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.

Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Bundesministerium der Verteidigung führt die Versorgung nach dem Zweiten Teil dieses Gesetzes bei Behörden der Bundeswehrverwaltung durch. Einzelne Aufgaben können bei Behörden im Geschäftsbereich eines anderen Bundesministeriums durchgeführt werden. § 10 Absatz 4 und § 10a bleiben unberührt.

(2) Bei Streitigkeiten in Angelegenheiten des Absatzes 1 gelten, soweit es sich nicht um Angelegenheiten des § 41 Absatz 2 handelt, die §§ 126 bis 128 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend; bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses sind jedoch die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung über das verwaltungsgerichtliche Vorverfahren (§ 23 der Wehrbeschwerdeordnung) anzuwenden.

(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist.

(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung anderen Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Abordnung oder die Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.


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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. Februar 2013 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.

2

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war bis zu seinem Ruhestand als Berufssoldat tätig und bekleidete zuletzt das Amt eines Oberstleutnant (A 14).

3

Seine im Jahr 1974 geschlossene Ehe wurde im Februar 2003 geschieden. In einer notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Kläger, seiner geschiedenen Frau einen nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 900,-- € monatlich zu zahlen. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden für sie außerdem Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 812,84 € begründet.

4

Nachdem der Kläger Anfang Februar 2005 in Ruhestand getreten war, setzte die Beklagte seine Versorgungsbezüge fest. Auf entsprechenden Antrag bestimmte sie mit Bescheid vom 10. Februar 2005, dass diese Bezüge gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht gekürzt würden, da seine geschiedene Ehefrau noch keine Rente aus den erworbenen Anrechten erhalte und gegen den Kläger einen Anspruch auf Unterhalt habe. Die Versorgungsbezüge seien aber von dem Tag an wieder zu kürzen, von dem an die Unterhaltspflicht ende.

5

Nachdem der Kläger im Laufe des Jahres 2007 davon Kenntnis erlangt hatte, dass seine geschiedene Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezog und außerdem mit einem neuen Lebensgefährten unter einer gemeinsamen Anschrift lebte, forderte er sie mit Anwaltsschreiben auf, keine Rechte mehr aus der Scheidungsfolgenvereinbarung geltend zu machen. Seine geschiedene Ehefrau erwiderte, den Einnahmen stünden deutlich höhere Zins- und Tilgungsbelastungen gegenüber. Es treffe zwar zu, dass sie mit einem neuen Lebenspartner zusammen wohne. Dies ändere aber nichts an ihrem Unterhaltsanspruch. Daraufhin erhob der Kläger vor dem Amtsgericht Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass er in Abänderung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 150,-- € verpflichtet sei.

6

Das Amtsgericht vernahm den neuen Lebensgefährten der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeugen. Dieser gab ausweislich des Sitzungsprotokolls an, seine Lebensgefährtin sei im März 2007 bei ihm eingezogen. Als sie sich ein Anwesen gekauft habe, sei er mit dort eingezogen. Es habe sich dann sehr gut zwischen ihnen beiden entwickelt. Das Gericht wies darauf hin, dass eine vergleichsweise Einigung dahingehend in Betracht komme, dass der Kläger monatlich 170,-- € nachehelichen Unterhalt bis zum 31. Dezember 2015 zahle. Mit gerichtlichem Beschluss vom 22. September 2008 vereinbarten die Parteien schließlich, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 einen nachehelichen Unterhalt von 225,-- € schulde. Der Unterhaltsbetrag wurde unabänderlich vereinbart, mit Ausnahme des Falles, dass die geschiedene Ehefrau wieder heirate oder zuvor in Rente gehe. Überzahlte Beträge wurden verrechnet, so dass sich für die ersten 78 Monate nur eine Zahlung von 175,-- € ergab.

7

Nachdem die Beklagte dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 entnommen hatte, dass die Unterhaltsleistung sich verändert hatte, überprüfte sie die Voraussetzungen der Versorgungsleistung. Auf entsprechende Fragen gab der Kläger an, dass seine geschiedene Ehefrau mit einem neuen Partner zusammenlebe und ihm dies seit dem Gerichtstermin im Juli 2008 definitiv bekannt sei.

8

Daraufhin hob die Beklagte durch Bescheid vom 7. September 2011 den Bescheid über den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 auf. Zur Begründung führte sie aus, das neue Unterhaltsrecht stelle den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund. Es obliege nunmehr jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Die geschiedene Ehefrau sei mit der Hälfte ihrer Regelarbeitszeit beschäftigt. Ehebedingte Nachteile seien nicht erkennbar. Sie sei daher selbst in der Lage, für ihren Unterhalt zu sorgen. Außerdem entfalle der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn die Unterhaltsberechtigte in einer ehegleichen Gemeinschaft lebe. Damit lägen keine Gründe mehr für die Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge vor. Aus Vertrauensschutzgründen würde die Kürzung jedoch erst nach dem 30. September 2011 vorgenommen, insofern ergehe ein weiterer Bescheid.

9

Der Kläger erhob am 12. September 2011 Widerspruch und verwies darauf, dass er zunächst selbst auf eine Einstellung der Unterhaltszahlungen hingewirkt habe. Nach heftigem Streit sei er dann dem Vorschlag des Amtsgerichts gefolgt. Seine Unterhaltspflicht ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich.

10

Am 9. November 2011 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids an. Daneben kürzte sie mit Bescheid vom 14. November 2011 die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Oktober 2011 um monatlich 902,87 € und forderte außerdem mit Bescheid vom 15. November 2011 die seither überzahlten Beträge von 1.788,14 € zurück. Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 17. November 2011 Widerspruch ein.

11

Alle drei Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2012 zurückgewiesen. Durch Urteil des Familiengerichts seien für die geschiedene Ehefrau des Klägers Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden. Daher seien seine Versorgungsbezüge grundsätzlich zu kürzen. Eine Kürzung unterbleibe nur, solange die Berechtigte aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhalte und einen Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten habe. Ob ein solcher Unterhaltsanspruch vorliege, entscheide der Versorgungsträger im Rahmen der Anwendung der Härteausgleichsregelungen.

12

Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides, nämlich am 30. März 2012, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Meinung, er schulde seiner geschiedenen Ehefrau schon aufgrund des titulierten gerichtlichen Vergleichs Unterhalt. Über dessen Anpassung habe das Familiengericht, nicht die Wehrverwaltung zu entscheiden. Das Familiengericht habe eine sehr streitige Angelegenheit in allen Einzelheiten geprüft und sogar Zeugen vernommen. Es habe außerdem berücksichtigt, dass die Ehe gut 28 Jahre angedauert habe sowie dass die Unterhaltsberechtigte krankheitsbedingt und aufgrund ihrer häufigen Umzüge nur eingeschränkt arbeiten könne. Unter Wertung all dieser Tatsachen habe das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, dem er sich letztlich gebeugt habe. In einer solchen Situation könne die Beklagte nicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

13

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 erweiterte der Kläger seine Klage auf die Bescheide vom 14. und vom 15. November 2011.

14

Der Kläger hat beantragt,

15

die Bescheide der Beklagten vom 7. September 2011, vom 14. November 2011 und vom 15. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2012 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie verteidigt die vorgenommene Kürzung der Versorgungsbezüge. § 5 VAHRG verlange eine materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung, die vorliegend schon von vornherein nicht gegeben oder jedenfalls wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft entfallen sei.

19

Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 28. Februar 2013 statt. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der geschiedenen Ehefrau nach wie vor ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger zu. Maßgeblich sei zwar nur die auf eine gesetzliche Unterhaltspflicht zurückführbare Unterhaltsleistung. Existiere ein Unterhaltsvergleich, der nicht offensichtlich missbräuchlich sei, könne der Versorgungsträger aber zunächst von dem Bestehen einer Unterhaltspflicht ausgehen. Er sei berechtigt zu prüfen, ob sich zwischenzeitlich Änderungen ergeben hätten, die eine Beseitigung des Unterhaltstitels ermöglichten. Bei Prozessvergleichen seien insofern die Grundsätze über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage maßgebend, wobei allein der Parteiwille entscheidend dafür sei, welche Verhältnisse zur Grundlage des Vergleichs gehörten und wie die Parteien diese bewerteten. Vorliegend seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der auf Vorschlag des Familiengerichts geschlossene Prozessvergleich als missbräuchlich anzusehen sei. Auch sei nicht erkennbar, dass der Unterhaltsanspruch nicht dem – zumindest damaligen – gesetzlichen Unterhaltsanspruch entsprochen habe. Die dem Prozessvergleich zugrunde gelegten Umstände hätten sich auch nicht geändert. Insbesondere die Verfestigung der Lebensgemeinschaft stelle keinen solchen veränderten Umstand dar, da die Parteien diese gerade in ihre einvernehmliche Regelung aufgenommen hätten.

20

Mit der von dem Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil. Sie betont, dass ein Unterhaltsvergleich nur insoweit und solange anerkannt werden könne, so lange eine Unterhaltspflicht tatsächlich bestehe. Vorliegend lebe die geschiedene Ehefrau des Klägers seit vielen Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner, mit dem sie seit 2007 auch einen gemeinsamen Hausstand führe.

21

Die Beklagte beantragt,

22

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil und hält fest, dass auch nach Auffassung der Beklagten zum Zeitpunkt des gerichtlichen Vergleichs noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Frau und ihrem damaligen Lebenspartner bestanden habe. Zu Unrecht gehe die Beklagte ohne weiteres davon aus, dass das Zusammenleben anhalte. Ob die Lebensgemeinschaft auch im Jahr 2011 noch bestand, wisse der Kläger nicht. Jedenfalls hätten die Parteien diesen Umstand - wie auch sonst alle Umstände des Einzelfalles - in ihre Überlegungen einbezogen und bei dem gerichtlichen Vergleichsschluss berücksichtigt.

26

Der Senat hat zu der Frage, ob zwischen der geschiedenen Ehefrau des Klägers und ihrem Lebensgefährten im Jahr 2011 eine verfestigte Lebensgemeinschaft bestand, Zeugenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2013 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (2 Hefte) sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Alzey - 2 F 76/08 - verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –). Das gilt sowohl für den Bescheid vom 7. September 2011, mit dem die Beklagte den Bescheid über das Absehen einer Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 aufgehoben hat (I.) als auch für die weiteren Bescheide vom 14. und 15. November 2011 (II.).

I.

28

Die Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2005, mit dem von einer Kürzung der Versorgungsbezüge abgesehen worden war, findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 VwVfG. Nach dieser Norm kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ist aber auch der hier vorliegende Fall umfasst, in dem ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung durch nach seinem Erlass eintretende Veränderungen rechtswidrig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13/11 -, juris Rn.15).

29

1. Das Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge war ursprünglich rechtmäßig. Gemäß § 55 c Soldatenversorgungsgesetz - SVG - sind die Versorgungsbezüge eines Soldaten zu kürzen, sofern aufgrund einer Ehescheidung für den geschiedenen Ehepartner Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eintritt des Versicherungsfalles bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten und der damit verbundene Bezug einer Rente zu einem Ausgleichanspruch der Rentenkasse gegen den Dienstherrn führen. Dieser soll aber nicht einerseits dem Ausgleichsanspruch der Rentenversicherung und andererseits dem uneingeschränkten Versorgungsanspruch des Soldaten ausgesetzt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2004 - 2 C 68/03 - juris Rn. 13). In bestimmten Fällen sind indes Ausnahmen von der Kürzung vorgesehen. Vorliegend findet das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - Anwendung. Dieses Gesetz ist zwar zum 31. August 2009 außer Kraft getreten und von dem Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG - abgelöst worden. Gemäß § 49 VersAusglG gilt aber für Verfahren, in denen ein Antrag auf Unterbleiben der Kürzung vor dem 1. September 2009 gestellt worden ist, weiter das VAHRG.

30

Gemäß § 5 VAHRG ist von der Kürzung der Versorgungsbezüge abzusehen, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat. Die Voraussetzungen dieser Norm waren zunächst gegeben, da die geschiedene Ehefrau des Klägers unstreitig noch keine Rente bezieht und der Kläger aufgrund der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zweifelsohne verpflichtet war, ihr Unterhalt zu leisten.

31

2. Die Voraussetzungen sind jedoch nachträglich entfallen. Der geschiedenen Ehefrau des Klägers stand im hier maßgeblichen Zeitpunkt zum 30. September 2011 kein Anspruch auf Unterhalt im Sinne des § 5 VAHRG mehr zu. Ein solcher folgt weder aus dem vor dem Familiengericht geschlossenen Prozessvergleich (a), noch aus gesetzlichen Vorschriften (b).

32

a) Der vor dem Familiengericht geschlossene Prozessvergleich vom 22. September 2008 begründet entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG. Das Verwaltungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass nur solche Unterhaltsansprüche zu einem Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge führen können, die sich auf eine gesetzliche Verpflichtung zurückführen lassen. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Norm. Es soll die verfassungswidrige Situation verhindert werden, die eintreten würde, wenn der Versorgungsempfänger einerseits nur um den Kürzungsbetrag verminderte Versorgungsbezüge erhielte, daraus aber andererseits Unterhalt leisten müsste, weil der geschiedene Ehepartner aus den zu seinen Gunsten begründeten Rentenanwartschaften noch keine Rente erhält (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 - 1 BvL 17/77 - u.a., BVerfGE 53, 257, juris Rn. 176). Unterhaltszahlungen, zu denen der Leistende gesetzlich nicht verpflichtet ist, die letztlich also freiwillig erbracht sind, vermögen die dargestellte Härte aber nicht zu begründen. Eine im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung begründete Pflicht genügt daher selbst dann nicht den Anforderungen des § 5 VAHRG, wenn sie tituliert ist (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004,- 2 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19).

33

Würden demgegenüber auch solche Zahlungen zur Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge führen, die abweichend von einer gesetzlichen Verpflichtung geleistet werden, könnten der Versorgungsträger und die Versichertengemeinschaft durch entsprechende Vereinbarungen geschädigt werden (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004, - 2 C 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 31.10.1995 - 31.10.1995 - juris Rn. 15 f.; OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989 - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 ). Das gilt ganz besonders unter Anwendbarkeit der alten Rechtslage. Anders als die nunmehr geltende Vorschrift des § 33 Abs. 3 VersAusglG kennt § 5 VAHRG nämlich nur das vollständige Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge. Somit führt schon die Verpflichtung, einen geringen Unterhaltsbeitrag zu leisten, zum Erhalt ungekürzter Versorgungsbezüge, so dass der Versorgungsberechtigte hiervon wirtschaftlich ganz erheblich profitieren kann.

34

Indem das Verwaltungsgericht sich auf die Prüfung beschränkt hat, ob die getroffene Vereinbarung in der konkreten Prozesssituation „offensichtlich missbräuchlich“ war, hat es einen zu weiten Maßstab angelegt. Für die Frage, ob eine vertragliche Vereinbarung einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG zu begründen vermag, ist zu prüfen, ob die Parteien die gesetzliche Unterhaltspflicht nur ausgestalten und an ihre besondere Situation anpassen, oder ob sie sich von ihr lösen und eine eigenständige Regelung treffen.

35

Der vorliegende Vergleich zeichnet sich dadurch aus, dass er einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Unterhaltsregelung für unbeachtlich erklärt. Gemäß § 1579 Nr. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Obwohl den Parteien bewusst war, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit etwa eineinhalb Jahren mit einem neuen Partner zusammenlebte, sprachen sie diesem Umstand für die folgenden sieben Jahre jegliche Bedeutung ab. Eine solche Regelung mag - worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat - vor dem Hintergrund der streitigen Ausgangslage, der langen Ehedauer und dem Interesse an einer abschließenden Regelung für die Parteien eine angemessene Lösung ihrer Rechtsstreitigkeiten dargestellt haben. Angesichts des eindeutigen Widerspruchs zu der gesetzlichen Regelung des § 1597 Nr. 2 BGB ist sie jedoch nicht geeignet, eine Unterhaltspflicht im Sinne des § 5 VAHRG mit der Folge zu begründen, dass die Versorgungsbezüge des Klägers für die gesamte Laufzeit des Vergleiches ungekürzt auszubezahlen sind.

36

Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte überschreite ihre Kompetenzen, indem sie einen vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich nicht anerkennt, trifft dies nicht zu. Die Beklagte entscheidet nicht über eine Abänderung des getroffenen Vergleichs, sondern prüft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 VAHRG. Hierzu ist sie als Trägerin der Versorgungsleistung gemäß § 9 Abs. 1 VAHRG berufen (vgl. auch Gräper in Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2000, VAHRG § 5, Rn. 32). Bei ihrer Prüfung ist sie an den getroffenen Prozessvergleich nicht gebunden, da diesem weder Rechtskraftwirkung noch eine materiell verbindliche Tatbestandswirkung zukommt (vgl. hierzu OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989, - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 m.w.N.).

37

b) Die Voraussetzungen des § 5 VAHRG lagen auch nicht deshalb vor, weil der geschiedenen Ehefrau des Klägers ein Unterhaltsanspruch aus Gesetz zustand. Dabei kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, nach der schon die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht gegeben waren. Auch wenn - wofür einiges spricht - Anfang 2008 ein Unterhaltsanspruch in der damals vereinbarten Größenordnung bestanden haben mag, war er Ende September 2011 unter Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

38

Durch Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht ohne weiteres. Entscheidend ist, ob sich der geschiedene Ehegatte in eine feste soziale Bindung im Sinne einer sozio-ökonomischen Gemeinschaft begeben hat und sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöst hat. Das kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände, wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 84/09 - BGHZ 190, 251 m.w.N.). Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft kann erst ab einer gewissen Mindestdauer des Zusammenlebens ausgegangen werden, die in der Regel zwei bis drei Jahre betragen muss (BGH, Urteil vom 25.05.1994 - XII ZR 17/93 - FamRZ 1995, 540 und juris Rn. 34 ff. zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F.).

39

Die Voraussetzungen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Ehefrau und ihrem jetzigen Partner lagen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt vor. Das ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass die geschiedene Ehefrau mit ihrem neuen Lebenspartner seit März 2007 unter einem Dach wohnte und im September 2007 mit ihm gemeinsam umgezogen ist. Es ergibt sich außerdem aus den Angaben, die der jetzige Lebenspartner der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeuge in der mündlichen Verhandlung des Senats gemacht hat. Aus seiner glaubhaften Schilderung der Haushaltsführung, der gemeinsam verbrachten Freizeit, der wechselseitigen Besuche bei den Eltern und den Gründen für die getrennte Kassenführung ergab sich das stimmige Bild einer Lebensgemeinschaft, die sowohl aus Sicht des Zeugen, als auch nach objektiven Kriterien den Charakter einer auf Dauer angelegten Beistandsgemeinschaft trägt und diesen Eindruck auch nach außen vermittelt. Die Umstände des Zusammenlebens haben sich dabei seit dem Jahr 2003 nicht wesentlich verändert und lagen daher auch im September 2011 vor.

40

Bestand somit eine verfestigte Lebensgemeinschaft, führt die gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu treffende Billigkeitsabwägung dazu, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau spätestens im September 2011 vollständig zu versagen war. Bei dieser Entscheidung hat der Senat die langen Dauer der Ehe, das Alter der Berechtigten und ihre Erwerbssituation einerseits sowie die Dauer der Lebensgemeinschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt und den Grad der Verfestigung der neuen Beziehung, wie sie sich aus den Schilderungen des Zeugen ergeben haben, andererseits berücksichtigt. Im Gesamtergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die geschiedene Ehefrau nach über vier Jahren Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen aus der nachehelichen Solidarität gelöst hatte, so dass eine Berufung auf einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann als grob unbillig erschiene.

41

3. Der Rücknahme des Verwaltungsaktes steht auch der Gedanke des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Der Kläger war bereits mit Bescheid vom 10. Februar 2005 darüber informiert worden, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nur so lange ausnahmsweise unterbleiben könne, solange seiner geschiedenen Ehefrau ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehe. Im Übrigen hat die Beklagte den Bescheid nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen und dem Kläger einen angemessenen Zeitraum eingeräumt, sich auf die veränderte Lage einzustellen.

II.

42

Waren aus den dargestellten Gründen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge entfallen, erweist sich auch die auf der Grundlage des § 55 c SVG mit Bescheid vom 14. November 2011 ausgesprochene Kürzung der Bezüge ab Oktober 2011 sowie die auf § 49 Abs. 2 SVG gestützte Rückforderung überzahlter Bezüge vom 15. November 2011 als rechtmäßig.

III.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.

45

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

46

Beschluss

47

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 23.457,02 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.


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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. Februar 2013 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.

2

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war bis zu seinem Ruhestand als Berufssoldat tätig und bekleidete zuletzt das Amt eines Oberstleutnant (A 14).

3

Seine im Jahr 1974 geschlossene Ehe wurde im Februar 2003 geschieden. In einer notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Kläger, seiner geschiedenen Frau einen nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 900,-- € monatlich zu zahlen. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden für sie außerdem Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 812,84 € begründet.

4

Nachdem der Kläger Anfang Februar 2005 in Ruhestand getreten war, setzte die Beklagte seine Versorgungsbezüge fest. Auf entsprechenden Antrag bestimmte sie mit Bescheid vom 10. Februar 2005, dass diese Bezüge gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht gekürzt würden, da seine geschiedene Ehefrau noch keine Rente aus den erworbenen Anrechten erhalte und gegen den Kläger einen Anspruch auf Unterhalt habe. Die Versorgungsbezüge seien aber von dem Tag an wieder zu kürzen, von dem an die Unterhaltspflicht ende.

5

Nachdem der Kläger im Laufe des Jahres 2007 davon Kenntnis erlangt hatte, dass seine geschiedene Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezog und außerdem mit einem neuen Lebensgefährten unter einer gemeinsamen Anschrift lebte, forderte er sie mit Anwaltsschreiben auf, keine Rechte mehr aus der Scheidungsfolgenvereinbarung geltend zu machen. Seine geschiedene Ehefrau erwiderte, den Einnahmen stünden deutlich höhere Zins- und Tilgungsbelastungen gegenüber. Es treffe zwar zu, dass sie mit einem neuen Lebenspartner zusammen wohne. Dies ändere aber nichts an ihrem Unterhaltsanspruch. Daraufhin erhob der Kläger vor dem Amtsgericht Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass er in Abänderung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 150,-- € verpflichtet sei.

6

Das Amtsgericht vernahm den neuen Lebensgefährten der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeugen. Dieser gab ausweislich des Sitzungsprotokolls an, seine Lebensgefährtin sei im März 2007 bei ihm eingezogen. Als sie sich ein Anwesen gekauft habe, sei er mit dort eingezogen. Es habe sich dann sehr gut zwischen ihnen beiden entwickelt. Das Gericht wies darauf hin, dass eine vergleichsweise Einigung dahingehend in Betracht komme, dass der Kläger monatlich 170,-- € nachehelichen Unterhalt bis zum 31. Dezember 2015 zahle. Mit gerichtlichem Beschluss vom 22. September 2008 vereinbarten die Parteien schließlich, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 einen nachehelichen Unterhalt von 225,-- € schulde. Der Unterhaltsbetrag wurde unabänderlich vereinbart, mit Ausnahme des Falles, dass die geschiedene Ehefrau wieder heirate oder zuvor in Rente gehe. Überzahlte Beträge wurden verrechnet, so dass sich für die ersten 78 Monate nur eine Zahlung von 175,-- € ergab.

7

Nachdem die Beklagte dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 entnommen hatte, dass die Unterhaltsleistung sich verändert hatte, überprüfte sie die Voraussetzungen der Versorgungsleistung. Auf entsprechende Fragen gab der Kläger an, dass seine geschiedene Ehefrau mit einem neuen Partner zusammenlebe und ihm dies seit dem Gerichtstermin im Juli 2008 definitiv bekannt sei.

8

Daraufhin hob die Beklagte durch Bescheid vom 7. September 2011 den Bescheid über den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 auf. Zur Begründung führte sie aus, das neue Unterhaltsrecht stelle den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund. Es obliege nunmehr jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Die geschiedene Ehefrau sei mit der Hälfte ihrer Regelarbeitszeit beschäftigt. Ehebedingte Nachteile seien nicht erkennbar. Sie sei daher selbst in der Lage, für ihren Unterhalt zu sorgen. Außerdem entfalle der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn die Unterhaltsberechtigte in einer ehegleichen Gemeinschaft lebe. Damit lägen keine Gründe mehr für die Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge vor. Aus Vertrauensschutzgründen würde die Kürzung jedoch erst nach dem 30. September 2011 vorgenommen, insofern ergehe ein weiterer Bescheid.

9

Der Kläger erhob am 12. September 2011 Widerspruch und verwies darauf, dass er zunächst selbst auf eine Einstellung der Unterhaltszahlungen hingewirkt habe. Nach heftigem Streit sei er dann dem Vorschlag des Amtsgerichts gefolgt. Seine Unterhaltspflicht ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich.

10

Am 9. November 2011 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids an. Daneben kürzte sie mit Bescheid vom 14. November 2011 die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Oktober 2011 um monatlich 902,87 € und forderte außerdem mit Bescheid vom 15. November 2011 die seither überzahlten Beträge von 1.788,14 € zurück. Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 17. November 2011 Widerspruch ein.

11

Alle drei Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2012 zurückgewiesen. Durch Urteil des Familiengerichts seien für die geschiedene Ehefrau des Klägers Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden. Daher seien seine Versorgungsbezüge grundsätzlich zu kürzen. Eine Kürzung unterbleibe nur, solange die Berechtigte aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhalte und einen Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten habe. Ob ein solcher Unterhaltsanspruch vorliege, entscheide der Versorgungsträger im Rahmen der Anwendung der Härteausgleichsregelungen.

12

Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides, nämlich am 30. März 2012, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Meinung, er schulde seiner geschiedenen Ehefrau schon aufgrund des titulierten gerichtlichen Vergleichs Unterhalt. Über dessen Anpassung habe das Familiengericht, nicht die Wehrverwaltung zu entscheiden. Das Familiengericht habe eine sehr streitige Angelegenheit in allen Einzelheiten geprüft und sogar Zeugen vernommen. Es habe außerdem berücksichtigt, dass die Ehe gut 28 Jahre angedauert habe sowie dass die Unterhaltsberechtigte krankheitsbedingt und aufgrund ihrer häufigen Umzüge nur eingeschränkt arbeiten könne. Unter Wertung all dieser Tatsachen habe das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, dem er sich letztlich gebeugt habe. In einer solchen Situation könne die Beklagte nicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

13

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 erweiterte der Kläger seine Klage auf die Bescheide vom 14. und vom 15. November 2011.

14

Der Kläger hat beantragt,

15

die Bescheide der Beklagten vom 7. September 2011, vom 14. November 2011 und vom 15. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2012 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie verteidigt die vorgenommene Kürzung der Versorgungsbezüge. § 5 VAHRG verlange eine materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung, die vorliegend schon von vornherein nicht gegeben oder jedenfalls wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft entfallen sei.

19

Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 28. Februar 2013 statt. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der geschiedenen Ehefrau nach wie vor ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger zu. Maßgeblich sei zwar nur die auf eine gesetzliche Unterhaltspflicht zurückführbare Unterhaltsleistung. Existiere ein Unterhaltsvergleich, der nicht offensichtlich missbräuchlich sei, könne der Versorgungsträger aber zunächst von dem Bestehen einer Unterhaltspflicht ausgehen. Er sei berechtigt zu prüfen, ob sich zwischenzeitlich Änderungen ergeben hätten, die eine Beseitigung des Unterhaltstitels ermöglichten. Bei Prozessvergleichen seien insofern die Grundsätze über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage maßgebend, wobei allein der Parteiwille entscheidend dafür sei, welche Verhältnisse zur Grundlage des Vergleichs gehörten und wie die Parteien diese bewerteten. Vorliegend seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der auf Vorschlag des Familiengerichts geschlossene Prozessvergleich als missbräuchlich anzusehen sei. Auch sei nicht erkennbar, dass der Unterhaltsanspruch nicht dem – zumindest damaligen – gesetzlichen Unterhaltsanspruch entsprochen habe. Die dem Prozessvergleich zugrunde gelegten Umstände hätten sich auch nicht geändert. Insbesondere die Verfestigung der Lebensgemeinschaft stelle keinen solchen veränderten Umstand dar, da die Parteien diese gerade in ihre einvernehmliche Regelung aufgenommen hätten.

20

Mit der von dem Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil. Sie betont, dass ein Unterhaltsvergleich nur insoweit und solange anerkannt werden könne, so lange eine Unterhaltspflicht tatsächlich bestehe. Vorliegend lebe die geschiedene Ehefrau des Klägers seit vielen Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner, mit dem sie seit 2007 auch einen gemeinsamen Hausstand führe.

21

Die Beklagte beantragt,

22

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil und hält fest, dass auch nach Auffassung der Beklagten zum Zeitpunkt des gerichtlichen Vergleichs noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Frau und ihrem damaligen Lebenspartner bestanden habe. Zu Unrecht gehe die Beklagte ohne weiteres davon aus, dass das Zusammenleben anhalte. Ob die Lebensgemeinschaft auch im Jahr 2011 noch bestand, wisse der Kläger nicht. Jedenfalls hätten die Parteien diesen Umstand - wie auch sonst alle Umstände des Einzelfalles - in ihre Überlegungen einbezogen und bei dem gerichtlichen Vergleichsschluss berücksichtigt.

26

Der Senat hat zu der Frage, ob zwischen der geschiedenen Ehefrau des Klägers und ihrem Lebensgefährten im Jahr 2011 eine verfestigte Lebensgemeinschaft bestand, Zeugenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2013 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (2 Hefte) sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Alzey - 2 F 76/08 - verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –). Das gilt sowohl für den Bescheid vom 7. September 2011, mit dem die Beklagte den Bescheid über das Absehen einer Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 aufgehoben hat (I.) als auch für die weiteren Bescheide vom 14. und 15. November 2011 (II.).

I.

28

Die Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2005, mit dem von einer Kürzung der Versorgungsbezüge abgesehen worden war, findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 VwVfG. Nach dieser Norm kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ist aber auch der hier vorliegende Fall umfasst, in dem ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung durch nach seinem Erlass eintretende Veränderungen rechtswidrig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13/11 -, juris Rn.15).

29

1. Das Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge war ursprünglich rechtmäßig. Gemäß § 55 c Soldatenversorgungsgesetz - SVG - sind die Versorgungsbezüge eines Soldaten zu kürzen, sofern aufgrund einer Ehescheidung für den geschiedenen Ehepartner Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eintritt des Versicherungsfalles bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten und der damit verbundene Bezug einer Rente zu einem Ausgleichanspruch der Rentenkasse gegen den Dienstherrn führen. Dieser soll aber nicht einerseits dem Ausgleichsanspruch der Rentenversicherung und andererseits dem uneingeschränkten Versorgungsanspruch des Soldaten ausgesetzt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2004 - 2 C 68/03 - juris Rn. 13). In bestimmten Fällen sind indes Ausnahmen von der Kürzung vorgesehen. Vorliegend findet das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - Anwendung. Dieses Gesetz ist zwar zum 31. August 2009 außer Kraft getreten und von dem Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG - abgelöst worden. Gemäß § 49 VersAusglG gilt aber für Verfahren, in denen ein Antrag auf Unterbleiben der Kürzung vor dem 1. September 2009 gestellt worden ist, weiter das VAHRG.

30

Gemäß § 5 VAHRG ist von der Kürzung der Versorgungsbezüge abzusehen, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat. Die Voraussetzungen dieser Norm waren zunächst gegeben, da die geschiedene Ehefrau des Klägers unstreitig noch keine Rente bezieht und der Kläger aufgrund der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zweifelsohne verpflichtet war, ihr Unterhalt zu leisten.

31

2. Die Voraussetzungen sind jedoch nachträglich entfallen. Der geschiedenen Ehefrau des Klägers stand im hier maßgeblichen Zeitpunkt zum 30. September 2011 kein Anspruch auf Unterhalt im Sinne des § 5 VAHRG mehr zu. Ein solcher folgt weder aus dem vor dem Familiengericht geschlossenen Prozessvergleich (a), noch aus gesetzlichen Vorschriften (b).

32

a) Der vor dem Familiengericht geschlossene Prozessvergleich vom 22. September 2008 begründet entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG. Das Verwaltungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass nur solche Unterhaltsansprüche zu einem Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge führen können, die sich auf eine gesetzliche Verpflichtung zurückführen lassen. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Norm. Es soll die verfassungswidrige Situation verhindert werden, die eintreten würde, wenn der Versorgungsempfänger einerseits nur um den Kürzungsbetrag verminderte Versorgungsbezüge erhielte, daraus aber andererseits Unterhalt leisten müsste, weil der geschiedene Ehepartner aus den zu seinen Gunsten begründeten Rentenanwartschaften noch keine Rente erhält (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 - 1 BvL 17/77 - u.a., BVerfGE 53, 257, juris Rn. 176). Unterhaltszahlungen, zu denen der Leistende gesetzlich nicht verpflichtet ist, die letztlich also freiwillig erbracht sind, vermögen die dargestellte Härte aber nicht zu begründen. Eine im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung begründete Pflicht genügt daher selbst dann nicht den Anforderungen des § 5 VAHRG, wenn sie tituliert ist (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004,- 2 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19).

33

Würden demgegenüber auch solche Zahlungen zur Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge führen, die abweichend von einer gesetzlichen Verpflichtung geleistet werden, könnten der Versorgungsträger und die Versichertengemeinschaft durch entsprechende Vereinbarungen geschädigt werden (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004, - 2 C 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 31.10.1995 - 31.10.1995 - juris Rn. 15 f.; OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989 - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 ). Das gilt ganz besonders unter Anwendbarkeit der alten Rechtslage. Anders als die nunmehr geltende Vorschrift des § 33 Abs. 3 VersAusglG kennt § 5 VAHRG nämlich nur das vollständige Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge. Somit führt schon die Verpflichtung, einen geringen Unterhaltsbeitrag zu leisten, zum Erhalt ungekürzter Versorgungsbezüge, so dass der Versorgungsberechtigte hiervon wirtschaftlich ganz erheblich profitieren kann.

34

Indem das Verwaltungsgericht sich auf die Prüfung beschränkt hat, ob die getroffene Vereinbarung in der konkreten Prozesssituation „offensichtlich missbräuchlich“ war, hat es einen zu weiten Maßstab angelegt. Für die Frage, ob eine vertragliche Vereinbarung einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG zu begründen vermag, ist zu prüfen, ob die Parteien die gesetzliche Unterhaltspflicht nur ausgestalten und an ihre besondere Situation anpassen, oder ob sie sich von ihr lösen und eine eigenständige Regelung treffen.

35

Der vorliegende Vergleich zeichnet sich dadurch aus, dass er einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Unterhaltsregelung für unbeachtlich erklärt. Gemäß § 1579 Nr. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Obwohl den Parteien bewusst war, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit etwa eineinhalb Jahren mit einem neuen Partner zusammenlebte, sprachen sie diesem Umstand für die folgenden sieben Jahre jegliche Bedeutung ab. Eine solche Regelung mag - worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat - vor dem Hintergrund der streitigen Ausgangslage, der langen Ehedauer und dem Interesse an einer abschließenden Regelung für die Parteien eine angemessene Lösung ihrer Rechtsstreitigkeiten dargestellt haben. Angesichts des eindeutigen Widerspruchs zu der gesetzlichen Regelung des § 1597 Nr. 2 BGB ist sie jedoch nicht geeignet, eine Unterhaltspflicht im Sinne des § 5 VAHRG mit der Folge zu begründen, dass die Versorgungsbezüge des Klägers für die gesamte Laufzeit des Vergleiches ungekürzt auszubezahlen sind.

36

Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte überschreite ihre Kompetenzen, indem sie einen vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich nicht anerkennt, trifft dies nicht zu. Die Beklagte entscheidet nicht über eine Abänderung des getroffenen Vergleichs, sondern prüft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 VAHRG. Hierzu ist sie als Trägerin der Versorgungsleistung gemäß § 9 Abs. 1 VAHRG berufen (vgl. auch Gräper in Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2000, VAHRG § 5, Rn. 32). Bei ihrer Prüfung ist sie an den getroffenen Prozessvergleich nicht gebunden, da diesem weder Rechtskraftwirkung noch eine materiell verbindliche Tatbestandswirkung zukommt (vgl. hierzu OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989, - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 m.w.N.).

37

b) Die Voraussetzungen des § 5 VAHRG lagen auch nicht deshalb vor, weil der geschiedenen Ehefrau des Klägers ein Unterhaltsanspruch aus Gesetz zustand. Dabei kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, nach der schon die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht gegeben waren. Auch wenn - wofür einiges spricht - Anfang 2008 ein Unterhaltsanspruch in der damals vereinbarten Größenordnung bestanden haben mag, war er Ende September 2011 unter Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

38

Durch Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht ohne weiteres. Entscheidend ist, ob sich der geschiedene Ehegatte in eine feste soziale Bindung im Sinne einer sozio-ökonomischen Gemeinschaft begeben hat und sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöst hat. Das kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände, wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 84/09 - BGHZ 190, 251 m.w.N.). Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft kann erst ab einer gewissen Mindestdauer des Zusammenlebens ausgegangen werden, die in der Regel zwei bis drei Jahre betragen muss (BGH, Urteil vom 25.05.1994 - XII ZR 17/93 - FamRZ 1995, 540 und juris Rn. 34 ff. zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F.).

39

Die Voraussetzungen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Ehefrau und ihrem jetzigen Partner lagen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt vor. Das ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass die geschiedene Ehefrau mit ihrem neuen Lebenspartner seit März 2007 unter einem Dach wohnte und im September 2007 mit ihm gemeinsam umgezogen ist. Es ergibt sich außerdem aus den Angaben, die der jetzige Lebenspartner der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeuge in der mündlichen Verhandlung des Senats gemacht hat. Aus seiner glaubhaften Schilderung der Haushaltsführung, der gemeinsam verbrachten Freizeit, der wechselseitigen Besuche bei den Eltern und den Gründen für die getrennte Kassenführung ergab sich das stimmige Bild einer Lebensgemeinschaft, die sowohl aus Sicht des Zeugen, als auch nach objektiven Kriterien den Charakter einer auf Dauer angelegten Beistandsgemeinschaft trägt und diesen Eindruck auch nach außen vermittelt. Die Umstände des Zusammenlebens haben sich dabei seit dem Jahr 2003 nicht wesentlich verändert und lagen daher auch im September 2011 vor.

40

Bestand somit eine verfestigte Lebensgemeinschaft, führt die gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu treffende Billigkeitsabwägung dazu, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau spätestens im September 2011 vollständig zu versagen war. Bei dieser Entscheidung hat der Senat die langen Dauer der Ehe, das Alter der Berechtigten und ihre Erwerbssituation einerseits sowie die Dauer der Lebensgemeinschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt und den Grad der Verfestigung der neuen Beziehung, wie sie sich aus den Schilderungen des Zeugen ergeben haben, andererseits berücksichtigt. Im Gesamtergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die geschiedene Ehefrau nach über vier Jahren Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen aus der nachehelichen Solidarität gelöst hatte, so dass eine Berufung auf einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann als grob unbillig erschiene.

41

3. Der Rücknahme des Verwaltungsaktes steht auch der Gedanke des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Der Kläger war bereits mit Bescheid vom 10. Februar 2005 darüber informiert worden, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nur so lange ausnahmsweise unterbleiben könne, solange seiner geschiedenen Ehefrau ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehe. Im Übrigen hat die Beklagte den Bescheid nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen und dem Kläger einen angemessenen Zeitraum eingeräumt, sich auf die veränderte Lage einzustellen.

II.

42

Waren aus den dargestellten Gründen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge entfallen, erweist sich auch die auf der Grundlage des § 55 c SVG mit Bescheid vom 14. November 2011 ausgesprochene Kürzung der Bezüge ab Oktober 2011 sowie die auf § 49 Abs. 2 SVG gestützte Rückforderung überzahlter Bezüge vom 15. November 2011 als rechtmäßig.

III.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.

45

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

46

Beschluss

47

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 23.457,02 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die betreffen

1.
die Errichtung, den Betrieb, die sonstige Innehabung, die Veränderung, die Stillegung, den sicheren Einschluß und den Abbau von Anlagen im Sinne der §§ 7 und 9a Abs. 3 des Atomgesetzes,
1a.
das Bestehen und die Höhe von Ausgleichsansprüchen auf Grund der §§ 7e und 7f des Atomgesetzes,
2.
die Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb von Anlagen der in § 7 des Atomgesetzes bezeichneten Art (§ 9 des Atomgesetzes) und die wesentliche Abweichung oder die wesentliche Veränderung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes sowie die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung (§ 6 des Atomgesetzes),
3.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraftwerken mit Feuerungsanlagen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als dreihundert Megawatt,
3a.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern sowie Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer,
3b.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ab einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt,
4.
Planfeststellungsverfahren gemäß § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
4a.
Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Einrichtungen nach § 66 Absatz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
5.
Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Anlagen zur Verbrennung oder thermischen Zersetzung von Abfällen mit einer jährlichen Durchsatzleistung (effektive Leistung) von mehr als einhunderttausend Tonnen und von ortsfesten Anlagen, in denen ganz oder teilweise Abfälle im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gelagert oder abgelagert werden,
6.
das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich,
7.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen,
8.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen,
9.
Planfeststellungsverfahren für den Neubau oder den Ausbau von Bundeswasserstraßen,
10.
Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes,
11.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes oder nach landesrechtlichen Vorschriften für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Häfen, die für Wasserfahrzeuge mit mehr als 1 350 Tonnen Tragfähigkeit zugänglich sind, unbeschadet der Nummer 9,
12.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Wasserkraftanlagen mit einer elektrischen Nettoleistung von mehr als 100 Megawatt,
12a
Gewässerbenutzungen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
12b
Planfeststellungsverfahren für Gewässerausbauten im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
13.
Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz,
14.
Zulassungen von
a)
Rahmenbetriebsplänen,
b)
Hauptbetriebsplänen,
c)
Sonderbetriebsplänen und
d)
Abschlussbetriebsplänen
sowie Grundabtretungsbeschlüsse, jeweils im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen, und
15.
Planfeststellungsverfahren nach § 65 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 19.7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung von Dampf- oder Warmwasserpipelines.
Satz 1 gilt auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Länder können durch Gesetz vorschreiben, daß über Streitigkeiten, die Besitzeinweisungen in den Fällen des Satzes 1 betreffen, das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug entscheidet.

(2) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug ferner über Klagen gegen die von einer obersten Landesbehörde nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Vereinsgesetzes ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes erlassenen Verfügungen.

(3) Abweichend von § 21e Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes soll das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts anordnen, dass ein Spruchkörper, der in einem Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 tätig geworden ist, für dieses nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

Für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1. September 2009 eingegangen ist, ist das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden.


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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. Februar 2013 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.

2

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war bis zu seinem Ruhestand als Berufssoldat tätig und bekleidete zuletzt das Amt eines Oberstleutnant (A 14).

3

Seine im Jahr 1974 geschlossene Ehe wurde im Februar 2003 geschieden. In einer notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Kläger, seiner geschiedenen Frau einen nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 900,-- € monatlich zu zahlen. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden für sie außerdem Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 812,84 € begründet.

4

Nachdem der Kläger Anfang Februar 2005 in Ruhestand getreten war, setzte die Beklagte seine Versorgungsbezüge fest. Auf entsprechenden Antrag bestimmte sie mit Bescheid vom 10. Februar 2005, dass diese Bezüge gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht gekürzt würden, da seine geschiedene Ehefrau noch keine Rente aus den erworbenen Anrechten erhalte und gegen den Kläger einen Anspruch auf Unterhalt habe. Die Versorgungsbezüge seien aber von dem Tag an wieder zu kürzen, von dem an die Unterhaltspflicht ende.

5

Nachdem der Kläger im Laufe des Jahres 2007 davon Kenntnis erlangt hatte, dass seine geschiedene Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezog und außerdem mit einem neuen Lebensgefährten unter einer gemeinsamen Anschrift lebte, forderte er sie mit Anwaltsschreiben auf, keine Rechte mehr aus der Scheidungsfolgenvereinbarung geltend zu machen. Seine geschiedene Ehefrau erwiderte, den Einnahmen stünden deutlich höhere Zins- und Tilgungsbelastungen gegenüber. Es treffe zwar zu, dass sie mit einem neuen Lebenspartner zusammen wohne. Dies ändere aber nichts an ihrem Unterhaltsanspruch. Daraufhin erhob der Kläger vor dem Amtsgericht Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass er in Abänderung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 150,-- € verpflichtet sei.

6

Das Amtsgericht vernahm den neuen Lebensgefährten der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeugen. Dieser gab ausweislich des Sitzungsprotokolls an, seine Lebensgefährtin sei im März 2007 bei ihm eingezogen. Als sie sich ein Anwesen gekauft habe, sei er mit dort eingezogen. Es habe sich dann sehr gut zwischen ihnen beiden entwickelt. Das Gericht wies darauf hin, dass eine vergleichsweise Einigung dahingehend in Betracht komme, dass der Kläger monatlich 170,-- € nachehelichen Unterhalt bis zum 31. Dezember 2015 zahle. Mit gerichtlichem Beschluss vom 22. September 2008 vereinbarten die Parteien schließlich, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2015 einen nachehelichen Unterhalt von 225,-- € schulde. Der Unterhaltsbetrag wurde unabänderlich vereinbart, mit Ausnahme des Falles, dass die geschiedene Ehefrau wieder heirate oder zuvor in Rente gehe. Überzahlte Beträge wurden verrechnet, so dass sich für die ersten 78 Monate nur eine Zahlung von 175,-- € ergab.

7

Nachdem die Beklagte dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 entnommen hatte, dass die Unterhaltsleistung sich verändert hatte, überprüfte sie die Voraussetzungen der Versorgungsleistung. Auf entsprechende Fragen gab der Kläger an, dass seine geschiedene Ehefrau mit einem neuen Partner zusammenlebe und ihm dies seit dem Gerichtstermin im Juli 2008 definitiv bekannt sei.

8

Daraufhin hob die Beklagte durch Bescheid vom 7. September 2011 den Bescheid über den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 auf. Zur Begründung führte sie aus, das neue Unterhaltsrecht stelle den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund. Es obliege nunmehr jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Die geschiedene Ehefrau sei mit der Hälfte ihrer Regelarbeitszeit beschäftigt. Ehebedingte Nachteile seien nicht erkennbar. Sie sei daher selbst in der Lage, für ihren Unterhalt zu sorgen. Außerdem entfalle der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn die Unterhaltsberechtigte in einer ehegleichen Gemeinschaft lebe. Damit lägen keine Gründe mehr für die Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge vor. Aus Vertrauensschutzgründen würde die Kürzung jedoch erst nach dem 30. September 2011 vorgenommen, insofern ergehe ein weiterer Bescheid.

9

Der Kläger erhob am 12. September 2011 Widerspruch und verwies darauf, dass er zunächst selbst auf eine Einstellung der Unterhaltszahlungen hingewirkt habe. Nach heftigem Streit sei er dann dem Vorschlag des Amtsgerichts gefolgt. Seine Unterhaltspflicht ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich.

10

Am 9. November 2011 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids an. Daneben kürzte sie mit Bescheid vom 14. November 2011 die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Oktober 2011 um monatlich 902,87 € und forderte außerdem mit Bescheid vom 15. November 2011 die seither überzahlten Beträge von 1.788,14 € zurück. Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 17. November 2011 Widerspruch ein.

11

Alle drei Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2012 zurückgewiesen. Durch Urteil des Familiengerichts seien für die geschiedene Ehefrau des Klägers Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden. Daher seien seine Versorgungsbezüge grundsätzlich zu kürzen. Eine Kürzung unterbleibe nur, solange die Berechtigte aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhalte und einen Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten habe. Ob ein solcher Unterhaltsanspruch vorliege, entscheide der Versorgungsträger im Rahmen der Anwendung der Härteausgleichsregelungen.

12

Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides, nämlich am 30. März 2012, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Meinung, er schulde seiner geschiedenen Ehefrau schon aufgrund des titulierten gerichtlichen Vergleichs Unterhalt. Über dessen Anpassung habe das Familiengericht, nicht die Wehrverwaltung zu entscheiden. Das Familiengericht habe eine sehr streitige Angelegenheit in allen Einzelheiten geprüft und sogar Zeugen vernommen. Es habe außerdem berücksichtigt, dass die Ehe gut 28 Jahre angedauert habe sowie dass die Unterhaltsberechtigte krankheitsbedingt und aufgrund ihrer häufigen Umzüge nur eingeschränkt arbeiten könne. Unter Wertung all dieser Tatsachen habe das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, dem er sich letztlich gebeugt habe. In einer solchen Situation könne die Beklagte nicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

13

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 erweiterte der Kläger seine Klage auf die Bescheide vom 14. und vom 15. November 2011.

14

Der Kläger hat beantragt,

15

die Bescheide der Beklagten vom 7. September 2011, vom 14. November 2011 und vom 15. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2012 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie verteidigt die vorgenommene Kürzung der Versorgungsbezüge. § 5 VAHRG verlange eine materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung, die vorliegend schon von vornherein nicht gegeben oder jedenfalls wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft entfallen sei.

19

Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 28. Februar 2013 statt. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der geschiedenen Ehefrau nach wie vor ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger zu. Maßgeblich sei zwar nur die auf eine gesetzliche Unterhaltspflicht zurückführbare Unterhaltsleistung. Existiere ein Unterhaltsvergleich, der nicht offensichtlich missbräuchlich sei, könne der Versorgungsträger aber zunächst von dem Bestehen einer Unterhaltspflicht ausgehen. Er sei berechtigt zu prüfen, ob sich zwischenzeitlich Änderungen ergeben hätten, die eine Beseitigung des Unterhaltstitels ermöglichten. Bei Prozessvergleichen seien insofern die Grundsätze über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage maßgebend, wobei allein der Parteiwille entscheidend dafür sei, welche Verhältnisse zur Grundlage des Vergleichs gehörten und wie die Parteien diese bewerteten. Vorliegend seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der auf Vorschlag des Familiengerichts geschlossene Prozessvergleich als missbräuchlich anzusehen sei. Auch sei nicht erkennbar, dass der Unterhaltsanspruch nicht dem – zumindest damaligen – gesetzlichen Unterhaltsanspruch entsprochen habe. Die dem Prozessvergleich zugrunde gelegten Umstände hätten sich auch nicht geändert. Insbesondere die Verfestigung der Lebensgemeinschaft stelle keinen solchen veränderten Umstand dar, da die Parteien diese gerade in ihre einvernehmliche Regelung aufgenommen hätten.

20

Mit der von dem Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil. Sie betont, dass ein Unterhaltsvergleich nur insoweit und solange anerkannt werden könne, so lange eine Unterhaltspflicht tatsächlich bestehe. Vorliegend lebe die geschiedene Ehefrau des Klägers seit vielen Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner, mit dem sie seit 2007 auch einen gemeinsamen Hausstand führe.

21

Die Beklagte beantragt,

22

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil und hält fest, dass auch nach Auffassung der Beklagten zum Zeitpunkt des gerichtlichen Vergleichs noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Frau und ihrem damaligen Lebenspartner bestanden habe. Zu Unrecht gehe die Beklagte ohne weiteres davon aus, dass das Zusammenleben anhalte. Ob die Lebensgemeinschaft auch im Jahr 2011 noch bestand, wisse der Kläger nicht. Jedenfalls hätten die Parteien diesen Umstand - wie auch sonst alle Umstände des Einzelfalles - in ihre Überlegungen einbezogen und bei dem gerichtlichen Vergleichsschluss berücksichtigt.

26

Der Senat hat zu der Frage, ob zwischen der geschiedenen Ehefrau des Klägers und ihrem Lebensgefährten im Jahr 2011 eine verfestigte Lebensgemeinschaft bestand, Zeugenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2013 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (2 Hefte) sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Alzey - 2 F 76/08 - verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –). Das gilt sowohl für den Bescheid vom 7. September 2011, mit dem die Beklagte den Bescheid über das Absehen einer Kürzung der Versorgungsbezüge vom 10. Februar 2005 aufgehoben hat (I.) als auch für die weiteren Bescheide vom 14. und 15. November 2011 (II.).

I.

28

Die Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2005, mit dem von einer Kürzung der Versorgungsbezüge abgesehen worden war, findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 VwVfG. Nach dieser Norm kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ist aber auch der hier vorliegende Fall umfasst, in dem ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung durch nach seinem Erlass eintretende Veränderungen rechtswidrig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13/11 -, juris Rn.15).

29

1. Das Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge war ursprünglich rechtmäßig. Gemäß § 55 c Soldatenversorgungsgesetz - SVG - sind die Versorgungsbezüge eines Soldaten zu kürzen, sofern aufgrund einer Ehescheidung für den geschiedenen Ehepartner Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eintritt des Versicherungsfalles bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten und der damit verbundene Bezug einer Rente zu einem Ausgleichanspruch der Rentenkasse gegen den Dienstherrn führen. Dieser soll aber nicht einerseits dem Ausgleichsanspruch der Rentenversicherung und andererseits dem uneingeschränkten Versorgungsanspruch des Soldaten ausgesetzt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2004 - 2 C 68/03 - juris Rn. 13). In bestimmten Fällen sind indes Ausnahmen von der Kürzung vorgesehen. Vorliegend findet das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - Anwendung. Dieses Gesetz ist zwar zum 31. August 2009 außer Kraft getreten und von dem Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG - abgelöst worden. Gemäß § 49 VersAusglG gilt aber für Verfahren, in denen ein Antrag auf Unterbleiben der Kürzung vor dem 1. September 2009 gestellt worden ist, weiter das VAHRG.

30

Gemäß § 5 VAHRG ist von der Kürzung der Versorgungsbezüge abzusehen, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat. Die Voraussetzungen dieser Norm waren zunächst gegeben, da die geschiedene Ehefrau des Klägers unstreitig noch keine Rente bezieht und der Kläger aufgrund der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zweifelsohne verpflichtet war, ihr Unterhalt zu leisten.

31

2. Die Voraussetzungen sind jedoch nachträglich entfallen. Der geschiedenen Ehefrau des Klägers stand im hier maßgeblichen Zeitpunkt zum 30. September 2011 kein Anspruch auf Unterhalt im Sinne des § 5 VAHRG mehr zu. Ein solcher folgt weder aus dem vor dem Familiengericht geschlossenen Prozessvergleich (a), noch aus gesetzlichen Vorschriften (b).

32

a) Der vor dem Familiengericht geschlossene Prozessvergleich vom 22. September 2008 begründet entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG. Das Verwaltungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass nur solche Unterhaltsansprüche zu einem Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge führen können, die sich auf eine gesetzliche Verpflichtung zurückführen lassen. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Norm. Es soll die verfassungswidrige Situation verhindert werden, die eintreten würde, wenn der Versorgungsempfänger einerseits nur um den Kürzungsbetrag verminderte Versorgungsbezüge erhielte, daraus aber andererseits Unterhalt leisten müsste, weil der geschiedene Ehepartner aus den zu seinen Gunsten begründeten Rentenanwartschaften noch keine Rente erhält (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 - 1 BvL 17/77 - u.a., BVerfGE 53, 257, juris Rn. 176). Unterhaltszahlungen, zu denen der Leistende gesetzlich nicht verpflichtet ist, die letztlich also freiwillig erbracht sind, vermögen die dargestellte Härte aber nicht zu begründen. Eine im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung begründete Pflicht genügt daher selbst dann nicht den Anforderungen des § 5 VAHRG, wenn sie tituliert ist (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004,- 2 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19).

33

Würden demgegenüber auch solche Zahlungen zur Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge führen, die abweichend von einer gesetzlichen Verpflichtung geleistet werden, könnten der Versorgungsträger und die Versichertengemeinschaft durch entsprechende Vereinbarungen geschädigt werden (BVerwG, Urteil vom 16.12.2004, - 2 C 68/03 - BVerwGE 122, 301, juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 31.10.1995 - 31.10.1995 - juris Rn. 15 f.; OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989 - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 ). Das gilt ganz besonders unter Anwendbarkeit der alten Rechtslage. Anders als die nunmehr geltende Vorschrift des § 33 Abs. 3 VersAusglG kennt § 5 VAHRG nämlich nur das vollständige Absehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge. Somit führt schon die Verpflichtung, einen geringen Unterhaltsbeitrag zu leisten, zum Erhalt ungekürzter Versorgungsbezüge, so dass der Versorgungsberechtigte hiervon wirtschaftlich ganz erheblich profitieren kann.

34

Indem das Verwaltungsgericht sich auf die Prüfung beschränkt hat, ob die getroffene Vereinbarung in der konkreten Prozesssituation „offensichtlich missbräuchlich“ war, hat es einen zu weiten Maßstab angelegt. Für die Frage, ob eine vertragliche Vereinbarung einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 VAHRG zu begründen vermag, ist zu prüfen, ob die Parteien die gesetzliche Unterhaltspflicht nur ausgestalten und an ihre besondere Situation anpassen, oder ob sie sich von ihr lösen und eine eigenständige Regelung treffen.

35

Der vorliegende Vergleich zeichnet sich dadurch aus, dass er einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Unterhaltsregelung für unbeachtlich erklärt. Gemäß § 1579 Nr. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Obwohl den Parteien bewusst war, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit etwa eineinhalb Jahren mit einem neuen Partner zusammenlebte, sprachen sie diesem Umstand für die folgenden sieben Jahre jegliche Bedeutung ab. Eine solche Regelung mag - worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat - vor dem Hintergrund der streitigen Ausgangslage, der langen Ehedauer und dem Interesse an einer abschließenden Regelung für die Parteien eine angemessene Lösung ihrer Rechtsstreitigkeiten dargestellt haben. Angesichts des eindeutigen Widerspruchs zu der gesetzlichen Regelung des § 1597 Nr. 2 BGB ist sie jedoch nicht geeignet, eine Unterhaltspflicht im Sinne des § 5 VAHRG mit der Folge zu begründen, dass die Versorgungsbezüge des Klägers für die gesamte Laufzeit des Vergleiches ungekürzt auszubezahlen sind.

36

Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte überschreite ihre Kompetenzen, indem sie einen vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich nicht anerkennt, trifft dies nicht zu. Die Beklagte entscheidet nicht über eine Abänderung des getroffenen Vergleichs, sondern prüft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 VAHRG. Hierzu ist sie als Trägerin der Versorgungsleistung gemäß § 9 Abs. 1 VAHRG berufen (vgl. auch Gräper in Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2000, VAHRG § 5, Rn. 32). Bei ihrer Prüfung ist sie an den getroffenen Prozessvergleich nicht gebunden, da diesem weder Rechtskraftwirkung noch eine materiell verbindliche Tatbestandswirkung zukommt (vgl. hierzu OVG RLP, Urteil vom 24.05.1989, - 2 A 124/88 - FamRZ 1990, 104 m.w.N.).

37

b) Die Voraussetzungen des § 5 VAHRG lagen auch nicht deshalb vor, weil der geschiedenen Ehefrau des Klägers ein Unterhaltsanspruch aus Gesetz zustand. Dabei kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, nach der schon die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht gegeben waren. Auch wenn - wofür einiges spricht - Anfang 2008 ein Unterhaltsanspruch in der damals vereinbarten Größenordnung bestanden haben mag, war er Ende September 2011 unter Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

38

Durch Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht ohne weiteres. Entscheidend ist, ob sich der geschiedene Ehegatte in eine feste soziale Bindung im Sinne einer sozio-ökonomischen Gemeinschaft begeben hat und sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöst hat. Das kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände, wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 84/09 - BGHZ 190, 251 m.w.N.). Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft kann erst ab einer gewissen Mindestdauer des Zusammenlebens ausgegangen werden, die in der Regel zwei bis drei Jahre betragen muss (BGH, Urteil vom 25.05.1994 - XII ZR 17/93 - FamRZ 1995, 540 und juris Rn. 34 ff. zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F.).

39

Die Voraussetzungen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der geschiedenen Ehefrau und ihrem jetzigen Partner lagen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt vor. Das ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass die geschiedene Ehefrau mit ihrem neuen Lebenspartner seit März 2007 unter einem Dach wohnte und im September 2007 mit ihm gemeinsam umgezogen ist. Es ergibt sich außerdem aus den Angaben, die der jetzige Lebenspartner der geschiedenen Ehefrau des Klägers als Zeuge in der mündlichen Verhandlung des Senats gemacht hat. Aus seiner glaubhaften Schilderung der Haushaltsführung, der gemeinsam verbrachten Freizeit, der wechselseitigen Besuche bei den Eltern und den Gründen für die getrennte Kassenführung ergab sich das stimmige Bild einer Lebensgemeinschaft, die sowohl aus Sicht des Zeugen, als auch nach objektiven Kriterien den Charakter einer auf Dauer angelegten Beistandsgemeinschaft trägt und diesen Eindruck auch nach außen vermittelt. Die Umstände des Zusammenlebens haben sich dabei seit dem Jahr 2003 nicht wesentlich verändert und lagen daher auch im September 2011 vor.

40

Bestand somit eine verfestigte Lebensgemeinschaft, führt die gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu treffende Billigkeitsabwägung dazu, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau spätestens im September 2011 vollständig zu versagen war. Bei dieser Entscheidung hat der Senat die langen Dauer der Ehe, das Alter der Berechtigten und ihre Erwerbssituation einerseits sowie die Dauer der Lebensgemeinschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt und den Grad der Verfestigung der neuen Beziehung, wie sie sich aus den Schilderungen des Zeugen ergeben haben, andererseits berücksichtigt. Im Gesamtergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die geschiedene Ehefrau nach über vier Jahren Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen aus der nachehelichen Solidarität gelöst hatte, so dass eine Berufung auf einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann als grob unbillig erschiene.

41

3. Der Rücknahme des Verwaltungsaktes steht auch der Gedanke des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Der Kläger war bereits mit Bescheid vom 10. Februar 2005 darüber informiert worden, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nur so lange ausnahmsweise unterbleiben könne, solange seiner geschiedenen Ehefrau ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehe. Im Übrigen hat die Beklagte den Bescheid nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen und dem Kläger einen angemessenen Zeitraum eingeräumt, sich auf die veränderte Lage einzustellen.

II.

42

Waren aus den dargestellten Gründen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge entfallen, erweist sich auch die auf der Grundlage des § 55 c SVG mit Bescheid vom 14. November 2011 ausgesprochene Kürzung der Bezüge ab Oktober 2011 sowie die auf § 49 Abs. 2 SVG gestützte Rückforderung überzahlter Bezüge vom 15. November 2011 als rechtmäßig.

III.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.

45

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

46

Beschluss

47

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 23.457,02 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 162/09 Verkündet am:
26. Oktober 2011
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hinsichtlich ehebedingter
Nachteile bei der Unterhaltsherabsetzung und -befristung (im Anschluss an Senatsurteile
BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 -
FamRZ 2010, 2059).
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - OLG Hamm
AG Coesfeld
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Oktober 2011 durch die Richter Dose, Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. August 2009 aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers für die Zeit ab Januar 2009 zurückgewiesen worden ist. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
2
Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte heirateten im Jahr 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen , von denen sich der jüngste Sohn noch in der Berufsausbildung befindet. Die Parteien trennten sich im April 1997. Ihre Ehe ist seit August 1999 rechtskräftig geschieden.
3
Der Kläger ist Tischlermeister. Er war als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 25% an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieben hat. Außerdem war er Mitgesellschafter einer Grundstücks-GbR, die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt ist. Er ist seit Januar 2008 unter anderem an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezieht seit Dezember 2008 eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Geschäftsführer der GmbH ist er inzwischen abberufen, das Anstellungsverhältnis ist gekündigt worden.
4
Die Beklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und war bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978 in einer Musterschneiderei tätig. Während der Ehe betreute sie im wesentlichen die drei Kinder und versorgte den Haushalt. Außerdem erlitt sie 1980 eine Fehlgeburt. Seit Oktober 1999 geht die Beklagte einer Teilzeitbeschäftigung als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen nach, war aber wegen einer im Jahr 2004 eingetretenen Krebserkrankung wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Nach mehreren Operationen sind gesundheitliche Einschränkungen mit einer Schwerbehinderung von 50% verblieben. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielt sie ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 1.600 € und netto - vor Abzug von Fahrtkosten - rund 1.140 €.
5
Der Kläger war während der Ehe Eigentümer eines Mehrfamilienhausgrundstücks. Die darin befindliche Ehewohnung wurde nach der Scheidung zunächst noch von der Beklagten - als Nießbrauchsberechtigte - und den Kindern bewohnt. Inzwischen wurde das Hausgrundstück veräußert, nachdem die Beklagte gegen eine Abstandssumme auf ihren Nießbrauch verzichtet hatte.
6
Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 521 DM (266,38 €) verpflichtete. Nach Veräußerung des Hausgrundstücks und Auszug der Beklagten stritten die Parteien im Jahr 2003 um eine Abänderung des titulierten Unterhalts. Im Ergebnis erhöhte das Berufungsgericht den laufenden Unterhalt durch Urteil vom 21. Dezember 2005 ab Januar 2006 auf monatlich 357 €.
7
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Reduzierung und Befristung des Unterhalts. Er beruft sich auf sein vor allem krankheitsbedingt verringertes Einkommen und auf eine nach geänderter Rechtslage seit Januar 2008 verstärkte eigene Unterhaltsverantwortung der Beklagten. Die Parteien streiten vor allem um das Bestehen ehebedingter Nachteile auf Seiten der Beklagten.
8
Das Amtsgericht hat den titulierten Unterhalt für November 2008 bis einschließlich April 2009 herabgesetzt, im Übrigen aber bestehen lassen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt - unter anderem gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB - weiter auf zuletzt monatlich 150 € ab Januar 2011 herabgesetzt und wie das Amtsgericht eine Befristung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit welcher er sein Befristungsbegehren zum 31. Dezember 2008 weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision hat Erfolg.
10
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 8 und vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5 und Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

11
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt aufgrund der gegenüber dem Vorprozess veränderten Einkommensverhältnisse der Parteien neu berechnet. Auf Seiten des Klägers ist es lediglich vom Krankengeld- und später vom Rentenbezug sowie Zinseinkünften ausgegangen. Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihr Einkommen aus Teilzeittätigkeit angerechnet und eine weitergehende Erwerbspflicht verneint. Außerdem hat es ihr vorübergehend fiktive Mietzinseinnahmen zugerechnet.
12
Im Hinblick auf die Befristung des Unterhalts seien ehebedingte Nachteile nicht auszuschließen, was sich unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Klägers auswirke und einer Befristung entgegenstehe. Ehebedingte Nachteile folgten noch nicht aus den aufgrund der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit verringerten Rentenanwartschaften. Auch eine Erkrankung sei nur in Ausnahmefällen ehebedingt. Da die Krebserkrankung der Beklagten erst fünf Jahre nach der Scheidung aufgetreten sei, handele es sich insoweit um eine schicksalhafte Entwicklung. Ehebedingte Nachteile könnten aber deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und zudem die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Insofern sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte, die zum Zeitpunkt der Trennung 40 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt nach früherer Rechtslage allenfalls verpflichtet gewesen sei, eine Geringverdienertätigkeit aufzunehmen, seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978, als sie gerade erst knapp 21 Jahre alt gewesen sei, nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet habe. In Anbetracht der nur sehr kurzen Berufstätigkeit im erlernten Beruf könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beklagten ohne die Berufspause Erwerbsmöglichkeiten und Einkommensquellen als Damenschneiderin eröffnet hätten. Die Feststellung, dass sie im Erwerbsleben ohne die Eheschließung und die vier Schwangerschaften nicht besser hätte Fuß fassen können, als dies tatsächlich durch ihre heutige Teilzeittätigkeit erfolgt sei, erscheine zu weitgehend. Zumindest hätte sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften umfassende Berufserfahrung gehabt, die ihr bessere Einkommensquellen hätte eröffnen können. Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass sich gerade in der Textilindustrie im Lauf der Ehezeit der Arbeitsmarkt fast durchweg verschlechtert habe und die Beklagte dadurch gezwungen worden wäre, sich beruflich umzuorientieren, bleibe gänzlich offen, welche endgültige Stellung sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften im Erwerbsleben gehabt hätte. Darüber hinaus könne die Beklagte den Beweis für eine herausragende berufliche Entwicklung (Schneidermeisterin oder sogar eine Leitungsposition in der Textilindustrie) kaum führen. Die schon als lang zu bezeichnende Ehedauer (rund 27 Jahre unter Einschluss der Kinderbetreuungszeiten) sowie die Tatsache, dass sich die Beklagte "seit ihrer Berufspause 1978" allein für Ehe und Familie eingesetzt habe, begründe ein besonders gewichtiges Vertrauen in die erfolgte Unterhaltstitulierung (vgl. § 36 Nr. 1 EGZPO), das unter Abwägung der vorgenannten Umstände einer Befristung entgegenstehe.
13
Demgegenüber sei ungeachtet nicht auszuschließender ehebedingter Nachteile unter Billigkeitsabwägungen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 150 € ab 1. Januar 2011 gerechtfertigt. Der Kläger beziehe nunmehr selbst eine Erwerbsunfähigkeitsrente und habe seit mehr als zehn Jahren durchgängig Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die fortwährende Unterhaltsverpflichtung konkrete Vermögensdispositionen getroffen habe. Darüber hinaus seien die krankheitsbedingten Einschränkungen der Beklagten schicksals- und nicht ehebedingt. Die Beklagte verfüge mit dem Unterhalt ab dem 1. Januar 2011 über ein Einkommen, das dem angemessenen Selbstbehalt von 1.100 € entspreche. Andererseits sei der Kläger durch den Unterhalt nicht unangemessen belastet, berücksichtigend, dass er im Gegensatz zur Beklagten in einer neuen Partnerschaft lebe und aus dem Zusammenleben - wenngleich nicht eheprägend - wirtschaftliche Vorteile haben dürfte.

II.

14
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15
Die Abänderungsklage richtet sich nach § 323 ZPO aF. Ihre Zulässigkeit steht im vorliegenden Fall außer Zweifel.
16
1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an das abzuändernde Urteil davon ausgegangen, dass die Beklagte, nachdem die zeitweiligen Voraussetzungen eines (Anschluss-)Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 2 BGB entfal- len sind, ("jedenfalls") Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB beanspruchen könne.
17
Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt indessen voraus , dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann (Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 f. mwN und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 13). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsurteils an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.
18
2. Bei der Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB ist das Berufungsgericht nach zwischenzeitlichem Krankengeldbezug des Klägers von seinem aufgrund vollständiger Erwerbsminderung gesunkenen Einkommen (Erwerbsminderungsrente zuzüglich Zinsen) ausgegangen. Hierbei handelt es sich zwar um eine nacheheliche Veränderung. Unvorhersehbare nacheheliche Einkommensverringerungen können aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 - FamRZ 1992, 1045, 1046 f.) bereits im Rahmen der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, wenn sie nicht vorwerfbar herbeigeführt wurden. Die Berücksichtigung solcher auch im Fall des Fortbestands der Ehe eingetretener Veränderungen ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 70).
19
Auch ansonsten gibt die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu Beanstandungen, was schließlich auch für den Abzug des - wenngleich hier nachrangigen - Kindesunterhalts vom Einkommen des Be- klagten gilt (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 44 mwN).
20
3. Hinsichtlich der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB begegnet das Berufungsurteil hingegen durchgreifenden Bedenken. Dass die Vorschrift des § 1578 b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht verfassungswidrig ist, hat der Senat bereits entschieden (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 14).
21
a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
22
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.
23
Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der - nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten - Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden , substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
24
Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsachengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persön- lichen Fähigkeiten - etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren - vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
25
bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag ehebedingter Nachteile hat das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen mangelt es an konkreten Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen.
26
Das Berufungsgericht ist statt dessen ohne näheren Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass das Entstehen ehebedingter Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sachvortrag nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen.
27
Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der Hausfrauenrolle geplant oder zu erwarten gehabt hätte, welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen als in der ehelichen Rollenverteilung begründeten Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen nachhaltigen Aufstieg der Beklagten im Beruf der Damenschneiderin sprechen dürfte. Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 33; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 18 und vom 7. Juli 2010 - XII ZR 157/08 - FamRZ 2011, 188 Rn. 20).
28
Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei zunehmend verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen, dass sie ohne Eheschließung ihren Meister gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik erlangt hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelassen , so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden kann.
29
Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
30
cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom - nicht widerlegten - Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.
31
b) Die zur Feststellung ehebedingter Nachteile erhobenen Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Gemäß der - ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen - Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf , der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 14; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 29 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 27 f.).
32
Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veranschlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Herabsetzungsentscheidung kann daher nicht nachvollzogen werden. Dass es den Betrag von 1.100 €, der in der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte als angemessener Selbstbehalt ausgewiesen war, als Mindestbetrag betrachtet hat, lässt sich der Begründung des Berufungsurteils nicht entnehmen. Schon aus der mit 30 Wochenstunden aktuell ausgeübten Tätigkeit der Beklagten ergibt sich hingegen ein Nettoeinkommen von rund 1.140 € und nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von rund 950 €. Dieser Betrag könnte im Fall des Fehlens ehebedingter Nachteile dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten bereits entsprechen , zumal die gesundheitsbedingten Erwerbseinbußen der Beklagten - wie ausgeführt - nicht ehebedingt sind.

III.

33
Das Berufungsurteil ist demnach - soweit im Rahmen der eingelegten Revision zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist - aufzuheben. Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil weitere tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen erforderlich sind.

IV.

34
Für das weitere Verfahren, weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Beklagten für die erneut anzustellende Billigkeitsabwägung Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben hat, um etwaige ehebedingte Nachteile begründen zu können.
35
Sollten ehebedingte Nachteile nicht ausreichend vorgetragen sein oder vom Kläger widerlegt werden, steht damit noch nicht fest, dass und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen ist. Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist ge- mäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 21 und vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 23 f.). Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 28). Zudem sind - wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un- terhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Coesfeld, Entscheidung vom 10.02.2009 - 5 F 226/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.08.2009 - II-8 UF 33/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 107/06 Verkündet am:
16. April 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1578 b, 1579 Nr. 5; BGB a.F. §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2

a) Der objektive Tatbestand des für eine Verwirkung nach § 1579 Nr. 5 BGB sprechenden
Härtegrundes kann auch dadurch erfüllt sein, dass der Unterhaltsberechtigte
den Verpflichteten nicht ungefragt über einen erheblichen Anstieg des eigenen
Einkommens informiert (Fortführung des Senatsurteils vom 29. Januar 1997
- XII ZR 257/95 - FamRZ 1997, 483).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte eine vollzeitige Erwerbstätigkeit in dem von ihm erlernten
oder vor der Ehe ausgeübten Beruf aufgenommen, können
ehebedingte Nachteile i.S. von § 1578 b BGB nicht mit den durch die Unterbrechung
der Erwerbstätigkeit während der Ehe bedingten geringeren Rentenanwartschaften
begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden
hat. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann in gleichem Umfang
von beiden Ehegatten zu tragen und damit vollständig ausgeglichen (Fortführung
des Senatsurteils vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134).
BGH, Urteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - OLG Hamm
AG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Auf die Revision des Antragsgegners wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Antragsgegners erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
2
Die 1956 geborene Antragstellerin und der 1957 geborene Antragsgegner hatten am 23. Juni 1989 die Ehe geschlossen, aus der die am 30. Oktober 1989 geborene Tochter C. hervorgegangen ist. Die Antragstellerin hatte ihre vorehelich geborenen Töchter K., geboren am 15. Februar 1984, und F., gebo- ren am 8. Januar 1988, mit in die Ehe gebracht. In dem ehelichen Haushalt lebte zudem die am 21. Oktober 1983 geborene Pflegetochter D., die der Antragsgegner und seine verstorbene erste Ehefrau aufgenommen hatten.
3
Im Juli 2002 zog die Antragstellerin mit ihren drei Töchtern aus der Ehewohnung aus. Der Antragsgegner verblieb mit seiner Pflegetochter in dem in seinem Eigentum stehenden Haus.
4
Mit gerichtlichem Vergleich vom 29. September 2003 verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin ab Oktober 2003 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 557 € zu zahlen. Dabei gingen die Parteien von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin aus Teilzeittätigkeit in einem Seniorenheim in Höhe von 800 € sowie monatlichen Nebeneinkünften in Höhe von 155 € aus. Schon ab Dezember 2003 erzielte die Antragstellerin aus ihrer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf als Krankenschwester durchschnittliche Nettoeinkünfte in Höhe von monatlich 1.184 € sowie weiterhin Nebeneinkünfte in der zuvor berücksichtigten Höhe. Dieses höhere Einkommen teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner erst im Rahmen der Verhandlungen über den nachehelichen Unterhalt auf ausdrückliche Anfrage mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 mit.
5
Mit Teilvergleich vom 20. April 2005 verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 66.500 € zu zahlen. Mit Verbundurteil vom 11. Juli 2005 wurde die Ehe der Parteien geschieden , der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsgegner zur Zahlung nachehelichen Altersvorsorge- und Aufstockungsunterhalts in Höhe von insgesamt 609 € monatlich verurteilt. Von dem Rentenversicherungskonto des Antragsgegners wurden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin zusätzlich zu den ehezeitlich selbst erworbenen 86,76 € monatlich weitere 451,27 € übertragen. Der Scheidungsausspruch und die Entscheidung zum Versorgungsausgleich sind seit dem 29. November 2005 rechtskräftig.
6
Die Antragstellerin hat nachehelich zunächst monatliche Einkünfte aus ihrer Teilzeittätigkeit als Krankenschwester in Höhe von 1.184 € sowie Nebeneinkünfte in Höhe von 155 € erzielt. Der Antragsgegner hat zunächst unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von 2.769,69 € erzielt, denen eine anteilige Steuererstattung sowie der Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus hinzuzurechnen sind. Seit Juli 2006 bezieht er Kurzarbeitergeld. Von diesen Einkünften schuldet der Antragsgegner auch der gemeinsamen Tochter C. Barunterhalt.
7
Auf die Berufung des Antragsgegners gegen den Unterhaltsausspruch in dem Verbundurteil hat das Oberlandesgericht die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Antragsgegner zu zeitlich gestaffelten Unterhaltsleistungen , zuletzt für die Zeit ab Dezember 2006 in Höhe von monatlich 48,63 € Altersvorsorgeunterhalt und 192,52 € Elementarunterhalt, verurteilt. Gegen diese Entscheidung richten sich die zugelassenen Revisionen beider Parteien. Während die Antragstellerin Zurückweisung der Berufung des Antragsgegners begehrt, beantragt der Antragsgegner vollständige Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet. Die Revision des Antragsgegners führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A

9
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2007, 215 veröffentlicht ist, hat die Unterhaltspflicht des Antragsgegners aus dem angefochtenen Urteil herabgesetzt und den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin zusätzlich für die Dauer eines Jahres um monatlich 100 € gekürzt. Die vom Antragsgegner begehrte Befristung des nachehelichen Unterhalts hat es hingegen abgelehnt.
10
Für die Antragstellerin sei von einem fiktiven monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.900 € auszugehen, da ihr im Hinblick auf das Alter der gemeinsamen Tochter von 16 Jahren bei Rechtskraft der Ehescheidung eine vollschichtige Tätigkeit zumutbar sei und sie sich nicht hinreichend um eine Ausweitung ihrer Teilzeittätigkeit bemüht habe. Das aus ihrer Tätigkeit im Umfang von wöchentlich 19,25 Stunden erzielte Bruttojahreseinkommen von 18.892,36 € sei deswegen auf 37.785 € zu verdoppeln, woraus sich ein Nettomonatseinkommen in Höhe von 1.842 € ergebe. Unter Berücksichtigung steuerfreier Bezüge und möglicher beruflicher Aufwendungen erscheine ein Nettoeinkommen aus Vollzeittätigkeit in Höhe von 1.900 € monatlich als angemessen. Abzüglich des Erwerbstätigenbonus seien somit Einkünfte in Höhe von 1.628,57 € unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Von dem im Zugewinnausgleich erhaltenen Betrag könne die Antragstellerin 60.000 € zu einem Zinssatz von 3 % anlegen und daraus - nach Abzug von Steuern - monatlich 140 € erzielen , die ebenfalls im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen seien.
11
Auf Seiten des Antragsgegners sei zunächst von seinem Einkommen als technischer Angestellter in Höhe von 2.769,69 € netto auszugehen. Dem sei ein Anteil der Steuererstattung in Höhe von monatlich 217,26 € hinzuzurechnen. Den Wohnvorteil des vom Antragsgegner genutzten Einfamilienhauses mit ei- ner Wohnfläche von 120 m² hat das Berufungsgericht auf monatlich 600 € geschätzt. Davon hat es verbrauchsunabhängige Kosten in Höhe von monatlich 178 € sowie Kosten für Instandhaltung in Höhe von monatlich 54 € abgesetzt. Von dem verbleibenden Einkommen sei der Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter C. nach der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle abzusetzen. Aus der Differenz des verbleibenden Einkommens zu dem Einkommen der Antragstellerin ergebe sich der ausgeurteilte Altersvorsorge- und Elementarunterhalt.
12
Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei allerdings für die Dauer eines Jahres um monatlich 100 € zu kürzen, weil die Antragstellerin ihren Anspruch insoweit nach § 1579 Nr. 4 BGB a.F. verwirkt habe. In dem am 29. September 2003 abgeschlossenen Vergleich über den Trennungsunterhalt seien die Parteien von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 800 € monatlich ausgegangen. Tatsächlich habe sie seit Dezember 2003 ein deutlich höheres Einkommen erzielt, das sie dem Antragsgegner aber erst mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 zur Kenntnis gebracht habe. Die Antragstellerin sei verpflichtet gewesen, dem Antragsgegner die Steigerung ihres Einkommens auch ungefragt mitzuteilen. Denn aus dem Unterhaltsvergleich ergebe sich eine vertragliche Treuepflicht, die eine Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten begründe, dem Unterhaltspflichtigen jederzeit und unaufgefordert Umstände zu offenbaren, die dessen Verpflichtung aus dem Vergleich berührten. Dabei könne offen bleiben, ob und in welcher Höhe durch die Verletzung dieser Treuepflicht tatsächlich ein Schaden des Antragsgegners entstanden sei. Eine Verwirkung könne schon bei schwerwiegender Gefährdung seiner Vermögensinteressen eintreten, auch wenn wegen der im März 2004 an den Antragsgegner ausgezahlten Steuererstattung allenfalls ein geringer Schaden entstanden sei. Gleichwohl sei eine Sanktionierung des Fehlverhaltens geboten, weil die Antragstellerin nicht davon habe ausgehen können, dass der Antragsgegner ebenfalls höhere Einkünfte zur Verfügung habe. Unter Abwägung aller Gesamtumstände erscheine eine Kürzung des nachehelichen Elementarunterhalts um monatlich 100 € für die Dauer eines Jahres angemessen.
13
Eine Befristung des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. hat das Berufungsgericht abgelehnt. Zwar habe die Antragstellerin ihre Berufstätigkeit schon vor der Schwangerschaft mit dem gemeinsamen Kind C. aufgegeben. Außerdem könne sie seit der Scheidung wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester arbeiten. Einer Befristung des Unterhaltsanspruchs stehe allerdings die ehezeitliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entgegen, zumal die Antragstellerin deswegen während der Ehezeit lediglich Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 86,76 € erworben habe. Gegen eine Befristung sprächen auch die lange Ehedauer von fast 13 Jahren und die dadurch eingetretene ehebedingte Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse. Außergewöhnliche Umstände, die hier gleichwohl eine Befristung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die 50 Jahre alte Angestellte arbeite zwar wieder in ihrem alten Beruf. Dabei sei allerdings zu bedenken, dass aufgrund der Betreuung des gemeinsamen Kindes die Gelegenheit zu Fort- und Weiterbildungen eingeschränkt gewesen sei und deshalb Gehaltseinbußen nicht ausgeschlossen werden könnten. Dabei verkenne das Berufungsgericht nicht, dass die zu berücksichtigende Ehe- und Kinderbetreuungsdauer praktisch zu einem dauerhaften Unterhaltsanspruch führe, obwohl die im Falle einer späteren vollschichtigen Erwerbstätigkeit verbleibenden ehebedingten Nachteile des Unterhaltsberechtigten in der Regel von dem Unterhaltspflichtigen durch den Versorgungsausgleich aufgefangen würden und damit auch diesen träfen. Im Ergebnis sei eine Begrenzung des Unterhalts aber nicht möglich, weil außergewöhnliche Umstände nicht vorlägen.
14
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

B


I.

15
Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet, weil die Bemessung der unterhaltsrelevanten Einkünfte mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang steht und die vorübergehende Kürzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 5 BGB1579 Nr. 4 BGB a.F.) aus Rechtsgründen keinen Bedenken begegnet.
16
1. Soweit das Berufungsgericht den Wohnvorteil des Einfamilienhauses des Antragsgegners mit 600 € monatlich bemessen hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
17
a) Zwar hatte die Antragstellerin insoweit einen Wert von 750 € monatlich behauptet und dafür Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten. Der Sachvortrag der Antragstellerin geht allerdings nicht über die Umstände hinaus, die das Berufungsgericht in zulässiger Weise bei der Bemessung der erzielbaren Marktmiete nach § 287 ZPO berücksichtigt hat. Denn das Berufungsgericht hat sowohl die unstreitige Wohnfläche und Ausstattung als auch die Lage des Objekts zwischen einem Landschaftsschutzgebiet und dem nahe gelegenen Flughafen berücksichtigt. Damit hat das Berufungsgericht die wertbildenden Faktoren in hinreichendem Umfang in seine Schätzung einbezogen und sein tatrichterliches Ermessen bei der Ermittlung des Wohnwerts in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2007 - XII ZR 141/05 - FamRZ 2007, 1532, 1534). Das Berufungsgericht hat seine Bemessung weder auf falsche Erwägungen gestützt noch hat es für die Bemessung der Marktmiete (vgl. insoweit Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965) wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen (zur tatrichterlichen Schätzung vgl. BGHZ 3, 162, 175 f. und BGHZ 6, 62, 63). Insbesondere lässt sich dem Berufungsurteil auch entnehmen , dass das Berufungsgericht die Investitionen des Antragsgegners durch Einbau einer Gas-Zentralheizung, eines Parkettbodens und durch die Erneuerung der Sanitärausstattung berücksichtigt hat.
18
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin trifft den Antragsgegner hier auch keine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung, selbst wenn der Abzug verbrauchsunabhängiger Kosten und der Instandhaltungskosten zu einem geringeren Wohnwert führen würde, als dem Antragsgegner als Zinsgewinn im Falle einer Veräußerung des Hauses verbliebe. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann zwar eine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung bestehen, wenn nach den gegenwärtigen Verhältnissen keine wirtschaftlich angemessene Nutzung des vorhandenen Vermögens verwirklicht wird. Davon kann aber nicht schon dann ausgegangen werden, wenn der verbleibende Wohnvorteil nicht den Ertrag erreicht, den der Ehegatte nach einem Verkauf des Wohneigentums erzielen könnte. Vielmehr muss sich die tatsächliche Anlage des Vermögens - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - als eindeutig unwirtschaftlich darstellen, bevor der geschiedene Ehegatte auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden kann (Senatsurteil vom 23. November 2005 - XII ZR 51/03 - FamRZ 2006, 387, 391). Danach ergibt sich hier jedenfalls keine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung durch Verkauf des Einfamilienhauses. Zu Recht weist der Antragsgegner nämlich darauf hin, dass er dieses Haus in die Ehe eingebracht hatte und darin außer ihm auch seine Pflegetochter wohnt. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung des auch sonst gewährleisteten Schutzes für ein angemessenes , selbst bewohntes Hausgrundstück (vgl. insoweit § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) ist dem Antragsgegner eine Umschichtung seines Grundvermögens nicht zumutbar.
19
2. Auch das Einkommen der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats bemessen.
20
a) Weil die gemeinsame Tochter der Parteien im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung bereits 16 Jahre alt war, ist das Berufungsgericht auch auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 1570 BGB von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin ausgegangen.
21
Bei der Bemessung des aus einer solchen Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkommens ist es von dem seinerzeit erzielten Bruttoeinkommen aus der Teilzeittätigkeit von 19,25 Stunden wöchentlich ausgegangen und hat dieses verdoppelt. Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Aus dem so errechneten Bruttoeinkommen hat das Berufungsgericht durch Abzug der gesetzlichen Abgaben und unter Berücksichtigung beruflicher Aufwendungen einerseits sowie steuerfreier Bezüge als Krankenschwester andererseits ein durchschnittlich erzielbares Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.900 € ermittelt. Auch das wird von der Revision der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen und ist auch sonst nicht zu beanstanden. Insbesondere wird diese konkrete Berechnung nicht durch die pauschale Behauptung der Antragstellerin erschüttert, sie könne allenfalls monatlich 1.500 € netto erzielen. Mangels hinreichend substantiierten Sachvortrags war das Berufungsgericht deswegen auch nicht gehalten, das von der Antragstellerin beantragte Sachverständigengutachten zur Höhe des erzielbaren Einkommens einzuholen.
22
Auch soweit das Berufungsgericht von einer realen Beschäftigungsmöglichkeit der im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung 49 Jahre alten Antragstellerin ausgegangen ist, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Denn sie arbeitet bereits einige Zeit wieder in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester. Konkrete Umstände, die einer Ausweitung dieser Berufstätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit entgegenstehen, hat die Antragstellerin in den Tatsacheninstanzen ebenfalls nicht vorgetragen. Die beiden vorliegenden Absagen auf Bewerbungen der Antragstellerin um eine Vollzeittätigkeit können die Annahme einer fehlenden Beschäftigungschance nicht rechtfertigen.
23
Entgegen der Rüge der Antragstellerin hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des fiktiv zu berücksichtigenden Einkommens der Antragstellerin auch nicht ihre eventuellen Fahrtkosten übergangen. Denn es hat solche beruflichen Aufwendungen den steuerlichen Vorteilen aus steuerfreien Bezügen gegenübergestellt. Auch diese Schätzung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
24
b) Nach § 1579 Nr. 5 BGB1579 Nr. 4 BGB a.F.) ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat.
25
aa) Die Begrenzung des Unterhalts verlangt somit neben dem Härtegrund der Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen stets auch eine grobe Unbilligkeit für den Unterhaltspflichtigen unter Wahrung der Belange des Unterhaltsberechtigten (Senatsurteil BGHZ 146, 391, 399 = FamRZ 2001, 541, 543 f.). Je schwerer ein Härtegrund wiegt, umso mehr ist es dem Unterhaltsberechtigten zuzumuten, die unterhaltsrechtlichen Folgen seines Verhaltens weitgehend selbst zu tragen und entsprechende Einschränkungen auf sich zu nehmen , soweit nicht das Kindeswohl eine andere Beurteilung erfordert (vgl. auch Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 615, 618).
26
bb) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zu Recht eine mutwillige Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen des Antragsgegners angenommen.
27
Zwar setzt der Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB objektiv ein gravierendes Verhalten des Unterhaltsberechtigten voraus, was sich aus der Wortwahl "schwerwiegende" und "hinwegsetzen" ergibt. Damit stellt die Vorschrift nicht allein auf den Umfang der Vermögensgefährdung ab, sondern auch auf die Intensität der Pflichtverletzung. Nicht erforderlich ist es, dass dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich ein Vermögensschaden entsteht. Es genügt eine schwerwiegende Gefährdung seiner Vermögensinteressen, die - wie hier - dadurch entstehen kann, dass der Unterhaltsschuldner bereits geleisteten Unterhalt trotz angestiegenen Einkommens des Unterhaltsberechtigten später nicht zurückfordern kann (vgl. insoweit Senatsurteil vom 22. April 1998 - XII ZR 221/96 - FamRZ 1998, 951 ff.).
28
Diese objektive Voraussetzung der Verwirkung hat das Berufungsgericht zu Recht als erfüllt angesehen, weil die Antragstellerin die erhebliche Steigerung ihres unterhaltsrelevanten Einkommens seit dem Abschluss des Vergleichs dem Antragsgegner nicht mitgeteilt hat. Damit hat sie gegen ihre Obliegenheit zur ungefragten Information über spätere Einkommensänderungen verstoßen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind jedenfalls die Parteien eines Unterhaltsvergleichs verpflichtet, sich gegenseitig ungefragt zu informieren, wenn ihr Verdienst das für die Bemessung des Unterhalts berücksichtigte Einkommen deutlich übersteigt (Senatsurteile vom 29. Januar 1997 - XII ZR 257/95 - FamRZ 1997, 483, 484 und vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - FamRZ 1986, 450, 453). Weil sich die Parteien hier im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs über den Trennungsunterhalt geeinigt hatten, kommt es nicht darauf an, ob sich diese Verpflichtung zur ungefragten Information nur aus der vertraglichen Treuepflicht nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs oder unabhängig von der Art des Unterhaltstitels schon aus dem unterhaltsrechtlichen Treueverhältnis ergibt (so Büttner FF 2008, 15; vgl. auch Hoppenz FamRZ 1989, 337, 338 f. und Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 1 Rdn. 696 ff.).
29
Subjektiv erfordert der Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB ein mutwilliges Handeln, das zumindest leichtfertiges Verhalten des Unterhaltsberechtigten voraussetzt (Senatsurteile BGHZ 146, 391, 399 f. = FamRZ 2001, 541, 544 und vom 13. Juli 1988 - IVb ZR 39/87 - FamRZ 1988, 1031, 1033; Gerhardt/ von Heintschel-Heinegg/Klein Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 6. Aufl. Kap. 6 Rdn. 458). Auch dies hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen.
30
Der Auffassung der Antragstellerin, ihr könne allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil sie die Erhöhung ihrer Einkünfte nicht bewusst verschwiegen , sondern nicht daran gedacht habe, folgt der Senat nicht. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt vielmehr den Schluss des Oberlandesgerichts, dass die Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, wenn es ihr nicht sogar darauf ankam, sich durch das Verschweigen der Höhe ihres Verdienstes Vermögensvorteile zu verschaffen. Denn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses über den Trennungsunterhalt war das Scheidungsverfahren der Parteien bereits anhängig und die Parteien verhandelten außergerichtlich über die Höhe des nachehelichen Unterhalts. Mit dem außergerichtlichen Schreiben vom 9. Dezember 2004 wurde dem Antragsgegner die Verdienstabrechnung für den Zeitraum von Dezember 2003 bis November 2004 "wunschgemäß" überreicht.
Erst im Anschluss daran hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2005 ihren Unterhaltsantrag im Verbundverfahren eingereicht.
31
cc) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der Verwirkung nach § 1579 Nr. 5 BGB auch unter Berücksichtigung des strengen Maßstabs der groben Unbilligkeit hier zu Recht angenommen. Denn die Antragstellerin hat über die Dauer eines Jahres Unterhalt auf der Grundlage deutlich geringerer eigener Einkünfte bezogen, obwohl ihr Einkommen aus Teilzeit- und Nebentätigkeit um annähernd 400 € monatlich angestiegen war. Zwar hat der Antragsgegner im März 2004 eine Steuererstattung erhalten, die jedenfalls teilweise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Dies schließt eine grobe Unbilligkeit als Folge der verschwiegenen höheren Einkünfte der Antragstellerin allerdings nicht aus, weil es auch in Anbetracht dieser Steuererstattung dabei bleibt, dass die Antragstellerin in der Zeit von Dezember 2003 bis März 2004 deutlich höheren Trennungsunterhalt bezogen hat, als ihr nach den höheren eigenen Einkünften zustand. Das Verschweigen der Steuererstattung durch den Antragsgegner kann das Verschweigen der deutlichen Einkommenserhöhung durch die Antragstellerin nicht ungeschehen machen und das unterhaltsbezogen vorwerfbare Verhalten deswegen nicht wieder aufheben. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Verhalten des Antragsgegners hier deswegen erst bei der Bemessung der Rechtsfolge des § 1579 BGB berücksichtigt. Wenn das Berufungsgericht den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin lediglich maßvoll um 100 € monatlich und auch nur befristet auf ein Jahr herabgesetzt hat, ist auch dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

II.

32
Die Revision des Antragsgegners ist hingegen begründet und führt insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.
33
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die von der Antragstellerin erzielbaren Zinsen aus dem erhaltenen Zugewinnausgleich im Wege der Differenzmethode berücksichtigt, weil entsprechende Zinsen schon während der Ehezeit der Parteien angefallen waren. Zinseinkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten aus dem im Zugewinnausgleich erlangten Vermögen zugerechnet werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen. Denn wenn das entsprechende Vermögen - wie hier - auch schon vor der Durchführung des Zugewinnausgleichs vorhanden war und die Vermögenserträge (§ 100 BGB) schon seinerzeit die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmt hatten, macht es keinen Unterschied, ob sie nach wie vor von einem Ehegatten gezogen werden oder ob sie jetzt - nach Durchführung des Zugewinnausgleichs – anteilig auf beide Ehegatten verteilt sind. In beiden Fällen beeinflussen die dann zu berücksichtigenden Vermögenseinkünfte auch die ehelichen Lebensverhältnisse und sind deswegen im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen (Senatsurteil vom 4. Juli 2007 - XII ZR 141/05 - FamRZ 2007, 1532, 1537).
34
2. Mit Erfolg rügt die Revision des Antragsgegners allerdings die Ablehnung der Befristung des nachehelichen Ehegattenunterhalts durch das Berufungsgericht.
35
a) Schon die im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts geltende Rechtslage sah in § 1573 Abs. 5 BGB a.F. und in § 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. eine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des Aufstockungs- unterhalts vor, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig war. Bei der Subsumtion unter diese Ausnahmetatbestände hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr entscheidend auf die Ehedauer, sondern darauf abgestellt, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann. Schon nach dieser früheren Rechtslage bot der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB a. F. deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie i.S. einer fortwirkenden Mitverantwortung. War die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, konnte es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich statt dessen mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose FamRZ 2007, 1289, 1294 f.).
36
b) Diese Rechtsprechung ist in die Neuregelung des § 1578 b BGB zum 1. Januar 2008 eingeflossen. Nach § 1578 b Abs. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Maßgebend ist deswegen darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatrichters ehebedingte Nachteile absehbar sind.
37
Wie das frühere Recht setzt auch die Begrenzung des nachehelichen Unterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1578 b BGB nicht zwingend voraus, dass der Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt, bereits erreicht ist. Wenn die dafür ausschlaggebenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist eine Begrenzung nicht einer späteren Abänderung nach § 323 Abs. 2 ZPO vorzubehalten, sondern schon im Ausgangsverfahren auszusprechen (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 799). Ob die für die Begrenzung ausschlaggebenden Umstände allerdings bereits im Ausgangsverfahren zuverlässig vorhersehbar sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantworten (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135 f.).
38
c) Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Befristung des nachehelichen Unterhalts zu Unrecht abgelehnt.
39
aa) Zwar kommt es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht darauf an, dass die Antragstellerin ihre Berufstätigkeit schon vor Beginn der Schwangerschaft mit der gemeinsamen Tochter aufgegeben hatte, um die Betreuung ihrer beiden aus einer anderen Beziehung stammenden Kinder sicherzustellen. Denn jedenfalls mit der Geburt des gemeinsamen Kindes war die Antragstellerin auch wegen der Betreuung dieses Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Unterhaltsansprüche gegen den Vater ihrer weiteren Kinder waren nach § 1586 Abs. 1 BGB erloschen. Nach § 1586 a BGB in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung leben solche Ansprüche, die nicht auf § 1570 BGB beruhen, auch nicht wieder auf (vgl. BT-Drucksache 16/1830 S. 22).
40
bb) Das Berufungsgericht verkennt allerdings, dass es nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht entscheidend auf die Dauer der Ehe und der Kindererziehung, sondern auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile ankommt, wofür die Ehedauer und die zunehmende Verflechtung der gemeinsamen Verhältnisse lediglich Indizien sind.
41
Hier hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Antragstellerin verpflichtet und in der Lage ist, eine vollschichtige Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf auszuüben. Schon dieser Umstand spricht gegen fortdauernde ehebedingte Nachteile. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass während der Betreuung des gemeinsamen Kindes die Gelegenheit zu Fort- und Weiterbildungen eingeschränkt gewesen sei und deshalb Gehaltseinbußen nicht ausgeschlossen werden könnten, verkennt es die Darlegungs- und Beweislast. Diese trägt für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, weil § 1578 b BGB - wie schon die früheren Vorschriften der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB - als Ausnahmetatbestand konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist" sprechen (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 136).
42
Solche Umstände, die trotz der Obliegenheit zur Übernahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit fortdauernde ehebedingte Nachteile begründen könnten, nämlich dass sie infolge ihrer Berufspause an keiner Fortbildung teilnehmen konnte und deswegen heute über ein geringeres Einkommen verfügt, als es ohne die Ehe und Kindererziehung der Fall wäre, hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgen diese auch nicht aus den infolge der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit nicht unerheblich reduzierten eigenen Rentenanwartschaften. Zwar weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin während der Ehezeit lediglich Anwartschaften in Höhe von monatlich 86,76 € erworben hat. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs sind ihr allerdings vom Versicherungskonto des Antragsgegners weitere Anwartschaften in Höhe von 451,27 € übertragen worden. Allein aus der knapp 13-jährigen Ehezeit verfügt die Antragstellerin deswegen über Rentenanwartschaften in Höhe von 538,03 €. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass dieser Anteil der Altersversorgung deutlich unter dem Wert liegt, den die Antragstellerin auf der Grundlage der erzielbaren Einkünfte in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester ohne Ehe und Kindererziehung während derselben Zeit erworben hätte.
43
Unabhängig von der Höhe der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte können ehebedingte Nachteile i.S. von § 1578 b BGB regelmäßig nicht mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und den dadurch bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden ist. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und damit in der Regel vollständig ausgeglichen, was einen zusätzlichen unterhaltsrechtlichen Ausgleich ausschließt.
44
3. Danach kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben und ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte Aufgabe des Tatrichters ist. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgeblichen Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 800 m.w.N.). Das Berufungsgericht wird deswegen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung in § 1578 b BGB erneut über die Befristung des Anspruchs der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt zu befinden haben. Hahne Sprick Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Dose
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 11.07.2005 - 172 F 2200/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.06.2006 - 4 UF 208/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 47/10 Verkündet am:
23. November 2011
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 313, 1578 Abs. 1 Satz 2 aF, 1578 b; ZPO § 323 aF; EGZPO § 36

a) Dass der Unterhaltspflichtige mit der Herabsetzung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2
BGB aF eines nach altem Recht nicht befristbaren Unterhaltsanspruchs - hier
Anspruch auf Altersunterhalt - ausgeschlossen war, steht einer Herabsetzung
und/oder Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB nicht entgegen.

b) Der durch die Eheschließung bedingte Wegfall eines aus einer früheren Ehe herrührenden
Unterhaltsanspruchs stellt keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von
§ 1578 b BGB dar.
BGH, Urteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - OLG Düsseldorf
AG Mülheim an der Ruhr
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der 1939 geborene Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des Unterhaltsanspruchs der 1932 geborenen Beklagten, seiner geschiedenen Ehefrau.
2
Die Parteien schlossen 1978 die Ehe und lebten seit 1983 voneinander getrennt. Seit 1987 ist die Scheidung der kinderlos gebliebenen Ehe rechtskräftig. Die Beklagte war von 1955 bis 1977 in erster Ehe verheiratet; diese Ehe wurde wegen Verschuldens des Ehemanns im Jahr 1977 geschieden. Unterhaltsansprüche gegen ihren ersten Ehemann machte die Beklagte nicht geltend.
3
Mit Vergleich, den die Parteien im Scheidungstermin 1987 schlossen, verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltszahlung an die Beklagte von 1.010 DM. Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens schlossen die Parteien 1990 einen zweiten Vergleich, in dem der Unterhalt auf monatlich 1.250 DM heraufgesetzt wurde. Ihren letzten Vergleich schlossen die Parteien am 2. April 2003 in einem von der Beklagten im Jahr 1996 eingeleiteten Abänderungsverfahren. In jenem Verfahren, in dem der Kläger widerklagend die Befristung des titulierten Unterhaltsanspruchs begehrte, vereinbarten die Parteien für die Zeit ab Januar 2005 einen monatlichen Unterhalt von 700 € auf der Basis der beiderseitigen Renteneinkünfte der Parteien sowie des Wohnvorteils des Klägers.
4
Auf die im August 2009 rechtshängig gewordene Abänderungsklage hat das Amtsgericht den Unterhalt für die Zeit ab Juni 2010 auf 500 € herabgesetzt und bis zum 30. Juni 2011 befristet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2010, 1912 veröffentlicht ist, wie folgt begründet:
7
Der durch Vergleich titulierte Unterhaltsanspruch könne nach Maßgabe des § 313 BGB nur abgeändert werden, wenn bei den Umständen, die zur Grundlage des Vergleichs geworden seien, nach dessen Abschluss eine schwerwiegende Veränderung eingetreten wäre und die Parteien aufgrund der Veränderung den Vergleich in der vorliegenden Form nicht geschlossen hätten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Auf der Grundlage der aktuellen Renteneinkünfte der Parteien sei von einem Unterhaltsanspruch von rund 728 € auszugehen (auf Seiten des Klägers: Regelaltersrente in Höhe von rund 1.148 € sowie ZVK-Rente in Höhe von rund 298 €; auf Seiten der Beklagten: Regelaltersrente in Höhe von rund 318 €). Damit lägen Veränderungen bei den für die Unterhaltshöhe erheblichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien, die zu einer Anpassung des titulierten Unterhaltsanspruchs zugunsten des Klägers führen könnten, nicht vor.
8
Eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage sei zwar durch die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 eingetreten. Dadurch sei die Befristungsmöglichkeit für den hier maßgeblichen Altersunterhalt grundsätzlich eröffnet worden. Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs scheide nach der gemäß § 1578 b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB vorzunehmenden Billigkeitsabwägung aber aus, weil bei der Beklagten durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit entstanden seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
9
Da die erste Ehe der Beklagten aus Verschulden ihres früheren Ehemanns geschieden worden sei, habe die Beklagte gegen diesen einen - auch nach den Reformen des Unterhaltsrechts im Jahr 1977 und 2008 - nicht befristbaren Unterhaltsanspruch gemäß § 58 Ehegesetz (EheG). Der Umstand, dass die Beklagte den Unterhaltsanspruch nach der Scheidung ihrer ersten Ehe für die relativ kurze Zeit bis zur Eheschließung der Parteien nicht geltend gemacht habe, sei für den Bestand ihres Unterhaltsanspruchs nicht erheblichgewesen. Durch die Eheschließung der Parteien sei der vorstehende Unterhaltsanspruch der Beklagten kraft Gesetzes entfallen. Der Wegfall des Unterhaltsanspruchs führe insbesondere nach dem Eintritt der Beklagten ins Rentenalter zu erheblichen Nachteilen, weil das Scheidungsrecht bis zum 1. Juli 1977 den Versorgungsausgleich nicht gekannt habe und die bedürftigen Ehegatten nach einer Scheidung auch ihren Bedarf im Alter vollumfänglich durch Unterhalt hätten decken müssen.
10
Einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs stehe bereits entgegen, dass sich für eine kinderlose Ehe, die weniger als zehn Jahre gedauert habe, die rechtlichen Möglichkeiten der Unterhaltsherabsetzung seit dem Abschluss des Vergleichs im April 2003 nicht wesentlich geändert hätten; eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage könne somit im Hinblick auf die Herabsetzbarkeit des streitgegenständlichen Unterhaltsanspruchs nicht festgestellt werden.
11
Eine Abänderung des Unterhaltsanspruchs stünde zudem das durch § 36 EGZPO geschützte Vertrauen der Beklagten in die unbegrenzte Fortdauer ihres Unterhaltsanspruchs entgegen.

II.

12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
13
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des Prozessvergleichs richtet sich somit nach § 323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG - Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 10).
14
2. Zu Recht geht die Revision davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs vorliegen.
15
a) Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines Prozessvergleichs richtet sich allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN). Dabei ist - vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage - durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Herabsetzung bzw. Befristung getroffen haben (vgl. Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 13 mwN).
16
Die Parteien haben sich letztmalig im Jahr 2003 über den nachehelichen Unterhalt verständigt. Ob dieser Vergleich eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten (Herabsetzung bzw. Befristung) enthält, hat das Berufungsgericht nicht geprüft und demgemäß die gebotene Auslegung des Vergleichs unterlassen. Hierauf kommt es für das Revisionsverfahren indes nicht entscheidend an. Denn selbst wenn eine solche Auslegung zu dem Ergebnis gelangte, dass die Parteien eine spätere Begrenzung des Unterhalts hätten ausschließen wollen, wäre eine Herabsetzung bzw. Befristung nunmehr nach § 313 iVm § 1578 b BGB eröffnet. Von daher kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der Senat die - grundsätzlich dem Tatrichter obliegende - Auslegung des Vergleichs hier ausnahmsweise selbst vornehmen könnte (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 15 ff., 17).
17
b) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden , soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.
18
aa) Sofern die Parteien in ihrem Vergleich aus dem Jahre 2003 im Hinblick auf die damals geltende Rechtslage eine Befristung des Unterhaltsanspruchs auf Dauer ausschließen wollten, stellte - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage dar, da nunmehr der Anspruch auf Altersunterhalt erstmals einer Befristung zugänglich war.
19
bb) Gleiches gilt, soweit die Parteien in dem Vergleich die Möglichkeit einer späteren Herabsetzung ausschließen wollten.
20
Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, dass sich die rechtlichen Verhältnisse - bezogen auf die Möglichkeit der Herabsetzung - nicht we- sentlich geändert haben. Eine Herabsetzung des Unterhaltsmaßes war gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon nach altem Recht möglich, wobei die danach maßgeblichen Abwägungskriterien weitgehend deckungsgleich sind mit den in der Nachfolgevorschrift des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB spezifizierten Billigkeitsgesichtspunkten (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 20 und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 21). Die mit Senatsurteil vom 12. April 2006 (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006,1006) vollzogene Rechtsprechungsänderung betraf lediglich Fälle des Aufstockungsunterhalts, in denen statt auf das Kriterium der Ehedauer nunmehr vorrangig auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abzustellen war (Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 23). Demgegenüber stand die Dauer der hier zu beurteilenden, kinderlos gebliebenen Ehe von rund neun Jahren einer Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon nach altem Recht nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1990 - XII ZR 64/89 - FamRZ 1990, 857, 858 f.).
21
Jedoch hat der Gesetzgeber mit § 1578 b BGB den Bestand der bis dahin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände nicht nur hinsichtlich der Dauer, sondern auch bezogen auf die Höhe des Unterhalts einer Revision unterzogen. Nicht nur dass diese erstmals befristet werden können, mit § 1578 b Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber zudem ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, Herabsetzung und Befristung zu kombinieren (BTDrucks. 16/1830 Seite 19). Damit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder aber auch alternativ möglichen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den Unter- halt zu begrenzen, stellt es jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar.
22
c) Bei der sonach gemäß § 313 BGB im Lichte des § 1578 b BGB vorzunehmenden Vertragsanpassung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine Begrenzung des Unterhalts nicht ausgeschlossen. Vielmehr lässt die zu treffende Billigkeitsabwägung nach den getroffenen Feststellungen eine Herabsetzung sowie eine anschließend einsetzende Befristung geboten erscheinen.
23
aa) Es fehlt bereits an ehebedingten Nachteilen, die einer Begrenzung des Unterhalts entgegenstehen könnten. Vor allem stellt der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Umstand, dass der Ehegattenunterhaltsanspruch der Beklagten gegen ihren früheren Ehemann wegen der Heirat mit dem Kläger untergegangen sei, keinen solchen Nachteil dar.
24
(1) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
25
Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemein- schaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 19 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 22).
26
(2) Gemessen hieran lassen sich den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen keine ehebedingten Nachteile entnehmen.
27
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Wegfall des Unterhaltsanspruchs der Beklagten gegen ihren ersten Ehemann - ungeachtet der fehlenden Feststellungen zur Werthaltigkeit des Anspruchs - bezogen auf die Ehe der Parteien keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578 b BGB darstellt.
28
Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 1578 b BGB vielmehr einen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (BT-Drucks. 16/1830 S. 18). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Nachteile, die allein durch den Akt der Eheschließung entstanden sind, keine Nachteile sind, die der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe erlitten hat. Vielmehr tritt der Wegfall des Unterhaltsanspruchs aus erster Ehe als vom Gesetz zwingend vorgesehene Rechtsfolge ein.
29
Dass die Beklagte andere ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b BGB erlitten hat, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich.
30
bb) Nach den bislang getroffenen Erwägungen des Oberlandesgerichts stehen einer Begrenzung des Unterhalts ebenso wenig die nacheheliche Solidarität bzw. der Vertrauensschutz entgegen.
31
(1) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 21 ff.).
32
Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von § 1578 b BGB nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach § 1578 b BGB vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung be- ruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO bereits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des § 1578 b BGB aufgeht, ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach § 1578 b BGB in vollem Umfang Rechnung getragen ist (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 32).
33
(2) Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Billigkeitsabwägung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.
34
(a) Zwar obliegt die Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578 b BGB grundsätzlich dem Tatrichter. Diese kann vom Revisionsgericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob das Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebende Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 47). Letzteres ist hier der Fall.
35
(b) Im Ergebnis unschädlich ist allerdings, dass das Berufungsgericht die nach § 1578 b BGB gebotene Billigkeitsabwägung der Sache nach unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gemäß § 36 EGZPO durchgeführt hat, anstatt letzteren im Rahmen der Abwägung nach § 1578 b BGB zu berücksichtigen.
36
(c) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Abwägung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund ihres Alters zusätzliche Einkünfte nicht mehr erzielen könne und zudem aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes in ihren Möglichkeiten, ihren Lebensstandard einem niedrigeren Einkom- mensniveau anzupassen, erheblich eingeschränkt sei. Diese besonderen, durch Krankheit und hohes Alter erheblich erschwerten Lebensumstände der Beklagten lassen es nach Auffassung des Oberlandesgerichts gerechtfertigt erscheinen, ihrem Vertrauen auf den unbefristeten Fortbestand des Unterhaltsanspruchs ein höheres Gewicht beizumessen als dem Interesse des durch die langjährige Unterhaltszahlung belasteten Klägers, aus seiner Verpflichtung entlassen zu werden.
37
Die vorerwähnten Gesichtspunkte, die bezogen auf Gesundheit und Alter jedenfalls auch dem Bereich der nachehelichen Solidarität zuzuordnen sind, rechtfertigen für sich genommen keine lebenslange Lebensstandardgarantie, wie sie sich als Konsequenz des Berufungsurteils in der Sache ergeben hätte. Bei seiner Abwägung hat das Berufungsgericht - im Gegensatz zum Amtsgericht - nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger bei einer nur rund neun Jahre langen Ehe und einem Zusammenleben von lediglich rund fünf Jahren über einen Zeitraum von zwanzig Jahren Unterhaltszahlungen in nicht geringer Höhe an die Beklagte erbracht hat (vgl. dazu die Ausführungen in dem amtsgerichtlichen Urteil vom 12. November 2009). Hinzu kommt, dass aus der Verbindung der Parteien keine Kinder hervorgegangen sind. Dabei ist auch die zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten, die um so gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 36). Einer Befristung des nachehelichen Unterhalts steht nach der - insoweit allerdings erst nach dem Berufungsurteil veröffentlichten - Senatsrechtsprechung auch nicht entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte dadurch möglicherweise sozialhilfebedürftig würde (Senatsurteile vom 30. März 2011 - XII ZR 63/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 21 und vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 26 jeweils mwN).
38
Nach den getroffenen Feststellungen wäre dem Vertrauen der Beklagten vielmehr mit einer stufenweisen Herabsetzung und Befristung, wie sie etwa das Amtsgericht vorgenommen hat, hinreichend Rechnung getragen. Eine unbefristete Unterhaltsverpflichtung, so wie sie das Berufungsgericht ausgesprochen hat, erscheint demgegenüber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände für den unterhaltsverpflichteten Kläger unzumutbar.

III.

39
Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuverweisen. Eine abschließende Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO ist dem Senat mangels Entscheidungsreife nicht möglich. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Mülheim an der Ruhr, Entscheidung vom 12.11.2009 - 22 F 660/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.03.2010 - II-8 UF 173/09 -

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 16/07 Verkündet am:
14. November 2007
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die zu einer Befristung oder
Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt der Unterhaltsverpflichtete
, weil sowohl § 1573 Abs. 5 als auch § 1578 Abs. 1 Satz 2
BGB als Ausnahmetatbestände konzipiert sind. Hat der Unterhaltspflichtige
allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie die Aufnahme einer vollzeitigen
Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe
ausgeübten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung
des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten
, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung
oder für eine längere "Schonfrist" sprechen.
BGH, Urteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - OLG Brandenburg
AG Eberswalde
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach
Schriftsatznachlass bis zum 26. Oktober 2007 durch den Richter Sprick, die
Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2006 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Streitwert: 1.320 € Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten im Scheidungsverbundverfahren noch um den nachehelichen Ehegattenunterhalt.
2
Der am 22. Februar 1958 geborene Antragsteller und die am 2. Januar 1966 geborene Antragsgegnerin hatten am 15. Juni 1985 die Ehe geschlossen, aus der zwei am 18. Oktober 1984 und am 9. Juli 1988 geborene Söhne hervorgegangen sind. Nachdem sich die Parteien Ende 2001/Anfang 2002 getrennt hatten, wurde ihre Ehe auf den im August 2003 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil vom 17. Juli 2006 geschieden. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 27. Oktober 2006 rechtskräftig. Im Berufungsverfahren wur- de die Antragsgegnerin verurteilt, an den Antragsteller einen Zugewinnausgleich in Höhe von 17.941,21 € nebst Zinsen zu zahlen. Dieser Ausspruch ist seit dem 9. Juni 2007 rechtskräftig.
3
Die Parteien sind je zu 1/2 Eigentümer eines Hausgrundstücks, das im Verfahren des Zugewinnausgleichs mit 149.000 € bewertet wurde und seinerzeit noch mit 71.051,52 € belastet war. Außerdem ist der Antragsteller zu 1/4 Miterbe eines weiteren Grundbesitzes mit einem Gesamtwert von 65.000 €.
4
Nachdem die Parteien während ihrer Ehe zunächst in ihrem gemeinsamen Haus in der früheren DDR gelebt hatten, zog der Antragsteller im Jahre 1992 nach Nordhrein-Westfalen, wo er als Vulkaniseur berufstätig ist. Er erzielt ein unterhaltsrelevantes Monatseinkommen in Höhe von 2.375,62 €, wovon er monatlich auf die Belastungen des gemeinsamen Hausgrundstücks 459,12 € zahlt. Die Antragsgegnerin ist Ende 2005 aus der früheren Ehewohnung ausgezogen und lebt seitdem in Hessen, wo sie inzwischen in Vollzeit als kaufmännische Angestellte berufstätig ist. Daraus erzielt sie monatliche Einkünfte, die sich zuzüglich Steuererstattungen im Jahre 2006 auf 1.871 € beliefen und ab 2007 1.809 € betragen. Davon zahlt sie monatlich 150 € auf die Darlehen für das gemeinsame Hausgrundstück. Die Parteien beabsichtigen, das Grundstück alsbald zu veräußern.
5
Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragsgegnerin auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt mangels Bedürftigkeit abgewiesen. Auf die Berufung der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht ihr monatlichen Aufstockungsunterhalt für die Zeit bis Dezember 2006 in Höhe von 84 € und für die Zeit ab Januar 2007 in Höhe von 110 € zugesprochen und den Unterhaltsanspruch auf die Zeit bis 31. Dezember 2011 begrenzt. Gegen diese Begrenzung des Aufstockungsunterhalts richtet sich die Revision der Antragsgegnerin.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7
Das Oberlandesgericht hat den Anspruch der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunterhalt aus der Differenz der unterhaltsrelevanten Einkünfte beider Parteien abzüglich eines Erwerbstätigenbonus errechnet, zumal die gemeinsamen volljährigen Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig seien. Es hat den Unterhaltsanspruch allerdings auf die Zeit bis einschließlich Dezember 2011 zeitlich begrenzt, weil ein zeitlicher unbegrenzter Unterhaltsanspruch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung unbillig sei. Dabei komme der Ehedauer von etwa 18 Jahren zwar einiges Gewicht zu. Es widerspreche jedoch Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den Gesichtspunkt der Dauer der Ehe im Sinne einer festen Zeitgrenze zu berücksichtigen , von der ab ein Unterhaltsanspruch grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sei. Die Möglichkeit einer Befristung des Aufstockungsunterhalts beruhe auf dem Gedanken, dass eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur angemessen sei, wenn der Unterhaltsberechtigte u.a. erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen habe. Seien diese Voraussetzungen nicht gegeben oder habe sich der Lebensstandard des Unterhaltsberechtigten durch die Ehe sogar verbessert , werde es oft angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit einen Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspreche, den er vor der Ehe gehabt habe. Vorrangig abzustellen sei deswegen darauf, ob sich die Einkommensdifferenz der Ehegatten, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründe , als ein ehebedingter Nachteil in der Einkommenssituation und damit auch in der beruflichen Entwicklung darstelle. Das sei vorliegend nicht der Fall.
8
Dass die Antragsgegnerin durch die Ehe in ihrer beruflichen Entwicklung bzw. in der Steigerung ihres Qualifikationsniveaus gehindert worden sei, sei weder vorgetragen, noch seien nach den Umständen Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Auch habe die Antragsgegnerin seit der Trennung 2001/2002 hinreichend Gelegenheit gehabt, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen, und ihre Erwerbstätigkeit ab Januar 2006 zu einer Vollzeittätigkeit ausgeweitet. Sie behaupte selbst nicht, dass das von ihr bezogene Gehalt nicht der eigenen beruflichen Qualifikation als Wirtschaftskauffrau entspreche. Die Differenz der beiderseitigen Einkünfte stelle sich nicht als ehebedingter Nachteil dar. Es sei auch weder vorgetragen noch bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin durch die Betreuung der beiden gemeinsamen Söhne, die regelmäßig nicht länger als bis zum 16. Lebensjahr erforderlich sei, berufliche Nachteile oder wesentliche Einkommenseinbußen erlitten habe. Eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie zulasten des Antragstellers erscheine unbillig, zumal die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Scheidung erst 40 Jahre alt gewesen sei und gesundheitliche Einschränkungen nicht ersichtlich seien. Eine Befristung des Aufstockungsunterhalts auf weitere fünf Jahre gebe der Antragsgegnerin hinreichend Gelegenheit, sich auf die neuen, allein an ihrer eigenen beruflichen Qualifikation ausgerichteten wirtschaftlichen Verhältnisse einzustellen. Auch nach Wegfall der Unterhaltszahlungen des Antragstellers könne die Antragsgegnerin mit ihrem Eigeneinkommen einen angemessenen Lebensstandard aufrechterhalten. Hinzu komme, dass die Parteien den Verkauf des gemeinsamen Hauses planten. Dann verfüge die Antragsgegnerin nicht nur über zusätzliche Rücklagen , sondern erspare die monatlichen Tilgungsraten von gegenwärtig 150 €. Weitere Umstände, die im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung zu ihren Gunsten zu berücksichtigen seien, habe die Antragsgegnerin auch im Rahmen der Erörterung der vorgesehenen Befristung im Senatstermin nicht geltend gemacht.
9
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

II.

10
Gegen die vom Berufungsgericht ausgesprochene Begrenzung des Aufstockungsunterhalts auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
11
1. Schon aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften des § 1573 Abs. 5 und des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, dass der nacheheliche Unterhalt in erster Linie ehebedingt entstandene Nachteile des unterhaltsberechtigten Ehegatten ausgleichen will.
12
Allerdings verschafft der Aufstockungsunterhalt dem unterhaltsberechtigten Ehegatten schon dem Grunde nach einen Anspruch auf Teilhabe an dem während der Ehe erreichten Lebensstandard (BVerfG FamRZ 1981, 745, 750 f.). Insoweit unterscheidet er sich zur Höhe von anderen Tatbeständen des nachehelichen Unterhalts wie dem Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB (vgl. insoweit BVerfG FamRZ 2007, 965, 971 und Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 798), dem Unterhaltsanspruch bis zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 BGB oder dem Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB, die im Ansatz auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile abstellen (vgl. BT-Drucks. 7/4361 S. 15).
13
Gleichwohl sah das durch das 1. EheRG eingeführte Unterhaltsrecht ursprünglich keine ausdrückliche Befristungsmöglichkeit und auch kaum Raum für Billigkeitsabwägungen vor. Schon seinerzeit wurde jedoch ein zeitlich unbe- grenzter Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen als mit dem Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB unvereinbar kritisiert. Vor allem in Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte durch die Ehe keine nennenswerten beruflichen Nachteile erlitten hatte und die Ehe nicht von längerer Dauer war, wurde eine zeitlich unbegrenzte Lebensstandardgarantie als unbillig empfunden (Griesche in FamGb [1992] § 1578 Rdn. 58). Um solche Unbilligkeiten im Einzelfall ausschließen zu können, hat der Gesetzgeber bereits durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 in § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Möglichkeit zur Begrenzung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen eingeführt (BT-Drucks. 10/2888, S. 18; vgl. auch Dose FamRZ 2007, 1289, 1293).
14
Außerdem war seinerzeit wegen der ungünstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt weit häufiger und für längere Zeiträume Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB und Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zugesprochen worden, als es der Gesetzgeber vor Inkrafttreten des 1. EheRG vorausgesehen hatte (Griesche in FamGb [1992] § 1573 Rdn. 42). Dadurch hatten der Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit und der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 1 und 2 BGB) eine Bedeutung erlangt, die dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit in § 1569 BGB widersprach. Weil diese Rechtswirklichkeit mit der Sicherung des angemessenen Unterhalts als vorrangigem Ziel des nachehelichen Unterhalts nur noch schwer vereinbar war, führte der Gesetzgeber neben der Möglichkeit zur Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die Möglichkeit zur zeitlichen Befristung der Ansprüche auf Arbeitslosen- und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 5 BGB) ein (BT-Drucks. 10/2888, S. 18).
15
Beide Vorschriften sollen nach dem Willen des Gesetzgebers unbillige Ergebnisse durch einen lebenslangen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen verhindern und somit auch den Widerspruch zwischen dem Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung und dem Zweck des Aufstockungsunterhalts lösen.
16
2. Nach dem Wortlaut des § 1573 Abs. 5 BGB kann u.a. der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. Die Zeit der Kindeserziehung steht dabei der Ehedauer gleich.
17
a) Trotz dieses Wortlauts scheidet eine Befristung des Aufstockungsunterhalts nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Senats nicht schon allein wegen einer langen Ehedauer aus, selbst wenn diese mehr als 20 Jahre beträgt.
18
Zwar hat § 1573 Abs. 5 BGB als unterhaltsbegrenzende Norm Ausnahmecharakter und findet deswegen vor allem bei kurzen und kinderlosen Ehen Anwendung. Die Vorschrift ist allerdings nicht auf diese Fälle beschränkt. Denn das Gesetz legt in § 1573 Abs. 5 BGB, ebenso wie in § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB, keine bestimmte Ehedauer fest, von der ab eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht kommt. Wie der Senat inzwischen mehrfach ausgeführt hat, widerspräche es auch dem Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den Billigkeitsgesichtspunkt "Dauer der Ehe" im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen, von der ab der Unterhaltsanspruch grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sein kann. Vielmehr stellt das Gesetz die Ehedauer als Billigkeitsgesichtspunkt gleichrangig neben die "Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit". Bei der Billigkeits- abwägung sind zudem die Arbeitsteilung der Ehegatten und die Ehedauer lediglich zu "berücksichtigen"; jeder einzelne Umstand lässt sich also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung ins Feld führen. Zudem beanspruchen beide Aspekte , wie das Wort "insbesondere" verdeutlicht, für die Billigkeitsprüfung keine Ausschließlichkeit (Senatsurteile vom 23. Mai 2007 - XII ZR 245/04 - FamRZ 2007, 1232, 1236, vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 799 f., vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 203 und vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007).
19
Die zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB setzt somit - wie die Begrenzung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB - stets eine individuelle Billigkeitsabwägung voraus, die alle Umstände des Einzelfalles einbezieht. Das Ergebnis dieser Billigkeitsabwägung kann deswegen auch bei länger als 20 Jahre andauernden Ehen zu einer Begrenzung des nachehelichen Unterhalts führen, während sie bei erheblich kürzeren Ehen aus anderen Gründen ausgeschlossen sein kann (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006).
20
b) In seiner neueren Rechtsprechung stellt der Senat im Einklang damit und mit dem vorrangigen Zweck des nachehelichen Unterhalts nicht mehr entscheidend auf die Ehedauer, sondern darauf ab, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz , die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose FamRZ 2007, 1289, 1294 f.). Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bietet deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie im Sinne einer fortwirkenden Mitverantwortung. Ist die nacheheli- che Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen , dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (Senatsurteile vom 26. September 2007 - XII ZR 11/05 und XII ZR 15/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen ; vgl. auch BT-Drucks. 10/2888, S. 19).
21
c) Die Begrenzung des Aufstockungsunterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1573 Abs. 5 BGB setzt nicht zwingend voraus, dass der Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt, bereits erreicht ist. Wenn die dafür ausschlaggebenden Umstände bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist eine Entscheidung über eine Begrenzung nicht einer späteren Abänderung nach § 323 Abs. 2 ZPO vorzubehalten, sondern schon im Ausgangsverfahren zu treffen (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 799). Ob die für eine Begrenzung ausschlaggebenden Umstände allerdings bereits im Ausgangsverfahren zuverlässig vorhersehbar sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantworten (vgl. Senatsurteile vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1008 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 800 einerseits sowie Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 204 und vom 23. Mai 2007 - XII ZR 245/04 – FamRZ 2007, 1232, 1236 andererseits).
22
d) Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt der Unterhaltsverpflichtete , weil sowohl § 1573 Abs. 5 als auch § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB als Ausnahmetatbestände konzipiert sind. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten , Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist" sprechen (Hahne FamRZ 1986, 305, 310; Dose FamRZ 2007, 1289, 1296).
23
e) Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 800 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
24
3. Auf der Grundlage dieser neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. auch Senatsurteile vom 26. September 2007 - XII ZR 11/05 und XII ZR 15/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen) hat das Berufungsgericht zu Recht entscheidend auf die Fortdauer ehebedingter Nachteile abgestellt und in diesem Zusammenhang die relativ lange Dauer der Ehe von mehr als 18 Jahren bis zur Zustellung des Scheidungsantrags berücksichtigt.
25
a) Soweit das Berufungsgericht im Rahmen seiner Billigkeitsentscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin seien schon jetzt nicht mehr ersichtlich, wendet sich die Revision dagegen ohne Erfolg. Insbesondere hat das Berufungsgericht zu Recht die unstreitigen Tatsachen berücksichtigt, dass die Parteien bereits seit 2001/2002 dauernd getrennt leben und die Antragsgegnerin seit Januar 2006 wieder in Vollzeit in ihrem erlernten Beruf als Wirtschaftskauffrau tätig ist. Ebenso durfte das Berufungsgericht berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Scheidung erst 40 Jahre alt war und gesundheitliche Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit nicht ersichtlich sind.
26
Wegen der Vollzeiterwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf und des Alters der Antragsgegnerin bei Ehescheidung durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass wesentliche ehebedingte Nachteile nicht mehr vorliegen, was eine zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts nach Ablauf einer "Schonfrist" rechtfertigt. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revision hätte es deswegen der Antragsgegnerin oblegen, weitere konkrete Umstände vorzutragen , die trotz dieser gewichtigen unstreitigen Tatsachen für die Fortdauer wesentlicher ehebedingter Nachteile sprechen. Weil die Antragsgegnerin dem nicht nachgekommen ist, durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Differenz der unterhaltsrelevanten Einkünfte beider Ehegatten nicht auf einen ehebedingten Nachteil, sondern auf deren allgemeine berufliche Qualifikation zurückzuführen ist.
27
Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht auch nicht zu einem ausdrücklichen rechtlichen Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet. Denn die Parteien waren bereits in der Güteverhandlung vor dem Amtsgericht vom 19. September 2005 darauf hingewiesen worden, dass nachehelicher Unterhalt allenfalls für eine befristete Zeit in Betracht komme. Auch im Rahmen der Erörterung der vorgesehenen Befristung im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht hat die Antragsgegnerin solche Umstände - ausweislich des Inhalts des angefochtenen Urteils - nicht vorgetragen. Im Hinblick auf die ausdrücklich beantragte Befristung und die unstreitigen gewichtigen Gesichtspunkte gegen fortdauernde ehebedingte Nachteile hätte die Antragsgeg- nerin auch ohne ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis erkennen müssen, dass es ihr obliegt, gleichwohl fortbestehende Nachteile substantiiert vorzutragen.
28
b) Auch soweit das Berufungsgericht den Aufstockungsunterhalt unter Berücksichtigung der langen Trennungszeit auf etwa fünf Jahre nach rechtskräftiger Ehescheidung begrenzt hat, hält dies den Angriffen der Revision stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss sich die Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Unterhaltsanspruchs aus § 1573 Abs. 2 BGB nicht schematisch an der Ehedauer orientieren. Vielmehr findet die Übergangszeit ihren Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Ehescheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (Senatsurteil vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 39/85 - FamRZ 1986, 886, 889). Zwar kann auch dabei die Dauer der Ehe nicht völlig unberücksichtigt bleiben; auch bei sehr langer Ehedauer wird es dem Unterhaltsberechtigten aber in Fällen wie dem hier vorliegenden regelmäßig möglich sein, seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse innerhalb einer mehrjährigen Übergangszeit auf die Einkünfte einzurichten, die er ohne die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten zur Verfügung hat.
29
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist die vom Berufungsgericht ausgesprochene mehr als fünfjährige Übergangszeit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit berücksichtigt, dass die Einkünfte der Ehegatten nach Abzug der Kreditverpflichtungen nur relativ gering voneinander abweichen, so dass sich gegenwärtig nur ein Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 110 € errechnet. Weiterhin durfte das Berufungsgericht berücksichtigen, dass die Ehegatten beabsichtigen, ihr gemeinsames Hausgrundstück zu veräußern, wodurch die monatliche Belastung der Antragsgegnerin in Höhe von 150 € entfällt. Allein dadurch wird die Antragsgegnerin aus ihrem eigenen Einkommen mehr zur Verfügung haben, als ihr gegenwärtig aus Einkommen und Unterhalt nach Abzug der Belastungen verbleiben. Zudem dürfte im Hinblick auf den Wert des Hausgrundstücks und die Höhe der Belastungen ein Verkaufserlös verbleiben, der für jeden Ehegatten 30.000 € deutlich übersteigt. Aus diesem Betrag kann die Antragsgegnerin weitere Vermögenseinkünfte erzielen. Sie kann davon aber auch unvorhersehbare größere Ausgaben tätigen, was es ihr zusätzlich erleichtert, sich nach einer Übergangszeit auf die eigenen Einkünfte zu beschränken. Wenn das Berufungsgericht die Übergangszeit - nachdem bereits 5 Jahre seit der Trennung vergangen waren - gleichwohl mit weiteren fünf Jahren bemessen hat, belastet dies die Antragsgegnerin nicht in unzumutbarer Weise und ist deswegen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Eberswalde, Entscheidung vom 17.07.2006 - 3 F 271/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.12.2006 - 10 UF 164/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 107/06 Verkündet am:
16. April 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1578 b, 1579 Nr. 5; BGB a.F. §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2

a) Der objektive Tatbestand des für eine Verwirkung nach § 1579 Nr. 5 BGB sprechenden
Härtegrundes kann auch dadurch erfüllt sein, dass der Unterhaltsberechtigte
den Verpflichteten nicht ungefragt über einen erheblichen Anstieg des eigenen
Einkommens informiert (Fortführung des Senatsurteils vom 29. Januar 1997
- XII ZR 257/95 - FamRZ 1997, 483).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte eine vollzeitige Erwerbstätigkeit in dem von ihm erlernten
oder vor der Ehe ausgeübten Beruf aufgenommen, können
ehebedingte Nachteile i.S. von § 1578 b BGB nicht mit den durch die Unterbrechung
der Erwerbstätigkeit während der Ehe bedingten geringeren Rentenanwartschaften
begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden
hat. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann in gleichem Umfang
von beiden Ehegatten zu tragen und damit vollständig ausgeglichen (Fortführung
des Senatsurteils vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134).
BGH, Urteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - OLG Hamm
AG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Auf die Revision des Antragsgegners wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Antragsgegners erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
2
Die 1956 geborene Antragstellerin und der 1957 geborene Antragsgegner hatten am 23. Juni 1989 die Ehe geschlossen, aus der die am 30. Oktober 1989 geborene Tochter C. hervorgegangen ist. Die Antragstellerin hatte ihre vorehelich geborenen Töchter K., geboren am 15. Februar 1984, und F., gebo- ren am 8. Januar 1988, mit in die Ehe gebracht. In dem ehelichen Haushalt lebte zudem die am 21. Oktober 1983 geborene Pflegetochter D., die der Antragsgegner und seine verstorbene erste Ehefrau aufgenommen hatten.
3
Im Juli 2002 zog die Antragstellerin mit ihren drei Töchtern aus der Ehewohnung aus. Der Antragsgegner verblieb mit seiner Pflegetochter in dem in seinem Eigentum stehenden Haus.
4
Mit gerichtlichem Vergleich vom 29. September 2003 verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin ab Oktober 2003 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 557 € zu zahlen. Dabei gingen die Parteien von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin aus Teilzeittätigkeit in einem Seniorenheim in Höhe von 800 € sowie monatlichen Nebeneinkünften in Höhe von 155 € aus. Schon ab Dezember 2003 erzielte die Antragstellerin aus ihrer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf als Krankenschwester durchschnittliche Nettoeinkünfte in Höhe von monatlich 1.184 € sowie weiterhin Nebeneinkünfte in der zuvor berücksichtigten Höhe. Dieses höhere Einkommen teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner erst im Rahmen der Verhandlungen über den nachehelichen Unterhalt auf ausdrückliche Anfrage mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 mit.
5
Mit Teilvergleich vom 20. April 2005 verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 66.500 € zu zahlen. Mit Verbundurteil vom 11. Juli 2005 wurde die Ehe der Parteien geschieden , der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsgegner zur Zahlung nachehelichen Altersvorsorge- und Aufstockungsunterhalts in Höhe von insgesamt 609 € monatlich verurteilt. Von dem Rentenversicherungskonto des Antragsgegners wurden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin zusätzlich zu den ehezeitlich selbst erworbenen 86,76 € monatlich weitere 451,27 € übertragen. Der Scheidungsausspruch und die Entscheidung zum Versorgungsausgleich sind seit dem 29. November 2005 rechtskräftig.
6
Die Antragstellerin hat nachehelich zunächst monatliche Einkünfte aus ihrer Teilzeittätigkeit als Krankenschwester in Höhe von 1.184 € sowie Nebeneinkünfte in Höhe von 155 € erzielt. Der Antragsgegner hat zunächst unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von 2.769,69 € erzielt, denen eine anteilige Steuererstattung sowie der Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus hinzuzurechnen sind. Seit Juli 2006 bezieht er Kurzarbeitergeld. Von diesen Einkünften schuldet der Antragsgegner auch der gemeinsamen Tochter C. Barunterhalt.
7
Auf die Berufung des Antragsgegners gegen den Unterhaltsausspruch in dem Verbundurteil hat das Oberlandesgericht die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Antragsgegner zu zeitlich gestaffelten Unterhaltsleistungen , zuletzt für die Zeit ab Dezember 2006 in Höhe von monatlich 48,63 € Altersvorsorgeunterhalt und 192,52 € Elementarunterhalt, verurteilt. Gegen diese Entscheidung richten sich die zugelassenen Revisionen beider Parteien. Während die Antragstellerin Zurückweisung der Berufung des Antragsgegners begehrt, beantragt der Antragsgegner vollständige Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet. Die Revision des Antragsgegners führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A

9
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2007, 215 veröffentlicht ist, hat die Unterhaltspflicht des Antragsgegners aus dem angefochtenen Urteil herabgesetzt und den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin zusätzlich für die Dauer eines Jahres um monatlich 100 € gekürzt. Die vom Antragsgegner begehrte Befristung des nachehelichen Unterhalts hat es hingegen abgelehnt.
10
Für die Antragstellerin sei von einem fiktiven monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.900 € auszugehen, da ihr im Hinblick auf das Alter der gemeinsamen Tochter von 16 Jahren bei Rechtskraft der Ehescheidung eine vollschichtige Tätigkeit zumutbar sei und sie sich nicht hinreichend um eine Ausweitung ihrer Teilzeittätigkeit bemüht habe. Das aus ihrer Tätigkeit im Umfang von wöchentlich 19,25 Stunden erzielte Bruttojahreseinkommen von 18.892,36 € sei deswegen auf 37.785 € zu verdoppeln, woraus sich ein Nettomonatseinkommen in Höhe von 1.842 € ergebe. Unter Berücksichtigung steuerfreier Bezüge und möglicher beruflicher Aufwendungen erscheine ein Nettoeinkommen aus Vollzeittätigkeit in Höhe von 1.900 € monatlich als angemessen. Abzüglich des Erwerbstätigenbonus seien somit Einkünfte in Höhe von 1.628,57 € unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Von dem im Zugewinnausgleich erhaltenen Betrag könne die Antragstellerin 60.000 € zu einem Zinssatz von 3 % anlegen und daraus - nach Abzug von Steuern - monatlich 140 € erzielen , die ebenfalls im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen seien.
11
Auf Seiten des Antragsgegners sei zunächst von seinem Einkommen als technischer Angestellter in Höhe von 2.769,69 € netto auszugehen. Dem sei ein Anteil der Steuererstattung in Höhe von monatlich 217,26 € hinzuzurechnen. Den Wohnvorteil des vom Antragsgegner genutzten Einfamilienhauses mit ei- ner Wohnfläche von 120 m² hat das Berufungsgericht auf monatlich 600 € geschätzt. Davon hat es verbrauchsunabhängige Kosten in Höhe von monatlich 178 € sowie Kosten für Instandhaltung in Höhe von monatlich 54 € abgesetzt. Von dem verbleibenden Einkommen sei der Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter C. nach der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle abzusetzen. Aus der Differenz des verbleibenden Einkommens zu dem Einkommen der Antragstellerin ergebe sich der ausgeurteilte Altersvorsorge- und Elementarunterhalt.
12
Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei allerdings für die Dauer eines Jahres um monatlich 100 € zu kürzen, weil die Antragstellerin ihren Anspruch insoweit nach § 1579 Nr. 4 BGB a.F. verwirkt habe. In dem am 29. September 2003 abgeschlossenen Vergleich über den Trennungsunterhalt seien die Parteien von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 800 € monatlich ausgegangen. Tatsächlich habe sie seit Dezember 2003 ein deutlich höheres Einkommen erzielt, das sie dem Antragsgegner aber erst mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 zur Kenntnis gebracht habe. Die Antragstellerin sei verpflichtet gewesen, dem Antragsgegner die Steigerung ihres Einkommens auch ungefragt mitzuteilen. Denn aus dem Unterhaltsvergleich ergebe sich eine vertragliche Treuepflicht, die eine Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten begründe, dem Unterhaltspflichtigen jederzeit und unaufgefordert Umstände zu offenbaren, die dessen Verpflichtung aus dem Vergleich berührten. Dabei könne offen bleiben, ob und in welcher Höhe durch die Verletzung dieser Treuepflicht tatsächlich ein Schaden des Antragsgegners entstanden sei. Eine Verwirkung könne schon bei schwerwiegender Gefährdung seiner Vermögensinteressen eintreten, auch wenn wegen der im März 2004 an den Antragsgegner ausgezahlten Steuererstattung allenfalls ein geringer Schaden entstanden sei. Gleichwohl sei eine Sanktionierung des Fehlverhaltens geboten, weil die Antragstellerin nicht davon habe ausgehen können, dass der Antragsgegner ebenfalls höhere Einkünfte zur Verfügung habe. Unter Abwägung aller Gesamtumstände erscheine eine Kürzung des nachehelichen Elementarunterhalts um monatlich 100 € für die Dauer eines Jahres angemessen.
13
Eine Befristung des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. hat das Berufungsgericht abgelehnt. Zwar habe die Antragstellerin ihre Berufstätigkeit schon vor der Schwangerschaft mit dem gemeinsamen Kind C. aufgegeben. Außerdem könne sie seit der Scheidung wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester arbeiten. Einer Befristung des Unterhaltsanspruchs stehe allerdings die ehezeitliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entgegen, zumal die Antragstellerin deswegen während der Ehezeit lediglich Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 86,76 € erworben habe. Gegen eine Befristung sprächen auch die lange Ehedauer von fast 13 Jahren und die dadurch eingetretene ehebedingte Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse. Außergewöhnliche Umstände, die hier gleichwohl eine Befristung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die 50 Jahre alte Angestellte arbeite zwar wieder in ihrem alten Beruf. Dabei sei allerdings zu bedenken, dass aufgrund der Betreuung des gemeinsamen Kindes die Gelegenheit zu Fort- und Weiterbildungen eingeschränkt gewesen sei und deshalb Gehaltseinbußen nicht ausgeschlossen werden könnten. Dabei verkenne das Berufungsgericht nicht, dass die zu berücksichtigende Ehe- und Kinderbetreuungsdauer praktisch zu einem dauerhaften Unterhaltsanspruch führe, obwohl die im Falle einer späteren vollschichtigen Erwerbstätigkeit verbleibenden ehebedingten Nachteile des Unterhaltsberechtigten in der Regel von dem Unterhaltspflichtigen durch den Versorgungsausgleich aufgefangen würden und damit auch diesen träfen. Im Ergebnis sei eine Begrenzung des Unterhalts aber nicht möglich, weil außergewöhnliche Umstände nicht vorlägen.
14
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

B


I.

15
Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet, weil die Bemessung der unterhaltsrelevanten Einkünfte mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang steht und die vorübergehende Kürzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 5 BGB1579 Nr. 4 BGB a.F.) aus Rechtsgründen keinen Bedenken begegnet.
16
1. Soweit das Berufungsgericht den Wohnvorteil des Einfamilienhauses des Antragsgegners mit 600 € monatlich bemessen hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
17
a) Zwar hatte die Antragstellerin insoweit einen Wert von 750 € monatlich behauptet und dafür Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten. Der Sachvortrag der Antragstellerin geht allerdings nicht über die Umstände hinaus, die das Berufungsgericht in zulässiger Weise bei der Bemessung der erzielbaren Marktmiete nach § 287 ZPO berücksichtigt hat. Denn das Berufungsgericht hat sowohl die unstreitige Wohnfläche und Ausstattung als auch die Lage des Objekts zwischen einem Landschaftsschutzgebiet und dem nahe gelegenen Flughafen berücksichtigt. Damit hat das Berufungsgericht die wertbildenden Faktoren in hinreichendem Umfang in seine Schätzung einbezogen und sein tatrichterliches Ermessen bei der Ermittlung des Wohnwerts in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2007 - XII ZR 141/05 - FamRZ 2007, 1532, 1534). Das Berufungsgericht hat seine Bemessung weder auf falsche Erwägungen gestützt noch hat es für die Bemessung der Marktmiete (vgl. insoweit Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965) wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen (zur tatrichterlichen Schätzung vgl. BGHZ 3, 162, 175 f. und BGHZ 6, 62, 63). Insbesondere lässt sich dem Berufungsurteil auch entnehmen , dass das Berufungsgericht die Investitionen des Antragsgegners durch Einbau einer Gas-Zentralheizung, eines Parkettbodens und durch die Erneuerung der Sanitärausstattung berücksichtigt hat.
18
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin trifft den Antragsgegner hier auch keine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung, selbst wenn der Abzug verbrauchsunabhängiger Kosten und der Instandhaltungskosten zu einem geringeren Wohnwert führen würde, als dem Antragsgegner als Zinsgewinn im Falle einer Veräußerung des Hauses verbliebe. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann zwar eine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung bestehen, wenn nach den gegenwärtigen Verhältnissen keine wirtschaftlich angemessene Nutzung des vorhandenen Vermögens verwirklicht wird. Davon kann aber nicht schon dann ausgegangen werden, wenn der verbleibende Wohnvorteil nicht den Ertrag erreicht, den der Ehegatte nach einem Verkauf des Wohneigentums erzielen könnte. Vielmehr muss sich die tatsächliche Anlage des Vermögens - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - als eindeutig unwirtschaftlich darstellen, bevor der geschiedene Ehegatte auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden kann (Senatsurteil vom 23. November 2005 - XII ZR 51/03 - FamRZ 2006, 387, 391). Danach ergibt sich hier jedenfalls keine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung durch Verkauf des Einfamilienhauses. Zu Recht weist der Antragsgegner nämlich darauf hin, dass er dieses Haus in die Ehe eingebracht hatte und darin außer ihm auch seine Pflegetochter wohnt. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung des auch sonst gewährleisteten Schutzes für ein angemessenes , selbst bewohntes Hausgrundstück (vgl. insoweit § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) ist dem Antragsgegner eine Umschichtung seines Grundvermögens nicht zumutbar.
19
2. Auch das Einkommen der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats bemessen.
20
a) Weil die gemeinsame Tochter der Parteien im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung bereits 16 Jahre alt war, ist das Berufungsgericht auch auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 1570 BGB von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin ausgegangen.
21
Bei der Bemessung des aus einer solchen Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkommens ist es von dem seinerzeit erzielten Bruttoeinkommen aus der Teilzeittätigkeit von 19,25 Stunden wöchentlich ausgegangen und hat dieses verdoppelt. Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Aus dem so errechneten Bruttoeinkommen hat das Berufungsgericht durch Abzug der gesetzlichen Abgaben und unter Berücksichtigung beruflicher Aufwendungen einerseits sowie steuerfreier Bezüge als Krankenschwester andererseits ein durchschnittlich erzielbares Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.900 € ermittelt. Auch das wird von der Revision der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen und ist auch sonst nicht zu beanstanden. Insbesondere wird diese konkrete Berechnung nicht durch die pauschale Behauptung der Antragstellerin erschüttert, sie könne allenfalls monatlich 1.500 € netto erzielen. Mangels hinreichend substantiierten Sachvortrags war das Berufungsgericht deswegen auch nicht gehalten, das von der Antragstellerin beantragte Sachverständigengutachten zur Höhe des erzielbaren Einkommens einzuholen.
22
Auch soweit das Berufungsgericht von einer realen Beschäftigungsmöglichkeit der im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung 49 Jahre alten Antragstellerin ausgegangen ist, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Denn sie arbeitet bereits einige Zeit wieder in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester. Konkrete Umstände, die einer Ausweitung dieser Berufstätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit entgegenstehen, hat die Antragstellerin in den Tatsacheninstanzen ebenfalls nicht vorgetragen. Die beiden vorliegenden Absagen auf Bewerbungen der Antragstellerin um eine Vollzeittätigkeit können die Annahme einer fehlenden Beschäftigungschance nicht rechtfertigen.
23
Entgegen der Rüge der Antragstellerin hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des fiktiv zu berücksichtigenden Einkommens der Antragstellerin auch nicht ihre eventuellen Fahrtkosten übergangen. Denn es hat solche beruflichen Aufwendungen den steuerlichen Vorteilen aus steuerfreien Bezügen gegenübergestellt. Auch diese Schätzung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
24
b) Nach § 1579 Nr. 5 BGB1579 Nr. 4 BGB a.F.) ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat.
25
aa) Die Begrenzung des Unterhalts verlangt somit neben dem Härtegrund der Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen stets auch eine grobe Unbilligkeit für den Unterhaltspflichtigen unter Wahrung der Belange des Unterhaltsberechtigten (Senatsurteil BGHZ 146, 391, 399 = FamRZ 2001, 541, 543 f.). Je schwerer ein Härtegrund wiegt, umso mehr ist es dem Unterhaltsberechtigten zuzumuten, die unterhaltsrechtlichen Folgen seines Verhaltens weitgehend selbst zu tragen und entsprechende Einschränkungen auf sich zu nehmen , soweit nicht das Kindeswohl eine andere Beurteilung erfordert (vgl. auch Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 615, 618).
26
bb) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zu Recht eine mutwillige Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen des Antragsgegners angenommen.
27
Zwar setzt der Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB objektiv ein gravierendes Verhalten des Unterhaltsberechtigten voraus, was sich aus der Wortwahl "schwerwiegende" und "hinwegsetzen" ergibt. Damit stellt die Vorschrift nicht allein auf den Umfang der Vermögensgefährdung ab, sondern auch auf die Intensität der Pflichtverletzung. Nicht erforderlich ist es, dass dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich ein Vermögensschaden entsteht. Es genügt eine schwerwiegende Gefährdung seiner Vermögensinteressen, die - wie hier - dadurch entstehen kann, dass der Unterhaltsschuldner bereits geleisteten Unterhalt trotz angestiegenen Einkommens des Unterhaltsberechtigten später nicht zurückfordern kann (vgl. insoweit Senatsurteil vom 22. April 1998 - XII ZR 221/96 - FamRZ 1998, 951 ff.).
28
Diese objektive Voraussetzung der Verwirkung hat das Berufungsgericht zu Recht als erfüllt angesehen, weil die Antragstellerin die erhebliche Steigerung ihres unterhaltsrelevanten Einkommens seit dem Abschluss des Vergleichs dem Antragsgegner nicht mitgeteilt hat. Damit hat sie gegen ihre Obliegenheit zur ungefragten Information über spätere Einkommensänderungen verstoßen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind jedenfalls die Parteien eines Unterhaltsvergleichs verpflichtet, sich gegenseitig ungefragt zu informieren, wenn ihr Verdienst das für die Bemessung des Unterhalts berücksichtigte Einkommen deutlich übersteigt (Senatsurteile vom 29. Januar 1997 - XII ZR 257/95 - FamRZ 1997, 483, 484 und vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - FamRZ 1986, 450, 453). Weil sich die Parteien hier im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs über den Trennungsunterhalt geeinigt hatten, kommt es nicht darauf an, ob sich diese Verpflichtung zur ungefragten Information nur aus der vertraglichen Treuepflicht nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs oder unabhängig von der Art des Unterhaltstitels schon aus dem unterhaltsrechtlichen Treueverhältnis ergibt (so Büttner FF 2008, 15; vgl. auch Hoppenz FamRZ 1989, 337, 338 f. und Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 1 Rdn. 696 ff.).
29
Subjektiv erfordert der Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB ein mutwilliges Handeln, das zumindest leichtfertiges Verhalten des Unterhaltsberechtigten voraussetzt (Senatsurteile BGHZ 146, 391, 399 f. = FamRZ 2001, 541, 544 und vom 13. Juli 1988 - IVb ZR 39/87 - FamRZ 1988, 1031, 1033; Gerhardt/ von Heintschel-Heinegg/Klein Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 6. Aufl. Kap. 6 Rdn. 458). Auch dies hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen.
30
Der Auffassung der Antragstellerin, ihr könne allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil sie die Erhöhung ihrer Einkünfte nicht bewusst verschwiegen , sondern nicht daran gedacht habe, folgt der Senat nicht. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt vielmehr den Schluss des Oberlandesgerichts, dass die Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, wenn es ihr nicht sogar darauf ankam, sich durch das Verschweigen der Höhe ihres Verdienstes Vermögensvorteile zu verschaffen. Denn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses über den Trennungsunterhalt war das Scheidungsverfahren der Parteien bereits anhängig und die Parteien verhandelten außergerichtlich über die Höhe des nachehelichen Unterhalts. Mit dem außergerichtlichen Schreiben vom 9. Dezember 2004 wurde dem Antragsgegner die Verdienstabrechnung für den Zeitraum von Dezember 2003 bis November 2004 "wunschgemäß" überreicht.
Erst im Anschluss daran hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2005 ihren Unterhaltsantrag im Verbundverfahren eingereicht.
31
cc) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der Verwirkung nach § 1579 Nr. 5 BGB auch unter Berücksichtigung des strengen Maßstabs der groben Unbilligkeit hier zu Recht angenommen. Denn die Antragstellerin hat über die Dauer eines Jahres Unterhalt auf der Grundlage deutlich geringerer eigener Einkünfte bezogen, obwohl ihr Einkommen aus Teilzeit- und Nebentätigkeit um annähernd 400 € monatlich angestiegen war. Zwar hat der Antragsgegner im März 2004 eine Steuererstattung erhalten, die jedenfalls teilweise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Dies schließt eine grobe Unbilligkeit als Folge der verschwiegenen höheren Einkünfte der Antragstellerin allerdings nicht aus, weil es auch in Anbetracht dieser Steuererstattung dabei bleibt, dass die Antragstellerin in der Zeit von Dezember 2003 bis März 2004 deutlich höheren Trennungsunterhalt bezogen hat, als ihr nach den höheren eigenen Einkünften zustand. Das Verschweigen der Steuererstattung durch den Antragsgegner kann das Verschweigen der deutlichen Einkommenserhöhung durch die Antragstellerin nicht ungeschehen machen und das unterhaltsbezogen vorwerfbare Verhalten deswegen nicht wieder aufheben. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Verhalten des Antragsgegners hier deswegen erst bei der Bemessung der Rechtsfolge des § 1579 BGB berücksichtigt. Wenn das Berufungsgericht den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin lediglich maßvoll um 100 € monatlich und auch nur befristet auf ein Jahr herabgesetzt hat, ist auch dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

II.

32
Die Revision des Antragsgegners ist hingegen begründet und führt insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.
33
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die von der Antragstellerin erzielbaren Zinsen aus dem erhaltenen Zugewinnausgleich im Wege der Differenzmethode berücksichtigt, weil entsprechende Zinsen schon während der Ehezeit der Parteien angefallen waren. Zinseinkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten aus dem im Zugewinnausgleich erlangten Vermögen zugerechnet werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen. Denn wenn das entsprechende Vermögen - wie hier - auch schon vor der Durchführung des Zugewinnausgleichs vorhanden war und die Vermögenserträge (§ 100 BGB) schon seinerzeit die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmt hatten, macht es keinen Unterschied, ob sie nach wie vor von einem Ehegatten gezogen werden oder ob sie jetzt - nach Durchführung des Zugewinnausgleichs – anteilig auf beide Ehegatten verteilt sind. In beiden Fällen beeinflussen die dann zu berücksichtigenden Vermögenseinkünfte auch die ehelichen Lebensverhältnisse und sind deswegen im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen (Senatsurteil vom 4. Juli 2007 - XII ZR 141/05 - FamRZ 2007, 1532, 1537).
34
2. Mit Erfolg rügt die Revision des Antragsgegners allerdings die Ablehnung der Befristung des nachehelichen Ehegattenunterhalts durch das Berufungsgericht.
35
a) Schon die im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts geltende Rechtslage sah in § 1573 Abs. 5 BGB a.F. und in § 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. eine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des Aufstockungs- unterhalts vor, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig war. Bei der Subsumtion unter diese Ausnahmetatbestände hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr entscheidend auf die Ehedauer, sondern darauf abgestellt, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann. Schon nach dieser früheren Rechtslage bot der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB a. F. deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie i.S. einer fortwirkenden Mitverantwortung. War die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, konnte es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich statt dessen mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose FamRZ 2007, 1289, 1294 f.).
36
b) Diese Rechtsprechung ist in die Neuregelung des § 1578 b BGB zum 1. Januar 2008 eingeflossen. Nach § 1578 b Abs. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Maßgebend ist deswegen darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatrichters ehebedingte Nachteile absehbar sind.
37
Wie das frühere Recht setzt auch die Begrenzung des nachehelichen Unterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1578 b BGB nicht zwingend voraus, dass der Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt, bereits erreicht ist. Wenn die dafür ausschlaggebenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist eine Begrenzung nicht einer späteren Abänderung nach § 323 Abs. 2 ZPO vorzubehalten, sondern schon im Ausgangsverfahren auszusprechen (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 799). Ob die für die Begrenzung ausschlaggebenden Umstände allerdings bereits im Ausgangsverfahren zuverlässig vorhersehbar sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantworten (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135 f.).
38
c) Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Befristung des nachehelichen Unterhalts zu Unrecht abgelehnt.
39
aa) Zwar kommt es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht darauf an, dass die Antragstellerin ihre Berufstätigkeit schon vor Beginn der Schwangerschaft mit der gemeinsamen Tochter aufgegeben hatte, um die Betreuung ihrer beiden aus einer anderen Beziehung stammenden Kinder sicherzustellen. Denn jedenfalls mit der Geburt des gemeinsamen Kindes war die Antragstellerin auch wegen der Betreuung dieses Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Unterhaltsansprüche gegen den Vater ihrer weiteren Kinder waren nach § 1586 Abs. 1 BGB erloschen. Nach § 1586 a BGB in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung leben solche Ansprüche, die nicht auf § 1570 BGB beruhen, auch nicht wieder auf (vgl. BT-Drucksache 16/1830 S. 22).
40
bb) Das Berufungsgericht verkennt allerdings, dass es nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht entscheidend auf die Dauer der Ehe und der Kindererziehung, sondern auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile ankommt, wofür die Ehedauer und die zunehmende Verflechtung der gemeinsamen Verhältnisse lediglich Indizien sind.
41
Hier hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Antragstellerin verpflichtet und in der Lage ist, eine vollschichtige Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf auszuüben. Schon dieser Umstand spricht gegen fortdauernde ehebedingte Nachteile. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass während der Betreuung des gemeinsamen Kindes die Gelegenheit zu Fort- und Weiterbildungen eingeschränkt gewesen sei und deshalb Gehaltseinbußen nicht ausgeschlossen werden könnten, verkennt es die Darlegungs- und Beweislast. Diese trägt für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, weil § 1578 b BGB - wie schon die früheren Vorschriften der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB - als Ausnahmetatbestand konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist" sprechen (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 136).
42
Solche Umstände, die trotz der Obliegenheit zur Übernahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit fortdauernde ehebedingte Nachteile begründen könnten, nämlich dass sie infolge ihrer Berufspause an keiner Fortbildung teilnehmen konnte und deswegen heute über ein geringeres Einkommen verfügt, als es ohne die Ehe und Kindererziehung der Fall wäre, hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgen diese auch nicht aus den infolge der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit nicht unerheblich reduzierten eigenen Rentenanwartschaften. Zwar weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin während der Ehezeit lediglich Anwartschaften in Höhe von monatlich 86,76 € erworben hat. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs sind ihr allerdings vom Versicherungskonto des Antragsgegners weitere Anwartschaften in Höhe von 451,27 € übertragen worden. Allein aus der knapp 13-jährigen Ehezeit verfügt die Antragstellerin deswegen über Rentenanwartschaften in Höhe von 538,03 €. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass dieser Anteil der Altersversorgung deutlich unter dem Wert liegt, den die Antragstellerin auf der Grundlage der erzielbaren Einkünfte in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester ohne Ehe und Kindererziehung während derselben Zeit erworben hätte.
43
Unabhängig von der Höhe der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte können ehebedingte Nachteile i.S. von § 1578 b BGB regelmäßig nicht mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und den dadurch bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden ist. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und damit in der Regel vollständig ausgeglichen, was einen zusätzlichen unterhaltsrechtlichen Ausgleich ausschließt.
44
3. Danach kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben und ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte Aufgabe des Tatrichters ist. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgeblichen Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 37/05 - FamRZ 2007, 793, 800 m.w.N.). Das Berufungsgericht wird deswegen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung in § 1578 b BGB erneut über die Befristung des Anspruchs der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt zu befinden haben. Hahne Sprick Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Dose
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 11.07.2005 - 172 F 2200/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.06.2006 - 4 UF 208/05 -

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 19. April 2011 - 27 F 1154/09 - in dessen Ziff. 3 dahin

abgeändert,

dass der in Höhe von monatlich 565,- EUR zugesprochene Ehegattenunterhalt

a) der Antragsgegnerin erst mit Wirkung ab dem 1. November 2011 zusteht

b) auf den Ablauf des Monats Juli 2019 befristet wird.

Im Übrigen werden die Beschwerde und der weitergehende Folgesachenantrag

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Entscheidung ist sofort wirksam.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt. Der Antragsgegnerin wird auferlegt, auf die Verfahrenskosten monatliche Raten in Höhe von 95,- EUR zu zahlen.

Beschwerdewert: 6.780,- EUR.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten waren Eheleute. Sie stammen aus der Türkei und sind seit dem Jahre 1996 deutsche Staatsangehörige. Aus der im Jahre 1972 geschlossenen Ehe sind vier inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen. Spätestens im Oktober 2008 haben sich die Eheleute getrennt. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Familiengericht die Ehe geschieden - insoweit rechtskräftig seit 16. August 2011 - und der Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 565,- EUR zugesprochen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ehemannes, der einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint, hilfsweise Befristung erstrebt. Die Frau verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung.
Der Ehemann, geboren am 20. November 1955, ist gelernter Schlosser (Schweißer) und war seit 1978 bei der - in der Folgezeit dahin umfirmierten - Fa. ... beschäftigt. Mit dreiseitigem Vertrag vom 17. November 2008 wurde er in ein (auf den Ablauf des 31. Januar 2010) befristetes Arbeitsverhältnis mit einer Auffanggesellschaft ... übernommen. In diesem Vertrag ist ferner geregelt, dass er für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von brutto 100.725,06 EUR sowie durch die Fa. ... ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 3.419,14 EUR erhält. Nach kurzzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld ist er seit dem Frühjahr 2010 mit einer Mietwerkstatt selbstständig erwerbstätig. Infolge zweier Darmoperationen ist ihm seit August 2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 % zuerkannt.
Die Ehefrau ist am 10. Juli 1954 geboren. Eine vormals als Küchenhilfe ausgeübte Arbeitstätigkeit hat sie im Jahre 1998 aufgegeben. Derzeit erhält sie laufende Leistungen nach dem SGB II.
In der angefochtenen Entscheidung ging das Familiengericht von vormaligen Einkünften in Höhe von monatsdurchschnittlich netto rund 1.900,- EUR aus, die der Antragsteller unstreitig bei der ... erzielt hat. Erwerbsbemühungen seien nach Beendigung des mit dieser Auffanggesellschaft bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht erkennbar. Der Ehefrau hat es keine fiktiven Einkünfte zugerechnet, auf ihrer Seite etwa vorhandenes Vermögen unberücksichtigt gelassen und schließlich eine Unterhaltsbefristung abgelehnt, weil der Ehemann die Voraussetzungen des § 1578 b BGB nicht substantiiert vorgetragen habe.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, durch seine selbstständige Erwerbstätigkeit derzeit nur über Negativeinkünfte zu verfügen. Die ihm (in Höhe von netto 71.891,91 EUR) zugeflossene Abfindung habe er verbraucht, um ehebedingte Schulden zurückzuführen und seine Existenzgründung zu finanzieren. Vor allem aber sei die Ehefrau nicht als bedürftig anzusehen. Sie könne arbeiten, krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen würden bestritten. Verfüge sie derzeit über keine hinreichenden Deutschkenntnisse, sei das ihr selbst zuzuschreiben. Außerdem sei sie Eigentümerin mehrerer Immobilien in der Türkei (gewesen), einer vormaligen Ferienwohnung der Ehegatten in S., zweier Bauplätze sowie eines vermieteten Ladens in S.. Außerdem habe sie ihre Miteigentumshälfte an der vormaligen Ehewohnung in S.-B. auf den Sohn E. übertragen. Zur Finanzierung ihres Unterhalts habe sie ihr Vermögen einzusetzen. Jedenfalls könne sie Miete vereinnahmen und lebe auch mietfrei. Soweit sie Vermögen weggegeben habe, könne sie sich darauf nicht berufen. Zugleich sei durch derartige Handlungen der Unterhalt verwirkt. Das ergebe sich auch daraus, dass am 2. August 2008 eine Unterschrift des Antragstellers gefälscht worden sei, um hierdurch unberechtigt Geld von seinem Konto abzuheben. Das sei allerdings gescheitert.
Der Antragsteller beantragt:
Der Beschluss des Amtsgerichts, Familiengericht, Stuttgart vom 19.04.2011 zu Aktenzeichen 27 F 1154/09 wird bezüglich Ziff. 3 des Beschlusses abgeändert: Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichen Ehegattenunterhalt wird zurückgewiesen.
hilfsweise
ist der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gemäß § 1578 b BGB zeitlich zu befristen und/oder herabzusetzen.
10 
Die Antragsgegnerin beantragt ihrerseits,
11 
die Beschwerde zurückzuweisen.
12 
Sie bestreitet, dass der Antragsteller unterhaltsrechtlich leistungsunfähig sei. Bestritten werde auch sein Vortrag im Zusammenhang mit dem Verbrauch der arbeitgeberseits gezahlten Abfindung. Ehebedingte Schulden seien jedenfalls nicht zurückgeführt oder betroffen gewesen. Schließlich bestreitet sie, erwerbsfähig zu sein. Das beruhe auf verschiedenen Erkrankungen, unter anderem Depressionen und Einschränkungen des Bewegungsapparats. Dass sie einer Erwerbstätigkeit seit dem Jahre 1998 nicht mehr nachgehe und nicht gut deutsch spreche, sei nicht ihr alleine anzulasten. Da sie bereits jahrelang nicht mehr erwerbstätig sei, sei sie auch nicht berechtigt, Erwerbsminderungsrente zu beziehen. Die Liegenschaften in der Türkei habe sie an den Schwiegersohn A. O. K. veräußert, weil er mit seiner Ehefrau (der Tochter der Beteiligten), zeitweise für den Unterhalt der Antragsgegnerin gesorgt habe. Dabei seien Angaben weit übersetzt, die der Antragsteller im Hinblick auf den Verkehrswert und die Ertragskraft dieser Liegenschaften gemacht habe. Auch die empfangenen Verkaufserlöse habe sie zwischenzeitlich für ihren eigenen Unterhalt verbraucht.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Der Senat hat mit den beteiligten Ehegatten am 18. Oktober 2011 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen. Den in der Sitzung geschlossenen Vergleich hat der Antragsteller (was ihm vorbehalten war) fristgerecht widerrufen. Zugleich hat er beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
II.
14 
1. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff. FamFG statthaft und zulässig; sie hat in der Sache lediglich teilweise Erfolg. Dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht zu entsprechen, weil die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) nicht vorliegen und der neu gehaltene Vortrag im Sinne von § 115 FamFG verspätet ist.
15 
2. Der laufende Bezug von Leistungen nach dem SGB II führt zum Übergang der Unterhaltsansprüche auf den zuständigen Träger (§ 33 SGB II Abs. 1). Rückübertragung ist weder vorgetragen noch nachgewiesen. Für die Vergangenheit fehlt der Antragsgegnerin deshalb die Aktivlegitimation. Erst für die Zukunft, das heißt dem dem Schluss der mündlichen Verhandlung folgenden Monatsersten (vgl. Gerhardt, in ders./von Heintschel-Heinegg, Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl., § 6 Rn. 28 m.w.N.), kann sie den Unterhalt in eigener Person geltend machen. Außerdem war der Unterhalt nach Maßgabe des § 1578 b Abs. 2 BGB zu befristen (s. dazu unten, 7.).
16 
3. Der Antragsteller ist der Antragsgegnerin dem Grunde nach gemäß §§ 1572, 1573 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Unterhalt nach der Scheidung verpflichtet. Soweit sie derzeit keine Erwerbstätigkeit ausübt, ist das nach der Überzeugung des Senats auf krankheitsbedingte Einschränkungen, im Übrigen auf ihre Vita sowie die langjährige Erwerbspause zurückzuführen (s. dazu unten, 4. b). Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
17 
4. a) aa) Auf Seiten des Ehemannes sind dessen früher erzielte Erwerbseinkünfte fiktiv fortzuschreiben. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Familiengerichts sind das monatsdurchschnittlich netto rund 1.900,- EUR, bezogen auf das von der ... seinerzeit gezahlte Gehalt. Anlässlich seiner Befragung durch den Senat erklärte der Antragsteller, von 1978 bis 2003 bei der Fa. ... beschäftigt und in den Jahren 2004 bis 2008 durch das Unternehmen nach A. entsandt gewesen zu sein. Danach sei er nach Deutschland zurückgekehrt. Die S. Niederlassung habe das Unternehmen sodann geschlossen. Deshalb sei er nach P. gegangen, um nunmehr dort im Unternehmen weiter zu arbeiten. Vielleicht ein halbes Jahr später sei auch dieser Standort geschlossen worden. 150 Mitarbeiter seien nach M. gegangen, 150 weitere entlassen worden. Darunter auch er. M. habe allerdings allen Mitarbeitern angeboten, von P. nach M. zu gehen. Zum Teil habe man Leute entlassen; das habe sich jedoch insbesondere auf jüngere Mitarbeiter beschränkt. Andere, die - wie er - über 30 Jahre im Unternehmen tätig gewesen seien, hätten alle ein Angebot bekommen. Allerdings habe er schon immer den Wunsch gehegt, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Außerdem sei er von der anwaltlichen Vertretung der Ehefrau mit Unterhaltsforderungen konfrontiert worden. Dabei sei er aber der Auffassung gewesen, bereits genug bezahlt zu haben.
18 
Für den Senat lässt das nur den Schluss zu, dass der Antragsteller bei seinem vormaligen Arbeitgeber zu unveränderten Konditionen weiterbeschäftigt worden wäre, diese Möglichkeit jedoch eigenverantwortlich ausschlug, um in der Folge selbstständig erwerbstätig zu sein. Soweit er sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft beruft, gilt nichts anderes. Das ergibt sich zum einen aus den für Schwerbehinderte geltenden, besonderen Kündigungsvorschriften (§ 85 SGB IX), zum anderen aus dem Bekunden des Antragstellers selbst, wonach gerade jüngeren Arbeitnehmer(inne)n gekündigt worden sei. Das bedeutet, dass er sein Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. ... fortsetzen hätte können und bereits die Aufnahme in die Transfergesellschaft ... mit allen sich anschließenden Folgen weder erforderlich noch unterhaltsrechtlich gestattet war.
19 
Der (dreiseitige) Vertrag datiert vom 17. November 2008, wurde mithin geschlossen, als die Eheleute jedenfalls bereits getrennt lebten. Für die Ehefrau hätte deshalb kein Anlass bestanden, eine berufliche Umorientierung des Ehemannes mitzutragen. Konsequenz dessen ist die fiktive Zurechnung seiner vormals bei der Fa. ... erzielten Einkünfte (vgl. BGH, FamRZ 2011, 791, 794 m.w.N.). Dass lediglich die Einkünfte aus dem mit der ... bestehenden Beschäftigungsverhältnis zugerechnet wurden, ist allerdings unangegriffen und beschwert den Antragsteller nicht.
20 
bb) Nach alledem kann dahinstehen, in welcher Höhe der Antragsteller Einkünfte aus der nunmehr selbstständig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt. Dahinstehen kann ebenfalls, wie und inwieweit er die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung verwendet hat (vgl. hierzu: BGH, FamRZ 2010, 1311 m. Anm. Maier). Dass ihn aus der Ehezeit laufende Zahlungsverpflichtungen getroffen hätten oder träfen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Verbindlichkeiten sind deshalb nicht zu berücksichtigen.
21 
b) aa) Die Ehefrau ihrerseits kann nach der durch den Senat gewonnenen Überzeugung Einkünfte erzielen, die monatlich in einer Größenordnung von netto 200,- EUR liegen, darüber hinausgehend jedoch nicht. Sie ist jetzt 57 Jahre alt. Die deutsche Sprache beherrscht sie nur schlecht, was entgegen antragstellerseitigem Vorbringen vor allem in der Ehegestaltung und Lebensführung während des ehelichen Zusammenlebens begründet ist und nicht in der demgegenüber relativ kurzen Zeit der Trennung. Ebenso liegt in der Ehe und der gemeinsamen Entscheidung der Eheleute begründet, dass die Ehefrau bereits im Jahre 1998 ihre damals ausgeübte Beschäftigung aufgegeben hat und seither einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachging (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 629, 630). Die lange „Erwerbsabstinenz“ und ihre schlechten Deutschkenntnisse führen dazu, dass die Antragsgegnerin nach der Einschätzung des Senats realistischer Weise jetzt allenfalls noch eine Arbeitsstelle auf Geringverdienerbasis erlangen könnte. Gesundheitliche Einschränkungen treten hinzu, auch wenn sie durch den Antragsteller bestritten sind. Denn die Antragsgegnerin hat unter anderem eine Entlassungsmitteilung der W.-Kliniken ... vom 11. November 2010 vorgelegt, von wo sie nach einer Heilbehandlung als arbeitsunfähig entlassen worden war.
22 
In dieser Mitteilung ist weiter dargestellt, bei gutem Heilungsverlauf seien leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Vollzeit möglich, ohne ständiges Heben, Tragen, Überkopfarbeiten, abhängig im Übrigen von der Psyche und entsprechender Zusatzbegutachtung. Zur psychologischen Behandlung hat sie dem Senat auf Befragen von dreiwöchentlichen Behandlungen für das letzte Jahr berichtet, welche im laufenden Jahr wieder erfolgten. Bereits im Hinblick auf die Entlassungsmitteilung und ungeachtet weiter vorgelegter Arztberichte ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin gesundheitlich angeschlagen ist. Auch wenn in der genannten Mitteilung von einer „leichten Vollzeittätigkeit“ die Rede ist, sind die entsprechenden Möglichkeiten an den realistischen Gegebenheiten zu messen (vgl. nur BGH, FamRZ 2009, 314; BGH, FamRZ 2008, 2104, 2105 m. Anm. Schürmann). Nach den persönlichen Voraussetzungen der Antragsgegnerin ist der Senat daher der Überzeugung, dass sie durch eine Aushilfstätigkeit monatliche Einkünfte in der Größenordnung von netto 200,- EUR verdienen kann. Dass sie keine Erwerbsminderungsrente beanspruchen kann, beruht auf dem Fehlen der hierfür erforderlichen Pflichtbeitragszeiten (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI).
23 
bb) Der Antragsteller beruft sich auf Vermögenseinsatz. Wie § 1577 BGB bestimmt, kann der geschiedene Ehegatte den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann (§ 1577 Abs. 1 BGB). Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1577 Abs. 3 BGB). Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass der Antragsteller erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und damit verspätet (§ 115 FamFG) vorgetragen, hat, er habe der damaligen Ehefrau Grundstücke in der Türkei zugewandt, auch damit ihr Lebensbedarf gedeckt sei. Diesem Vortrag kann allerdings auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden: Die Ferienwohnung in S. wurde der Antragsgegnerin offenbar durch den vormaligen Schwiegervater zugewandt, nicht durch den Antragsteller. Der Laden, ebenfalls in S., stand oder steht im Miteigentum der Antragsgegnerin mit ihrer Schwester.
24 
Zum baulichen Zustand dieses Gebäudes hat die Antragsgegnerin - insoweit unwidersprochen durch den Antragsteller - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, es seien lediglich Wände vorhanden, ein Dach gebe es nicht. Wiederum unwidersprochen durch den Antragsteller hat sie ferner ausgeführt, die angeblichen Baugrundstücke befänden sich tatsächlich an einem Berg; um Bauland handle es sich nicht. Nicht nur die Divergenz zu den Beschaffenheitsangaben der Grundstücke, sondern auch die völlig konträren Wertansätze machen es für den Senat unmöglich, eine Vermögensverwertung der ausländischen Liegenschaften in Betracht zu ziehen. Jedenfalls kann die durch § 1577 Abs. 3 BGB vorgeschriebene Billigkeitsabwägung nicht erfolgen. Der Senat ist deshalb nicht imstande, den Vermögenseinsatz als billig oder als unbillig zu werten. Der in der mündlichen Verhandlung gehaltene Vortrag spricht vielmehr gegen eine Verwertung des Vermögensstamms. Allerdings erwies sich in der mündlichen Verhandlung zugleich, dass auf Seiten der Antragsgegnerin keine Verpflichtung bestand, die Grundstücke an den Schwiegersohn A. O. K. zu übertragen. Auch wenn eine Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstamms nicht in Betracht zu ziehen ist, rechnet ihr der Senat deshalb die Erträge zu, die aus der jeweiligen Grundstücksnutzung zu ziehen sind. Diese Zurechnung von Erträgen steht für sich genommen der Verwertung des Vermögensstamms entgegen, aus welchem die Erträge gezogen werden. Nach eigenem (bestrittenem) Vortrag des Antragstellers belaufen sich diese Erträge auf (180,- EUR + 150,- EUR =) 330,- EUR im Monat (Schriftsatz vom 26. August 2009, dort. Seite 2, Bl. 16 d.A.; Vortrag der Ehefrau: umgerechnet 120,- EUR). Mit seinen anderslautenden, nämlich höheren, Wertangaben setzt er sich zu seinem eigenen anfänglichen Vortrag in Widerspruch. Außerdem sind jene erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt, verspätet und auch aus diesem Grunde nicht zu berücksichtigen.
25 
Aus der Übertragung der vormaligen Ehewohnung an den Sohn E. folgen allerdings weder ein anzusinnender Vermögenseinsatz noch zuzurechnende Erträge. Denn an dieser Übertragung hat der Antragsteller selbst, wenn auch lediglich über eine auf den Sohn lautende Vollmacht, mitgewirkt. Die Veräußerung von Grundstücken, die die Ehegatten gemeinsam übertragen (haben) und sie deshalb einen jeweiligen Erlösanteil zur freien Verfügung haben, führt nicht zum Vermögenseinsatz nach § 1577 BGB (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 612). Diese Sachlage ist hier jedenfalls vergleichbar.
26 
Sollte die Antragsgegnerin dem Sohn für den Erwerb einer weiteren Eigentumswohnung Mittel überlassen haben, so ist das unterhaltsrechtlich nicht zu beachten. Anderenfalls müssten auch diejenigen Vermögensübertragungen in Betracht gezogen werden, welche der Antragsteller selbst vorgenommen hat. Dessen ungeachtet ist kein Zuwendungsdatum vorgetragen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, vielmehr sogar nahe liegt, dass die genannte Unterstützung mit Billigung des Ehemanns, des Antragstellers, erfolgt ist.
27 
Dass die Antragsgegnerin mietfrei im (nunmehrigen) Eigentum des Sohnes lebt, ist, wie sie zutreffend darlegt, als freiwillige Zuwendung eines Dritten zu erachten, welche den Unterhaltsschuldner regelmäßig nicht entlasten soll (vgl. SüdL, Stand Januar 2011, Nr. 8).
28 
5. Aus alledem errechnet sich zugunsten der Antragsgegnerin ein Unterhaltsanspruch in der Größenordnung, wie ihn auch das Familiengericht ermittelt hat. Dies selbst auf Grundlage der durch den Antragsteller vorgetragenen Miete. Ob die Mieteinkünfte tatsächlich geringer sind oder wären, kann deshalb dahinstehen. Auf die ledigliche Größenordnung darf abgestellt werden, weil das Familiengericht für den Antragsteller - wie bereits dargestellt - Einkünfte wiederum nur in einer Größenordnung von 1.900,- EUR zugrunde gelegt hat. Für die Antragsgegnerin ermittelt sich folgender Unterhalt:
29 
Einkommen Mann, netto monatlich (fiktiv)
1.900,00 EUR
Berufspauschale
-95,00 EUR
Erwerbstätigenbonus
-180,50 EUR
Summe:
1.624,50 EUR
        
        
Einkommen Frau, netto monatlich (fiktiv)
200,00 EUR
Berufspauschale
-10,00 EUR
Erwerbstätigenbonus
-19,00 EUR
Summe Einkünfte
1.795,50 EUR
auf Seiten der Frau: Miete Türkei fiktiv
330,00 EUR
Bedarfsbasis
2.125,50 EUR
Bedarf = 1/2
1.062,75 EUR
Elementarunterhalt (aufgerundet, SüdL Nr. 25)      
562,00 EUR
30 
6. Der Unterhalt ist nicht gemäß § 1579 BGB verwirkt. Der Umstand des (Mit-) Eigentums an Grundstücken in der Türkei war dem Antragsteller von Anfang an bekannt. Entsprechend hat er sich ab Anbeginn hierauf berufen. Ob die Grundstücke noch vorhanden sind oder nicht, ist eine Frage der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit. Gleiches gilt für den Vortrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin verstoße gegen ihre Erwerbsobliegenheiten. Diese Fragestellung ist an anderer Stelle beantwortet (s. oben, 4. b) aa).
31 
Soweit sich der Antragsteller weiter darauf beruft, die Antragsgegnerin habe seine Unterschrift gefälscht und hierdurch versucht, 3.200,- EUR von seinem Konto abzuheben, ist dieser Vortrag wiederum erst verspätet konkretisiert worden. Mit Schriftsatz vom 16. September 2011 hatte der Antragsteller unter Vorlage eines fotokopierten Überweisungsträgers vom 2. August 2008 hierzu lediglich ausführen lassen: „Zur damaligen Zeit fiel eine Überweisung auf, die angebliche Unterhaltsansprüche der Beschwerdegegnerin für die Monate Januar bis April 2007 begleichen sollte. Diese Überweisung wurde nicht vom Beschwerdeführer unterschrieben, was glücklicher Weise von der ... Bank bemerkt wurde. Weiterer Vortrag hierzu bleibt vorsorglich vorbehalten.“ Aus diesem Vortrag, der offenbar nach eigenem Dafürhalten ergänzungsbedürftig war, lässt sich nicht einmal entnehmen, wer den Überweisungsträger anstelle des Antragstellers unterschrieben haben soll. Ein Vorwurf gegenüber der Antragsgegnerin erfolgt allenfalls indirekt. Zwar sind Verwirkungsgründe durch das Gericht von Amts wegen zu beachten; die hierzu erforderlichen Tatsachen sind jedoch beizubringen. Daran fehlt es bis zum Schriftsatz vom 31. Oktober 2011, welcher erst vorgelegt wurde, nachdem die mündliche Verhandlung geschlossen war. Noch in der mündlichen Verhandlung hatte der Antragsteller den Senat fragen lassen, ob nicht von einer Unterhaltsverwirkung auszugehen sei. Der Senat hat daraufhin geantwortet, der hierzu gehaltene Vortrag beziehe sich auf Fragen der Bedürftigkeit. Soweit der Antragsteller weiteren Vortrag in das Verfahren einführen wollte, hätte für ihn spätestens im genannten Zeitpunkt Anlass bestanden, ein Schriftsatzrecht zu beantragen. Das unterblieb.
32 
Dass die Umstände im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Überweisung nicht zu einer Unterhaltsverwirkung führen, ergibt sich aber auch daraus, dass die Ehegatten zur fraglichen Zeit, am 2. August 2008, wohl nicht mehr zusammenlebten, sich jedoch nach eigenem Vorbringen des Antragstellers erst später „offiziell“ trennten, nämlich im darauffolgenden Oktober. In Betracht kommt deshalb, dass die Antragsgegnerin bis dahin zu Verfügungen über das besagte Konto berechtigt war, Vollmacht erteilt oder zwischen den Eheleuten Abreden getroffen waren. So hatte die Antragsgegnerin nach eigenem Vortrag des Antragstellers auch Geld von einem (gemeinsamen) Konto abgehoben. Wie er im Schriftsatz vom 16. September 2011 (dort: Seite 3, Bl. 280 d.A.) darlegt, „flossen die Einkünfte des Beschwerdeführers auf ein gemeinsames Konto, auf welches die Beschwerdegegnerin zugriff.“ Welche Abhebungen bis zu welchem Zeitpunkt von einer dahingehenden Berechtigung umfasst gewesen sein mögen und welche nicht, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Die Voraussetzungen einer Unterhaltsverwirkung sind deshalb nicht gegeben.
33 
7. Der der Antragsgegnerin nach alledem zustehende Unterhalt war gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB zu befristen. Seit der Eheschließung im Jahre 1972 bis zur Zustellung des Scheidungsantrags im Juni 2009 sind 37 Jahre vergangen. Im Laufe der (jahrzehnte-) langen Ehe tritt unter den Eheleuten eine wirtschaftliche Verflechtung ein, die zu einem besonderen Maß an nachehelicher Solidarität führt (vgl. nur BGH, FamRZ 2010, 1971; s. auch Dose, FamRZ 2011, 1341, 1347). Diese nacheheliche Solidarität führt während einer Übergangszeit zu einem weiterhin nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhalt.
34 
In die zur Bemessung dieser Übergangszeit durchzuführende Gesamtabwägung bezieht der Senat die Ehedauer ein, die Erziehung und Betreuung der vier Kinder durch die Ehefrau, daneben das jeweilige Lebensalter der Ehegatten (der Antragteller ist 56, die Antragsgegnerin 57 Jahre alt), die Vermögenssituation unter Einschluss der der Antragsgegnerin noch in der Türkei zugerechneten Vermögensbestandteile und ihres mietfreien Wohnens, ihre gesundheitlichen Einschränkungen und die Schwerbehinderteneigenschaft des Antragstellers, welcher außer über fiktiv zugerechnete Erwerbseinkünfte über keine realen positiven Einkünfte verfügt.
35 
Soweit der Antragsteller geltend macht, die Antragsgegnerin habe keine ehebedingten Nachteile erfahren, kann dem im Ansatz gefolgt werden. Einen Beruf hat sie nicht erlernt; krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen stellen für sich genommen keine ehebedingten Nachteile dar. Allerdings hatte die Antragstellerin bis ins Jahr 1998 eine Beschäftigung als Küchenhilfe ausgeübt, aus welcher sie seinerzeit nach dem Versicherungsverlauf im Sonderheft Versorgungsausgleich ein Jahresbruttoentgelt von (im letzten vollen Beschäftigungsjahr 1997) 35.835,- DM erwirtschaftet hat. Diese Tätigkeit hat die Antragstellerin in der Ehezeit aufgegeben. Ob die gesundheitlichen Einschränkungen, welche für sich genommen nicht zur Annahme eines ehebedingten Nachteils führen, eine weiterhin unveränderte Ausübung dieser Tätigkeit zugelassen hätten, kann dahinstehen. Jedenfalls müsste die Antragsgegnerin, was bei der Bemessung ihrer Erwerbsobliegenheiten berücksichtigt ist, jetzt „von null“ beginnen (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1311, 1315 m. Anm. Maier).
36 
In Würdigung all dieser Gesamtumstände steht der Antragsgegnerin ein nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessender Unterhalt bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze im Juli 2019 zu. Ab Rechtskraft der Ehescheidung am 16. August 2011 sind das noch knapp acht, gerechnet ab Verkündung der vorliegenden Entscheidung etwa siebeneinhalb Jahre. Auf den genannten Zeitpunkt war der Unterhalt nach § 1578 b Abs. 2 BGB zu befristen. Denn Einbußen in der eigenen Altersversorgung werden, bezogen auf die Ehezeit, durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen (vgl. nur BGH, FamRZ 2010, 1633, 1635 m. Anm. Borth). Zugunsten der Antragsgegnerin wurden durch den Versorgungsausgleich 25,1138 EP, daneben ein Anrecht auf Betriebsrente ausgeglichen. Zusammen mit ihren eigenen verbleibenden Rentenanwartschaften von (insgesamt 23,0561 EP ./. 11,4793 EP =) 11,5768 EP wird sie nach derzeitigem Stand über eine gesetzliche Monatsrente von 1.007,89 EUR verfügen [27,47 EUR * (25,1138 EP + 11,5768 EP)], die außerdem ausgeglichene Betriebsrente tritt hinzu. Dadurch ist der angemessene Lebensbedarf im Sinne des § 1578 b Abs. 1 BGB gedeckt, ein weitergehender Ausgleich jedenfalls angesichts der bereits aufgeführten Gesamtumstände nicht geboten.
37 
Das gilt im Ergebnis auch wegen etwa (dann noch vorhandener) ehebedingter Nachteile, welche auf die in der Ehe gewählte Rollenverteilung zurückzuführen sind. Dazu rechnet der Umstand, dass die Antragsgegnerin wegen der Arbeitsplatzaufgabe nunmehr keine Erwerbsminderungsrente beanspruchen kann (s. bereits oben; zum genannten Aspekt vgl. BGH, FamRZ 2011, 713, 716 m. Anm. Holzwarth, FamRZ 2011, 795; BGH, FamRZ 2011, 188, 190). Dass ein Ausgleich insoweit unterbleibt, rechtfertigt sich zugleich aus der auf Seiten des Antragstellers ab Renteneintritt verschlechterten wirtschaftlichen Situation.
38 
Auch wenn zwischen den beteiligten Ehegatten noch eine güterrechtliche oder Vermögensauseinandersetzung ausstehen mag, war der Senat aus derzeitiger Sicht in der Lage, die maßgeblichen Prognosen zu treffen (vgl. BGH, FamRZ 2011, 192, 195 m. Anm. Schürmann).
III.
39 
1. Die Beschwerde hatte nach alledem Erfolg, soweit ein späterer Unterhaltsbeginn sowie eine Unterhaltsbefristung auszusprechen waren. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG. Das jeweilige Obsiegen und Unterliegen, auch im Hinblick auf die spätere Unterhaltsbefristung, erforderte nicht, vom Grundsatz des § 150 Abs. 1 FamFG abzuweichen.
40 
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 70, 116 Abs. 3 FamFG. Die vorliegende Entscheidung betrifft einen Einzelfall, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts; die Rechtsbeschwerde war deshalb nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).
41 
2. Der Antragsgegnerin war die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung zu gewähren. Die Ratenzahlungsanordnung erfolgt nach dem zugesprochenen Unterhalt, den durch sie selbst in Betracht gezogenen Mieterträgen (monatlich 120,- EUR, s. oben) sowie nach Abzug ihres persönlichen Freibetrags. Danach verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 285,- EUR, welches zu Monatsraten von 95,- EUR führt.
42 
3. Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Jahresbetrag der erstinstanzlich zugesprochenen Unterhaltsbeträge (§§ 40, 51 Abs. 1 FamGKG).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 202/08 Verkündet am:
6. Oktober 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
a) Bei der Billigkeitsprüfung nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB ist vorrangig zu
berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind, die schon deswegen
regelmäßig einer Befristung des nachehelichen Unterhalts entgegenstehen
, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen
Unterhalt nicht selbst erzielen kann.
b) Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs
nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1
BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in
Betracht kommt, ist gemäß § 1578 b BGB im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung
zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch
eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche
Solidarität zu berücksichtigen (im Anschluss an das Senatsurteil
vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629).
c) Die Ehedauer gewinnt durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht,
die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der
Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (im Anschluss
an das Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - zur Veröffentlichung
bestimmt).
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - OLG Hamm
AG Lemgo
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Oktober 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dose, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Antragstellerin wird das Urteil des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. November 2008 aufgehoben, soweit es den nachehelichen Unterhalt für die Zeit bis zum 31. Juli 2012 befristet hat. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt.
2
Die 1952 geborene Antragstellerin und der 1949 geborene Antragsgegner schlossen im November 1980 die Ehe, aus der ein 1982 geborener Sohn hervorgegangen ist. Im Januar 2003 trennten sich die Parteien. Der Antragsgegner ist eine neue Partnerschaft eingegangen, aus der im September 2003 eine Tochter hervorgegangen ist.
3
Der Antragsgegner hat aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit und einem Wohnvorteil abzüglich des Unterhalts für die 2003 geborene Tochter sowie seines Erwerbstätigenbonus unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von monatlich 3.563,18 €. Die Antragstellerin erzielt aus ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Motopädin und aus Zinserträgen unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von monatlich 1.019,37 €.
4
Nach ihrer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin war die Antragstellerin von 1971 bis 1973 als Sportlehrerin an einem Gymnasium tätig. Danach zog sie in die Nähe des Antragsgegners, mit dem sie bereits seinerzeit befreundet war und arbeitete bis 1977 als Fachlehrerin für Sport und pflegerische Gymnastik. Sodann zog sie mit dem Antragsgegner in sein Elternhaus in S. - S. und war zunächst sechs Monate arbeitslos. In der Folgezeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Motopädin und war - ab der Heirat nur noch mit zwölf Stunden wöchentlich - in diesem Beruf tätig. Ab der Geburt des gemeinsamen Sohnes war sie zunächst nicht erwerbstätig und übernahm den Haushalt und die Kindeserziehung. Ab Oktober 1987 arbeitete sie wieder – bis zur Scheidung mit reduzierter Stundenzahl und seit August 2008 vollschichtig - in ihrem Beruf als Motopädin.
5
Auf den im November 2003 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden. Außerdem hat es monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 51,74 € vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf das der Antragstellerin übertragen und den Antragsgegner verurteilt, einen Zugewinnausgleich in Höhe von 32.755,86 € an die Antragstellerin zu zahlen. Insoweit ist das Urteil seit dem 24. Juli 2008 rechtskräftig. Auf die Berufung des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den nachehelichen Unterhalt herabgesetzt und den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.272 € für die Zeit bis zum 31. Juli 2012 zu zahlen; den weitergehenden Antrag hat es abgewiesen. Gegen die Befristung des nachehelichen Unterhalts auf die Zeit bis Juli 2012 richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Antragstellerin. Sie begehrt einen unbefristeten Unterhalt in der zugesprochenen Höhe.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
7
Für das Verfahren ist gemäß Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).

I.

8
Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in FF 2009, 28 veröffentlicht ist, hat den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auf vier Jahre nach Rechtskraft der Ehescheidung befristet. Die zwischen den Parteien bestehende Einkommensdifferenz , welche einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründe, beruhe nicht auf ehebedingten Nachteilen, sondern auf einem schon zu Beginn der Ehe bestehenden unterschiedlichen Qualifikationsniveau der Eheleute. Die Antragstellerin sei bei Eingehung der Ehe ausgebildete Motopädin gewesen und habe bereits einige Monate in diesem Beruf gearbeitet. Auch bis zur Geburt des ersten Kindes und ab 1987 habe sie durchgängig beim selben Arbeitgeber in diesem Beruf gearbeitet und sei heute dort vollschichtig tätig. Weder die mehrjährige Berufspause nach der Geburt des gemeinsamen Kindes noch die zeitweise halbschichtige oder stundenweise Tätigkeit seien ursächlich für das relativ geringe Einkommen. Auch bei durchgängig vollzeitiger Erwerbstätigkeit wäre das Einkommen heute nicht höher. Anderes sei nicht ersichtlich und auch von der Antragstellerin nicht dargelegt. Ein ehebedingter Nachteil sei auch nicht in der Aufgabe der früheren Tätigkeit als Sportlehrerin zu erblicken. Sie habe die Tätigkeit an einem Gymnasium bereits 1973 und die Tätigkeit als Lehrerin für Sport und pflegerische Gymnastik 1977 aufgegeben, viele Jahre vor der späteren Heirat. Die Ausbildung zur Motopädin und die Erwerbstätigkeit in diesem Beruf seien deswegen nicht ehe-, sondern ortsbedingt. Denn die Aufgabe der Tätigkeit als Lehrerin sei nicht auf ehespezifische Umstände wie die Rollenverteilung oder die Kinderbetreuung, sondern allein darauf zurückzuführen, dass sie am neuen Wohnort lange vor der Heirat keine adäquate Tätigkeit gefunden habe.
9
Ehebedingte Nachteile ergäben sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer vermögens- und versorgungsrechtlichen Verflechtung. Dass eine derartige Verflechtung nicht als ehebedingter Nachteil im Sinne des § 1578 b BGB angesehen werden könne, belegten die Rechtsinstitute des Zugewinn- und des Versorgungsausgleichs, welche dazu geschaffen seien, ehebedingte Nachteile hinsichtlich des Vermögenserwerbs und der Altersversorgung auszugleichen. Sofern - wie hier - beide Ausgleichsverfahren durchgeführt würden, könne sich kein Ehegatte auf solche ehebedingten Nachteile berufen. Es möge zwar sein, dass die Antragstellerin höhere Rentenanwartschaften erworben hätte, wenn sie durchgängig vollschichtig erwerbstätig gewesen wäre. Sie habe aber nicht behauptet, dass sie dann aus ihrem geringen Einkommen als Motopädin ein Vermögen im Umfang des übertragenen Zugewinns gebildet hätte.
10
Auch die lange Ehedauer stehe einer Befristung des nachehelichen Unterhalts nicht entgegen. Jede Ehe von langer Dauer führe zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung. Die Antragstellerin sei allerdings vollständig auf dem Arbeitsmarkt integriert und dauerhaft in der Lage, für ihren Unterhalt zu sorgen. Durch das Restvermögen aus dem Zugewinnausgleich und ihren Anteil an der Erbschaft nach ihrem Vater sei die Antragstellerin zusätzlich abgesichert. Zwar verfüge der Antragsgegner über ein relativ hohes Einkommen, dessen rückläufige Tendenz allerdings dargelegt sei. Bei seiner Vermögensanlage habe sich der Antragsgegner offenbar deutlich verspekuliert mit der Folge, dass sehr hohen Zins- und Tilgungszahlungen eine äußerst geringe Rendite gegenüberstehe. Eine unbefristete Unterhaltszahlung würde den Antragsgegner daher in erheblichem Umfang belasten, zumal er eine neue Familie gegründet habe, aus der die im Jahre 2003 geborene Tochter hervorgegangen sei. Dabei werde nicht verkannt, dass die Ehe mit 28 Jahren von besonders langer Dauer gewesen sei. Schon 1998 habe es aber in der Ehe "gekriselt" und bereits seinerzeit sei über Rechtsanwälte korrespondiert worden. Auch habe der Antragsgegner bereits im Jahre 2000 mit Kenntnis der Antragstellerin ein außereheliches Verhältnis aufgenommen. Das Vertrauen der Antragstellerin in den Bestand der Ehe sei deswegen schon relativ lange Zeit wenn nicht erschüttert, so doch eingeschränkt gewesen.

II.

11
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
12
1. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revision genügt die angefochtene Entscheidung allerdings den Anforderungen, die § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO an ein Berufungsurteil stellt.
13
a) Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO muss ein Berufungsurteil zwar keinen Tatbestand enthalten. Erforderlich ist aber eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Dazu gehört auch die zumindest sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 20; BGH Urteile vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/04 - FamRZ 2005, 701; BGHZ 156, 216, 218 = FamRZ 2004, 265 und BGHZ 154, 99, 100 f. = FamRZ 2003, 747).
14
b) Eine solche sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge lässt sich dem angefochtenen Urteil hier noch entnehmen.
15
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte das Amtsgericht den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin einen unbefristeten monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.321 € zu zahlen. Mit seiner Berufung wollte der Antragsgegner nach dem Inhalt des Berufungsurteils eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts auf 810 € monatlich und eine Befristung auf die Zeit bis Ende 2008 erreichen. Einen Gegenantrag der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich wiedergegeben. Indem sie nach dem Inhalt des Berufungsurteils allerdings einen ehebedingten Nachteil durch Aufgabe ihrer Sportlehrertätigkeit geltend macht und einen Rückgang des Einkommens des Antragsgegners bestreitet, wendet sie sich in vollem Umfang gegen die Berufung des Antragsgegners. Eine darüber hinaus gehende Anschlussberufung ist weder dem Rubrum noch dem Tenor oder den Gründen des Berufungsurteils zu entnehmen. Damit wird der durch die Anträge der Par- teien zu bestimmende Gegenstand des Berufungsverfahrens noch hinreichend deutlich.
16
2. Die Befristung des nachehelichen Unterhalts, dessen Höhe nicht mehr streitig ist, auf die Zeit bis Juli 2012 hält den Angriffen der Revision hingegen nicht stand.
17
a) Nachehelicher Aufstockungsunterhalt ist nach § 1573 Abs. 2 BGB - vorbehaltlich der im Gesetz vorgesehenen Begrenzungs- und Befristungsmöglichkeit - grundsätzlich zeitlich unbefristet geschuldet. Das Maß des nachehelichen Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Damit unterscheidet sich der nacheheliche Unterhalt grundlegend von dem Verwandtenunterhalt und dem Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB, bei denen sich das Maß des Unterhalts gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt) bestimmt. Der vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleitete Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen bietet dem geschiedenen Ehegatten jedoch keine Lebensstandardgarantie. Denn nachdem das Gesetz mit § 1573 Abs. 5 BGB aF und § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF bereits seit 1986 Möglichkeiten zur Begrenzung und Befristung vorsah, regelt § 1578 b BGB in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung nunmehr generell die Möglichkeit einer Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts.
18
Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
19
aa) Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BGB ist somit vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind, die schon deswegen regelmäßig einer Begrenzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts entgegenstehen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst decken kann. Denn ein ehebedingter Nachteil ergibt sich in der Regel daraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde. § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB sieht deswegen eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts auch lediglich bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor, der nach der Rechtsprechung des Senats durch die eigene Lebensstellung ohne Ehe und Kindererziehung definiert ist (Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 28 ff.).
20
Weil dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig der angemessene Lebensbedarf nach den ohne Ehe und Kindererziehung erzielbaren Einkünften zu belassen ist, sind ihm ehebedingte Nachteile grundsätzlich auszugleichen. Eine Befristung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2 BGB kommt deswegen regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte Einkünfte erzielt, die diesem angemessenen Lebensbedarf entsprechen, wenn also keine ehebedingten Nachteile (mehr) vorliegen.
21
bb) Ob eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist gemäß § 1578 b BGB im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 – FamRZ 2010, 1637 Rn. 47). Entsprechend hat der Senat bereits wiederholt entschieden, dass sich § 1578 b BGB nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt (Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 25 mwN). Auch im Rahmen der insoweit gebotenen Billigkeitsprüfung sind nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB neben weiteren relevanten Umständen im Einzelfall die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe zu berücksichtigen. Dabei ist die Dauer der Ehe allein kein entscheidendes Kriterium, wenn beide Ehegatten während der Ehe vollschichtig berufstätig waren und die Einkommensdifferenz lediglich auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau zurückzuführen ist, das bereits zu Beginn der Ehe vorlag (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2007 - XII ZR 11/05 - FamRZ 2007, 2049 Rn. 20 ff.). Die Ehedauer gewinnt aber durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt. Dieser Gesichtspunkt kann in Fällen, in denen keine ehebedingten Nachteile vorliegen, aus Billigkeitsgründen gegen eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf sprechen (vgl. Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 – FamRZ 2010, 1637 Rn. 48).
22
b) Zu Recht ist das Berufungsgericht hier davon ausgegangen, dass die Antragstellerin keine ehebedingten Nachteile erlitten hat.
23
Zutreffend ist insoweit der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , dass der Antragsgegner als Unterhaltsschuldner, der sich mit seinem Begehren nach Befristung und Begrenzung des nachehelichen Unterhalts auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der dafür sprechenden Tatsachen trägt. In diese Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungsund Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Diese sekundäre Darlegungslast hat im Rahmen des § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt und dies bewiesen werden (Senatsurteil vom 24. März 2010 - XII ZR 175/08 - FamRZ 2010, 875 Rn. 18 ff.).
24
Nachdem der Antragsgegner ehebedingte Nachteile der Antragstellerin in Abrede gestellt hatte, hat die Antragstellerin nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts solche Nachteile nicht substantiiert vorgetragen. Soweit die Revision eine Verletzung des rechtlichen Gehörs behauptet, stützt sie sich lediglich auf eine abweichende rechtliche Bewertung des schon vor der Ehe erlernten und ausgeübten neuen Berufes der Antragstellerin und rügt keinen übergangenen substantiierten Tatsachenvortrag, der sonst einen ehebedingten Nachteil begründen könnte.
25
aa) Der berufliche Wechsel der Antragstellerin von ihrer früheren Tätigkeit als Lehrerin zu ihrem neuen Beruf als Motopädin ist nicht auf die Ehe der Parteien oder die Kindererziehung zurückzuführen. Denn die Antragstellerin hatte ihren früheren Beruf als Lehrerin am Gymnasium bereits 1973 und die spätere Tätigkeit als Fachlehrerin für Sport und pflegerische Gymnastik bereits 1977 aufgegeben, um mit dem Antragsgegner zusammenzuziehen. Ihre Ehe haben die Parteien erst im November 1980 geschlossen, als die Antragstellerin bereits ihren neuen Beruf erlernt und auch ausgeübt hatte. Die deutlich vor der Ehe liegende Entwicklung ist deswegen, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, nicht durch die Ehe, sondern durch das voreheliche Zusammenleben der Parteien veranlasst, was vom Vertrauen in den Bestand der Ehe nicht erfasst wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn. 32 f. und vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 - FamRZ 2010, 1238 Rn. 39).
26
bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht hier auch einen ehebedingten Nachteil durch die vorübergehende Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die anschließend nur teilschichtige Erwerbstätigkeit während der Ehe abgelehnt.
27
In der Regel werden die aus der ehebedingten Erwerbsunterbrechung resultierenden Nachteile in der Altersvorsorge eines Ehegatten durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge ist vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 Rn. 42 und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508 Rn. 25). Nach der Rechtsprechung des Senats können daher ehebedingte Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB unabhängig von der Höhe der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte regelmäßig nicht mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und den dadurch bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden ist. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann im gleichen Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und damit in der Regel vollständig ausgeglichen, was einen zusätzlichen unterhaltsrechtlichen Ausgleich ausschließt (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 Rn. 43).
28
Anderes gilt nur dann, wenn der Nachteil in der Versorgungsbilanz des Unterhaltsberechtigten nicht oder nur teilweise ausgeglichen worden ist, etwa wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte schon während der Ehezeit als Rentner keine eigene Altersvorsorge mehr aufgebaut hat, die im Rahmen der Ehescheidung ausgeglichen werden könnte (Senatsurteil vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 25). Solches ist hier allerdings nicht der Fall. Denn der Antragsgegner war während der gesamten Ehezeit erwerbstätig. Seine während dieser Zeit erworbenen Versorgungsanwartschaften sind im Rahmen des Versorgungsausgleichs vollständig ausgeglichen worden. Zwar war er im weiteren Verlauf der Ehezeit selbständig erwerbstätig und hat seine weitere Altersversorgung lediglich durch Vermögensbildung sichergestellt. In dieser Hinsicht hat aber ein Ausgleich im Rahmen des Zugewinnausgleichs stattgefunden. Unabhängig von der Art der Altersvorsorge ist der Antragsgegner als Pflichtiger im Versorgungs- und Zugewinnausgleich deswegen in gleichem Umfang von der nur eingeschränkten Erwerbstätigkeit der Antragstellerin betroffen, wie diese selbst.
29
c) Nicht hinreichend berücksichtigt hat das Berufungsgericht allerdings, dass § 1578 b BGB nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt ist, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität erfasst, die einer vollständigen Herabsetzung des Lebensniveaus des Unterhaltsberechtigten auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf aus Billigkeitsgründen entgegenstehen kann.
30
aa) Die Feststellung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte und die Billigkeitsabwägung selbst ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf hin überprüft werden, ob dieser wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen oder Beweisregeln verkannt hat. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Das setzt voraus, dass in dem Urteil die wesentlichen Gründe aufgeführt sind, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend waren (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 – FamRZ 2010, 1637 Rn. 42).
31
Die angefochtene Entscheidung trägt dem nicht hinreichend Rechnung, weil sie nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und teilweise auf Umständen beruht, die eine Befristung des nachehelichen Unterhalts nicht zu begründen vermögen.
32
bb) Die Parteien hatten im November 1980 geheiratet und waren bis zur Zustellung des Scheidungsantrags im November 2003, also 23 Jahre, verheiratet. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, dass es bereits 1998 in der Ehe der Partei "gekriselt" habe und der Antragsgegner mit Kenntnis der Antrag- stellerin im Jahre 2000 ein außereheliches Verhältnis aufgenommen habe, steht dies dem Vertrauen in den Bestand der Ehe nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei der Bemessung der Ehedauer auf die Zeit von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags abzustellen (Senatsurteile vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 36 und BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 35). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.
33
Wie der Senat bereits ausgeführt hat, gewinnt die Ehedauer durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt. Dieser Gesichtspunkt kann in Fällen, in denen - wie hier - keine ehebedingten Nachteile vorliegen, aus Billigkeitsgründen gegen eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf sprechen (vgl. Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 – FamRZ 2010, 1637 Rn. 48). Entsprechend erlangt die Ehedauer hier ein besonderes Gewicht, weil die Antragstellerin den gemeinsamen Sohn überwiegend allein erzogen und den Haushalt der Ehegatten geführt hat. Denn sie hat wegen der Kindererziehung für rund fünfeinhalb Jahre auf ihre Erwerbstätigkeit als Motopädin verzichtet und wegen der Haushaltsführung während der gesamten Ehezeit nur mit deutlich reduzierter Stundenzahl gearbeitet.
34
Hinzu kommt, dass die eigene angemessene Lebensstellung der Antragstellerin nur wenig über dem Mindestbedarf liegt, während der Antragsgegner im Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ein deutlich höheres Einkommen erzielt, das rechnerisch einen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Höhe von 1.272 € monatlich begründen würde. Auch die Altersversorgung der Antragstellerin ist, wenngleich sie für die Ehezeit voll- ständig zwischen den Parteien ausgeglichen wurde, nur sehr begrenzt. In der langen Ehe hat sie lediglich eigene gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von rund 160 € erworben, die durch den Versorgungsausgleich um gut 50 € aufgestockt worden sind. Auch unter Berücksichtigung der weiteren vorehelich erworbenen Anwartschaften und des im Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögens von gut 30.000 €, von dem nach der Einschätzung des Berufungsgerichts nur rund 23.000 € verblieben sind, ergibt sich keine ausreichende Grundlage für eine dauerhafte Altersvorsorge. Die Antragstellerin ist deswegen darauf angewiesen , bis zum Rentenbeginn noch eine adäquate weitere Altersvorsorge aufzubauen.
35
cc) Das Berufungsgericht hat auch nicht geprüft, ob die besonderen Umstände des vorliegenden Falles einer Befristung mit der Folge einer vollständigen Absenkung des Unterhalts auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf entgegenstehen und stattdessen eine nur teilweise Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Billigkeit entspricht. Eine solche Prüfung hätte sich angesichts der langen Ehe, der Kindererziehung durch die Antragstellerin und der nur teilweisen Erwerbstätigkeit neben der Haushaltsführung gerade im vorliegenden Fall angeboten.
36
d) Die Entscheidung ist deswegen aufzuheben und das Verfahren ist zur erneuten Feststellung der entscheidungsrelevanten Billigkeitsgesichtspunkte sowie zur abschließenden tatrichterlichen Billigkeitsprüfung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hahne Weber-Monecke Dose Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Lemgo, Entscheidung vom 19.03.2008 - 8 F 527/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.11.2008 - II-7 UF 83/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 162/09 Verkündet am:
26. Oktober 2011
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hinsichtlich ehebedingter
Nachteile bei der Unterhaltsherabsetzung und -befristung (im Anschluss an Senatsurteile
BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 -
FamRZ 2010, 2059).
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - OLG Hamm
AG Coesfeld
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Oktober 2011 durch die Richter Dose, Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. August 2009 aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers für die Zeit ab Januar 2009 zurückgewiesen worden ist. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
2
Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte heirateten im Jahr 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen , von denen sich der jüngste Sohn noch in der Berufsausbildung befindet. Die Parteien trennten sich im April 1997. Ihre Ehe ist seit August 1999 rechtskräftig geschieden.
3
Der Kläger ist Tischlermeister. Er war als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 25% an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieben hat. Außerdem war er Mitgesellschafter einer Grundstücks-GbR, die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt ist. Er ist seit Januar 2008 unter anderem an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezieht seit Dezember 2008 eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Geschäftsführer der GmbH ist er inzwischen abberufen, das Anstellungsverhältnis ist gekündigt worden.
4
Die Beklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und war bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978 in einer Musterschneiderei tätig. Während der Ehe betreute sie im wesentlichen die drei Kinder und versorgte den Haushalt. Außerdem erlitt sie 1980 eine Fehlgeburt. Seit Oktober 1999 geht die Beklagte einer Teilzeitbeschäftigung als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen nach, war aber wegen einer im Jahr 2004 eingetretenen Krebserkrankung wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Nach mehreren Operationen sind gesundheitliche Einschränkungen mit einer Schwerbehinderung von 50% verblieben. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielt sie ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 1.600 € und netto - vor Abzug von Fahrtkosten - rund 1.140 €.
5
Der Kläger war während der Ehe Eigentümer eines Mehrfamilienhausgrundstücks. Die darin befindliche Ehewohnung wurde nach der Scheidung zunächst noch von der Beklagten - als Nießbrauchsberechtigte - und den Kindern bewohnt. Inzwischen wurde das Hausgrundstück veräußert, nachdem die Beklagte gegen eine Abstandssumme auf ihren Nießbrauch verzichtet hatte.
6
Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 521 DM (266,38 €) verpflichtete. Nach Veräußerung des Hausgrundstücks und Auszug der Beklagten stritten die Parteien im Jahr 2003 um eine Abänderung des titulierten Unterhalts. Im Ergebnis erhöhte das Berufungsgericht den laufenden Unterhalt durch Urteil vom 21. Dezember 2005 ab Januar 2006 auf monatlich 357 €.
7
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Reduzierung und Befristung des Unterhalts. Er beruft sich auf sein vor allem krankheitsbedingt verringertes Einkommen und auf eine nach geänderter Rechtslage seit Januar 2008 verstärkte eigene Unterhaltsverantwortung der Beklagten. Die Parteien streiten vor allem um das Bestehen ehebedingter Nachteile auf Seiten der Beklagten.
8
Das Amtsgericht hat den titulierten Unterhalt für November 2008 bis einschließlich April 2009 herabgesetzt, im Übrigen aber bestehen lassen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt - unter anderem gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB - weiter auf zuletzt monatlich 150 € ab Januar 2011 herabgesetzt und wie das Amtsgericht eine Befristung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit welcher er sein Befristungsbegehren zum 31. Dezember 2008 weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision hat Erfolg.
10
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 8 und vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5 und Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

11
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt aufgrund der gegenüber dem Vorprozess veränderten Einkommensverhältnisse der Parteien neu berechnet. Auf Seiten des Klägers ist es lediglich vom Krankengeld- und später vom Rentenbezug sowie Zinseinkünften ausgegangen. Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihr Einkommen aus Teilzeittätigkeit angerechnet und eine weitergehende Erwerbspflicht verneint. Außerdem hat es ihr vorübergehend fiktive Mietzinseinnahmen zugerechnet.
12
Im Hinblick auf die Befristung des Unterhalts seien ehebedingte Nachteile nicht auszuschließen, was sich unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Klägers auswirke und einer Befristung entgegenstehe. Ehebedingte Nachteile folgten noch nicht aus den aufgrund der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit verringerten Rentenanwartschaften. Auch eine Erkrankung sei nur in Ausnahmefällen ehebedingt. Da die Krebserkrankung der Beklagten erst fünf Jahre nach der Scheidung aufgetreten sei, handele es sich insoweit um eine schicksalhafte Entwicklung. Ehebedingte Nachteile könnten aber deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und zudem die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Insofern sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte, die zum Zeitpunkt der Trennung 40 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt nach früherer Rechtslage allenfalls verpflichtet gewesen sei, eine Geringverdienertätigkeit aufzunehmen, seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978, als sie gerade erst knapp 21 Jahre alt gewesen sei, nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet habe. In Anbetracht der nur sehr kurzen Berufstätigkeit im erlernten Beruf könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beklagten ohne die Berufspause Erwerbsmöglichkeiten und Einkommensquellen als Damenschneiderin eröffnet hätten. Die Feststellung, dass sie im Erwerbsleben ohne die Eheschließung und die vier Schwangerschaften nicht besser hätte Fuß fassen können, als dies tatsächlich durch ihre heutige Teilzeittätigkeit erfolgt sei, erscheine zu weitgehend. Zumindest hätte sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften umfassende Berufserfahrung gehabt, die ihr bessere Einkommensquellen hätte eröffnen können. Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass sich gerade in der Textilindustrie im Lauf der Ehezeit der Arbeitsmarkt fast durchweg verschlechtert habe und die Beklagte dadurch gezwungen worden wäre, sich beruflich umzuorientieren, bleibe gänzlich offen, welche endgültige Stellung sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften im Erwerbsleben gehabt hätte. Darüber hinaus könne die Beklagte den Beweis für eine herausragende berufliche Entwicklung (Schneidermeisterin oder sogar eine Leitungsposition in der Textilindustrie) kaum führen. Die schon als lang zu bezeichnende Ehedauer (rund 27 Jahre unter Einschluss der Kinderbetreuungszeiten) sowie die Tatsache, dass sich die Beklagte "seit ihrer Berufspause 1978" allein für Ehe und Familie eingesetzt habe, begründe ein besonders gewichtiges Vertrauen in die erfolgte Unterhaltstitulierung (vgl. § 36 Nr. 1 EGZPO), das unter Abwägung der vorgenannten Umstände einer Befristung entgegenstehe.
13
Demgegenüber sei ungeachtet nicht auszuschließender ehebedingter Nachteile unter Billigkeitsabwägungen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 150 € ab 1. Januar 2011 gerechtfertigt. Der Kläger beziehe nunmehr selbst eine Erwerbsunfähigkeitsrente und habe seit mehr als zehn Jahren durchgängig Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die fortwährende Unterhaltsverpflichtung konkrete Vermögensdispositionen getroffen habe. Darüber hinaus seien die krankheitsbedingten Einschränkungen der Beklagten schicksals- und nicht ehebedingt. Die Beklagte verfüge mit dem Unterhalt ab dem 1. Januar 2011 über ein Einkommen, das dem angemessenen Selbstbehalt von 1.100 € entspreche. Andererseits sei der Kläger durch den Unterhalt nicht unangemessen belastet, berücksichtigend, dass er im Gegensatz zur Beklagten in einer neuen Partnerschaft lebe und aus dem Zusammenleben - wenngleich nicht eheprägend - wirtschaftliche Vorteile haben dürfte.

II.

14
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15
Die Abänderungsklage richtet sich nach § 323 ZPO aF. Ihre Zulässigkeit steht im vorliegenden Fall außer Zweifel.
16
1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an das abzuändernde Urteil davon ausgegangen, dass die Beklagte, nachdem die zeitweiligen Voraussetzungen eines (Anschluss-)Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 2 BGB entfal- len sind, ("jedenfalls") Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB beanspruchen könne.
17
Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt indessen voraus , dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann (Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 f. mwN und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 13). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsurteils an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.
18
2. Bei der Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB ist das Berufungsgericht nach zwischenzeitlichem Krankengeldbezug des Klägers von seinem aufgrund vollständiger Erwerbsminderung gesunkenen Einkommen (Erwerbsminderungsrente zuzüglich Zinsen) ausgegangen. Hierbei handelt es sich zwar um eine nacheheliche Veränderung. Unvorhersehbare nacheheliche Einkommensverringerungen können aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 - FamRZ 1992, 1045, 1046 f.) bereits im Rahmen der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, wenn sie nicht vorwerfbar herbeigeführt wurden. Die Berücksichtigung solcher auch im Fall des Fortbestands der Ehe eingetretener Veränderungen ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 70).
19
Auch ansonsten gibt die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu Beanstandungen, was schließlich auch für den Abzug des - wenngleich hier nachrangigen - Kindesunterhalts vom Einkommen des Be- klagten gilt (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 44 mwN).
20
3. Hinsichtlich der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB begegnet das Berufungsurteil hingegen durchgreifenden Bedenken. Dass die Vorschrift des § 1578 b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht verfassungswidrig ist, hat der Senat bereits entschieden (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 14).
21
a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
22
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.
23
Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der - nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten - Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden , substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
24
Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsachengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persön- lichen Fähigkeiten - etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren - vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
25
bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag ehebedingter Nachteile hat das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen mangelt es an konkreten Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen.
26
Das Berufungsgericht ist statt dessen ohne näheren Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass das Entstehen ehebedingter Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sachvortrag nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen.
27
Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der Hausfrauenrolle geplant oder zu erwarten gehabt hätte, welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen als in der ehelichen Rollenverteilung begründeten Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen nachhaltigen Aufstieg der Beklagten im Beruf der Damenschneiderin sprechen dürfte. Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 33; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 18 und vom 7. Juli 2010 - XII ZR 157/08 - FamRZ 2011, 188 Rn. 20).
28
Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei zunehmend verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen, dass sie ohne Eheschließung ihren Meister gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik erlangt hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelassen , so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden kann.
29
Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
30
cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom - nicht widerlegten - Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.
31
b) Die zur Feststellung ehebedingter Nachteile erhobenen Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Gemäß der - ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen - Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf , der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 14; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 29 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 27 f.).
32
Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veranschlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Herabsetzungsentscheidung kann daher nicht nachvollzogen werden. Dass es den Betrag von 1.100 €, der in der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte als angemessener Selbstbehalt ausgewiesen war, als Mindestbetrag betrachtet hat, lässt sich der Begründung des Berufungsurteils nicht entnehmen. Schon aus der mit 30 Wochenstunden aktuell ausgeübten Tätigkeit der Beklagten ergibt sich hingegen ein Nettoeinkommen von rund 1.140 € und nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von rund 950 €. Dieser Betrag könnte im Fall des Fehlens ehebedingter Nachteile dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten bereits entsprechen , zumal die gesundheitsbedingten Erwerbseinbußen der Beklagten - wie ausgeführt - nicht ehebedingt sind.

III.

33
Das Berufungsurteil ist demnach - soweit im Rahmen der eingelegten Revision zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist - aufzuheben. Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil weitere tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen erforderlich sind.

IV.

34
Für das weitere Verfahren, weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Beklagten für die erneut anzustellende Billigkeitsabwägung Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben hat, um etwaige ehebedingte Nachteile begründen zu können.
35
Sollten ehebedingte Nachteile nicht ausreichend vorgetragen sein oder vom Kläger widerlegt werden, steht damit noch nicht fest, dass und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen ist. Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist ge- mäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 21 und vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 23 f.). Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 28). Zudem sind - wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un- terhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Coesfeld, Entscheidung vom 10.02.2009 - 5 F 226/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.08.2009 - II-8 UF 33/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 47/10 Verkündet am:
23. November 2011
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 313, 1578 Abs. 1 Satz 2 aF, 1578 b; ZPO § 323 aF; EGZPO § 36

a) Dass der Unterhaltspflichtige mit der Herabsetzung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2
BGB aF eines nach altem Recht nicht befristbaren Unterhaltsanspruchs - hier
Anspruch auf Altersunterhalt - ausgeschlossen war, steht einer Herabsetzung
und/oder Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB nicht entgegen.

b) Der durch die Eheschließung bedingte Wegfall eines aus einer früheren Ehe herrührenden
Unterhaltsanspruchs stellt keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von
§ 1578 b BGB dar.
BGH, Urteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - OLG Düsseldorf
AG Mülheim an der Ruhr
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der 1939 geborene Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des Unterhaltsanspruchs der 1932 geborenen Beklagten, seiner geschiedenen Ehefrau.
2
Die Parteien schlossen 1978 die Ehe und lebten seit 1983 voneinander getrennt. Seit 1987 ist die Scheidung der kinderlos gebliebenen Ehe rechtskräftig. Die Beklagte war von 1955 bis 1977 in erster Ehe verheiratet; diese Ehe wurde wegen Verschuldens des Ehemanns im Jahr 1977 geschieden. Unterhaltsansprüche gegen ihren ersten Ehemann machte die Beklagte nicht geltend.
3
Mit Vergleich, den die Parteien im Scheidungstermin 1987 schlossen, verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltszahlung an die Beklagte von 1.010 DM. Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens schlossen die Parteien 1990 einen zweiten Vergleich, in dem der Unterhalt auf monatlich 1.250 DM heraufgesetzt wurde. Ihren letzten Vergleich schlossen die Parteien am 2. April 2003 in einem von der Beklagten im Jahr 1996 eingeleiteten Abänderungsverfahren. In jenem Verfahren, in dem der Kläger widerklagend die Befristung des titulierten Unterhaltsanspruchs begehrte, vereinbarten die Parteien für die Zeit ab Januar 2005 einen monatlichen Unterhalt von 700 € auf der Basis der beiderseitigen Renteneinkünfte der Parteien sowie des Wohnvorteils des Klägers.
4
Auf die im August 2009 rechtshängig gewordene Abänderungsklage hat das Amtsgericht den Unterhalt für die Zeit ab Juni 2010 auf 500 € herabgesetzt und bis zum 30. Juni 2011 befristet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2010, 1912 veröffentlicht ist, wie folgt begründet:
7
Der durch Vergleich titulierte Unterhaltsanspruch könne nach Maßgabe des § 313 BGB nur abgeändert werden, wenn bei den Umständen, die zur Grundlage des Vergleichs geworden seien, nach dessen Abschluss eine schwerwiegende Veränderung eingetreten wäre und die Parteien aufgrund der Veränderung den Vergleich in der vorliegenden Form nicht geschlossen hätten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Auf der Grundlage der aktuellen Renteneinkünfte der Parteien sei von einem Unterhaltsanspruch von rund 728 € auszugehen (auf Seiten des Klägers: Regelaltersrente in Höhe von rund 1.148 € sowie ZVK-Rente in Höhe von rund 298 €; auf Seiten der Beklagten: Regelaltersrente in Höhe von rund 318 €). Damit lägen Veränderungen bei den für die Unterhaltshöhe erheblichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien, die zu einer Anpassung des titulierten Unterhaltsanspruchs zugunsten des Klägers führen könnten, nicht vor.
8
Eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage sei zwar durch die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 eingetreten. Dadurch sei die Befristungsmöglichkeit für den hier maßgeblichen Altersunterhalt grundsätzlich eröffnet worden. Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs scheide nach der gemäß § 1578 b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB vorzunehmenden Billigkeitsabwägung aber aus, weil bei der Beklagten durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit entstanden seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
9
Da die erste Ehe der Beklagten aus Verschulden ihres früheren Ehemanns geschieden worden sei, habe die Beklagte gegen diesen einen - auch nach den Reformen des Unterhaltsrechts im Jahr 1977 und 2008 - nicht befristbaren Unterhaltsanspruch gemäß § 58 Ehegesetz (EheG). Der Umstand, dass die Beklagte den Unterhaltsanspruch nach der Scheidung ihrer ersten Ehe für die relativ kurze Zeit bis zur Eheschließung der Parteien nicht geltend gemacht habe, sei für den Bestand ihres Unterhaltsanspruchs nicht erheblichgewesen. Durch die Eheschließung der Parteien sei der vorstehende Unterhaltsanspruch der Beklagten kraft Gesetzes entfallen. Der Wegfall des Unterhaltsanspruchs führe insbesondere nach dem Eintritt der Beklagten ins Rentenalter zu erheblichen Nachteilen, weil das Scheidungsrecht bis zum 1. Juli 1977 den Versorgungsausgleich nicht gekannt habe und die bedürftigen Ehegatten nach einer Scheidung auch ihren Bedarf im Alter vollumfänglich durch Unterhalt hätten decken müssen.
10
Einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs stehe bereits entgegen, dass sich für eine kinderlose Ehe, die weniger als zehn Jahre gedauert habe, die rechtlichen Möglichkeiten der Unterhaltsherabsetzung seit dem Abschluss des Vergleichs im April 2003 nicht wesentlich geändert hätten; eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage könne somit im Hinblick auf die Herabsetzbarkeit des streitgegenständlichen Unterhaltsanspruchs nicht festgestellt werden.
11
Eine Abänderung des Unterhaltsanspruchs stünde zudem das durch § 36 EGZPO geschützte Vertrauen der Beklagten in die unbegrenzte Fortdauer ihres Unterhaltsanspruchs entgegen.

II.

12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
13
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des Prozessvergleichs richtet sich somit nach § 323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG - Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 10).
14
2. Zu Recht geht die Revision davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs vorliegen.
15
a) Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines Prozessvergleichs richtet sich allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN). Dabei ist - vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage - durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Herabsetzung bzw. Befristung getroffen haben (vgl. Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 13 mwN).
16
Die Parteien haben sich letztmalig im Jahr 2003 über den nachehelichen Unterhalt verständigt. Ob dieser Vergleich eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten (Herabsetzung bzw. Befristung) enthält, hat das Berufungsgericht nicht geprüft und demgemäß die gebotene Auslegung des Vergleichs unterlassen. Hierauf kommt es für das Revisionsverfahren indes nicht entscheidend an. Denn selbst wenn eine solche Auslegung zu dem Ergebnis gelangte, dass die Parteien eine spätere Begrenzung des Unterhalts hätten ausschließen wollen, wäre eine Herabsetzung bzw. Befristung nunmehr nach § 313 iVm § 1578 b BGB eröffnet. Von daher kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der Senat die - grundsätzlich dem Tatrichter obliegende - Auslegung des Vergleichs hier ausnahmsweise selbst vornehmen könnte (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 15 ff., 17).
17
b) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden , soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.
18
aa) Sofern die Parteien in ihrem Vergleich aus dem Jahre 2003 im Hinblick auf die damals geltende Rechtslage eine Befristung des Unterhaltsanspruchs auf Dauer ausschließen wollten, stellte - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage dar, da nunmehr der Anspruch auf Altersunterhalt erstmals einer Befristung zugänglich war.
19
bb) Gleiches gilt, soweit die Parteien in dem Vergleich die Möglichkeit einer späteren Herabsetzung ausschließen wollten.
20
Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, dass sich die rechtlichen Verhältnisse - bezogen auf die Möglichkeit der Herabsetzung - nicht we- sentlich geändert haben. Eine Herabsetzung des Unterhaltsmaßes war gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon nach altem Recht möglich, wobei die danach maßgeblichen Abwägungskriterien weitgehend deckungsgleich sind mit den in der Nachfolgevorschrift des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB spezifizierten Billigkeitsgesichtspunkten (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 20 und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 21). Die mit Senatsurteil vom 12. April 2006 (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006,1006) vollzogene Rechtsprechungsänderung betraf lediglich Fälle des Aufstockungsunterhalts, in denen statt auf das Kriterium der Ehedauer nunmehr vorrangig auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abzustellen war (Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 23). Demgegenüber stand die Dauer der hier zu beurteilenden, kinderlos gebliebenen Ehe von rund neun Jahren einer Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon nach altem Recht nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1990 - XII ZR 64/89 - FamRZ 1990, 857, 858 f.).
21
Jedoch hat der Gesetzgeber mit § 1578 b BGB den Bestand der bis dahin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände nicht nur hinsichtlich der Dauer, sondern auch bezogen auf die Höhe des Unterhalts einer Revision unterzogen. Nicht nur dass diese erstmals befristet werden können, mit § 1578 b Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber zudem ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, Herabsetzung und Befristung zu kombinieren (BTDrucks. 16/1830 Seite 19). Damit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder aber auch alternativ möglichen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den Unter- halt zu begrenzen, stellt es jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar.
22
c) Bei der sonach gemäß § 313 BGB im Lichte des § 1578 b BGB vorzunehmenden Vertragsanpassung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine Begrenzung des Unterhalts nicht ausgeschlossen. Vielmehr lässt die zu treffende Billigkeitsabwägung nach den getroffenen Feststellungen eine Herabsetzung sowie eine anschließend einsetzende Befristung geboten erscheinen.
23
aa) Es fehlt bereits an ehebedingten Nachteilen, die einer Begrenzung des Unterhalts entgegenstehen könnten. Vor allem stellt der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Umstand, dass der Ehegattenunterhaltsanspruch der Beklagten gegen ihren früheren Ehemann wegen der Heirat mit dem Kläger untergegangen sei, keinen solchen Nachteil dar.
24
(1) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
25
Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemein- schaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 19 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 22).
26
(2) Gemessen hieran lassen sich den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen keine ehebedingten Nachteile entnehmen.
27
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Wegfall des Unterhaltsanspruchs der Beklagten gegen ihren ersten Ehemann - ungeachtet der fehlenden Feststellungen zur Werthaltigkeit des Anspruchs - bezogen auf die Ehe der Parteien keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578 b BGB darstellt.
28
Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 1578 b BGB vielmehr einen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (BT-Drucks. 16/1830 S. 18). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Nachteile, die allein durch den Akt der Eheschließung entstanden sind, keine Nachteile sind, die der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe erlitten hat. Vielmehr tritt der Wegfall des Unterhaltsanspruchs aus erster Ehe als vom Gesetz zwingend vorgesehene Rechtsfolge ein.
29
Dass die Beklagte andere ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b BGB erlitten hat, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich.
30
bb) Nach den bislang getroffenen Erwägungen des Oberlandesgerichts stehen einer Begrenzung des Unterhalts ebenso wenig die nacheheliche Solidarität bzw. der Vertrauensschutz entgegen.
31
(1) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 21 ff.).
32
Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von § 1578 b BGB nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach § 1578 b BGB vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung be- ruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO bereits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des § 1578 b BGB aufgeht, ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach § 1578 b BGB in vollem Umfang Rechnung getragen ist (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 32).
33
(2) Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Billigkeitsabwägung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.
34
(a) Zwar obliegt die Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578 b BGB grundsätzlich dem Tatrichter. Diese kann vom Revisionsgericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob das Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebende Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 47). Letzteres ist hier der Fall.
35
(b) Im Ergebnis unschädlich ist allerdings, dass das Berufungsgericht die nach § 1578 b BGB gebotene Billigkeitsabwägung der Sache nach unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gemäß § 36 EGZPO durchgeführt hat, anstatt letzteren im Rahmen der Abwägung nach § 1578 b BGB zu berücksichtigen.
36
(c) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Abwägung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund ihres Alters zusätzliche Einkünfte nicht mehr erzielen könne und zudem aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes in ihren Möglichkeiten, ihren Lebensstandard einem niedrigeren Einkom- mensniveau anzupassen, erheblich eingeschränkt sei. Diese besonderen, durch Krankheit und hohes Alter erheblich erschwerten Lebensumstände der Beklagten lassen es nach Auffassung des Oberlandesgerichts gerechtfertigt erscheinen, ihrem Vertrauen auf den unbefristeten Fortbestand des Unterhaltsanspruchs ein höheres Gewicht beizumessen als dem Interesse des durch die langjährige Unterhaltszahlung belasteten Klägers, aus seiner Verpflichtung entlassen zu werden.
37
Die vorerwähnten Gesichtspunkte, die bezogen auf Gesundheit und Alter jedenfalls auch dem Bereich der nachehelichen Solidarität zuzuordnen sind, rechtfertigen für sich genommen keine lebenslange Lebensstandardgarantie, wie sie sich als Konsequenz des Berufungsurteils in der Sache ergeben hätte. Bei seiner Abwägung hat das Berufungsgericht - im Gegensatz zum Amtsgericht - nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger bei einer nur rund neun Jahre langen Ehe und einem Zusammenleben von lediglich rund fünf Jahren über einen Zeitraum von zwanzig Jahren Unterhaltszahlungen in nicht geringer Höhe an die Beklagte erbracht hat (vgl. dazu die Ausführungen in dem amtsgerichtlichen Urteil vom 12. November 2009). Hinzu kommt, dass aus der Verbindung der Parteien keine Kinder hervorgegangen sind. Dabei ist auch die zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten, die um so gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 36). Einer Befristung des nachehelichen Unterhalts steht nach der - insoweit allerdings erst nach dem Berufungsurteil veröffentlichten - Senatsrechtsprechung auch nicht entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte dadurch möglicherweise sozialhilfebedürftig würde (Senatsurteile vom 30. März 2011 - XII ZR 63/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 21 und vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 26 jeweils mwN).
38
Nach den getroffenen Feststellungen wäre dem Vertrauen der Beklagten vielmehr mit einer stufenweisen Herabsetzung und Befristung, wie sie etwa das Amtsgericht vorgenommen hat, hinreichend Rechnung getragen. Eine unbefristete Unterhaltsverpflichtung, so wie sie das Berufungsgericht ausgesprochen hat, erscheint demgegenüber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände für den unterhaltsverpflichteten Kläger unzumutbar.

III.

39
Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuverweisen. Eine abschließende Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO ist dem Senat mangels Entscheidungsreife nicht möglich. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Mülheim an der Ruhr, Entscheidung vom 12.11.2009 - 22 F 660/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.03.2010 - II-8 UF 173/09 -

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.