Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Sept. 2015 - M 17 K 14.50693
Tenor
I. Der Bescheid vom 19. November 2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2014, zugestellt am 21. November 2014, zu verpflichten, festzustellen, dass der Kläger Asylberechtigter ist und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Gründe
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Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Sept. 2015 - M 17 K 14.50693 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Die erhobene Divergenzrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) ist unbegründet.
4Die Beklagte macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - ab,
5vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 ‑, BVerwGE 106, 171 = juris,
6und führt aus, das Verwaltungsgericht habe im Widerspruch zu dieser Entscheidung die Rechtsauffassung vertreten, gegen die auf § 27a AsylVfG gestützte Antragsablehnung sei die isolierte Anfechtungsklage statthaft. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe das Gericht die Streitsache im Asylrechtsstreit aber spruchreif zu machen, auch wenn es sich um einen Asylfolgeantrag handele, bezüglich dessen das Bundesamt noch nicht in die Prüfung eingetreten sei.
7Die gerügte Divergenz besteht nicht. Eine Abweichung läge nur vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre.
8Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 12. Dezember 1991 - 5 B 68.91 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302, vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, 712 (713), und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 -, juris, Rn. 19, m. w. N.
9Daran fehlt es hier. Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen. Klagegegenstand der angefochtenen Entscheidung ist demgegenüber eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG. Nach der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann im Asylfolgeverfahren nicht lediglich isoliert auf „Wiederaufgreifen“ geklagt werden, weil der rechtserhebliche Aspekt, ob das bestandskräftig abgeschlossene Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich die (Vor-)Frage nach der Erfüllung der Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids als notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Asyl, nicht aber einen selbstständig neben diesem stehenden einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch betreffe.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171 (172 f.) = juris, Rn. 10.
11Hingegen trifft das Bundesamt im Verfahren nach § 27a AsylVfG allein die der Prüfung des Asylantrags vorgelagerte Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags; eine materiell-rechtliche Prüfung, ob ein Anspruch auf Anerkennung auf Asyl besteht, findet nicht statt. Insofern steht in diesem Verfahren weder die (Vor-)Frage im Streit, ob ein bestandskräftig abgeschlossenes Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss noch ob ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht.
12Vgl. zur Erfolglosigkeit der Divergenzrüge in einem solchen Fall: Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 – 11 A 2639/14.A –, juris Rn. 3 ff.; ferner auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 10 C 1.13 ‑, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 13, S. 3, Rn. 14 = juris, Rn. 14 zur Anfechtungsklage für den Fall einer Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG.
132. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt.
14Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff., und Beschlüsse vom 2. Oktober 1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f., sowie vom 19. Juli 2011 - 10 B 10.11, 10 PKH 10 PKH 4.11 -, juris, Rn. 3.
16Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
17Die von der Beklagten aufgeworfene Frage,
18„ob bei einem als unzulässig i. S. v. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine auf Statuszuerkennung gerichtete Verpflichtungsklage zu erheben ist sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist“,
19rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.
20Die Frage bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie ist in der Rechtsprechung des angerufenen Oberverwaltungsgerichts zwischenzeitlich geklärt. Danach ist gegen die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nach § 27a AsylVfG allein die Anfechtungsklage statthaft.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12 -, juris, Rn. 28 ff., unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH.
22Dem Zulassungsantrag bleibt der Erfolg auch versagt, soweit die Beklagte geltend macht, diese Rechtsfrage sei wegen der uneinheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt und es stehe eine Beantwortung dieser Frage durch das Bundesverwaltungsgericht aus. Die Rechtsprechung des beschließenden Oberverwaltungsgerichts zur Frage der statthaften Klageart im Falle einer Entscheidung nach § 27a AsylVfG steht im Einklang mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung.
23Vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 6, unter Hinweis auf die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung verschiedener Obergerichte: Hamb. OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 Bf 208/14.AZ -, juris; NdsOVG, Beschluss vom 6. November 2014 ‑ 13 LA 66/14 -, AuAS 2014, 273; OVG Saarl., Beschluss vom 12. September 2014 - 2 A 191/14 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293; OVG S.-A., Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 ‑, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 10. März 2015 – 10 A 1873/14.ZA –, UA S. 13 (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht).
24Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem entschieden, dass der Grundsatz, die Sache spruchreif zu machen und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage zu beschränken, nicht ausnahmslos gelte. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus § 113 Abs. 3 VwGO sei zu entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Vor allem stehe die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde - gerichtete Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme.
25Vgl. für den Fall der Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12, S. 3 ff. = juris, Rn. 14 ff., und vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 13, S. 3, Rn. 14 = juris, Rn. 14.
26Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ohne weiteres auf den Fall der Ablehnung der Durchführung eines Asyl(folge)verfahrens auf der Grundlage des § 27a AsylVfG übertragbar. Auch in diesem Fall trifft das Bundesamt keine Sachentscheidung über den Anspruch auf Asylanerkennung, sondern weist lediglich, ohne dass eine materiell-rechtliche Prüfung stattfindet, auf die Unzulässigkeit des Asylantrags hin.
27Vgl. zur Übertragbarkeit der Ausführungen des BVerwG auf die vorliegende Konstellation: Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 6.
28Mit Blick darauf kommt es auf die von der Beklagten sinngemäß aufgeworfene Frage nicht an, ob die ablehnende Entscheidung nach § 27a AsylVfG in eine Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG umzudeuten und sodann „durchzuentscheiden“ sei.
29Abgesehen davon dürfte sich diese Frage nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lassen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung im Sinne des § 47 Abs. 1 VwVfG in einem solchen Fall vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Mit der Entscheidung nach § 27a AsylVfG wird lediglich ‑ wie in dem vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 14. März 2014 - ohne materiell-rechtliche Prüfung die Unzulässigkeit des Asyl(folge)antrags festgestellt; im Rahmen der Entscheidung nach § 71a AsylVfG findet hingegen eine Prüfung statt, ob das Asylverfahren, wenn die Bundesrepublik Deutschland für dessen Durchführung zuständig ist, auf den Zweitantrag wiederaufzugreifen ist und ob, falls Gründe für ein Wiederaufgreifen gegeben sind, ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht. Jedenfalls dürfte aber die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG und eine Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG gleichermaßen erfüllt sind, allein anhand des konkreten Einzelfalls zu beantworten sein.
30Im Hinblick darauf führt auch die im Verlaufe des Zulassungsverfahrens erfolgte Bezugnahme der Beklagten auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2015,
31vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 - 1 B 2.15 -, juris, Rn. 3,
32nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Anders als im vorliegenden Fall lagen hinsichtlich des dortigen Klägers über EURODAC-Treffer der Kategorie 1 hinaus eine der Beklagten über eine DublinNET-Mail zugegangene Antwort Italiens, dass für diesen eine anerkennende Entscheidung in Italien ergangen war, und damit „konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bereits in anderen Mitgliedstaaten Asylanträge gestellt und diese in einem Mitgliedstaat zu einer Anerkennung geführt haben“. Hier spricht nach der auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II-VO gestützten Annahme des Übernahmeersuchens durch die italienischen Behörden vom 24. April 2014 und den Angaben der Bevollmächtigten des Klägers in der Klageschrift vom 12. Mai 2014 hingegen alles dafür, dass der Kläger in Italien auf seinen Antrag keinen Schutzstatus zuerkannt erhielt. Zudem ging es im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall um eine Einstellung des Verfahrens wegen Nichtbetreibens gemäß §§ 32, 33 AsylVfG.
33Abgesehen davon sieht sich der Senat mit Blick auf die Ausführungen in der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die Frage, ob die ablehnende Entscheidung nach § 27a AsylVfG in eine Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG umzudeuten und sodann „durchzuentscheiden“ ist, nur anhand des konkreten Einzelfalls und nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantworten sein dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, es komme „somit in tatsächlicher Hinsicht darauf an, ob und mit welchem Ergebnis der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat. Hierzu wird das Berufungsgericht den Sachverhalt weiter aufzuklären und sodann auf dieser neuen Tatsachengrundlage der Rechtsfrage nachzugehen haben, ob der Bescheid auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten oder umgedeutet werden kann“.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 - 1 B 2.15 -, juris, Rn. 8.
35Daraus ist nur der Schluss zu ziehen, dass ein Asylantrag, der auf der Grundlage des § 27a AsylVfG abgelehnt worden ist, nicht grundsätzlich in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden kann, sondern über diese Möglichkeit erst entschieden werden kann, wenn die Tatsachengrundlage des jeweiligen Einzelfalls geklärt ist.
36Vgl. zur Erfolglosigkeit der Grundsatzrüge in einem solchen Fall OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 – 11 A 2639/14.A –, juris Rn. 13 ff.
37Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
38Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
39Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. September 2014 – Az.: 5794624-251 – wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenem Bekunden am geborene Kläger stammt aus Mali. Er stellte am 13. August 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tage durchgeführten „persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab der Kläger an: Er habe Mali im Januar 2013 verlassen und sei über Burkina Faso, Niger und Libyen nach Italien gelangt, wo er sich fünf Monate lang aufgehalten habe; in dieser Zeit habe er auch einen Asylantrag gestellt. Dann sei er über Österreich weiter nach Deutschland gereist. In Italien habe er unter freiem Himmel schlafen müssen; man habe sich kaum um ihn gekümmert.
3Eine am 18. August 2014 durchgeführte Recherche in der EURODAC-Datenbank ergab für den Kläger hinsichtlich Italiens einen Treffer der Kategorie 1 (IT1SA01EL3).
4Daraufhin bat das Bundesamt die italienischen Behörden am 2. September 2014 um Wiederaufnahme des Klägers. Die italienischen Behörden ließen dieses Ersuchen unbeantwortet.
5Mit Bescheid vom 26. September 2014 – Az.: 5794624-251 – lehnte das Bundesamt unter Ziffer 1. den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete unter Ziffer 2. seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 6. Oktober 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
6Am 13. Oktober 2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er im Kern geltend macht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien durch gravierende systemische Mängel geprägt seien. Eine Abschiebung nach Italien sei daher unzumutbar. Ferner spreche das Verhalten der italienischen Behörden im vorliegenden Fall dafür, dass diese überhaupt nicht bereit seien, ihn wiederaufzunehmen.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8den Bescheid vom 26. September 2014 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides.
12Mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 wurde das vorliegende Hauptsacheverfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG). Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 10 L 783/14.A – lehnte das Gericht einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 2430/14.A und 10 L 783/14.A sowie den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang (ein Heft) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15A. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch Schriftsatz vom 27. April 2015 erklärt. Die Beklagte hat am 26. Januar 2015 – Az.: M21-9221-2015 – gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Minden eine allgemeine Prozesserklärung abgegeben, in der sie für asylrechtliche Verfahren (u.a.) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat für das vorliegende Verfahren keine hiervon abweichende Erklärung beigebracht.
16B. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft
17- vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790, und juris (Rdnr. 28 ff.); OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013– 3 L 643/12 –, juris (Rdnr. 21 ff.); Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –, BayVBl. 2014, 628, und juris (Rdnr. 22); VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, InfAuslR 2014, 293, und juris (Rdnr. 18), sowie vom 18. November 2014 – A 3 S 265/14 –, Seite 5 des Urteilsabdrucks; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ –, juris (Rdnr. 12 ff.); VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 12 ff.); a.A. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2014 – W 7 K 14.30072 – Seite 5 des Urteilsabdrucks -
18und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie innerhalb der einschlägigen Klagefrist erhoben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Frist zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG)
19- so z.B. VG Stuttgart, Urteil vom 26. Mai 2014 – A 12 K 12/14 –, Seite 3 des Urteilsabdrucks -
20oder in Anknüpfung an die gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einwöchige Frist für die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Woche (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG) ab Zustellung des Bescheids vom 26. September 2014 beträgt
21- so z.B. für entsprechende Fälle VG Ansbach, Urteil vom 8. April 2014– AN 11 K 14.30189 –, juris (Rdnr. 15) -.
22Im vorliegenden Fall wäre auch die Wochenfrist eingehalten. Der angefochtene Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der im beigezogenen Verwaltungsvorgang befindlichen Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2014 zugestellt; seine Klage ist am 13. Oktober 2014 beim Verwaltungsgericht eingegangen.
23Die Abänderung des Klageantrags durch Schriftsatz vom 27. April 2015 ist im Übrigen ohne weiteres zulässig, da sie – wie der Gesamtvortrag des Klägers zeigt – lediglich der Klarstellung des von Anfang an mit der Klage verfolgten Klagebegehrens dient.
24B. Die danach zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2014 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig (I.) und die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien (II.), sind in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25I. Rechtsgrundlage für die Ablehnung des vom Kläger gestellten Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen sind nicht (mehr) erfüllt:
261. Selbst wenn bislang eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers gegeben gewesen sein sollte, wäre diese Zuständigkeit mittlerweile auf die Beklagte übergegangen.
27a) Maßgeblich für die Bestimmung des für das Asylverfahren des Klägers zuständigen Mitgliedstaates sind die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, 31; im Folgenden: Dublin-III-VO). Diese Verordnung und nicht deren Vorgängerin, die Verordnung (EU) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, 1; im Folgenden: Dublin-II-VO), findet hier Anwendung, weil der Kläger seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 13. August 2015 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Sätze 1 und 2 Dublin III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
28b) Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ergibt sich mit Blick darauf, dass der Kläger nach eigenen Angaben über Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingereist ist und dort während seines fünfmonatigen Aufenthalts einen Asylantrag gestellt hat, zunächst eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Durchführung seines Asylverfahrens; insoweit nimmt das Gericht auf die Seiten fünf und sechs seines Beschlusses vom 22. Oktober 2014 – 10 L 783/14.A – Bezug. Ferner wurde die sich aus Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ergebende zweimonatige Frist zur Stellung des Wiederaufnahmegesuchs an die italienischen Behörden gewahrt, da das Bundesamt am 18. August 2014 für den Kläger einen EURODAC-Treffer hinsichtlich Italiens erzielt hatte und bereits am 2. September 2014 die italienischen Behörden um Wiederaufnahme des Klägers bat. Allerdings ist eine Zuständigkeit Italiens (bereits) mit Blick auf die Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO problematisch. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3). Es spricht derzeit Einiges dafür, dass in Italien systemische Schwachstellen im vorstehend genannten Sinne bestehen
29- vgl. zu dieser Problematik im Einzelnen etwa VG Minden, Beschlüsse vom 20. März 2015 – 10 L 117/15.A –, juris (Rdnr. 42 ff.), und vom 29. Dezember 2015 – 10 L 607/14.A –, juris (Rdnr. 27 ff.), jeweils m.w.N. -.
30Das Gericht lässt jedoch offen, ob (schon) aufgrund der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für das Asylverfahren des Klägers ausgeschlossen ist, weil es aus den nachstehend unter c) genannten Gründen hierauf nicht mehr ankommt.
31c) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten einmal unterstellt, eine Zuständigkeit Italiens für das Asylverfahren des Klägers hätte (zunächst) auch in Ansehung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO bestanden, wäre diese Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO inzwischen auf die Beklagte übergegangen, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO verstrichen ist. Nach dieser Norm erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in den aufnehmenden Mitgliedstaat (hier: Italien), spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2).
32Der Kläger hat, nachdem ihm der streitgegenständliche Bundesamtsbescheid am 6. Oktober 2014 zugestellt worden war, am 13. Oktober 2014 und somit innerhalb der einwöchigen Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Abschiebungsanordnung gerichteten Klage gestellt und hierdurch bewirkt, dass die Überstellungsfrist mit Zustellung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses begonnen hat und sechs Monate nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. Denn der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO) ist ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO. Diese Wirkung kommt dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes seit Inkrafttreten des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95 EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 6. September 2013 (Art. 7 Satz 2 des Gesetzes vom 28. August 2013) zu, wonach die Abschiebung des Klägers bis zur gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag ausgeschlossen ist.
33Vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – RO 9 S 13.30618 –, juris (Rdnr. 19 ff.); VG Hannover, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 5 B 634/14 –, juris (Rdnr. 23); VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris (Rdnr. 20 ff.); VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 43), sowie Beschluss vom 23. Juli 2014 – 10 L 553/14.A –, Seiten 2 f. des Beschlussabdrucks – jeweils zur Rechtlage nach der Dublin-II-VO –; VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2014 – Au 3 K 14.50135 –, juris (Rdnr. 31 ff.); VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Dezember 2014 – 23 L 3127/14.A –, juris (Rdnr. 6 ff.) – jeweils zur Rechtlage nach der Dublin-III-VO –.
34Dementsprechend beginnt die Überstellungsfrist in der vorliegenden Fallkonstellation nicht schon gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 Dublin-III-VO mit der (hier gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO fingierten) Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat zu laufen
35- so aber für entsprechende Fälle OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 5 ff.); VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris (Rdnr. 26); VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, juris (Rdnr. 5 ff.) – zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO –; VG Minden, Urteil vom 12. Dezember 2014 – 6 K 1843/14.A –, Seiten 5 ff. des Urteilsabdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 – 22 K 2262/14.A –, juris (Rdnr. 37 f.) – zur Rechtslage nach der Dublin-III-VO –; ähnlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, InfAuslR 2014, 452, und juris (Rdnr. 58), allerdings mit der Einschränkung, dass der Lauf der Überstellungsfrist vom Eingang eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Zustellung einer ablehnenden Entscheidung mit der Folge gehemmt wird, dass sich die Überstellungsfrist entsprechend verlängert -.
36Dem Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin II-VO lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob unter „Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn er aufschiebende Wirkung hat“ nur die endgültige gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren oder auch die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verstehen ist. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union für den Fall, dass einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – anders als hier – Erfolg beschieden ist, ausdrücklich festgestellt
37- vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639 (juris Rn. 33); a.A. wohl OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014– 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 5 ff.) -
38und gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt wurde. Art. 2 Dublin-III-VO definiert weder den Begriff „Rechtsbehelf“ noch den der „aufschiebenden Wirkung“. Ausgehend davon, dass unionsrechtliche Begriffe autonom, d.h. losgelöst vom nationalen Begriffsverständnis zu interpretieren sind, lassen beide Begriffe es zu, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, der nach nationalem Recht kraft Gesetzes dem Vollzug der Überstellung entgegen steht und der somit bis zu einer Entscheidung über diesen Antrag faktisch zu demselben Ergebnis wie eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO führt, als Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung anzusehen.
39Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Juni 2012, § 27a Rdnr. 193, zu der mit § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG inhaltsgleichen Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG, sowie ders., in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rdnr. 228.
40Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind jedoch nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
41Vgl. EuGH, Urteile vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, juris (Rdnr. 34), vom 6. Juni 2013 - C-648/11 -, InfAuslR 2013, 299, und juris (Rdnr. 50), sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, ZAR 2014, 199, und juris (Rdnr. 51).
42Ziel des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO ist es zu gewährleisten, dass angesichts der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung eines Antragstellers in einen anderen Mitgliedstaat verbunden sind, der Mitgliedstaat, der eine solche Überstellung durchführt, nach beiden Tatbestandsalternativen des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO über eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung verfügt. Aus diesem Grund kann die Frist für die Durchführung der Überstellung erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich sichergestellt ist, dass diese durchgeführt werden kann und lediglich noch deren Modalitäten zu regeln sind.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, und juris (Rdnr. 40 f. sowie 43 bis 45).
44Hierfür spricht insbesondere, dass die Überstellungsfrist, die nach dem Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags vom 15. Juni 1990 (ABl. 1997, C 254, S. 1) noch einen Monat betrug, mit Inkrafttreten der Dublin-II-VO auf Vorschlag der Kommission auf sechs Monate verlängert wurde, um den bei der Durchführung von Überstellungen auftretenden praktischen Schwierigkeiten angemessen Rechnung zu tragen.
45Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM (2001) 447 endgültig, Seiten 4, 5, 7 und 20.
46Diese sechsmonatige Überstellungsfrist wurde sodann auch in die hier geltende Dublin-III-VO übernommen.
47Steht ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kraft Gesetzes einer Durchführung der Überstellung entgegen, ist – ebenso wie dann, wenn die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Durchführung der Überstellung ausschließt –, nicht ausreichend sichergestellt, dass die Überstellung durchgeführt werden kann. Es lässt sich auch kein Hinweis dafür finden, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hätte, die hier zu entscheidende Fallgruppe anders zu behandeln als die beiden Fallgruppen, auf die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 29. Januar 2009 eingegangen ist.
48Vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, und juris (Rdnr. 43).
49Ebenso wenig ist ersichtlich, dass er die Absicht hatte, den Antragstellern die Möglichkeit einzuräumen, durch Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Frist für die Durchführung der Überstellung faktisch zu verkürzen.
50Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris (Rdnr. 23).
51Dementsprechend ist Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der in dieser Regelung festgelegten Frist dahingehend auszulegen, dass unter „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ auch die Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu verstehen sein kann und dass dann, wenn ein solcher Antrag vom Gericht abgelehnt wird, die Überstellungsfrist erst mit der Zustellung dieser Entscheidung zu laufen beginnt.
52Das bereits zitierte Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Januar 2009 steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Zwar hat der Gerichtshof mit diesem Urteil für den Fall, dass einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung– anders als hier – stattgegeben wurde, entschieden, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist nicht mit der Entscheidung über den Antrag, sondern erst mit der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu laufen beginnt.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, juris (Rdnr. 46 und 53).
54Aus dieser Entscheidung folgt aber nicht, dass für die hier zu entscheidende Fallgruppe nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgestellt werden kann oder – umgekehrt – dass wenn für die hier zu entscheidende Fallgruppe auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist, dies auch für die vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedene Fallgruppe zu gelten hat
55- a.A. wohl OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014– 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 9) -.
56Vielmehr ist angesichts des aus unionsrechtlicher Sicht offenen Wortlauts des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO für jede Fallgruppe unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck bzw. – in der Diktion des Gerichtshofs – des Ziels der Überstellungsfrist gesondert zu bestimmen, welche Entscheidung – endgültige Entscheidung in der Hauptsache oder Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – die Überstellungsfrist in Lauf setzt. Die Auslegung des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO durch das Gericht gewährleistet, dass den Mitgliedstaaten bei allen relevanten Fallkonstellationen – ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird nicht gestellt, Ablehnung des Antrags oder Stattgabe – entsprechend dem laut Gerichtshof mit der Überstellungsfrist verfolgten Ziel für die Durchführung der Überstellung sechs Monate ab dem Zeitpunkt verbleiben, ab dem die Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Überstellung nicht (mehr) entgegen steht. Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegen halten, die bloße Hemmung der Vollziehung hindere die zuständigen Behörden nicht, bereits vor der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Vorbereitung der Überstellung zu beginnen
57- a.A. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 18); VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris (Rdnr. 26) -.
58Abgesehen davon, dass diese Überlegung dem Ziel der Überstellungsfrist widerspricht, dürfte sich eine derartige Vorgehensweise in der Praxis häufig als nicht oder nur schwer durchführbar erweisen. Zu denken ist insbesondere an Fälle der Überstellung kranker Personen, für die im Zielstaat der Überstellung besondere Vorkehrungen zu treffen sind, oder die vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei Überstellungen von Familien nach Italien geforderten Zusicherungen der italienischen Behörden.
59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, AuAS 2014, 244, und juris (Rdnr. 16); EGMR, Urteil vom 4. November 2014– 29217/12 (Tarakhel) –, HUDOC Rdnr. 120.
60Derartige Vorkehrungen lassen sich in der Praxis nur dann sachgerecht treffen, wenn der Termin der Überstellung zumindest absehbar ist. Dies ist nicht der Fall, solange noch ein gerichtliches Verfahren schwebt, aufgrund dessen eine Überstellung rechtlich unzulässig ist.
61Bei Anlegung dieses Maßstabs begann der Lauf der Überstellungsfrist vorliegend (erst) mit Zustellung des Beschlusses vom 22. Oktober 2014 – 10 L 115/14.A –, mit dem das Gericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf ein Jahr bzw. 18 Monate (Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO) vorliegen, sind weder dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob sich die Frist beim Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ohne Weiteres verlängert oder ob dafür eine Absprache zwischen ersuchendem und ersuchtem Mitgliedstaat erforderlich ist.
62Vgl. hierzu VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, juris (Rdnr. 19).
63Ausgehend hiervon ist die mit Zustellung des Beschlusses vom 22. Oktober 2014 in Gang gesetzte sechsmonatige Überstellungsfrist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung verstrichen.
642. Dass die Italienische Republik nach Ablauf der Überstellungsfrist (erneut) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden wäre, lässt sich nicht feststellen. Ist die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats aufgrund Fristablaufs entfallen, so kann dessen (erneute) Zuständigkeit nur begründet werden, wenn die normativen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Im vorliegenden Fall kommt insoweit nur in Betracht, dass Italien (konkludent) von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch macht, indem sich die italienischen Behörden mit der Überstellung des Klägers dorthin einverstanden erklären. Anhaltspunkte dafür, dass die italienischen Behörden, die schon auf das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 2. September 2014 in keiner Weise reagiert haben, trotz des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens mit der Überstellung des Klägers einverstanden sind, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Die Beklagte hat weder im vorliegenden Fall noch in anderen beim erkennenden Gericht anhängigen Fällen eine entsprechende einzelfallbezogene Erklärung der Behörden des ersuchten Mitgliedstaats oder Nachweise dafür vorgelegt, dass sich im Verhältnis zu bestimmten Mitgliedstaaten eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte.
653. Durch den unveränderten Fortbestand des Ausspruchs unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheids trotz Ablaufs der Überstellungsfrist und Übergangs der Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers auf die Bundesrepublik Deutschland ist dieser auch in seinen Rechten verletzt.
66Vgl. zu entsprechenden Fällen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 – 12 S 675/13 –, InfAuslR 2014, 29, und juris (Rdnr. 13); VG Minden, Urteile vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 90 ff.), und vom 12. Dezember 2014 - 6 K 1843/14.A -, Seite 8 f. des Urteilsabdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Januar 2015 – 11 K 1640/14.A –, juris (Rdnr. 24); VG Würzburg, Urteil vom 13. Januar 2015– W 3 K 14.30092 –, juris (Rdnr. 18); VG Ansbach, Urteil vom 16. Januar 2015 – AN 14 K 14.50166 –, juris (Rdnr. 21 ff.); VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – A 1 K 500/14 –, juris (Rdnr. 34 f.); VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Februar 2015 – 6a L 239/15.A –, juris (Rdnr. 12 ff.); a.A. Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 975/14.A –, juris (Rdnr. 17); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, InfAuslR 2014, 452, und juris (Rdnr. 59), mit der Einschränkung, dass die Überstellung noch zeitnah möglich sein muss; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, InfAuslR 2015, 74, und juris (Rdnr. 11 f.); OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 15/15 –, juris (Rdnr. 7); Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. 3, Seite 2; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2014, § 27a Rdnr. 234.
674. Die Berufung auf den Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO und den damit verbundenen Zuständigkeitsübergang verstößt nicht gegen Treu und Glauben, insbesondere nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
68Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 137 ff.); a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris (Rdnr. 83 ff.); VG Cottbus, Beschluss vom 3. März 2015 – 5 L 108/15.A –, juris (Rdnr. 19).
695. Eine Aufrechterhaltung der Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auf anderer tatsächlicher oder rechtlicher Grundlage oder eine Umdeutung dieser Regelung in eine rechtmäßige Regelung kommt nicht in Betracht
70Vgl. dazu VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, m.w.N., NRWE-Datenbank (Rdnr. 142 ff.).
71II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Anordnung der Abschiebung nach Italien in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist inzwischen ebenfalls rechtswidrig geworden und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach dieser Norm ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Wie bereits ausgeführt, ist die Italienische Republik nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Außerdem steht – wie ausgeführt – nicht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass Italien trotz Ablaufs der Überstellungsfrist bereit wäre, den Kläger wiederaufzunehmen.
72C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens beruht auf § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 12 K 14.50257
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 8. Juni 2015
12. Kammer
Sachgebiets-Nr. 710
Hauptpunkte:
Ablauf der Überstellungsfrist;
Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
... - Kläger -
bevollmächtigt: ... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Beklagte -
beteiligt: Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses
wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 8. Juni 2015 folgendes Urteil:
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Mai 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2014 aufzuheben.
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. November 2014 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
- 1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.
- 2
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.
- 3
Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
- 4
ob ein Asylbewerber sich gegen eine Überstellung in einen Drittstaat darauf berufen darf, dass Deutschland die Überstellungsfrist gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO versäumt hat,
- 5
keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt.
- 6
Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen; auf die hier nicht anwendbaren Vorschriften der Dublin-III-Verordnung kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Dublin-II-Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 ist trotz § 77 Abs. 1 AsylVfG und der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, weil nach Art. 49 Dublin-III-Verordnung die Neuregelung erst auf Anträge der Mitgliedstaaten auf Wiederaufnahme anzuwenden ist, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.
- 7
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) ist davon auszugehen, dass sich die Kläger nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Klägern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten. Die jeweiligen Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen hiernach ebenfalls allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - Rn. 10 ff., VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - Rn. 59 und vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - Rn. 25, Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 - jeweils juris, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-II- Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).
- 8
Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 - „Abdullahi", a.a.O.) kann ein Asylantragsteller nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen mit dem in Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten. Zwar sind diese Ausführungen des Gerichtshofes ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß Kapitel III der Dublin II-Verordnung erfolgt. Aus ihren tragenden Erwägungen kann aber unmittelbar gefolgert werden, dass sich ein Asylantragsteller ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den im Kapitel V geregelten Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen kann (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - juris Rn. 10).
- 9
Genauso wie die Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit im Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine subjektiven Rechte vermitteln, sondern als Organisationsvorschriften einer klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten dienen (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16), sollen auch die Vorschriften des Kapitel V der Verordnung - ebenfalls als Organisationsvorschriften - in erster Linie eine rasche Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaates ermöglichen (Erwägungsgrund 4). Auch sie vermitteln Asylantragstellern keine subjektiven Rechte, sondern bei ihnen steht das Interesse im Vordergrund, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.
- 10
Dementsprechend führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber diese Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Auch er sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Vorrangiges Ziel der Dublin-II-Verordnung insgesamt, und nicht nur der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, ist danach eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständiges Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrages. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III-Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.
- 11
Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-II-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).
- 12
Die Kläger machen geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass Asylantragsteller zwar keine Fristversäumnisse im Rahmen des (Wieder-)Aufnahmeersuchens geltend machen könnten - dies könne nur der ersuchte Staat - (Beschluss vom 21. Mai 2014 a.a.O.), ein Ablauf der Überstellungsfrist führe aber zu einem Zuständigkeitswechsel und dies könne der Flüchtling geltend machen. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 (a.a.O.) habe das Bundesverwaltungsgericht durch den Begriff des zuständigen (statt des ersuchten) Mitgliedsstaats deutlich gemacht, dass der Asylantrag nur dann unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat zuständig sei. Auch für den Gerichtshof der Europäischen Union sei in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) ausschlaggebend, dass der ersuchte Staat der Übernahme zugestimmt habe. Damit sei aber nichts dazu gesagt, dass nach Fristablauf die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat übergehe und der Antragsteller dies geltend machen könne.
- 13
Der Senat vermag diesen Ausführungen der Kläger nicht zu folgen, solange Frankreich weiterhin bereit ist, ihre Asylanträge zu bearbeiten, da es keinen Anspruch der Kläger auf Prüfung ihrer Anträge durch einen (von ihnen) bestimmten Staat gibt. Dafür, dass Frankreich seine mit Schreiben vom 31. März 2014 erklärte Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Fristablauf zurücknehmen und sich auf den Fristablauf berufen werde, gibt es weder Feststellungen des Verwaltungsgerichts - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war die Frist des Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO noch nicht abgelaufen - noch wird von den Klägern behauptet oder gar dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG), dass Frankreich wegen des Fristablaufs nicht mehr zur Aufnahme bereit wäre. Ob etwas anderes dann gilt, wenn feststeht, dass der ersuchte Mitgliedstaat - hier Frankreich - nicht mehr zur Aufnahme bereit ist (vgl. zu dieser Fallkonstellation VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 19. Februar - 5 A 374/14 -), bedarf hier schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Diese Fallkonstellation ist auch nicht vorsorglich vom Senat in die Prüfung einzubeziehen. Sofern mit einem solchen Fall eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh einherginge, hätten die Kläger einen Wiederaufgreifensanspruch (vgl. § 51 VwVfG; zur Notwendigkeit in einem solchen Fall ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einzuleiten, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14-juris Rn. 59juris).
- 14
Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2014 -11 B 789/14.A - zeigen die Kläger letztlich keine abweichende Entscheidung auf, da dieser Beschluss schon keine (nähere) Begründung enthält. Damit bleibt unklar, auf welchen Überlegungen der Beschluss beruht, ob ihm eine Auseinandersetzung mit der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen ist, und insbesondere, ob hier im Einzelfall neben dem Ablauf der Überstellungsfrist weitere Umstände hinzugekommen sind, aufgrund derer feststand, dass Italien nicht mehr zur Aufnahme bereit war. Ähnlich verhielte es sich mit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung eines Einzelrichters beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht, unterstellt mit dem Verweis auf derartige erstinstanzliche Entscheidungen könnte überhaupt eine Klärungsbedürftigkeit dargelegt werden.
- 15
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten die hierfür gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.
- 16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.
- 17
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.