Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897

bei uns veröffentlicht am02.05.2019

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am …1995 in M. T. geborene Kläger, nach eigenen Angaben sierra-leonischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Temne zugehörig und christlichen Glaubens, wendet sich gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für ... (im Folgenden: Bundesamt) vom 14.02.2017 und begehrt die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.

Er reiste nach eigenen Angaben im Februar 2014 mit dem Flugzeug von Sierra Leone nach Frankreich und dann auf dem Landweg weiter in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 23.07.2014 beim Bundesamt einen Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 05.10.2016 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe Sierra Leone verlassen, da es nach dem Tod seines Vaters mit seinem Onkel zu einem Streit über das Erbe gekommen sei. Sein Onkel habe versucht, ihn umzubringen. Er gehöre zu der Poro Bruderschaft und habe eine Gruppe von 3 Männern zu dem Kläger geschickt, um ihn zu töten. Er sei von ihnen festgebunden worden und einer der Männer habe versucht, ihn mit einem Mittel ohnmächtig zu machen. Er habe allerdings ein Mittel vergessen, sodass er sich nach einer Weile habe befreien können. Er sei zu seiner Tante gegangen und habe ihr dies erzählt. Seine Tante habe ihm dann Dokumente besorgt, damit er das Land habe verlassen können.

Im Nachgang zu der Anhörung beim Bundesamt legte der Klägervertreter mit Schreiben vom 02.01.2017 einen Behandlungsvertrag des Klinikum H … vom 29.03.2014 zwischen M … und dem Klinikum H …, ein ärztliches Attest des Bezirkskrankenhauses L … vom 29.04.2014 über eine stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 22.04. bis 30.04.2014 und ein ärztliches Attest von Frau Dr. med. C …, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 03.01.2017 vor. Auf den Inhalt der vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 14.02.2017 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als unbegründet ab (Nr. 1 bis 3). Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4) und forderte unter Abschiebungsandrohung nach Sierra Leone auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Vortrag des Klägers werde den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht gerecht. Dieser sei gekennzeichnet durch Detailarmut und Widersprüche. Soweit der Kläger vortrage, er habe nicht die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative gehabt, sei dies nicht im Ansatz nachvollziehbar. In Sierra Leone herrsche kein inländisches Meldewesen, sodass es dem Kläger möglich gewesen wäre, sich an einen anderen Ort im Heimatland zu begeben und sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Bereits die persönlichen Lebensumstände des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Dass die Tante des Klägers diesen aus nicht erklärten Gründen die kostspielige Reise nach Europa organisiert und finanziert habe, den Kläger zuvor jedoch dem Betteln überlassen habe, entbehre jeder Lebenserfahrung. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei jung und arbeitsfähig und verfüge über einen Familienverband in der Nähe Freetown, der Hilfe bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft Sierra Leones leisten könne. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Gegen den am 18.02.2017 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 02.03.2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen.

Der Kläger beantragt,

unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 14.02.2017 das Bundesamt zu verpflichten, nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angegriffenen Bescheids,

die Klage abzuweisen.

Im Rahmen des Klageverfahrens wurden 3 weitere ärztliche Befundberichte von Frau Dr. med. C … vom 16.01.2018, vom 17.09.2018 und vom 05.02.2019 vorgelegt und die Stellung eines Beweisantrages angekündigt. Aus den ärztlichen Befundberichten ergibt sich, dass sich der Kläger dort seit dem 07.03.2016 in ärztlicher Behandlung befindet. Während in dem ärztlichen Attest vom 03.01.2017 eine schwere depressive Episode, Anpassungsstörungen und der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, geht der ärztliche Befundbericht vom 16.01.2018 gesichert von einer posttraumatischen Belastungsstörung, gesichert von Anpassungsstörungen und gesichert von einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen aus. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens ergibt sich aus den Befundberichten, dass der Kläger auf medikamentöse Behandlung angewiesen sei und eine Abschiebung mit der Gefahr der Dekompensation der psychischen Erkrankung des Klägers verbunden sei und suizidale Tendenzen zu erwarten seien.

Mit Beschluss vom 15.01.2019 hat die Kammer den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Mit Schriftsätzen vom 04.07.2018 und 08.04.2019 weist die Beklagte darauf hin, dass die vorliegenden Atteste nicht den Anforderungen an die Substantiierung von psychischen Erkrankungen erfüllen. Aus dem Attest müsse sich jedenfalls nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt habe und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Allein der Hinweis darauf, dass im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland suizidale Tendenzen zu erwarten seien, könne diesbezüglich nicht ausreichen. Zudem sei eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva auch in Sierra Leone gewährleistet.

Am Tag vor der mündlichen Verhandlung überreichte der Klägervertreter dem Gericht eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landratsamts Dingolfing-Landau an die dortige Ausländerbehörde vom 03.09.2018 aus der sich ergibt, dass ein Umzug des Klägers in eine Gemeinschaftsunterkunft zum aktuellen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich erscheint. Zum Zeitpunkt der Untersuchung könne zum weiteren langfristigen Krankheitsverlauf aktuell allerdings noch keine Aussage getroffen werden. Eine Nachfrage des Gerichts beim Landratsamt Dingolfing-Landau ergab, dass eine erneute amtsärztliche Begutachtung bisher nicht stattgefunden hat.

In der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 wurde der Kläger erneut zu seinen Fluchtgründen aus Sierra Leone und zu seinen gesundheitlichen Beschwerden befragt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Klägervertreter übergab im Rahmen der mündlichen Verhandlung zwei ärztliche Atteste des Bezirks ... - Bezirkskrankenhauses L … - vom 30.07.2018 und vom 03.09.2018. Auf den Inhalt der Befundberichte wird Bezug genommen.

Ferner stellte der Kläger einen bedingten Beweisantrag. Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger unter den schwerwiegenden Erkrankungen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und der Anpassungsstörungen leidet, der Kläger dringend psychiatrischer Behandlung bedarf, sich sein Gesundheitszustand bei Abbruch der Behandlung bzw. fehlender Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsland wesentlich bis hin zur Lebensbedrohlichkeit verschlechtern würde, werde die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens durch das Max-Planck-Institut in München oder einer anderen geeigneten Stelle beantragt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Akten des Bundesamts, die dem Gericht in elektronischer Form vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe

1. Die Entscheidung des Bundesamts in den Ziffern 1-3 des streitgegenständlichen Bescheids ist bestandskräftig geworden. Der Kläger hat diese Entscheidungen mit seiner Klage nicht angegriffen (vgl. VGH BW, U. v. 26.10.2016 - A 9 S 908/13 - juris).

2. Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage war als unbegründet abzuweisen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Daher ist die Entscheidung des Bundesamts, das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone zur Ausreise aufzufordern, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise - und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12,11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sachund Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.

a) Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C.15.12 - juris = BVerwGE 146, 12; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U.v. 19.7.2018 - 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).

Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden. Trotz seines Rohstoffreichtums gehört Sierra Leone zu den ärmsten Ländern der Erde. Nach den Jahren des Bürgerkriegs erholt sich das Land wirtschaftlich nur langsam. Sierra Leone ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Arbeitslosenrate bewegt sich zwischen 65 und 70%. Staatliche oder nichtstaatliche finanzielle Fördermöglichkeiten wie Sozial- oder Arbeitslosenhilfe existieren nicht. Erwerbslose, Kranke, Behinderte und ältere Menschen sind ganz besonders auf die Unterstützung der traditionellen Großfamilie angewiesen. Auch nichtstaatliche oder internationale Hilfsorganisationen bieten in der Regel keine konkreten Hilfen zum Lebensunterhalt. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.). Gleichwohl gelingt es selbst ungelernten Arbeitslosen durch Hilfstätigkeiten, Gelegenheitsarbeiten (z.B. im Transportwesen), Kleinhandel (z.B. Verkauf von Obst, Süßigkeiten, Zigaretten) und ähnliche Tätigkeiten etwas Geld zu verdienen und in bescheidenem Umfang ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen (OVG Nordrhein-Westfalen vom 6.9.2007, Az. 11 A 633/05.A).

Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich in Sierra Leone ein Existenzminimum - wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs - erwirtschaften kann (so im Ergebnis auch: VG München, B.v. 29.9.2017 - M 21 S 17.47358 - juris). Der Kläger war auch vor seiner Ausreise aus Sierra Leone in der Lage, sein Auskommen zu finden und sich das Existenzminimum zu sichern. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch bei einer Rückkehr nach Sierra Leone wieder möglich sein sollte. Der Kläger verfügt zumindest über eine neunjährige Schuldbildung und damit über eine für sierra-leonische Verhältnisse relativ gute Schulbildung. Der Kläger hat in Deutschland bei BMW gearbeitet und dabei praktische berufliche Erfahrungen gesammelt, die ihm auch bei einer Rückkehr nach Sierra Leone nützlich sein können. Es leben noch zwei Geschwister des Klägers in seinem Heimatland, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr auch auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Tante des Klägers, die diesem die Ausreise finanziert hat und ihm nach Aussagen des Klägers sogar das Geld für eine Flugreise von Sierra Leone nach Frankreich gegeben hat, ihn nicht auch bei einer Rückkehr in sein Heimatland wieder unterstützen würde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers. Aus sämtlichen im Rahmen des laufenden Verfahrens vorgelegten ärztlichen Befundberichten ergibt sich keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf die vorgetragene psychische Erkrankung. Im Gegenteildie Befunde des Bezirkskrankenhauses L … vom 29.4.2014 und vom 30.7.2018 kommen explizit zu der Einschätzung, dass der Kläger arbeitsfähig ist. Die übrigen Atteste verhalten sich zur Frage der Arbeitsfähigkeit nicht. Der Kläger hat auch in Deutschland trotz seiner psychischen Erkrankung bei BMW gearbeitet.

Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht folglich nicht.

b) Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Die Gewährung von Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel nicht als allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einzustufen, sondern als individuelle Gefahr, die am Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris = BVerwGE 127, 33 sowie U.v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - juris = BVerwGE 105, 383). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006, - 1 C 18.05 - juris = BVerwGE 127, 33). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 (BGBl I S. 390 ff. vom 11.3.2016) die Sätze 2 bis 4 des § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügt. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3) und schließlich liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4).

Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese daher durch eine qualifizierte, gewissen Mindestanforderungen genügende ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (BayVGH, B.v. 27.11.2017 - 9 ZB 17.31302 - juris, Rn. 4). Besondere Anforderungen hierfür gelten nach der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf das Vorbringen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds und seiner vielfältigen Symptome bedarf es hierfür regelmäßig eines fachärztlichen Attests, das den Mindestanforderungen genügt. So muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris, zu alledem auch VG Regensburg, B.v. 5.9.2018 - RO 7 K 16.32563 - BeckRS 2018, 21554).

Das Gericht geht darüber hinaus mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Vorgaben des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, insbesondere einer Reiseunfähigkeit, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses und zwar für jegliche Form der Erkrankung Anwendung finden (so auch: BayVGH, B.v. 10.1.2018 - 10 ZB 16.30735 - juris, Rn. 6 ff.; OVG Bremen, B.v. 13.6.2018 - 2 LA 60/17 - juris; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 - 2 L 85/17 - juris; OVG Hamburg, B.v. 23.9.2016 - 1 Bs 100/16 - juris; VG Hamburg, B.v. 2.2.2017 - 2 AE 686/17 - juris; VG Augsburg, B.v. 6.6.2016 - Au 6 S 16.30662 - juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 10.5.2016 - 6a K 3120/15.A - juris). Der Ausländer muss danach eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine „qualifizierte ärztliche Bescheinigung“ glaubhaft machen. Diese „ärztliche Bescheinigung“ soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die „fachlich-medizinische Beurteilung“ des Krankheitsbildes (Diagnose) sowie die Folgen, die sich nach „ärztlicher Beurteilung“ aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.

Die dem Gericht vorliegenden ärztlichen Äußerungen, die dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) attestieren bzw. Anpassungsstörungen bzw. eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen, erfüllen alle nicht die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zu stellenden Mindestanforderungen.

Es werden weder die Anforderungen der Rechtsprechung an die Diagnose einer PTBS noch die Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG, die auch für sonstige psychische Erkrankungen gelten, erfüllt.

aa) Gemäß der international classification of diseases (ICD-10: F43.1) entsteht die PTBS als „Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“. Ein traumatisches Ereignis/Erlebnis ist damit zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer PTBS. Ohne das Vorliegen eines Traumas kann die Diagnose einer PTBS folglich nicht gestellt werden. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Ausländer gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen oder psychologischen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Ereignisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen ärztlichen Untersuchung zu einer PTBS (BayVGH, B.v. 23.5.2017 - 9 ZB 13.30236 - juris; BayVGH, ‚B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris; BayVGH, B.v. 15.12.2010 - 9 9 ZB 10.30376 - juris unter Bezugnahme auf VGH BW, B.v. 20.10.2006 - A 9 S 1157/06 - juris).

Den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ist nicht einmal klar zu entnehmen, auf welches traumatisierende Ereignis die Diagnose des Verdachts auf eine PTBS (im ärztlichen Befundbericht vom 3.1.2017) und der gesicherten PTBS (in den ärztlichen Befunden vom 16.1.2018 und vom 17.9.2018 und vom 15.2.2019) gestützt wird. Es wird nur unkritisch die Aussage des Klägers, er habe seine Eltern verloren und sein Onkel habe versucht, ihn zu töten als traumatisierendes Ereignis übernommen. Aufgrund der Angaben, die der Kläger vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass das vom Kläger behauptete traumatisierende Ereignisdie versuchte Tötung durch den Onkelin Wahrheit nicht stattgefunden hat. Hinsichtlich des Todes der Eltern wurde mit Ausnahme des ungefähren Todeszeitpunktes überhaupt nichts vorgetragen, das als traumatisierendes Ereignis in Betracht kommen könnte. Dementsprechend fehlt ein traumatisierendes Ereignis im Heimatland des Klägers, weshalb sich eine PTBS wegen der von ihm geschilderten Ereignisse auch nicht entwickelt haben kann.

Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 - 9 C 19.85 - juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).

Bereits im angegriffenen Bescheid hat das Bundesamt zutreffend dargestellt, dass die Angaben des Klägers, die dieser bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gemacht hat, vage, oberflächlich und undetailliert waren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Darstellungen im angegriffenen Bescheid verwiesen.

Auch im Verlauf der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger keine detaillierteren Angaben zu den angeblichen Geschehnissen in seinem Heimatland machen. Er führte nur aus, es seien drei Leute gekommen, die ihn festnehmen wollten. Sie hätten ihn mit Medikamenten ruhigstellen wollen. Es sei dann zu einem Kampf gekommen, bis andere Leute gekommen seien, die den Kläger befreit hätten. Der Kläger konnte das angebliche Ereignis aber weder zeitlich eingrenzen noch angeben, um was für ein Medikament es sich gehandelt haben soll. Auf eine Nachfrage des Gerichts gab der Kläger sogar an, zu der Medikamentengabe sei es gar nicht gekommen. Er vermute nur, dass dies geplant gewesen sei, nachdem er gehört habe, wie einer der Angreifer zu dem anderen gesagt habe, er solle das Medikament holen. Der Kläger konnte nicht mal ansatzweise angeben, wieviel Zeit zwischen dem angeblichen Angriff bis zu seiner Ausreise aus dem Heimatland verging. Erst nach längerem Überlegen gab er an, es könnten ungefähr 6 Monate gewesen sein. Der Kläger schilderte auch keinerlei Begleitumstände, wie sie selbstverständlich wären, wenn jemand über etwas tatsächlich Erlebtes berichtet. Er schilderte weder näher, um was für Leute es sich bei den Angreifern handelte noch wer ihn befreit hat. Auch fehlten Ausführungen zu dem angeblichen Kampf. Selbst auf die wiederholte Bitte des Gerichts, dies genauer zu schildern, wurden die Angaben des Klägers nicht präziser. Auf die Frage des Gerichts, ob der Kläger bei dem Angriff verletzt worden sei, schilderte der Kläger nur von einem kleinen Kratzer am Arm. Auch die Frage des Gerichts, was zwischen 2011 und 2013 passiert ist, konnte der Kläger nicht zur Zufriedenheit des Gerichts beantworten.

Nach alledem ist die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin davon überzeugt, dass sich die vom Kläger geschilderten Vorfälle in Wahrheit nicht ereignet haben und er die von ihm vorgetragenen Geschehnisse lediglich erfunden hat, um seinem Asylantrag zum Erfolg zu verhelfen. Somit hat der Kläger gegenüber dem Gericht ein traumatisierendes Ereignis im Heimatland, auf dem die in den ärztlichen Berichten bescheinigte PTBS beruhen könnte, nicht glaubhaft gemacht. Mangels eines solchen Ereignisses ist damit auch die Diagnose einer PTBS nicht haltbar.

Außerdem ist den vorgelegten Befunden nicht nachvollziehbar zu entnehmen, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Zudem fehlen sowohl Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat als auch, ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Außerdem geben die Atteste keinen Aufschluss über die Schwere der Krankheit, den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) und den zukünftig erforderlichen konkreten Behandlungsbedarf und die eintretenden Folgen bei Beendigung einer ggf. medizinisch erforderlichen Therapie. Schließlich fehlt eine Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht wurde. Das Vorliegen der PTBS wird offensichtlich auf ein Ereignis im Heimatland des Klägers zurückgeführt. Der Kläger hat sein Heimatland nach seinen eigenen Angaben im Februar 2014 verlassen und der erste vorgelegte Arztbrief, der den Verdacht auf eine PTBS-Erkrankung äußert, datiert vom 3.1.2017, also fast 3 Jahre nach der Ausreise aus Sierra Leone.

bb) Die vom Kläger im Verlauf des Asylverfahrens vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen weisen auch in ihrer Gesamtheit nicht nach, dass der Kläger derzeit an sonstigen schwerwiegenden psychischen Erkrankungen leidet, die geeignet wären, ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen.

Aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen geht nicht in nachvollziehbarer Weise hervor, dass eine psychische Erkrankung mit einem entsprechenden Schweregrad vorliegt, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG im beschriebenen Sinne darstellt. Eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und die Anpassungsstörungen wurden nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Auch wenn die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich des Vorliegens einer PTBS (vgl. Urteil vom 11.09.2017, BVerwGE 129, 251/255) auf sonstige psychische Erkrankungen nicht sämtlich anwendbar sind, werden durch die bisher vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen auch die gesetzlich verankerten Mindestanforderungen des § 60 a Abs. 2 c Satz 3 AufenthG nicht erfüllt.

Es fehlt bei den Berichten des Bezirkskrankenhauses L … sowie den ärztlichen Befunden von Frau Dr. C … an einer klaren Folgenprognose im Falle eines Behandlungsabbruches. Soweit diese in ihren ärztlichen Befunden abschließend feststellt, eine Abschiebung würde zu einer deutlichen Verschlechterung des psychischen Zustandes des schwer depressiven Patienten führen bzw. eine Abschiebung sei mit der Gefahr einer Dekompensation der psychischen Erkrankung des Klägers verbunden und es seien suizidale Tendenzen zu erwarten, ist es in keiner Weise ersichtlich, auf welcher Grundlage die Ärztin diese Erkenntnisse gewonnen hat. Weder die Methodik der Tatsachenerhebung noch der Behandlungsverlauf ist daraus erkennbar. Zudem ließe sich daraus nicht ohne weiteres ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis herleiten, sondern dabei würde es sich um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis handeln, das von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen wäre.

Die Bescheinigungen sind nicht nachvollziehbar und unschlüssig. Der in den Attesten der Fachärztin aufgezeigte psychische Befund bestätigt die unter den ICD-Codes F 32.2 und 3 erwähnten schwerwiegenden Symptome nicht annähernd. Die Diagnosen stützen sich zudem auf unzureichende Befunde. Denn die Fachärztin belässt es bei einer allgemeinen Wiedergabe der vom Kläger berichteten Beschwerden. Die Atteste sind hinsichtlich ihrer Diagnosen nicht schlüssig hergeleitet. Die Anamnese beruht ausschließlich auf den subjektiven Aussagen des Klägers. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die Ärztin zu ihrer Prognose kommt. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der psychische Befund und die Diagnose gestellt wurden. Eine hinreichend kritische Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers erfolgt nicht. Aus den vorgelegten Befunden ergeben sich weder nachvollziehbar die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist noch die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), der Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Bisher wurde nicht einmal im Ansatz ärztlich bescheinigt, dass es sich um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handelt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde oder dass sich die Krankheit in seinem Heimatland nach einer Ausreise in der Weise verschlechtert, dass sie zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, weil die Behandlungsmöglichkeiten im Zielland unzureichend sind.

Demnach war der in der mündlichen Verhandlung gestellte, bedingte Beweisantrag abzulehnen. Die zu beweisende Tatsache wurde den vorherigen Ausführungen folgend nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Eine hier maßgebliche zielstaatsbezogene Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Befundberichten nicht ansatzweise. Die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens ist daher auch nicht erforderlich.

Insgesamt hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger in psychischer Hinsicht belastet ist. Eine PTBS bzw. psychische Erkrankung ausreichender Schwere, die zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis führt, ist aber nicht substantiiert dargelegt. Für das erkennende Gericht ist daher keine derartige Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers bei seiner Rückkehr nach Sierra Leone ersichtlich, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlich oder schwerwiegend wäre.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva nach der Auskunftslage auch in Sierra Leone möglich wäre (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.2.2007 an das VG Aachen in Sachen 9 K 2065/02.A). Anhaltspunkte dafür, dass sich daran etwas geändert haben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Erforderlichkeit einer darüber hinausgehenden Therapie wurde nicht substantiiert dargetan.

Die Zuerkennung eines Abschiebeverbotes schied daher aus.

3. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.

4. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besondere Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht er-hoben, § 83b AsylG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 38 Ausreisefrist bei sonstiger Ablehnung und bei Rücknahme des Asylantrags


(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Ab

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Mai 2019 - RN 14 K 17.30897 zitiert 13 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2017 - 9 ZB 17.31302

bei uns veröffentlicht am 27.11.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Die Klägerin ist albanische Staa

Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Sept. 2017 - M 21 S 17.47358

bei uns veröffentlicht am 26.09.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben sierra-leonischer Staatsangeh

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 19. Juli 2018 - 20 B 18.30800

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2016 - 9 ZB 16.30468

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Kläger ist seinen A

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2014 - 13a B 14.30285

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2018 - 10 ZB 16.30735

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2017 - 9 ZB 13.30236

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Kläger ist Staatsangehöriger S

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Juni 2016 - Au 6 S 16.30662

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Gründe I. Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 28. Sept. 2017 - 2 L 85/17

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Gründe 1 Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 21.07.2017 hat keinen Erfolg. 2 I. Der Rechtssache kommt die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 02. Feb. 2017 - 2 AE 686/17

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Okt. 2016 - A 9 S 908/13

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 23. Sept. 2016 - 1 Bs 100/16

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. Okt. 2006 - A 9 S 1157/06

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Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2013 - A 12 K 1125/12 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der am … 1968 in Diabugu geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21.10.2010 auf dem Landweg aus Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte hier am 10.01.2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger am 11.01.2012 an, er habe sein Heimatland bereits im Jahr 1992 verlassen. Er sei in die USA zu einem Kongress gereist. Währenddessen habe es in Gambia den Regierungswechsel gegeben. Deshalb sei er in den USA geblieben und habe dort einen Asylantrag gestellt. Dieser sei abgelehnt worden, weshalb er 2003 das US-Territorium wieder habe verlassen müssen. Insgesamt habe er sich in den USA elf Jahre aufgehalten. Er habe dort gearbeitet und mit seinem Verdienst seinen Lebensunterhalt selbst gesichert. Im August 2003 sei er auf eigene Kosten per Flugzeug in sein Heimatland zurückgereist. Er habe ohne Probleme den Flughafenbereich Banjul verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben. Er habe dort lediglich eine Nacht verbracht und sei dann unverzüglich per Fähre wieder ausgereist. Dann habe ihn jemand bis nach Dakar chauffiert. Im Senegal habe er sich drei Monate aufgehalten. Anschließend sei er per Bahn nach Mali gereist und dort bis Mai 2004 geblieben. Er habe dort überhaupt nichts gemacht und sei auch nicht behelligt worden. Im Laufe der Zeit sei ihm das Geld ausgegangen und er sei mit einem gefälschten malischen Pass nach Frankreich geflogen. Dort habe er bis zum 21.11.2010 illegal gelebt; er habe dort nichts gemacht, einige Freunde aus den USA hätten ihn finanziell unterstützt. Am 22.11.2010 sei er mit der Bahn von Paris nach München gereist. Seine Erfahrungen in den USA hätten ihn zunächst von einer Asylantragstellung abgehalten. Sein Leben in der Illegalität habe ihm schließlich zugesetzt und deshalb habe er einen Asylantrag gestellt; er habe ja keine Zukunftsperspektive gehabt.
In Gambia sei er Mitglied einer Partei gewesen. Allerdings habe er die Details vergessen. Er habe sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen, er habe vielmehr einen Kongress in den USA besucht. Nach dem Regierungswechsel sei er in den USA geblieben, weil er Angst um sein Leben gehabt habe. Sein Asylantrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, die politischen Verhältnisse hätten sich erneut geändert. Zunächst habe er jedenfalls ein befristetes Aufenthaltsrecht in den USA erhalten; damit verknüpft gewesen sei auch eine Arbeitserlaubnis. Er habe in Gambia niemanden mehr, der ihm beim Aufbau einer Existenz helfen könnte. Hinsichtlich einer politischen Verfolgung vermöge er nichts Neues zu berichten. Allerdings wolle er noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen. Dadurch könne er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen. Bei der Asylantragstellung in den USA habe er dies nicht angegeben. Er habe sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen könne. Er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In Gambia habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen. Bei einer Rückkehr nach Gambia würden die Leute sicherlich seine Veranlagung erkennen. Er müsste dann mit dem Schlimmsten rechnen. Möglicherweise könnte auch seine politische Vergangenheit wieder ans Licht kommen.
Mit Bescheid vom 13.03.2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, und drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Gambia an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 22.03.2012 zugestellt.
Am 03.04.2012 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und schriftsätzlich beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2013, zu der der Kläger ohne seinen Rechtsanwalt erschienen war, hat das Verwaltungsgericht neben dem schriftsätzlich formulierten Antrag auch die Anträge in die Niederschrift aufgenommen, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Im Tatbestand des Urteils ist der Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, nicht mehr enthalten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, die Frage nach einer heutigen Rückkehrgefährdung könne natürlich nur spekulativ beantwortet werden. 2003 habe man jedoch am Flughafen in Banjul seine Personalpapiere eingezogen. Sein Vater sei 1995 in Sierra Leone verstorben. Aufgrund von Gesprächen mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, gehe er davon aus, dass man in seiner Heimat auch heute noch auf ihn aufmerksam werden würde. Sein wesentliches Problem sei seine Homosexualität. In Gambia sei er heute auch wegen dieser Veranlagung gefährdet.
Mit Urteil vom 08.02.2013 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist; den Bescheid vom 13.03.2012 hat es insoweit aufgehoben, als er dem entgegensteht. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Gambia zur Überzeugung des Gerichts darlegen können. Der Einzelrichter glaube dem Kläger, dass er homosexuell sei und deshalb in Gambia - angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls - individuell und unmittelbar von Verfolgung bedroht sei. Die in die Sitzung eingeführten Erkenntnisquellen zur Verfolgung Homosexueller unter dem Regime Jammeh, der Homosexualität wohl „für einen westlichen Import halte, den es zu bekämpfen gelte“, seien eindrucksvoll. Homosexuell veranlagte Menschen würden in Gambia offenbar bisweilen sogar „öffentlich gejagt“, jedenfalls eingesperrt bzw. strafrechtlich verfolgt. Es könne dahinstehen, ob in Gambia die Voraussetzungen einer Verfolgung Homosexueller als soziale Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 lit. d QRL gegeben seien, insbesondere ob die für die Bejahung einer solchen Gruppenverfolgung auch für den Flüchtlingsschutz nach der Qualifikationsrichtlinie erforderliche „Verfolgungsdichte“ angesichts der Strafbarkeit „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Artikel 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 und einer (später dementierten) Aufforderung durch Präsident Jammeh im Mai 2008 an alle Homosexuellen, das Land zu verlassen, andernfalls sie geköpft würden, erreicht sei. Es könne weiter dahinstehen, ob die Annahme einer solchen Verfolgung Homosexueller als soziale Gruppe i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V.m. Art. 10 lit. c QRL voraussetze, dass staatliche Verfolgungshandlungen sowohl auf die öffentlich ausgelebte Homosexualität (sog. „forum externum“) als auch auf die im Verborgenen gelebte sexuelle Ausrichtung (sog. „forum internum“) abzielten, oder ob ein homosexueller Mensch generell darauf verwiesen werden könne, seine sexuelle Ausrichtung nach außen nicht bekannt werden zu lassen. Dies ergebe sich im vorliegenden Einzelfall daraus, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL überzeugend dargelegt habe. Der Einzelrichter glaube dem Kläger, dass er homosexuell sei und aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten, in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Artikel 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse. Letzteres stelle keine „konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung“ dar, welche nach § 60 Abs. 6 AufenthG einer Abschiebung nicht entgegenstehe, sondern eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, die gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL als Verfolgung einzustufen sei. Auch der Umstand, dass der Kläger seine Homosexualität bei dem Asylverfahren in den USA nicht angegeben habe, spreche nicht gegen ihn. Zum einen dürfte damals keine vergleichbar gefährliche Situation für homosexuell veranlagte Menschen in Gambia gewesen sein. Zum anderen erkläre sich dies für den Einzelrichter aus der - auch in der mündlichen Verhandlung ersichtlichen - glaubhaft geschilderten Angst und Scham, über seine Homosexualität öffentlich zu sprechen. Dass der Kläger sich seiner sexuellen Ausrichtung schäme, sei angesichts des aus den Erkenntnismitteln ersichtlichen Umgangs mit Homosexualität in Gambia nicht verwunderlich und habe dem Kläger in der mündlichen Verhandlung auch deutlich angemerkt werden können. Er habe auf das Gericht im Übrigen durchgängig glaubhaft gewirkt. So habe er etwa - obwohl dies für ihn im Hinblick auf zu befürchtende Verfolgung nachteilig sei - selbst freimütig eingeräumt, dass seine politischen Aktivitäten so lange zurücklägen, dass sich allein hieraus ergebende Gefahren spekulativ seien. Auf der Grundlage der Berichte des Klägers über seine Kontakte und Informationen aus Gambia müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass seine homosexuelle Veranlagung in seiner Heimat bekannt würde und er deshalb konkret und schwerwiegend bedroht würde. Auch im Lichte der Entscheidung des EuGH vom 05.09.2012 in der Rechtssache Y und Z (C-71/11 und C-99/11) könne der Kläger jedenfalls im vorliegenden Fall auch nicht darauf verwiesen werden, seine sexuelle Neigung im Verborgenen auszuleben und erneut dauerhaft „zu unterdrücken“. Mithin sei er nach Überzeugung des Gerichts angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls in Gambia als Homosexueller individuell und unmittelbar von Verfolgung bedroht. Nach allem sei der Klage auf Flüchtlingsanerkennung unter Aufhebung des entgegenstehenden Teils des angefochtenen Bescheids stattzugeben gewesen, sodass über die hilfsweise gestellten Anträge nicht mehr zu entscheiden sei.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 25.04.2013 - A 9 S 654/13 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen.
10 
Die Beklagte trägt vor, der vom Verwaltungsgericht bejahte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft könne bereits deshalb kein Streitgegenstand sein oder noch werden, weil hierüber bereits bestandskräftig entschieden worden sei. Eine darauf gerichtete Klageerweiterung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit scheide aus. Streitgegenständlich sei mithin nur noch, ob ein Anspruch auf das unionsrechtliche oder - hilfsweise - das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot bestehe. Sie vermöge weiterhin nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger unter dem Druck einer individuell erlittenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgereist wäre. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber meine, die Darlegung einer überzeugend drohenden bzw. erlittenen Vorverfolgung in Gambia feststellen zu können, lege es in den Urteilsgründen nicht dar, worauf diese Folgerung tragfähig zu stützen wäre. Aus der kargen, im Übrigen namentlich auch zu Art wie den individuellen Konsequenzen der geltend gemachten Homosexualität schweigenden Niederschrift der mündlichen Verhandlung ergebe sich ebenfalls nichts für insoweit überzeugende klägerische Darstellungen. In der persönlichen Anhörung bei ihr habe der Kläger im Übrigen ausdrücklich noch mitgeteilt, er habe bei seiner kurzfristigen Rückkehr nach Gambia im August 2003 ohne Probleme den Flughafenbereich Banjul verlassen können und im Anschluss daran ebenso wenig weitere Probleme gehabt. Zu in der mündlichen Verhandlung anderen Angaben, dem dann evident bestehenden Widerspruch in der klägerischen Darstellung sowie der aus Sicht des Verwaltungsgerichts nachvollziehbaren Auflösung eines solchen Widerspruchs schweige das Urteil. Insgesamt werde somit nicht erkennbar, dass bzw. weshalb sich der Kläger auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL sollte stützen können.
11 
Selbst für den Fall der identitätsprägenden Homosexualität werde sich aus der Quellenlage keine allgemein im Heimatland beachtlich wahrscheinliche Gefährdung bzw. sonstige im Sinne eines Abschiebungsverbots relevante Situation ableiten lassen. Beispielsweise werte der Österreichische Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.03.2012 die Auskunftslage dahin, es sei den Berichten nicht zu entnehmen, dass - trotz der Äußerungen des gambischen Präsidenten - alle Homosexuellen systematisch tatsächlich existenzbedrohend verfolgt bzw. gerichtlich verurteilt würden. Im Gegenteil sei bis heute eine entsprechende Verurteilung nicht bekannt, wie sich aus der ständigen Beobachtung aktueller Medienberichte zu Gambia ergebe. Auch die unbestrittene Ablehnung der Homosexualität in weiten Bevölkerungsteilen Gambias bedeute keine „automatisch asylrelevante“ Gruppenverfolgung. Es habe eine Einzelfallprüfung, je nach sonstiger Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und den Umständen des Einzelfalls, stattzufinden. Die zwischenzeitlich hinzugekommenen Auskünfte böten kein erkennbar anderes Bild.
12 
Für das unionsrechtliche Abschiebungsverbot relevant seien allein Gefährdungen im Sinne des Art. 15 QRL. Anders als hinsichtlich der Eingriffsschwere beim Flüchtlingsstatus sei beim unionsrechtlichen Abschiebungsverbot im Übrigen nicht geregelt, dass die nötige Intensität auch durch die Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden könnte. Für das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot zeige sich nichts anderes, zumal selbst zum Asylanspruch nach Art. 16a Abs. 1 GG höchstrichterlich geklärt sei, dass Eingriffe, die unterschiedliche Schutzgüter mit einer jeweils nicht asylrelevanten Intensität träfen, auch in ihrer Gesamtheit keine Verfolgung seien. Von daher könne sich ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot auch nicht generell aus der sozialen Diskriminierung Homosexueller in weiten Bevölkerungsschichten Gambias herleiten.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2013 - A 12 K 1125/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen,
17 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren,
18 
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,
19 
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
20 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Klageerhebung gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 sei umfassend erfolgt. Aus der Begründung der Klage ergebe sich kein Anhaltspunkt, dass eine Beschränkung auf die Zuerkennung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) gewollt gewesen sei. Der Antrag werde mit der Klageschrift nur angekündigt, gestellt werde er gemäß § 103 Abs. 3 VwGO erst in der mündlichen Verhandlung. Auch nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 15.10.2012 müsse für ihn aufgrund seiner Homosexualität von einer ernsthaften konkreten Gefahr ausgegangen werden, dass er wegen seiner sexuellen Ausrichtung als eines für ihn unverfügbaren Merkmals mit schwerer Diskriminierung bzw. einer Haftstrafe rechnen müsse. Nach den vorliegenden Informationen komme es in Gambia regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Homosexualität. Insoweit verweise er auf die Pressemeldung vom 11.04.2012, wonach im April 2012 15 Männer aufgrund ihrer Homosexualität verhaftet worden seien. Auch in jüngster Zeit sei Staatspräsident Jammeh in der Öffentlichkeit mit regelrechten Hasstiraden gegenüber Homosexuellen in Erscheinung getreten. So habe er in einer Rede anlässlich der Eröffnung des Parlaments in Banjul in Anwesenheit ausländischer Diplomaten und hoher Würdenträger abermals mitgeteilt, dass Homosexualität in Gambia nicht erlaubt sei und er weiterhin zu seinen früheren Erklärungen stehe, in denen er Homosexualität eindeutig verurteilt habe. Nach den Erklärungen des Staatspräsidenten sei Homosexualität unmenschlich, wobei er noch nie „ein homosexuelles Huhn oder einen schwulen Truthahn gesehen habe“. Nach den Aussagen des Staatspräsidenten werde es in seinem Land auch weiterhin keine Gnade für Homosexuelle geben, im Gegenteil, „man werde sie in Frauengefängnisse stecken“. Weiter habe der Staatspräsident zu verstehen gegeben, dass Homosexuelle in Gambia nicht willkommen seien und sie es bereuen würden, geboren worden zu sein, wenn man sie erwische. Die Situation homosexueller Menschen habe sich in Gambia spätestens seit 2014 mit dem Erlass von Gesetzesverschärfungen gegen Homosexuelle dramatisch verschlechtert. Homosexualität werde nunmehr seit Inkrafttreten des Gesetzes gegen schwere Homosexualität am 09.10.2014 mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet. Zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes gingen gambische Behörden vermehrt gegen LGBTI vor. In Haft komme es zu Folter. Zunehmend durch die Hetzkampagnen des Präsidenten beteiligten sich daran auch hohe Regimefunktionäre. Angehörige der LGBTI seien schutzlos Übergriffen auch aus der Bevölkerung ausgesetzt. Hinzu komme, dass aufgrund verschiedener Hinweise der konkrete Verdacht bestehe, dass das Regime in Gambia auch Personen im Ausland überwache. Im Falle einer Rückkehr drohe ihm aufgrund seiner Homosexualität Inhaftierung und Folter.
21 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte in der Sitzung vom 26.10.2016 verhandeln und in der Sache entscheiden, obwohl die Beklagte nicht vertreten war. Denn sie ist in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist rechtmäßig (V.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBI l S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBI l S. 3474), wie folgt zu verstehen (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
26 
Der nach der Verhandlungsniederschrift des Verwaltungsgerichts auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete Hilfsantrag (so die Fassung in der Verhandlungsniederschrift) ist nunmehr zum einen als Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25). Soweit der Antrag darüber hinaus (hilfsweise) auf die Feststellung von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG gerichtet ist, kann er ohne Änderung weiterverfolgt werden; diese Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (und auch nicht auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG). Denn insoweit ist die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
29 
Der dem Kläger am 22.03.2012 zugestellte Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 enthält unter Nr. 1 seines Tenors die Regelung, dass der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wird, und unter Nr. 2 die Regelung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. In Nr. 3 wird ausgesprochen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, und Nr. 4 enthält eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Gegenstand der dagegen am 03.04.2012 beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers war lediglich die Verpflichtung der Beklagten, bei ihm das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Hinsichtlich der in Nr. 1 und Nr. 2 getroffenen Regelungen hat der Kläger den Bescheid nicht innerhalb der am 05.04.2012 abgelaufenen zweiwöchigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. angegriffen. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 deshalb bestandskräftig geworden.
30 
Daran ändert auch die in der Klageschrift gewählte Formulierung nichts, es werde Klage „gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012“ erhoben. Dies gilt schon deshalb, weil die im Anschluss formulierten Anträge (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO) eindeutig und auf die Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und die teilweise Aufhebung des Bescheids beschränkt sind. Auch bei einer nach § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Begehrens des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klage auch auf die Verpflichtung, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, bezogen sein sollte.
31 
Dass § 103 Abs. 3 VwGO (verfahrensrechtlich) die Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vorsieht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein mit der Klageschrift gestellter Antrag ist zwar insoweit ein lediglich angekündigter, als es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, einen anderen, auch inhaltlich abweichenden Antrag zu stellen. Gleichwohl bestimmt der angekündigte Antrag den Streitgegenstand entscheidend mit und ist für das weitere Verfahren von maßgeblicher Bedeutung. Kommt es etwa zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so ist der (angekündigte) Antrag der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen, falls er nicht vorher vom Kläger geändert wird. Im Falle einer Änderung des (angekündigten) Klageantrags ist der geänderte Antrag zudem an den Voraussetzungen des § 91 VwGO für eine Klageänderung zu messen. Auch dies belegt die Relevanz eines schriftsätzlich gestellten Antrags (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2010 - 18 A 2928/09 -, juris, m.w.N.). Deshalb wäre es auch unerheblich - und würde den Eintritt der (Teil-)Bestandskraft nicht hindern -, wenn der Prozessbevollmächtigte - wie hier nicht - die Anträge ausdrücklich lediglich angekündigt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125.09 -, juris).
32 
Die vom Kläger innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. nicht angegriffenen Teile der im Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Gesamtregelung waren auch einer (Teil-)Bestandskraft zugänglich. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsakts teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist...“) ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Eine solche Teilbarkeit der in dem Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Regelungen war im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Ansprüche auf unionsrechtlichen (§ 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG) und nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG) bilden entweder eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile, die zudem in einem bestimmten Rangverhältnis stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260, und vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319).
33 
Diese nach Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des bezeichneten Teils der Gesamtregelung kann nicht nachträglich durch eine spätere Änderung bzw. Erweiterung des Klagebegehrens wieder beseitigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Sowohl bei einer Klageänderung (§ 91 VwGO) als auch bei einer Klageerweiterung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) müssen die Sachurteilsvoraussetzungen auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Die (erst) in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2013 vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Klageerweiterung bezog sich indes auf einen nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. bestandskräftig gewordenen Teil des Bescheids vom 13.03.2012. Sie ist deshalb unzulässig.
III.
34 
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
35 
Diese Vorschrift enthält nunmehr den Regelungskomplex zum subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden: RL 2011/95/EU). Nach Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU bezeichnet der Begriff „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Antragsteller, der stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 zu erleiden.
36 
In Umsetzung von Art. 15 RL 2011/95/EU definiert § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG abschließend die drei Fallgruppen des ernsthaften Schadens. Die hier allein in Betracht kommende Nr. 2 verweist wie auch Art. 15 Buchst. b RL 2011/95/EU lediglich auf den als ernsthaften Schaden bezeichneten Begriff „Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“, lässt aber die Frage, nach welchen Kriterien dieser festzustellen ist, offen. Mit dem Hinweis auf „stichhaltige Gründe“ in Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU wird die Rechtsprechung des EGMR zu den Substantiierungspflichten nach Art. 3 EMRK in Bezug genommen (vgl. Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Der Antragsteller muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm geltend gemachte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung maßgebend sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU). Ihn trifft insoweit eine Darlegungslast (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU; § 25 Abs. 2 AsylG; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 39 ff.). Anders als beim Flüchtlingsschutz kommt es ausschließlich auf den nach objektiven Grundsätzen zu ermittelnden ernsthaften Schaden und nicht auf eine begründete Furcht vor einer derartigen Gefahr an (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Bei der Entscheidung darüber, ob die Gefahr von Misshandlungen besteht, sind die absehbaren Folgen einer Abschiebung im Zielstaat unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Lage und der besonderen Umstände des Betroffenen zu prüfen (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.). Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine „objektive Gefahr“, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Der EGMR differenziert dabei zwischen unerheblichen, bloßen Möglichkeiten sowie dem beachtlichen ernsthaften Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (EGMR, Urteil vom 30.10.1991 - Nr. 13163/87 u.a., Vilvarajah u.a./Großbritannien -, NVwZ 1992, 869; Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.) Damit wird das ernsthafte und individualisierbare Risiko, einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt zu werden, zum Gegenstand der Gefahrenprognose (Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41).
37 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, ber. Abl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24, im Folgenden RL 2004/83/EG). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt danach unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EG erlitten hat (vgl. zum Folgenden Senatsurteile vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 und A 9 S 1873/12 -, jeweils juris). Der in dem Tatbestandsmerkmal „tatsächlich Gefahr liefe“ des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU (vgl. auch Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK, wie dargelegt, auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“, zu diesem Begriff: EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67). Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377).
38 
Davon ausgehend steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht.
39 
1. Der Kläger ist im Jahr 1992 legal und ersichtlich unverfolgt bzw. ohne einen ernsthaften Schaden erlitten zu haben oder davon bedroht gewesen zu sein, aus seinem Heimatland ausgereist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 2005/83/EG überzeugend dargelegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Er hat selbst gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen habe, sondern vielmehr, um in den USA einen Kongress zu besuchen. Soweit das Verwaltungsgericht meint, dass der Kläger aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse, ist dies schon aus sich heraus nicht geeignet, eine Vorverfolgung plausibel zu begründen. Aber auch darüber hinaus trifft diese Auffassung nicht zu, denn „Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003“ sind nicht erkennbar. Im Gegenteil: Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt die Frage, ob er nach seiner Ankunft im Flughafen von den Sicherheitskräften verhört worden sei, verneint und ausdrücklich erklärt, er habe den Flughafenbereich Banjul ohne Probleme verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben und sei am nächsten Tag wieder ausgereist. Seiner pauschalen Behauptung, seine Personalpapiere seien von den gambischen Behörden eingezogen worden, hat er schon vor dem Bundesamt erkennbar keine weitere Bedeutung zugemessen. Gegenteiliges hat auch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt und auch die Behauptung, die früheren politischen Aktivitäten des Klägers seien offenbar bekannt geworden, nicht nachvollziehbar belegt. Das Vorbringen des Klägers gibt dafür jedenfalls nichts her. Im Übrigen hat er auch keine nachvollziehbaren Angaben zu früheren politischen Aktivitäten machen können. Er hat lediglich erklärt, er sei Mitglied einer Partei gewesen, allerdings habe er die Details vergessen. Danach fehlt es völlig an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger sein Heimatland verlassen hat, nachdem er einen ernsthaften Schaden erlitten hätte oder unmittelbar davon bedroht gewesen wäre. Auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kann er sich mithin nicht berufen.
40 
2. Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund seiner nicht näher substantiierten politischen Aktivitäten nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht, lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Auch darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass er in das Blickfeld der gambischen Sicherheitsbehörden geraten wäre und ihm nun ein ernsthafter Schaden drohte. Dies gilt auch mit Blick auf seinen langjährigen Auslandsaufenthalt, wie im Übrigen auch seine problemlose Wiedereinreise im Jahr 2003 zeigt. Eine Änderung der Gefährdungslage ist weder substantiiert dargetan - der vage Hinweis auf Gespräche mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, reicht dafür nicht aus - noch erkennbar.
41 
Soweit er auf seine Homosexualität verwiesen hat, vermag der Senat - auch wenn er davon ausgeht, dass der Kläger homosexuell ist - bei der gebotenen Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose (vgl. dazu EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, NVwZ-RR 2014, 487; Senatsurteile v.07.03.2013, a.a.O.) nicht festzustellen, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht.
42 
Zur Situation von Homosexuellen in Gambia (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 28.06.2016 - A 3 K 1376/15 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 27.09.2012 - A 8 K 196/11 -, juris, und Urteil vom 17.10.2012 - A 1 K 201/11 -) hat das Auswärtige Amt bereits 2009 dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien - auch einvernehmliche - „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts-)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden. In der Praxis zeigten Homosexuelle ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit. Polizeiaktionen gegen Homosexuelle seien nicht an der Tagesordnung, kämen aber immer wieder vor. Viele Fälle würden der Polizei von Privatpersonen angezeigt. Bei den der Botschaft bekannten Fällen handele es sich meist um Anklagen wegen Homosexualität in Verbindung mit Pädophilie gegen (weiße) Ausländer, zum Teil Touristen. Mehrere Verfahren verliefen aber nach Zahlung hoher Kautionen im Sand, Urteile würden in diesem Fällen selten gesprochen. Es gebe in Gambia keine Orte, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden könne.
43 
In der Auskunft vom 16.12.2014 an das VG Sigmaringen führt das Auswärtige Amt aus, seit 2013 komme es verstärkt zu Diskriminierung und auch rechtlicher Verfolgung von Homosexuellen in Gambia. Art. 144 des Strafgesetzbuchs verbiete alle Arten von „acts of gross indecency/unnatural behaviour“, der Strafrahmen betrage bis zu 14 Jahren Haft. Hierunter fielen u.a. öffentlicher (heterosexueller) Geschlechtsverkehr, Exhibitionismus oder Homosexualität. Es sei zu einzelnen Verhaftungen, aber nicht zu Verurteilungen gekommen (wegen Mangel an Beweisen). Im August 2014 habe das gambische Parlament ein neues Gesetz (neuer Art. 144A) zu „aggrevated homosexuality“ verabschiedet, das Staatspräsident Jammeh am 09.10.2014 unterzeichnet habe und das seitdem in Kraft sei. Es sehe für homosexuelle Handlungen mit/von Minderjährigen, Behinderten, HIV-Positiven oder Schutzbefohlenen eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. In den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu Gambia (Stand: 17.10.2016) heißt es, hohe Repräsentanten des gambischen Staates hätten die Bevölkerung in öffentlichen Reden zur Anzeige Homosexueller aufgerufen. Es gebe Berichte über die vorübergehende Inhaftierung von Homosexuellen, auch Europäern. Das Vorgehen der gambischen Behörden scheine sich eher zu verschärfen.
44 
Amnesty International berichtet im Report 2016 Gambia, dass drei Männer, die im Verdacht gestanden hätten, homosexuell zu sein, wegen „widernatürlicher“ Handlungen vor Gericht gestellt worden seien. Zwei der Männer seien im August freigesprochen worden, der Prozess gegen den dritten Mann sei Ende 2015 noch anhängig gewesen. Die Männer seien im November 2014 festgenommen worden, nachdem einen Monat zuvor für den Straftatbestand der „schweren Homosexualität“ die lebenslange Freiheitsstrafe eingeführt worden sei. Im Länderinfo Gambia (2016) führt Amnesty International aus, im April 2012 seien 20 Männer in einem Vorort von Banjul wegen des Verdachts auf Homosexualität verhaftet worden. Zwar seien sie letztendlich freigesprochen worden, doch hätten es 11 von ihnen sicherer gefunden, außer Landes zu fliehen.
45 
ACCORD berichtet in seiner Anfragebeantwortung zu Gambia: Lage von Homosexuellen vom 15.02.2013, das US-Außenministerium schreibe in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Mai 2012, trotz der gesetzlich vorgesehenen Strafen (in Art. 144 des Strafgesetzbuchs von Gambia) sei bislang niemand strafrechtlich verfolgt worden. Trotz der Stellungnahmen von Präsident Jammeh habe es 2011 auch keine Berichte über körperliche Gewalt gegen LGBT-Personen gegeben. Im April 2012 habe „The Daily Observer“ berichtet, das 18 mutmaßliche Homosexuelle am 10.04.2012 vor dem Gericht in Kanifing angeklagt worden seien. Ihnen werde vorgeworfen, untereinander sittenwidrige Handlungen gegen die Gesetze Gambias begangen zu haben. Im August 2012 berichte „The Daily Observer“, dass das Gericht Kanifing 17 mutmaßliche Homosexuelle und eine mutmaßliche Lesbe freigesprochen und die Anklagen zurückgezogen habe.
46 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in der Auskunft vom 28.07.2015 (Gambia: Situation der LGBTI) aus, seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Oktober 2014 gingen die gambischen Behörden vermehrt gegen LGBTI und vermutete LGBTI vor. Gemäß Amnesty International (Report 2015) seien im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17-jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten des NIA und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlichen homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen-Gesetzes seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia - Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, LGBTI aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen. Der UN-Sonderberichterstatter Méndez berichte, dass mindestens drei der November verhafteten Personen über Wochen verhaftet und gefoltert worden seien. Im Bericht des UNO-Generalsekretärs zur Entwicklung in Westafrika werde darauf hingewiesen, dass im April 2015 drei Verfahren gegen Männer durchgeführt worden seien, die wegen homosexueller Handlungen angeklagt worden seien. Vor ihrem Transfer ins Gefängnis sollten sie in den Haftanstalten des NIA gefoltert worden seien.
47 
Immer wieder hetze Präsident Jammeh gegen homosexuelle Personen. Bereits 2008 habe er alle Homosexuellen aufgefordert, das Land unverzüglich zu verlassen, sonst würden ihnen „die Köpfe abgeschlagen“. 2013 habe er das Parlament gefragt, ob sie schon einmal ein schwules Huhn oder einen schwulen Trutha hn gesehen hätten. Im selben Jahr habe er Homosexualität in einer Rede vor der UN-Generalversammlung als „tödlicher als alle Naturkatastrophen zusammen“ bezeichnet. 2014 habe er Homosexuelle mit Ungeziefer verglichen und gesagt: „Wir werden dieses Ungeziefer, genannt Homosexuelle oder Schwule, genauso bekämpfen, wie wir die Mücken bekämpfen, die Malaria verursachen - nur noch aggressiver.“ Zudem drohe er mit der Aufhebung der diplomatischen Immunität, wenn ein Diplomat angeklagt werde, homosexuell zu sein. Gambia würde keine schwulen Diplomaten dulden. Im Mai 2014 habe er Gambier bedroht, die im Ausland Asyl beantragt hätten, weil sie in Gambia aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden seien. Auch hohe Regimefunktionäre beteiligten sich an der Hetzkampagne des Präsidenten. Im Januar 2015 habe Jammeh die USA beschuldigt, ein teuflisches homosexuelles Reich anzuführen und er habe gewarnt, dass dieses teuflische Reich in der Hölle enden werde. Im Mai 2015 habe Präsident Jammeh erneut gedroht: „Wenn ihr es tut, werde ich euch die Kehle durchschneiden. Wenn du ein Mann bist und einen anderen Mann heiraten willst und wir dich erwischen, wird niemand dich je wiedersehen und kein Weißer kann da irgendetwas tun.“
48 
Auch der UN-Sonderberichterstatter Christoph Heyns weise auf die öffentlichen Hassreden des Präsidenten gegen Homosexuelle hin. Die Hasspropaganda und die Verschärfung der Gesetze gegen Homosexuelle fördere Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI. Das Risiko, dass LGBTI angegriffen, erniedrigt oder gar getötet würden, sei groß. Soziale Diskriminierung von LGBTI sei ausgeprägt. Es gebe weder Organisationen, die sich für LGBTI einsetzten, noch Gesetze, welche Homosexuelle schützten, die mit dem Tod, körperlicher Gewalt und Inhaftierung bedroht seien. Da der Präsident immer wieder öffentlich gegen Homosexualität als unafrikanisch und unnatürlich hetze, seien Homosexuelle gezwungen, sich zu verstecken.
49 
Diesen Quellen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass - die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende (vgl. dazu Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O. m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des EuGH) - strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.
50 
Das Auswärtige Amt geht in seinen Länderinformationen (Stand: Oktober 2016) davon aus, dass in Gambia geschätzt 1,96 Millionen Menschen leben. Davon sind schätzungsweise rund 58% im sexuell aktiven Alter zwischen 15 und 64 Jahren (vgl. http://www.lexas.de/afrika/gambia/index.aspx). Hiervon ausgehend sowie unter Berücksichtigung von Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2014, Stichwort „Homosexualität“, wonach 1 - 2 % der Frauen und 4 - 5 % der Männer überwiegend oder ausschließlich homosexuell orientiert sind, kommt man selbst bei der Annahme von nur 1 % an homosexuellen Frauen und Männern in Gambia zu einer Zahl von rund 12.000 homosexuell orientierten Menschen. Verglichen mit dieser Zahl lassen die sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Referenzfälle, die sich tendenziell allenfalls im mittleren zweistelligen Bereich bewegen, nicht darauf schließen, dass sich die dort geschilderten Verfolgungshandlungen so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.
51 
Diese Feststellung gilt erst recht in Fällen einer nicht öffentlich bemerkbar gelebten homosexuellen Veranlagung, wovon beim Kläger auszugehen ist. Er hat nur pauschale und vage Angaben zu seiner Homosexualität gemacht. Gegenüber dem Bundesamt hat er erklärt, er wolle noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen, wodurch er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen könnte. Die Frage, ob er diesen Grund auch bei der Asylantragstellung in den USA angegeben habe, hat er verneint. Seinerzeit habe er sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen können, er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In seinem Heimatland habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen, er habe damit alleine fertig werden müssen. Dass er sich bei einer Rückkehr nach Gambia anders verhalten würde, vermag der Senat nicht festzustellen. Der Kläger hat - auch vor dem Verwaltungsgericht - keine Angaben gemacht, die den Schluss rechtfertigten, dass er seine Veranlagung offen gelebt hätte oder leben würde und die Homosexualität für seine Identität besonders wichtig wäre (zu diesem Kriterium vgl. Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O., juris Rn. 49). Vielmehr ist das Verwaltungsgericht von seiner glaubhaft geschilderten Angst und Scham ausgegangen, über seine Homosexualität offen zu sprechen. Auch vor diesem Hintergrund und bei einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens ist die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich.
IV.
52 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG.
53 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind für den Senat nicht ersichtlich.
54 
2. Ebenso wenig besteht im Fall des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger, der erwerbsfähig ist und es in den letzten 24 Jahren in verschiedenen Ländern außerhalb seines Heimatlandes vermochte, zum Teil auch mit Hilfe von Freunden seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Falle seiner Rückkehr nach Gambia eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
V.
55 
Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG liegen vor.
VI.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte in der Sitzung vom 26.10.2016 verhandeln und in der Sache entscheiden, obwohl die Beklagte nicht vertreten war. Denn sie ist in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist rechtmäßig (V.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBI l S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBI l S. 3474), wie folgt zu verstehen (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
26 
Der nach der Verhandlungsniederschrift des Verwaltungsgerichts auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete Hilfsantrag (so die Fassung in der Verhandlungsniederschrift) ist nunmehr zum einen als Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25). Soweit der Antrag darüber hinaus (hilfsweise) auf die Feststellung von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG gerichtet ist, kann er ohne Änderung weiterverfolgt werden; diese Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (und auch nicht auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG). Denn insoweit ist die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
29 
Der dem Kläger am 22.03.2012 zugestellte Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 enthält unter Nr. 1 seines Tenors die Regelung, dass der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wird, und unter Nr. 2 die Regelung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. In Nr. 3 wird ausgesprochen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, und Nr. 4 enthält eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Gegenstand der dagegen am 03.04.2012 beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers war lediglich die Verpflichtung der Beklagten, bei ihm das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Hinsichtlich der in Nr. 1 und Nr. 2 getroffenen Regelungen hat der Kläger den Bescheid nicht innerhalb der am 05.04.2012 abgelaufenen zweiwöchigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. angegriffen. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 deshalb bestandskräftig geworden.
30 
Daran ändert auch die in der Klageschrift gewählte Formulierung nichts, es werde Klage „gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012“ erhoben. Dies gilt schon deshalb, weil die im Anschluss formulierten Anträge (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO) eindeutig und auf die Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und die teilweise Aufhebung des Bescheids beschränkt sind. Auch bei einer nach § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Begehrens des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klage auch auf die Verpflichtung, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, bezogen sein sollte.
31 
Dass § 103 Abs. 3 VwGO (verfahrensrechtlich) die Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vorsieht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein mit der Klageschrift gestellter Antrag ist zwar insoweit ein lediglich angekündigter, als es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, einen anderen, auch inhaltlich abweichenden Antrag zu stellen. Gleichwohl bestimmt der angekündigte Antrag den Streitgegenstand entscheidend mit und ist für das weitere Verfahren von maßgeblicher Bedeutung. Kommt es etwa zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so ist der (angekündigte) Antrag der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen, falls er nicht vorher vom Kläger geändert wird. Im Falle einer Änderung des (angekündigten) Klageantrags ist der geänderte Antrag zudem an den Voraussetzungen des § 91 VwGO für eine Klageänderung zu messen. Auch dies belegt die Relevanz eines schriftsätzlich gestellten Antrags (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2010 - 18 A 2928/09 -, juris, m.w.N.). Deshalb wäre es auch unerheblich - und würde den Eintritt der (Teil-)Bestandskraft nicht hindern -, wenn der Prozessbevollmächtigte - wie hier nicht - die Anträge ausdrücklich lediglich angekündigt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125.09 -, juris).
32 
Die vom Kläger innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. nicht angegriffenen Teile der im Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Gesamtregelung waren auch einer (Teil-)Bestandskraft zugänglich. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsakts teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist...“) ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Eine solche Teilbarkeit der in dem Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Regelungen war im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Ansprüche auf unionsrechtlichen (§ 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG) und nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG) bilden entweder eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile, die zudem in einem bestimmten Rangverhältnis stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260, und vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319).
33 
Diese nach Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des bezeichneten Teils der Gesamtregelung kann nicht nachträglich durch eine spätere Änderung bzw. Erweiterung des Klagebegehrens wieder beseitigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Sowohl bei einer Klageänderung (§ 91 VwGO) als auch bei einer Klageerweiterung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) müssen die Sachurteilsvoraussetzungen auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Die (erst) in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2013 vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Klageerweiterung bezog sich indes auf einen nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. bestandskräftig gewordenen Teil des Bescheids vom 13.03.2012. Sie ist deshalb unzulässig.
III.
34 
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
35 
Diese Vorschrift enthält nunmehr den Regelungskomplex zum subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden: RL 2011/95/EU). Nach Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU bezeichnet der Begriff „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Antragsteller, der stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 zu erleiden.
36 
In Umsetzung von Art. 15 RL 2011/95/EU definiert § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG abschließend die drei Fallgruppen des ernsthaften Schadens. Die hier allein in Betracht kommende Nr. 2 verweist wie auch Art. 15 Buchst. b RL 2011/95/EU lediglich auf den als ernsthaften Schaden bezeichneten Begriff „Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“, lässt aber die Frage, nach welchen Kriterien dieser festzustellen ist, offen. Mit dem Hinweis auf „stichhaltige Gründe“ in Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU wird die Rechtsprechung des EGMR zu den Substantiierungspflichten nach Art. 3 EMRK in Bezug genommen (vgl. Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Der Antragsteller muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm geltend gemachte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung maßgebend sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU). Ihn trifft insoweit eine Darlegungslast (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU; § 25 Abs. 2 AsylG; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 39 ff.). Anders als beim Flüchtlingsschutz kommt es ausschließlich auf den nach objektiven Grundsätzen zu ermittelnden ernsthaften Schaden und nicht auf eine begründete Furcht vor einer derartigen Gefahr an (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Bei der Entscheidung darüber, ob die Gefahr von Misshandlungen besteht, sind die absehbaren Folgen einer Abschiebung im Zielstaat unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Lage und der besonderen Umstände des Betroffenen zu prüfen (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.). Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine „objektive Gefahr“, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Der EGMR differenziert dabei zwischen unerheblichen, bloßen Möglichkeiten sowie dem beachtlichen ernsthaften Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (EGMR, Urteil vom 30.10.1991 - Nr. 13163/87 u.a., Vilvarajah u.a./Großbritannien -, NVwZ 1992, 869; Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.) Damit wird das ernsthafte und individualisierbare Risiko, einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt zu werden, zum Gegenstand der Gefahrenprognose (Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41).
37 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, ber. Abl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24, im Folgenden RL 2004/83/EG). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt danach unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EG erlitten hat (vgl. zum Folgenden Senatsurteile vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 und A 9 S 1873/12 -, jeweils juris). Der in dem Tatbestandsmerkmal „tatsächlich Gefahr liefe“ des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU (vgl. auch Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK, wie dargelegt, auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“, zu diesem Begriff: EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67). Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377).
38 
Davon ausgehend steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht.
39 
1. Der Kläger ist im Jahr 1992 legal und ersichtlich unverfolgt bzw. ohne einen ernsthaften Schaden erlitten zu haben oder davon bedroht gewesen zu sein, aus seinem Heimatland ausgereist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 2005/83/EG überzeugend dargelegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Er hat selbst gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen habe, sondern vielmehr, um in den USA einen Kongress zu besuchen. Soweit das Verwaltungsgericht meint, dass der Kläger aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse, ist dies schon aus sich heraus nicht geeignet, eine Vorverfolgung plausibel zu begründen. Aber auch darüber hinaus trifft diese Auffassung nicht zu, denn „Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003“ sind nicht erkennbar. Im Gegenteil: Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt die Frage, ob er nach seiner Ankunft im Flughafen von den Sicherheitskräften verhört worden sei, verneint und ausdrücklich erklärt, er habe den Flughafenbereich Banjul ohne Probleme verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben und sei am nächsten Tag wieder ausgereist. Seiner pauschalen Behauptung, seine Personalpapiere seien von den gambischen Behörden eingezogen worden, hat er schon vor dem Bundesamt erkennbar keine weitere Bedeutung zugemessen. Gegenteiliges hat auch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt und auch die Behauptung, die früheren politischen Aktivitäten des Klägers seien offenbar bekannt geworden, nicht nachvollziehbar belegt. Das Vorbringen des Klägers gibt dafür jedenfalls nichts her. Im Übrigen hat er auch keine nachvollziehbaren Angaben zu früheren politischen Aktivitäten machen können. Er hat lediglich erklärt, er sei Mitglied einer Partei gewesen, allerdings habe er die Details vergessen. Danach fehlt es völlig an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger sein Heimatland verlassen hat, nachdem er einen ernsthaften Schaden erlitten hätte oder unmittelbar davon bedroht gewesen wäre. Auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kann er sich mithin nicht berufen.
40 
2. Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund seiner nicht näher substantiierten politischen Aktivitäten nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht, lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Auch darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass er in das Blickfeld der gambischen Sicherheitsbehörden geraten wäre und ihm nun ein ernsthafter Schaden drohte. Dies gilt auch mit Blick auf seinen langjährigen Auslandsaufenthalt, wie im Übrigen auch seine problemlose Wiedereinreise im Jahr 2003 zeigt. Eine Änderung der Gefährdungslage ist weder substantiiert dargetan - der vage Hinweis auf Gespräche mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, reicht dafür nicht aus - noch erkennbar.
41 
Soweit er auf seine Homosexualität verwiesen hat, vermag der Senat - auch wenn er davon ausgeht, dass der Kläger homosexuell ist - bei der gebotenen Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose (vgl. dazu EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, NVwZ-RR 2014, 487; Senatsurteile v.07.03.2013, a.a.O.) nicht festzustellen, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht.
42 
Zur Situation von Homosexuellen in Gambia (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 28.06.2016 - A 3 K 1376/15 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 27.09.2012 - A 8 K 196/11 -, juris, und Urteil vom 17.10.2012 - A 1 K 201/11 -) hat das Auswärtige Amt bereits 2009 dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien - auch einvernehmliche - „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts-)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden. In der Praxis zeigten Homosexuelle ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit. Polizeiaktionen gegen Homosexuelle seien nicht an der Tagesordnung, kämen aber immer wieder vor. Viele Fälle würden der Polizei von Privatpersonen angezeigt. Bei den der Botschaft bekannten Fällen handele es sich meist um Anklagen wegen Homosexualität in Verbindung mit Pädophilie gegen (weiße) Ausländer, zum Teil Touristen. Mehrere Verfahren verliefen aber nach Zahlung hoher Kautionen im Sand, Urteile würden in diesem Fällen selten gesprochen. Es gebe in Gambia keine Orte, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden könne.
43 
In der Auskunft vom 16.12.2014 an das VG Sigmaringen führt das Auswärtige Amt aus, seit 2013 komme es verstärkt zu Diskriminierung und auch rechtlicher Verfolgung von Homosexuellen in Gambia. Art. 144 des Strafgesetzbuchs verbiete alle Arten von „acts of gross indecency/unnatural behaviour“, der Strafrahmen betrage bis zu 14 Jahren Haft. Hierunter fielen u.a. öffentlicher (heterosexueller) Geschlechtsverkehr, Exhibitionismus oder Homosexualität. Es sei zu einzelnen Verhaftungen, aber nicht zu Verurteilungen gekommen (wegen Mangel an Beweisen). Im August 2014 habe das gambische Parlament ein neues Gesetz (neuer Art. 144A) zu „aggrevated homosexuality“ verabschiedet, das Staatspräsident Jammeh am 09.10.2014 unterzeichnet habe und das seitdem in Kraft sei. Es sehe für homosexuelle Handlungen mit/von Minderjährigen, Behinderten, HIV-Positiven oder Schutzbefohlenen eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. In den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu Gambia (Stand: 17.10.2016) heißt es, hohe Repräsentanten des gambischen Staates hätten die Bevölkerung in öffentlichen Reden zur Anzeige Homosexueller aufgerufen. Es gebe Berichte über die vorübergehende Inhaftierung von Homosexuellen, auch Europäern. Das Vorgehen der gambischen Behörden scheine sich eher zu verschärfen.
44 
Amnesty International berichtet im Report 2016 Gambia, dass drei Männer, die im Verdacht gestanden hätten, homosexuell zu sein, wegen „widernatürlicher“ Handlungen vor Gericht gestellt worden seien. Zwei der Männer seien im August freigesprochen worden, der Prozess gegen den dritten Mann sei Ende 2015 noch anhängig gewesen. Die Männer seien im November 2014 festgenommen worden, nachdem einen Monat zuvor für den Straftatbestand der „schweren Homosexualität“ die lebenslange Freiheitsstrafe eingeführt worden sei. Im Länderinfo Gambia (2016) führt Amnesty International aus, im April 2012 seien 20 Männer in einem Vorort von Banjul wegen des Verdachts auf Homosexualität verhaftet worden. Zwar seien sie letztendlich freigesprochen worden, doch hätten es 11 von ihnen sicherer gefunden, außer Landes zu fliehen.
45 
ACCORD berichtet in seiner Anfragebeantwortung zu Gambia: Lage von Homosexuellen vom 15.02.2013, das US-Außenministerium schreibe in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Mai 2012, trotz der gesetzlich vorgesehenen Strafen (in Art. 144 des Strafgesetzbuchs von Gambia) sei bislang niemand strafrechtlich verfolgt worden. Trotz der Stellungnahmen von Präsident Jammeh habe es 2011 auch keine Berichte über körperliche Gewalt gegen LGBT-Personen gegeben. Im April 2012 habe „The Daily Observer“ berichtet, das 18 mutmaßliche Homosexuelle am 10.04.2012 vor dem Gericht in Kanifing angeklagt worden seien. Ihnen werde vorgeworfen, untereinander sittenwidrige Handlungen gegen die Gesetze Gambias begangen zu haben. Im August 2012 berichte „The Daily Observer“, dass das Gericht Kanifing 17 mutmaßliche Homosexuelle und eine mutmaßliche Lesbe freigesprochen und die Anklagen zurückgezogen habe.
46 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in der Auskunft vom 28.07.2015 (Gambia: Situation der LGBTI) aus, seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Oktober 2014 gingen die gambischen Behörden vermehrt gegen LGBTI und vermutete LGBTI vor. Gemäß Amnesty International (Report 2015) seien im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17-jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten des NIA und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlichen homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen-Gesetzes seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia - Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, LGBTI aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen. Der UN-Sonderberichterstatter Méndez berichte, dass mindestens drei der November verhafteten Personen über Wochen verhaftet und gefoltert worden seien. Im Bericht des UNO-Generalsekretärs zur Entwicklung in Westafrika werde darauf hingewiesen, dass im April 2015 drei Verfahren gegen Männer durchgeführt worden seien, die wegen homosexueller Handlungen angeklagt worden seien. Vor ihrem Transfer ins Gefängnis sollten sie in den Haftanstalten des NIA gefoltert worden seien.
47 
Immer wieder hetze Präsident Jammeh gegen homosexuelle Personen. Bereits 2008 habe er alle Homosexuellen aufgefordert, das Land unverzüglich zu verlassen, sonst würden ihnen „die Köpfe abgeschlagen“. 2013 habe er das Parlament gefragt, ob sie schon einmal ein schwules Huhn oder einen schwulen Trutha hn gesehen hätten. Im selben Jahr habe er Homosexualität in einer Rede vor der UN-Generalversammlung als „tödlicher als alle Naturkatastrophen zusammen“ bezeichnet. 2014 habe er Homosexuelle mit Ungeziefer verglichen und gesagt: „Wir werden dieses Ungeziefer, genannt Homosexuelle oder Schwule, genauso bekämpfen, wie wir die Mücken bekämpfen, die Malaria verursachen - nur noch aggressiver.“ Zudem drohe er mit der Aufhebung der diplomatischen Immunität, wenn ein Diplomat angeklagt werde, homosexuell zu sein. Gambia würde keine schwulen Diplomaten dulden. Im Mai 2014 habe er Gambier bedroht, die im Ausland Asyl beantragt hätten, weil sie in Gambia aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden seien. Auch hohe Regimefunktionäre beteiligten sich an der Hetzkampagne des Präsidenten. Im Januar 2015 habe Jammeh die USA beschuldigt, ein teuflisches homosexuelles Reich anzuführen und er habe gewarnt, dass dieses teuflische Reich in der Hölle enden werde. Im Mai 2015 habe Präsident Jammeh erneut gedroht: „Wenn ihr es tut, werde ich euch die Kehle durchschneiden. Wenn du ein Mann bist und einen anderen Mann heiraten willst und wir dich erwischen, wird niemand dich je wiedersehen und kein Weißer kann da irgendetwas tun.“
48 
Auch der UN-Sonderberichterstatter Christoph Heyns weise auf die öffentlichen Hassreden des Präsidenten gegen Homosexuelle hin. Die Hasspropaganda und die Verschärfung der Gesetze gegen Homosexuelle fördere Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI. Das Risiko, dass LGBTI angegriffen, erniedrigt oder gar getötet würden, sei groß. Soziale Diskriminierung von LGBTI sei ausgeprägt. Es gebe weder Organisationen, die sich für LGBTI einsetzten, noch Gesetze, welche Homosexuelle schützten, die mit dem Tod, körperlicher Gewalt und Inhaftierung bedroht seien. Da der Präsident immer wieder öffentlich gegen Homosexualität als unafrikanisch und unnatürlich hetze, seien Homosexuelle gezwungen, sich zu verstecken.
49 
Diesen Quellen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass - die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende (vgl. dazu Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O. m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des EuGH) - strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.
50 
Das Auswärtige Amt geht in seinen Länderinformationen (Stand: Oktober 2016) davon aus, dass in Gambia geschätzt 1,96 Millionen Menschen leben. Davon sind schätzungsweise rund 58% im sexuell aktiven Alter zwischen 15 und 64 Jahren (vgl. http://www.lexas.de/afrika/gambia/index.aspx). Hiervon ausgehend sowie unter Berücksichtigung von Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2014, Stichwort „Homosexualität“, wonach 1 - 2 % der Frauen und 4 - 5 % der Männer überwiegend oder ausschließlich homosexuell orientiert sind, kommt man selbst bei der Annahme von nur 1 % an homosexuellen Frauen und Männern in Gambia zu einer Zahl von rund 12.000 homosexuell orientierten Menschen. Verglichen mit dieser Zahl lassen die sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Referenzfälle, die sich tendenziell allenfalls im mittleren zweistelligen Bereich bewegen, nicht darauf schließen, dass sich die dort geschilderten Verfolgungshandlungen so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.
51 
Diese Feststellung gilt erst recht in Fällen einer nicht öffentlich bemerkbar gelebten homosexuellen Veranlagung, wovon beim Kläger auszugehen ist. Er hat nur pauschale und vage Angaben zu seiner Homosexualität gemacht. Gegenüber dem Bundesamt hat er erklärt, er wolle noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen, wodurch er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen könnte. Die Frage, ob er diesen Grund auch bei der Asylantragstellung in den USA angegeben habe, hat er verneint. Seinerzeit habe er sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen können, er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In seinem Heimatland habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen, er habe damit alleine fertig werden müssen. Dass er sich bei einer Rückkehr nach Gambia anders verhalten würde, vermag der Senat nicht festzustellen. Der Kläger hat - auch vor dem Verwaltungsgericht - keine Angaben gemacht, die den Schluss rechtfertigten, dass er seine Veranlagung offen gelebt hätte oder leben würde und die Homosexualität für seine Identität besonders wichtig wäre (zu diesem Kriterium vgl. Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O., juris Rn. 49). Vielmehr ist das Verwaltungsgericht von seiner glaubhaft geschilderten Angst und Scham ausgegangen, über seine Homosexualität offen zu sprechen. Auch vor diesem Hintergrund und bei einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens ist die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich.
IV.
52 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG.
53 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind für den Senat nicht ersichtlich.
54 
2. Ebenso wenig besteht im Fall des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger, der erwerbsfähig ist und es in den letzten 24 Jahren in verschiedenen Ländern außerhalb seines Heimatlandes vermochte, zum Teil auch mit Hilfe von Freunden seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Falle seiner Rückkehr nach Gambia eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
V.
55 
Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG liegen vor.
VI.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 hinsichtlich Nummer 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, ein Vater mit zwei im Jahr 2007 und im Jahr 2011 geborenen Söhnen, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten am 27. November 2012 von I. kommend auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Dezember 2012 Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 8. Januar 2013 gab der Kläger zu 1, der Vater, an, er spreche Dari und Farsi und sei Tadschike. Er habe nur einmal zwei Monate und einmal 40 Tage in Afghanistan gelebt und im Übrigen bis zur Ausreise in die Türkei in S. im Iran. Seine Ehefrau sei Iranerin. Vor ca. zweieinhalb Monaten sei die Familie bis zur iranischtürkischen Grenze mit dem Auto gefahren, wo sie sich bei der Flüchtlingsorganisation der UNO in Ankara gemeldet hätten. Er habe mit gefälschten Pässen nach Deutschland fliegen können, seine Frau sei jedoch aufgehalten worden. Er habe noch Verwandtschaft in Europa, in Kanada und im Iran. In Afghanistan lebten noch drei Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits, mehrere Cousins und Cousinen, zwei Schwestern und ein Bruder. Er habe vier Klassen Grundschule besucht. In selbstständiger Tätigkeit habe er den Beton für Hochhäuser geliefert. Für iranische Verhältnisse habe er sehr gut verdient. Auf die Frage nach seinem Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor, sein Vater sei vor 30 Jahren wegen des Krieges in den Iran geflüchtet. Dort hätten sie zusammengelebt, bis seine Eltern vor fünf Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Er und seine Kinder hätten keine Dokumente vom iranischen Staat erhalten. Der früher ausgehändigte Flüchtlingsausweis sei mit der Rückkehr seines Vaters nach Afghanistan ungültig geworden. Er habe seine Ehefrau traditionell geheiratet, jedoch sei die Hochzeit im Iran nicht anerkannt worden. Sein Schwager, der beim iranischen Militär arbeite, sei gegen die Hochzeit gewesen. Er sei zweimal ins Gefängnis gekommen, da sein Schwager gegen ihn ausgesagt bzw. ihn angezeigt habe. Zudem habe ihn sein Schwager erpresst und Schutzgeld verlangt, damit er ihn nicht weiter an die Behörden verraten werde. Nachdem er das erste Mal im Gefängnis gewesen sei, habe er viele seiner Kunden verloren. Das zweite Mal sei er wegen eines gefälschten iranischen Passes verhaftet worden. Nach der Entlassung sei er von seinem Schwager und den iranischen Behörden weiter schikaniert worden, so dass er keine andere Möglichkeit gesehen habe, außer den Iran zu verlassen. Nach Afghanistan könne er wegen des Kriegs in vielen Regionen nicht fliehen. Außerdem sei seine Ehefrau Iranerin.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 13. Februar 2014 wurden die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (1.), die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt (2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (3.) sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.) und die Abschiebung angedroht (5.). Nach dem Sachvorbringen bestünden keine Anhaltspunkte für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Asylanerkennung. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen nicht vor, insbesondere keine ernsthafte individuelle Bedrohung aufgrund eines bewaffneten Konflikts in der Herkunftsstadt Kabul. Nationale Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, zumal die Kläger auch keiner extremen allgemeinen Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt seien. Sie hätten keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, dass sie, anders als die gesellschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsland erwarten ließen, nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wären. Sie hätten auch die Möglichkeit, Kontakt mit Familienmitgliedern in Afghanistan aufzunehmen.

Mit der an das Verwaltungsgericht München gerichteten Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 15. April 2014 erklärte der Kläger zu 1, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde der Bruder fragen, ob er wegen des Besitzes käme. Sein Platz sei im Iran und nicht in Afghanistan. Außerdem sei seine Ehefrau nicht bereit, nach Afghanistan zu gehen. Die Ausreise habe er durch den Verkauf seines Hauses und seines Autos finanziert. Nachdem seine Ehefrau in der Türkei nicht in das Flugzeug gekommen sei, sei sie wieder in den Iran zurückgekehrt. Mit seinem Onkel in Afghanistan habe er Schwierigkeiten wegen einer Besitzauseinandersetzung. Sein Vater sei herzkrank und werde von seinen Brüdern finanziell unterstützt. Mit Urteil vom 15. April 2014 wurde die Klage abgewiesen.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob bei afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern als Auslandsrückkehrer eine erhebliche konkrete Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung beziehen sich die Kläger auf ihren Zulassungsantrag, in dem sie sich der Verneinung eines national begründeten Abschiebungsverbots widersetzen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 13. Februar 2014 und Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 zu verpflichten, bei den Klägern ein national begründetes Abschiebungshindernis festzustellen.

Die Beklagte entgegnet, aufgrund der bayerischen Erlasslage dürfte es auf die Frage, ob bei einer Familie mit minderjährigen Kindern eine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe, nicht ankommen. Nach den ausländerrechtlichen Verwaltungsvorschriften sei die Rückführung aller dort nicht genannten Personengruppen, zu der auch die Kläger gehörten, vorerst zurückzustellen. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei zudem kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger weisen darauf hin, dass nach der Erlasslage alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückzuführen seien. Auch wenn die Rückführung anderer Personen vorerst zurückzustellen sei, bedeute dies nicht, dass Abschiebungen ausgesetzt seien. Vielmehr sei, wie die Beklagte selbst ausführe, ein entsprechender Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Wähler mit Beschluss vom 5. Februar 2014 abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 als Vater von zwei minderjährigen Kindern befürchtet, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U. v. 31.1.2013 a. a. O.; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum Einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen sei oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum Anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozioökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Der Kläger zu 1 würde zusammen mit seinen beiden Kindern, den Klägern zu 2 und 3, zurückkehren und müsste für sich selbst sowie die Kinder sorgen. Die Ehefrau und Mutter hält sich nach den Angaben des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Italien auf, so dass er insoweit keine Hilfe hätte. Nach glaubhaftem Vortrag kann er zudem weder von seinen Eltern noch von seinen Schwiegereltern Unterstützung bekommen. Seine Eltern sind wegen Familienstreitigkeiten wieder in den Iran gezogen, sein Vater ist zudem krank und selbst hilfsbedürftig. Die Schwiegereltern stammen aus dem Iran. Den Angaben des Klägers zu 1 zufolge war er bereits zweimal im Gefängnis, nachdem ihn sein Schwager, der gegen die Hochzeit gewesen sei, wegen seines illegalen Aufenthalts im Iran angezeigt habe. In Afghanistan wird er von dem Teil seiner Familie, der dort verblieben ist, nicht akzeptiert. Außerdem gibt es Erbauseinandersetzungen. Damit könnte der Kläger zu 1 von niemandem Hilfe erwarten, sondern wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die Kinder in die Bewertung mit einzubeziehen sind. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U. v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B. v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum Einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5. Oktober 2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i. L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum Einen bedürfen seine Kinder der Betreuung. Zum Anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er im Iran selbstständig tätig und hat dort nach seinen Angaben sehr gut verdient, jedoch verfügt er weder über eine qualifizierte Ausbildung noch kann er in Afghanistan an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen. Er wäre vielmehr gezwungen, für sich und seine beiden Kinder eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm dort entsprechende Kontakte und Hilfen zur Verfügung stehen.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden werden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In Kabul gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie ohne die Ehefrau bzw. Mutter abgeschoben würden, somit also eine Betreuungsperson nicht zur Verfügung stünde. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen zu hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen werden. Ohne Hilfe werden sie sich weder ernähren können noch sind die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr laufen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. K. L. vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 und Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 insoweit (Ablehnung Nr. 4 und Abschiebungsandrohung Nr. 5) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 8. August 1980 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben irakischer Staatsangehöriger arabisch-turkmenischer Volkszugehörigkeit aus Kirkuk. Er gehört nach seinen Angaben der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Er trägt vor, im Februar 2000 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Der hier gestellte Asyl- und Schutzantrag hatte zum Teil Erfolg. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 26. Juli 2000 den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. hinsichtlich des Irak vorliegen.

Diese Feststellung widerrief das Bundesamt – nach vorheriger Ankündigung bzw. Anhörung des Klägers – mit Bescheid vom 10. Mai 2007 (Ziffer 1). Außerdem stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (Ziffer 2), noch die von § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG (jeweils hinsichtlich Irak) vorliegen (Ziffer 3). Das Bundesamt hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich die Verhältnisse, insbesondere die politischen Verhältnisse in Irak mittlerweile in einer Weise geändert hätten, dass für den Kläger bei einer Rückkehr nach Irak weder die Gefahr einer politischen Verfolgung noch eine Gefährdungssituation im Sinne von § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG bestünden.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Oktober 2007 ab. Dem Kläger sei Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt worden, weil die seinerzeit gestellte Prognose ergeben hätte, dass ihn bei einer Rückkehr in den Irak unter dem Willkürregime von Saddam Hussein beachtlich wahrscheinlich politische Verfolgung erwarten würde. Mittlerweile aber hätten sich die politischen Verhältnisse in Irak grundlegend verändert mit der Folge, dass bei einer Rückkehr des Klägers dorthin nicht mehr von einer ihm drohenden politischen Verfolgung ausgegangen werden könne. Es sei nicht zu sehen, dass in Irak (noch) eine Staatsgewalt etabliert wäre bzw. künftig etabliert würde, die gegen den Kläger – in Anknüpfung an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG) – als asylrelevant einzustufende Maßnahmen ergriffe oder hinnähme. Diese neue Prognose lasse sich nicht nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, sondern auch mit einem hinreichenden Grad an Verlässlichkeit für einen absehbaren, zukünftigen Zeitraum stellen, der nicht so kurz und/oder unwägbar ist, dass das Ansinnen einer Rückkehr nach Irak für den Kläger unzumutbar wäre.

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. Februar 2008,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2007 und den Bescheid des Bundesamtes 10. Mai 2007 aufzuheben. Hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes vorliegen. Hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde zunächst vorgetragen, dass der Kläger als Sunnit im Irak einer Gruppenverfolgung unterliege.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens trug der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vor: Mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 sei er aus der Bundesrepublik ausgewiesen worden, wogegen Rechtsmittel erhoben worden sei. Dort werde die Behauptung aufgestellt, dass er der Ansar al Islam angehöre bzw. diese unterstützt habe und auch weiter unterstütze. Im Rahmen der Ermittlungstätigkeiten der deutschen Sicherheitsbehörden gegen die angebliche „… …“ der Ansar al Islam hätten auch Kontakte zu irakischen Sicherheitsbehörden stattgefunden. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen dieser Kontakte auch der Name des Klägers als angebliches Mitglied der Ansar al Islam gefallen sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass deshalb für den Kläger bei einer Rückkehr in den Irak die Gefahr bestehe, verhaftet und der Folter unterzogen zu werden.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 wurde erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Verfügung vom 13. Januar 2015 wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Mit Beschluss vom 26. Februar 2015 wurde im Hinblick auf das Ausweisungsverfahren erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 setzte der 10. Senat des BayVGH das dortige Berufungsverfahren aus, bis feststehe, ob der Kläger Flüchtling im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) ist. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausweisungsvoraussetzungen nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG vorlägen, aber erhebliche Zweifel bestünden, ob die erhöhten Ausweisungsanforderungen des § 53 Abs. 3 AufenthG und nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien.

Mit Beschluss vom 10. November 2016 wurde Beweis erhoben und das Verfahren erneut zum Ruhen gebracht. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 erteilte das Auswärtige Amt Auskunft. Mit Schreiben vom 20. März 2018 erstattete das Europäische Zentrum für Kurdische Studien ein Gutachten.

Die Beteiligten nahmen zum Ergebnis der Beweiserhebung jeweils schriftsätzlich Stellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Urteil davon aus, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2007 rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrten Feststellungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) hat.

1. Der Widerruf der mit Bescheid vom 26. Juli 2000 getroffenen positiven Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) ist rechtmäßig. Der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juli 2000 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen. Er hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG. Schließlich hat er weder einen Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzes noch einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 des AufenthG73 Abs. 3 AsylG).

1.1 Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Mai 2007 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention – GFK – orientieren.

Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat – unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen – in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. –, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 2.3.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22, Rn. 20 u. 23, m.w.N.).

Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen.

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50% für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – BVerwGE 89, 162).

Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 2.3.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2011/95/EU vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.2.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 2.3.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 1.6.2011, a.a.O.).

Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 – 1 C 2.15 – InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 – 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Irak seit seiner Ausreise im Jahr 1999 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 18 Jahren und des individuellen Vorbringens des Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Irak von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird.

Die Gründe, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, sind weggefallen. Die Feststellung im Jahre 1999, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, war erfolgt, weil dem Kläger allein wegen der illegalen Ausreise und dem Verbleiben im westlichen Ausland Verfolgungsmaßnahmen gedroht hätten. Mit der Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein haben sich die für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Irak erheblich und nicht nur vorübergehend geändert. Das Regime hat seine politische und militärische Herrschaft über den Irak endgültig verloren und eine Rückkehr des Regimes ist nach den aktuellen Machtverhältnissen ausgeschlossen (BayVGH, U.v. 15.8.2011 - 20 B 11.30217 - juris). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Die allgemeine Lage im Irak stellt sich nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen folgendermaßen dar:

Laut Verfassung ist Irak ein demokratischer Rechtsstaat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung. In Irak wurde im September 2014 eine Regierung der nationalen Einheit unter Premierminister Al-Abadi (Da’wa-Partei, Rechtsstaatskoalition) mit Beteiligung aller großen Parteienblöcke gebildet. Das „Kalifat“ des Islamischen Staats wurde 2017 in Irak weitestgehend besiegt. Die von IS kontrollierten Gebiete wurden nach und nach durch irakische Sicherheitskräfte (inkl. kurdischer Peschmerga) befreit. Nachdem die seit Oktober 2016 andauernde Operation zur Befreiung Mosuls im Juli 2017 abgeschlossen wurde, folgten die vergleichsweise schnelle Befreiung von Tal Afar, Hawija und der Grenzregion zu Syrien um al-Qaim. Trotz Rücksichtnahme auf die Bevölkerung, wurden bei den Kämpfen viele Zivilisten verletzt und getötet. Die VN-Unterstützungsmission UNAMI berichtet von systematischen Verletzungen von Menschenrechten durch IS-Kämpfer. Unter anderem missbrauchte IS Zivilisten als menschliche Schutzschilder, führte willkürliche Tötungen durch und erschoss Zivilisten, die versuchten zu fliehen. Durch die militärischen Erfolge der Anti-IS-Koalition besteht die Befürchtung, dass der IS verstärkt zu einer asymmetrischen Kampfführung übergehen könnte. Die Gefahr von Sprengstoffanschlägen und anderen terroristischen Angriffen könnte dadurch wieder steigen. Als Reaktion auf den Vorstoß des IS wurden auch viele Milizen in Irak wieder mobilisiert. Gewalttaten gegen Zivilisten gehen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen auch von irakischen Sicherheitskräften und Milizen aus.

Das Verhältnis der Zentralregierung zur Region Kurdistan-Irak (RKI), die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der RKI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert. Bagdad reagierte im Nachgang zum Referendum mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen IS von kurdischen Peschmerga übernommen wurden, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind ungelöst.

Verstöße gegen die Menschenrechte sind weit verbreitet. Besonders problematisch sind Folter und Defizite im Justizsystem sowie der Umgang mit Journalisten.

Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan-Irak, oft benachteiligt. Die Hauptsiedlungsgebiete der Minderheiten, darunter Jesiden und Christen, liegen in den Gebieten Nordiraks, die besonders unter der Herrschaft von IS gelitten haben. Dabei kam es zu systematischer Verfolgung, Zwangskonversion, Massenvertreibungen und - hinrichtungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Insbesondere Angehörige der Minderheiten, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden Opfer von Gräueltaten. Erneute Unsicherheit empfinden Angehörige von Minderheiten in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen seit Oktober 2017.

Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen, die seit Januar 2014 innerhalb Iraks aus ihren Heimatorten geflohen sind, liegt bei ca. 5,5 Millionen (Stand: Oktober 2017). Davon sind rund 2,3 Millionen Irakerinnen und Iraker mittlerweile wieder in die vom IS befreiten Gebiete zurückgekehrt. Aktuell gelten noch 3,2 Millionen Menschen als binnenvertrieben. Die Provinzen Anbar, Ninawa und Salah Al-Din sind besonders stark von Vertreibungen betroffen. Etwa 1,2 Mio. Binnenvertriebene halten sich in der Region Kurdistan-Irak auf. Die Rückkehrbewegungen nahmen zuletzt zu. Seit November 2017 berichten Hilfsorganisationen allerdings auch über teilweise massiven Druck seitens irakischer Behörden und Sicherheitskräfte auf Binnenflüchtlinge, um deren Rückkehr zu beschleunigen – trotz teilweise weiterhin unsicherer und unzumutbarer Bedingungen in ihrer Heimat. Hintergrund könnte die politische Zielvorgabe der irakischen Regierung sein, die Rückkehr von 2,5 Millionen Binnenvertriebenen bis zu den Wahlen im Mai 2018 sicherzustellen. Gründe für Nichtrückkehr sind überwiegend mangelnde Sicherheit, Kontaminierung durch Sprengfallen, Bedrohung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure, innergesellschaftliche Spannungen und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Hinzu kommt derzeit die Unsicherheit bezüglich des Verhaltens irakischer Sicherheitskräfte und der ihnen zugehörigen schiitischen Milizen in den umstrittenen Gebieten. Ungefähr 11 Mio. Menschen im Irak, also knapp ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. (vgl. Lagebericht des AA Irak vom 2. Februar 2018, Stand Dezember 2017). Die im Mai 2018 durchgeführten Wahlen haben keine klaren Machtverhältnisse ergeben. Die Regierungsbildung in Bagdad gestaltet sich schwierig. Im Süden des Iraks kommt es derzeit aufgrund der schwierigen Versorgungslage u.a. mit Wasser zu Bürgerprotesten.

Nach Einschätzung des Senats besteht im Falle des Klägers keine hinreichende Wahrscheinlichkeit von gezielten Verfolgungsmaßnahmen des irakischen Staates oder nichtstaatlicher Akteure gegenüber dem Kläger wegen seiner (angeblichen) Nähe zur Ansar al Islam. Dabei kommt es für die Frage der Wahrscheinlichkeit einer dem Kläger drohenden Gefahr nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich die ihm vorgeworfenen Unterstützungshandlungen begangen hat, sondern lediglich, ob und inwieweit die irakischen Behörden von den (vermeintlichen) Aktivitäten des Klägers für die Ansar al Islam Kenntnis erlangt haben. Ebenso kann offen bleiben, ob die Tätigkeit des Klägers nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG oder § 28 AsylG zu beurteilen ist und deswegen die Feststellung der Voraussetzung des Flüchtlingsschutzes außer Betracht bleiben müsste. Denn der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und in Anbetracht der gesamten Umstände nicht der Meinung, dass die irakischen Sicherheitsbehörden Kenntnis von der (vermeintlichen) Unterstützungstätigkeit des Klägers für die Ansar al Islam erhalten haben. Nach der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. Dezember 2016 verlangen weder die kurdischen noch die irakischen Behörden Informationen über die Hintergründe einer Rückführung. Ebenso geht das Zentrum für Kurdische Studien in seiner Stellungnahme vom 20. März 2018 davon aus, dass die irakischen und nordirakischen Behörden keine Kenntnis erlangen, dass der Kläger in Deutschland als Unterstützer der Ansar al Islam angesehen wird. Es sei davon auszugehen, dass weder die irakisch-kurdischen Behörden noch die irakischen Behörden regelmäßig und systematisch über Personen informiert seien, denen die Nähe zu islamistischen Gruppen jenseits strafrechtlicher Relevanz vorgeworfen werde. Allenfalls wäre vorstellbar, dass der Betroffene denunziert werde. Ob dies wahrscheinlich sei, könne nicht seriös eingeschätzt werden. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass die irakischen Behörden von der Unterstützungstätigkeit des Klägers Kenntnis erlangt haben bzw. erlangen, spricht, dass die Geldsammlungen für die Ansar al Islam mehr als zehn Jahre zurücklägen, die Ansar al Islam keine größere Rolle mehr spiele und zudem, dass der Kläger (wenn überhaupt) nur eine Unterstützungstätigkeit im untergeordneten Rahmen ausgeübt habe. Gegen eine Kenntnis der irakischen Behörden von den Vorwürfen in Deutschland gegen den Kläger spricht auch der Umstand, dass der Kläger mit seiner in Kirkuk lebenden Schwester Kontakt hält und nicht etwa berichtet, dass die Behörden nach ihm bei seiner Schwester nachgefragt hätten. Die Vermutung des Klägers, die deutschen Sicherheitsbehörden hätten sich mit den irakischen Stellen über die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der sogenannten … … ausgetauscht, lässt sich nicht belegen. Insbesondere konnte der Senat aus dem beigezogenen umfangreichen Aktenmaterial hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen, sodass es sich hierbei lediglich um eine Mutmaßung des Klägers handelt. Deshalb ist nach alldem nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak, insbesondere in seine Heimatstadt Kirkuk, individuell gefährdet wäre.

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer kann sich jedoch nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Der Kläger hat jedoch weder aufgrund seiner sunnitischen Glaubenszugehörigkeit noch aufgrund seiner turkmenischen Abstammung eine Verfolgung zu befürchten.

Für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 31.4.2009 – 10 C 11.08 – AuAS 2009, 173; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; U.v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen die sunnitische Bevölkerungsgruppe im Irak ausgesetzt ist, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweist (U.v. 14.12.2010 – 13a B 10.30084 – juris; B.v. 15.8.2011 – 20 B 11.30217– juris). Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertigt in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung. Das gilt auch, wenn man nur die Zahl der arabischen (unter Ausschluss der kurdischen) Sunniten betrachtet. Die irakische Bevölkerung setzt sich zu 60 bis 65 Prozent aus arabischen Schiiten, zu 17 bis 22 Prozent aus arabischen Sunniten und zu 15 bis 20 Prozent aus (überwiegend sunnitischen) Kurden zusammen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.2.2018, S. 6). Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 36 Mio. Einwohnern (vgl. www.auswaertiges-amt.de – Länderinfos Stand März 2017) würde das bedeuten, dass 6 bis 8 Mio. arabische Sunniten im Irak im oben geschilderten Sinn als Gruppe verfolgt würden. Für eine solche Annahme gibt es nicht annähernd ausreichende Hinweise. Vielmehr ist unter Zugrundelegung der Konflikt bedingten Opferzahlen jedenfalls für die Region Kirkuk (vgl. Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED), Irak 1. Quartal 2018) von einer deutlichen Entspannung der allgemeinen Lage auszugehen.

Aufgrund der vorliegenden Zahlen ist eine Gruppenverfolgung des Klägers aufgrund seiner turkmenischen Herkunft in Kirkuk ebenso auszuschließen. Die meisten der ca. 400.000 irakischen Turkmenen leben im Raum Kirkuk und im westlich von Mosul gelegenen Gebiet um Tal Afar (vgl. Lagebericht des AA, S. 17). Zwar kam es während der kurdischen Herrschaft in Kirkuk bis zur Besetzung durch die irakischen Regierungstruppen im Oktober 2017 zu Übergriffen und Vertreibungen gegenüber der turkmenischen Minderheit (vgl. ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von sunnitischen Turkmenen; Sicherheitslage; vom 16. November 2017). Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften ergeben sich jedoch keine Hinweise, die in dieser Zeit auf eine Verfolgungsdichte hindeuten könnten, um die Annahme einer Gruppenverfolgung von Turkmenen in Kirkuk durch die kurdische Mehrheit in der Stadt zu rechtfertigen. Ohnehin scheint sich die Lage der Turkmenen in Kirkuk mit der Einnahme der Stadt durch die irakischen Regierungstruppen entspannt zu haben, weil keine Auskünfte ersichtlich sind, welche eine Verfolgung der turkmenischen Bevölkerungsgruppe durch den irakischen Staat oder durch mit ihm zusammenarbeitende Milizen bestätigen.

Damit war der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG rechtmäßig.

2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Mai 2007 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes nach dieser Vorschrift. Es ist nach alldem auch nicht ersichtlich, dass den Kläger bei einer Rückkehr nach Kirkuk eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure trifft.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ausgehend hiervon hat der Kläger keinen Anspruch auf subsidiären Schutz.

a) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger die Todesstrafe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht.

b) Dem Kläger droht auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG im Falle seiner Rückkehr. Wie bereits ausgeführt, ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die irakischen Sicherheitsbehörden oder ein sonstiger relevanter Akteur Kenntnis von der dem Kläger in Deutschland vorgeworfenen Unterstützertätigkeit für eine islamistische Organisation erhalten hat oder erhält.

Die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kann aber ausnahmsweise auch aus der allgemeinen Sicherheits- oder humanitären Lage im Herkunftsland folgen, wobei dies nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (vgl. EGMR, Urteile vom 29.1.2013, S.H.H. gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 60367/10, Rn. 75, und vom 28.6.2011, a.a.O., Rn. 218, 241, 278: „in very exceptional cases“ bzw. „in the most extreme cases“; BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 22 ff).

Die allgemeine Sicherheits- oder humanitäre Lage ist in der Provinz Kirkuk allerdings nicht derart schlecht, dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen ist (dazu unten), trotz der Tatsache, dass der Staat die Grundversorgung der Bürger im Irak im Allgemeinen nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten kann. Aus diesem Grund lässt der Senat offen, ob sich die allgemeine Sicherheits- oder humanitäre Lage in der Provinz Kirkuk auf einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur hinreichend kausal zurückführen lässt (siehe hierzu: vgl. EuGH, U. v. 18.12.2014 – C-542/13 –, juris Rn. 31 ff; EuGH U. v. 24. April 2018 – C-353/16 – juris, VG Berlin, U. v. 13.6.2018 – VG 25 K 359.17 A – BeckRS 2018, 14600). Nicht ausreichend für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist, dass die Versorgungslage in der Provinz Kirkuk wie auch im ganzen irakischen Staatsgebiet angespannt ist.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dabei ist bereits fraglich, ob in der Provinz Kirkuk derzeit (noch) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht. Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, U.v. 7.4.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 20). In Anbetracht der weitgehenden Zurückdrängung des IS und nach der Besetzung Kirkuks durch die irakischen Regierungstruppen erscheint eine Befriedung der Region in greifbarer Nähe. Um eine gefestigte Einschätzung der Lage zu gewinnen, ist es jedoch erforderlich, dass sich die Lage in der Region weiter stabilisiert, da ein Wiedererstarken des IS oder eine erneute Konfrontation der kurdischen Autonomieregion mit dem irakischen Zentralstaat nicht auszuschließen ist.

Es fehlt jedenfalls an einer individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in dieser Provinz.

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]). Im Falle des Klägers ist daher auf Kirkuk als Herkunftsregion abzustellen.

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Kirkuk.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u. a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (Lagebericht des AA, S. 23). Es liegen nach den in das Verfahren eingeführten Auskünften keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Rückkehrer überdurchschnittlich oft gezielt Opfer von Gewalt und Repressionen werden.

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Kirkuk nicht gegeben. Die Gesamtbevölkerung der Provinz Kirkuk/At-Ta`min wird mit 1,27 Mio Einwohner angegeben (Bundesamt für Fremdenwesen, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 24. August 2017 (zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2018); S. 44; https://de.wikipedia.org/wiki/ Kirkuk_ (Gouvernement)). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle 2017 aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED, 18.4.2018) ergebende Zahl der im Jahr 2017 bei Vorfällen in der Provinz erfassten Todesopfer von 2559 gegenüber, ergibt sich ein Tötungsrisiko von 2 zu 1000. Dabei sind zwar nicht die Verletztenzahlen berücksichtigt. Die Zahlen beinhalten aber auch die gesamten Opferzahlen einschließlich der Todesopfer außerhalb der Zivilbevölkerung. Joel Wing dokumentierte in den ersten 6 Monaten des Jahres 2017 in der Provinz Kirkuk Vorfälle mit 328 getöteten Zivilisten (Bundesamt für Fremdenwesen, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 24. August 2017 (zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2018); S. 68). Der IS führte in der Provinz Kirkuk immer wieder Exekutionen durch, zuletzt exekutierte er im August laut Berichten 27 Zivilisten auf dem Al-Bakkara Militärstützpunkt in Hawija im Südwesten Kirkuks (IraqiNews 9.8.2017). Trotz dieser im Jahr 2017 bedenklichen Sicherheitslage lässt sich die für die Bejahung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefahrendichte jedoch nicht feststellen (ebenso VG Berlin, U. v. 13.6.2018, a.a.O. unter Zugrundelegung der Zahlen der United Nations Iraq (UNAMI) und Joel Wing, nachgewiesen unter Bundesamt für Fremdenwesen, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 24. August 2017 (zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2018); S. 37 f.).

Betrachtet man darüber hinaus die Zahlen für das erste Quartal 2018 (Kurzübersicht über Vorfälle 2018/1 aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED, 18.6.2018) mit 257 Gesamttodesopfern, also einschließlich der Opfer unter den Konfliktteilnehmern, so zeigt sich auch in qualitativer Weise ein sichtbarer Trend zu einer deutlichen Verbesserung der Lage, was mit der allgemeinen politischen Beurteilung der Sicherheitslage in Kirkuk einhergeht. Die Situation in Kirkuk ist somit nicht derart unsicher, dass jede dort anwesende Person einer erheblichen und individuellen Gefährdung an Leib oder Leben ausgesetzt wäre.

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt. Individuelle Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Kläger aus einer Verdichtung der aus der ungünstigen Versorgungslage resultierenden allgemeinen Gefahrenlage zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht, noch ist ein solches ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage im Irak. Einschlägig ist hier das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

Die allgemeine Versorgungslage stellt sich bei einer Rückkehr in den Irak wie folgt dar: Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über 4 Mio. der 36 Mio. Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die in den letzten Jahren aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise gar nicht oder erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des VN-Programms „Habitat“ leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums. Es gibt weiterhin Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. 22,6% der Kinder sind unterernährt. In den vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv von UNDP und internationalen Gebern unterstützt.

Die Stromversorgung ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht. Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Region Kurdistan-Irak erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste. Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich (vgl. Lagebericht des AA vom 12.2.2018 S. 22 und 23). Ausgehend davon stellt sich die Versorgungslage im Irak als zwar ernst dar, jedoch nicht so bedrohlich, um die Annahme einer derart bedrohlichen Lage bei einer Rückkehr zu rechtfertigen, welche für den Kläger eine unmenschliche Behandlung darstellen würde. Der Irak ist über den in der Nähe von Kirkuk liegenden Flughafen Erbil erreichbar, auch ist eine Einreise über den Flughafen Bagdad zumutbar. In Kirkuk besitzt der Kläger noch eine Schwester und verfügt damit über familiäre Bindungen. Er arbeitet derzeit als Schweißer, so dass auch Chancen bestehen, eine Arbeitsstelle zu finden und so den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist aus den gleichen Gründen ebenfalls nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. April 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 13. Oktober 2016 brachte der Antragsteller zur Begründung seines Asylbegehrens vor, sein Vater sei in Sierra Leone Häuptling eines Volksstammes gewesen. Als der Antragsteller acht oder neun Jahre alt gewesen sei, seien Rebellen in sein Haus eingedrungen und hätten den Vater bedroht. Der Antragsteller sei in UN-Flüchtlingslager geflohen. Dort habe ihn sein Onkel angeholt, bei dem er bis zu dessen Tod dann gelebt habe. Nach dem Tod des Onkels habe er sich sehr einsam gefühlt und befürchtet, die Rebellen von damals könnten ihn erkennen, da er der Sohn des Häuptlings gewesen sei.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2017, zugestellt am 28. August 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Sierra Leone angedroht (Nr. 5). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Antragsteller habe sein Heimatland offensichtlich unverfolgt verlassen. Nachfluchtgründe seien weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz1 AufenthG lägen entsprechend der allgemeinen Lage in Nigeria und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers nicht vor.

Der Antragsteller hat am 30. August 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.47357), mit der er beantragt, den Bescheid vom 12. Juli 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Gleichzeitig beantragt er,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung trägt er vor, sein Onkel habe ihn vor Anfragen bezüglich seiner Herkunft geschützt. Er habe keine Ausbildung und habe nie gearbeitet. Er sei nicht in der Lage, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 6. September 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zum Klagenoch zum Eilverfahren geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach– und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art .19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B.v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B.v. 19.6.1990 a.a.O. – juris Rn. 21).

Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.

Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).

Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3).

Entsprechend diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamts keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht folgt den Gründen des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:

Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in Sierra Leone allgemein hart sind, stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – NVwZ 2002, 101), also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, a.a.O.).

Dies ist vorliegend nicht anzunehmen. Der Antragsteller ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat zwölf Jahre die Schule besucht und überdies während seiner Flucht bereits in den verschiedensten Ländern Berufserfahrungen gesammelt. Zudem hat der Antragsteller in seinem Heimatland gute familiäre Beziehungen. Seine Tante und seine beiden Cousins, mit denen er aufgewachsen ist, leben nach wie vor in dem Haus, in dem der Antragsteller selbst etliche Jahre gelebt hat. Er steht immer noch in telefonischem Kontakt mit seiner Familie, die ihm bei seiner Rückkehr ein schnelleres Einleben ermöglichen kann.

Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerin ist albanische Staatsangehörige und leidet an einer chronischen Obstipation mit konsekutiver Pollakisurie und Dranginkontinenz. Sie begehrt die Feststellung, dass bei ihr ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Das Verwaltungsgericht wies die hierauf gerichtete Klage mit Urteil vom 14. Juli 2017 ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 2 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die Frage, „ob ein komplexer, medizinischer Sachverhalt für das Gericht ohne Zuziehung eines Sachverständigen einordenbar ist und welche Tragweite die mitgeteilte Erkrankung hat“ bzw. die Frage, „ob eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt und ob diese Frage vom Gericht selbst entschieden werden darf“ ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich ohne weiteres anhand der Gesetzeslage und höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris Rn. 4; B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris Rn. 3).

Die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verlangt die Erstellung einer Gefahrenprognose. Dazu zieht der Tatrichter auf der Basis von Erkenntnissen, die er aus Vergangenheit und Gegenwart gewonnen hat, zukunftsorientierte Schlussfolgerungen. Diese Projektion ist als Vorwegnahme zukünftiger Geschehnisse - im Unterschied zu Aussagen über Vergangenheit und Gegenwart - typischerweise mit Unsicherheiten belastet. Zu einem zukünftigen Geschehen ist nach der Natur der Sache immer nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage möglich. Dieser Befund ändert jedoch nichts daran, dass der Tatrichter sich gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die volle Überzeugungsgewissheit von der Richtigkeit sowohl der Prognosebasis als auch der zu treffenden Prognose zu verschaffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2011 – 10 B 1.11 – juris Rn. 7; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 60 Rn. 53). Für die Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots bedarf es dabei aussagekräftiger, nachvollziehbarer Atteste, die klare Diagnosen stellen und Aufschluss über die konkrete Therapie und mögliche Folgen einer unzureichenden Behandlung geben. Hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsland sind im Gerichtsverfahren die einschlägigen Lageberichte oder speziell eingeholte Auskünfte heranzuziehen (vgl. Koch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 1. Aufl. 2016, § 60 Rn. 43). Von diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht ausgegangen. Das Zulassungsvorbringen wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und gegen die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Damit wird jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 7).

Sofern sich dem Zulassungsvorbringen im Hinblick auf die Frage der Therapiemöglichkeit in Albanien eine Verfahrensrüge entnehmen lässt, bleibt diese ebenfalls erfolglos. Mangelhafte Sachaufklärung stellt im Asylprozess grundsätzlich keinen rügefähigen Verfahrensfehler i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO dar; das Verwaltungsgericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gem. § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 16; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 78 Rn. 152). Hier hat die anwaltlich vertretene Klägerin keinen Beweisantrag gestellt; eine weitere Sachaufklärung musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht aufdrängen. Maßstab für die Feststellung eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen ist eine erhebliche konkrete Gefahr, die bei gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Das Verwaltungsgericht hat sich bei der Begründung seiner Entscheidung an diese Maßstäbe gehalten und insoweit auch keine fehlende ärztliche Sachkunde angemaßt. Es hat in den Urteilsgründen auf die vorgelegten ärztlichen Atteste und dort genannten Therapie- und Behandlungsformen abgestellt und darauf basierend die konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verneint. Insbesondere in Abgrenzung zum Attest vom 27. August 2015 hat das Verwaltungsgericht seine umfassende Gesamtgefahrenprognose auch plausibel begründet. Anlass zu weiterer Sachaufklärung oder Beweiserhebung ergibt sich daraus nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht gegeben ist.

a) Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Seeger in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.8.2017, § 78 AsylG Rn. 18 ff; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 78 AsylG Rn. 11 ff.). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 11 ZB 17.30602 – juris Rn.2; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/ 17.A – juris Rn. 5; B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 7 m.w.N.; Berlit, a.a.O., § 78 Rn. 609 ff.).

Ist die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass für jeden dieser Gründe die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124a Rn. 7).

Eine § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Darlegung von Berufungszulassungsgründen erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 59), wobei „darlegen“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis bedeutet; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105/92 – juris Rn. 3 m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben ist keine Rechts- oder Tatsachenfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

a) Die Klägerin trägt als grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zunächst vor, „ob für den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Kriterien aus § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG herangezogen werden können.“

Die Beantwortung dieser Frage wäre schon nicht entscheidungserheblich für das vorliegende Verfahren, denn das Verwaltungsgericht hat nicht – wie von der Klägerin vorgetragen – die vorgelegten Atteste „nicht gewertet“, sondern durchaus einer Würdigung unterzogen. Es ist dabei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Atteste – unabhängig davon, ob sie die Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG erfüllen – „bereits keine Diagnose einer lebensbedrohlichen oder ähnlich schwerwiegenden Erkrankung“ enthalten.

Außerdem ist die aufgeworfene Rechtsfrage auch nicht in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres anhand des Wortlauts des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der gesetzgeberischen Erwägungen bejahen lässt. Mit den Regelungen in dem mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I S. 390) eingeführten Absatz 2c des § 60a AufenthG, wonach der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen muss und diese ärztliche Bescheinigung insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten soll, hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die ohnehin bereits bestehende Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine substantiierte Geltendmachung krankheitsbedingter Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2007 (10 C 8/07 – juris Rn. 15) nachvollzogen (siehe die ausführliche Darstellung in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.9. 2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2-13, mit der Auswertung des Gesetzgebungsmaterialien; siehe auch OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 19-28; BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – Rn. 4; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 60 AufenthG Rn. 55).

b) Weiter hält die Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob eine geschlechtsbezogene Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG vorliegt, wenn im Heimatland die Klägerin als Leibeigene eines Kämpfers leben musste und aufgrund der Tötung nun durch eine durch sie nicht näher bestimmbare Gruppe verfolgt wird“.

Die Behauptung der Klägerin, nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts liege eine Verfolgung nach § 3 AsylG nicht vor, wenn der Verfolger nicht benannt werden könne, trifft nicht zu; eine derartige Aussage findet sich in dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht.

Auch wäre die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich, denn das Verwaltungsgericht hat den diesbezüglichen Tatsachenvortrag der Klägerin als nicht glaubhaft angesehen (UA S. 7/8).

Selbst wenn der Vortrag der Klägerin als glaubhaft anzusehen wäre, bedürfte es einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob das von ihr geschilderte Verhalten des (nach dem Vortrag der Klägerin mittlerweile toten) Mannes sowie der nicht weiter konkretisierten „Gruppe“ die Kriterien der §§ 3a bis 3e AsylG erfüllt und somit die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG begründen kann; diese Frage ist somit nicht verallgemeinerungsfähig und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AslyG).

Gründe

1

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 21.07.2017 hat keinen Erfolg.

2

I. Der Rechtssache kommt die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht zu.

3

"Grundsätzliche Bedeutung" im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf (vgl. OVG NW, Beschl. v. 29.01.2016 - 4 A 2103/15.A -, juris). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist daher nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 09.10.2015 - 8 LA 146/15 -, juris).

4

1. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die Feststellung einer Erkrankung durch ein früheres verwaltungsgerichtliches Urteil für spätere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen hinsichtlich der Diagnose und der Reichweite der tatsächlichen Feststellungen bindend ist, hat keine Grundsatzbedeutung. Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 121 VwGO). Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt eine entsprechende Bindungswirkung nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für die Gerichte in einem späteren Prozess der Beteiligten über denselben Streitgegenstand. Die Bindung an den Inhalt eines rechtskräftigen Urteils entfällt aber dann, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich geändert hat. In diesem Sinn ist die Frage der Reichweite der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils höchstrichterlich geklärt.

5

2. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die ärztlichen Atteste oder Bescheinigungen, mit denen im Asylverfahren u. a. ein Abschiebungsverbot begründet werden soll, an dem gesetzlichen Maßstab des § 60a Abs. 2c Satz 2 ff. AufenthG zu bewerten bzw. ob die Vorschriften des § 60a Abs. 2c, 2d AufenthG im Asylverfahren anwendbar sind, ist nicht in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig, weil sich diese Frage ohne weiteres anhand des Wortlauts des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und den gesetzgeberischen Erwägungen bejahen lässt.

6

a) Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, so dass der Annahme der Kläger, § 60a Abs. 2c AufenthG könne nur bei der Bewertung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse zur Anwendung gelangen, schon vom Wortlaut her nicht zu folgen ist.

7

b) Auch lässt die Begründung zur Einführung des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I, S. 390) erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernis insgesamt erschweren wollte.

8

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu (BT-Drucksache 18/7538, S. 1): "Vielfach scheitern Rückführungsversuche daran, dass medizinische Gründe einer Abschiebung entgegengehalten werden. Diese können jedoch oftmals nicht nachvollzogen werden, da keine einheitlichen Vorgaben für die zu erbringenden Atteste bestehen. Um Verzögerungen von Rückführungen und Missbrauch entgegenzuwirken, bedarf es der Präzisierung der Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste im Zusammenhang mit Abschiebungen." Soll die Vorschrift des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG durch die Einführung erhöhter Anforderungen an den Inhalt ärztlicher Bescheinigungen damit nach der Intention des Gesetzgebers nicht nur dem zunehmenden Versuch, Rückführungen durch die Ausländerbehörde aus medizinischen Gründen zu verhindern, sondern generell dem Missbrauch bei der Inanspruchnahme von Abschiebungsschutz entgegenwirken, kommt der Vorschrift maßgebliche Bedeutung auch für die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5, 7 AufenthG) zu.

9

Hierfür spricht zudem die weitere Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/7538, S. 19): "Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der Unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen. Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“

10

Der Gesetzgeber hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass die Vorschrift des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG aufgrund ihrer systematischen Stellung nicht lediglich als Teil der Regelungen in § 60a AufenthG anzusehen ist, sondern der Vorschrift allgemeine Bedeutung für die Frage zukommt, welche Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zu stellen sind.

11

c) Schließlich umfasst die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG auch nach ihrem Sinn und Zweck die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

12

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 2 der mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 geänderten Vorschrift liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4). In den Sätzen 2 bis 4 unternimmt der Gesetzgeber in materieller Hinsicht eine Konkretisierung der Anforderungen insbesondere vor dem Hintergrund der Geltendmachung von Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/7538, S. 18) wird davon ausgegangen, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hinderten. Mit dieser Präzisierung werde klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellten. Eine solche schwerwiegende Erkrankung könne hingegen zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden: In Fällen einer PTBS sei die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Die Abschiebung dürfe nicht dazu führen, dass sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß verschlechtern werde, dass ihm eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben drohe. Es werde jedoch im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig sei. Dem Ausländer sei es insbesondere zumutbar, sich in einen bestimmten Teil des Zielstaats zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei. Es komme nicht darauf an, dass alle Landesteile des Zielstaats gleichermaßen eine ausreichende Versorgung bieten würden. Inländische Gesundheitsalternativen seien ggf. aufzusuchen.

13

Im Lichte dieser Neuregelung sind die zeitgleich in § 60 Abs. 2c und 2d AufenthG eingefügten Vorgaben zu den qualitativen Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung zu sehen. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung zum Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.09.2007 - BVerwG 10 C 8.07 und 10 C 1710 C 17.07 -, juris RdNr. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Vor diesem Hintergrund bezweckt die gesetzliche Regelung in § 60 Abs. 2c und 2d AufenthG gerade oder zumindest auch, die Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG abschließend zu regeln.

14

3. Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob in Russland eine effektive und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative bzw. interner Schutz für Personen aus Tschetschenien besteht, denen die Unterstützung separatistischer Kräfte vorgeworfen wird, wenn diese in das Ausland reisen konnten, wird die Zulassungsschrift den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht gerecht.

15

Dabei genügt es nicht, bloße Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Gegebenheiten in dem Herkunftsland des Ausländers zu äußern oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr ist es erforderlich, durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich dann stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zu einer Tatsachenfrage mit von ihm benannten Erkenntnisquellen begründet, muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fallbezogene Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen erfolgen. Dies kann durch eine eigenständige Bewertung der bereits vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel geschehen, oder auch durch Berufung auf weitere, neue oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Erkenntnismittel. Dabei gilt allgemein, dass die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden dürfen, sondern sich nach der Begründungstiefe der angefochtenen Entscheidung zu richten haben (OVG LSA, Beschl. v. Beschl. v. 11.08.2017 - 2 L 50/17 -; SächsOVG, Beschl. v. 07.04.2015 - 3 A 20/15.A -, juris RdNr. 2).

16

Diesen Anforderungen wird die Zulassungsschrift nicht gerecht; denn die Kläger haben sich mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismaterial (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 13.05.2016) und den konkreten Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 8 ff.) nicht in einer Weise auseinandergesetzt, die geeignet wäre, zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, sondern ihre Bewertung zutreffend ist.

17

II. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen; denn die Kläger vermögen mit ihrer Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht durchzudringen.

18

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären und Anträge zu stellen (siehe auch die §§ 86 Abs. 2 und 3, 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 VwGO), und verpflichtet das Gericht darüber hinaus, das entscheidungserhebliche Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen. Eine Verletzung dieses Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur dann dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht diesen Pflichten nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.06.1975 - 2 BvR 1086/74 -, BVerfGE 40, 101 [104 f.]). Dazu muss das Gericht nicht auf sämtliches Tatsachenvorbringen und alle Rechtsauffassungen eingehen, die im Verfahren von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind. Nur der wesentliche Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei, der nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts von zentraler Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens ist, muss in den Gründen der Entscheidung behandelt werden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nur dann vor, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 - 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133 [146]), oder dass die Entscheidung maßgebend auf Aspekte gestützt worden ist, mit denen im vorgenannten Sinne nicht zu rechnen war (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.01.2014 - BVerwG 1 B 12.13 -, juris). Solche Umstände werden von den Klägern nicht dargelegt.

19

1. Ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs liegt zunächst nicht deshalb vor, weil das Verwaltungsgericht den klägerischen Vortrag, sie hätten "in Tschetschenien bzw. der gesamten Russischen Föderation Verfolgung aufgrund einer ihnen zugeschriebenen regimekritischen Haltung zu befürchten", übergangen habe. Denn aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA S. 3, letzter Absatz) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht den klägerischen Vortrag zu der dem Kläger zu 1. "zugeschriebenen regimekritischen Haltung" durchaus zur Kenntnis genommen hat. Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen seiner Prüfung, ob die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 AufenthG haben, auf der Grundlage des Vortrags der Kläger allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass der Grund für die von den Klägern geschilderte Verfolgung nicht die politische Überzeugung des Klägers zu 1. oder dessen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, sondern allein seine Erwerbstätigkeit sei. Hat mithin die vermeintliche regimekritische Haltung des Klägers zu 1. nach Auffassung des Gerichts nicht zu Verfolgungshandlungen in seinem Heimatland geführt, war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, vertiefend der Frage nachzugehen, ob der Kläger zu 1. tatsächlich eine oppositionelle, separatistische oder zumindest mit solchen Gedanken sympathisierende Haltung eingenommen hat oder ihm diese durch die Verfolger im Sinne des § 3b Abs. 2 AsylG zugeschrieben worden ist.

20

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts beanstandet, fehlt es von vornherein an der schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Denn die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden. Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, wenn der Richter im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit zur Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen zu einer möglicherweise unrichtigen Tatsachenfeststellung gekommen ist (BVerfG, Beschl. v. 04.04.1991 - 2 BvR 1497/90 -, InfAuslR 1991, 262 [263]).

21

2. Ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil das Gericht es nach Auffassung der Kläger versäumt habe, die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin zu 2. bekundete mangelhafte Erinnerung auch nur ansatzweise zu erörtern. Zwar ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2017, dass die Klägerin zu 2. (1.) erklärt hat, die Zeiten und Daten nicht genau sagen zu können, und (2.), dass sie anfange, alles zu vergessen. Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Widersprüche bezogen sich allerdings nicht auf Zeiten und Daten, sondern auf das von dem Kläger zu 1. geschilderte Kerngeschehen, nämlich die Misshandlungen anlässlich seiner drei Verhaftungen. Auch steht die 2. Äußerung der Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Frage, wie oft sie persönlich bei der Abholung ihres Mannes dabei gewesen sei. Diesen Ausführungen der Klägerin zu 2. zu ihrer Anwesenheit bei der Verhaftung des Klägers zu 1. hat die Vorinstanz aber ausweislich der Entscheidungsgründe (UA S. 8) keine rechtliche Bedeutung beigemessen. Insofern war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die - offensichtlich nicht zentralen - Äußerungen der Klägerin zu 2. in den Gründen der Entscheidung zu behandeln.

22

3. Schließlich vermag auch der Vortrag der Kläger, das Gericht habe sich bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu 1. zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht im Ansatz mit der ärztlichen Diagnose erheblicher psychischer Erkrankungen sowie damit befasst, dass die Überwindung derartiger Ereignisse auch dadurch geschehe, dass Erinnerungen verblassen oder abweichend verbleiben, die Zulassung der Berufung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu rechtfertigen. Der Sache nach rügen die Kläger damit erneut eine vermeintlich fehlerhafte, aber zulassungsrechtlich unerhebliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Gericht. Im Übrigen war die Vorinstanz auch nicht gehalten, sich tiefergehend mit der Diagnose PTBS zu befassen, weil es selbst bei Annahme einer wenn auch nur leichten PTBS von einer Behandelbarkeit in der Russischen Föderation ausgegangen ist.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.

24

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

25

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 78 Abs. 5 Satz 2, 80 AsylG).


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2016 (17 E 2060/16), soweit darin über den Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 22. März 2016 entschieden worden ist, sowie der Beschluss vom 22. März 2016 (17 E 249/16) hinsichtlich des dort unter 1. getroffenen Ausspruchs geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 2059/16) gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2016 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Abänderungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. März 2016 (17 E 249/16) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 4. Mai 2016 (17 K 2059/16) gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2016.

2

Die am 3. März 1974 geborene Antragstellerin heiratete am 18. November 2013 in Baku den deutschen Staatsangehörigen … und erhielt nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Mai 2014 am 21. Juli 2014 eine bis zum 23. Dezember 2015 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Unter dem 14. Dezember 2014 teilte der Ehemann mit, dass er seit dem 1. September 2014 von der Antragstellerin getrennt lebe. In der auf Deutsch abgefassten eidesstattlichen Versicherung vom 2. Juli 2015 gab die Antragstellerin an, dass ihr Ehemann unverzüglich nach der Einreise nach Deutschland regelmäßig gewalttätig geworden sei, sie stark verprügelt, beleidigt und beschimpft habe. In ihrer Verzweiflung habe sie die Polizei gerufen und sei von dieser in ein Frauenhaus gebracht worden. Nun lebe sie in einer eigenen Wohnung. Nach eigener Darstellung ist die Antragstellerin inzwischen von ihrem Ehemann geschieden. Auf den Bericht der Polizeidienststelle vom 30. August 2014 (Bl. 193 d. Sachakte) wird Bezug genommen. In der Folgezeit hat die Antragstellerin gegenüber der Polizei die Aussage verweigert und keinen Strafantrag gegen ihren Ehemann gestellt. Das Strafverfahren wurde im Oktober 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, nachdem der Ehemann gegenüber der Polizei die Vorwürfe bestritten hatte (vgl. Bl. 202 ff. d. Sachakte).

3

Mit Verfügung vom 7. Dezember 2015 lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und drohte der Antragstellerin die Abschiebung nach Aserbaidschan an. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Antragstellerin habe trotz mehrfacher Aufforderung keine Nachweise für die Misshandlungen erbracht.

4

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und machte u.a. geltend, ihr stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu (Bl. 143 d. Sachakte). Nach der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Bescheinigung eines Frauenhauses, hat die Antragstellerin dort vom 30. August 2014 bis zum 31. Oktober 2014 gelebt. Ausweislich des allgemeinärztlichen Attestes vom 21. Januar 2016 (Bl. 153 d. Sachakte) ist die Antragstellerin wegen Angstzuständen in ständiger ärztlicher Behandlung. Weiter heißt es dort:

5

„Die Patientin berichtet, durch die Brüder in der Heimat bedroht zu sein und Angst um ihr Leben zu haben …. Eine Abschiebung in das Heimatland könnte ggf. Schaden für Leib und Leben haben.“

6

Die Antragstellerin übersandte zudem Auszüge aus einem psychiatrischen Gutachten vom 12. Januar 2016, welches für das Betreuungsgericht erstellt worden sei (Bl. 154 f. d. Sachakte). Danach seien aus der Vorgeschichte der Antragstellerin körperliche und psychische Misshandlungen durch ihren Ex-Ehemann bekannt. Es hätten sich traumatypische Symptome eruieren lassen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 27. Januar 2016 (Bl. 54 d.A.) wurde die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zu deren Betreuerin für den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge und der Vertretung gegenüber Behörden etc. bestellt. In dem Beschluss wird ausgeführt, dass die Antragstellerin wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und eines depressiven Symptoms nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten ausreichend zu besorgen. In der Folgezeit lehnte es die Antragstellerin gegenüber der Ausländerbehörde sowie im gerichtlichen Verfahren ab, das psychiatrische Gutachten vom 12. Januar 2016 vollständig vorzulegen.

7

Im Rahmen des am 21. Januar 2016 erhobenen Antrags auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (17 E 249/16) legte die Antragstellerin u.a. ein ärztliches Attest vom 4. August 2015 vor, wonach sie dem Arzt berichtet habe, von ihrem Ex-Partner geschlagen und gewürgt worden zu sein. Mit Beschluss vom 22. März 2016, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies das Verwaltungsgericht Hamburg den Antrag ab. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 4. April 2016 zugestellt.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2016 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts sei zu folgen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2 c Satz 1 AufenthG, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden, nicht durch qualifizierte ärztliche Bescheinigungen, die den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG genügten, gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG widerlegt habe. Der Widerspruchsbescheid wurde der Antragstellerin am 15. April 2016 zugestellt.

9

Die Antragstellerin hat am 4. Mai 2016 Klage erhoben (17 K 2059/16) und legte u.a. erstmals den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg über die Bestellung der Betreuerin vor, eine ärztliche Bescheinigung einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 27. April 2016 über die Erkrankung der Antragstellerin und eine Überweisung an einen Facharzt zur Abklärung von Schizophrenie vom 12. April 2016.

10

Am 4. Mai 2016 erhob die Antragstellerin zudem den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 2059/16 anzuordnen und ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Anträge wies das Verwaltungsgericht Hamburg mit der Antragstellerin am 24. Mai 2016 zugestellten Beschluss vom 18. Mai 2016 ab.

11

Die Antragstellerin hat am 7. Juni 2016 Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (17 K 2059/16) erhoben, die sie mit am 24. Juni 2016 beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründete. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 legte die Antragstellerin einen vorläufigen Arztbrief von Dr. … vom Asklepios Klinikum Harburg vom 28. Juni 2016 über den stationären klinischen Aufenthalt der Antragstellerin vom 27. Mai 2016 bis zum 29. Juni 2016 vor.

12

Die Antragstellerin hat den behandelnden Arzt gegenüber dem Gericht von der Schweigepflicht entbunden. Auf den Vermerk über das am 6. September 2016 mit dem behandelnden Arzt durch die Berichterstatterin geführte Telefonat wird Bezug genommen.

II.

13

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründete (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde und hat in der Sache Erfolg.

14

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 24. Juni 2016 die Beschwerde begründet. Diese innerhalb der Frist zur Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht eingereichten Darlegungen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 in rechtlich zulässiger Weise vertieft (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 146 Rn. 85 m.w.N.) und mit ihrem Vorbringen die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts erschüttert (1.). Damit ist das Beschwerdegericht befugt, ohne die Begrenzung auf die im Beschwerdeverfahren rechtzeitig vorgetragenen Erwägungen über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu entscheiden. Die von der Antragstellerin vorgetragenen im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände sind geeignet, eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung herbeizuführen (2.).

15

1. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst zu beschränken hat, erschüttert die tragenden Erwägungen des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

16

1.1. Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die bereits ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 22. März 2016, mit welcher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2015 abgelehnt wurde, das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nur auf eine Abänderung der bereits ergangenen Entscheidung gerichtet sein kann. Der Umstand, dass nach der rechtskräftigen Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin dieser Widerspruch zurückgewiesen worden ist und die Antragstellerin Klage erhoben hat, führt nicht dazu, dass nunmehr für die gerichtliche Prüfung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage erneut ein Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eröffnet wäre.

17

Gegenstand des ersten Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO war die Frage der Vollziehbarkeit des Bescheids vom 7. Dezember 2015, der die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht begründete (vgl. § 58 Abs. 2 AufenthG; allgemein: OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2008, 5 Bs 86/08, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 12, 120). Sollte der Bescheid vom 7. Dezember 2015 im Klagverfahren aufgehoben werden, so würde die durch den Verlängerungsantrag nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eingetretene Fiktionswirkung erneut eintreten (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.2.2000, 1 C 14/99, InfAuslR 2000, 274, juris Rn. 10; vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

18

In zeitlicher Hinsicht war Gegenstand des ersten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts bzw. bei Abweisung der Klage im ersten Rechtszug bis zum Ablauf von drei Monaten nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar bezieht sich die gesetzliche Anordnung in § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO ausdrücklich nur auf Anfechtungs-, nicht aber auf Verpflichtungsklagen. Im Hinblick auf den möglichen Entfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht beim Erfolg der Verpflichtungsklage auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist die Regelung analog auf die vorstehende Konstellation der Beendigung der Fiktionswirkung des Verlängerungsantrages und damit den Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht durch die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde anzuwenden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80b Rn. 5, 6).

19

Mit der Ablehnung des Antrags des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO durch Beschluss vom 22. März 2016 ist über diesen Streitgegenstand abschließend entschieden worden. Damit steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass die Ausreisepflicht der Antragstellerin bis zur Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, bis drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung vollziehbar ist. Der nach Erlass des Beschlusses vom 22. März 2016 ergangene Widerspruchsbescheid und die Erhebung der Verpflichtungsklage änderten an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 7. Dezember 2015 nichts. Da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg hatte, bleibt es grundsätzlich während des gesamten „Schwebezustands“ bei der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und damit einer Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Antragstellerin, so dass eine Korrektur nur nach Maßgabe des § 80 Abs. 7 VwGO möglich ist (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.3.2012, OVG 10 S 17.11; OVG Magdeburg, Beschl. v. 2.5.2011, 2 M 34/11, juris Rn. 5).

20

1.2. Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hat Erfolg, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden, die geeignet sind, eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung herbeizuführen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.5.2010, 8 ME 111/10, EzAR-NF 98 Nr. 44, juris Rn. 5). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht eröffneten Abänder-ungsbefugnis ist eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war (BVerwG, Beschl. v. 25.8.2008, 2 VR 1/08, juris Rn. 5). Aus den neu vorgetragenen Umständen muss sich zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Entscheidung ergeben (BVerwG, Beschl. v. 29.1.1999, 11 VR 13/98, juris Rn. 2).

21

Mit der Beschwerdeschrift hat die Antragstellerin vorgetragen, sie sei mittlerweile auf unbestimmte Zeit stationär in der Psychiatrie untergebracht und hat nochmals auf ihre Belastungen aus der konfliktträchtigen Ehe hingewiesen. Diesen Vortrag hat sie durch Vorlage des vorläufigen Arztbriefes von Dr. … über den stationären Aufenthalt in dem Asklepios Klinikum Harburg, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 27. Mai 2016 bis zum 29. Juni 2016 vertieft. In dem Arztbrief wird ausgeführt, dass die Antragstellerin an einer Posttraumatische Belastungsstörung leide und sie bei Aufnahme bzw. während des Klinikaufenthaltes deutliche Krankheitssymptome gezeigt habe („Während der stationären Behandlung präsentierte sich Frau K. zunächst dünnhäutig, niedergeschlagen und ängstlich-gequält, mit wiederholten lebhaften Flashbacks im Zusammenhang mit den Erlebnissen in der traumatisierenden Ehe.“). Zum Aufnahmeanlass wird in dem Arztbrief geschildert, die Probleme rührten u.a. daher, dass der Ehemann der Antragstellerin während der Ehe gewalttätig gewesen sei und sie zuhause eingesperrt habe.

22

Der einmonatige stationäre Aufenthalt der Klägerin in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Asklepios Klinikums Harburg und die Ausführungen im Arztbrief zu den von der Antragstellerin geschilderten, mit ihrer schweren Erkrankung im Zusammenhang stehenden Gewalterfahrungen verändern zu Gunsten der Antragstellerin ihre Prozesslage (vgl. hierzu im Rahmen des § 80 Abs. 7 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 197); es sind zudem Umstände, die die Antragstellerin ohne Verschulden zuvor nicht geltend gemacht hat. Der Arztbrief lässt es jedenfalls möglich erscheinen, dass die Antragstellerin während der Ehe massiv Gewalt erfahren hat und ihr gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, weil von dem nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen dreijährigen Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zur Vermeidung einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen ist, da die Antragstellerin Opfer häuslicher Gewalt geworden ist (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG; vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen nachfolgend unter 2.).

23

2. Die von der Antragstellerin vorgetragene, im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte stationäre Behandlung sowie die Ausführungen im vorläufigen Arztbrief vom 28. Juni 2016 sind geeignet, eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung herbeizuführen.

24

Da die Antragstellerin einen nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geeigneten Änderungsgrund vorgetragen hat, hat das Beschwerdegericht - wie ein erstinstanzliches Gericht - zu entscheiden, ob die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin unter Einbeziehung der geänderten Umstände anzuordnen ist. Die vom Beschwerdegericht vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung und den von der Antragstellerin vorgebrachten privaten Belangen am einstweiligen Verbleib im Bundesgebiet führt dazu, dass das private Interesse überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt nicht zu Lasten der Antragstellerin aus, weil die Klage nach derzeitiger Sachlage bei der gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich aussichtlos wäre; die Erfolgsaussichten der Klage sind vielmehr offen (2.1.). Die vorzunehmende Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen des privaten Interesses der Antragstellerin an einem Verbleib im Bundesgebiet (2.2.).

25

2.1. Die Erfolgsaussichten der Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind auf der Grundlage des derzeitigen Sachstandes bei der gebotenen summarischen Prüfung offen.

26

2.1.1. Zwar dürfte die Klage offensichtlich aussichtslos sein, soweit die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sowie § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt.

27

Anhaltspunkte dafür, dass die Rückführung der Antragstellerin in ihr Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen (§ 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK), sind nicht gegeben. Ebenso hat die Antragstellerin keine konkreten Anhaltspunkte dafür geschildert, dass ihr bei Rückkehr in ihr Heimatland Aserbaidschan eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit droht. Dass sich ihre Erkrankung durch eine Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, ist für das Gericht nicht ersichtlich; insbesondere ist in Aserbaidschan eine kostenlose medizinische Grundversorgung auf niedrigem Niveau gewährleistet und die Behandlung psychischer Erkrankungen möglich (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 6. April 2016 - dort S. 22 f. einsehbar in der Bibliothek im Haus der Gerichte). Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin sich nicht hinreichend vor den Übergriffen ihrer Familie wird schützen können. Die Antragstellerin hat bereits nicht dargelegt, warum ihre Familie Kenntnis von der Rückkehr der Antragstellerin erhalten sollte.

28

Auch dürften die Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Ausreisepflicht der Antragstellerin aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.

29

2.1.2. Die Erfolgsaussichten der Klage sind aber offen, soweit die Antragstellerin die Verlängerung der bis zum 31. Dezember 2015 gültigen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG begehrt; auf der Grundlage der genannten Rechtsvorschriften kommt eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zum 31. Dezember 2016 in Betracht. Es erscheint offen, ob von dem Erfordernis des dreijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG zur Vermeidung einer besonderen Härte abzusehen ist, weil die Antragstellerin während der Ehe Opfer häuslicher Gewalt geworden ist und ihr ein Festhalten an der Ehe deswegen nicht zuzumuten war. Dabei ist es Sache des Ausländers, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig bekannt sind, vorzutragen und ggf. erforderliche Nachweise beizubringen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

30

Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass ihr geschiedener Ehemann ihr gegenüber mehrfach gewalttätig gewesen und sie Ende August 2014 vor ihm aus der ehelichen Wohnung geflohen sei. Zwar bestehen Zweifel, ob ihr Vortrag glaubhaft ist, weil sie keine Details zu den von ihr behaupteten gewalttätigen Angriffen ihres Ehemannes schildert. Auch hat sie ausweislich der polizeilichen Niederschrift über die Anzeige am 30. August 2014 nur davon berichtet, dass sie Anfang Juli von ihrem Mann geschlagen worden sei, nicht aber - wie in der eidesstattlichen Versicherung vom 2. Juli 2015 geschildert - vorgetragen, dass ihr Ehemann unverzüglich nach der Einreise regelmäßig gewalttätig gewesen sei und sie mehrfach stark verprügelt habe. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin dem Gericht das psychiatrische Gutachten vom 12. Januar 2016 nicht zur Einsicht zur Verfügung gestellt hat, wirft Fragen zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens auf.

31

Dennoch erscheint es nach Aktenlage derzeit nicht ausgeschlossen, dass der Vortrag der Antragstellerin als glaubhaft zu bewerten sein könnte. Die Antragstellerin hat während einer Phase schwerster psychischer Erkrankung (Klinikaufenthalt) von dieser Gewalt berichtet, ebenso, dass ihr Ehemann sie eingesperrt habe. Im vorläufigen Arztbrief werden wiederholte lebhafte Flashbacks „mit den Erlebnissen in ihrer traumatisierenden Ehe“ geschildert. Dafür dass die Antragstellerin die Flashbacks während des Klinikaufenthalts lediglich „gespielt“, nicht aber erlebt hat, oder ihren Gemütszustand nicht erlebten, sondern nur erfundenen Begebenheiten zugeschrieben hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Angesichts der Schwere der ärztlicherseits diagnostizierten Erkrankung erscheint ein derart berechnendes Verhalten eher unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass während des einmonatigen Klinikaufenthalts dort keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Antragstel-lerin aufgetreten sind, auch wenn insoweit zu berücksichtigen ist, dass eine Kommunikation mit der Antragstellerin nur eingeschränkt möglich war. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin durchgängig von häuslicher Gewalt durch ihren geschiedenen Ehemann berichtet hat. Auch entsprechend der polizeilichen Anzeige hat die Antragstellerin häusliche Gewalt und ihre extreme Angst vor ihrem geschiedenen Ehemann geschildert. Dafür dass die Antragstellerin sich bei der polizeilichen Anzeige in einer Zwangslage befunden hat, spricht auch, dass sie sich am 30. August 2014 auf der Straße hilfesuchend an einen ihr fremden Taxifahrer wandte und sich auf der Polizeistation in einer instabilen Gemütslage befand. Nach dem angezeigten Sachverhalt hat die Antragstellerin zudem angegeben, eine Gelegenheit genutzt zu haben, „aus der Wohnung zu fliehen“. Diese Schilderung passt zu der im vorläufigen Arztbericht aufgeführten Aussage, ihr geschiedener Ehemann habe sie zuhause eingesperrt.

32

Angesichts dieser Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vortrag der Antragstellerin nach Aktenlage offensichtlich unglaubhaft ist.

33

2.2. In der vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. zur Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten der Klage: Finkelnburg, Dombert, Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 8. Auflage 2011, Rn. 964, 983 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung) überwiegt das private Interesse der Klägerin an einem Verbleib im Bundesgebiet.

34

Für die sofortige Vollziehung der Ausreisepflicht spricht, dass gemäß § 84 Abs. 1 AufenthG der Klage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt und daher an dem Vollzug der Ausreisepflicht nach der Wertung des Gesetzgebers ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Dem steht jedoch entgegen und überwiegt, dass die zeitlich auf 1 Jahr befristete Verlängerung nach § 31 Abs. 1 AufenthG dem getrennten Ehepartner gerade die Möglichkeit eröffnen soll, sich auf seine neue Situation einzustellen und sich im Bundesgebiet in der neuen Lebenssituation so zurechtzufinden, dass ggf. eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Folgezeit nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in Betracht kommt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Schaffung der hierfür notwendigen wirtschaftlichen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Möglichkeit würde der Antragstellerin voraussichtlich durch einen Vollzug der Ausreisepflicht unwiederbringlich genommen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch nicht bis zum 31. Dezember 2016 zu befristen, da nach derzeitigem Sachstand eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint.

III.

35

Die Kostenentscheidung, die sich allein auf die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO sowie das vorliegende Beschwerdeverfahren bezieht, beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da die Beschwerde der Antragstellerin Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch für das Beschwerdeverfahren.

Tenor

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag vom 12. Januar 2017, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 685/17, gegen die Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 2. Januar 2017 anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß §§ 88, 121 Abs. 1 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, 2 A 685/17, begehrt, soweit sie sich als Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 2. Januar 2017 unter Ziffer 3 enthaltene Androhung der Abschiebung mit der Zielstaatsbestimmung Marokko richtet. Diese Auslegung entspricht dem im vorläufigen Rechtsschutz erkennbar verfolgten Ziel, vorläufig nicht abgeschoben zu werden. Ein auch auf den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und nicht nur auf die Klage bezogener Prozesskostenhilfeantrag wird der Klageschrift entnommen, in welcher der Prozessbevollmächtigte sich für den „Kläger und Antragsteller“ legitimiert und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt hat.

II.

2

Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO. Nach dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 20.6.2016, 2 BvR 748/13, juris Rn. 12; Kammerbeschl. v. 4.5.2015, 1 BvR 2096/13, juris Rn. 14; Kammerbeschl. v. 19.7.2010, 1 BvR 1873/09, juris Rn. 10 f.) hat ein Rechtsschutzgesuch dann keine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die sich stellende Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung und im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden beantwortet werden kann. Dies ist hier gemäß den nachstehenden Ausführungen (s.u. III.) der Fall.

III.

3

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die aufgrund § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Die gebotene Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.

4

Abzuwägen sind das öffentliche Interesses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung und das private Interesse des Antragstellers, dass ihm das vorläufige Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nicht zu Unrecht entzogen wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.6.1990, 2 BvR 369/90, InfAuslR 1991, 81, juris Rn. 20). Der Maßstab der Abwägung kann dabei nicht unmittelbar § 36 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG entnommen werden, wonach im Fall einer offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags die Abschiebungsandrohung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts einschließlich des Offensichtlichkeitsurteils ausgesetzt werden darf (dazu vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, juris Rn. 88, 99). Denn wegen der Rücknahme des Asylantrags vor der behördlichen Entscheidung hat die Antragsgegnerin den Asylantrag und seine etwaige offensichtliche Unbegründetheit nicht entschieden, sondern das Asylverfahren unter Ziffer 1 des Bescheids eingestellt. Jedoch ist der Maßstab der Abwägung dadurch vorgeprägt, dass wegen der gesetzlich bestimmten sofortigen Vollziehbarkeit ein überwiegendes besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung grundsätzlich bereits dann anzunehmen ist, wenn nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die behördliche Entscheidung rechtmäßig und deshalb an ihrer Vollziehung ein allgemeines Interesse besteht.

5

Nach diesem Maßstab besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Die Abschiebungsandrohung ist nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes rechtmäßig. Im Einzelnen:

6

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift erlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine schriftliche Abschiebungsandrohung nach §§ 59, 60 Abs. 10 AufenthG, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.

7

Der Antragsteller wird nach Rücknahme seines Asylantrags i.S.d. § 13 Abs. 1 AsylG weder als Asylberechtigter anerkannt noch wird ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt oder subsidiärer Schutz gewährt.

8

Aus § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch unter Anwendung des Art. 3 EMRK zu entnehmenden Verbots der Folter, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung nicht, dass die Abschiebung unzulässig wäre. Nur in besonderen Ausnahmefällen können auf dieser Rechtsgrundlage humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, BVerwGE 146, 12, juris Rn. 23 m.N. zur Rspr. des EGMR). Ein solcher Ausnahmefall ist nicht anzunehmen. Soweit der Antragsteller sich allgemein auf seine „soziale Situation als obdachloses Kind“ bezieht, ist diese Situation jedenfalls deshalb überwunden, weil der 18 Jahre alte Antragsteller nicht länger Kind ist. Im Allgemeinen liegen ausgehend vom aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2015) (v. 25.1.2016, S. 21 ff.) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Rückkehrer nach Marokko einer extremen Gefahr ausgesetzt wären.

9

Ebenso wenig besteht für den Antragsteller nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Rückkehr in sein Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Aus gesundheitlichen Gründen liegt eine solche Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dieser Fall ist nicht gegeben. Soweit der Antragsteller sich auf die „resultierenden psychischen Probleme“ bezieht, fehlt es an einem substantiierten Vortrag für eine behandlungsbedürftige Krankheit. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Attests vom 2 November 2016 der Ärztin Dr. med. A., die am B. tätig ist. In dem Attest ist über den Antragsteller ausgeführt:

10

„Durch die in seiner Kindheit im Heim und auf der Straße erlebte Vernachlässigung und Misshandlung ('man wird im Heim behandelt wie Dreck') leidet [der Antragsteller] unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und immer wieder reaktiven depressiven Episoden. In die Praxis kam [der Antragsteller] bisher zweimal mit klaren Zeichen einer mittelschweren reaktiven Depression. Dabei handelte es sich einmal Anfang des Jahres um eine Reaktion auf die verallgemeinernde Verunglimpfung 'alle Nordafrikaner' nach den Übergriffen am Silvesterabend in Köln. Beim zweiten Anlass kam es nach einem Klassenwechsel zu Mobbing und Ausgrenzung. In seinem bisher von Ablehnung geprägten Leben führten diese Anlässe jeweils zu flachbackartigen Erinnerungen an seine Kindheit und zu deutlichen psychosomatischen Beschwerden. [Der Antragsteller] litt unter massiven Schlafstörungen, Atemnot, Bauchschmerzen und dem Gefühl, dass sein Hals wie zugeschnürt sei. Es kam sogar zu Suizidgedanken. [Der Antragsteller] musste einige Zeit ein Antidepressivum mit hoher schlafanstoßender Wirkung einnehmen (Mirtazapin) und immer wieder, bis er zurück in seine alte Klasse wechseln konnte, von der Schule befreit werden.“

11

Im Hinblick auf die behauptete posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist das Attest nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 11.9.2007, 10 C 8/07, BVerwGE 129, 251, juris Rn. 15; Beschl. v. 26.7.2012, 10 B 21/12, juris Rn. 7), der sich das erkennende Gericht anschließt, ungeeignet, eine Ermittlungspflicht des Gerichts auszulösen. Nach dieser Rechtsprechung gehört zur erforderlichen Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrag, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung betrifft, angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests; aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt; dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden; des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Das vorgelegte Attest erfüllt diese Voraussetzungen nicht: Es ist bereits nicht von einem Facharzt für Psychiatrie ausgestellt. Eine Behandlungsbedürftigkeit ist nicht ersichtlich. Ferner ist ein Trauma, d.h. ein zu einer Schädigung führendes Ereignis, dem eine posttraumatische Belastungsstörung nachfolgen könnte, nicht nachvollziehbar vorgetragen. Der Antragsteller hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 31. Oktober 2016 behauptet, er habe seine Eltern nie kennen gelernt und sei im Alter von drei oder vier Jahren in ein Jugendheim gekommen. Im Alter von zwölf Jahren sei er aus dem Jugendheim in C., Stadtteil D., „weggelaufen“. Im Alter von sechzehn Jahren habe er die Schule E. mit der 10. Klasse abgeschlossen. Bereits der geordnete Schulbesuch ist ausgehend von einem „Weglaufen“ im Alter von zwölf Jahren nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat auf Nachfrage des Bundesamts unsubstantiiert und nicht glaubhaft geantwortet, er könne die Umgebung der Schule nicht näher beschreiben, die ehrenamtliche Organisation, die ihn aufgenommen habe, könne er nicht benennen. Er habe vergessen, wie die Familie heiße, die ihm geholfen habe. In Marokko gebe es keine Zukunft für ihn.

12

Im Hinblick auf die behauptete mittelschwere Depression ist das vorgelegte Attest ebenso unzureichend. Die Vorgaben des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG finden nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, insbesondere einer Reiseunfähigkeit, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses Anwendung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23.9.2016, 1 Bs 100/16, n.v., Beschl. v. 7.12.2016, 4 Bs 225/16, n.v.; VG Hamburg, Urt. v. 23.5.2016, 4 A 6781/15, n.v.; Urt. v. 5.1.2017, 9 A 3135/15, n.v.; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 10.5. 2016, 6a K 3120/15.A, juris Rn. 27; VG Augsburg, Beschl. v. 6.6.2016, Au 6 S 16.30662, juris Rn. 26; VG Gera, Urt. v. 24.8.2016, 2 K 20436/16 Ge, juris). Nach diesen Vorschriften ist eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen und soll die ärztliche Bescheinigung insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Nach diesem Maßstab ist das vorgelegte Attest ungenügend. In dem Attest wird für die Diagnose der „depressiven Episoden“, die in der Vergangenheit „immer wieder“ aufgetreten seien, an „flashbackartige Erinnerungen“ angeknüpft und damit keine gegenüber der Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung eigenständige Grundlage genannt. Da diese Diagnose, wie vorstehend ausgeführt, unbelegt ist, gilt dies auch für jene Diagnose. Eine gegenwärtige und behandlungsbedürftige Erkrankung an einer depressiven Episode ist bereits nicht behauptet.

13

Einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG besitzt der Antragsteller nicht.

14

Die Bezeichnung Marokkos als Staat, in den abgeschoben werden soll, entspricht § 59 Abs. 2 AufenthG. Die in der Aufforderung zur Ausreise benannte Ausreisefrist von zwei Wochen entspricht § 38 Abs. 2 AsylG, da der Antragsteller den Asylantrag vor Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat.

15

Dem Erfordernis nach Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 v. 24.12.2008, S. 98; vgl. EuGH, Urt. v. 19.9.2013, C-297/12, NJW 2014, 527, juris Rn. 34), im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls eine behördliche Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots zu treffen, ist bereits unter Ziffer 4 des Bescheids nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG Genüge getan. Die Rechtmäßigkeit der angedrohten Abschiebung hängt nicht davon ab, ob die Befristungsentscheidung rechtmäßig oder bestandskräftig ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.3.2014, OVG 12 S 113/13, juris Rn. 22; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.12.2012, 11 S 2303/12, ESVGH 63, 159, juris Rn. 11).

IV.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2016, mit dem sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

Der 1987 geborene Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger, georgischer Volks- und christlicher Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 23. März 2015 auf dem Luftweg über die Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er einen Asylantrag stellte. Er habe ein für vier Wochen gültiges Visum der Deutschen Botschaft ... besessen, da er ein Fahrzeug in ... habe kaufen wollen. Seinen Personalausweis habe er bei seiner Einreise in Deutschland abgegeben; seinen Reisepass habe ihm ein Georgier abgenommen (BAMF-Akte Bl. 40). Er habe zuletzt mit seiner Ehefrau und zwei Kindern in ... gelebt und in einer Bank gearbeitet. Er habe elf Jahre die Schule besucht und Computertechnik studiert sowie einen Bachelor-Grad erworben.

In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Mai 2015 gab er im Wesentlichen an, er sei kein Mitglied einer Partei oder anderen Organisation, sondern nur Sympathisant der „Nationalen Bewegung“. Diese habe am 21. März 2015 eine Demonstration in ... veranstaltet, für die er im Ort ... und in anderen Städten Leute auf der Straße angesprochen und mobilisiert sowie selbst an der Kundgebung teilgenommen habe. Zwei Tage später am 23. März 2016 seien zwei Personen zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn vulgär bedroht und aufgefordert, das Land zu verlassen - wenn er das Land nicht verlasse, hätten er und seine Familie Probleme -, woraufhin er noch am selben Tag das Land verlassen habe (BAMF-Akte Bl. 41). Im Fall seiner Rückkehr fürchte er seine Inhaftierung, er habe einen guten Job gehabt und seine Familie, die er nicht verlieren wolle. Die Personen kenne er nicht, vermute aber, es seien Polizisten gewesen, weil es ja mit der Kundgebung zu tun habe und die Polizei da schon aktiv sei. Er vermute, das sei wegen seines Engagements für die Kundgebung gewesen. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, er traue ihr nicht. Auf Nachfrage erklärte er, ausreichend Gelegenheit zur Schilderung seiner Asylgründe und mit dem Dolmetscher keine Verständigungsschwierigkeiten gehabt zu haben (ebenda B. 42 f.).

Der Antragsteller legte mehrere Unterlagen vor, die übersetzt wurden, u. a. eine Geburtsurkunde, ein Bachelor-Zertifikat, Renten- und Veteranenbescheinigungen seines Vaters und eine Bescheinigung über seinen Gesundheitszustand vom 22. März 2015, wonach er am selben Tag ärztlich behandelt und entlassen worden ist (Übersetzung und Kopie des Originals BAMF-Akte Bl. 61 f.) und worin oberflächliche und kleine Wunden an der rechten Hand und am linken Handgelenk attestiert werden.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2016, zugestellt am 13. Mai 2016, lehnte das Bundesamt jeweils den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Nr. 3) und zugleich festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Georgien wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller in Georgien keine staatliche Verfolgung zu befürchten und auch keine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Er habe lediglich vermutet, bei den Besuchern nach der Kundgebung habe es sich um Polizisten gehandelt; sein überhasteter Aufbruch noch am selben Tag sei daher nicht plausibel. Sympathisanten der „Nationalen Bewegung“ hätten keine Verfolgung zu befürchten, denn diese sei bis Oktober 2012 die Regierungspartei gewesen. Zwar würden hohe Funktionäre wegen Machtmissbrauchs strafrechtlich verfolgt, doch Ermittlungen oder Vorkommnisse gegen einfache Parteimitglieder oder gar bloße Anhänger seien nicht bekannt. Der Antragsteller wolle auch nur einmal angesprochen worden sein; tätliche Misshandlungen habe er nicht berichtet. An die Polizei habe er sich überhaupt nicht gewendet, obgleich die georgische Polizei trotz einzelner Defizite grundsätzlich schutzfähig und schutzwillig sei. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Georgien führten auch nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege; eine schwierige wirtschaftliche Lage sei nicht relevant und der Antragsteller habe sich in einer gesicherten wirtschaftlichen Situation befunden. Auch Abschiebungshindernisse lägen nicht vor, insbesondere habe der Antragsteller auch keine gesundheitlichen Probleme geltend gemacht.

Am 20. Mai 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage mit dem Antrag,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verpflichten,

1. dem Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie

2. hilfsweise bei dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG den subsidiären Schutzstatus festzustellen und weiter

3. hilfsweise festzustellen, dass in der Person des Antragstellers Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 3 bis Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Zugleich beantragte der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung ließ er ausführen, aufgrund seiner psychischen Verfassung sowie fehlender Nachfragen während der Anhörung habe der Antragsteller keine Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend vorzutragen, er sei immer noch unter Schock gestanden und nicht in der Lage gewesen, die Ursachen seiner Flucht ausreichend darzulegen. Die Polizei habe ihn noch am Abend der Demonstration zu Hause aufgesucht, bedroht und mit einem Messer angegriffen. Er leide noch unter Albträumen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Falle seiner Rückkehr zu seiner Retraumatisierung führen und sich lebensgefährlich verschlechtern würde.

Der Antragsteller fügte eine eidesstattliche Versicherung bei, wonach das Anhörungsprotokoll teilweise inhaltlich falsch sei und der Dolmetscher ihn nicht richtig verstanden habe. Ihm sei auch nicht alles mehr vorgelesen worden, so dass er es nicht mehr habe nachprüfen können (VG-Akte Bl. 9). Der Vorfall mit den Polizisten habe schon am Abend der Demonstration, also am 21. März 2015 stattgefunden. Drei Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten, hätten ihn zu Hause aufgesucht, ihn und seine Familie bedroht, wenn er nicht mit seinem Engagement aufhören würde. Ein Polizist habe plötzlich ein Messer gezogen und ihn bedroht sowie am linken Arm getroffen. Dann habe er so getan, als wolle er ihm den Ringfinger abschneiden. Dabei sei sein Ehering vom Finger gestreift worden.

Die Antragsgegnerin hat sich noch nicht geäußert.

Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die am 30. Mai 2016 vorgelegte Behördenakte.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.

1. Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 36 Abs. 3 des Asylgesetzes (AsylG) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.

a) Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nachdem diese Regelung und die damit verbundene Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) die Folgerung aus der qualifizierten Asylablehnung sind, ist Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs grundsätzlich die Prüfung, ob die für eine Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Denn nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies bedeutet, dass die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden darf, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 - DVBl 1996, 729). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 - 2 BvR 153/02 - InfAuslR 2003, 244).

Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht (§ 29a Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 - 2 BvR 2353/95 - BayVBl 1997, 15; BVerfG, B.v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - juris Rn. 27). Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann. Dies ist hier der Fall.

b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung der Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG), der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und der Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) sowie an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:

aa) Ein Anspruch auf die mit der Klage begehrte Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes besteht für den Antragsteller offensichtlich nicht.

Dem Vortrag des Antragstellers lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er bei einer Rückkehr nach Georgien einer asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Die vorgetragene Bedrohung ist in der Gesamtschau des Vortrags des Antragstellers und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht glaubhaft gemacht. Sein Vortrag zeigt sich vielmehr als in sich widersprüchlich und im Vorbringen gesteigert, ohne dass diese Ungereimtheiten mit den erst im Klageverfahren angegebenen Schockfolgen nach der Flucht und Defiziten der Anhörung durch das Bundesamt erklärt wären: So gab der Antragsteller an, seinen Personalausweis habe er bei seiner Einreise in Deutschland abgegeben; seinen Reisepass habe ihm ein Georgier abgenommen (BAMF-Akte Bl. 40). Dies erscheint insoweit unglaubwürdig, als der Antragsteller für die Einreise nach Deutschland - wie von ihm behauptet: auf dem Luftweg - eines Visums bedurfte, das in den Reisepass hinein erteilt wird (vgl. Botschaft der BRD in ..., Merkblatt Nr. 8 „Schengenvisum zum Autokauf“, www...diplo.de, Abfrage vom 6.6.2016) und hier auch wurde (BAMF-Akte Bl. 7), ein Personalausweis für die Einreise also nicht genügte. Weshalb er dann seinen Reisepass einem Georgier überlassen habe, statt damit die deutsche Grenzkontrolle zu passieren, bleibt im Dunkeln. Unmittelbar widersprüchlich ist sein Vorbringen zu den Geschehnissen nach der Demonstration am 21. März 2016. Während er vor dem Bundesamt angab, „zwei Tage später am 23. März 2016“ seien „zwei Personen“ zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn vulgär bedroht und aufgefordert, das Land zu verlassen, woraufhin er noch am selben Tag das Land verlassen habe (BAMF-Akte Bl. 41), gab er in seiner Antragsbegründung an, aufgrund seiner psychischen Verfassung sowie fehlender Nachfragen während der Anhörung habe er keine Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend vorzutragen, er sei immer noch unter Schock gestanden und nicht in der Lage gewesen, die Ursachen seiner Flucht ausreichend darzulegen: Die Polizei habe ihn noch am Abend der Demonstration zu Hause aufgesucht, bedroht und mit einem Messer angegriffen. Seiner eidesstattlichen Versicherung zu Folge habe sich der Vorfall mit den Polizisten schon am Abend der Demonstration, also am 21. März 2015, ereignet (VG-Akte Bl. 9). Drei Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten, hätten ihn zu Hause aufgesucht (ebenda). Dies ist eine diametral andere Schilderung sowohl nach Zeitpunkt (21./23.3.2015), Täterzahl (zwei/drei Männer), Tätereigenschaft („ich denke, dass es Polizisten waren“/„Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten“) als auch Bedrohungsqualität, da er nicht schon beim Bundesamt sondern erst im Klageverfahren die Körperverletzung durch das Messer erwähnt hat. Es handelt sich hier um eine in wesentlichen Punkten des Verfolgungsgeschehens widersprüchliche und gesteigerte Schilderung, die bereits nach Aktenlage nicht glaubhaft ist. Gestützt wird dieser Befund noch durch die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung über seinen Gesundheitszustand vom 22. März 2015, wonach er am selben Tag ärztlich behandelt und entlassen worden ist (Übersetzung und Kopie des Originals BAMF-Akte Bl. 61 f.) und worin oberflächliche und kleine Wunden an der rechten Hand und am linken Handgelenk attestiert werden. Wenn sich der Antragsteller am Tag nach der Demonstration noch in Georgien ärztlich behandeln ließ, kann er nicht am Abend des Demonstrationstags ausgereist sein, wie er zuvor behauptet hatte (BAMF-Akte Bl. 41) und können die Verletzungen nicht durch die angeblichen Polizisten zugefügt worden sein, wenn diese erst zwei Tage nach der Demonstration bei ihm erschienen (BAMF-Akte Bl. 41). Ist er hingegen noch am Abend des Demonstrationstags verletzt und erst am Folgetag wegen der oberflächlichen Wunden behandelt worden, kann er nicht überstürzt ausgereist sein, denn er scheute weder die Inanspruchnahme eines öffentlichen Krankenhauses, noch versäumte er, sich dort ein Attest über die Behandlung geben zu lassen. Dass er derart planvoll seine Ausreise durchführte und seine Fluchtgründe noch im Herkunftsstaat zu belegen suchte, spricht gegen die von ihm zur Erklärung für seinen widersprüchlichen Vortrag angeführten Schockfolgen (VG-Akte Bl. 9). Auch seine weitere Erklärung, das Anhörungsprotokoll sei teilweise inhaltlich falsch und der Dolmetscher habe ihn nicht richtig verstanden, ihm sei auch nicht alles mehr vorgelesen worden, so dass er es nicht mehr habe nachprüfen können (VG-Akte Bl. 9), widerspricht zum Einen den konsekutiv aufgebauten präzisen Nachfragen in der Anhörung vor dem Bundesamt (BAMF-Akte Bl. 41 f.) als auch der dokumentierten Nachfrage, ausreichend Gelegenheit zur Schilderung seiner Asylgründe und mit dem Dolmetscher keine Verständigungsschwierigkeiten gehabt zu haben (ebenda B. 42 f.). Angesichts dieser vom Antragsteller nicht plausibel erklärten Widersprüche ist die Ablehnung des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet nicht zu beanstanden. Dass die Ablehnung des Asylantrags - trotz der angeblichen Einreise auf dem Luftweg - auch nicht ausdrücklich angefochten worden und damit nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden ist, sei nur am Rande noch bemerkt. Bereits sachlich sind Asylgründe offensichtlich nicht ersichtlich.

Auch einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG hat der Antragsteller unter Berücksichtigung seines Vorbringens offensichtlich nicht. Allein die widersprüchliche Schilderung der angeblichen Bedrohung und Körperverletzung ist jedenfalls nicht geeignet, die Gefahr eines ernsthaften Schadens i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei der Rückkehr nach Georgien zu begründen. Eine akute konkrete Bedrohung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Unabhängig davon ist hinsichtlich Übergriffen privater Dritter auf die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des georgischen Staates zu verweisen (s.a. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Georgien vom 15.10.2015, S. 5, 7 f., 12). Sollte es sich bei den Drohenden nicht um Polizisten sondern um sonstige Gegner gehandelt haben, wäre auch insofern kein subsidiärer Schutz geboten.

bb) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Gefahr liefe, in Georgien auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nicht. Soweit der Antragsteller angibt, er leide noch unter Albträumen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Falle seiner Rückkehr zu seiner Retraumatisierung führte und sich damit lebensgefährlich verschlechtern würde, ist das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebeverbots weder nach den materiellen Maßstäben des § 60 Abs. 7 AufenthG noch nach den formellen Maßstäben des § 60a Abs. 2c und Abs. 2d AufenthG glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones. Das Verwaltungsgericht wies seine auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkte Asylklage mit Urteil vom 21. Juni 2013 ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geltend.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

a) Die Rechtsfrage des Klägers, „ob im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Geltendmachung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) der objektive Ereignisaspekt des Traumas zur vollen Überzeugung des Gerichts gebracht werden muss“, hat schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich darauf abgestellt hat, dass der Kläger den objektiven Ereignisaspekt nicht „zur vollen Überzeugung“ des Gerichts gebracht hat. Es hat den diesbezüglichen Vortrag des Klägers zu den vor seiner Ausreise aus Sierra Leone erlebten Ereignissen auch unter Berücksichtigung der dokumentierten Angaben des Klägers gegenüber verschiedenen gutachtlich tätigen Stellen vielmehr als „vollkommen unglaubwürdig“ (UA Rn. 63) gewertet, also nicht lediglich bestimmte Zweifel am klägerischen Vorbringen festgestellt und wegen solcher Zweifel die an sich gebotene Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des klägerischen Vorbringens verneint, sondern im Einzelnen umfassend und überzeugend ausgeführt, weshalb es hier von der fehlenden Glaubhaftigkeit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals ausgeht.

b) Davon abgesehen sind nur Fragen klärungsbedürftig, die sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz lösen lassen oder die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Berufungsgerichts geklärt sind (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 38). Ein Klärungsbedarf besteht danach nicht.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (BVerwG, B.v. 22.2.2005 - 1 B 10.05 - juris Rn. 2). Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers gehört - auch in schwierigen Fällen - zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung (BVerwG, B.v. 18.7.2001 - 1 B 118.01 - juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 13.6.2014 - 19 A 2166/11.A - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 20.10.2006 - A 9 S 1157/06 - juris Rn. 3). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung umfasst dabei sowohl die Würdigung des Vorbringens der Partei im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einschließlich der Beweisdurchführung als auch die Wertung und Bewertung vorliegender ärztlicher Atteste sowie die Überprüfung der darin getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit (vgl. OVG NW, B.v. 10.1.2007 - 13 A 1138/04.A - juris Rn. 44). Der Sachverständige begutachtet demgegenüber lediglich als „Gehilfe“ des Richters einen grundsätzlich vom Gericht festzustellenden (Mindest-) Sachverhalt aufgrund seiner besonderen Sachkunde auf einem Fachgebiet (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1985 - 8 C 15.84 - juris Rn. 16). Die Feststellung der Wahrheit von Angaben des Asylbewerbers oder der Glaubhaftigkeit einzelner Tatsachenbehauptungen unterliegt als solche nicht dem Sachverständigenbeweis (BVerwG, B.v. 22.2.2005 a.a.O.; vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2017 - 9 ZB 14.30433 - juris Rn. 13).

Nicht klärungsbedürftig ist weiter, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nur eine spezifische Symptomatik erfordert, sondern auch ein traumatisches Lebensereignis als Auslöser für die Symptomatik (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 25). Eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht als „verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (vgl. ICD-10: F.43.1, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme). Die Störung ist also immer die direkte Folge der akuten schweren Belastung; ihr Beginn folgt dem Trauma (vgl. ICD-10: F 43 Info und F.43.1).

Keiner weitergehenden Aufklärung bedarf auch, dass der Nachweis des Ereignisses, „das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“, nicht Gegenstand der gutachtlichen (fachärztlichen) Untersuchung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diese Bewertung wird in fachlicher Hinsicht bestätigt durch die Angaben des in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2013 vor dem Verwaltungsgericht als Zeugen vernommenen Psychiaters Dr. R … (Oberarzt der Bezirksklinik S …), wonach es fatal wäre, „einem Patienten mit einer PTBS nicht zu glauben bzw. Zweifel dahingehend entgegenzubringen, dass seine geschilderten Erlebnisse sich so nicht zugetragen haben“. Dies ergibt sich auch aus den Angaben des Facharztes S … in dessen Stellungnahme vom 16. Mai 2013, wonach „die Überprüfung der vorgebrachten Inhalte eine juristische Fragestellung“ darstellt und im Zusammenhang mit fachärztlicher Beratung das Leiden und die Bedürftigkeit des Patienten grundsätzlich nicht infrage gestellt würden. Auch aus dem im Zulassungsverfahren eingereichten kurzen psychodiagnostischen Befund vom 1. Juli 2015 der Diplom-Psychologin Dr. K … (…) genügt zur klinischen Diagnose einer PTBS hinsichtlich des A-Kriteriums (objektive und subjektive Kriterien für traumatische Erlebnisse) der Bericht des Probanden.

Da eine posttraumatische Belastungsstörung nur zum Entstehen kommt, wenn ein belastendes Ereignis stattgefunden hat, dessen Nachweis bei der fachärztlichen Begutachtung weder zu erbringen noch zu leisten ist, muss somit das behauptete traumatisierende Ereignis vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8 m.w.N.; B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 18).

c) Anders, als der Kläger vorträgt, steht die Auffassung des Senats, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nur eine spezifische Symptomatik, sondern auch ein traumatisches Lebensereignis als Auslöser für die Symptomatik erfordert, nicht im „Widerspruch zur übrigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“.

Insbesondere ist der Einwand verfehlt, Maßstab aller anderen Gerichte sei, „ob eine PTBS vorliege“. Denn diesem Maßstab ist auch das Verwaltungsgericht gefolgt. Da eine posttraumatische Belastungsstörung aber nur dann angenommen werden kann, wenn der Symptomatik ein oder mehrere tatsächlich erlebte Ereignisse zugrunde liegen, ist das Verwaltungsgericht der Frage nach der Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Klägervortrags zu Recht nachgegangen.

Aus der vom Kläger angeführten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 2013 (Az. 13a ZB 13.30097, nicht veröffentlicht) folgt nichts Gegenteiliges. Insbesondere hat sich das Verwaltungsgericht hier - anders, als im vorgenannten Fall - nicht über die vorgelegten Stellungnahmen hinweggesetzt, „ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären“. Es hat vielmehr den Psychiater Dr. R … als Zeugen einvernommen, der bestätigte, dass die vom Kläger berichteten traumatischen Erlebnisse nicht weiter hinterfragt wurden.

Im vorliegenden Fall geht es um eine solche Feststellung der Wahrheit von Angaben des Klägers und der Glaubhaftigkeit einzelner Tatsachenbehauptungen, die als solche weder allgemein dem Sachverständigenbeweis unterliegen, noch im speziellen Fall der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung Gegenstand der sachverständigen Beurteilung sind. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu machen wäre, bestehen nicht (s. nachfolgend).

2. Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG wegen der Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrags liegt nicht vor.

Der Kläger wendet ein, das Verwaltungsgericht habe ihm das rechtliche Gehör versagt, weil es den in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2013 hilfsweise gestellten, schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag abgelehnt und überspannte Anforderungen an die Darlegungspflicht des Klägers gestellt habe. Dies trifft nicht zu.

Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19 Juni 2013 beantragte der Kläger „zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer schweren seelischen Erkrankung leidet, die auf Ereignissen in seinem Heimatland beruhen, dass er weiterhin behandlungsbedürftig ist und sich sein Gesundheitszustand bei einem Abbruch der Behandlung und einer Rückkehr ins Heimatland wesentlich verschlechtern würde, ein Sachverständigengutachten einzuholen“.

a) Entgegen dem Klägervorbringen hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag schon nicht mit der Begründung abgelehnt, es schenke dem Vorbringen des Klägers zu seiner Erkrankung ohnehin keinen Glauben, sondern weil „nicht dargelegt (wurde), dass die vorgelegten Unterlagen unzureichend wären; hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Damit ist nicht zu erwarten, dass das beantragte Gutachten andere oder bessere Erkenntnisse bringt als die bereits vorliegenden Unterlagen“ (UA Rn. 84). Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert auseinander. Insbesondere wird nicht dargelegt, welche anderen oder besseren Erkenntnisse aus einer weiteren fachärztlichen Untersuchung gewonnen worden wären.

Im nachfolgenden Absatz (UA Rn. 85) hat das Verwaltungsgericht lediglich ausgeführt, dass seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrags allein kein Grund für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sind. Auch hiergegen ist nichts zu erinnern.

b) Davon abgesehen würde auch kein Verfahrensmangel vorliegen, wenn das Verwaltungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt hätte, die vom Kläger geschilderten Geschehnisse, die bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst haben sollen, seien unglaubhaft. Denn die Ablehnung von - auch substantiierten - Beweisanträgen für Behauptungen, für die es mangels einer in sich stimmigen Verfolgungsgeschichte an einem plausiblen Anhaltspunkt fehlt, ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, B.v. 10.3.1997 - 2 BvR 323/97 - juris Rn. 4; B.v. 10.8.2001 - 2 BvR 1238/00 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B.v. 30.1.1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141/144 = NJW 1986, 833; BVerfG, B.v. 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 - NVwZ 1994, 60 = BayVBl 1993, 562; BayVerfGH, E.v. 26.4.2005 - Vf. 97-VI-04 - VerfGH 58, 108 = BayVBl 2005, 721). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sach-fremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 - 1 BvR 2291/13 - juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 4). Hiervon ausgehend begegnet die Ablehnung des klägerischen Beweisantrags keinen prozessrechtlichen Bedenken.

Soweit es das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger betrifft (“dass der Kläger an einer schweren seelischen Erkrankung leidet, die auf Ereignissen in seinem Heimatland beruhen“), wurde bereits ausgeführt, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur zum Entstehen kommt, wenn ein belastendes Ereignis stattgefunden hat. Da der Nachweis dieses Ereignisses bei der fachärztlichen Begutachtung weder zu erbringen noch zu leisten ist, muss das behauptete traumatisierende Ereignis vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Dies hat der Kläger nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. UA Rn. 62 - 80) versäumt.

c) Das Verwaltungsgericht hat die Anforderung an die Darlegungspflicht des Klägers auch nicht überspannt.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar die Beibringung einer detaillierteren, an den Forschungskriterien F 43.1 des ICD-10 orientierten gutachtlichen fachärztlichen Stellungnahme nicht Voraussetzung für einen substantiierten Beweisantrag. Denn damit würden die Anforderungen an die Darlegungspflicht der Beteiligten überspannt (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330 = juris Rn. 16). Dergleichen hat das Verwaltungsgericht dem Kläger aber nicht abverlangt. Es stellt vielmehr zu Recht darauf ab, dass es regelmäßig Sache des Asylbewerbers ist, die in seine Sphäre fallenden Erlebnisse in einer Weise zu schildern, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen (UA Rn. 60). Dies ist nicht zu beanstanden. Denn die nachvollziehbare Schilderung von in der Sphäre des Klägers liegenden Ereignissen erfordert keine kostenauslösende oder umfängliche gutachtliche Stellungnahme. Vielmehr sind die Beteiligten auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess verpflichtet, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.1999 - 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174). Insoweit obliegt es dem Kläger, die behaupteten Geschehnisse, die bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung zum Entstehen gebracht haben sollen, jedenfalls in Grundzügen unter Angabe von Einzelheiten schlüssig und widerspruchsfrei zu schildern. Hiervon ausgehend greift auch der Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass der Kläger an einer seelischen Erkrankung leidet, die auf Ereignissen in seinem Heimatland beruht, zu kurz, weil ein solches Gutachten die objektive Seite der behaupteten Ereignisse nicht klärt (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 23 m.w.N.).

Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und etwaiger Zeugen gehört zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 - 1 B 118.01 - juris Rn. 3). Insoweit ist es Sache des Klägers, die in seiner Sphäre liegenden behaupteten Geschehnisse in Sierra Leone von sich aus stimmig und im Wesentlichen widerspruchsfrei zu schildern. Dem ist der Kläger - wie die umfangreichen, detaillierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zeigen - nicht nachgekommen. Die Angaben des Klägers zu seiner Verfolgung durch die Poro-Society, zu seinen familiären Hintergründen, zu den Angriffen von Rebellen und zu seinem Flucht Weg gegenüber dem Bundesamt, gegenüber dem Gericht und den Gutachtern weichen nicht nur in Teilen voneinander ab, sondern führen auf unauflösbare Widersprüche hin, die das Verwaltungsgericht herausgearbeitet hat und die bei ihm zu der Überzeugungsgewissheit führen durften, dass das Vorbringen des Klägers zu den behaupteten traumaauslösenden Ereignissen unwahr ist. Ohne dass es darauf ankommt, trägt auch das Zulassungsvorbringen nichts dazu bei, die offen zu Tage tretenden Widersprüche aufzulösen.

Anhaltspunkte für besondere Umstände in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers, die eine andere Bewertung erforderten, liegen nicht vor. Ausweislich der Niederschrift zur Anhörung vom 16. August 2012 beim Bundesamt gab der Kläger an, in der Lage zu sein, der Anhörung zu folgen; gesundheitliche Einschränkungen habe es deshalb nicht gegeben. Aus den vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen ergibt sich, wenngleich sich der Kläger verzweifelt, unruhig, verunsichert und niedergedrückt zeigte, nichts Gegenteiliges (vgl. Stellungnahme des I …- …-Klinikums vom 26.6.2012: „wach, allseits orientiert“, „im formalen Denken verlangsamt“, „inhaltlich sind kein Wahn, keine Halluzinationen und keine Ich-Störungen zu eruieren“; fachärztliche Stellungnahme der Klinik … vom 9.7. bzw. 17.7.2012: „bewusstseinsklar, allseits orientiert“, „formales Denken ist geordnet“; Stellungnahme der Bezirksklinik S … vom 30.1.2013: „wach, bewusstseinsklar sowie zu allen Qualitäten voll orientiert“; fachärztliche Stellungnahme S… vom 16.5.2013: „wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert“; gutachtliche Stellungnahme … vom 10.6.2013: zwar „oft nicht sehr aufmerksam“, „unkonzentriert“, „emotional erregt“, aber „im inhaltlichen Denken gut strukturiert“, „zeitlich wie auch räumlich gut orientiert“).

d) Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung auch nicht überspannt, soweit es eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben im Fall der Rückkehr des Klägers in sein Heimatland „aufgrund einer anderen psychischen Erkrankung als einer PTBS“ verneint.

aa) Insbesondere trifft es nicht zu, dass das Verwaltungsgericht das Gegenteil aus den vorgelegten Attesten herausgelesen hat. Das Verwaltungsgericht hat weder die von … angenommene „leichte depressive Episode sowie Angstsymptomatik“ infrage gestellt, obschon es Zweifel an der fachlichen Eignung des Gutachtenerstellers hatte, noch hat es sonst die Behandlungsbedürftigkeit des Klägers verneint. Es hat seine Entscheidung vielmehr ohne Rechtsfehler auf den Maßstab der erheblich konkreten Gefahr u.a. für Leib und Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen dieses Abschiebungsverbots sind erfüllt, wenn sich die Krankheit des Betroffenen mangels (ausreichender) Behandlung im Abschiebungszielstaat verschlimmert und sich dadurch der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde und wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Abschiebung des Betroffenen einträte (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 = juris Rn. 34 m.w.N.). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die in den gutachtlichen Stellungnahmen angeführten Symptome bzw. Krankheitsbilder (zu „komorbiden“ Krankheitsbildern/Begleiterkrankungen) herausgearbeitet und diese dahin bewertet, dass der nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu fordernde Gefährdungsgrad der „erheblichen“ Gefahr „bei weitem nicht erreicht“ wird.

bb) Die Kritik des Klägers an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist weder geeignet, einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu begründen (vgl. BVerfG, E.v. 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B.v. 30.7.2014 - 5 B 25.14 - juris; B.v. 15.5.2014 - 9 B 14.14 - juris Rn. 8) noch ist sie in der Sache berechtigt.

(1) Die von … angenommene weitere Verschlechterung der psychischen Gesundheit des Klägers aufgrund einer vermutlich in Sierra Leone anhaltenden Aktivierung des Angstnetzwerks betrifft das Krankheitsbild der posttraumatischen Belastungsstörung, stellt also auf tatsächlich erlebte traumatische Situationen ab und führt davon abgesehen auch auf keinen sich wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechternden Krankheitszustand hin, der alsbald nach der Abschiebung des Betroffenen einträte. Auch die Vermutung, dass sich die bisher nur leicht depressive Episode sowie Angstsymptomatik ohne professionelle Behandlung in kurzer Zeit verschlimmere und zwischen 28% und 51,9% aller Traumatisierten zu Alkoholmissbrauch/Abhängigkeit neigen würden, bezieht sich in erster Linie auf die angenommene posttraumatische Belastungsstörung, erreicht aber auch nicht den Grad einer „wesentlichen oder lebensbedrohlichen“ Verschlechterung, die sich gerade beim Kläger realisieren würde, für den im Übrigen „bei einer der Traumatisierung zeitnah folgenden Therapie“ eine gute Prognose angestellt wurde.

(2) Mit den auch im Zulassungsverfahren eingewandten suizidalen Tendenzen des Klägers hat sich das Verwaltungsgericht befasst, soweit es eine andere psychische Erkrankung als die einer posttraumatischen Belastungsstörung betrifft, aber unter Bezugnahme auf die fachärztlichen Stellungnahmen ausgeführt, dass insoweit „keinerlei Anzeichen für eine Suizidalität des Klägers erkennbar“ sind. Aus den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen fachärztlichen Stellungnahmen ergibt sich, dass der Kläger „bei glaubhafter Distanzierung von Suizidalität am 16.1.2013 wieder entlassen werden konnte“ (Arztbrief vom 30.1.2013), „zeitweise seien Suizidgedanken vorhanden, von akuten Handlungsabsichten erklärt sich Herr … distanziert“ (fachärztliche Stellungnahme der Klinik … vom 9.7. bzw. 19.7.2012 - …) und „kein Hinweis für aktuelle Suizidalität“ besteht (fachärztliche Stellungnahme S … vom 16.5.2013).

(3) Soweit „bei drohender Abschiebung“ mit einer erheblichen Verschlechterung des psychischen und körperlichen Befindens bis hin zu akuter Suizidalität gerechnet werden müsse (fachärztliche Stellungnahme des …), bezieht sich diese Bewertung auf den labilen psychischen Zustand des Patienten „bedingt durch traumatische Erfahrungen und Bedrohungen im Heimatland“, also auf dem nach der nicht zu beanstandenden Wertung des Verwaltungsgerichts „vollkommen unglaubwürdigen“ Vortrag des Klägers bezüglich der vor seiner Ausreise erlebten Ereignisse.

Davon abgesehen wird mit dem Zulassungsvorbringen zur Schilderung des Klägers gegenüber der Fachärztin der …, „er sehe im Falle einer Rückkehr keine Alternative zum Suizid“, ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis geltend gemacht, wie sich auch aus den Ausführungen in der fachärztlichen Stellungnahme der … ergibt, wonach „bei drohender Abschiebung unmittelbar mit einer erheblichen Verschlechterung des psychischen und körperlichen Befindens von Herrn … bis hin zu akuter Suizidgefahr gerechnet werden kann“, weshalb der Patient u.a. als nicht reisefähig eingeschätzt werde (ebs. kurzer diagnostischer Befund des … vom 1.7.2015: „… ist im Falle einer Abschiebung zu erwarten, dass die Symptomschwere nochmals drastisch ansteigt und davon ausgehend von seinem derzeitigen psychischen Zustand zusätzlich mit einem gravierenden, höchst alarmierenden Suizidrisiko einher gehen würde“). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - NVwZ-RR 2017, 345 = juris Rn. 4). Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ist vom Bundesamt im Asylverfahren aber nicht zu berücksichtigen. Denn das Bundesamt ist bei der Beendigung des Aufenthalts erfolgloser Asylbewerber auf die Prüfung und Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten beschränkt, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und damit in Gefahren begründet sind, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig (vgl. BVerfG, E.v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 - InfAuslR 2002, 415 = juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39/12 - InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4 m.w.N.; anders im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, vgl. BVerfG, E.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014, 244 = juris Rn. 11 f. m.w.N.).

e) Das Verwaltungsgericht hat das rechtliche Gehör auch nicht „dadurch verletzt, dass es nicht darüber aufgeklärt hat, dass es dem Kläger bezüglich seiner erheblichen Gesundheitsverschlechterung im Fall der Rückkehr keinen Glauben schenke“.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist. Aus den asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe nach § 86 Abs. 1 VwGO folgen keine weitergehenden Anforderungen an die gerichtliche Hinweispflicht. Dass es im Asylverfahren, soweit entscheidungserheblich, stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 - 1 B 347.01 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Davon abgesehen wurde bereits ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht den Beweisantrag nicht abgelehnt hat, weil es dem Kläger keinen Glauben schenkte, sondern weil nicht dargelegt wurde, dass das beantragte weitere Gutachten andere oder bessere Erkenntnisse bringt als die bereits vorliegenden Unterlagen. Erst bei der Bewertung der vorliegenden Unterlagen ist das Verwaltungsgericht hinsichtlich der geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung - ohne Rechtsfehler - davon ausgegangen, dass die geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung definitionsgemäß ein tatsächlich erlebtes, traumatisierendes Ereignis erfordert und dass der Vortrag des Klägers zu den vor seiner Ausreise aus Sierra Leone erlebten Ereignisse insgesamt aufgrund erheblicher Ungereimtheiten und Widersprüche vollkommen unglaubwürdig ist. Die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung in Sierra Leone behandelbar und im Fall der Nichtbehandelbarkeit eine Gesundheitsverschlechterung zu befürchten ist, stellte sich dem Verwaltungsgericht daher nicht. Eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung „aufgrund einer anderen psychischen Erkrankung als einer posttraumatischen Belastungsstörung“ hat das Verwaltungsgericht nicht verneint, weil es dem Kläger keinen Glauben geschenkt hat, sondern, weil es den nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu fordernden Gefährdungsgrad verneint hat. Auch hiergegen ist - wie bereits ausgeführt wurde - nichts zu erinnern.

f) Das Zulassungsvorbringen, von einem Rechtsschutz suchenden Kläger könne nicht mehr verlangt werden, „als dass er seine Krankheit durch hinreichende Atteste nachweist und eine Verschlechterung der Gesundheitslage im Fall einer Rückkehr durch Atteste belegt“, geht offenbar von der Annahme aus, für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bedürfe es keines belastenden Ereignisses, das tatsächlich stattgefunden hat. Dies trifft aus den zuvor genannten Gründen nicht zu. Die auch auf „den persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung“ abstellende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg (U.v. 8.6.2011 - A 1 K 1220.10 - juris Rn. 27), nach dem „auch das Gericht keinen Zweifel daran (hat), dass die Klägerin psychisch krank ist“, lässt vorliegend keine andere Bewertung zu.

Im Übrigen trifft der Einwand des Klägers nicht zu, dass „das Gericht dem Kläger bloß nicht glauben möchte“. Das Verwaltungsgericht hat mit einer ins Einzelne gehenden Begründung überzeugend aufgezeigt, „dass der Vortrag des Klägers bezüglich der vor seiner Ausreise erlebten Ereignisse insgesamt aufgrund erheblicher Ungereimtheiten und Widersprüche vollkommen unglaubwürdig ist“.

3. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht die geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG).

Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz widerspricht, den eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger schon deshalb nicht dargelegt, weil es an der Bezeichnung bestimmter und voneinander abweichender Rechtssätze fehlt (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2017 - 20 ZB 17.30262 - juris Rn. 4).

Das Zulassungsvorbringen benennt zwar die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll (U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251, „Rn. 16, juris“), bezeichnet aber keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer - vermeintlich - fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, B.v. 25.6.2013 - 10 B 10.13 - juris Rn. 15 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Der Kläger ist seinen Angaben zufolge Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt im asylrechtlichen Folgeverfahren die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses festzustellen. Das Verwaltungsgericht wies die Asylklage mit Urteil vom 24. August 2016 in der Sache ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers. Er macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen verfahrensfehlerhafter Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags liegt nicht vor.

Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B. v. 30.1.1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141/144 = NJW 1986, 833; BVerfG, B. v. 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 - NVwZ 1994, 60 = BayVBl 1993, 562; BayVerfGH, E. v. 26.4.2005 - Vf. 97-VI-04 - VerfGH 58, 108 = BayVBl 2005, 721). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sach-fremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B. v. 22.5.2015 - 1 BvR 2291/13 - juris Rn. 5 m. w. N.).

Gemessen daran liegt in der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 24. August 2016 gestellten Beweisantrags, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen,

„zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode, derzeit leichtgradig, und einer generalisierenden Angststörung leidet, der Kläger psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung bedarf und sich sein Gesundheitszustand bei Abbruch der Behandlung wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde“,

keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Ausweislich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24. August 2016 hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag mit folgender Begründung abgelehnt:

„Hinsichtlich der für die Person des Klägers geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist der Beweisantrag rechtlich nicht erheblich. Die im Rahmen des Verfahrens vorgelegten therapeutischen und ärztlichen Äußerungen zu den Anknüpfungstatsachen für das Krankheitsbild einer PTBS sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts unglaubwürdig. Hinsichtlich des für die Person des Klägers weiter geltend gemachten ‚depressiven Episode‘ und ‚Angststörung‘ werden die vorgelegten Diagnosen als wahr unterstellt.“

1. Soweit es das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung betrifft, hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass der Klägervortrag den aus der Rechtsprechung (u. a. BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = juris Rn. 15) folgenden Anforderungen an die Substantiierung zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich - wie hier - auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland stützt und deren Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen werden, nicht genügt und seine Rechtsauffassung umfassend und nachvollziehbar begründet. Danach beruhten die vom Kläger vorgelegten therapeutischen Berichte und fachärztlichen Atteste hinsichtlich der darin zugrunde gelegten Auslösekriterien auf einem unglaubhaften Vortrag des Klägers und damit auf unzureichenden tatsächlichen Grundlagen. Diese Bewertung durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden.

a) Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur aufgrund eines traumatisierenden Ereignisses entstehen kann (vgl. ICD-10: F.43.1, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision: „ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“).

b) Weiter trifft es zu, dass die nach dem Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 erstellten Befunde von Refugio vom 7. August 2014 und vom 18. Juli 2016 sowie des Bezirksklinikums Niederbayern vom 25. Februar 2014 als „Auslösekriterium“ bzw. schwerwiegende Traumatisierung die Tötung des Vaters, die Entführung des Klägers durch Rebellen bzw. die Erschießung des Bruders des Klägers bei der Rekrutierung zum Kindersoldaten zugrunde legen und dass die darin genannten tatsächlichen Grundlagen (zur behaupteten Erschießung des Bruders vgl. nachfolgend Buchst. c, Doppelbuchst. dd), bereits vom Verwaltungsgericht Regensburg (U. v. 29.11.2012 - RN 5 K 12.30096) als unglaubhaft angesehen wurden. Das ärztliche Attest des Klinikums der Universität München vom 12. Juli 2016 benennt dagegen das auslösende Ereignis nicht.

c) Hiervon ausgehend beruht der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss, es fehle an der tatsächlichen Grundlage eines traumatisierenden Ereignisses, aufgrund derer die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gerechtfertigt sei, auf einer nachvollziehbaren, insbesondere willkürfreien und sachlichen Grundlage, von der sich das Verwaltungsgericht eine eigene Überzeugung gebildet hat.

aa) Die Bewertung der tatsächlichen Grundlagen durch das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren folgt zwar der Bewertung des Verwaltungsgerichts Regensburg aus dem Urteil vom 29. November 2012. Dieses hatte sich im Rahmen des Erstverfahrens im rechtskräftigen Urteil vom 29. November 2012 umfänglich mit den vom Kläger geschilderten Geschehnissen auseinandergesetzt, die auch Auslöser der im Erstverfahren wie im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung sein sollen, sowie umfassend und nachvollziehbar begründet, weshalb es den klägerischen Vortrag „in höchstem Maße“ für „unsubstantiiert“, „oberflächlich“, „lebensfremd“ und „widersprüchlich“ erachtet. Nicht zutreffend ist aber, dass das Verwaltungsgericht die Bewertung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg im Erstverfahren lediglich ungeprüft übernommen habe. Es hat vielmehr das vom Kläger im Erstverfahren geschilderte Geschehen dargestellt, das im gegenständlichen Verfahren nicht vertieft oder ergänzt wurde, sich mit diesem auseinandergesetzt und weiter ausgeführt, es sei nicht zu erkennen, dass von der Bewertung des Verwaltungsgerichts Regensburg abzuweichen sei. Damit bringt das Verwaltungsgericht aber zum Ausdruck, dass es sich die Bewertung des Verwaltungsgerichts Regensburg auch für den gegenständlichen Fall zu Eigen macht, nicht dass es dessen Bewertung lediglich (ungeprüft) übernimmt.

bb) Soweit der Kläger weiter bemängelt, das Verwaltungsgericht habe den Kläger zu den Ereignissen in Sierra Leone nicht weiter befragt, verhilft auch dies dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg.

Angesichts der konkreten Umstände bestand für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, den Kläger zu den im Erstverfahren vorgetragenen Ereignissen in Sierra Leone zu befragen. Insbesondere hat der Kläger im Folgeverfahren weder gegenüber dem Bundesamt noch in der Klagebegründung andere oder ergänzende Angaben zu den behaupteten traumatisierenden Geschehnissen in Sierra Leone vorgetragen, die eine vom Urteil des Verwaltungsgericht Regensburg abweichende Bewertung nahegelegt hätten. Davon abgesehen hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 24. August 2016 Gelegenheit und angesichts der Feststellungen im Erstverfahren aber auch im Bundesamtsbescheid vom 15. Mai 2014 triftige Gründe, die in seiner Sphäre liegenden behaupteten Geschehnisse in Sierra Leone von sich aus nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu schildern.

cc) Eine weitergehende Aufklärung zur Richtigkeit des Klägervorbringens musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht auf Grundlage der vorgelegten Befundberichte und fachärztlichen Atteste aufdrängen.

Zwar gehen die Befundberichte von Refugio vom 7. August 2014 und vom 18. Juli 2016 auch auf die Auslösekriterien ein. Die vom Kläger geschilderten und in der Zeit weit zurückliegenden Geschehnisse, die das Auslösekriterium erfüllen sollen, wie etwa das „Miterleben der diversen Morde in der Zeit mit den Rebellen“, insbesondere „die Entführung durch die Rebellen“ und die „Situation um die berichtete Enthauptung seines Vaters“, werden aber allein den geschilderten Symptomen und der Verhaltensbeobachtung gegenübergestellt. Ihre äußere, objektive Ereignisseite bleibt in den Befundberichten im Allgemeinen, wird also weder hinreichend konkret beschrieben noch sorgfältig oder kritisch hinterfragt. Dies ist bei der Begutachtung einer posttraumatischen Belastungsstörung wohl auch nicht zu leisten (vgl. Befundbericht v. 18.7.2016 S. 5: „Bei der Diagnoseerstellung von posttraumatischen Störungen ermöglicht die Symptomatologie des psychopathologischen Befunds generell keine Rekonstruktion der objektiven Seite der traumatisierenden Ereignisse“). Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vielmehr vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (vgl. BayVGH, B. v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8). Die in den o.g. Befundberichten auf die Symptomatik gestützte Beurteilung zu den Angaben über die geschilderten Vorgänge lässt aus den genannten Gründen keine andere Bewertung zu. Im Befundbericht vom 7. August 2014 werden als Auslösekriterien „das Miterleben der diversen Morde in der Zeit mit den Rebellen“ und „die Situation um die berichtete Enthauptung seines Vaters“ genannt, wenngleich die genauen Umstände zu Letzterem unklar bleiben würden; eine nähere Begründung für die gleichwohl getroffene Annahme, „Den gewaltsamen Verlust des Vaters sehen wir allerdings als gesichert an“, wird nicht gegeben. Im Befundbericht vom 18. Juli 2016 wird als Auslösekriterium zunächst die Ermordung des Vaters gesehen, jedoch auch die Erlebnisse bei den Rebellen. Letzteres erfülle danach „eindeutig das Traumakriterium A“ (Befundbericht v. 18.7.2016, S. 5); die objektive Seite dieser Erlebnisse wird allerdings nicht aufgeklärt. Obschon „aufgrund einiger Ungenauigkeiten und Widersprüche nicht sicher gesagt werden kann, dass/ob alle geschilderten Erlebnisse so stattgefunden haben“ (vgl. Befundbericht v. 7.8.2014, S. 9; ebs. Befundbericht v. 18.7.2016, S. 6), wird im Befundbericht vom 18. Juli 2016 der Schluss gezogen, dass die beobachtete Symptomatik weiterhin überzeuge, insbesondere weil aufgrund der physiologischen Reaktionen bzw. Veränderungen des Klägers bei der Schilderung seiner Lebensgeschichte und insbesondere der traumatischen Erfahrungen keine Anhaltspunkte dafür gesehen würden, dass der Kläger „in diesen Punkten“ seine Biografie simuliere. Eine Auseinandersetzung etwa mit den vom Verwaltungsgericht Regensburg festgestellten Widersprüchen des klägerischen Vortrags findet nicht statt, obschon Refugio jedenfalls dessen Beschluss vom 27. März 2012 (Az. RN 5 S 12.30095) und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg vom 29. November 2012 vorlagen und bekannt waren (vgl. Befundbericht v. 7.8.2014, S. 2 sowie Befundbericht v. 18.7.2016, S. 2). Insgesamt fällt auf, dass das vom Kläger geschilderte Geschehen vage und im Allgemeinen bleibt; der Inhalt der festgestellten Ungenauigkeiten und Widersprüche sowie deren Bezug zu den gleichwohl zugrunde gelegten traumatisierenden Ereignissen wird nicht erläutert. Vonseiten des Klägers sind die in seine Sphäre fallenden behaupteten objektiven Ereignisse, also Ereignisse, die „fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden“ (vgl. ICD-10: F43.1), auch in den behördlichen und gerichtlichen Verfahren nach wie vor nicht schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt worden, obwohl angesichts der tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. November 2012 aber auch der Begründung des Bundesamtsbescheids vom 29. April 2014 Anlass dazu bestand. Insbesondere hat der Kläger im Folgeverfahren, die offen zu Tage tretenden Widersprüche seines Vortrags aus dem Erstverfahren nicht ausgeräumt.

dd) Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe den klägerischen Vortrag zur Erschießung des Bruders bei der Rekrutierung zum Kindersoldaten für unglaubhaft gehalten, weil der Kläger die Frage zur Anzahl seiner Geschwister nicht richtig beantwortet habe, was dieser aber richtig gestellt habe, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht hat diesen Umstand aus gutem Grund erfragt und in den Entscheidungsgründen aufgeführt. Das erstmals und soweit ersichtlich auch einmalig behauptete traumatisierende Ereignis, wonach der Bruder des Klägers bei der Rekrutierung zum Kindersoldaten erschossen worden sei (vgl. ärztliche Bestätigung des Bezirksklinikums Niederbayern v. 25.2.2014), hatte der Kläger weder bei der Anhörung im Erstverfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg vom 29. November 2012 erwähnt. In der Niederschrift zur Erstanhörung wurden auch nur ein Bruder und eine Schwester vermerkt, die der Kläger zuletzt zu Hause gesehen habe. Die auf entsprechenden Vorhalt des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2016 gegebene Antwort des Klägers, „Ich habe nicht gewusst, dass ich bereits tote Geschwister auch angeben soll“, hat das Verwaltungsgericht in der Gesamtschau und aus nachvollziehbaren Gründen für unglaubhaft gehalten. So hatte der Kläger bei seiner Anhörung im Erstverfahren von der Verhaftung vieler Jungen durch die Rebellen berichtet, aber nichts zu einem Bruder erwähnt, der von diesen erschossen worden sein soll.

Hiervon abgesehen hat das Verwaltungsgericht die behauptete Verschleppung des Klägers durch Rebellen aber auch deshalb für unglaubhaft erachtet, weil der Kläger bereits im Asylerstverfahren widersprüchliche Angaben zur behaupteten Verschleppung durch Rebellen gemacht hatte (bei der Anhörung v. 18.1.2012 auf Frage wie lange der Kläger insgesamt bei den Rebellen gewesen sei: „Zehn Tage lang, dann bin ich entkommen“, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg v. 29. November 2012: „Ich wurde während des Krieges längere Zeit gefangen gehalten“ und „Sie (Anm.: die Rebellen) haben mich damals mehrmals gefangen genommen und ich bin immer wieder abgehauen und dann auch immer wieder zur Schule gegangen“).

d) Das Vorbringen, grundsätzlich gelte auch für den medizinischen Bereich, dass ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann unzulässig sei, wenn ein unsubstantiierter „Ausforschungs-“ Beweisantrag vorliege und für die zugrundeliegende Tatsachenbehauptung nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

aa) Ob sich ein derartiger allgemeiner Rechtssatz aus der u. a. in Bezug genommenen Zulassungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2006 (Az. 1 B 91.05 - NVwZ 2007, 346) entnehmen lässt, erscheint fraglich, kann aber dahinstehen. Jedenfalls hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung im Revisionsverfahren präzisiert und klargestellt, dass zur Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung zum Gegenstand hat, angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests gehört und ausgeführt, welche Anforderungen an die Substantiierung zu stellen sind (BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251; vgl. auch BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17.00 - juris Rn. 15 f.). Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht aus (vgl. UA S. 11). Soweit das Verwaltungsgericht auf die seiner Auffassung nach unzureichenden tatsächlichen Grundlagen zur Frage des Vorliegens eines traumatisierenden Ereignisses abstellt, hat es die Anforderungen an die Darlegungspflicht des Klägers nicht überspannt. Insbesondere erfordert die nachvollziehbare Schilderung von in der Sphäre des Klägers liegenden Ereignissen keine kostenauslösende oder umfängliche gutachtliche Stellungnahme. Vielmehr sind die Beteiligten auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess verpflichtet, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.1999 - 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174). Insoweit obliegt es dem Kläger, die behaupteten Geschehnisse, die bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung zum Entstehen gebracht haben sollen, jedenfalls in Grundzügen unter Angabe von Einzelheiten schlüssig und widerspruchsfrei zu schildern (vgl. BayVGH, B. v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8). Hiervon ausgehend greift auch der Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, zu kurz, weil ein solches Gutachten die objektive Seite des Ereignisses nicht klärt.

bb) Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag des Klägers abgelehnt, weil es die Anknüpfungstatsachen für das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung für nicht gegeben erachtete. Das Verwaltungsgericht hat den vorgelegten Bescheinigungen auch nicht per se deren hinreichende Qualität abgesprochen; es hat vielmehr die vom Kläger geschilderten und den Befunden zugrunde gelegten traumatisierenden Erlebnisse im Hinblick auf deren objektive Seite mit einer nachvollziehbaren Begründung als unglaubhaft gewertet.

Dass das Vorliegen eines traumatischen Ereignisses zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist, wurde zutreffend bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. November 2012 zum Erstverfahren festgestellt (nachfolgend BayVGH, B. v. 6.2.2013 - 9 ZB 13.30032), findet seine Bestätigung aber auch in den Befundberichten von Refugio vom 7. August 2014 und vom 18. Juli 2016, wonach die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nur eine spezifische Symptomatik, sondern auch ein traumatisches Lebensereignis als Auslöser für die Symptomatik zwingend erfordere und die Symptomatologie des psychopathologischen Befunds generell keine Rekonstruktion der objektiven Seite der traumatisierenden Ereignisse ermögliche (vgl. Befundbericht v. 7.8.2014, S. 5 bzw. Befundbericht v. 18.7.2016, S. 5).

e) Aus der in Bezug genommenen Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 8.1.2016 - 13a ZB 15.30245 - nicht veröffentlicht) folgt nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft nicht die an die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellten Anforderungen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15 f.), sondern die Übertragung dieser Anforderungen an die Diagnose einer Depression.

2. Soweit es die geltend gemachte (leichtgradige) depressive Störung und Angststörung beim Kläger betrifft, hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag abgelehnt, weil es die vorgelegten Diagnosen als wahr unterstellt hat. Auch dies ist nicht zu beanstanden.

Das Absehen von einer Beweiserhebung wegen „Wahrunterstellung“ (im Sinn von Dahinstehenlassen von behaupteten Tatsachen) ist im Verwaltungsprozess dort zulässig, wo der Sache nach ein Verzicht auf die Beweiserhebung wegen Unerheblichkeit der vorgetragenen Tatsachen vorliegt (vgl. BVerwG, U. v. 17.1.1990 - 9 C 39.89 - NVwZ-RR 1990, 510). So liegt es hier. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die nachgewiesenen Erkrankungen einer depressiven Störung (leichtgradig) und einer Angststörung nicht derart schwerwiegende Krankheitsbilder darstellten, dass im Fall der Rückkehr nach Sierra Leone auch ohne deren fortlaufende Behandlung eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten sei. Diese Bewertung stützt sich auf die fachärztliche Äußerung des Klinikums der Universität München vom 12. Juli 2016, wonach der Kläger „klar von Suizidalität distanziert“ sei und den Befundbericht von Refugio vom 18. Juli 2016, wonach der Kläger aus medizinischen Gründen derzeit keine Medikation in Bezug auf die Angststörung erhalte. Ohne dass es vorliegend darauf ankommt, findet diese Bewertung ihre rechtliche Grundlage in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Nach § 83 b AsylVfG werden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juni 2006 - A 2 K 259/06 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der in Anspruch genommene Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) bei der Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Die Klägerin hat einen Gehörsverstoß bereits nicht ausreichend und schlüssig dargelegt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Hierzu ist in dem Antrag auf Zulassung der Berufung mitzuteilen, welchen Inhalt die behaupteten und als übergangen gerügten Beweisthemen der Hilfsbeweisanträge hatten. Denn es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorbringen der Klägerin anhand der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts zu ergänzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005 - 1 B 10.05 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 36 zur Darlegungslast nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Hilfsanträge sind so wiederzugeben, dass der Verwaltungsgerichtshof anhand der Zulassungsbegründungsschrift nachprüfen kann, ob die Behauptung in ihrem Ausgangspunkt zutrifft. Es ist gerade Sinn des Darlegungserfordernisses, die Überprüfung im Zulassungsverfahren durch einen vollständigen Sachvortrag soweit als möglich zu entlasten. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre im Übrigen auch unbegründet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträge liegt nicht vor. Es wäre nur dann der Fall gewesen, wenn das Verwaltungsgericht die Beweisanträge aus Gründen abgelehnt hätte, die im geltenden Prozessrecht keine Stütze finden (BVerfGE 69, 141 (144) m.w.N.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insbesondere durfte das Verwaltungsgericht die Hilfsbeweisanträge, soweit diese auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens zum Verfolgungsvortrag gerichtet sind, als unzulässig zurückweisen, weil es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen. Die Feststellung der Wahrheit von Angaben des Asylbewerbers oder der Glaubhaftigkeit einzelner Tatsachenbehauptungen unterliegt als solche nicht dem Sachverständigenbeweis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005, a.a.O.). Bei den Hilfsbeweisanträgen ging es auch nicht darum, wie dies nunmehr im Zulassungsantrag anzuklingen scheint, durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob das Aussageverhalten der Klägerin aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflusst war und das Verwaltungsgericht deshalb zu einer anderen Beweiswürdigung hätte gelangen können. Dem Umstand, dass es Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, die Frage nach der Glaubhaftigkeit und dem Wahrheitsgehalt des von dem Schutzsuchenden zur Stützung seines Begehrens im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten konkreten Sachverhaltes zu beantworten, entspricht es aus medizinischer Sicht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur diagnostiziert werden kann, wenn ein Trauma nachgewiesen ist, wenn also vom Gericht, nicht vom Gutachter, nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden kann, dass das behauptete traumatisierende Ereignis stattgefunden hat. Der objektive Ereignisaspekt ist nicht Gegenstand der gutachtlichen Untersuchung zur posttraumatischen Belastungsstörung. Mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (vgl. Ebert/Kindt, VBlBW 2004, 41 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Zulassungsverfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.