Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 31. Aug. 2015 - W 3 K 15.50005

bei uns veröffentlicht am31.08.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

Der Kläger ist kubanischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben in der Befragung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 7. Oktober 2014 zur Bestimmung des zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats verließ er am 30. Dezember 2009 Kuba und gelangte per Flugzeug nach Spanien, wo er ca. ein Jahr lang gelebt habe. Im Dezember 2010 sei er mit dem Bus in die Niederlande gefahren, wo er sich bis April 2011 aufgehalten habe. In den Niederlanden habe er Asyl beantragt. Dann sei er mit der Bahn nach Frankreich gefahren, wo er sich bis September 2014 aufgehalten habe. Am 9. September 2014 sei er mit dem Zug nach Deutschland eingereist. Am 7. Oktober 2014 stellte der Kläger Asylantrag.

Aufgrund eines EURODAC-Treffers Niederlande der Kategorie 1 richtete das Bundesamt am 13. November 2014 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates - Dublin III-VO - an die Niederlande. Mit Schreiben vom 21. November 2014 teilten die Niederlande mit, das Übernahmeersuchen abzulehnen. Die in den Niederlanden gestellten Asylanträge des Klägers vom 29. Oktober 2010 und vom 26. September 2012 seien mit Entscheidung vom 8. November 2010 bzw. vom 10. Oktober 2012 abgelehnt worden. Am 4. März 2013 sei der Kläger untergetaucht. Da keine Informationen über den Aufenthaltsort des Klägers zwischen seinem Verschwinden am 4. März 2013 und dem Datum der Antragstellung in Deutschland am 7. Oktober 2014 angegeben worden seien, könne nicht festgestellt werden, ob die Niederlande noch zuständig seien.

Aufgrund der Bitte des Bundesamts vom 27. November 2014 um erneute Prüfung des Übernahmeersuchens erklärten die niederländischen Behörden mit Schreiben vom 2. Dezember 2014, das Übernahmeersuchen nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin III-VO anzunehmen.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers in die Niederlande an (Ziffer 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde per Postzustellauftrag vom 30. Dezember 2014 zugestellt.

II.

Mit seiner am 7. Januar 2015 erhobenen Klage beantragte der Kläger:

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 9. Dezember 2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde auf „die bisherigen Angaben“ Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das Bundesamt den Antrag des Klägers falsch wiedergegeben bzw. ihm nicht die Möglichkeit gegeben habe, seine persönliche Situation genau darzustellen. Er habe im Jahr 2010 zum ersten Mal in den Niederlanden Asyl beantragt. Daraufhin habe er einen Platz in einem Wohnheim für Asylsuchende erhalten. Später sei er dann nach Spanien zurückgekehrt. Im Jahr 2013, etwa im Oktober, sei er dann wieder in die Niederlande gegangen und habe sich bei den Behörden in Utrecht gemeldet. Er sei dann für vier Monate im Gefängnis gewesen, weil er keine gültigen Papiere gehabt habe. Danach habe man ihn nach Kuba abschieben wollen und ihm sei sein Pass ausgehändigt worden. Daraufhin sei er nach Frankreich gereist, um dort nach Arbeit zu suchen. Da er keine gültigen Papiere gehabt habe, sei ihm dies nicht geglückt. Deshalb sei er nach Deutschland, wo er einen Asylantrag gestellt habe. Zum Beweis dafür, dass sein Vortrag, dass ihm Geschildertes passiert sei, richtig sei, beantrage er die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Amnesty International oder andere sachkundige Stellen.

Des Weiteren wurde ausgeführt, die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsanordnung seien auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil dem Kläger in seinem Heimatland eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 2 bis Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG drohe. Er befürchte wegen seiner politischen Aktivitäten der Vergangenheit in Kuba verfolgt zu werden. Er sei in oppositionellen Bewegungen aktiv und habe mit vielen anderen zusammen ein Papier gegen die Regierung unterzeichnet. In Kuba gebe es kein Recht auf Meinungsfreiheit, weshalb er das Land im Jahr 2009 verlassen habe. Würde er jetzt zurückkehren, wäre nicht nur er, sondern auch seine Familie in Gefahr. Er würde sofort bei seiner Ankunft am Flughafen festgenommen werden. Auch in den Niederlanden sei er nicht in Sicherheit gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass seine persönliche und gefährliche Situation nicht anerkannt worden sei, da er keine Papiere oder Beweismittel aus Kuba mitgebracht habe. Man habe ihn nach Kuba zurückschicken wollen und er sei zu Unrecht zu einem Gefängnisaufenthalt gezwungen worden.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Mit Schriftsatz vom 25. August 2015 teilte das Bundesamt mit, der Kläger sei am 25. Februar 2015 im Wege der kontrollierten Überstellung in die Niederlande überstellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstrands wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch Beschluss der Kammer vom4. Mai 2015 übertragen worden ist. Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Anfechtungsklage (Klageantrag zu 1)) ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben worden, während der Verpflichtungsantrag und der Hilfsverpflichtungsantrag (Klageanträge zu 2)) unzulässig sind. Insoweit fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) als eigenständiger Verwaltungsakt ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft und auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässig. Im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet ist (BayVGH, B.v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 7; B.v. 5.3.2015 - 11 ZB 14.50046 - juris Rn. 11; B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris; U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 22 jeweils m. w. N.). Nach Sinn und Zweck des § 27a AsylVfG und des dahinter stehenden Gebots, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung schnellstmöglich Klarheit über den zuständigen Mitgliedstaat für die Prüfung eines im Geltungsbereich der Dublin-Verordnungen gestellten Asylantrags zu gewinnen (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 - juris Rn. 84, 98), ist die Zuständigkeitsprüfung durch das Bundesamt der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur (inhaltlichen) Prüfung des Asylantrags zu unterscheiden (BayVGH, B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris Rn. 6). Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache insoweit spruchreif zu machen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2015 a. a. O.). Zulässig ist daher (nur) die Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sowie die Abschiebungsanordnung aufzuheben (Klageantrag zu 1)), damit die Beklagte in eigener Zuständigkeit über den Asylantrag (inhaltlich) entscheiden muss. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage, wie sie hier mit dem Klageantrag zu 2) und dem Hilfsantrag zu diesem erhoben wurde, fehlt dagegen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Dem Klageantrag zu 1) fehlt auch im Hinblick auf die Überstellung des Klägers am 25. Februar 2015 nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich daraus, dass nach Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnimmt, wenn diese Person irrtümlich überstellt oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wurde (vgl. VG Bayreuth, U.v. 2.7.2015 - B 3 K 15.50024 - juris Rn. 18). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten nicht erfüllt und damit Zweifel am Fortbestand seines Interesses an der weiteren Verfolgung seines Begehrens begründet hat, indem er dem Gericht entgegen § 10 Abs. 1 AsylVfG den Wechsel seiner Anschrift nicht mitgeteilt hat. Dem Kläger muss jedoch zur Wahrung seines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Gelegenheit gegeben werden, die hieraus folgende gegen ihn sprechende widerlegliche Vermutung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses auszuräumen, bevor eine Klage wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses abgewiesen werden darf (BVerwG, B.v. 18.9.2002 - 1 B 103/02 - juris Rn. 7). Da der Kläger hierzu noch nicht angehört wurde, kann im Hinblick auf die Unfreiwilligkeit seiner Ausreise und die bereits dargestellte Regelung des Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO ein weiterhin bestehendes Rechtsschutzbedürfnis der Anfechtungsklage (Klageantrag zu 1)) nicht zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen werden.

Der somit zulässige Klageantrag zu 1) hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da er unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid erweist sich in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Niederlande sind für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO zuständig und haben der Rückübernahme des Klägers mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 zugestimmt. Damit sind die Niederlande gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs, die am 2. Dezember 2014 erfolgte, wieder aufzunehmen. Der Kläger wurde am 25. Februar 2015 und somit innerhalb dieser Überstellungsfrist überstellt. Somit sind die Niederlande weiterhin für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags ist auch nicht durch Ausübung eines Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auf die Beklagte übergegangen. Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, keinen Gebrauch vom Selbsteintrittsrecht zu machen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte ist nicht aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Darüber hinaus liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe im Sinne des Art. 16 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO für den Selbsteintritt der Beklagten in die materielle Prüfung des Asylantrags nicht vor.

Es liegt auch kein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte nach Art. 3 Abs. UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO vor. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat, wenn es sich als unmöglich erweist, eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechte-Charta - GR-Charta - mit sich bringen und auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass in den Niederlanden keine systemischen Mängel des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in diesem Sinne bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung eines Asylbewerbers in einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-) überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätte (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen. Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O.).

Es kommt auch nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (BVerwG, B.v. 6.2.2014 - B 35/14 - juris).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für die Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in einem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m. w. N.) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei - wie sich aus den Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (U.v. 21.12.2010 - C-411/10 u. a. - juris) - Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalshaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelmäßigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der vorgenannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - und B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - beide juris).

Auf Grundlage dieses Maßstabs ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon auszugehen, dass das niederländische Asylsystem an systemischen Mängeln im vorstehend dargestellten Sinne leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wären (s.a. VG Würzburg, B.v. 30.4.2015 - W 7 S 15.50069; VG Gelsenkirchen, B.v. 17.12.2014 - 6a L 1837/14.A - und B.v. 25.11.2014 - 6a K 3256/14.A - beide juris; VG Augsburg, B.v. 29.10.2014 - Au 7 S 14.50263 - juris; VG Magdeburg, B.v. 12.8.2014 - 1 B 894/14 - juris; a.A. VG Darmstadt B.v. 7.5.2014 - 4 L 597/14.DA.A und B.v. 9.5.2014 - 4 L 491/14.DA.A - beide juris). Zwar stellt sich die Situation in den Niederlanden für den Kläger insoweit schlechter und unsicherer als in der Bundesrepublik Deutschland dar, als das Asylverfahren des Klägers in den Niederlanden bereits abgeschlossen ist, wenn auch erkennbar mit einem vom Kläger nicht erwünschten Ergebnis. Anders als der Kläger meint, bedeutet dies jedoch nicht, dass er in den Niederlanden nicht „in Sicherheit“ wäre. Allein in der Ablehnung eines Asylantrags liegt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Asylbewerbern die Durchführung des Asylverfahrens in den Niederlanden nicht in rechtsstaatlicher Weise möglich wäre. Dies erweist sich daher auch nicht als systemischer Mangel.

Systemische Mängel ergeben sich darüber hinaus insbesondere auch nicht aus der Schilderung des Klägers, dass er nach Stellung eines erneuten Asylantrags in den Niederlanden in Haft genommen worden sei. Insoweit bedurfte es zum Beweis des Vortrags des Klägers über seine Erlebnisse seit der ersten Antragstellung in den Niederlanden im Jahr 2010 auch nicht der vom Kläger beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bei den vorgenannten zum Beweis gestellten Umständen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, die dem vom Kläger beantragten Sachverständigengutachten nicht zugänglich sind. Jedenfalls kann der Vortrag des Klägers über das Geschehen seit seiner ersten Antragstellung in den Niederlanden im Jahr 2010 als wahr unterstellt werden. Denn selbst wenn sich die Ereignisse wie vom Kläger vorgetragen zugetragen haben sollten, würden sie nicht zu der Annahme systemischer Mängel im niederländischen Asylsystem und damit nicht zum Erfolg der Klage führen. Allein der Umstand, dass das niederländische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und die Niederlande diese Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwenden, stellt für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel dar. Auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Art. 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, - im Folgenden: Aufnahmerichtlinie - geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch werden Asylbewerber in den Niederlanden im Rahmen von regulären Asylverfahren - anders als im Rahmen von Dublin-Verfahren - nur selten inhaftiert (aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 54). Nach dem Erkenntnisstand des Gerichts ist auch nicht davon auszugehen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Rückkehr in die Niederlande derzeit automatisch inhaftiert würden. Unter Berücksichtigung der Haftgründe des niederländischen Rechts für Asylbewerber (einschließlich abgelehnter Asylbewerber) kann ein abgelehnter Asylbewerber wie der Kläger inhaftiert werden, wenn dies im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zu Wahrung der nationalen Sicherheit erforderlich ist und Fluchtgefahr besteht, der Ausländer flüchtig ist oder die Ausreisevorbereitung behindert (aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 57). Nach den Angaben des Bundesamts in dem angefochtenen Bescheid erfolgt in den Niederlanden in Fällen, in denen keine Bedenken hinsichtlich der freiwilligen Ausreise bestehen, die Ausreise aber nicht eigenständig durchgeführt werden kann (z. B. wegen Geldmangels oder fehlender Dokumente) eine Inhaftierung erst kurz vor der Ausreise. Nach der Hafteinweisung durch die Polizei gehe die Akte zum Richter, der die Rechtmäßigkeit der Haft überprüfe.

Ausgehend von diesen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten ist nicht erkennbar, dass die niederländische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreiten würde. Selbst wenn für Dublin-Rückkehrer regelmäßig eine Fluchtgefahr bzw. ein Haftgrund angenommen werden sollte, wenn sie einer früheren Ausreiseaufforderung nicht freiwillig Folge leisteten und bereits einmal untergetaucht sind (vgl. aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 57), erscheint dies nicht willkürlich und lässt nicht darauf schließen, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgen würde. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich vielmehr, dass im Einzelfall auch von einer Asylhaft abgesehen werden kann, mithin die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls bei einer Haftanordnung berücksichtigt werden (aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 57 letzter Absatz). Darüber hinaus ist in den Niederlanden im Rahmen der Haft ein Rechtsschutzsystem gesetzlich installiert. Es findet ipso iure eine richterliche Überprüfung der Haftentscheidung statt und der Inhaftierte kann jederzeit Rechtsbehelfe gegen seine Inhaftierung einlegen (vgl. aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 61). Sollte ein Inhaftierter die Kosten eines Rechtsbeistands aufgrund seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse nicht selbst aufbringen können, besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Hilfe, deren Kosten vom Staat getragen werden (aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 62). Des Weiteren ist weder substantiiert dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Niederlande während einer etwaigen Inhaftierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen würde (vgl. zu den Haftbedingungen aida, Asylum Information Database Country Report The Netherlands, Stand: 16.1.2015, S. 58 ff.).

Ausgehend von diesen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten ist nicht erkennbar, dass das niederländische Asylverfahrenssystem (einschließlich der Abschiebepraxis) und die Aufnahmebedingungen systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreiten und damit an systemischen Mängeln leiden würden. Somit ist der Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell zu prüfen und die Abschiebung des Klägers in die Niederlande rechtlich zulässig. Auf die Ausführungen des Klägers zu seiner Verfolgungsgeschichte in Kuba war daher nicht einzugehen, zumal der diesbezügliche Verpflichtungsantrag - wie bereits ausgeführt - unzulässig war. Demnach erweist sich Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids als rechtmäßig.

Auch Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids war nicht aufzuheben, da die darin enthaltene Abschiebungsanordnung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Dies ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) - hier die Niederlande - abgeschoben werden soll, ordnet nach dieser Vorschrift das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Beklagte im Verfahren nach § 34a AsylVfG selbst zu berücksichtigten hat (BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzuweisen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 31. Aug. 2015 - W 3 K 15.50005

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. November 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Januar 2014 betrifft, hat keinen Erfolg. In Nr. 1 dieses Bescheids war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Die Beklagte wirft zunächst als gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob „der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG bereits deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und infolge dessen i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Verletzung in eigenen Rechten vorliegt“.

Insoweit ist das Rechtsmittel bereits nicht statthaft und unzulässig, weil die Beklagte durch die Aufhebung von Nr. 1 ihres Bescheids nicht beschwert ist. Eine Beschwer läge nur vor, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für sie nach ihrem Inhalt nachteilig wäre, also dem Kläger etwas zu ihren Lasten zusprechen, zu ihren Lasten rechtsgestaltend wirken oder einen Streit um ein Rechtsverhältnis zu ihren Ungunsten entscheiden würde (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 29; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, vor § 124 Rn. 39). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Bundesrepublik Deutschland durch Zeitablauf nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgeblich ist hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in der der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Unstreitig ist hier die Überstellungsfrist abgelaufen. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der 6-Monatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 19 K34). Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (dies., Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 K9, zu der Nachfolgeregelung des Art. 29 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist). Auch die Beklagte geht von ihrer Zuständigkeit aus, wie sich aus deren Überlegungen zu einer Umdeutung des Bescheids ergibt. Der Ausspruch, der Asylantrag des Klägers sei mangels Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, entspricht daher weder der Rechtslage noch der nunmehrigen Auffassung der Beklagten. Seine Aufhebung verletzt diese nicht in ihren Rechten.

Auf die weitere Frage, ob das Urteil insoweit von der Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677) abweicht, kommt es damit nicht an.

Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält insoweit für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Die aufgeworfene Frage ist jedoch durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B. v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe OVG Hamburg, B. v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris; NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden.

Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden. Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, dürfte - worauf der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg selbst im Urteil vom 16. April 2014 (A 11 S 1721/13 a. a. O.) hinweist - durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.II.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2014, mit dem sie den Asylantrag der Kläger für unzulässig erklärt und die Abschiebung nach Polen angeordnet hat.

Die Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit und haben nach eigenen Angaben am 28. April 2013 in Polen Asyl beantragt. Am 13. Juni 2013 reisten sie in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17. Oktober 2013 Asylanträge. Am 2. Dezember 2013 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an die Republik Polen. Die polnischen Behörden stimmten der Übernahme der Kläger am 6. Dezember 2013 nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO zu. Mit Bescheid vom 15. Januar 2014 erklärte die Beklagte den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag der Kläger auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 28. Januar 2014 (RO 9 S 14.30084) ab und hob den Bescheid mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2014 auf. Mit Ablauf der Überstellungsfrist am 28. Juli 2014 sei die Zuständigkeit auf die Beklagte übergegangen (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO). Eine Abschiebung nach Polen sei nicht mehr möglich. Eine Umdeutung in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG komme nicht in Betracht.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Kläger entgegentreten. Die Beklagte macht Gründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171) ab.

Eine Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass ein Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts von einem tragenden Rechts- oder Tatsachensatz des übergeordneten Gerichts abweicht und das Urteil darauf beruht. Der fragliche Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts muss sich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen wie die Entscheidung, von der die Abweichung behauptet wird; die bloße Vergleichbarkeit der Regelungsinhalte genügt nicht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42; BVerwG, B. v. 28.1.2004 - 6 PB 15/03 - NVwZ 2004, 889).

Eine solche Abweichung liegt hier nicht vor. Die Beklagte macht mit ihrem Antrag selbst geltend, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG und nicht zu einer Entscheidung über die Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EG L 50 S. 1, Dublin II-VO), ergangen ist. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Regelungen, denn § 27a AsylVfG betrifft die Behandlung eines Asylantrags im Falle der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats im System des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, während § 71 AsylVfG die Behandlung eines Folgeantrags, für den die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, regelt. Auf § 71a AsylVfG, dessen Regelungsgehalt dem des § 71 AsylVfG sehr ähnlich ist, hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt, sondern hat ausgeführt, dass eine Umdeutung der Nr. I des Bescheids vom 15. Januar 2014 in eine Ablehnung nach § 71a AsylVfG nicht in Betracht komme.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ, a. a. O. Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag eine isolierte Anfechtungsklage die zulässige Klageart darstellt oder vielmehr eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, jedenfalls wenn es sich bei dem Asylantrag um einen Zweitantrag i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob die Tatsachengerichte verpflichtet sind, das Asylbegehren auch in der Sache spruchreif zu machen.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Zahlreiche Oberverwaltungsgerichte einschließlich des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) sind der Ansicht, dass statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage ist (siehe NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Es besteht daher kein weitergehender Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde (vgl. ausführlich BayVGH, B. v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris; OVG Hamburg, B. v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris).

Soweit die Beklagte meint, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in der Konstellation des ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenen Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet weiteren Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht und zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung.

Die Klage wurde von Anfang an als Anfechtungsklage erhoben und eine Verpflichtung auf Anerkennung als Asylberechtigte, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes wurde nicht begehrt. Deshalb hat sich dem Verwaltungsgericht im Rahmen des § 88 VwGO nicht die Frage gestellt, ob es weitergehender Feststellungen hinsichtlich möglicher Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bedarf (s. BayVGH, B. v. 23.1.2015 a. a. O. Rn. 9).

Selbst wenn man einen solchen Verpflichtungsantrag als konkludent gestellt ansehen würde (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 a. a. O. Rn. 22), ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargetan. Die Frage, ob eine Aufrechterhaltung der Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage oder eine Umdeutung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, ob also eine Umdeutung eines auf § 27a AsylVfG gestützten Bescheids in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG überhaupt möglich ist, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Umdeutung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die materiellen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht nach der geschehenen Verfahrensweise hätte erlassen werden können, weil dafür eine Anhörung zu den maßgeblichen Tatsachen und Umständen hätte erfolgen müssen und Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG erforderlich gewesen wären. Zudem sei eine Umdeutung der Nr. II des Bescheids in eine Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat auch nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wie eine Abschiebungsanordnung in den zuständigen Mitgliedstaat nach § 27a AsylVfG. Eine Auseinandersetzung damit, ob in der asylverfahrensrechtlichen Konzeption überhaupt eine Umdeutung möglich ist, war für das Verwaltungsgericht deshalb nicht veranlasst.

Im Übrigen führt die Beklagte auch nur aus, dass die Voraussetzungen für eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG vorliegen würden, da sie insbesondere für eine solche Entscheidung zuständig sei, inhaltlich keine andere Entscheidung als die vorliegende hätte getroffen werden können und die Kläger durch eine Umdeutung auch nicht in ihren Rechten verletzt seien. Die von der Beklagten damit gestellte Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG erfüllt sind, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles und ist einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Es wird damit die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage gestellt, aber kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt.

Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob der Gerichtsbescheid aus anderen Gründen richtig ist. Die Beklagte geht ausweislich ihrer Begründung des Zulassungsantrags selbst davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags der Kläger nach § 71a AsylVfG zuständig ist. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid hatte sie demgegenüber festgestellt, dass der Asylantrag unzulässig ist, weil die Bundesrepublik Deutschland nach der Dublin II-VO nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit könnte daher auch im Rahmen eines konkludenten Selbsteintritts nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sein, indem die Beklagte die Voraussetzungen für eine Umdeutung des auf § 27a AsylVfG gestützten Bescheids in einen ablehnenden Bescheid nach § 71a AsylVfG offensichtlich geprüft und bejaht hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechts- kräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2014 betrifft, ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen. In Nr. 1 des Bescheids vom 12. März 2014 war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Das Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B.v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist. Aus der zudem von der Beklagten genannten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 2.9.2014 - A 11 S 1611/14 - n.v.) lässt sich nicht entnehmen, ob die grundsätzliche Bedeutung wegen der hier einschlägigen Frage angenommen wurde oder zur Klärung, ob in Bulgarien systemische Mängel vorhanden sind.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenes Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt ist, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrechtlicher Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2014 betrifft, ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen. In Nr. 1 des Bescheids vom 12. März 2014 war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Das Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B.v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist. Aus der zudem von der Beklagten genannten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 2.9.2014 - A 11 S 1611/14 - n.v.) lässt sich nicht entnehmen, ob die grundsätzliche Bedeutung wegen der hier einschlägigen Frage angenommen wurde oder zur Klärung, ob in Bulgarien systemische Mängel vorhanden sind.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenes Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt ist, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrechtlicher Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ... 1991 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am ... 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2014 einen Asylantrag.

Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylVfG gab der Kläger am... 2014 gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) an, auf seiner Flucht sei er nach einem Aufenthalt in Serbien illegal nach Ungarn eingereist, sei dort von der Polizei aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Am nächsten Tag sei er freigelassen worden und anschließend mit dem Pkw weiter nach Budapest gefahren. Von dort aus sei er mit dem Pkw des Schleusers über Österreich nach Deutschland eingereist.

Der Akte des Bundesamtes ist ein sogenannter EURODAC-Treffer für Ungarn zu entnehmen (Blatt 42). Aufgrund dessen richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom ... 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 b Dublin-III-VO (Blatt 54 Bundesamtsakte).

Mit Bescheid vom 08.01. 2015, der laut Postzustellungsurkunde am 26.01. 2015 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an.

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, hier Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen.

Gegen den Bescheid vom 08.01. 2015 ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 02.02. 2015, eingegangen bei Gericht am 03.02. 2015 Klage gegen die Beklagte erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 08.01. 2015 aufzuheben.

Eine weitere Begründung der Klage wurde angekündigt.

Mit Schriftsatz vom 16.02. 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss der Kammer vom 06.05. 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 06.05. 2015 wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Überstellungsfrist (30.04. 2015) inzwischen abgelaufen sei. Die Beteiligten wurden für den Fall, dass der Bescheid vom 08.01. 2015 nicht aufgehoben werde, um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. Ebenfalls am 06.05. 2015 wurde dem Kläger in Hinblick auf den Ablauf der Dublin-Überstellungsfrist Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten verfügt.

Mit den Schriftsätzen vom 08.05. 2015 und 19.05. 2015 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Mit Schriftsatz vom 27.05. 2015 teilte die Beklagte schließlich mit, dass der Kläger bereits am ... 2015 auf dem Luftweg nach Ungarn abgeschoben worden war.

Auf gerichtliche Anforderung hin teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die ladungsfähige Adresse des Klägers in Ungarn mit.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 24.06. 2015 teilte das Gericht den Beteiligten mit, dass es aufgrund der vorliegenden Verzichtserklärungen vom 08.05. 2015 und 19.05. 2015 beabsichtigte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Die zwischenzeitliche Rückführung des Klägers nach Ungarn beeinträchtigt sein Rechtsschutzbedürfnis insofern nicht, als Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO regelt, dass der Mitgliedsstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnimmt, wenn diese Person irrtümlich überstellt oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wurde. Die vollzogene Rückführung nach Ungarn gibt allerdings auch keinen Anlass, vorliegend eine etwaige mangelnde Aufnahmebereitschaft Ungarns zu problematisieren.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, so dass er nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, sondern die dagegen erhobene Klage abzuweisen war.

1. Der Asylantrag des Klägers ist gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig. Die Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 b Dublin-III-VO unterliegt aufgrund der Aufnahmezustimmung der ungarischen Behörden vom... 2014 keinen vernünftigen Bedenken.

2. Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Beklagten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen könnten, sind nicht gegeben.

Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21. 12. 2011, Az. C-411/10 u. a. in NVwZ 2012, 417 ff.) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin zu überstellenden Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta (GR-Charta) ausgesetzt wären.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung an einen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH a. a. O.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedsstaats gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedsstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH a. a. O.). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-II-VO (nunmehr Dublin-III-VO) gefährden, rasch denjenigen Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält das Gericht derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Ungarn (derzeit) nicht für glaubhaft gemacht (so auch EGMR, U. v. 06.06. 2013, Az. 2283/12 in Asylmagazin 10/2013, S. 342 ff.; VG Düsseldorf; U. v. 20.03. 2015, 13 K 501/14. A und B. v. 01.04. 2015, 13 L 1031/15. A. beide ; VG München vom 28.08. 2014, Az. M 18 S 14.50369; VG Ansbach U. v. 06.04. 2014, Az. An 1 K 14.30115 - in juris -; VG Würzburg vom 14.04. 2014, Az. W 6 K 14.30159; VG Augsburg vom 04.04. 2014, Az. Au 7 S 14.30247 - in juris -; VGH BW vom 06.08. 2013, Az. 12 S 675/13 - in juris -; OVG LSA vom 31.05. 2013, Az. 4 L 169/12). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Lage der Asylbewerber in Ungarn durchaus problematisch ist. Allerdings sind die in den Erkenntnismitteln dargestellten Missstände nicht so gravierend, als dass sie die Annahme eines systemischen Mangels im ungarischen Asylverfahren rechtfertigen könnten. Dies gilt trotz des Urteils des EGMR vom 10.03. 2015 (Nrn. 14097/12 u. a.), weil dieses die Verhältnisse in den ungarischen Gefängnissen Ende des Jahres 2013 betrifft, insoweit also nicht (mehr) aktuell ist. Der Kläger wurde im Übrigen nach seinem eigenen Vorbringen von der Polizei aufgegriffen, erkennungsdienstlich behandelt und am nächsten Tag wieder freigelassen (Beiakt I Seite 33), Missstände macht er insoweit nicht geltend.

Das Gericht stützt seine Auffassung auf folgende Erkenntnisse:

Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland Ungarn vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags zurückgeschoben oder inhaftiert. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar).

Die Evaluation des UNHCR „Zur Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer vom 09.05. 2014“ (Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf) hat ergeben, dass in Ungarn nach der geänderten Rechtslage zum 01.07. 2013 die geltenden neuen Haftgründe in der Regel nicht individualisiert würden. Nach ihren Erkenntnissen würden Dublin-Rückkehrer in der Regel wegen der Gefahr des Untertauchens inhaftiert. Auch Familien blieben danach der Gefahr ausgesetzt, bis zu 30 Tage inhaftiert zu werden, auch wenn das Gesetz (Section 56 (3) of the Act II of 2007 on Third Country Nationals’ Entry and Stay) dies nur als das letzte Mittel vorsehe.

Doch wird nach der „Informationsschrift über Asylsuchende in Gewahrsam (und) die dem Dublin-Verfahren unterliegen“ des Hungarian Helsinki Committees (HHC) vom Mai 2014 seit dem 01.01. 2014 aufgrund von Änderungen im Asylgesetz (Ergänzung zum Asylgesetz by Act CXCVIII of 2013) Dublin-Rückkehrern jetzt in der Regel Zugang zum Asylverfahren und eine volle Untersuchung ihres Asylantrags gewährt. Die dort genannte problematische Ausnahme (Antrag wurde bereits abschlägig verbeschieden) ist hier nicht einschlägig, da die Norm, nach der Ungarn die Rücknahme des Antragstellers zusagte (Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-III-VO), auf einen noch nicht verbeschiedenen Asylantrag Bezug nimmt. In dieser Informationsschrift ist auch dargelegt, dass - obwohl das Gesetz die Inhaftierung asylsuchender Familien mit Kindern unter 18 Jahren grundsätzlich zulasse - diese höchst selten in Gewahrsam genommen würden. Die hiervon abweichende Feststellung des VG Oldenburg, Beschluss vom 18.06. 2014, Az. 12 B 1238/14 - in juris Rn. 34 - findet keine Bestätigung in der Information Note des HHC.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Dublin-Rückkehrern der Zugang zum Asylverfahren verwehrt und entgegen des Refoulement-Verbots direkt oder indirekt in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, ohne dass die Gefahr, die dadurch für den betroffenen Asylbewerber entsteht, unter dem Gesichtspunkt von Art. EMRK geprüft worden ist.

Nach der im Januar 2014 erfolgten Änderung des ungarischen Asylgesetzes erhalten Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren in Ungarn noch nicht abgeschlossen ist, regelmäßig Zugang zum Asylverfahren. Eine Prüfung ihrer Asylgründe ist den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen gewährleistet (vgl. HHC a. a. O. S. 20; UNHCR, Auskunft an das Verwal- tungsgericht Düsseldorf vom 09.05. 2014 S. 7 m. w. N.; siehe hierzu auch EGMR, Urteil vom 03.07. 2014 - 71932/12 -, Rn. 72). In diesem Zusammenhang ist auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Freiburg vom 12.03. 2015 hinzuweisen. Danach wird in den Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt wurde (discontinuation), das neue Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, d. h. der Antragsteller kann insbesondere seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen und erhält ein Aufenthaltsrecht in Ungarn während der Dauer des Asylverfahrens.

Soweit und solange sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH a. a. O.) davon auszugehen, dass auch für Ungarn die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 und Januar 2014 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich noch einmal auf die Entscheidungen des VG Düsseldorf vom 20.03. 2015 und 01.04. 2015 (13 K 501/14.A und 13 L 1031/15.A, beide ) verwiesen, das nach gewissenhafter Auswertung der eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR, des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet; die dortigen Sachausführungen werden zur Vermeidung von Wiederholungen zum Gegenstand der Begründung dieser Entscheidung gemacht (§ 77 Abs. 2 AsylVfG entsprechend).

Die derzeit zugänglichen Erkenntnisquellen lassen deshalb aus den oben genannten Gründen systemische Mängel in Ungarn insbesondere im Hinblick auf die im Juli 2013 und Januar 2014 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen nicht glaubhaft erscheinen (siehe insbesondere auch VG Gelsenkirchen B. v. 16.06. 2015 Az. 7 AL 1208/15.A Rn. 30 unter Würdigung des jüngsten Berichtes von „aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary“ mit Stand 17.02. 2015). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs würde vielmehr in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den ungarischen Behörden im Hinblick auf die genannten Gesetzesänderungen quasi vorab ein uniongrundrechtswidriges bzw. konventionsrechtswidriges Verhalten unterstellen würde, ohne diesbezüglich tatsächliche Anhaltspunkte anführen zu können.

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel wegen drohender Obdachlosigkeit greifbar.

Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Situation materieller Armut gegen die EMRK verstößt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hervorgehoben, dass die drohende Überstellung in einen Mitgliedstaat, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem überstellenden Mitgliedstaat, nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; sie enthalten keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (EGMR, Beschluss vom 18.06. 2013, Az. 53852/11 - in juris - (= ZAR 2013, 338-339); vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 07.03. 2014, Az. 1 A 21/12.A - in juris Rn. 118).

Trotzdem muss den Asylsuchenden auch unter Berücksichtigung aller Ausnahmetatbestände immer das absolut garantierte Minimum (hier: Deckung der „Grundbedürfnisse“) gewährleistet bleiben (vgl. Art. 18 Abs. 9 Satz 2 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.07. 2013 zur Festlegung von Normen für Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie -).

Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK kann danach vorliegen, wenn der Asylbewerber vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so extremer materieller Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Dies ist vom EGMR hinsichtlich Griechenlands anerkannt worden, da Griechenland als aufgrund der Untätigkeit seiner Behörden verantwortlich war für die Lebensbedingungen des klagenden Asylbewerbers, in denen er sich monatelang befunden hat, als er auf der Straße lebte, ohne Hilfsmittel und ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen sowie ohne die zur Befriedigung seiner elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel, verbunden mit der langen Ungewissheit, in der er verblieb ohne jede Aussicht auf Verbesserung seiner Lage. Sind diese Tatsachen allgemein bekannt, so kann die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen solchen Staat den erforderlichen Schweregrad erreichen, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen.

Nach diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass Ungarn seiner Verpflichtung, Antragstellern für die Zeit bis zur Entscheidung über ihre Asylanträge ein Minimum an materiellen Leistungen für ein menschenwürdiges Dasein zu gewähren, nicht nachkommt.

Während eines laufenden Asylverfahrens haben Betroffene, die - wie der Antragsteller - erstmalig einen Asylantrag stellen, Anspruch eine Unterkunft (in erster Linie in Gemeinschaftsunterkünften), auf finanzielle Hilfe für Essen bzw. in den Gemeinschaftsunterkünften auf drei Mahlzeiten am Tag sowie auf Taschengeld. Einschränkungen sind nur im Falle eines Asylfolgeantrags und während des Abschiebeverfahrens vorgesehen (vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report Hungary, Stand: 30.04. 2014, S. 37 f.; zum nunmehr gesetzlich festgeschriebenen Nährstoffgehalt einer Mahlzeit siehe UNHCR, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 09.05. 2014 a. a. O. S. 8 und Fn. 31). Ausweislich des aida Länderberichts ist bisher kein Fall bekannt, in dem einem Asylantragsteller, etwa wegen Überbesetzung der Auffanglager, kein Obdach gewährt worden ist (vgl. aida, a. a. O. S. 40).

3. Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet die Beklagte die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen - wie oben ausgeführt - vor. Inlandsbezogene Vollzugshindernisse wurden nicht geltend gemacht und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.

Klarstellend sei hinzugefügt, dass aufgrund der Erfolglosigkeit der Klage und der bestätigten Zuständigkeit von Ungarn keine Wiederaufnahmepflicht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO besteht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 ZPO.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens,für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die 1981 geborene Antragstellerin, nach eigenen Angaben somalische Staatsangehörige, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung ihrer Abschiebung in die Niederlande.

Die Antragstellerin, die sich nicht durch Personendokumente auswies, meldete sich erstmals am 21. April 2008 bei der Bundespolizei in ... Im Rahmen der durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung ergab sich, dass sie bereits in den Niederlanden einen Asylantrag und zwei Folgeanträgen gestellt hatte. Mit Ordnungsverfügung der Stadt ... vom 2. Juni 2008 (Bl. 40 bis 46 der Bundesamtsakte) war angeordnet worden, dass die Antragstellerin durch Anwendung unmittelbaren Zwanges aus der Haft heraus vorrangig in die Niederlande zurückzuschieben sei.

Am 12. Juni 2014 meldete sich die Antragstellerin in ... als Asylsuchende und stellte am 2. Juli 2014 bei der Außenstelle ... des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei der Regierung von ... wurde die Antragstellerin am 30. Juni 2014 zur Identitätsklärung befragt. Sie gab dabei u. a. an, in Holland erstmals am 3. Januar 2007 einen Asylantrag gestellt zu haben, der noch im Januar 2007 abgelehnt worden sei. Ihre vorübergehende Aufenthaltsgestattung habe sie nicht verlängern lassen und habe sich seit Juli 2007 illegal in Holland aufgehalten. Im April 2008 sei sie in Deutschland aufgegriffen und nach Holland zurückgeschoben worden. In Holland habe sie noch mehrere erfolglose Asylanträge gestellt. Am 22. April 2014 sei sie ein zweites Mal nach Deutschland eingereist. Sie habe kein Asyl beantragt, sei verhaftet und nach Holland zurückgeschoben worden. Dort habe sie bei verschiedenen somalischen Familien gelebt. Am 11. Juni 2014 sei sie zum dritten Mal nach Deutschland eingereist.

In einem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 2. Juli 2014 gab die Antragstellerin an, sie habe Somalia am 8. November 2006 verlassen, sei über ... in die Niederlande geflogen und habe sich dort ca. acht Jahre aufgehalten. Sie habe in den Niederlanden am 9. November 2006 einen Asylantrag gestellt. Sie wolle nicht in die Niederlande überstellt werden, da die Lebensumstände dort sehr schlecht gewesen seien. Außerdem sei sie krank und wolle in Deutschland medizinisch versorgt werden.

Das Bundesamt teilte der Antragstellerin nach diesem Gespräch mit, dass es zunächst die Durchführung eines Dublin-Verfahrens prüfen werde.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke durch das Bundesamt ergab am 22. April 2014( Bl. 68 bis 76 der Bundesamtsakte) und am 7. August 2014 (Bl. 49 bis 58 der Bundesamtsakte) mehrere Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für die Niederlande.

Am 13. August 2014 hat das Bundesamt an die Niederlande ein Wiederaufnahmegesuch gerichtet, das von den dortigen Behörden mit Schreiben vom 20. August 2014 akzeptiert wurde.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung in die Niederlande an (Ziffer 2).

Der Bescheid wurde der Antragstellerin laut Postzustellungsurkunde am 8. Oktober 2014 zugestellt.

Die Antragstellerin ließ per Telefax-Schreiben am 16. Oktober 2014 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamts vom 1. Oktober 2014 aufzuheben.

Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 14.50262 geführt.

Gleichzeitig wurde ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend gestellt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung von Klage und Eilantrag führte die Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus, die Antragstellerin sei eine junge alleinstehende Somali, die seit ca. 2006 in Europa lebe und seit ca. 2007 in Holland obdachlos gewesen sei. Ihr Asylantrag sei in Holland abgelehnt worden. Die Antragstellerin sei in Somalia verheiratet gewesen. Ihr Ehemann sei von Al-Shabaab entführt und wohl getötet worden, da er nicht mehr zurückgekehrt sei. Da die Antragstellerin befürchtet habe, ebenfalls von Al-Shabaab getötet zu werden, sei sie ausgereist. Mittlerweile lebe die Antragstellerin seit ca. acht Jahren in Europa. In Europa habe sie viele Verhaltensweisen angenommen, die hier selbstverständlich, in Somalia jedoch indiskutabel seien. In Somalia würde sie als verwestlicht auffallen. Sie würde verheiratet werden, was ihre Familie entscheiden würde (Zwangsehe). Insofern würde ihr in Somalia eine frauenspezifische Verfolgung drohen. Deswegen hätte ihr in Holland Asyl bzw. ein humanitärer Status gewährt werden müssen. Die Antragstellerin habe berichtet, dass die Verhältnisse in Holland für abgelehnte Asylbewerber unzumutbar seien. Sie habe auf der Straße gelebt und sich immer wieder bei Freunden und Bekannten aufgehalten, um sich zu waschen oder Unterstützung zu erhalten. Bei den anderen Somalis habe sie aber nicht wohnen können. Aufgrund der langen Zeit auf der Straße sei sie psychisch angeschlagen und leide an Depressionen. Atteste würden nachgereicht.

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 die Behördenakte vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die übermittelte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Au 7 K 14.50262) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 1. Oktober 2014 anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Der am 16. Oktober 2014 unter Beachtung der einwöchigen Antragsfrist aus § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, welcher nach der Neufassung von § 34a AsylVfG auch statthaft ist, erweist sich in der Sache als unbegründet.

Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Oktober 2014 hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 75 AsylVfG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 146) sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, so hat das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen.

Da vorliegend die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage als gering einzustufen sind, führt die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses. Der Bescheid vom 1. Oktober 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragstellerin in die Niederlande angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.

Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft kraft Verfassungsrechts (Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz/GG) als sichere Drittstaaten gelten, während sonstige sichere Drittstaaten durch Gesetz bestimmt werden. Wer sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat, bedarf grundsätzlich nicht des Schutzes eines anderen Staates. Bei den Niederlanden handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat (§ 26a Abs. 2 AsylVfG).

Die Zuständigkeit der Niederlande zur Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1d, Art. 23 Abs. 2 Satz 1, Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO. Die niederländischen Behörden haben das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 13. August 2014 am 20. August 2014 akzeptiert.

Eine sogenannte verfassungskonforme Reduktion des § 34a AsylVfG ist jedoch für den Fall vorzunehmen, dass sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass ein Asylbewerber von einem Sonderfall betroffen ist, der von dem im Grundsatz verfassungskonformen Konzept der „normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“, das den Bestimmungen der Art. 16a Abs. 2 GG und §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG zugrunde liegt, abweicht (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49)). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes kann danach ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausnahmsweise begründet sein, wenn in dem zuständigen Drittstaat, in welchen der Asylbewerber zurückgeführt werden soll, die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt werden bzw., wenn es ernst zu nehmende, durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in diesem Mitgliedsstaat in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz vor Verfolgung gewährt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit beispielhaft Sonderfälle gebildet, wie etwa den Fall einer im Drittstaat drohenden Todesstrafe und andere Ausnahmesituationen; ein solcher Sonderfall läge auch dann vor, wenn die Gefahr bestünde, dass der Drittstaat sich des Flüchtlings ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen könnte.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss grundsätzlich die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Richtlinie sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411 und C-493/10 -NVwZ 2012, 417). Das bedeutet, dass erst dann, wenn sich der betreffende Mitgliedsstaat von der nach dem erwähnten Konzept als generell eingehalten zu vermutenden Verpflichtung gelöst hat, also die allgemein europaweit vereinbarten Mindeststandards aufgrund von innerstaatlichen systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen nicht mehr gewährleistet bzw. gewährleisten kann, für den Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat, in den er zurückgeführt werden soll, kein hinreichender Schutz (mehr) besteht.

Eine solche verfassungskonforme Reduktion von § 34a AsylVfG ist vorliegend nicht angezeigt. Systemische Mängel sind zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse in den Niederlanden nicht erkennbar.

Sie ergeben sich nicht aus der Schilderung der Antragstellerin, dass sie nach der Ablehnung ihres Asylantrags bzw. der Ablehnung ihrer weiteren Asylfolgeanträge in den Niederlanden keinen Anspruch auf staatliche Leistungen mehr hatte. Hierbei handelt es sich nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn es geht hierbei nicht um Leistungen und Aufnahmebedingungen während der Durchführung des Asylverfahrens. Anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das Asylverfahren der Antragstellerin in den Niederlanden bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem von ihr nicht erwünschten Ergebnis.

Auch wenn sich die Situation in den Niederlanden damit für die Antragstellerin deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichtet, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werden. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (EGMR, B.v. 2.4.2013 - 27725/10 - Mohammed Hussein u. a. gegen Niederlande und Italien, ZAR 2013, 336-338, juris Rn. 70 f.).

Gegen systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen der Niederlande aufgrund der Einstellung staatlicher Leistungen bei Ablehnung des Asylantrags spricht auch die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die "Versorgung einzustellen", wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 26.2014 - 13 L 171/14.A - juris Rn. 38).

Soweit die Antragstellerin materielle Asylgründe vorträgt, die einer Abschiebung in ihr Herkunftsland Somalia entgegenstehen sollen, können sie in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden. Denn streitgegenständlich ist ausschließlich die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Deutschland aufgrund der Bestimmung des zuständigen Staates zur Durchführung des Asylverfahrens - hier: Niederlande - mit der verfügten Abschiebungsanordnung dorthin.

Nach allem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Gründe

1

Der Eilantrag hat keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen für eine Abänderung des Beschlusses 1 B 408/14 MD vom 25.04.2014 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO liegen nicht vor.

2

Der Antragsteller hat keine veränderten Umstände oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen, die eine Abänderung der ursprünglichen Entscheidung zu seinen Gunsten zu rechtfertigen vermögen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).

3

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist nicht ersichtlich, dass ihm durch seine Abschiebung in die Niederlande irreversible Nachteile drohen. Systemische Mängel des Asylverfahrens in den Niederlanden sind nicht ersichtlich. Der Verlust des Anspruchs von staatlichen Leistungen für einen abgelehnten und deshalb ausreisepflichtigen Asylbewerber ist keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK (VG Düsseldorf, B. v. 26.02.2014 - 13 L 171/14.A -, juris, Rdnr. 38 ff.). Die Abschiebung des Antragstellers in Niederlande verletzt auch nicht seine gemäß Art. 1 Abs. 1 GG zu schützende Menschenwürde. Das Gericht folgt insoweit der gegenteiligen, vom Verwaltungsgericht Darmstadt vertretenen Rechsauffassung, wonach das durch eine Abschiebung in die Niederlande zumindest als möglich erscheint (VG Darmstadt, B. v. 07.05.2014 - 4 L 597/14.DA.A -, juris, Rdnr. 6 ff.; B. v. 08.05.2014 - 4 L 621/14.DA.A -, juris, Rdnr. 7 ff.; B. v. 09.05.2014 - 4 L 491/14.DA.A -, juris, Rdnr. 3 ff.), nicht. Auch für den Fall, dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass in den Niederlanden Angehörige einer bestimmten Gruppe abgelehnter Asylbewerber, die nicht bereits sind, in ihre Heimatländer zurückzukehren oder an ihrer Rückkehr dorthin mitzuwirken, die Obdachlosigkeit sowie fehlende Nahrungsmittelversorgung drohen können (vgl. VG Darmstadt, B. v. 09.05.2014 – a. a. O., Rdnr. 4), verletzt die Abschiebung eines Asylbewerbers in die Niederlande dessen Menschenwürde nicht. Denn der Asylbewerber kann bei einer solchen Verfahrenspraxis die ihm drohende Obdachlosigkeit sowie die fehlende Nahrungsmittelversorgung durch eine aktive Mitwirkung bei der Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente abwenden. Darüber hinaus ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsteller in den Niederlanden als politischer Flüchtling anerkannt wird.

4

Soweit der Antragsteller vorträgt, die Abschiebungsanordnung auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verletze Unionsrecht, beruft er sich dabei auf keinen veränderten Umstand i. S. v. § 80 Abs. 7 VwGO. Denn insoweit hat sich seit dem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 03.07.2013 weder die Sach- noch die Rechtslage in entscheidungserheblicher Weise geändert. Darüber hinaus ist es vorliegend nicht unverhältnismäßig, dass die Antragsgegnerin - dem vom nationalen Gesetzgeber vorgegebenen Regelfall folgend - die Abschiebung des Antragstellers in die Niederlande angeordnet hat. Denn der Antragsteller hat weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft zu erkennen gegeben, sich freiwillig innerhalb kürzester Zeit nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides wieder in die Niederlande oder sein Heimland zu begeben (vgl. VG Göttingen, B. v. 03.01.2014 - 2 B 763/13 -, juris, Rdnr. 30; VG München, B. v. 09.05.2014 - M 21 K 14.30300 -, juris, Rdnr. 47). Die Erklärung des Antragstellers gegenüber dem Landkreis Bitterfeld vom 05.08.2014, er wolle freiwillig ausreisen, steht in keinem zeitlichen Zusammenhang zum Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.06.2013 mehr, mit dem sie die Abschiebung des Antragstellers angeordnet hat. Auch ist die Erklärung des Antragstellers vom 05.08.2014 nicht glaubhaft. Denn der Antragsteller hat sich dem ersten Überstellungsversuch am 04.07.2013 entzogen.

5

Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er beabsichtige, mit einer deutschen Staatsanghörigen eine Ehe zu schließen. Die Antragsgegnerin muss wegen der vom Antragsteller angeblich beabsichtigten Eheschließung in Deutschland keine Ermessensentscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts treffen. Denn eine Eheschließung ist unter dem Aspekt des Schutzes nach Art. 6 Abs. 1 GG, 8 und 12 EMRK, Art. 7 und 9 GrCH nur dann abschiebungsrechtlich relevant, wenn sie unmittelbar bevorsteht. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn ein zeitnaher Eheschließungstermin von dem zuständigen Standesbeamten bestimmt oder zumindest von diesem als unmittelbar bevorstehend bezeichnet ist. Fehlt es schon an einem solchen Eheschließungstermin, kann eine unmittelbare bevorstehende Eheschließung nur dann ausnahmsweise angenommen werden, wenn das Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehevoraussetzungen nachweislich erfolgreich abgeschlossen ist und die Eheschließung sich nur aus nicht in der Sphäre der Verlobten liegenden Gründen verzögert (VG Ansbach, U. v. 25.11.2010 - AN 11 K 10.30388 -, juris, Rdnr. 25 m. w. N:). Derartiges ist hier weder ersichtlich noch vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden. Vorliegend wurde aktenkundig ein Eheschließungstermin weder bestimmt noch steht er bevor. Eine Eheschließung im Inland kann nach Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB grundsätzlich nur unter Einhaltung der hier vorgeschriebenen Form erfolgen. Die Eheschließung in Deutschland muss daher den Formvorschriften des deutschen Ortsrechts genügen. In diesem Zusammenhang soll dem Standesbeamten nach § 1309 Abs. 1 BGB ein Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaats vorgelegt werden. Aber selbst bei Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses hat der Standesbeamte die Pflicht, den Ledigenstand des ausländischen Verlobten selbständig nachzuprüfen (VG Ansbach, U. v. 25.11.2010 – a. a. O. m. w. N.). Vorliegend ist ein Ehefähigkeitszeugnis aktenkundig weder erteilt noch alsbald mit Erfolg in Aussicht gestellt worden. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung, die Abschiebungsschutz hätte vermitteln können, kann daher nach derzeitiger Sachlage gerade nicht ausgegangen werden.

6

Von der Gewährung von (erneuter) Akteneinsicht in die von der Antragsgegnerin zum Hauptsacheverfahren 1 A 222/13 MD vorgelegten Akten hat das Gericht abgesehen. Denn der derzeitige Bevollmächtigte des Antragsstellers hat ausweislich Blatt 67 und Blatt 73 der Gerichtsakte zum Verfahren 1 A 222/13 MD sowohl die Gerichtakte und die zu diesem Verfahren vorgelegten Akten der Antragsgegnerin eingesehen und es ist nicht erkennbar, weshalb der Bevollmächtigte des Antragstellers die nochmalige Einsicht für erforderlich hält.

7

Das Gericht sieht auch keinen Anlass den Beschluss 1 B 221/13 MD vom 03.07.2013 gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu ändern.

8

Das Begehren, der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Landkreis Börde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers unzulässig sei, bleibt aus den genannten Gründen ebenfalls ohne Erfolg.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.