- 3.2.2. Anfechtung wegen inkongruenter Deckung, § 131 InsO


3.2.2.4. Problemfeld: Druckzahlung
Die Anfechtung nach § 131 InsO ist der zweite Fall der sogenannten Deckungsanfechtung. Er greift, wenn der Insolvenzgläubiger etwas erhält, was er nicht oder nicht derart oder nicht zu dieser Zeit hätte verlangen können.
3.2.2.1. Anwendbarkeit
§ 131 InsO hat als besonderer Insolvenzanfechtungsgrund Vorrang gegenüber den allgemeinen Insolvenzanfechtungsgründen. Innerhalb der besonderen Insolvenzanfechtungsgründe geht § 131 InsO dem Anfechtungsgrund des § 132 InsO vor. Eine Anfechtung nach § 131 InsO schließt die Anfechtung nach § 130 InsO aus. Werden inkongruente Rechtshandlungen außerhalb der Anfechtungsfrist vorgenommen, kommt die Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht.
3.2.2.2. Voraussetzungen
| |||
1) | dem Insolvenzgläubiger | ||
2) | gewährt oder ermöglicht Rechtshandlung Sicherung oder Befriedigung | ||
3) | inkongruente Rechtshandlung | ||
= Rechtshandlung, die der Insolvenzgläubiger | |||
* nicht - z.B. Erfüllung einer Naturalobligation; Erfüllung einer verjährten, nichtigen, noch nicht wirksam bestehenden Forderung; bei heilender Erfüllung eines formnichtigen Vertrages (z.B. §§ 311b Abs. 1S. 2, 766 BGB); Verpflichtungsgeschäfte, die ihrerseits nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden; Sicherung, wenn zu Beginn des jeweiligen Anfechtungszeitraums kein Anspruch auf sie bestand oder wenn sie vor der Krise nicht hinreichend bestimmt war | |||
oder * nicht in der Art - z.B. Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt; Austausch des vertraglich geschuldeten Sicherungsgegenstandes; darunter fällt wegen Verkehrsüblichkeit nicht die Scheckzahlung anstelle von Barzahlung | |||
oder * nicht zu der Zeit - z.B. erfüllte Forderung ist noch nicht fällig, betagt oder befristet - maßgeblich: Vollfälligkeit (nicht: Erfüllbarkeit gem. § 271 Abs. 2 BGB) | |||
zu beanspruchen hatte | |||
4) | Vornahme der Handlung * im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag des Insolvenzverfahrens oder * nach dem Insolvenzeröffnungsantrag | Vornahme der Handlung * im zweiten oder * dritten Monat vor dem Eröffnungsantrag des Insolvenzverfahrens | |
5) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung | ||
6) |
| (objektive) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i.S.v. § 17 InsO bei Vornahme der Handlung | * Gläubiger war (subjektiv) bekannt, dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte oder |
* Gläubiger kannte Umstände, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen mussten, § 131 Abs. 2 S. 1 InsO oder | |||
* gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138 InsO), wird vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte, § 131 Abs. 2 S. 2 InsO |
3.2.2.3. Problemfeld: Einzelzwangsvollstreckung innerhalb der Krise
BGH, 26.06.2008, IX ZR 87/07:
Während der "kritischen" Zeit [ist] im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (BGH, Urteil vom 09.09.1997, IX ZR 14/97 [...]). Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Diese schon im früheren Recht angelegte Ordnung ist durch § 131 InsO zeitlich deutlich nach vorn verlagert worden. Die Vorschrift verdrängt in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag und in der Zeit nach dem Eröffnungsantrag bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger [...]. Daher begründet ein nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag wirksam gewordenes Pfandrecht in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO). Sofern das Pfandrecht dagegen vorher entstanden und auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar ist, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht mehr angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligt.
3.2.2.4. Problemfeld: Druckzahlung
Von einer Druckzahlung spricht man, wenn der spätere Insolvenzschuldner "freiwillig" nach der Drohung mit Zwangsmitteln zahlt. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald die Mittel der Vollstreckung einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfüllt und wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muss, dass der Gläubiger ohne sie mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnen werde. Hierbei muss differenziert werden, ob die Zahlung innerhalb oder außerhalb der Krise erfolgt.
BGH, 15.05.2003, IX ZR 194/02:
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung [innerhalb der Krise] ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zurzeit seiner Leistung damit rechnen muss, dass ohne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt. Ob der Schuldner auf Grund eines unmittelbaren Vollstreckungsdrucks geleistet hat, beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners.
BGH, 27.05.2003, IX ZR 169/02:
Gewährt der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung eine Leistung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag, so stellt sie sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt. Vielmehr kann es sich auch um eine kongruente Deckung handeln. Unabhängig von der Einordnung als inkongruente oder kongruente Deckung ist die Anfechtung nicht ausgeschlossen. In Betracht kommt die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.
BGH, 18.12.2003, IX ZR 199/02:
Die Leistung zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, ist ebenfalls inkongruent - unabhängig davon, ob der Insolvenzschuldner innerhalb oder außerhalb der Krise leistet. Der für eine Inkongruenz erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Drohung mit dem Insolvenzantrag und der Leistung des Schuldners endet abhängig von den Umständen des Einzelfalls nicht mit dem Ablauf der vom Gläubiger mit der Androhung gesetzten Zahlungsfrist. Hält der Gläubiger an der Drohung mit dem Insolvenzantrag fest und verlangt fortlaufend Zahlung vom Schuldner, kann der Leistungsdruck über mehrere Monate bestehen.
3.2.2.5. Problemfeld: Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
Der BGH nimmt eine inkongruente Deckung an, wenn Beitragsüberweisungen unter dem Druck einer Kontenpfändung oder sonstiger Druckmittel erfolgt sind; Sozialversicherungsträger werden insofern bei der insolvenzrechtlichen Anfechtung nicht privilegiert.
BGH, 08.12.2005, IX ZR 182/01:
Die Sozialversicherungsbeiträge sind hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile kein zugunsten der Sozialversicherungsträger aussonderungsfähiges Treugut. Sie werden in vollem Umfang aus dem Vermögen des Arbeitgebers geleistet. Die Strafvorschrift des § 266a StGB schafft keine unmittelbare Berechtigung an den für den Arbeitnehmer zu entrichtenden Beiträgen [...], deren Abfluss mithin die Gläubiger benachteiligt [...]. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob umgekehrt die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten die Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen in der Krise rechtfertigt (verneinend BGHSt 47, 318, 321 [...]). Denn dem anfechtungsrechtlichen Prinzip der Gläubigergleichbehandlung liefe auch die bevorzugte Befriedigung anderer Gläubiger in der Krise zum Nachteil der Beitragseinzugstellen zuwider.
Für einen besonderen Schutz der Sozialversicherungsträger gegen Insolvenzanfechtungen gibt auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschl. v. 7. März 2001 - GS 1/00[...]) nichts her, dass Zahlungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung entfallen, wirtschaftlich als Leistungen aus dem Vermögen des Arbeitnehmers anzusehen seien. Zwar mag es sein, dass Beiträge nach § 28e Abs. 4 SGB IV direkt vom Arbeitgeber abzuführen sind, weil dies die Versicherungsträger schützt. Auch kann die Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV, wonach der Arbeitgeber alleiniger Schuldner der Krankenkasse ist, lediglich dem Schutz des Arbeitnehmers vor Inanspruchnahme dienen, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die Beiträge nicht abgeführt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass insolvenzrechtlich der Arbeitgeber die gesamten Sozialversicherungsbeiträge ebenso wie den Lohn selbst grundsätzlich aus seinem eigenen Vermögen bezahlt. Dafür sorgt gerade der doppelte Sicherungsmechanismus des § 28e Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGB IV. [...]
[Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen stellt kein Bargeschäft nach § 142 InsO dar, das] eine objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnte [...]. Dass der Einsatz der Arbeitnehmer unter Abführung der Versicherungsbeiträge dem Schuldner die Möglichkeit gibt, seine unter Umständen auch für die Gläubigergesamtheit vorteilhaften Geschäfte fortzuführen, reicht dafür ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass die Beklagte den Arbeitnehmern der Schuldnerin Versicherungsschutz gewährt, der nicht mehr entzogen werden kann. Ein Bargeschäft liegt nur vor, wenn der Schuldner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält [...]. Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Ansicht im Zusammenhang mit der Abführung von Lohnsteuern innerhalb des Dreimonatszeitraums [...] bisher nicht angeschlossen [...] (vgl. BFH, Beschluss vom 11.08.2005, VII B 244/04). [...]
Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin weder eine Vereinbarung mit der Beklagten getroffen noch eine Gegenleistung von ihr erhalten. Die sozialversicherungsrechtliche Pflicht der Schuldnerin, die Beiträge an die Einzugsstelle zu entrichten (§ 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV), ersetzt die notwendige Vereinbarung nicht. Außerdem ist keine dem Zugriff der übrigen Gläubiger offen stehende Gegenleistung der Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Stellt man auf den gewährten Versicherungsschutz für die Arbeitnehmer ab, fehlt es an einer Bereicherung der Masse. Sieht man die Gegenleistung in der Arbeitsleistung der bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer, so rührt diese nicht von der Beklagten her [...].
Um die Sozialversicherungsträger nach gelungener Vollstreckung möglichst vor der Insolvenzanfechtung zu schützen, ist mit Wirkung zum 01.01.2008 der § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV eingeführt worden. Dieser legt fest, dass Sozialversicherungsbeiträge, die vom Beschäftigten zu tragen sind (aber vom Arbeitgeber abgeführt werden müssen), "als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht" gelten.
BGH, Beschluss vom 27.03.2008, IX ZR 210/07:
Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 19.12.2007 findet keine Anwendung auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2008 eröffnet worden ist.
Trotz der Regelung des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.
BGH, Urteil vom 05.11.2009, IX ZR 233/08:
Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden.
Diese Entscheidung ist z.T. stark kritisiert worden (vgl. z.B. Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht, 65. EL, Bd. I, § 28e SGB IV, Rn. 17d): Der BGH habe damit erkennbar die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Kompetenzen und somit die Grenzen der Gerichtsbarkeit überschritten, indem er an die Stelle einer gesetzlichen Vorschrift inhaltlich eine andere Regelung gesetzt habe (BVerfGE 78, 20 (24)); eine restriktive Auslegung sei unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung unzulässig, wenn ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers vorliege (BVerfGE 9, (89, 102, 104f.)); zugleich missachte der BGH das Demokratieprinzip und verstoße gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Vorrang des Gesetzes (BVerfGE 8, 155 (169)).
Das LG Köln ist dieser Entscheidung des BGH mit Urteil vom 09.12.2009 -13 S 230/09 - mit treffender Begründung - insbesondere im Hinblick auf dessen verfassungswidriges Handeln - entgegengetreten. Ungeachtet dessen hat der BGH mit Urteil vom 30.09.2010 - IX ZR 237/09 - das Urteil des LG Köln aufgehoben.

moreResultsText

Annotations
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Anfechtbar ist ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt,
- 1.
wenn es in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der andere Teil zur Zeit des Rechtsgeschäfts die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Einem Rechtsgeschäft, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, steht eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird.
(3) § 130 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.
(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen:
- 1.
der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; - 1a.
der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; - 2.
Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen; - 3.
Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können; - 4.
eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, wenn der Schuldner oder eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten.
(2) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen:
- 1.
die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind; - 2.
eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten; - 3.
eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen in einer in Absatz 1 bezeichneten persönlichen Verbindung steht; dies gilt nicht, soweit die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt.
(2) Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Schuldnerin entrichtete am 2. November 2000 Steuern und Säumniszuschläge in Höhe von 103.519,31 DM, nachdem die Finanzkasse sie zur Zahlung aufgefordert und zugleich Vollstreckungsmaßnahmen nach Ablauf einer Woche angekündigt hatte. Im Zeitpunkt dieser Deckung war die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig. Auf Antrag vom 5. Januar 2001 wurde am 5. März 2001 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Insolvenzverwalter nimmt das beklagte Land im Wege der Anfechtung auf Rückgewähr der genannten Zahlung in Anspruch. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben (KKZ 2003, 36). Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat Feststellungen zur Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht getroffen, den Rückgewähranspruch auf § 131 Abs. 1 Nr. 2, § 143 InsO gestützt und die Revision zur weiteren Klärung der Rechtsfrage zugelassen, ab wann bei einer im Vorfeld von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleisteten Steuerzahlung eine inkongruente Deckung erfolgt sei. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 11. April 2002 (IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194) bereits entschieden, daß eine inkongruente Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorliege, wenn ein Sozialversicherungsträger die festgesetzte Leistung mit Frist von einer Woche und Ankündigung der Vollstreckung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X anmahne. Ebenso handele der Schuldner unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung , wenn die Finanzkasse - wie hier - nach § 259 Satz 1 AO mit einer Zahlungsfrist von einer Woche und Ankündigung der Vollstreckung rückständige Steuern einfordere, so daß bei dem Schuldner der Eindruck entstehe, es sei alsbald mit Vollstreckungsmaßnahmen zu rechnen. Ob bis zur ersten Vollstrekkungshandlung nach dem innerbehördlichen Geschäftsgang noch längere Zeit verstreichen müsse, weil die Akten dazu erst von der Finanzkasse an die Vollstreckungsstelle des Finanzamts abzugeben seien, könne in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.
Demgegenüber bezweifelt die Revision unter Berufung auf App (KKZ 2003, 38 f), daß sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inkongruenz von Zahlungen, die in der Krise zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung erbracht worden sind (grundlegend BGHZ 136, 309, 312 ff), aus dem Gesetz ableiten lasse. Diese Rechtsprechung weiche auch von der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ab, daß die Erfüllung einer Geldschuld nicht schon deshalb nach § 30 Nr. 2 KO inkongruent sei, weil der Gemeinschuldner möglicherweise unter dem Druck einer vom Gläubiger angedrohten Zwangsvollstreckung gehandelt habe (vgl. BAG ZIP 1998, 33, 35). Schließlich habe die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin im Streitfall nicht unmittelbar bevorgestanden. Die Vollstreckungsankündigung werde von der Finanzkasse mit der zweiten Mahnung automatisch von der elektronischen Datenverarbeitung erstellt und versandt. Die Vollstreckungsstelle des Finanzamts sei zu diesem Zeitpunkt mit dem Vorgang noch nicht befaßt. Anders als im Fall der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei daher hier auch noch kein Vollziehungsbeamter beauftragt und in der Lage gewesen, unmittelbar Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
1. Seit der Entscheidung vom 9. September 1997 (BGHZ 136, 309, 311 ff) hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts auch dann vorliegt, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (vgl. BGH, Urt. v. 20. Novem-
ber 2001 - IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228, 229; v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194; v. 26. September 2002 - IX ZR 66/99, WM 2003, 59, 60). Die von der Revision aufgegriffene Kritik (s. oben) gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seines Standpunkts. Denn die anfechtungsrechtliche Mißbilligung von Deckungen, die Titelgläubiger in der "kritischen" Zeit mit Mitteln der Zwangsvollstreckung erlangt haben, ist keine freie Schöpfung der richterlichen Rechtsfortbildung, sondern sie hat schon in der Entstehungsgeschichte und dem Gesetz gewordenen Wortlaut von § 30 Nr. 2 KO Ausdruck gefunden (vgl. dazu im einzelnen BGHZ 136, 309, 312). Von dieser Interessenwertung ist der Gesetzgeber auch mit der im Streitfall anwendbaren Vorschrift des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht abgerückt.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Senat durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 1997 (ZIP 1998, 33, 35) vorliegend nicht gehindert, die dem Beklagten gewährte Deckung als inkongruent zu behandeln. Den Ausführungen des Senatsurteils vom 11. April 2002 (aaO) ist insoweit nichts hinzuzufügen.
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, wie das Berufungsgericht nach den Umständen des Falles die während der Krise zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte inkongruente Zahlung der Schuldnerin von einer kongruenten freiwilligen Leistung auf eine fällige Forderung in dieser Zeit abgegrenzt hat. Der Senat hat in seiner vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung vom 11. April 2002 (aaO S. 1194 unter 2 c) ebenfalls bereits verdeutlicht , daß die Feststellung der Inkongruenz nach § 131 Abs. 1 InsO nicht davon abhängt, ob die Zwangsvollstreckung zur Zeit der Leistung im formalrechtlichen Sinne bereits begonnen hatte.
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muß, daß ohne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt. Ob der Schuldner aufgrund eines unmittelbaren Vollstreckungsdrucks geleistet hat, beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners. Hier konnten sowohl der Schuldner als auch der Beklagte den objektiven Erklärungswert der Vollstreckungsankündigung nicht anders verstehen, als daß damit eine kurzfristige letzte Gelegenheit zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung eingeräumt werde. Zweck dieser Vollstrekkungsankündigung war es auch aus der Sicht des Beklagten gerade, die Schuldnerin durch die Zwangsandrohung zur Zahlung zu veranlassen. Das Berufungsgericht hat deshalb im vorstehenden Zusammenhang mit Recht den der Schuldnerin verborgenen inneren Abläufen der Finanzverwaltung, wie der zunächst noch notwendigen Ausfertigung der Rückstandsanzeige (§ 276 Abs. 5 AO) und der Aktenabgabe an die Vollstreckungsstelle, die eine zügige Vollstreckung möglicherweise hätten hemmen können, keine Bedeutung beigemessen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Vollstreckungsankündigung der Finanzkasse vom 26. Oktober 2000, wie die Revisionserwiderung meint, bereits als Maßnahme gemäß Abschnitt 22 Abs. 5 Satz 2 der Vollstreckungsanweisung
vom 13. März 1980 (BStBl. I S. 112) zu werten war. Die Schuldnerin mußte hier bereits aufgrund der Vollstreckungsankündigung der Finanzkasse von einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung des Beklagten ausgehen.
Kreft Ganter Raebel
Kayser Bergmann
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
- 1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder - 2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.
(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält, - 2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält, - 3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet, - 4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder - 5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.
(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Ist ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitgeber, gilt der jeweils für diesen Leistungsträger oder, wenn eine Krankenkasse der Arbeitgeber ist, auch der für die Pflegekasse bestimmte Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als gezahlt; dies gilt für die Beiträge zur Rentenversicherung auch im Verhältnis der Träger der Rentenversicherung untereinander.
(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach Satz 3 gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 des Sechsten Buches ergibt, haftet der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers von Seeleuten nach § 13 Absatz 1 Satz 2 haften Arbeitgeber und Reeder als Gesamtschuldner.
(3a) Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Satz 1 gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3b) Die Haftung nach Absatz 3a entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz. AT 19.02.2019 B2) erfüllt.
(3c) Ein Unternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Unternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugstelle Firma und Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Kann der Auskunftsanspruch nach Satz 1 nicht durchgesetzt werden, hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Firma und Anschrift aller Unternehmer, die von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurden, zu benennen.
(3d) Absatz 3a gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275 000 Euro, wobei für Schätzungen die Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung gilt.
(3e) Die Haftung des Unternehmers nach Absatz 3a erstreckt sich in Abweichung von der dort getroffenen Regelung auf das von dem Nachunternehmer beauftragte nächste Unternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Absatz 3a ist. Maßgeblich für die Würdigung ist die Verkehrsanschauung im Baubereich. Ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, das als Umgehungstatbestand anzusehen ist, ist in der Regel anzunehmen,
- a)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt oder - b)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder technisches noch planerisches oder kaufmännisches Fachpersonal in nennenswertem Umfang beschäftigt oder - c)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer in einem gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptunternehmer steht.
(3f) Der Unternehmer kann den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von lückenlosen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten.
(3g) Für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, gelten die Absätze 3a, 3b Satz 1, 3e und 3f entsprechend. Absatz 3b Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Präqualifikation die Voraussetzung erfüllt, dass der Nachunternehmer in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 (ABl. L 337 vom 19.12.2017, S. 19) geändert worden ist, entsprechen. Für einen Unternehmer, der im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördert, gilt Absatz 3c entsprechend. Beförderung von Paketen im Sinne dieses Buches ist
- a)
die Beförderung adressierter Pakete mit einem Einzelgewicht von bis zu 32 Kilogramm, soweit diese mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen erfolgt, - b)
die stationäre Bearbeitung von adressierten Paketen bis zu 32 Kilogramm mit Ausnahme der Bearbeitung im Filialbereich.
(3h) Die Bundesregierung berichtet unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen, insbesondere über die Haftungsfreistellung nach Absatz 3b und Absatz 3f Satz 1.
(4) Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).
(5) Die Satzung der Einzugsstelle kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen vom Arbeitgeber Vorschüsse auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verlangt werden können.
(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.
(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Ist ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitgeber, gilt der jeweils für diesen Leistungsträger oder, wenn eine Krankenkasse der Arbeitgeber ist, auch der für die Pflegekasse bestimmte Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als gezahlt; dies gilt für die Beiträge zur Rentenversicherung auch im Verhältnis der Träger der Rentenversicherung untereinander.
(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach Satz 3 gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 des Sechsten Buches ergibt, haftet der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers von Seeleuten nach § 13 Absatz 1 Satz 2 haften Arbeitgeber und Reeder als Gesamtschuldner.
(3a) Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Satz 1 gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3b) Die Haftung nach Absatz 3a entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz. AT 19.02.2019 B2) erfüllt.
(3c) Ein Unternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Unternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugstelle Firma und Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Kann der Auskunftsanspruch nach Satz 1 nicht durchgesetzt werden, hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Firma und Anschrift aller Unternehmer, die von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurden, zu benennen.
(3d) Absatz 3a gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275 000 Euro, wobei für Schätzungen die Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung gilt.
(3e) Die Haftung des Unternehmers nach Absatz 3a erstreckt sich in Abweichung von der dort getroffenen Regelung auf das von dem Nachunternehmer beauftragte nächste Unternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Absatz 3a ist. Maßgeblich für die Würdigung ist die Verkehrsanschauung im Baubereich. Ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, das als Umgehungstatbestand anzusehen ist, ist in der Regel anzunehmen,
- a)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt oder - b)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder technisches noch planerisches oder kaufmännisches Fachpersonal in nennenswertem Umfang beschäftigt oder - c)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer in einem gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptunternehmer steht.
(3f) Der Unternehmer kann den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von lückenlosen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten.
(3g) Für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, gelten die Absätze 3a, 3b Satz 1, 3e und 3f entsprechend. Absatz 3b Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Präqualifikation die Voraussetzung erfüllt, dass der Nachunternehmer in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 (ABl. L 337 vom 19.12.2017, S. 19) geändert worden ist, entsprechen. Für einen Unternehmer, der im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördert, gilt Absatz 3c entsprechend. Beförderung von Paketen im Sinne dieses Buches ist
- a)
die Beförderung adressierter Pakete mit einem Einzelgewicht von bis zu 32 Kilogramm, soweit diese mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen erfolgt, - b)
die stationäre Bearbeitung von adressierten Paketen bis zu 32 Kilogramm mit Ausnahme der Bearbeitung im Filialbereich.
(3h) Die Bundesregierung berichtet unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen, insbesondere über die Haftungsfreistellung nach Absatz 3b und Absatz 3f Satz 1.
(4) Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).
(5) Die Satzung der Einzugsstelle kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen vom Arbeitgeber Vorschüsse auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verlangt werden können.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Am 17. Januar 2008 erließ die beklagte gesetzliche Krankenkasse wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5.333,43 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die Schuldnerin, mit der sie auch deren Anspruch auf fortlaufende Auszahlung des jeweiligen Guthabens auf ihrem Bankkonto pfändete. Die Schuldnerin beantragte am 28. Januar 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Bank der Schuldnerin überwies am 7. Februar 2008 von dem gepfändeten Konto, auf welchem sich damals ein Guthaben von 12.379,63 € befand, den rückständigen Betrag in voller Höhe. Am 22. Februar 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger in demselben zum Verwalter ernannt.
- 2
- Der Kläger hat die Rechtshandlung der Beklagten unter Berufung auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten. Die Beklagte ist der Anfechtung des auf die Schuldnerin als Arbeitgeberin entfallenden Anteils an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nicht entgegengetreten und hat deshalb schon vorprozessual die Hälfte des erlangten Betrages an den Kläger zurücküberwiesen. Mit seiner Klage verlangt der Insolvenzverwalter noch Rückzahlung der zweiten Beitragshälfte von 2.666,71 €, die paritätisch von den vormaligen Arbeitnehmern der Schuldnerin zu tragen war. Die Parteien streiten ausschließlich darum , ob der Anfechtbarkeit insoweit § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt durch Art. 1 Nr. 17 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024), entgegensteht.
- 3
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht, dessen Urteil in NZI 2009, 185 veröffentlicht worden ist, hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass auch der Arbeitnehmeranteil an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aus dem Vermögen der Schuldnerin entnommen worden sei und daher die Insolvenzmasse schmälere. Da die Pfändung und Einziehung des gegen die Bank gerichteten Auszahlungsanspruchs im kritischen Zeitraum gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgt seien, sei der auf diese Weise erlangte Betrag zurückzugewähren. Der Zuordnung des hälftigen Arbeitnehmeranteils an dem Gesamtbetrag zum Vermögen der Schuldnerin stehe die Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht entgegen. Diese sei im Streitfall schon nicht einschlägig, weil die Beklagte ihre Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt habe. Eine Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung unterfalle nicht mehr dem in § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV verwendeten Begriff der Zahlung, welcher eine freiwillige Leistung voraussetze. Überdies erforderten Sinn und Zweck der Neuregelung auch generell keinen Ausschluss der Anfechtung. Das erklärte Ziel der Bundesregierung , die den Gesetzentwurf eingebracht habe, sei gewesen, den "Besitzstand des Arbeitnehmers" in der Insolvenz des Arbeitgebers zu sichern. Dieser Zweck werde nicht gefährdet, wenn die Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger den Arbeitnehmeranteil der Insolvenzmasse zurückgewähren müssten. Den Schutz der Versicherungsansprüche erreiche schon die gesetzliche Fiktion im Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und Arbeitnehmer. Es bedürfe dazu keiner Besserstellung der Sozialversicherungsträger in der Insolvenz des Arbeitgebers.
II.
- 6
- Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Unzutreffend ist allerdings die Annahme der Vorinstanzen, Vermögensverschiebungen, welche die gesetzlichen Einzugsstellen der Sozialversicherung im Voll- streckungswege erzwungen hatten, seien keine Zahlungen im Sinne des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV.
- 7
- 1. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Pfändung und Einziehung des Bankguthabens der Schuldnerin nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten werden konnte. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung erließ die Beklagte elf Tage vor Einreichung des Insolvenzantrags, stellte sie der Bank als Drittschuldnerin zu und erhielt das Guthaben zehn Tage nach Antragsstellung ausgezahlt. Die während der kritischen Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung ist inkongruent (BGHZ 157, 350, 353; 167, 11, 14 f Rn. 9). Weitere Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung verlangt § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht.
- 8
- 2. Die Revision verfolgt den Rechtsstandpunkt der Beklagten weiter, der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen sei seit dem 1. Januar 2008 gemäß § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV der Insolvenzanfechtung entzogen, soweit es sich um Arbeitnehmeranteile handelt. Diese Frage hat der Senat in seinem Beschluss vom 27. März 2008 (IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747, 749 Rn. 12) zum zeitlichen Geltungsbereich der neu geschaffenen Fiktion noch offenlassen können. Sie ist nunmehr entscheidungserheblich. Der hierauf zielende Revisionsangriff dringt jedoch nicht durch.
- 9
- a) Nach der Rechtslage vor dem 1. Januar 2008 ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zusammenfassend BGH, Urt. v. 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff m.w.N.) die Insolvenzanfechtung von Zahlungen der Arbeitgeber an die Einzugsstellen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Rückgewähr (§ 143 InsO) im Zweipersonenverhältnis aufgefasst worden. Unerheblich war, ob dem in der Leistungskette ein Lohnabzug gemäß § 28g SGB IV vorausging. Selbst wenn man darin eine vorweggenommene Erstattung aus dem Bruttolohnanspruch und damit eine Leistung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber sehen wollte, käme es hierauf anfechtungsrechtlich gegenüber den Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger nicht an. Denn in der hiernach denkbaren Leistungskette vollzieht sich die Anfechtung für jede Leistungshandlung der Kette getrennt (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - IX ZR 16/08, WM 2009, 809, 810 Rn. 11).
- 10
- b) Demgegenüber hat die Bundesregierung in ihren Gesetzesvorlagen für die Einfügung von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV (dem insoweit nicht Gesetz gewordenen Artikel 5 des Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung vom 9. März 2006 - BT-Drucks. 16/886 - und dem unverändert verabschiedeten Art. 1 Nr. 17 ihres Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 28. September 2007 - BT-Drucks. 16/6540) betont, dass der Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch den Arbeitgeber umfasse, soweit er nach § 28g SGB IV vom Lohn des Beschäftigten einbehalten worden sei (ebenso BAGE 97, 150 ff). Die Erfüllung dieses Leistungsteils als Besitzstand des Arbeitnehmers müsse auch im Insolvenzfall gesichert werden.
- 11
- Von dieser Zielsetzung der Bundesregierung ausgehend kann die Wirkungsweise ihres vom Gesetzgeber angenommenen Lösungsvorschlages für die Rechtsauslegung nicht sicher erschlossen werden. Denn danach hätte die Schlussfolgerung näher gelegen, die Abführung einbehaltener Arbeitnehmeranteile durch den beitragspflichtigen Arbeitgeber an die gesetzlichen Einzugsstellen der Sozialversicherung vollziehe sich im Dreipersonenverhältnis, ähnlich einem echten Vertrag zugunsten Dritter. Dem Leistungsanspruch des Dritten gemäß § 328 Abs. 1 BGB entspräche die Forderung der Einzugsstelle auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dem Forderungsrecht des Versprechensempfängers gemäß § 335 BGB entspräche der arbeitsvertragliche Abführungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Die anfechtungsrechtliche Folge dieser Sichtweise könnte sein, dass die Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstellen der Sozialversicherung regelmäßig als Doppeldeckung nur dann hätte angefochten werden können , wenn die Voraussetzungen dazu gegenüber beiden Gläubigern bestanden hätten. Vom Vorschlag einer solchen gesetzgeberischen Lösung hat die Bundesregierung aus nicht dargelegten Gründen - möglicherweise überwiegenden praktischen Bedenken, weil sie die vermehrte Anfechtung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer erwarten ließe - indes abgesehen.
- 12
- c) Der Wortlaut von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV lässt verschiedene Auslegungen des fingierten Tatbestandes zu. Insbesondere bringt der Wortlaut schon keine Klarheit darüber, ob die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als unmittelbar oder mittelbar aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gelten und welche Rechtshandlung hierfür maßgeblich sein soll. Insolvenzrechtlich können sich hieraus und aus weiteren Umständen erhebliche Unterschiede ergeben.
- 13
- aa) Soll die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als unmittelbar aus seinem Vermögen erbracht gelten, so würde es sich ohne weitere Veränderungen der Geschehensabläufe und Rechtslage um die teilweise Tilgung der Arbeitgeberschuld aus § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV durch Drittzahlung des Arbeitnehmers gemäß § 267 BGB handeln. Diese Zahlung kann nicht als zweiter Teil einer Leistungskette verstanden werden, weil eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers fehlt und der Arbeitgeber durch dieselbe Rechtshandlung, teils für Rechnung des Arbeitnehmers, auch dessen Bruttolohnanspruch erfüllt. Deshalb würde es sich um eine mittelbare Zuwendung des Arbeitgebers an die Einzugsstelle durch eine fiktiv unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbrachte Zahlung handeln (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2009, aaO). Jedenfalls durch die Erfüllung des Bruttolohnanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer erbringt der Arbeitgeber auch bei dieser fingierten Fallgestaltung ein eigenes Vermögensopfer , welches zur Benachteiligung seiner Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO führt. Dieses Vermögensopfer kann nach der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung nicht hinweggedacht werden; denn ihre Erwägungen beruhen gerade auf dem Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers und beurteilen den vom Gesetz bestimmten tatsächlichen Zahlungsfluss als abgekürzten Leistungsweg (Abschöpfung an der Quelle) vom Arbeitgeber über den Arbeitnehmer zur Einzugsstelle. Der Mittelabfluss für die Beitragsentrichtung beim Arbeitgeber ist real, so dass sich die von der Revision in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage hier nicht stellt, ob insgesamt nur fingierte Zahlungsvorgänge zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr führen können. Für die fiktive Begründung einer eigennützigen Treuhand des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers fehlen hinreichend deutliche Anhaltspunkte (anders aber v.d. Heydt ZInsO 2008, 178, 183 unter V.; Bräuer ZInsO 2008, 169, 175; Kreft, Festschrift für Samwer [2008] S. 261, 272). In der Insolvenz des Arbeitgebers kann die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages - zur Hälfte als mittelbare Zuwendung - gegenüber den Einzugsstellen im Ergebnis dann so angefochten werden wie bisher.
- 14
- Ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO ist bei der Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Da von den Sozialversicherungsträgern in das Vermö- gen der Arbeitgeber keine Leistung gelangt, kommt ein Bargeschäft nur für das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betracht. Der Anfechtungsgegner hat jedoch bei einer mittelbaren Zuwendung so zu stehen, als habe er den Leistungsgegenstand vom Insolvenzschuldner erworben (BGH, Urt. v. 5. Februar 2004 - IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917, 918 f). Selbst wenn man dies im Grundsatz anders sehen wollte (vgl. etwa Kreft, aaO S. 273), so wäre hier der Bargeschäftseinwand durch die Inkongruenz der Einzelzwangsvollstreckung innerhalb des Dreimonatszeitraums (BGHZ 136, 309, 311 ff; 157, 350, 353; 162, 143, 149) ausgeschlossen.
- 15
- Erweiterte man die Fiktion in der Weise, dass der Zahlungsweg der Arbeitnehmeranteile von der Quelle zur Einzugsstelle als Leistungskette vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer und von dort weiter infolge einer fiktiven Rechtshandlung des Arbeitnehmers an das Endziel verläuft, so wäre die Anteilsabführung in der Insolvenz des Arbeitgebers als Erfüllung des Bruttolohnanspruchs nur gegenüber dem Arbeitnehmer anzufechten. Damit würde aber der Besitzstand des Arbeitnehmers, der ihm durch die Abführung des Arbeitnehmeranteils verschafft worden ist, nicht gesichert, sondern im Gegenteil gefährdet werden. Der Arbeitnehmer könnte verpflichtet sein, den mit Erfüllung des Bruttolohnanspruchs fiktiv in sein Vermögen übernommenen Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages dem Insolvenzverwalter des Arbeitgebers nach § 143 InsO zurück zu gewähren. Entgegen dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingenommenen Standpunkt könnte eine entsprechend erweiterte Fiktion vor dem Tatbestand des § 143 Abs. 1 InsO nicht halt machen und würde somit den nur fiktiven ebenso wie einen echten Leistungsempfänger dem Rückgewährrisiko aussetzen. Dieses Risiko würde auch nicht ausgeglichen durch die Chance, dass dann im Falle der Arbeitnehmerinsolvenz dessen Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger (§ 313 Abs. 2 InsO) die fiktive Zahlung des Arbeitnehmers an die Einzugsstelle vielleicht ebenfalls anfechten könnten, so dass die Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger gezwungen sein könnten, nunmehr in der (Verbraucher-) Insolvenz von Arbeitnehmern die fiktiv von diesen gezahlten Arbeitnehmeranteile zurückzugewähren. Das braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, weil ohnehin feststeht, dass die Folgen einer dermaßen erweiterten Fiktion dem arbeitnehmerschützenden Zweck des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV zuwiderliefen.
- 16
- bb) Soll die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als mittelbar aus seinem Vermögen erbracht gelten, so liefe die mittelbare Zuwendung vom Arbeitnehmer über den Arbeitgeber an die Einzugsstelle. Der unmittelbar zahlende Arbeitgeber wäre als Zahlungsmittler des Beschäftigten zu behandeln. In diese Rolle wollte die Bundesregierung den Arbeitgeber bei der Lohnsteuerzahlung trotz eigener Abführungspflicht gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG durch ihren mit § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV wortgleichen Vorschlag eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG in Art. 3 ihres Gesetzentwurfs vom 9. März 2006 (BT-Drucks. 16/886 S. 13) hineindrängen. Dem lag die fragwürdige Annahme zugrunde, die Rechtslage sei auf den Rechtsgebieten der Lohnsteuerabführung und Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber "vergleichbar" und solle deshalb mit den vorgeschlagenen § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG und § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV einheitlich geregelt werden. Voraussetzung der hier erörterten Rollenverteilung ist aber, dass nach § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer selbst Schuldner der Lohnsteuer ist, die der Arbeitgeber als Dritter gemäß § 267 BGB erfüllen kann.
- 17
- Der Steuerabzug vom Arbeitslohn gemäß § 38 Abs. 1 und 3 EStG kann im Dreipersonenverhältnis tatsächlich allenfalls das erste Teilstück einer Leistungskette vom Arbeitnehmer über den Arbeitgeber zum Finanzamt sein; denn mit dem Lohnabzug ist weder die Abführungspflicht des Arbeitgebers aus § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt noch die Steuerschuld des Arbeitnehmers getilgt. Die Anfechtung dieser Leistungen fände dann innerhalb der einzelnen Teilstücke der Leistungskette statt. Erhielte das Finanzamt dagegen die Lohnsteuer durch mittelbare Zuwendung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers, durch die zugleich die Steuerschuld des Arbeitnehmers getilgt und sein Bruttolohnanspruch erfüllt wird, so würde die Anfechtung der Lohnsteuerzahlungen nicht mehr in der Arbeitgeber-, sondern in der Arbeitnehmerinsolvenz stattfinden müssen. Allerdings würde auch diese Verlagerung nur um den Preis einer nicht stets unanfechtbaren Bruttolohnzahlung an den Arbeitnehmer im Falle der Arbeitgeberinsolvenz möglich sein.
- 18
- Eine dem genannten Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG entsprechende Wirkungsweise von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist nach allem nicht anzunehmen. Es fehlt an einem Beitragsteilschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einzugsstelle. Dieses kann durch die Fiktion einer (mittelbaren) Zahlung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers nicht ersetzt werden. Vielmehr müsste dann § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV geändert werden. Außerdem würde das neu entstehende Anfechtungsrisiko für den Arbeitnehmer dem erklärten Zweck des Regelungsvorschlags widersprechen, dessen Besitzstand hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile in der Insolvenz (gemeint wohl: des Arbeitgebers) zu schützen.
- 19
- d) Der Senat verkennt nicht, dass das von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 28. September 2007 verschleierte Ziel des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV ebenso wie in ihrer früheren Vorlage vom 9. März 2006, wo dieses offen angesprochen worden ist (BT-Drucks. 16/886 S. 15), hauptsächlich der Schutz der Sozialversicherungsträger vor Beitragsrückgewähr in der Insolvenz von Arbeitgebern gewesen sein kann. So ist die Vorlage vom 28. September 2007 während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag auch von dem Abgeordneten Anton Schaaf (Protokoll der 118. Sitzung vom 11. Oktober 2007 S. 12324 B und C) und fast von dem gesamten rechtswissenschaftlichen Schrifttum und einem Teil der Instanzgerichte verstanden worden. Ob dies zutrifft, mag dahinstehen. Denn es ist schon nicht feststellbar, ob diese Zielsetzung von den gesetzgebenden Körperschaften in ihren Regelungswillen aufgenommen worden ist. Dagegen spricht, das weder im Deutschen Bundestag noch im Bundesrat die Vorlage vom 28. September 2007 in den für das Insolvenzrecht zuständigen Ausschüssen beraten worden ist.
- 20
- Eine Fiktion, mit welcher sich der Gesetzgeber behilft, indem er für die Rechtsanwendung einen tatsächlich nicht bestehenden Sachverhalt schafft, kann nur in beschränktem Umfang nach dem verfolgten Ziel ausgelegt werden. Welche Rechtsfolgen der fingierte Tatbestand hat, bestimmt das sonstige Recht, an welches der Richter gebunden ist und welches der Bundesgerichtshof hier anderweitig ausgelegt hat. Ergibt sich danach aus einer gesetzlichen Fiktion nicht die Rechtsfolge, auf die es der Gesetzgeber abgesehen hat, so kann der Richter ihn vor seinem Rechtsirrtum nicht schützen. Lediglich dann, wenn der fingierte Tatbestand selbst auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist, kann der Richter die Auslegung des bindend unterstellten Sachverhalts so vornehmen, dass der Zweck einer Fiktion nach den allgemeinen Gesetzen möglichst erreicht wird. In diesem Sinne ist der Senat bei seiner Entscheidung verfahren.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Schwerin, Entscheidung vom 11.07.2008 - 17 C 64/08 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 28.11.2008 - 6 S 100/08 -
(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Ist ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitgeber, gilt der jeweils für diesen Leistungsträger oder, wenn eine Krankenkasse der Arbeitgeber ist, auch der für die Pflegekasse bestimmte Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als gezahlt; dies gilt für die Beiträge zur Rentenversicherung auch im Verhältnis der Träger der Rentenversicherung untereinander.
(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach Satz 3 gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 des Sechsten Buches ergibt, haftet der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers von Seeleuten nach § 13 Absatz 1 Satz 2 haften Arbeitgeber und Reeder als Gesamtschuldner.
(3a) Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Satz 1 gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(3b) Die Haftung nach Absatz 3a entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz. AT 19.02.2019 B2) erfüllt.
(3c) Ein Unternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Unternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugstelle Firma und Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Kann der Auskunftsanspruch nach Satz 1 nicht durchgesetzt werden, hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Firma und Anschrift aller Unternehmer, die von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurden, zu benennen.
(3d) Absatz 3a gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275 000 Euro, wobei für Schätzungen die Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung gilt.
(3e) Die Haftung des Unternehmers nach Absatz 3a erstreckt sich in Abweichung von der dort getroffenen Regelung auf das von dem Nachunternehmer beauftragte nächste Unternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Absatz 3a ist. Maßgeblich für die Würdigung ist die Verkehrsanschauung im Baubereich. Ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, das als Umgehungstatbestand anzusehen ist, ist in der Regel anzunehmen,
- a)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt oder - b)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder technisches noch planerisches oder kaufmännisches Fachpersonal in nennenswertem Umfang beschäftigt oder - c)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer in einem gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptunternehmer steht.
(3f) Der Unternehmer kann den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von lückenlosen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten.
(3g) Für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, gelten die Absätze 3a, 3b Satz 1, 3e und 3f entsprechend. Absatz 3b Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Präqualifikation die Voraussetzung erfüllt, dass der Nachunternehmer in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 (ABl. L 337 vom 19.12.2017, S. 19) geändert worden ist, entsprechen. Für einen Unternehmer, der im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördert, gilt Absatz 3c entsprechend. Beförderung von Paketen im Sinne dieses Buches ist
- a)
die Beförderung adressierter Pakete mit einem Einzelgewicht von bis zu 32 Kilogramm, soweit diese mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen erfolgt, - b)
die stationäre Bearbeitung von adressierten Paketen bis zu 32 Kilogramm mit Ausnahme der Bearbeitung im Filialbereich.
(3h) Die Bundesregierung berichtet unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen, insbesondere über die Haftungsfreistellung nach Absatz 3b und Absatz 3f Satz 1.
(4) Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).
(5) Die Satzung der Einzugsstelle kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen vom Arbeitgeber Vorschüsse auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verlangt werden können.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.037,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des J. D. (fortan: Schuldner). Der Schuldner bezahlte nach Stellung des Eröffnungsantrags durch die Beklagte, eine gesetzliche Krankenversicherung, an diese Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 4.300 €. Nach Anfechtung dieser Zahlung blieb die Beklagte der Masse 2.037,90 € schuldig. Sie meinte, insoweit müsse sie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung aufgrund der Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht zurückzahlen.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage auf Rückzahlung der 2.037,90 € an die Masse abgewiesen. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZIP 2010, 41, ZInsO 2010, 427, NZG 2010, 512 veröffentlich ist, hat die Berufung des Klägers in Kenntnis der Entscheidung des Senats vom 5. November 2009 (IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision ist begründet.
- 4
- 1. Zahlungen der Arbeitnehmer auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge können ungeachtet der Regelung des § 28e Abs.1 Satz 2 SGB IV als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden (BGHZ 183, 86 Rn. 13). § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV steht der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht entgegen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts geben mangels neuer Argumente keine Veranlassung , die Rechtsfrage anders zu entscheiden.
- 5
- 2. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Aufhebung des Urteils erfolgt wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis. Die Sache ist zur Endentscheidung reif. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind offensichtlich gege- ben. Die Beklagte selbst hat den für die Verfahrenseröffnung maßgeblichen Insolvenzantrag gestellt.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
AG Brühl, Entscheidung vom 30.06.2009 - 21 C 115/09 -
LG Köln, Entscheidung vom 09.12.2009 - 13 S 230/09 -