2-G-Regelung im Einzelhandel: Gerichte uneinig!

bei uns veröffentlicht am07.01.2022

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Mehrere Gerichte äußerten sich vergangenen Monat zu der umstrittenen 2-G-Regelung im Einzelhandel, wonach nur diejenigen Personen Zutritt zu augewählten Einzelhandelsgeschäften erhalten, die einen Impf-oder Genesenennachweis vorzeigen können. 

In zwei der fünf erläuterten Beschlüsse vertreten die Gerichte die Ansicht, dass die 2-G-Regelung unverhältnismäßig in die Grundrechte der Antragssteller eingreift. Insbesondere finde eine Ungleichbehandlung zwischen privilegierten und nicht privilegierte Einzelhandelsgeschäften statt. In Niedersachsen und in Saarland wurde die Regelung mittlerweile außer Vollzug gesetzt. 

 

STOPP! ZUTRITT NUR FÜR GEIMPFTE ODER GENESENE PERSONEN!

 

Dieses Schild an diversen Einzelhandelsgeschäften hat in den vergangenen Monaten für viel Gesprächsstoff und Diskussion in der Öffentlichkeit gesorgt. Aber auch in den Gerichtssällen ist die 2-G-Regelung längst ein Diskussionsthema. Mehrere Gerichte haben sich  im Dezember 2021 zu der umstrittenen 2-G-Regelung im Einzelhandel geäußert. Soviel sei schonmal vorweg gesagt: Sie vertreten verschiedene Standpunkte. Während das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die 2-G-Regelung im Einzelhandel als "unverhältnismäßig" einstufte und außer Vollzug setzte, sprach sich das Verwaltungsgericht Berlin, das Oberverwaltungsgericht Saarland, das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen sowie das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein für den Ausschluss von ungeimpften und nicht genesenen Personen aus dem Einzelhandel aus.

Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Antragssteller rügen Verletzung ihrer Menschenwürde

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (OVG Saarland) hat am 20. Dezember 2021 zwei Eilanträge, die auf die vorläufige Außerkraftsetzung mehrerer Regelungen der saarländischen Corona-Verordnung zielen, abgewiesen. Beide Antragsteller, eine Lehrerin sowie ein Geschäftsmann, versuchten sich mit ihrem Eilanträgen gegen die geltende 2-G-Regelung im Einzelhandel zu wehren. Sie rügten neben der Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrer körperlichen Unversehrheit, eine Verletzung ihrer Menschenwürde sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes. 

2-G-Regelung soll zu einer positiven Impfentscheidung veranlassen

Das Gericht konnte keine Verletzung der Grundrechte der Antragssteller feststellen. Vielmehr verfolge die Landesregierung mit den angegriffenen Regelungen, legitime Ziele, so das OVG Saarland. Zu diesen legitimen Zielen gehören, nach Ansicht des Gerichts, neben dem Schutz der Bevölkerung vor einer möglichen Covid-Infektion und der Verhinderung der Verbreitung der Krankheit auch das Ziel, die Bevölkerung durch die 2-G-Regelung zu einer positiven Impfentscheidung zu veranlassen. Das Recht der Antragssteller auf Achtung ihrer Menschenwürde sei demnach nicht berührt. Es liegt auch kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor, da derzeit keine Impfpflicht existiert, welche die Antragssteller zu einer Impfung zwingen würde, so das Gericht.

Covid-19-Impfung bietet sachlichen Grund für Ungleichbehandlung

Hinsichtlich der von den Antragsstellern gerügten willkürlichen Differenzierung zwischen geimpften und genesen Personen auf der einen Seite und nicht geimpften und genesen Personen auf der anderen Seite  betont, das Gericht, dass diese durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Der sachliche Grund sei die Impfung, die nachweislich und erheblich das Infektionsrisiko senke.

Eilanträge von Woolworth und Galeria Kaufhof abgelehnt

Nur zwei Tage nach der Entscheidung des OVG Saarland, lehnte auch das OVG Nordrhein-Westfalen am 22. Dezember einen Eilantrag gegen die geltende 2-G-Regelung ab. Die Antragsstellerin, die Woolworth GmbH, lehnte sich mit ihrem Eilantrag ebenfalls gegen die geltende Coronaschutzverordnung, wonach nur Geimpfte und Genesene Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften erhalten sollen. Sie meint, es läge eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, da einzelne Einzelhandelssparten von der Regelung ausgenommen sind. Auch in diesem Fall ist das Gericht der Ansicht, dass die Coronaverordnung, mithin die 2-G-Regelung dazu beiträgt, das Leben sowie die Bevölkerung zu schützen, um nicht zuletzt eine Überlastung der Internsiv-medizinischen Behandlungsmöglichkeiten zu vermeiden. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht ungerechtfertigt, sondern aufgrund der täglichen Grundbedürfnisse des Menschen, sachlich gerechtfertigt. 

Staatliche Schutzflicht für Leben und Gesundheit als legitimes Ziel

Das ist bereits der zweite Eilantrag der Woolworth-GmbH, welcher abgelehnt worden ist. Das Schleswig Holstein bestätigte bereits am 15. Dezember 2021, dass die für den Einzelhandel in Schleswig-Holstein geltende 2-G-Regelung , sowohl geeignet ist, der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken und schwerer Krankheitsverläufe zu reduzieren als auch erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen. Das Gericht führt zudem aus, dass die Folgen einer 2-G-Regelung aus wirtschaftlicher Sicht weitaus geringer ausfallen, als das bei einer vollständigen Schließung der Fall wäre. Das sei insbesondere auf den hohen Anteil von geimpften und genesenen Personen zurückzuführen. 

Antragsstellerin rügt Verletzung ihrer Berufsfreiheit

Woolworth GmbH ist nicht die einzige Kaufhauskette, die sich aufgrund der Corona-Verordnung dazu entscheidet einen Eilantrag vor Gericht zu verfassen, um den Zutritt zu ihrer Filiale auch ungeimpften und nicht genesenen Personen zu ermöglichen. Antragstellerin eines weiteren Eilantrages ist die Kaufhauskette Galeria Kaufhof. Sie sieht in der geltenden Covid-Verordnung einen ungerechtfertigten Eingriff in ihre Berufsfreiheit sowie eine Verletzug des Gleichheitssatzes. Das VG Berlin hat ihren Antrag am 23. Dezember 2021 abgelehnt. In der Begründung vewies das Gericht, unter anderem auf die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, welches eine Öffnung des Einzelhandels unter der 3-G-Regelung (Geimpfte,Genesene,Getestete) derzeit nicht befürworte. Nach Ansicht der Richter des VG Berlin verfolge die Coronaverordnung ein legitimes Ziel.

2-G-Regelung soll Zeit verschaffen im Kampf gegen das Coronavirus

Die 2-G-Regelung solle dazu beitragen, das Infektionsgeschehen zu verlangsamen und die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zu reduzieren. Das sei Teil der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit jedes Menschen, die sich aus Art. 2 Abs. 2 iVm Art. 1 Abs. 2 S. 1 GG ergibt. Die Maßnahmen sollen außerdem dazu beitragen, Zeit zu gewinnen, um mehr Impfstoffe zu entwickeln, existierende weiter zu produzieren und zu verteilen sowie weitere Impfungen durchzuführen. Die 2-G-Regelung sei als Maßnahme auch geeignet dieses Ziel zu erreichen, weil sie ein etwaiges Ansteckungsrisiko, mithin das Infektionsgeschehen redurziert. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei auch die Anordnug einer FFP-2-Maskenpflicht kein milderes Mittel, ebenso wenig wie die Ermöglichung des Zugangs nach negativen Testergebnis. Ersteres kommt als milderes Mittel nicht in Betracht, weil das Tragen einer Maske einen komulativen Bestandteil der Empfehlung der RKI darstellt und neben der 2-G-Regelung bestehen soll. Die Ermöglichung des Zutritts nach der Vorlage eines negativen Testergebnisses sei, aus Sicht der Richter, kein gleich geeignetes Mittel. 

Niedersächsisches OVG setzt 2-G-Regelung außer Vollzug

Eine andere Meinung als die, der eben erläuterten Beschlüsse, vertritt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG Lüneburg). Der 13. Senat hat mit Beschluss von 16.Dezember 2021 den § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-VO vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Antragstellerin betreibt in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb und wandte sich mit ihrem Normenkontrolleilantrag gegen die geltende 2-G-Regelung. Sie ist der Ansicht, dass diese Maßnahme weder notwendig iSd § 28 Abs. 1 IfSG noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist.

2-G-Regelung keine notwendige Maßnahme

Dem stimmte das Gericht zu und zweifelte zudem an der Erforderlichkeit der Maßnahme. Die Richter beanstanden fehlende Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz im Einzelhandel. Der Ausschluss Ungeimpfter vom Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften sei unverhältnismäßig, weil im Vergleich zum Zutritt in Lebensmittelgeschäfte keine höhere Ansteckungsgefahr bestehe. Das Gericht stimmte der Antragsstellerin auch hinsichtlich der, durch die zahlreichen Ausnahmen des § 9a Abs. 1 S. 2 der Niedersächsischen Corona-VO, von vornherein reduzierten Eignung zur Erreichung der infektiologischen Ziele, zu. Die 2-G

Der § 9a Abs. 1 S. 2 Niedersächsischen Corona-VO sieht Ausnahmen vor, in denen Personen, die keinen Impf- oder Genesenennachweis vorzeigen können, dennoch Zutritt zu Einrichtungen des Einzelhandels erhalten können. 

Der überwiegende Teil täglicher Kundenkontakte finde im von der 2-G-Regelung ausgenommenen Lebensmittelhandel statt. Die Maßnahme in Ausgestaltung einer 2-G-Regelung für den Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften, die keine Lebensmittel verkaufen, ist demnach unverhältnismäßig und mit den Grundrechten der betroffenen Personen insgesamt nicht vereinbar. 

OVG Saarland: 2-G-Regelung doch außer Vollzug gesetzt

Es scheint so, als ein überwiender Teil der Gerichte sich weiterhin für den Ausschluss von Personen, ohne Impf-oder Genesenennachweis, vom Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften, ausspricht. Tatsächlich sehen die meisten Gerichte, die umstrittene 2-G-Regelung (noch) als verhältnismäßig. Zwischenzeitlich hat ein Gericht sich erneut zu der umstrittenen 2-G-Regelung geäußert hat und die Maßnahme, als Verletzung gegen das Gleichheitsgebot gewertet. Woolworth GmbH war am 27. Dezember 2021 (Az.: 2 B 282/21) mit einem seiner Eilanträge endlich erfolgreich. Das Oberverwltungsgericht des Saarlandes erklärte, dass es zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, den Einzelhandel mit Gütern des täglichen Bedarfs von der 2-G-Regelung auszunehmen. Allerdings werden auch diverse andere Einzelhandelsgeschäfte, wie Blumenläden, Gärtnereien, Gartenmärkte und Baumschulen privilegiert. Für die Nichtaufnahme des Michtextilgeschäftes der Antrgstellerin in den Privilegierungskatalog findet sich keine Begründung. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung  durch die geltende 2-G-Regel gegenüber Kunden der Antragsstellerin, ergebe sich auch daraus, dass ihr Warensortiment in privilegierten Supermärkten und Einkaufszentren, wo keine Zugangsbeschränkungen gelten, an alle verkauft und beworben werden könne. 

Fazit

Nach der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist das OVG Saarland, das zweite Gericht, dass die 2-G-Regelung im jeweiligem Land außer Vollzug setzte. Es bleibt weiterhin abzuwarten, wie andere Gerichte die (Un)Verhältnismäßigkeit der 2-G-Regelung beurteilen werden. 

Haben Sie noch Fragen zum Thema "2-G-Regel im Einzelhandel?" Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Infektionsschutzgesetz - IfSG | § 28 Schutzmaßnahmen


(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen,

Referenzen

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

(2) Wird festgestellt, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entspricht, noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliches Zeugnis nachweisen können, die in § 34 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Verbote erteilen, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.

(3) Für Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 16 Abs. 5 bis 8, für ihre Überwachung außerdem § 16 Abs. 2 entsprechend.