Ehegattentestament: Auslegung einer Wiederverheiratungsklausel
AoLs
Authors
Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. Dort entschieden die Richter, dass die Formulierung in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament „Der Längstlebende von uns ist nach dem Tod des Erstversterbenden an diese Erbeinsetzung nicht gebunden. Im Fall der Wiederverheiratung ist er an diese Erbeinsetzung in jedem Fall gebunden“ dahin zu verstehen sei, dass der Überlebende seine Verfügung nur unter der Bedingung aufheben könne, dass er bis zu seinem Tod unverheiratet bleibe. Er könne sich der Bindungswirkung also nicht dadurch entziehen, dass er in einer zeitlichen Abfolge zunächst sein Testament ändere und anschließend eine erneute Ehe eingehe (OLG Hamm, I-15 W 360/10).
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG Hamm: Beschluss vom 31.05.2011 - Az: I-15 W 360/10
Die Formulierung in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament "Der Längstlebende von uns ist nach dem Tode des Erstversterbenden an diese Erbeinsetzung nicht gebunden. Im Falle der Wiederverheiratung ist er an diese Erbeinsetzung in jedem Fall gebunden." ist dahin zu verstehen, dass der Überlebende seine Verfügung nur unter der Bedingung aufheben kann, dass er bis zu seinem Tode unverheiratet bleibt.
Er kann sich der Bindungswirkung also nicht dadurch entziehen, dass er in einer zeitlichen Abfolge zunächst sein Testament ändert und anschließend eine erneute Ehe eingeht.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. vom 12.11.2009 wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in beiden Instanzen nicht statt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die nach den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist begründet.
Der angefochtene Feststellungsbeschluss war aufzuheben und der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. vom 12.11.2009 war zurückzuweisen, da nicht die Beteiligte zu 1., sondern die Beteiligte zu 2. Alleinerbin des Erblassers geworden ist.
Die Beteiligte zu 2. ist in § 2 Nr. 1 des von dem Erblasser und seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau (F. I. geb. U.) errichteten notariellen Ehegattentestaments vom 12.05.2006 (UR-Nr. ... des Notars X. L.), durch das das ursprüngliche Ehegattentestament vom 02.11.1995 (UR-Nr. ... des Notars X. L.) teilweise abgeändert worden ist, wirksam als Schlusserbin eingesetzt worden. Diese Schlusserbeinsetzung war für den Erblasser nach dem Tod seiner ersten Ehefrau (... 2006) aufgrund seiner späteren Wiederheirat bindend. Dementsprechend sind die Verfügungen von Todes wegen vom 22.12.2006, 19.02.2007 (dort § 4) und 21.10.2009 unwirksam, soweit darin die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. widerrufen und die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin eingesetzt worden ist (§§ 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog).
Die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. durch den überlebenden Erblasser war wechselbezüglich zu seiner Alleinerbeinsetzung durch seine vorverstorbene erste Ehefrau im Ehegattentestament vom 02.11.1995 (§ 2270 BGB). Diese Wechselbezüglichkeit könnte bereits aus der Regelung in § 4 S. 1 des Testaments vom 02.11.1995 („Sämtliche Bestimmungen dieses Testaments sind, soweit nichts anderes bestimmt und soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich“) herzuleiten sein, da § 4 des Testaments vom 02.11.1995 durch das Änderungstestament vom 12.05.2006 unberührt geblieben ist. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da sich die Wechselbezüglichkeit jedenfalls unmittelbar aus § 2 Nr. 3 des Testaments vom 12.05.2006 ergibt. Die hier vorgesehene (beschränkte) Bindungswirkung setzt nämlich die Wechselbezüglichkeit voraus. Außerdem ist die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. im Rahmen der späteren Anfechtung vom 20.04.2007 von dem Erblasser selbst als wechselbezügliche Verfügung behandelt worden.
Der Erblasser war nach dem Tod seiner ersten Ehefrau auch nicht durch den (beschränkten) Änderungsvorbehalt in § 2 Nr. 3 des Testaments vom 12.05.2006 von der Bindung an die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. befreit. Die dort getroffene Regelung („Der Längstlebende von uns ist nach dem Tode des Erstversterbenden an diese Erbeinsetzung nicht gebunden. Im Falle der Wiederverheiratung ist der Überlebende von uns an diese Erbeinsetzung jedoch in jedem Fall gebunden.“) ist allerdings nicht eindeutig und somit auslegungsbedürftig. Das Amtsgericht hat diese Regelung sinngemäß dahingehend verstanden, dass von dem Tod der ersten Ehefrau (... 2006) bis zur Wiederheirat des Erblassers (... 2007) ein „Zeitfenster“ bestand, in dem der Erblasser an die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. nicht gebunden war und abweichend zugunsten der Beteiligten zu 1., seiner späteren zweiten Ehefrau, testieren konnte. Dieser Auslegung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Die Aussage des von dem Senat als Zeugen vernommenen Notars L., der u. a. das Ehegattentestament vom 12.05.2006 beurkundet hat, war insoweit allerdings unergiebig. Der Zeuge hatte keine Erinnerung mehr daran, wie diese Klausel nach dem maßgeblichen übereinstimmenden Willen der testierenden Eheleute genau gemeint war und was die Eheleute mit der angeordneten eingeschränkten Bindungswirkung bezweckten (vgl. den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 26.05.2011, auf den Bezug genommen wird).
Der hier gewählten besonderen Wiederverheiratungsklausel lässt sich aber immerhin entnehmen, dass ein etwaiger neuer Ehegatte des Überlebenden als dessen Erbe und damit als Nachfolger des Gesamtvermögens ausgeschlossen sein sollte. Es erscheint naheliegend, dass die Eheleute befürchteten, dass im Falle einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten dieser die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. zugunsten des neuen Ehegatten aufheben würde. Dieses sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden („ in jedem Fall gebunden“). Damit würde es nicht im Einklang stehen, wenn der überlebende Ehegatte die Wiederverheiratungsklausel dadurch unterlaufen könnte, dass er einfach noch vor der Wiederverheiratung zugunsten des neuen Partners testiert. Wenn man die Formulierung „Im Falle der Wiederverheiratung“ als bloße Zeitbestimmung (im Sinne von „Ab der Wiederverheiratung“) versteht, würde die Wiederverheiratungsklausel - wie der vorliegende Fall zeigt - weitgehend ausgehöhlt. Daher ist die Regelung in § 2 Nr. 3 des Testaments vom 12.05.2006 dahingehend auszulegen, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. nur unter der Bedingung aufheben kann, dass er (bis zu seinem Tod) nicht wieder heiratet. Eine solche Bestimmung ist zulässig, da die Eheleute bei der Ausgestaltung des Änderungsvorbehalts freie Hand haben und die Änderungsbefugnis des überlebenden Ehegatten auch an bestimmte Bedingungen geknüpft werden kann. Da der Erblasser nach dem Tod der ersten Ehefrau die Beteiligte zu 1. geheiratet hat, war er an die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. gebunden.
Die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. ist auch nicht durch die Anfechtung vom 20.04.2007 (UR-Nr. ... des Notars X. L.) rückwirkend unwirksam geworden.
Zwar kann der überlebende Ehegatte nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament grundsätzlich in entsprechender Anwendung der erbvertraglichen Regelungen analog §§ 2281 ff. BGB i. V. m. §§ 2078, 2079 BGB anfechten. Im vorliegenden Fall war aber das Anfechtungsrecht des Erblassers nach dem Testament vom 12.05.2006 ausgeschlossen.
Das Recht zur Selbstanfechtung besteht nicht, wenn es in dem gemeinschaftlichen Testament ausgeschlossen worden ist bzw. der überlebende Ehegatte in dem gemeinschaftlichen Testament auf das Anfechtungsrecht z. B. für den Fall der Wiederverheiratung verzichtet hat. Nach § 2 Nr. 3 des Testaments vom 12.05.2006 sollte der überlebende Ehegatte im Falle der Wiederverheiratung an die Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 2. „in jedem Fall gebunden“ sein. Er sollte sich also im Falle einer Wiederverheiratung auf keine Weise von der Schlusserbeinsetzung lösen können. Hierin ist auch ein Ausschluss des Anfechtungsrechts bzw. ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht für den Fall der Wiederverheiratung zu sehen.
Jedenfalls fehlt es an einem „Übergehen“ der Beteiligten zu 1. i. S. v. § 2079 S. 1 BGB. „Übergehen“ bedeutet den unbewussten Ausschluss des Berechtigten von der Erbschaft. Die Wiederverheiratungsklausel in § 2 Nr. 3 des Testaments vom 12.05.2006 zeigt demgegenüber, dass die Ehegatten die Frage der Wiederheirat des Überlebenden bedacht haben. Hierdurch hat der Erblasser für den Fall seiner Wiederheirat seine künftige neue Ehefrau bewusst von der Erbfolge ausgeschlossen. Angesichts dieser speziellen Regelung kommt es auf die allgemeine Bestimmung in dem - durch das Änderungstestament vom 12.05.2006 nicht aufgehobenen - § 4 Satz 2 des ursprünglichen Ehegattentestaments vom 02.11.1995, wonach das etwaige Vorhandensein von Pflichtteilsberechtigten die getroffenen Verfügungen unberührt lassen sollte („Ferner erfolgen sämtliche Verfügungen unabhängig davon, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Ableben eines jeden von uns vorhanden sind“), nicht mehr entscheidend an.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.
(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.
(1) Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, soweit der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde.
(2) Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.
(3) Die Vorschrift des § 122 findet keine Anwendung.
Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde.