Erbrecht: Nur durch Dritten zu bestimmende Erbeinsetzung ist unwirksam
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Das verdeutlicht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München. In dem betreffenden Fall hatte der Erblasser als Erben die Person eingesetzt, die „sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“. Diese Festlegung war dem Gericht zu vage. Es werde schon nicht deutlich, wie der Erblasser sich ein „kümmern“ vorgestellt habe. Von diesem Begriffsverständnis sei aber letztlich abhängig, ob jemand entsprechend gehandelt habe (OLG München, 31 Wx 55/13).
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG München Beschluss vom 22.05.2013 (Az: 31 Wx 55/13)
Eine letztwillige Verfügung, mit der zum Erben die Person eingesetzt wird, die "sich bis zu meinem Tode um mich kümmert", ist nichtig.
Der Beschluss des Nachlassgerichts Kaufbeuren - Nachlassgericht - vom 10.1.2013 wird aufgehoben.
Der Teilerbscheinsantrag der Beteiligten zu 9 vom 17.12.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Erblasser ist am ... 2012 im Alter von 79 Jahren verstorben. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 2, 3, 4 und 5 sind seine Brüder. Der Beteiligte zu 1, 6, 7 und 8 sind Neffen bzw. Nichten des Erblassers. Die Beteiligte zu 9 war seit etwa 20 Jahren die Lebensgefährtin des Erblassers. Im November 2011 erlitt der Erblasser einen Schlaganfall. Im Anschluss daran erteilte er dem Beteiligten zu 1 im November 2011 eine Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung.
Es liegen u. a. folgende Testamente des Erblassers vor.
Notarielles Testament vom 28.10.2003, in dem der Erblasser die Beteiligten zu 1, 6, 7 und 8 als Erben zu je 1/4 eingesetzt und zugunsten der Beteiligten zu 9 ein Geldvermächtnis in Höhe von 5.200 € angeordnet hat.
Handschriftliches Testament vom 28.12.2010 mit folgendem Inhalt:
„Testament
H. S. (= Beteiligte zu 9) soll 2000 Eur erhalten Das S.-Kloster in A. bekommt 3000 Eur.
H. (= Beteiligter zu 1) bekommt die Fotosachen und meinem Anhänger. P. (= Beteiligte zu 6) soll das Geschirr und die Betonmaschine bekomen. S. (= Beteiligter zu 7) bekommt meine Schieausrüstung.
Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen wer sich bis zu meinem Tode um mich kümert. Sollte das nicht der Fall sein soll alles das S.-Kloster erhalten.
(Ort) 28.12.2010
Unterschrift“
Der Nachlass besteht aus ca. 16.000 € Geldvermögen und einem Wohnhaus im Wert von 89.000 €. Der Wert der Gebrauchsgegenstände des Erblassers beträgt ca. 4.000 €.
Die Beteiligten zu 1 und 9 beantragten am 17.12.2012 aufgrund des Testaments vom 28.12.2010 zur Niederschrift des Nachlassgerichts jeweils einen Teilerbschein zu je 1/2. Zwischen den Beteiligten war streitig, wer in welchem Umfang sich um den Erblasser gekümmert hatte. Das Nachlassgericht führte zwei umfangreiche Anhörungstermine mit den Beteiligten durch. Es kam zu dem Schluss, dass die Beteiligten zu 1 und 9 das von dem Erblasser aufgestellte Kriterium in Bezug auf die Zuwendung des Hauses erfüllt haben, und stellte mit Beschluss vom 10.1.2013 die Tatsachen für die Erteilung der beantragten Teilerbscheine fest. Der Beteiligte zu 1 wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Berücksichtigung der Beteiligten zu 9 als Miterbin. Die Beteiligte zu 6 ist der Auffassung, sie sei nach dem Testament vom 28.12.2010, jedenfalls aber nach dem Testament vom 28.10.2003 Miterbin.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 6 sind zulässig. Sie führen zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Schluss gelangt, dass sich die Erbfolge aufgrund des Testaments vom 28.12.2010 bestimmt und die Beteiligten zu 1 und 9 Erben des Erblassers zu je 1/2 sind. Maßgeblich für die Erbfolge ist das notarielle Testament vom 28.10.2003.
Eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1, 6 und 9 findet sich in dem Testament vom 28.12.2010 nicht. Der Erblasser hat darin lediglich über Einzelgegenstände verfügt.
Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die Zuwendung des Hauses als wesentlicher Vermögensgegenstand des Nachlasses als Erbeinsetzung ausgelegt werden kann.
Eine ausdrückliche Bestimmung der Person des Bedachten hat der Erblasser in diesem Zusammenhang jedoch nicht getroffen. Diese kann auch nicht im Wege der Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze im Sinne der §§ 133, 2084 BGB festgestellt werden.
Der Erblasser hat die Zuwendung seiner Immobilie im Gegensatz zu den anderen von ihm verteilten Nachlassgegenstände nicht mit einer Namensnennung, sondern mit dem Pronomen Wer verknüpft. Insofern ist unklar, ob der Erblasser damit diejenigen Personen gemeint hat, die er bereits mit Einzelgegenständen bedacht hat oder ob er darunter einen Personenkreis über diese Bedachten hinaus verstanden hat. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht.
Das Testament lässt nämlich bereits offen, an welche Art von Kümmern der Erblasser gedacht hat, ob mit diesem Begriff also die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit, eine seelische Stütze, die Erledigung finanzieller Angelegenheiten oder nur allgemein ein Schenken von Aufmerksamkeit. Insofern steht der Inhalt einer solchen Erbeinsetzung nicht im Einklang mit den Anforderungen an eine wirksame Verfügung im Sinne des § 2065 Abs. 2 BGB.
Danach kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erblasserwillen in wesentlichen Teilen zu ergänzen. Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung darf also einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament so genau sein, dass eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person den Bedachten bezeichnen kann, ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist. Solche Hinweise liegen nicht vor.
Die von dem Erblasser gewählte Formulierung ist so vage, so dass die Beantwortung der Frage, ob sich jemand nach Testamentserrichtung bis zum Tode des Erblassers in der Art und Weise um den Erblasser gekümmert hat, wie es dieser erwartet hätte, von dem jeweiligen Begriffsverständnis des die Person des Bedachten zu bestimmenden Dritten abhängig ist (s. o). Bereits deshalb greift der Hinweis der Beteiligten zu 9 auf die Entscheidung des OLG Frankfurt nicht, da diese eine Erbeinsetzung zugunsten derjenigen Person betraf, die den Erblasser pflegt. Eine solche Formulierung ist im Vergleich zu der von dem Erblasser hier gewählten Formulierung eindeutiger.
Insofern beruht die Erbfolge nicht auf einer Bestimmung des Erblassers selbst, so dass dessen Anordnung gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstößt. Ein solcher Verstoß führt zur Nichtigkeit der betreffenden letztwilligen Verfügung.
Die Entscheidung des Nachlassgerichts ist daher in vollem Umfang aufzuheben. Der Senat ist nämlich bei der Überprüfung der beanstandenden Entscheidung nicht auf die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Gründe, insbesondere die des Beteiligten zu 1, beschränkt.
Die Nachlassgerichte in Bayern haben den Erben von Amts wegen festzustellen (vgl. Art. 37 Abs. 1 AGGVG), gleichgültig, ob es sich um gesetzliche Erbfolge oder um eine Erbfolge aufgrund einer Verfügung von Todes wegen handelt. Demgemäß hat das im Falle der Beschwerde eines Beteiligten gegen die Ankündigung der Erteilung eines Erbscheins an die Stelle des Nachlassgerichts tretende Beschwerdegericht die Entscheidung des Nachlassgerichts im Hinblick auf die Erbrechtslage in jeder Hinsicht nachzuprüfen, ohne aufgrund einer durch das Beschwerdeziel bestimmten Dispositionsmaxime der Beteiligten oder den Grundsatz der reformatio in peius beschränkt zu sein.
Da die letztwillige Verfügung vom 28.12.2010 nichtig ist (s. o.), bestimmt sich die Erbfolge nach dem Testament vom 28.10.2003. Darin sind die Beteiligten zu 1, 6, 7 und 8 als Erben zu je 1/4 eingesetzt. Der Senat sieht davon ab, den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 vom 17.12.2012 zurückzuweisen, um es ihm zu ermöglichen, diesen entsprechend zu ändern. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 9 ist hingegen zurückzuweisen, weil sie - von der nichtigen Verfügung abgesehen - lediglich mit einem Vermächtnis bedacht ist.
Soweit der Beteiligte zu 2 mit seinem Schreiben vom 21.1.2013 „Beschwerde“ gegen den Beschluss des Nachlassgerichts eingelegt hat, legt der Senat dieses Schreiben nicht als Rechtsmittel im Sinne der §§ 58 FamFG ff. aus. Der Vortrag des Beteiligten zu 2 zielt nicht darauf ab, bei einer Testamentsauslegung in seinem Sinne selbst bedacht zu sein. Er erstrebt vielmehr die Erbenstellung seiner Kinder, der Beteiligten zu 1 und 6, die im Nachgang zu dem Schreiben selbst Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts eingelegt haben. Insoweit liegt es nahe, dass der Beteiligte zu 2 lediglich das Begehr seiner Kinder unterstützen wollte.
Gerichtskosten fallen nicht an (§ 131 Abs. 3 KostO). Für eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht kein Anlass (§ 81 FamFG). Die von den Beteiligten zu 1, 6 und 9 erstrebte Erbenstellung aufgrund des Testaments vom 28.12.2010 ist nicht gegeben. Insoweit hält es der Senat für angemessen, dass jeder der Beteiligten seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
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Annotations
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
(1) Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll.
(2) Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.
(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.