Sorgerecht: Entzug der elterlichen Sorge und Fremdunterbringung der Kinder

published on 25/02/2011 11:18
Sorgerecht: Entzug der elterlichen Sorge und Fremdunterbringung der Kinder
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In bestimmten Fällen ist es möglich, der Kindesmutter das Sorgerecht zu entziehen und die Kinder bei einer Pflegefamilie, o.Ä. unterzubringen - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
In bestimmten Fällen ist es möglich, der Kindesmutter das Sorgerecht zu entziehen und die Kinder bei einer Pflegefamilie, o.Ä. unterzubringen.

Das ist nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg der Fall, wenn die unter Betreuung stehende Mutter nur eingeschränkt für das Bedürfnis der Kinder nach Sicherstellung der physiologischen Grundbedürfnisse Sorge tragen kann. In dem entsprechenden Fall war die Mutter trotz Unterstützung durch den Betreuer nicht in der Lage, ausreichende Nahrungsmittel für den Haushalt zu besorgen. Sie konnte ihren Kindern keine altersangemessenen Grenzen setzen. Auch war es ihr nicht möglich, die Kinder vor dem Alkoholproblem ihres Lebenspartners zu schützen. Die Richter wiesen darauf hin, dass in einem solchen Fall auch der Wunsch der Kinder, bei der Mutter leben zu wollen, nicht beachtet werden könne. Dieser Wunsch der Kinder würde unter den vorliegenden Umständen ihrem Kindeswohl schaden (OLG Brandenburg, 10 UF 176/09).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

OLG Brandenburg: Beschluss vom 16.12.2010 - 10 UF 176/09

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 2. wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20. Oktober 2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beteiligten zu 1. wird die elterliche Sorge für die Kinder J., Je. und A. K. entzogen.

Dem Beteiligten zu 2. wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Je. und A. entzogen.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Je. und A. K. wird dem Jugendamt des Landkreises … als Pfleger übertragen. Das Aufenthaltsbestimmungsrechts für J. K. wird auf den Vater übertragen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.500 € festgesetzt.


Gründe

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der Kinder

- J., geboren am … 1997,

- Je., geboren am … 2001, und

- A., geboren am … 2002.

Seit dem Jahr 2002 wird für die Familie Hilfe zur Erziehung geleistet. Die Trennung der Eltern erfolgte im August 2006. Die Mutter steht unter Betreuung. Der Aufgabenkreis ihrer Betreuerin umfasst die Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Gerichten, Versicherungen und Kreditinstituten sowie in Angelegenheiten der Vermögenssorge.

Bis November 2008 lebten die drei Kinder im Haushalt der Mutter. Aufgrund einer SMS an ihren Lebensgefährten, aus der sich der Schluss auf Selbsttötungsgedanken der Mutter ergab, hat das Jugendamt die drei Kinder am 29.11.2008 in Obhut genommen und in einer Wohneinrichtung in S. untergebracht sowie das Amtsgericht angerufen. Im Verhandlungstermin vom 17.12.2008 hat das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern angeordnet. Mit den Eltern wurde vereinbart, dass bis zur Vorlage des schriftlichen Gutachtens J. seinen Aufenthalt beim Vater hat und Je. sowie A. in den Haushalt der Mutter zurückkehren.

Trotz wiederholter Zusagen und zahlreicher Terminsabsprachen nahm die Mutter mit den Kindern Je. und A. an der Begutachtung nicht teil. Von der Sachverständigen, Dipl.-Psych. B. Sch., wurden deshalb nur Je. und der Vater begutachtet. Die gutachterliche Stellungnahme vom 11.5.2009 empfahl für J., der aufgrund einer Leistungsdiagnostik als geistig behindert eingestuft ist, den Verbleib beim Vater.

Durch Beschluss vom 20.10.2009 hat das Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge für die drei Kinder sowie dem Vater für sechs Monate das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Je. und A. entzogen. Dem Jugendamt als Pfleger wurde für Je. und A. das Recht zur Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, zur Gesundheitsfürsorge sowie zur Regelung des Umgangs übertragen. Das Jugendamt hat daraufhin Je. und A. am 11.11.2009 in einer Jugendhilfeeinrichtung in O. untergebracht.

Gegen die Sorgerechtsregelung des Amtsgerichts haben die Mutter Beschwerde und der Vater Anschlussbeschwerde eingelegt. Im Senatstermin vom 16.3.2010 einigten sich die Eltern, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. dem Vater allein übertragen wird. Nachdem die Mutter bei ihrer Anhörung zugesagt hatte, in Zukunft öffentliche Hilfen annehmen und nutzen zu wollen, hat der Senat durch Beschluss vom 23.3.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Je. und A. vorläufig der Mutter allein übertragen. Ferner wurde die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen, das die Sachverständige, Dipl.-Psych. A. M., unter dem 30.8.2010 erstattet hat. Seit dem 18.4.2010 und bis heute leben Je. und A. aufgrund der einstweiligen Anordnung des Senats wieder im Haushalt der Mutter.

Die Mutter beantragt nunmehr,

den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20.10.2009 abzuändern und ihr die elterliche Sorge für Je. und A. allein zu übertragen.

Der Vater stellt den Antrag,

den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20.10.2009 abzuändern und ihm die elterliche Sorge für alle drei Kinder, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Je. und A. allein zu übertragen.

Im Übrigen beantragen beide Eltern Zurückweisung des Rechtsmittels des jeweiligen anderen Elternteils.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gerichtlichen Beschlüsse und die schriftlichen Sachverständigengutachten sowie wegen des Vorbringens der Eltern auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1 ZPO a. F. statthaften und auch im Übrigen form- sowie fristgemäß eingelegten Beschwerden der beteiligten Eltern - die gemäß Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG nach altem Recht zu beurteilen sind - führen ganz überwiegend nicht zum Erfolg.

Soweit es um die Mutter geht, liegen die in §§ 1666, 1666 a BGB normierten Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Sorge für alle drei Kinder sowie eine Herausnahme von Je. und A. aus ihrem Haushalt vor. Dass J. seinen Lebensmittelpunkt beim Vater hat und behalten soll, steht zwischen den Eltern nicht mehr im Streit. Die Mutter ist in ihrer Erziehungs- und Förderkompetenz so erheblich eingeschränkt, dass daraus eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von §§ 1666, 1666 a BGB resultiert. Dieser Umstand rechtfertigt es, der Mutter die elterliche Sorge für alle drei Kinder zu entziehen und die beiden jüngeren Kinder - weil auch der Vater gegenwärtig zu ihrer Betreuung und Versorgung nicht in der Lage ist - fremd unterzubringen.

Ein Entzug der elterlichen Sorge oder von Teilen der elterlichen Sorge ist gerechtfertigt, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, § 1666 Abs. 1 BGB. Eine Kindeswohlgefährdung in diesem Sinne bedeutet, dass Eltern in ihrer Schutzfunktion versagt haben. Denn zwischen den als Kindeswohlgefährdung definierten Verletzungen, Entwicklungsdefiziten und Auffälligkeiten des Kindes einerseits und dem Erziehungsverhalten der Eltern andererseits besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Eine Trennung des Kindes von den Eltern erfordert nach § 1666 a BGB zudem, dass der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Danach können die beiden jüngeren Kinder vorliegend nicht im Haushalt der Mutter verbleiben.

Die Sachverständige M. hat in ihrem schriftlichen Gutachten vom 30.8.2010, dem der Senat uneingeschränkt folgt, festgestellt, dass bei Je. und A. erhebliche entwicklungspsychologische Defizite und Verhaltensauffälligkeiten im Vergleich zu anderen gleichaltrigen Kindern vorliegen.

Bei Je. bestehen Defizite im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich. Seine sprachliche Entwicklung und seine soziale Kompetenz sind nicht altersentsprechend. Eine Dyskalkulie sowie eine Lesestörung wurden diagnostiziert. Sein Leistungsvermögen kann Je. aufgrund fehlender Förderung im mütterlichen Haushalt nicht ausschöpfen. Es bestehen zudem Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Suche nach Aufmerksamkeit und Zuwendung, Bedürfnis nach körperlicher Nähe, Gefühle der Überforderung und mangelnden Anerkennung, Misserfolgsorientierung, fehlendes Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit), die auf Defizite im emotionalen Bereich hinweisen. Die Sachverständige hält eine erfolgreiche schulische Entwicklung von Je. bei einem Verbleib des Jungen im Haushalt der Mutter für gefährdet. Zwar wird Je. aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten sowie seiner erheblichen Leistungsprobleme bereits sonderpädagogisch gefördert. Dennoch hat sich die Situation nach den Angaben der Klassenlehrerin seit der Rückführung des Jungen in den Haushalt der Mutter aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23.3.2010 deutlich verschlechtert. Dies ist auch auf das Verhalten bzw. Unterlassen der Mutter zurückzuführen, da die Teilnahme von Je. an den wöchentlichen ergotherapeutischen Förderungsterminen nur unregelmäßig erfolgt, so dass bislang keine ausreichenden Therapieerfolge eintreten konnten.

Bei A. hat die Sachverständige im Vergleich zu anderen Kindern Einschränkungen bzw. Auffälligkeiten im kognitiven sowie emotionalen Bereich festgestellt. Ihre sprachliche Entwicklung ist nicht altersentsprechend. Die erhöhte Ablenkbarkeit und das eingeschränkte Konzentrationsvermögen werden durch die festgestellte Überforderung des Mädchens mit der familiären Situation deutlich verstärkt. Um eine erfolgreiche schulische Entwicklung nicht zu gefährden, ist das Mädchen auf intensive Förderung und Unterstützung angewiesen. Die Mutter ist nicht in der Lage, dies zu leisten.

Um den genannten Entwicklungseinschränkungen von Je. und A. wirksam begegnen zu können, bedarf es nach Einschätzung der Sachverständigen der Ausbildung enger und tragfähiger Beziehungen beider Kinder zu einer stabilen Bezugsperson.

Die Mutter ist nach den Ausführungen der Sachverständigen derzeit als nur eingeschränkt erziehungsfähig einzuschätzen.

Bereits das Bedürfnis der Kinder nach Sicherstellung der physiologischen Grundbedürfnisse (Kleidung, Nahrung, Hygiene, Gesundheitsfürsorge) wird von der Mutter lediglich eingeschränkt erfüllt. Es gelingt der Mutter trotz der Unterstützung durch ihre Betreuerin nicht, von sich aus die ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel so einzuteilen, dass für die Belange der Kinder ausreichend gesorgt wird. So hat die Familienhelferin bei Hausbesuchen in der Vergangenheit und bis in die Gegenwart festgestellt, dass keine ausreichenden Nahrungsmittel vorhanden sind. Die Ergotherapietermine für Je. nimmt die Mutter nur unzuverlässig wahr und erschwert damit eine adäquate und dringend notwendige Förderung des Jungen sowie eine Verbesserung seiner Situation. Während einer Klassenfahrt ist Je. durch unsaubere Kleidung aufgefallen. Als Je. kürzlich erkrankt war, konnte seine Mutter unter der von ihr angegebenen Notfallnummer nicht erreicht werden. Zudem hat sich herausgestellt, dass die Mutter den Jungen zur Schule geschickt hat, obwohl es ihm bereits am Morgen schlecht gegangen ist.

Die Mutter ist ferner nicht in der Lage, den Kindern altersangemessene Grenzen zu setzen und ihrem Bedürfnis nach Orientierung, Strukturen und Regeln gerecht zu werden. Zwar besitzt sie nach den Angaben der Sachverständigen die Fähigkeit, sich den Kindern immer wieder liebevoll zuzuwenden und zeitweise auf ihre spielerischen Initiativen positiv einzugehen. Obwohl sie darauf von Dritten bereits wiederholt hingewiesen worden ist, gelingt es der Mutter nicht, den Kindern eine ausreichende Tagesstrukturierung zu schaffen. Außerdem gibt es zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder im Tagesverlauf häufig sich selbst überlassen sind, wodurch das Bedürfnis der Kinder nach Sicherheit vernachlässigt wird. Selbst abends lässt die Mutter Je. und A. allein in der Wohnung zurück, ohne die Kinder darüber zu informieren. Diese Abwesenheit wurde sowohl von Je. als auch von A. bemerkt und gegenüber der Sachverständigen so mitgeteilt.

Das Unvermögen der Mutter, die Kinder vor dem bestehenden Alkoholproblem ihres Lebensgefährten zu schützen, weist nach Darstellung der Sachverständigen ebenfalls auf ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Mutter gegenüber den Kindern hin. Ferner ist sie nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Kinder nach neuen und entwicklungsgerechten Erfahrungen zu erfüllen. So werden von der Mutter die für die Entwicklung der Kinder wichtigen sozialen Kontakte außerhalb der Schule nicht gefördert.

Auch die Sicherstellung der schulischen Belange der Kinder gelingt der Mutter nicht in ausreichender Weise. Dies umfasst zum einen die konkrete Förderung der Kinder, die sie aufgrund ihrer eigenen, von der Sachverständigen festgestellten intellektuellen Einschränkung nicht leisten kann. Zum anderen zeigt die Mutter mangelndes Interesse und Engagement im Hinblick auf die schulischen Angelegenheiten der Kinder. Die Mutter lässt in diesem Zusammenhang aber auch externe Hilfen nicht ausreichend zu bzw. nimmt die entsprechenden Termine mit den Kindern nicht regelmäßig wahr.

Weiterhin hat die Sachverständige die fehlende Bindungstoleranz der Mutter als Erziehungseinschränkung eingestuft. Es gelingt der Mutter nicht, die Bedeutung des Vaters für die Identitätsentwicklung von Je. und A. anzuerkennen und ihnen einen freien und unkomplizierten Zugang zum Vater zu ermöglichen.

Die Untersuchungen und Beobachtungen der Sachverständigen haben deutlich gemacht, dass die Mutter aktuell nicht ausreichend in der Lage ist, die spezifischen Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen und zu erfüllen. Es ist bis heute - trotz ihrer wiederholten gegenteiligen Beteuerungen - nicht zu der aus Gründen des Kindeswohls notwendigen grundlegenden Einstellungsänderung der Mutter gekommen. Die ihr aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23.3.2010 eingeräumte Chance, die angekündigten Veränderungen in ihrem Verhalten vorzunehmen sowie Familienhilfe anzunehmen, hat sie trotz der ihr im Verhandlungstermin vom 16.3.2010 vom Senat eindringlich vor Augen geführten Folgen nicht genutzt. Die Berichte der Familienhelferin sowie der Klassenlehrer zeigen, dass die Mutter auch aktuell wiederholt reale Anforderungen vernachlässigt und somit grundlegende Bedürfnisse der Kinder unerfüllt bleiben. Auf der anderen Seite bezieht sie die Kinder zu stark in ihre eigenen Probleme mit ein, wodurch sie diese emotional überfordert. Von Dritten wird das Befinden der Kinder allgemein als „angestrengt“ und „stark strapaziert“ beschrieben.

Der Senat geht mit der Sachverständigen M. davon aus, dass die Mutter aufgrund ihrer intellektuellen Einschränkungen und ihrer eingeschränkten Konfliktbewältigungsfähigkeit sowie ihrer Fokussierung auf die eigenen Bedürfnisse nach wie vor und nicht nur in Krisensituationen die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht erkennt. Mangelnde Problemeinsicht und Lernfähigkeit, die sich in der Übergangszeit seit dem Senatsbeschluss vom 23.3.2010 bestätigt haben, rechtfertigen die Annahme, dass die Mutter voraussichtlich auch in der Zukunft nicht ausreichend in der Lage ist, Je. und A. die notwendige Stabilität und Kontinuität zu vermitteln, die sie für ihre emotionalen, kognitiven und sozialen Bedürfnisse benötigen.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Erziehungsfähigkeit und Förderkompetenz der Mutter erheblich eingeschränkt ist. Entsprechendes gilt für ihre Bereitschaft, Hilfen zu akzeptieren und diese umzusetzen. Die gerichtlichen Auflagen wurden nicht erfüllt (z. B. Kooperation mit der Familienhelferin und der Sachverständigen, Einhaltung der Umgangskontakte mit dem Vater). Es ist somit nicht zu einer Verbesserung der Situation für die Kinder gekommen, obwohl die Mutter wusste, dass es aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23.3.2010 gilt, ihre Zusagen, in Zukunft öffentliche Hilfen annehmen und nutzen zu wollen, in der Praxis unter Beweis zu stellen. Ein Verbleib der Kinder im Haushalt der Mutter birgt das Risiko, dass sich die bestehenden Verhaltensprobleme und die schulischen Probleme der Kinder als Folge einer emotionalen, sozialen und kognitiven Vernachlässigung im Haushalt der Mutter weiter verfestigen. Daher ist vorliegend in Übereinstimmung mit den Familienhelfern eine psychosoziale Verwahrlosung festzustellen, die die Grenze der Kindeswohlgefährdung überschreitet. Das Verhalten der Mutter seit der einstweiligen Anordnung des Senats vom 23.3.2010 macht deutlich, dass die Gewährung ambulanter Hilfen nicht ausreichend ist, um die deutlichen Erziehungseinschränkungen der Mutter zu kompensieren und die Gefährdung aufzufangen. Das tatsächliche Verhalten der Mutter macht deutlich, dass ihre Kooperations- und Lernfähigkeit sowie ihre Veränderungsbereitschaft nicht genügend ausgebildet und vorhanden sind. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit stehen gegenwärtig keine milderen Mittel als die Herausnahme von Je. und A. aus dem Haushalt der Mutter zur Verfügung.

Zwar haben Je. und A. übereinstimmend den Wunsch zum Ausdruck gebracht, in Zukunft bei der Mutter leben zu wollen. Es gebe dort nichts, was ihnen nicht gefalle. Die Sachverständige hat jedoch festgestellt, dass die Willensäußerung von Je. als wenig intensiv, zielorientiert und stabil angesehen werden könne, da er gleichzeitig angab, es im Heim und beim Vater sei es ebenfalls „lustig“ gewesen, er wisse nicht, ob er gerne im Heim geblieben wäre. Zwar habe A. deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihr bei der Mutter besser gefalle als beim Vater oder im Heim. Sie habe dies aus kindlicher Perspektive erlebnisgestützt, autonom und zielorientiert begründet. Die Sachverständige hat jedoch herausgearbeitet, dass eine Umsetzung des Kindeswillens unter den gegebenen Umständen dem Kindeswohl schaden würde. Es ist daher vorliegend von einem selbstgefährdenden Kindeswillen auszugehen, dem nicht zu folgen ist.

Dem Vater bescheinigt hat die Sachverständige, dass er sich sehr intensiv um den Sohn J. bemüht. Insoweit ergaben sich keine Zweifel an der Bereitschaft und Fähigkeit des Vaters, J. verantwortungsvoll und angemessen zu betreuen, zu versorgen und zu erziehen. Auflagen des Gerichts, mit dem Jugendamt und dem Familienhelfer zusammenzuarbeiten, werden von ihm zuverlässig und mit ausgeprägter Bereitschaft zur Kooperation erfüllt. Dem Familienhelfer zufolge hat sich im Verlauf der öffentlichen Hilfeleistung ein gutes „Arbeitsbündnis“ entwickelt. Gemeinsam sei viel erreicht worden, da der Vater sich auf die Hilfe eingelassen habe und Ratschläge annehme.

Die Sachverständige hat gleichwohl eingeschätzt, dass der Vater trotz der positiven Beurteilung seiner Bemühungen bei einem Wechsel von Je. und A. in seinen Haushalt zum aktuellen Zeitpunkt überfordert wäre. J.s Betreuung und Versorgung stellt hohe Anforderungen an ihn. Hinzu kommt, dass Je. und A. aufgrund ihrer bestehenden erheblichen Defizite im kognitiven und emotionalen ebenfalls erhöhte Anforderungen an ihn stellen würden, die der Vater gegenwärtig nicht auch noch leisten kann. Der Senat folgt daher der Empfehlung der Sachverständigen, dass für Je. und A. zunächst eine Fremdunterbringung geboten ist. Die Kinder müssen dabei Gelegenheit erhalten, sich einzugewöhnen und zu stabilisieren. Im Übrigen wird nach Ablauf von etwa einem halben bis einem Jahr erneut zu überprüfen sein, wie sich die Umgangskontakte und die Beziehungen von Je. und A. zum Vater sowie der drei Geschwister untereinander gestalten und ob zukünftig - zu einem jetzt noch nicht bestimmbaren Zeitpunkt - ein Wechsel von Je. und A. in den Haushalt des Vaters möglich ist.

Soweit es die Beschwerde des Vaters betrifft, haben sich die Eltern im Senatstermin vom 16.3.2010 geeinigt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. auf den Vater allein übertragen werden soll. Dem ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu entsprechen.

Soweit es um Je. und A. geht, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass gegenwärtig eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die beiden jüngeren Kinder auf den Vater allein im Interesse des Kindeswohls nicht in Betracht kommt, jedoch zukünftig eine entsprechende Überprüfung zu erfolgen hat.

Der Vater ist bereit, zum Wohle seiner Kinder mit den Erziehern und dem Jugendamt zu kooperieren, was sich in seinem konkreten Handeln und dem positiven Verlauf der Familienhilfe zeigt. Termine beim Jugendamt wurden vom Vater stets verlässlich eingehalten. Er ist bereit und in der Lage, Familienhilfe anzunehmen und mit Helferin bzw. Helfer eng zusammenzuarbeiten. Im Hinblick darauf geht der Senat davon aus, dass der Vater in der Lage ist, die Teile der elterlichen Sorge, die ihm aufgrund der Entziehung des Sorgerechtes aufseiten der Mutter „angewachsen“ sind (z. B. Gesundheitsfürsorge, schulische Angelegenheiten), für alle drei Kinder verantwortungsvoll allein wahrzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 FGG a. F, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO a. F.


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(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.