Arbeitsrecht: Keine Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität durch individualvertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrags

bei uns veröffentlicht am05.06.2009
Zusammenfassung des Autors

Die individualvertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages begründet nicht dessen tarifrechtliche Geltung und kann daher nicht zu einer Tarifkonkurrenz oder einer Tarifpluralität führen - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin 

Das BAG hat mit dem Urteil vom 22.10.2008 (Az.: 4 AZR 784/07) folgendes entschieden:

Die Bestimmungen eines vertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags können deshalb nicht im Wege der Auflösung einer Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen Spezialitätsgrundsatz verdrängt werden.

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. August 2007 - 2 Sa 65/06 - wird zurückgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 11. Januar 2006 - 5 Ca 1472/05 - wird unter Nr. 1 klarstellend wie folgt neu gefasst: Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23. November 2005 - 5 Ca 1472/05 - wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT-O (Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände) und die diesen bis zum 31. Dezember 2004 ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.


Tatbestand
    
Die Parteien streiten darüber, welches Tarifwerk auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1991 als Vollzeitbeschäftigte bei dem Beklagten tätig und gewerkschaftlich nicht organisiert. Der zwischen den Parteien am 27. Juni 1991 geschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
             „§ 2
             Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O (Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie nach den für Angestellte des Arbeitgebers im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen.“
   
Der Beklagte war vom 3. Mai 1991 bis einschließlich des 31. Dezember 2004 Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Thüringen (nachfolgend: KAV). Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 trat er der „P Tarifgemeinschaft Thüringen e.V. - PATT -“ (nachfolgend: PATT) bei. Der PATT hatte mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen - Bundesverband - bereits am 8. Dezember 2003 einen zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Rahmentarifvertrag geschlossen.
   
Der Beklagte legte der Klägerin im Monat Dezember 2004 einen Arbeitsvertragsentwurf vor, der ab dem 1. Januar 2005 gelten sollte und auszugsweise wie folgt lautete:
             „§ 1
             Inhalt und Beginn des Arbeitsverhältnisses
             … Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach den Vorschriften der Tarifverträge der P Tarifgemeinschaft Thüringen e.V. vom 8. Dezember 2003 und deren ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.“
   
Diesen Entwurf unterzeichnete die Klägerin nicht, weil sie ua. nicht bereit war, die sich hieraus ergebenden Entgeltkürzungen zu akzeptieren. Ab dem Monat Januar 2005 rechnete die Beklagte das Arbeitsverhältnis im Wesentlichen nach den Regelungen des Tarifwerkes der PATT ab.
   
Die Klägerin hat mit ihrer Klage zunächst Zahlung der Differenzvergütung verlangt, die sich bei Anwendung des BAT-O und der ihn ergänzenden Vergütungstarifverträge (Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände, nachfolgend: BAT-O) im Vergleich zu dem ihr geleisteten und nach dem Tarifwerk des PATT berechneten Entgelt ergibt. Ihre Leistungsklage änderte sie erstinstanzlich in ein Feststellungsbegehren. Die Anwendung des BAT-O ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrages. Es handele sich dabei um eine Gleichstellungsabrede. Eine darüber hinausgehende Tarifwechselklausel sei nicht vereinbart. Dem Zusatz „sonstige Regelungen“ in § 2 des Arbeitsvertrages komme für die Bestimmung des in Bezug genommenen Tarifvertrages keine Bedeutung zu. Insbesondere könne diese Formulierung nicht als Tarifwechselklausel interpretiert werden.
   
Die Klägerin hat in der Sache beantragt, festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien der BAT-O (Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände) und die diesen bis zum 31. Dezember 2004 ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden, hilfsweise, festzustellen, dass die Klägerin nach der VergGr. VII des Vergütungstarifvertrages zwischen der P Tarifgemeinschaft Thüringen e.V. und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen vom 8. Dezember 2003 zu vergüten ist.
   
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, im Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 sei nicht nur eine Gleichstellungsabrede vereinbart worden. Aus der Formulierung „jeweils geltenden sonstigen Regelungen“ ergebe sich, dass für den Arbeitnehmer diejenigen Tarifbestimmungen gelten sollten, die auch für die anderen Angestellten maßgeblich seien. § 2 des Arbeitsvertrages enthalte eine dynamische Verweisung auf den jeweils einschlägigen, für den Beklagten maßgeblichen Tarifvertrag. Sonst würden im Betrieb des Beklagten zwei verschiedene Tarifverträge gelten. Die Vorinstanzen hätten verkannt, dass kein Betriebsübergang mit einem Arbeitgeberwechsel vorliege, sondern sich nur die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers geändert habe. Bei der Auslegung des Parteiwillens habe die besondere Situation des Arbeitgebers als gemeinnütziger Verein im Vordergrund zu stehen. Im Jahre 1991 hätten sich die Parteien keine Gedanken darüber gemacht, ob und inwieweit es überhaupt zu einem Tarifwechsel kommen könne. Sinn der Regelung sei es, eine Anpassung an zukünftige Gegebenheiten vornehmen zu können.
   
Das Arbeitsgericht hat der Klage zunächst durch Versäumnisurteil stattgegeben und dann den Einspruch des Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.


Entscheidungsgründe
   
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Berufung zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich kraft der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auch nach dem Beitritt der Beklagten in den PATT nach dem BAT-O und den diesen bis zum 31. Dezember 2004 ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerkes auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Klägerin klargestellten Feststellungsbegehren kann der Streit der Parteien über den Umfang der zukünftigen Leistungspflichten, der sich aus der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ergibt, bereinigt werden.

Der BAT-O und die diesen bis zum Verbandsaustritt der Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 2004 ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge finden auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung.

Der Senat folgt der zutreffenden Vertragsauslegung der Vorinstanzen. Durch den Austritt des Beklagten aus dem KAV mit Ablauf des 31. Dezember 2004 hat die Anbindung an die dynamische Entwicklung der tarifrechtlich geregelten Arbeitsbedingungen geendet. Die Ablösung des BAT-O durch den TVöD zum 1. Oktober 2005 bleibt ohne Einfluss auf den Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrags.

Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages wie des streitgegenständlichen durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.

Der BAT-O einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten kraft Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 27. Juni 1991 als Vertragsrecht anzuwenden. Die Maßgeblichkeit des BAT-O beruht zwischen den Arbeitsvertragsparteien allein auf dieser konstitutiven vertraglichen Vereinbarung. Denn die Klägerin ist nicht tarifgebunden. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Die Parteien stimmen ebenfalls darin überein, dass es sich bei der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages um eine dynamische Verweisung auf den BAT-O handelt. Sie verstehen diese Verweisungsklausel zutreffend als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung, nach welcher eine in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten und vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf ein Tarifwerk, an das der Arbeitgeber selbst gebunden ist, regelmäßig die Gleichstellung der bei ihm beschäftigten nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen bezweckt.

Die angeführte Auslegung von Altverträgen hat zur Folge, dass die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, so im vorliegenden Rechtsstreit durch den Austritt des Beklagten aus dem zuständigen Arbeitgeberverband. Der Gleichstellungsgehalt einer solchen Vereinbarung ist nach dieser Rechtsprechung auf den Zusammenhang zwischen der Dynamik der Bezugnahme und der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die bezeichneten Tarifverträge beschränkt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten enthält die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages keine Verweisung auf das Tarifrecht der PATT. Die Parteien haben keine sog. Tarifwechselklausel vereinbart. Der Gleichstellungszweck, den die Bezugnahme im Arbeitsvertrag verfolgt, rechtfertigt keine solche Auslegung.

Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel gibt keine ausreichenden Hinweise darauf, dass eine Tarifwechselklausel vereinbart worden ist. § 2 des Arbeitsvertrages verweist auf den BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Zu „diesen“ Tarifverträgen zählen nicht die Tarifverträge des PATT. Es handelt sich nicht um Tarifverträge, die iSv. § 2 des Arbeitsvertrages an die Stelle des BAT-O getreten sind. Namentlich ist der BAT-O nicht durch das Tarifwerk des PATT abgelöst worden. Jenes wurde von anderen Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Beides macht der Beklagte auch nicht mehr geltend.
   
Die Tarifverträge des PATT sind auch nicht durch die Formulierung „nach den für Angestellte des Arbeitgebers im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen“ in Bezug genommen. Das ergibt der Wortlaut der Bestimmung. Die Bezugnahmeklausel bezieht sich allein auf solche Regelungen, die - als „sonstige Regelungen“ -über die im BAT-O getroffenen Regelungen hinaus und regelmäßig neben ihm gelten und nicht auf Tarifverträge, die von anderen Tarifvertragsparteien abgeschlossen dieselben Regelungsbereiche an dessen Stelle regeln. Verdeutlicht wird dies durch die Verwendung des Wortes „sowie“, synonym für „darüber hinaus“ oder „ferner“. Dieser Teil der Bezugnahmeklausel regelt nicht die Ablösung des in der Arbeitsvertragsklausel vorstehend in Bezug genommenen Tarifrechts des BAT-O. Sonstige Anhaltspunkte, die Bezugnahmeklausel nach § 2 des Arbeitsvertrages sei bereits ihrem Wortlaut nach als Tarifwechselklausel auszulegen, sind nicht erkennbar. Von daher ist es für die Arbeitnehmer, mit denen ein Arbeitsvertrag wie mit der Klägerin abgeschlossen wurde, nicht offensichtlich, dass aufgrund dieses Vertrages nunmehr das Tarifwerk des PATT gelten soll, wie es der Beklagte meint.

Die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche kann über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung - Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich bzw. betrieblich geltenden Tarifvertrag - ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt. Das ist auch der Standpunkt der weit überwiegenden Meinung im Schrifttum, in dem zwischen dem Typus der sog. kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel, bei der sich die Dynamik allein auf das zeitliche Moment bezieht, und demjenigen der sog. großen dynamischen Verweisung oder Tarifwechselklausel unterschieden wird, die auch in betrieblicher oder fachlicher Hinsicht dynamisch wirkt.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass er an dieser Unterscheidung festhält. Denn die Arbeitsvertragsparteien haben die Möglichkeit, die Rechtsfolge eines Tarifwechsels ausdrücklich zu vereinbaren. Sie bestimmen mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Inbezugnahme. Wollen die Arbeitsvertragsparteien auch für den Fall einer durch einen Verbandswechsel geänderten Tarifbindung des Arbeitgebers die Gleichstellung des Arbeitnehmers auf der Grundlage des dann einschlägigen Tarifrechts, haben sie die Möglichkeit, den Typus der Tarifwechselklausel zu wählen. Schlicht unterstellt werden kann der Wille zum Tarifwechsel nicht. Ein Arbeitnehmer kann sich gezielt um eine Anstellung bei einem Arbeitgeber bemüht haben, der die Vorschriften des öffentlichen Dienstes anwendet, um diese tariflichen Arbeitsbedingungen zu erhalten (vgl. Senat 4. Juni 2008 - 4 AZR 308/07).

Das Argument des Beklagten, die vertragliche Inbezugnahme des BAT-O sei dann anders zu beurteilen, wenn es sich nicht um einen Arbeitgeberwechsel infolge eines Betriebsübergangs handele, sondern „lediglich um einen Verbandswechsel innerhalb derselben Branche“, verkennt, dass es sich hier um die Auslegung einer vertraglichen Abrede handelt. Für deren Auslegung ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sich die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers durch einen Arbeitgeberwechsel infolge eines Betriebsübergangs oder durch einen Verbandswechsel des Arbeitgebers ändert.

Die Revision kann sich im diesem Zusammenhang nicht auf die Entscheidung des Senats vom 4. September 1996 stützen. Diese betraf zwar eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte, und im Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahingehend ausgelegt wurde, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart sei. Grundlage dieses Verständnisses war aber der Umstand, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der auch die Klägerin angehörte. Ob eine solche Auslegung möglich ist, wenn die Tarifverträge von verschiedenen Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes oder von Gewerkschaften außerhalb dieser Organisation abgeschlossen wurden, ist in der Entscheidung ausdrücklich offengelassen worden.

Es muss vorliegend nicht abschließend darüber befunden werden, ob der Senat an der wiedergegebenen Rechtsprechung trotz der dagegen erhobenen nachvollziehbaren Kritik festhält. Denn die Entscheidung betraf eine anders gelagerte Fallgestaltung als die vorliegende. Hier ist die Klägerin nicht tarifgebunden. Zudem hat der Verbandswechsel der Beklagten zur Folge, dass für die Klägerin, wendete man die genannte Rechtsprechung gleichwohl entsprechend an, nunmehr ein Tarifvertrag Anwendung fände, der nicht von der Gewerkschaft geschlossen wurde, die Tarifvertragspartei des in Bezug genommenen BAT-O ist. Unter diesen Umständen verbleibt es in jedem Fall bei der Regel, wonach sich der Inhalt einer auf ein bestimmtes Tarifwerk verweisenden Gleichstellungsabrede darin erschöpft, dass für das Arbeitsverhältnis nur die genannten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung einschließlich etwaiger Ergänzungen anzuwenden sind (Senat 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296) .

Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung des Parteiwillens rechtfertigen könnten, liegen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Diese sind für das Revisionsgericht bindend. Der Beklagte hat bereits keine zulässige Verfahrensrüge erhoben, mit der diese Feststellungen in Frage gestellt werden könnten.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus dem von dem Beklagten angeführten Umstand, dass in seinem Betrieb sonst zwei unterschiedliche Tarifverträge Anwendung finden würden, was durch den Grundsatz der Tarifeinheit und der Tarifspezialität vermieden werden solle.

Nach der Rechtsprechung des Senats führt der Grundsatz der Tarifeinheit dazu, dass eine Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Spezialität zugunsten des spezielleren Tarifvertrages unter Verdrängung des anderen erfolgt (Senat 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330) . Ob der Senat an dieser Rechtsprechung weiterhin festhält, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Selbst wenn man die im Betrieb des Beklagten bis zur Ablösung des BAT-O durch den TVöD bestehende Tarifpluralität nach dem Spezialitätsprinzip durch Verdrängung des BAT-O zugunsten der Tarifverträge des PATT auflöst, hat dies nicht zur Folge, dass die Bestimmungen des BAT-O nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwenden sind. In diesem Fall sind sie als vertragliche Arbeitsbedingungen aufgrund der Vereinbarung in § 2 des Arbeitsvertrages weiterhin Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Der Grundsatz der Tarifeinheit wirkt für Fälle der Tarifpluralität auf die sich an sich aus § 3 und § 4 Abs. 1 TVG ergebende Pflicht des Arbeitgebers ein, in jedem Arbeitsverhältnis die aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit jeweils geltenden Tarifverträge anzuwenden. Die Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit führt nicht zu einer Korrektur des im Arbeitsvertrag privatautonom gebildeten, übereinstimmenden Willens, im Arbeitsverhältnis einen bestimmten Tarifvertrag maßgebend sein zu lassen.

Vom 1. Januar 2005 bis zur Ablösung des BAT-O durch den TVöD zum 1. Oktober 2005 war im Betrieb des Beklagten eine Tarifpluralität gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt Tarifpluralität vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifbindung nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet. Für die Annahme einer Tarifpluralität hat es der Senat ausreichen lassen, wenn es aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an zwei verschiedene Tarifverträge nicht ausgeschlossen ist, dass wegen der unterschiedlichen Tarifbindung von Arbeitnehmern mehrere miteinander konkurrierende Tarifverträge mit ganz oder teilweise identischem Geltungsbereich im selben Betrieb gleichzeitig Anwendung finden müssten.

Diese Voraussetzungen lagen im Betrieb des Beklagten für den genannten Zeitraum vor. Der Beklagte war durch seinen zum 1. Januar 2005 erfolgten Beitritt zur PATT an die von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Durch den zum 31. Dezember 2004 erfolgten Verbandsaustritt des Beklagten aus dem KAV bestand zugleich gemäß § 3 Abs. 3 TVG eine Nachbindung des Beklagten an den BAT-O bis zu dessen Ablösung durch den TVöD nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 TVÜ-VKA. Für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer fand nach den allgemeinen Regeln je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung. Dem nach § 3 Abs. 3 TVG weitergeltenden BAT-O kam tarifrechtlich kein Vorrang zu.

In einem solchen Fall der Tarifpluralität gilt nach der bisherigen Rechtsprechung aufgrund des Grundsatzes der Spezialität derjenige Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung trägt (s. nur Senat 20. März 1991 -  4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330 ) .

Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten davon ausgeht, die Tarifverträge des PATT stellten sowohl räumlich als auch fachlich die speziellere Regelung dar, würde eine Verdrängung des BAT-O nach den dargestellten Grundsätzen der Tarifeinheit nicht zur Folge haben, dass dessen Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht mehr anzuwenden wären.

Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen im Wege der Auflösung einer Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrags nicht zu einer Tarifkonkurrenz kommen. Es geht nicht um die Konkurrenz zweier Normenverträge. Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglich in Bezug genommenen Regelungen das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG. Ebenso wenig kann die Auflösung einer Tarifpluralität dazu führen, dass die Bestimmungen eines individualvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrages verdrängt werden. Fehlt es - wie im vorliegenden Rechtsstreit - an einer Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers, verbleibt es bei der arbeitsvertraglichen Regelung. Diese sieht hier die Anwendung des BAT-O einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge vor.

Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 20. März 1991 angenommen hat, auch eine vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages könne zu einer Tarifkonkurrenz oder einer Tarifpluralität führen, weil sie „eine Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrages“ bewirke und der Ursprung der Tarifgeltung ohne Bedeutung sei, wird diese Auffassung im Anschluss an das Senatsurteil vom 29. August 2007 ausdrücklich aufgegeben.

 

Gesetze

Gesetze

7 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 3 Tarifgebundenheit


(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. (2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, der

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Tarifvertragsrecht

Referenzen

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.