Umgehung der Nachgründungskosten bei der Ltd durch grenzüberschreitende Sitzverlegung?

bei uns veröffentlicht am27.10.2008

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Gesellschaftsrecht - Umwandlungsrecht - Insolvenzrecht - Europarecht - Wirtschaftsrecht - Rechtsanwalt Dirk Streifler - Berlin Mitte

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Eintragung einer Verschmelzung in das Handelsregister trotz Überschuldung des übertragenden Rechtsträgers

 

Deutsche Ltd.-Gründer sollten nicht versäumen ihren laufenden Pflichten gegenüber britischen Behörden nachzukommen. Ansonsten droht Unternehmensliquidation.

Gründer einer Ltd. kennen die unangenehmen Begleiterscheinungen dieser Rechtsform nur allzu gut. Regelmäßige Kosten für die Unterhaltung einer „Scheinadresse“ in Großbritannien und die jährliche Abgabe einer Steuererklärung bei den britischen Behörden, sind die Pflichten, von denen einen auch die gewiefteste Internetagentur nicht entbinden kann. Die Frage, was denn dieser ganze Zirkus soll, ist mehr als berechtigt, Umgehungsmöglichkeiten gibt es aber nicht.

Schuld an dem ganzen Schlamassel ist die etwas verworrene europäische Rechtslage.

Die bisherige Praxis sieht so aus, dass eine Ltd. nach englischem Recht in Großbritannien gegründet wird und dann eine Zweigniederlassung, auch Tochtergesellschaft genannt, in Deutschland gründet. Dass letztere Gründung weder von deutschen noch britischen Behörden verhindert werden darf, leitet der europäische Gerichtshof aus der im Vertrag der europäischen Gemeinschaft in Art. 43 verankerten Niederlassungsfreiheit ab. Meilensteine dieser Entwicklung sind die Gerichtsurteile "Centros" und "Inspire Art". In Centros stellte der EuGH klar, dass eine in England rechtmäßig gegründete Ltd. auch Anspruch auf Eintragung in das Handelsregister eines jeden Mitgliedstaates der EU hat. In „Inspire Art“ befand der EuGH, dass dieser Anspruch auch dann gelte, wenn die Ltd. nur zur Umgehung nationaler Vorschriften gegründet wurde. Im Klartext heißt das: Ein Deutscher kann eine Ltd. in England gründen und über eine Zweigniederlassung in Deutschland tätig sein, obwohl er mit der in England bestehenden Hauptniederlassung nicht wirtschaftlich tätig ist und auch wenn die Zweigniederlassung nur zur Umgehung deutscher GmbH-Rechtsvorschriften gegründet wurde.

Na toll, denkt sich da der genervte Unternehmer, wieso muss ich denn erst eine Niederlassung in England auf mich nehmen um in Deutschland tätig zu werden, wenn aller Welt klar ist, dass die Niederlassung dort nur zum Schein besteht. Kann ich mir diesen Umweg nicht sparen?

Juristisch gesehen gibt es für die Umgehung der Anmeldung nur zwei Möglichkeiten: Gründung einer Ltd. in Deutschland und die Verlagerung des Satzungssitzes der in England gegründeten Ltd. nach Deutschland. Die bestehende Rechtslage steht jedoch beiden Möglichkeiten entgegen.

Die Gründung einer Ltd. in Deutschland direkt ist unmöglich, da die deutsche Rechtsordnung diese Rechtsform nicht vorsieht, der „Typenzwang“ des deutschen Gesellschaftsrechts solch eine Gründung verbietet. Die einzige Möglichkeit ein Recht auf Gründung zu erstreiten, ist eine Klage bis vor den europäischen Gerichtshof, der als Einziger befugt ist, bestimmte deutsche Regelungen für nicht anwendbar zu erklären. Als Deutscher kann man sich aber bei der Gründung einer Ltd. in Deutschland nicht auf Europarecht berufen, da hier der zwischenstaatliche Bezug fehlt, und auch für Engländer die eine Ltd. in Deutschland gründen wollen, bestehen nach weitaus herrschender Ansicht keine Chancen damit beim EuGH durchzukommen.

Damit bleibt also nur noch die zweite Variante: Verlagerung des Satzungssitzes einer in England gegründeten Ltd. nach Deutschland. Nach englischem Recht bedarf die Sitzverlegung einer Gesellschaft ohne Löschung aus dem Register der Genehmigung durch das Finanzministerium. Die Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit Europarecht wurde vom EuGH im Fall „Daily Mail“ (EuGHE 1988) bestätigt. Der Gerichtshof weist zwar in Rn. 16 darauf hin, dass die Niederlassungsfreiheit sinnentleert wären, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, stellt aber fest, dass die Unternehmen von ihrer Freiheit in anderer Weise als der Hauptsitzverlegung Gebrauch machen können. Diese Rechtsprechung bestätigte der Gerichtshof ausdrücklich in dem aktuelleren „Überseering“ von 2003 und stellt in Rn. 81 fest: Eine Gesellschaft habe jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regele, keine Realität! Die Chancen für eine erfolgreiche Klage auf Anspruch der Verlegung des Satzungssitzes gehen nach diesem eindeutigen Urteil gegen Null.

Inhaber einer Ltd. müssen sich somit nach wie vor mit den lästigen Folgeerscheinungen einer Ltd.-Gründung rumschlagen.

Die einzige Möglichkeit, die sich aufdrängt ist daher lediglich die kostenintensivere grenzüberschreitende Unternehmensumwandlung.


RA Dirk Streifler


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