Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2013 - 1 StR 162/13

bei uns veröffentlicht am05.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 162/13
vom
5. September 2013
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
1. Zur Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben.
2. Auch aus einer (versuchten) Nötigung kann der Täter etwas erlangen.
3. Zur Fassung des Urteilstenors bei einer Entscheidung gemäß § 111i
Abs. 2 StPO.
BGH, Beschluss vom 5. September 2013 - 1 StR 162/13 - LG Essen
wegen versuchter Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2013 beschlossen
:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 13. Dezember 2012 wird als unbegründet
verworfen. Jedoch wird der Tenor des angefochtenen Urteils
hinsichtlich der Verfallsentscheidung wie folgt geändert:
Es wird festgestellt, dass wegen eines Geldbetrags in Höhe
von 139.690,33 Euro, den der Angeklagte aus den Taten erlangt
hat, von der Anordnung von Wertersatzverfall nur deshalb
abgesehen wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Zudem wurde festgestellt, dass hinsichtlich eines Geldbetrages in Höhe von 139.690,33 Euro wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt werden konnte (§ 111i Abs. 2 StPO). Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Dies bedarf der näheren Ausführung nur zu einigen Aspekten des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung sowie zu einigen Aspekten der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.

A.


I.


2
Soweit hier von Bedeutung ergeben die rechtsfehlerfreien Urteilsfeststellungen folgenden Sachverhalt:
3
1. Zu den Betrügereien des gesondert verfolgten Ö. :
4
Ab März 2009 hatte der gesondert verfolgte Ö. den Gewinnspielein- tragungsdienst „e. “ über die von ihm in der Schweiz gegründete T. AG vertrieben, wobei diese sich externer - überwiegend in der Türkei ansässiger - Call-Center bediente. Auch die Verträge wurden in näher bezeichneter Weise telefonisch abgeschlossen; hierbei erteilten die Kunden auch die Ermächtigung zum Lastschrifteinzug. Eine Eintragung der Kunden als Teilnehmer an Gewinnspielen erfolgte nicht. Gleichwohl ließ Ö. die Teilnehmerbeiträge bei den Kunden mittels des Lastschriftverfahrens einziehen.
5
Nachdem es bei immer mehr Kunden aus unterschiedlichen Gründen zu Rücklastschriften gekommen war, wollte Ö. diese Kunden durch ein Anwaltsschreiben so einschüchtern, dass sie die in Wahrheit unberechtigten Forderungen bezahlten.
6
Außerdem hatte Ö. Rücklastschriften aus einem anderweit vertriebe- nen „Gewinneintragungsprodukt“ namens „w. “ angekauft. Er ging dabei davon aus, dass auch hier die Kunden tatsächlich nicht bei Gewinnspielen eingetragen worden waren. Anhaltspunkte dafür, dass er sich insoweit geirrt hätte, sind nicht ersichtlich.
7
2. Verabredung zwischen Ö. und dem Angeklagten:
8
Ö. konnte den damals als Syndikus tätigen Angeklagten als „Inkas- soanwalt“ für das „Masseninkasso“ gewinnen, nachdem er ihm Inhalt und Ver- triebssystem der Gewinnspieleintragungsdienste erläutert hatte.
9
Ö. und der Angeklagte vereinbarten im Wesentlichen Folgendes:
10
Der Angeklagte sollte je ein Mahnschreiben an die Kunden von „e. “ und an die „Rücklastschriftkunden“ von „w. “ entwerfen. Ö. würde den jeweiligen Entwurf anschließend um die betreffenden Kundendaten ergänzen und dann als individualisierte Anschreiben an die Kunden von „e. “ und „w. “ versenden lassen. Schreiben von Kunden sollte der Angeklagte beantworten; soweit diese sich beschwerten, „kündigten“ oder Strafanzeige erstatteten, sollte er ohne weitere Rücksprache diesen etwa bereits früher geleistete Zahlungen zurückerstatten. Kunden, die nicht zahlten, sollten keinesfalls verklagt oder angezeigt werden.
11
Wie viel Geld der Angeklagte für seine Tätigkeit - zur Ermöglichung von Steuerhinterziehung im Wesentlichen in bar - erhalten sollte, sollte letztlich von der Höhe der eingehenden Zahlungen abhängig sein. Weitere Einzelheiten wurden nicht festgelegt.
12
Schriftlich niedergelegt wurde - soweit ersichtlich - nichts.
13
3. Zu den einzelnen „Mahnaktionen“:
14
a) Erste „Mahnaktion“ (Tat Ziffer II.1 der Urteilsgründe):
15
Abredegemäß entwarf der Angeklagte je ein Mahnschreiben an die Kun- den von „e. “ und an die Kunden von „w. “.
16
(1) Mahnschreiben „e. “:
17
Der Entwurf des Angeklagten für die Kunden von „e. “ lautet auszugsweise wie folgt: „Sehr geehrter Herr/Frau […], hierdurch zeige ich an, die rechtlichen Interessen der T. … zu vertreten. Meine Mandantin ist Inhaberin der Forderung … aus der … Dienstleistung „e. “… . Die telefonische Auftragserteilung durch Sie … wurde … aufgezeichnet und Sie wurden … für eine Vielzahl von Gewinnspielen angemeldet; die vereinbarte Leistung wurde erbracht. Leider hat meine Mandantin feststellen müssen, dass das vereinbarte Entgelt nicht von Ihrem Konto eingezogen werden konnte, obwohl Sie im Rahmen der Auftragserteilung eine Einzugsermächtigung erteilt hatten … . Ich bin nunmehr mit der Durchsetzung der berechtigten Forderung gegen Sie beauftragt worden; dies werde ich konsequent tun.
Da Sie sich bereits in Verzug befinden, stellt meine Mandantin das gesamte, für die verbleibende Restlaufzeit des Vertrages vereinbarte Entgelt gemäß der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fällig und Sie haben zusätzlich auch die Kosten meiner Inanspruchnahme zu tragen. Damit ergibt sich die folgende Gesamtforderung: Hauptforderung: 95,70 € _____________________________________________________ Gebührenforderung: 1,3 Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG 32,50 € Post- u. Telekomm.- Entgelte gem. Nr. 7200 VV RVG 6,50 € Summe Gebühren: 39,00 € Rücklast-/Auskunfts-/Mahnkosten meiner Mandantin: 8,50 € Gesamtforderung: 143,20 € Ich fordere Sie hiermit auf, die obige Gesamtforderung hier eingehend bis spätestens zum […] auf mein (...) Konto zu überweisen. (…) Nach fruchtlosem Ablauf obiger Frist wird meine Mandantin ihre Forderung - ohne weitere Ankündigung - gerichtlich geltend machen; hierdurch würden Ihnen ganz erhebliche zusätzliche Kosten und Unannehmlichkeiten entstehen. So würde im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch öffentlich, dass Sie vereinbarungsgemäß auch zu Gewinnspielen nicht jugendfreien Inhalts angemeldet wurden. Die möglichen Folgen einer gerichtlichen Auseinandersetzung können von Negativeinträgen bei bekannten Kreditauskunfteien bis hin zu Konten- und Gehaltspfändungen reichen. Dies alles
lässt sich vermeiden, wenn Sie nun Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und Zahlung leisten. Sollte die obige Gesamtforderung von Ihnen dennoch nicht fristgerecht gezahlt werden, behält sich meine Mandantin darüber hinaus vor, den Sachverhalt der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts eines Betruges vorzulegen. (...) Hochachtungsvoll

A.

Rechtsanwalt - maschinell erstellt, ohne Unterschrift gültig -“.
18
Das in dem Entwurf genannte Konto hatte der Angeklagte eigens für Zahlungseingänge der Kunden von „e. “ eingerichtet.
19
(2) Mahnschreiben „w. “:
20
Der Entwurf des Angeklagten für die Kunden von „w. “ stimmte weitgehend mit dem Entwurf des Schreibens von „e. “ überein, auch hinsichtlich der geltend gemachten Geldbeträge. Lediglich der Hinweis auf die Teilnahme an „Gewinnspielen nicht jugendfreien Inhalts“ war hier entfallen. Außerdem war ein anderes - ebenfalls eigens hierfür eingerichtetes - Konto angegeben.
21
(3) Abwicklung:
22
Insgesamt ließ Ö. ab dem 9. Juni 2009 bis Mitte Juli 2009 8.873 Briefe an Kunden von „e. “ und „w. “ versenden, was ins- gesamt zu einem Geldeingang in Höhe von 190.940,97 Euro auf den vom Angeklagten eingerichteten Konten führte. Es ist jedoch nicht sicher, ob die Kun- den „nur aufgrund der Androhung mit einer Strafanzeige und nicht schon aufgrund des Drucks eines anwaltlichen Mahnschreibens gezahlt haben“.
23
b) Zweite „Mahnaktion“ (Tat Ziffer II.2 der Urteilsgründe):
24
Der Erfolg der ersten „Mahnaktion“ veranlasste Ö. zu einer weiteren, im Ablauf identischen, aber noch umfangreicheren zweiten „Mahnaktion“.
25
Er hatte hierfür die Schweizer Gesellschaft U. AG gegründet. Diese kaufte Forderungen von insgesamt drei Firmen aus behaupteten Gewinnspieleintragungen gegen „Rücklastschriftkunden“. Eine dieser Firmen gehörte Ö. selbst; an einer weiteren Firma war er hälftig beteiligt. Hinsichtlich der Eintragung dieser Kunden für Gewinnspiele verhielt es sich ebenso wie im Falle der angekauften Forderungen von „w. “.
26
Anfang November 2009 fertigte der Angeklagte auf Anforderung von Ö. den Entwurf eines Mahnschreibens an diese „Rücklastschriftkunden“.
27
Dieser Entwurf stimmte mit dem für „w. “ erstellten Entwurf im Wesentlichen überein. Abweichungen ergaben sich zur Höhe der Hauptforderung ; außerdem war auch hier ein vom Angeklagten ebenfalls neu eingerichtetes Konto angegeben.
28
Der weitere Ablauf entspricht dem Ablauf der ersten „Mahnaktion“. Unter dem 18. November 2009 wurden Mahnschreiben an insgesamt 34.000 „Rück- lastschriftkunden“ verschickt. Dies führte zum Eingang von insgesamt 667.715,09 Euro auf dem neuen Konto. Auch hinsichtlich des Grundes der Überweisungen gilt dasselbe wie bei der ersten „Mahnaktion“.
29
4. Weitere Geldbewegungen:
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a) Mit den Geldern, die auf den für die „Mahnaktionen“ eingerichteten (insgesamt also drei) Konten eingegangen waren, geschah zunächst Folgendes :
31
Insgesamt überwies der Angeklagte auf ein Konto der Firma T. AG 167.157,20 Euro und auf ein Konto der U. AG des Ö. 645.000 Euro. An Kunden, die sich beschwert hatten, überwies der Angeklagte deren frühere Zahlungen von insgesamt 6.808,53 Euro zurück.
32
Auf sein eigenes Privatkonto transferierte der Angeklagte insgesamt 38.702,88 Euro. Nachdem zwei der für die Mahnaktionen eingerichteten Konten aufgelöst wurden, weil die Bank diese gekündigt hatte, flossen dem Angeklagten auch die dort noch vorhandenen Restguthaben in Höhe von insgesamt 987,45 Euro zu.
33
b) Außerdem erhielt der Angeklagte Ende 2009 von Ö. in der Schweiz (mindestens) 100.000 Euro in bar.
34
Im Zuge der Mahnaktionen flossen dem Angeklagten also dauerhaft insgesamt 139.690,33 Euro zu, ohne dass eine Abrechnung erfolgt wäre.
35
5. Zu den Vorstellungen des Angeklagten:
36
Der Angeklagte hatte es als „pfiffig“ empfunden, dass Ö. durchdie Einschaltung in der Türkei ansässiger Call-Center - so die Auffassung des Angeklagten - die „deutschen Vorschriften des unlauteren Wettbewerbs“ umgangen hätte.
37
Er hielt es für möglich, dass Ö. die Mahnschreiben an alle Kunden versenden würde, bei denen es zu einer Rücklastschrift gekommen war, also auch an solche, die die Lastschrift von sich aus rückgängig gemacht hatten. Er nahm dabei an, dass die Kunden unter anderem wegen der telefonischen Akquise ein „jederzeitiges Widerrufsrecht nach § 312 BGB“ hätten.
38
Dies war nach der Auffassung des Angeklagten der Grund dafür, dass bei Strafanzeigen, Beschwerden und „Kündigungen“ durch die Kunden bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden sollten, während Kunden, die nicht bezahlten, entgegen der Androhung in den Mahnschreiben keinesfalls verklagt oder angezeigt werden sollten.
39
Die Strafkammer konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt wusste, dass die Forderungen trotz unterbliebener Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele und damit betrügerisch geltend gemacht wurden. Daran änderte sich auch nichts, nachdem der Angeklagte im weiteren Verlauf schon kurz nach Versendung der ersten Mahnschreiben im Juni 2009 von Strafanzeigen gegen die T. AG erfuhr und er Beschwerdeschreiben von Kunden erhielt, die geltend machten, dass sie den Vertrag schon zuvor „widerrufen“ hätten.

II.


40
Die Strafkammer hat diese Feststellungen, soweit hier von Interesse, wie folgt rechtlich gewürdigt:
41
1. Durch die Ankündigung in den Mahnschreiben, gegebenenfalls behalte sich seine Mandantin die Einschaltung der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung des Betrugsverdachts - also eine Strafanzeige - vor, habe der Angeklagte mit einem empfindlichen Übel gedroht. Er habe damit, so bringt die Strafkammer in der Sache zum Ausdruck, nicht etwa nur ein von ihm unbeeinflusstes mögliches Verhalten seiner Mandantin angekündigt; vielmehr habe er aus der Sicht eines verständigen Lesers vorgegeben, Einfluss auf diese Entscheidung der Mandantin zu haben, zumal er in den Schreiben auch ankündigte, er werde die rechtlichen Interessen seiner Mandantin konsequent durchsetzen.
42
Auch wenn der Angeklagte vom Kern der Betrügereien des Ö. keine Kenntnis gehabt habe, folge die Verwerflichkeit seines Verhaltens (§ 240 Abs. 2 StGB) aus seinen tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen beim Abfassen der Mahnschreiben. Da der Grund der Zahlung im Einzelfall nicht genau feststellbar sei (vgl. oben A.I.3.a.3. und A.I.3.b.), sei nur von Versuch auszugehen.
43
2. Der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO liegt ein Verfallsbetrag in Höhe von 139.690,33 Euro (zu dessen Zusammensetzung vgl. bereits oben unter A.I.4.) zu Grunde. Es bestünde auch keine Veranlassung zu einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB, insbesondere sei ein Wegfall der Bereicherung (vgl. § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB) nicht erkennbar.

B.


I.


44
Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
45
1. Zu Recht hat die Strafkammer den Hinweis des Angeklagten, seine Mandantin behalte sich im Falle der Nichtzahlung die Erstattung einer Strafanzeige vor, als (versuchte) Nötigung im Sinne von § 240 StGB gewertet.
46
Eine Nötigung setzt voraus, dass mit einem Übel (a.) gedroht wird (b.), wobei das Übel empfindlich sein muss (c.). Außerdem muss die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck gemäß § 240 Abs. 2 StGB als verwerflich anzusehen sein (d.).
47
a) Bei einem Übel handelt es sich um eine künftige nachteilige Veränderung der Außenwelt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 240 Rn. 32; Toepel in NK-StGB, 4. Aufl., § 240 Rn. 103). Dies trifft für eine Strafanzeige zu, weil daraus zumindest ein Ermittlungsverfahren mit seinen vielfältigen nachteiligen Folgen erwachsen kann (vgl. Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912; weitere Nachweise bei Sinn in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 240 Rn. 78).
48
b) Der Täter droht mit einem Übel, wenn er (sei es zutreffend oder nicht) behauptet, er habe auf dessen Eintritt Einfluss (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11; zusammenfassend Fischer aaO Rn. 31 mwN). Soll das Übel von einem Dritten verwirklicht werden, muss er also die Vorstellung erwecken wollen, er könne den Dritten in der angekündigten Richtung beeinflussen und wolle dies für den Fall der Verweigerung des ver- langten Verhaltens auch tun (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 56; insoweit vergleichbar zur Erpressung BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 3 StR 238/06, NStZ-RR 2007, 16; Urteil vom 18. Januar 1955 - 2 StR 284/54, BGHSt 7, 197, 198 jew. mwN). Andernfalls läge lediglich eine nicht von § 240 StGB erfasste Warnung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Urteil vom 17. Januar 1957 - 4 StR 393/56, NJW 1957, 596, 598).
49
Allerdings kann eine scheinbare Warnung eine Drohung enthalten (Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 8). Die Abgrenzung von Warnung und Drohung ist ebenso aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen wie die Frage, ob das, was angekündigt ist, ein empfindliches Übel ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11; Vogel aaO Rn. 7).
50
Der Angeklagte hat in dem Schreiben mitgeteilt, die rechtlichen Interessen der Mandantin würden nunmehr von ihm wahrgenommen. Die Forderung der Mandantin sei berechtigt und er werde sie konsequent durchsetzen. Zahlungen seien auf sein Konto zu leisten. Dieser Gesamtzusammenhang des Briefes ergibt, dass der Angeklagte mit der von ihm gewählten Formulierung, die „Mandantin“ behalte sich die Erstattung einer Strafanzeige vor, zwar vorder- gründig lediglich gewarnt hat, aber dennoch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er habe auf die Erstattung einer Strafanzeige maßgeblichen Einfluss. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Strafkammer mit der Annahme, der Angeklagte habe sich selbst Einfluss auf die Erstattung einer Strafanzeige zugeschrieben , die Grenzen möglicher tatrichterlicher Auslegung überschritten haben könnte (vgl. speziell zur Ankündigung eines Rechtsanwalts, der Mandant werde Strafanzeige erstatten Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912 Fn. 4).
51
c) Empfindlich im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB ist ein angedrohtes Übel, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil so erheblich ist, dass seine Ankündigung den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens motivieren kann (vgl. Fischer aaO § 240 Rn. 32a mwN).
52
Die Androhung einer Strafanzeige ist im Grundsatz geeignet, den Bedrohten zur Begleichung geltend gemachter Geldforderungen zu motivieren.
53
Besonderheiten des Einzelfalls, die dazu führten, dass die Empfindlichkeit des Übels - auch unter Berücksichtigung normativer Gesichtspunkte - gleichwohl zu verneinen wäre, sind hier nicht zu erkennen.
54
Derartige Besonderheiten können insbesondere dann vorliegen, wenn und soweit gerade von dem Bedrohten in seiner (häufig: beruflichen) Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 5 StR 4/92, NStZ 1992, 278 [Bedrohung eines Vorgesetzten mit der Aufdeckung angeblicher Straftaten Untergebener]; BGH, Urteil vom 28. Januar 1976 - 2 StR 696/75, NJW 1976, 760 [Bedrohung eines Beamten mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde]; in vergleichbarem Sinne [zu § 105 StGB] auch BGH, Urteil vom 23. November1983 - 3 StR 256/83, BGHSt 32, 165, 174; vgl. auch Horn/Wolters in SK-StGB, 59. Lfg., § 240 Rn. 10).
55
Vergleichbare Besonderheiten liegen hier nicht vor. Die Empfänger der Schreiben befanden sich in keiner Lage, die das Gewicht der Bedrohung mit einer gegen sie gerichteten Strafanzeige verringern könnte. Vielmehr erlangte für sie die Drohung durch das Mahnschreiben eines Rechtsanwalts ein besonderes Gewicht, wie dies auch beabsichtigt war. Ebenso wie die Position des Bedrohten das Gewicht einer Drohung mindern kann, kann es sich - wie hier - durch die berufliche Stellung des Drohenden erhöhen.
56
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Revision, wonach hier des- halb nicht mit einem empfindlichen Übel gedroht sei, weil Verbraucher ein „besonderes Interesse“ daran hätten, sich einem Straf- oder Zivilverfahren zu stel- len, in dem es um die von ihnen bestrittene Inanspruchnahme von Leistungen geht (so missverständlich OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 296 [unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 5 StR 4/92, NStZ 1992, 278] für einen Streit über die Inanspruchnahme von Leistungen aus Telefonsexverträgen ). Ein derartiger Rechts- oder Erfahrungssatz besteht nicht.
57
d) Rechtswidrig im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB ist die Androhung eines Übels, wenn sie im Verhältnis zum jeweilig angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
58
(1) Dies ist dann der Fall, wenn die Verquickung von Mittel und Zweck mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar ist, sie also »sozial unerträglich« ist (so schon BGH, Beschluss vom 19. Juni 1963 - 4 StR 132/63, BGHSt 18, 389, 391; vgl. auch Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 69, 86; die in diesem Zusammenhang auch verwendete, inhaltlich identische Formulierung, wonach verwerflich sei, was »nach richtigem allgemeinem Urteil sittlich zu missbilligen« sei, geht auf noch ältere Rechtsprechung [BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 18. März 1952 - GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 196] zurück).
59
(2) Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die objektive Lage und die Kenntnis des Angeklagten auseinanderfielen.
60
Objektiv hat der Angeklagte Ö. darin unterstützt, Geld für nicht erfolgte Eintragungen in Gewinnspiele einzutreiben. Es bedarf keiner Darlegung, dass dies im aufgezeigten Sinne verwerflich ist.
61
Demgegenüber hat die Strafkammer aber nicht festgestellt, dass der Angeklagte Betrügereien oder sonstiges unseriöses Gebaren von Ö. für möglich hielt.
62
Wäre nicht schon bei dem Sachverhalt, den der Angeklagte sich vorstellte , die Drohung mit der Strafanzeige als verwerflich anzusehen, läge letztlich ein Tatbestandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (vgl. schon BGH, Urteil vom 30. April 1953 - 3 StR 674/52, LM § 240 StGB Nr. 3; Toepel aaO § 240 Rn. 195).
63
So verhält es sich hier nicht.
64
aa) Wie dargelegt, gingen die Vereinbarungen zwischen Ö. und dem Angeklagten dahin, jede Befassung von Staatsanwaltschaft und/oder Gericht mit den Vorgängen zu vermeiden. Eigene Ansprüche sollten dort nicht geltend gemacht, geltend gemachte Ansprüche von Kunden sollten ohne Weiteres umgehend voll erfüllt werden.
65
Dies kann den Angeklagten jedenfalls nicht in der Auffassung bestärkt haben, die Forderungen Ö. s seien ordnungsgemäß zustande gekommen, sondern belegt, dass ihm die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Ö. und seinen Kunden gleichgültig waren. Dem entspricht, dass Kundenbeschwerden ohne irgendeine Überprüfung immer Erfolg hatten. Da aber diese zivilrechtlichen Beziehungen von der Frage, ob und inwieweit sich die Kunden in irgendeiner Weise strafbar gemacht haben können, nicht zu trennen ist, war ihm auch dies gleichgültig. Hierauf hebt die Strafkammer zu Recht ab. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Strafkammer eine gebotene Erörterung gegenläufiger Gesichtspunkte (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11) unterlassen hätte. Vielmehr verfasste er auch dann noch weitere, im Kern unveränderte Entwürfe, die er Ö. uneingeschränkt zur Verfügung stellte, nachdem die erwarteten Beschwerdeschreiben von Kunden und Strafanzeigen kurz nach Versendung der ersten Mahnschreiben im Juni 2009 eingegangen waren.
66
bb) Ebenso wenig ist unter diesen Umständen ersichtlich, dass die Strafkammer gehalten gewesen wäre, aus den nur schwer nachvollziehbaren rechtlichen Erwägungen des Angeklagten (sie gingen von Haustürwiderrufsgeschäften aus, obwohl Fernabsatzverträge vorlagen) auf Vorstellungen des Angeklagten zu schließen, die - träfen sie zu - sein Verhalten nicht als verwerflich erscheinen ließen.
67
cc) Dies gilt auch, soweit die Revision geltend macht, die Strafkammer hätte näher bezeichnete Möglichkeiten von rechtlichen Detailüberlegungen des Angeklagten über formale Fragen des Widerrufsrechts erwägen müssen.
68
Naheliegende und damit erörterungsbedürftige Möglichkeiten zeigt sie damit nicht auf (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, 68).
69
Vielmehr hat der Angeklagte es Ö. ermöglicht, seine Berufsbezeichnung als Anwalt einzusetzen, um dadurch generell die Position der Adressaten als faktisch aussichtslos erscheinen zu lassen. Letztlich sollten auf diese Weise juristische Laien durch die Autorität eines Organs der Rechtspflege zur Hinnahme der nur scheinbar vom Angeklagten stammenden Wertungen veranlasst werden. Der Angeklagte wollte, dass sie sich lediglich noch vor die Wahl ge- stellt sahen, entweder - als kleineres Übel - die Forderungen des Ö. sofort zu erfüllen, ohne dass es aus seiner Sicht darauf ankam, ob die Forderungen berechtigt waren oder nicht, oder andernfalls mit größeren Übeln rechnen zu müssen (vgl. hierzu schon OLG Karlsruhe, Die Justiz 1981, 212, 213). Dies waren neben einer zivilrechtlichen Verurteilung, Konten- und Gehaltspfändungen, Negativeinträgen in Kreditauskunfteien und - teilweise - einer öffentlichen Erörterung der Teilnahme an Gewinnspielen „nicht jugendfreien Inhalts“ auch die Erstattung einer Strafanzeige wegen Betruges.
70
dd) Auf dieser Grundlage hat die Strafkammer die Verquickung von Mittel und Zweck im Ergebnis zutreffend als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB bewertet.
71
Angesichts der Eindeutigkeit dieses Ergebnisses (vgl. allgemein zur revisionsrechtlichen Bedeutung eindeutiger Ergebnisse BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - 1 StR 32/13, NJW 2013, 2530, 2536; Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657) können die weiteren von der Strafkammer noch angestellten Erwägungen (z.B. zur gesonderten Geltendmachung von als nicht gerechtfertigt bewerteten Anwaltsgebühren) ebenso auf sich beruhen wie das hiergegen gerichtete Vorbringen der Revision.
72
2. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass er lediglich wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde. Die Strafkammer hat offenbar daraus, dass es im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins gibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN), gefolgert, dass die Kausalität der Drohung für die Zahlung nur festzustellen sei, wenn hierüber bei jedem einzelnen Kunden - und damit insgesamt in nicht leistbarem Umfang (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, NStZ 2011, 294, 295 mwN) - Beweis erhoben würde (zur sachgerechten Handhabung derartiger Fälle, auch schon im Ermittlungsverfahren, vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423 f.).

II.


73
Die Feststellung der Strafkammer, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werden kann, weil Ansprüche von Verletzten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO), weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
74
1. Verfall bzw. Verfall von Wertersatz kann gemäß § 73 StGB, § 73a StGB sowohl dann angeordnet werden, wenn dem Täter etwas »für die Tat« zugeflossen ist, als auch dann, wenn es ihm »aus der Tat« zugeflossen ist. Eine Feststellung, wonach von Verfall bzw. Verfall von Wertersatz im Hinblick auf entgegenstehende Ansprüche Dritter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB abgesehen wird (§ 111i Abs. 2 StPO), setzt dagegen voraus, dass dem Täter etwas »aus der Tat« zugeflossen ist. Diese Feststellung ist hingegen nicht möglich , wenn dem Täter etwas »für die Tat« zugeflossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 275/12, wistra 2013, 347, 350; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; zweifelnd demgegenüber noch BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 5 StR 401/08, wistra 2009, 350).
75
Dies beruht letztlich darauf, dass Vermögenswerte des Opfers dem Täter nur »aus der Tat« zufließen können, wie dies insbesondere bei der Tatbeute (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, NStZ-RR 2011, 283; Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4) der Fall ist. Hingegen gehörten Vermögenswerte, die dem Täter »für die Tat« zugeflossen sind (z.B. eine Belohnung; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; Beschluss vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4), zuvor nicht notwendig zum Vermögen des Opfers.
76
Daher unterliegt das für die Tat Erlangte dem Verfall ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051 mwN; Schmidt in LK-StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; Burghart in SSW-StGB, § 73 Rn. 37).
77
Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem wie hier, nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte, aus dem Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) Folgendes gefolgert:
78
Der Ausspruch, dass nur deshalb nicht (Wertersatz-)Verfall angeordnet wurde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen, muss ersatzlos entfallen, wenn das, was dem Täter zugeflossen ist, ihm entgegen der Auffassung des Tatrichters nicht aus der Tat, sondern für die Tat zugeflossen ist (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 275/12).
79
2. Die Urteilsgründe tragen die (inzident getroffene) Wertung, dass dem Angeklagten etwas aus der Tat zugeflossen ist (a.). Anders als die Revision meint, wird dies auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte nur wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde (b.) und dass er nicht wusste, dass die von ihm angemahnten Forderungen auf betrügerischer Grundlage beruhten (c.). Ist aber dem Angeklagten etwas »aus der Tat« zugeflossen, so kann ihn die darauf aufbauende Feststellung, von Verfall bzw. Verfall von Wertersatz werde nur wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen (§ 111i Abs. 2 StPO), nicht beschweren (d.).
80
a) Die Strafkammer hat ohne einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler einen Verfallsbetrag in Höhe von 139.690,33 Euro angenommen.
81
Dieser Betrag setzt sich ganz überwiegend aus den Teilbeträgen zusammen , die sich der Angeklagte unmittelbar aus den eingegangen Kundengeldern selbst überwiesen hat, und den 100.000 Euro, die er in bar von Ö. entgegennahm (zur Berechnung im Einzelnen vgl. unter A.I.4.). Es kann dabei auf sich beruhen, dass die gesamten Kundengelder zunächst auf Konten des Angeklagten eingegangen waren („auf mein unten angegebenes Konto“) und schon deshalb seinem Zugriff unterlagen. Es beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht, dass die Strafkammer diesem Gesichtspunkt bei der Berechnung des Verfallsbetrages nicht näher nachgegangen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92, 93; Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565).
82
(1) Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass es sich bei den Kundengeldern , die sich der Angeklagte im Einverständnis mit Ö. , aber ohne spezifizierte Abrechnung, auf sein Privatkonto weiterleitete, um Anteile der Tatbeute handelte.
83
(2) Für die 100.000 Euro, die er in bar von Ö. entgegennahm, gilt im Ergebnis nichts anderes.
84
Der Senat verkennt dabei nicht, dass bei Zahlungen, die ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem (sei es auch kriminellen) Eintreiben von Geldforderungen erhält, die Annahme einer Belohnung im Ansatz nicht fernliegend erscheint. In diese Richtung könnte auch die Feststellung die Strafkammer deuten , der Angeklagte habe den Bargeldbetrag in Höhe von 100.000 Euro als „Bezahlung seiner Tätigkeit“ (UA S. 14) entgegengenommen.
85
Eine derartige Bewertung widerspräche aber den hier festgestellten Umständen des Einzelfalls:
86
Die einzige - jedenfalls ansatzweise - getroffene Vereinbarung über Geld ging dahin, dass die Höhe des Betrages für den Angeklagten letztlich davon abhängen sollte, wie viel Geld aufgrund der Schreiben eingehen würde (zur indiziellen Bedeutung dieses Umstandes vgl. Saliger in NK-StGB, 4. Aufl., § 73 Rn. 5 mwN). Es ist nicht ersichtlich, das jemals - etwa nach den Regeln zur Vergütung von Anwaltstätigkeit - abgerechnet worden wäre; die 100.000 Euro waren ersichtlich eine nicht im Einzelnen errechnete pauschale Summe. Diese Summe hatte der Angeklagte auch „aus der Tat“ erlangt; der Umstand, dass der Angeklagte zuvor den größten Teil der eingegangenen Kundengelder an Firmen des Ö. überwiesen hatte, steht dem nicht entgegen: Vermögenswerte sind auch dann im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus einer Tat erlangt, wenn sie zwischenzeitlich einem anderen Tatbeteiligten zugeflossen waren (in vergleichbarem Sinne BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 336/11, NStZ-RR 2012, 81, 82 mwN).
87
b) Die Revision meint, dem Angeklagten sei schon deswegen nichts „unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands“ zugeflossen, weil die Kunden nicht wegen der Drohung mit der Strafanzeige gezahlt hätten und er dementsprechend nur wegen versuchter Nötigung verurteilt worden sei.
88
Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
89
Die Tat des Angeklagten bestand in einer rechtswidrigen Erklärung, die deren Empfänger zu einer Zahlung veranlassen sollte und auch zu einer Zahlung veranlasst hat. Daher liegt ein unmittelbarer Vermögenszufluss vor, obwohl die Vollendung der beabsichtigten Tat aus Gründen, die vom Verhalten des Angeklagten unabhängig waren, nicht festgestellt werden konnte. Für einen Fall versuchten Betrugs, der in den aufgezeigten zentralen Punkten mit der vorliegenden Fallgestaltung übereinstimmt, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass der Täter auch aus einer nur versuchten rechtswidrigen Tat etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 85 mwN; zum Verfall bei Erlangung rechtswidriger Vermögensvorteile durch ein nur versuchtes Vermögensdelikt vgl. auch Saliger aaO § 73 Rn. 17b).
90
Da einem Täter nicht nur aus einem Vermögensdelikt etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zufließen kann, gelten hier auch nicht deswegen andere Grundsätze, weil die zugrunde liegende Tat eine versuchte Nötigung und nicht ein versuchter Betrug ist.
91
c) Darüber hinaus meint die Revision, Verfall käme auch deswegen nicht in Betracht, weil der Angeklagte nicht „in Kenntnis des Nichtbestehens von Forderungen unter Vorspiegelung von deren Existenz … Gelder eingetrieben“ habe, er also insoweit gutgläubig gewesen sei.
92
Auch diese Auffassung teilt der Senat nicht.
93
(1) Der Angeklagte war zwar über sein eigenes strafbares Verhalten hinaus nicht auch Tatbeteiligter an der Tat des Ö. , weil er unbeschadet seines eigenen strafbaren Verhaltens (aus Gleichgültigkeit) davon ausging, dass die von ihm geforderten Zahlungen möglicherweise zivilrechtlich gerechtfertigt seien. Dies ändert aber nichts daran, dass er unmittelbar den von ihm mit Hilfe seines strafbaren Verhaltens erstrebten Vermögenszufluss bewirkte. Dementsprechend sind ihm die hier in Rede stehenden Vermögenswerte unmittelbar aus der Verwirklichung des von ihm erfüllten Tatbestands zugeflossen. Die daher gebotene Verfallsentscheidung kann nicht durch sonstige Irrtümer in Frage gestellt werden, die die Erfüllung des Straftatbestands unberührt lassen.
94
(2) Besonderheiten, die für den Fall gelten, dass „der Täter oder Teil- nehmer einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile … in Erfüllung einer nicht bema- kelten entgeltlichen Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusam- menhang mit der Tat stehen“, zuwendet (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 247, sog. Erfüllungsfall), haben nur bei in jeder Hinsicht tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) Bedeutung.
95
d) Auch im Übrigen weist die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
Der Angeklagte ist in einer Fallgestaltung, bei der ihm - wie hier - »aus der Tat« etwas zugeflossen ist, im Grundsatz nicht beschwert, wenn von der sonst gebotenen Verfallsanordnung nur wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen wurde (vgl. umgekehrt zu einer Beschwer durch eine Verfallsanordnung ohne Berücksichtigung von Verletztenansprüchen BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693, 694). Dies folgt daraus, dass eine solche Entscheidung keine Ansprüche der Geschädigten begründet. Sie erlangt erst dann Bedeutung, wenn sich der Geschädigte in eigener Verantwortung nach den hierfür geltenden Regeln einen vollstreckbaren Titel gegen den Angeklagten beschafft hat und aus diesem vollstreckt.
Dann stehen ihm bei der Vollstreckung in die beschlagnahmten Vermögenswerte privilegierte Möglichkeiten zu.
97
Unterbleiben derartige Vollstreckungen, etwa weil die Bemühungen eines Geschädigten um einen Titel scheitern oder - bei kleineren Schadenssummen häufiger - er sich hierum nicht bemüht, fällt beschlagnahmtes, aber wegen entgegenstehender Ansprüche nicht für verfallen erklärtes Vermögen nicht an den (ehemaligen) Angeklagten zurück, sondern es fällt im Rahmen des sog. Auffangrechtserwerbs (vgl. § 111i Abs. 5 StPO) dem Staat zu.
98
Dies belegt, dass sich allein die fehlerhafte Annahme von Ansprüchen Verletzter in Fällen, in denen rechtsfehlerfrei festgestellt ist, dass dem Angeklagten aus der Tat etwas zugeflossen ist, nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.
99
Nach alledem war die Revision als unbegründet zu verwerfen.

C.


100
Jedoch hat der Senat entsprechend § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO den Tenor des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Verfallsentscheidung dahin neu gefasst , dass die beiden Elemente der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO - dem Täter ist aus der Tat ein (ggf. gemäß § 73c StGB und/oder § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO verminderter) Vermögenswert zugeflossen; - von der sonst gebotenen Anordnung von Verfall bzw. Wertersatzverfall wird gleichwohl wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen , schon im Urteilstenor ausdrücklich genannt sind (so im Ergebnis z.B. auch BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 340/09; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 3 StR 460/08, wistra 2009, 241).
101
Die Feststellung, dass dem Täter etwas aus der Tat zugeflossen ist, ist allerdings in der vom Landgericht gebrauchten Fassung, dass „festgestellt (wird), dass gegen den Angeklagten wegen eines Geldbetrages von 139.690,33 Euro lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen“, inzident enthalten. Dies entspricht nach der Erfahrung des Senats üblicher Handhabung.
102
Die aufgezeigte Ergänzung des Tenors erscheint jedoch mit Blick auf die Anfechtungsmöglichkeiten des Angeklagten geboten:
103
Dieser kann zwar durch Rechtsfehler im Zusammenhang mit dem ersten der beiden Elemente beschwert sein, nicht aber durch solche, die allein mit dem zweiten der beiden Elemente zusammenhängen. Revisionsentscheidungen, die sich an der Formulierung herkömmlich abgefasster Urteile orientieren und deswegen dahin lauten, die Feststellung, dass der Anordnung von Verfall (oder Wertersatzverfall) Ansprüche Verletzter entgegenstünden, werde aufgehoben (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 2 StR 487/10), erwecken einen gegenteiligen Eindruck. Nach dem Entscheidungstenor scheint der Aufhebungsgrund mit den Ansprüchen der Verletzten zusammenzuhängen. Nach den Entscheidungsgründen erfolgt die Aufhebung dagegen wegen eines Rechtsfehlers bei der Bestimmung des erlangten „Etwas“, also nicht deshalb, weil die Ansprüche von Verletzten nicht existierten oder in zu hohem Umfang angenommen worden seien.
104
Dies entspricht nicht dem Grundsatz, dass der Kern strafgerichtlicher Entscheidungen schon aus ihrem Tenor und nicht erst aus ihren Gründen ersichtlich sein soll (in vergleichbarem Sinne BGH, Urteil vom 17. März 2011 - 1 StR 407/10, NJW 2011, 2448, 2449).
105
Unklarheiten werden dagegen vermieden, wenn das Revisionsgericht gegebenenfalls an eine Urteilsformel anknüpfen kann, die den vom Senat hier eingefügten zusätzlichen Ausspruch enthält.
Wahl RiBGH Prof. Dr. Jäger ist ur- Cirener laubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl
Radtke Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2013 - 1 StR 162/13

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(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. November 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (bei der Verhandlung),
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 4. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wenden sich gegen die Freisprüche der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
2
Der Angeklagte Dr. S. , ein in K. ( ) tätiger rumänischer Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger R. geschäftliche Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er keine Ansprüche mehr hatte, nachdem R. zur Abgeltung aller Ansprü- che 700.000 € bezahlt hatte.Er erhob aber immer neue, höher werdende Forderungen. Man erstattete in Rumänien gegenseitig Strafanzeigen und prozessierte über eine Villa in Bukarest. Dr. S. nahm schließlich Kontakt mit dem Angeklagten M. auf, der R. bei einem seiner Aufenthalte in Re. , wo dessen Tochter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Druck setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im Sinne von Dr. S. bereit würde. Dr. S. und M. nahmen Kontakt mit der "Rockergruppe Hells Angels" auf, am Ende wurden der Angeklagte B. und ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M. plante nun für ... Dr. S. das weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versuchten B. und sein "Team" - in engem Kontakt mit M. - in Re. vergeblich, ihn mit der Lüge, man habe seinen Porsche angefahren, auf die Straße zu locken, um ihn zu überfallen und Autoschlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B. und sein Mittäter behalten sollen. Als R. zwei Tage später zum Parkplatz seiner Pension kam, eilten B. und sein Mittäter aus einer gegenüberliegenden Pension hinzu, beschossen ihn mit Reizgas, was ihn am Auge verletzte, schlugen ihn mit einer Schreckschusspistole und versuchten, ihm Autoschlüssel und Brieftasche abzunehmen. Sie flüchteten ohne Beute, als Angehörige R. zu Hilfe eilten.
3
Am 15. September 2009, so wird Dr. S. und M. weiter vorgeworfen, seien an R. , dessen Frau (nach Bukarest) und dessen Tochter (nach Re. ) je eine Postkarte mit Motiven aus Re. geschickt worden , die Dr. S. (auf Rumänisch) mit folgendem Text beschrieben hatte: "Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung. Vlad Tepes.". Vlad Tepes war ein auch als Dracula bekannter rumänischer Fürst, der "Pfählung als Hinrichtungsart bevorzugte". Die darin liegende Drohung hätte letztlich R. dazu veranlassen sollen, doch noch auf die Forderungen einzugehen. Wenige Tage später schickte Dr. S. an R. den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser sich zur Übertragung von Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio. € an Dr. S. verpflichten sollte. Er kam dieser Aufforderung nicht nach.
4
Die Angeklagten wurden freigesprochen, die Täter des Überfalls und auch eine Verbindung von Dr. S. und M. zu dieser Tat seien nicht feststellbar , die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine Tatbeteiligung von M. hinsichtlich der Postkarten nicht festzustellen.
5
Die Revisionen haben (schon) mit der Sachrüge Erfolg:
6
1. Bezüglich des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine genügende Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ist.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen sind regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen , ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - 3 StR 261/08, b. Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die Strafkammer teilt dagegen nach dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte Beweisergebnis in allen Details mit, auch soweit sie offenbar für die Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch keine Bedeutung haben können, wie etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu einem möglichen Sonnenbrand R. s. Eingefügt in diese Darlegungen sind immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die zuvor geschilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt haben zutreffend insgesamt (nur) etwa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt - meist nicht mehr als ein Absatz, manchmal nur einzelne Sätze -, die als Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit, diese Bruchstücke aus den umfangreichen Ausführungen herauszufiltern, ist es insgesamt kaum möglich, sie zu einer in sich geschlossenen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen.
8
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Täterschaft der Angeklag- ten sprechenden Indizien (vgl. BGH aaO mwN) unterlassen hat, die - in ihrer Vielzahl vom Generalbundesanwalt zutreffend hinsichtlich sämtlicher Angeklagter umfangreich und im Detail dargelegt - weitgehend allenfalls isoliert bewertet sind. Bei einer Gesamtschau könnte eine Vielzahl einzelner Gesichtspunkte auf Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung möglicherweise die Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln (BGH aaO).
9
3. Der Angeklagte B. hat "im Laufe der Hauptverhandlung" zunächst mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger folgendes erklärt: Er sei von einem Mitglied der "Hells Angels" beauftragt worden, inRe. bei einer "Abreibung … Schmiere zu stehen" und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S. und M. . Er habe aus der Ferne beobachtet, wie zwei Männer R. angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf auch er (der Angeklagte) geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts.
10
a) Die Strafkammer hält für möglich, dass der Angeklagte mit der Tat nichts zu tun hatte und er sich mit diesen Angaben zu Unrecht belastet habe. Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, "in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisaufnahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft "eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt" habe. Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht habe.
11
b) Hierzu bemerkt der Senat:
12
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöller /Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN, auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Bestimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl. § 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO, § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
13
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbeteiligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b Rn. 8).
14
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161,

168).


15
Dies ist hier aber nicht einschlägig, da B. erklärt hat, Dr. S. und M. nicht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis durch die genannte Erklärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise, wenn auch im Hinblick auf das vereinbarte Stillschweigen über den näheren Inhalt des Gesprächs nicht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt. Der Senat braucht alledem aber nicht näher nachzugehen, weil in diesem Zusammenhang insgesamt die Möglichkeit eines den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlers nicht zu erkennen ist.
16
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der Aussagegenese in die Würdigung der - etwas lebensfremd erscheinenden - Erklärung des Angeklagten nicht nur die Möglichkeit einer selbstbelastenden Erfindung eines Unschuldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls nicht weniger naheliegend und daher erörterungsbedürftig erscheint auch die Möglichkeit, dass zur Erreichung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzlich eingeräumt sein soll, die nach Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering geschildert sein kann.
17
c) Zudem, so führt die Strafkammer aus, sei der Angeklagte selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämlich nicht zwingend, dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bekannt gewesen sei. Der rechtliche Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (auch) sie beruhen aber auf einer nicht rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

18
(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, braucht der Haupttäter nichts zu wissen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 249 f.). Die bloße, objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort kann "psychische" Beihilfe sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491; zusammenfassend zur Rechtsprechung Kudlich in v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 27 Rn. 9.4 mwN), aber nur, wenn sie dem Haupttäter bekannt ist.
19
Dies war hier nicht der Fall. Andererseits war der Angeklagte nicht nur anwesend, sondern er stand "Schmiere" und war bereit, wenn nötig, zu helfen. Ob dies auch dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der Anwesenheit und der nicht realisierten Bereitschaft zur Hilfe nichts weiß, wird unterschiedlich beurteilt (dafür z.B. Murmann in SSW-StGB, § 27 Rn. 4; Maurach/Gössel/Zipf, StGB AT Tb 2, 7. Aufl. § 52 Rn. 8; dagegen z.B. Roxin in FS Miyazawa 504, 511 f.; Dreher MDR 1972, 553, 557).
20
Nach Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche Förderung ist nur vorbereitet. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens (noch) nicht erreicht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versuchten Beihilfe (Roxin aaO 512).
21
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der Haupttäter ist allerdings nicht rechtsfehlerfrei begründet. Richterliche Überzeugung erfordert nicht, dass das gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig ausgeschlossen ist. Dies wäre ein überspannter und daher rechtlich unzutreffender Maßstab (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11 mwN). Darüber hinaus beschränkt sich die Strafkammer allein auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was auch hier eine nur isolierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
22
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S. versandten Postkarten sei strafrechtlich irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historische Dracula "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ, und andererseits als fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit" gelte. Daher sei nicht "zwingend", dass Dr. S. die Familie R. bedrohen wollte, möglicherweise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Nachdruck für Gerechtigkeit kämpfen werde". Hierfür spreche auch, dass er sie "Betrüger" genannt habe. Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spreche, dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten verschicken würde, da er auf diese Weise leicht überführt werden könne. Dass die Empfänger sich nach ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten - ohne dass dies die Strafkammer als unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "Vlad Tepes" in Rumänien "Tod" - sei irrelevant. Ob eine Drohung i.S.d. §§ 240, 241, 255 StGB vorliege, richte sich nicht danach, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst nehme, abzustellen sei allein auf den Drohenden. Auch sei nicht klar genug, was überhaupt angedroht sei.
23
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven noch zur subjektiven Seite rechtlicher Überprüfung stand.
24
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vorschriften ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder jedenfalls zu haben vorgibt (vgl. zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 240 Rn. 31 mwN). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die Strafkammer zu Recht keinen Zweifel. Ob ein empfindliches Übel angekündigt ist, richtet sich nach dem Inhalt der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist (Vogel in LK, 12. Aufl., § 253 Rn. 7).
25
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die Strafkammer, deren Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder jedenfalls mit schwerer körperlicher Misshandlung verstanden und ernst genommen.
26
Nicht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang - hilfsweise - angestellte Erwägung der Strafkammer, wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise. Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein könnte als Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
27
b) Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für die - eher fern liegend erscheinende - Annahme, Dr. S. hätte geglaubt, der Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen Sinn wegen uneindeutiger historischer Überlieferungen nur als Streben nach Gerechtigkeit bewertet, sind weder genannt noch erkennbar. Offenbar kommt die Strafkammer deshalb zu dieser Annahme, weil anderes nicht "zwingend" sei; wie dargelegt, ist dies jedoch ein rechtsfehlerhafter Maßstab.
28
c) In subjektiver Hinsicht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die Empfänger der Karten als "Betrüger" bezeichnet wurden, nicht tragfähig belegen , ob Dr. S. (anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, noch (im Einzelnen wiederholt wechselnde) Ansprüche zu haben. Andernfalls wäre für Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gerechtigkeit ohnehin kein Raum.
29
d) Es wäre auch zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz nach der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen sprechen, dass er nur künftiges Bemühen um Gerechtigkeit ankündigen wollte.
30
e) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf strafbares Verhalten gerichtete Vorstellung von Dr. S. spreche auch, dass er als Zahnarzt (Akademiker) dann schwerlich für "jeden lesbare" offene Karten verschickt und so die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt die Erörterung des offensichtlich gegenläufigen Gesichtspunkts, dass er die Karten nicht mit seinem Namen unterschrieben hat. Soweit die Karten in Deutschland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten potentiellen Leser Rumänisch können.
31
5. Hinsichtlich des Angeklagten M. stützt sich die allein getroffene Feststellung, insoweit hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf dessen Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst, dass sie Dr. S. abschicken wollte, damit jedoch nichts zu tun gehabt. Nicht erörtert ist jedoch in diesem Zusammenhang die festgestellte Aussage einer Freundin von M. , R. hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen, "dass irgendein Grundstück in Rumänien Dr. S. gehöre"; dies, so die ebenfalls mitgeteilte Aussage R. s, deckt sich mit Forderungen, die bald nach den Postkarten an ihn gestellt wurden. M. und seine Leute, so die Freundin, hätten diese Unterschrift erzwingen wollen. Schon dieses Beweisergebnis ist - unabhängig davon, wie es letztlich tatrichterlich zu werten ist - un- vereinbar mit der Annahme, nichts deute auf eine Mitwirkung von M. an der Drohung mit den Postkarten hin.
32
6. Da die Sachrüge durchgreift, kann der in der Hauptverhandlung hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf sich beruhen. Zu Grunde liegt, dass ein am 22. Februar 2011 an das Landgericht gerichteter Akteneinsichtsantrag dort unbearbeitet blieb; auch die Staatsanwaltschaft hat bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf nicht hingewiesen. Wiederholt wurde der Antrag nicht (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 mwN). Der Aussetzungsantrag war jedenfalls nur für den Fall gestellt, "dass der Senat den … Verfahrensrügen Bedeutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsachen … verwerten will". Dies ist nicht der Fall.
33
7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist mit der Aufhebung des Urteils gegenstandslos (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - 1 StR 357/05 mwN).
34
8. Wie auch im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert zugelassene ) Anklage die Versendung der Postkarten als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tateinheit mit den durch den gescheiterten Überfall in Re. verwirklichten Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgliche Hinweise:
35
a) Es bedarf der Klärung, ob die Postkarten an Frau und Tochter nur Druck auf den Nebenkläger ausüben sollten oder ob auch diese zur Zahlung aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurück ihr Betrüger" sprechen könnte.
36
Sollte nur auf den Nebenkläger Druck ausgeübt werden - auch Dritten in Aussicht gestellte Übel können genügen (vgl. Gropp/Sinn in MüKo § 240 Rn. 82 mwN) - könnte hier letztlich eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegen (vgl. Vogel aaO Rn. 51).
37
Sollten dagegen auch Frau und Tochter zur Zahlung aufgefordert werden , wäre (versuchte) Erpressung mehrfach erfüllt, selbst wenn sich die Forderungen , jedenfalls wirtschaftlich, nur gegen ein Vermögen richtete, da § 253 StGB auch das höchstpersönliche Rechtsgut Willensfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92 mwN). Allein dadurch, dass, wie die Strafkammer festgestellt hat, die Postkarten - sei es auch gleichzeitig - (von K. etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko. aufgegeben wurden, wären diese Taten nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden (BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, wistra 2005, 56, 57).
38
b) Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, lassen sich nicht allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen , wenn dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist gesetzt ist. Entscheidend sind die nicht zuletzt nach Maßgabe der vom Täter für möglich gehaltenen Opfersicht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei das Revisionsgericht im Wesentlichen nur den vom Tatrichter angelegten Maßstab überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 489/97, NStZ-RR 1998, 135; Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 180/96, BGHR StGB § 255 Drohung 9 jew. mwN).
39
c) Wieso durch die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), ist nicht ersichtlich.
40
d) Tateinheit zwischen dem gescheiterten Überfall und der versuchten Erpressung durch die Postkarten läge nicht vor, auch wenn, wie die Strafkammer erwägt, die Motive von Re. auf den Karten auf den dort versuchten Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstreichen sollten. Auch wenn im Rahmen einer (versuchten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird, liegt Tateinheit im Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur bei engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang dieser Einzelakte vor (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Dies ist im Verhältnis zwischen einem versuchten Überfall in Re. und Wochen später von Ko. mit der Post nach Bukarest und Re. geschickten Drohungen nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die Erpressung nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren Taterfolg wirtschaftliches Interesse hatte. Wären aber nicht einmal zwei unmittelbare Erpressungsversuche unter den gegebenen Umständen tateinheitlich verbunden, kann für einen Erpressungsversuch und den vorangegangenen Versuch, die Aussichten dieses Erpressungsversuchs durch die einschüchternde Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst recht nichts anderes gelten.
41
9. Die Hauptverhandlung, die sich, naheliegend wegen der schwierigen Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Gerichtsbesetzung statt. Die nach der Zurückverweisung einer Sache mögliche Änderung der Besetzungsentscheidung erscheint hier erwägenswert. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 203/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und zu 2. auf dessen Antrag,
zu 1. b) mit dessen Zustimmung - am 2. Dezember 2008 gemäß § 154 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2, § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. Januar 2008 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagte im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot verurteilt worden ist;
b) die Strafverfolgung im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung beschränkt;
c) das vorgenannte Urteil aa) im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen; bb) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der Volksverhetzung in zwei Fällen, der Beleidigung sowie der versuchten Strafvereitelung in Tateinheit mit Volksverhetzung in zwei Fällen, Nötigung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und Beleidigung in zwei Fällen schuldig ist; cc) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Soweit das Verfahren eingestellt und die Angeklagte freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung in vier Fällen , davon in einem Fall tateinheitlich mit versuchter Nötigung, Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, sowie in einem weiteren Fall tateinheitlich mit Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Nötigung, wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot in zwei Fällen, wegen Beleidigung sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihr die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes für die Dauer von fünf Jahren verboten. Hinsichtlich einer weiteren Tat hat es die Angeklagte freigesprochen. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts bzw. mit dessen Zustimmung stellt der Senat das Verfahren im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein und beschränkt im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe die Strafverfolgung gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung.

II.

3
Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen dringen - soweit sie sich durch die teilweise Einstellung und Beschränkung des Verfahrens nicht ohnehin erledigt haben - aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen nicht durch. Zur Rüge, dass die Feststellungen zum Verhalten der Angeklagten während der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe am 27. März 2006 nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft (§ 261 StPO) und unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Vernehmung erhoben seien (§ 250 StPO), bemerkt der Senat ergänzend:
4
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 wurde ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesen. Dies war rechtlich zulässig. Gerichtsbeschlüsse sind Urkunden im Sinne des § 249 Abs. 1 StPO, deren Verlesung auch dann nicht gegen das Verbot des § 250 Satz 2 StPO verstößt, wenn die Entscheidung Wahrnehmungen von Personen wiedergibt (BGHSt 6, 141, 142 f.; 31, 323, 331 f.). Den zulässigerweise verlesenen Beschluss durfte die Strafkammer bei der Urteilsfindung jedenfalls mitberücksichtigen (BGHSt 31, 323, 332), zumal sich das verteidigungsfremd obstruierende Verhalten der Angeklagten auch aus anderen Beweisen ergibt.

III.


5
Die Sachrüge führt zum Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe) sowie zur teilweisen Abänderung des Schuldspruchs (Fälle IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe). Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hält das Urteil materiellrechtlicher Prüfung stand. Im Einzelnen:
6
1. Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe
7
Nach den Feststellungen war die Angeklagte in einem Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim Pflichtverteidigerin des dortigen Angeklagten Z. . Vor Beginn der Hauptverhandlung veranlasste sie ihren Lebensgefährten , den zum damaligen Zeitpunkt mit einem vorläufigen Berufsverbot belegten Rechtsanwalt M. , neben ihr auf der Verteidigerbank Platz zu nehmen , um sie bei der Verteidigung zu unterstützen. Unmittelbar nach Aufruf der Sache bemerkte der Vorsitzende die Anwesenheit Rechtsanwalt M. s und forderte diesen unter Androhung von Zwangsmaßnahmen umgehend auf, die Verteidigerbank zu verlassen. Daraufhin entfernte sich Rechtsanwalt M. und ließ sich im Zuschauerbereich nieder.
8
Dieser Sachverhalt trägt den Schuldspruch der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (§§ 145 c, 27 Abs. 1 StGB) nicht, da eine Haupttat, bei deren Begehung die Angeklagte unterstützend hätte tätig werden können, nicht vorliegt. Das festgestellte Verhalten Rechtsanwalt M. s erfüllt die tat- bestandlichen Voraussetzungen des § 145 c StGB nicht. Zwar kommt als Ausübung des Berufs im Sinne der genannten Vorschrift grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, auf die sich das Berufsverbot erstreckt; bereits die einmalige, ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene und nicht zwingend entgeltliche Betätigung in dem untersagten Bereich reicht aus, wenn schon diese ein Tätigwerden im verbotenen Beruf darstellt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1966, 410; Zopfs in MünchKomm-StGB § 145 c Rdn. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 145 c Rdn. 4; aA Kretschmer NStZ 2002, 576, 577; vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. § 145 c Rdn. 5). Das kurzzeitige Platznehmen auf der Verteidigerbank zu Beginn einer Hauptverhandlung noch vor Feststellung der Präsenz (§ 243 Abs. 1 Satz 2 StPO) stellt indes noch keine Tätigkeit dar, die bereits als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs bewertet werden könnte. Der Versuch eines Verstoßes gegen das Berufsverbot und damit auch eine Beihilfe hierzu sind nicht strafbar.
9
2. Fälle IV. Taten 4, 5, 6 der Urteilsgründe
10
a) Es begegnet durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer im Fall IV. Tat 4 der Urteilsgründe das Verlesen der "Schöffenbelehrung" in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9. Februar 2006 als versuchte Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2, 3, §§ 22, 23 StGB) gewertet hat.
11
Nach den Feststellungen führte die Angeklagte aus, dass sich die Schöffen und Berufsrichter durch ihre Amtsausübung in dem Strafverfahren gegen Z. wegen Volksverleumdung und Feindbegünstigung im Sinne des früheren Reichsstrafgesetzbuches und damit zweier Verbrechen gegen das noch fortbestehende Deutsche Reich schuldig machten. Sie könnten deswegen im Falle eines Systemwechsels hin zu einem erneuten nationalsozialistischen Regime zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese Weise wollte die Ange- klagte die Schöffen und Berufsrichter dazu bringen, das Verfahren gegen Z. einzustellen oder ihn freizusprechen.
12
Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass die Angeklagte durch die vorsätzliche Drohung mit einem empfindlichen Übel die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer versuchten Nötigung verwirklicht hat. Eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will. Das Übel muss gerade als vom Willen des Drohenden abhängig dargestellt werden (vgl. Fischer aaO § 240 Rdn. 31, 36). Zwar kann für eine (versuchte) Nötigung auch die Ankündigung der Zufügung eines Übels durch Dritte genügen, dies jedoch nur, wenn der Drohende damit zum Ausdruck bringt, er sei willens und in der Lage, den oder die Dritten zu einem entsprechenden Tätigwerden veranlassen zu können (vgl. BGHSt 7, 197, 198; 16, 386, 387; 31, 195, 201). Gemessen an diesen Maßstäben ist das Verhalten der Angeklagten lediglich als straflose Warnung anzusehen; denn nach dem festgestellten Sachverhalt vermittelte sie - auch unter Zugrundelegung ihres verblendeten Geschichtsbildes und ihrer realitätsfremden Vorstellungswelt, nach der eine Wiederherstellung der Verhältnisse des 3. Reiches aufgrund zunehmender Zustimmung in der Bevölkerung realistisch sei - bei ihrer Ansprache an die Schöffen nicht den Eindruck, dass sie selbst Einfluss auf den Eintritt des angekündigten Übels habe.
13
b) Die von der Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9., 15. und 16. Februar 2006 vorgenommenen Handlungen sind entgegen der Annahme des Landgerichts nicht als drei selbstständige, tatmehrheitlich begangene Taten der versuchten Strafvereitelung zu werten; vielmehr liegt eine einheitliche Tat vor. Die weiteren, an diesen Hauptverhandlungstagen verwirklichten Delikte stehen hierzu und untereinander im Verhältnis der Tateinheit.
14
aa) Nach den Feststellungen erstrebte die Angeklagte in den genannten Verhandlungsterminen mit zahlreichen Anträgen und vornehmlich an das Publikum gerichteten, lang andauernden Ansprachen beleidigenden und volksverhetzenden Inhalts, den zügigen Fortgang des Verfahrens aufzuhalten und damit eine Bestrafung ihres Mandanten Z. wenn nicht gänzlich zu vereiteln, so doch zumindest auf geraume Zeit zu verzögern.
15
bb) Diese stetigen, aufgrund eines einheitlichen "Verteidigungskonzepts" unternommenen Störungen der Hauptverhandlung sind in ihrer Gesamtheit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen, weil sie sämtlich darauf gerichtet waren, die Bestrafung einer Person in einem laufenden Hauptverfahren zu verhindern. Somit stellen sie bei deliktsbezogener Betrachtung (vgl. BGHSt 40, 138, 163 f.) nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitlichen Versuch der Strafvereitelung dar. Eine rechtlich bedeutsame Zäsur nach Abschluss eines jeden Hauptverhandlungstages ist nicht eingetreten; denn die Versuche der Strafvereitelung durch "Verfahrenssabotage" waren weder erfolgreich noch an jedem Verhandlungstag gescheitert (vgl. BGHSt 8, 310, 312; 41, 368, 369; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 37). Vielmehr bedurfte es nach dem "Verteidigungskonzept" gerade der über einen Sitzungstag hinausgehenden , mehrfachen Beeinträchtigung der Hauptverhandlung, um auf diese Weise sukzessive den erstrebten tatbestandlichen Erfolg zu erreichen. Der Versuch der Strafvereitelung scheiterte erst, als die Angeklagte als Verteidigerin durch Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 (JZ 2006, 1129) und des Bundesgerichtshofes vom 24. Mai 2006 (NJW 2006, 2421) rechtskräftig aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde.
16
cc) Die Bewertung des Verhaltens der Angeklagten an den drei Hauptverhandlungstagen als einheitlicher Versuch der Strafvereitelung führt zur Annahme von Tateinheit auch bezüglich der im Zuge dieses Handelns begangenen weiteren Delikte durch Verklammerung. Voraussetzung für eine solche Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier oder mehrerer an sich selbstständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbstständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-) Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht (RGSt 68, 216, 218; BGHSt 28, 18, 20; BGH NJW 1975, 985, 986; NStZ 1984, 262; 2008, 209; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 5, 6; vgl. auch Fischer aaO vor § 52 Rdn. 30; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 27, 29 jeweils m. w. N.).
17
Dies ist hier der Fall. Sämtliche verteidigungsfremden Ausführungen, mit denen die Angeklagte den Holocaust leugnete, den Staat verunglimpfte, die Mitglieder des Gerichts beleidigte und den Vorsitzenden nötigte, dienten zugleich dem Zweck, entsprechend ihrer Verteidigungsstrategie den Ausgang des Verfahrens dauerhaft zu verzögern. Die versuchte Strafvereitelung ist auch geeignet, die anderen Delikte zur Tateinheit zu verklammern, weil die erforderliche Wertgleichheit gegeben ist. Als Maßstab hierfür dient neben der Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt in Verbrechen oder Vergehen insbesondere eine Orientierung an den Strafrahmen, wobei einer Wertgleichheit grundsätzlich nicht entgegensteht, dass das verklammernde Delikt nur das Versuchsstadium erreicht hat. Denn der Wertevergleich ist nicht nach einer abstrakt -generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen (vgl. BGHSt 33, 4 f.; vgl. auch Stree/Sternberg-Lieben aaO § 52 Rdn. 16), wobei berücksichtigt werden kann, ob im konkreten Fall eine versuchsbedingte Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nahe liegt (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04 - insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2005, 262). Sieht man von einer Milderung hier ab, entspricht der Strafrahmen der versuchten Strafvereitelung mit einer Strafobergrenze von fünf Jahren demjenigen der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) und überschreitet diejenigen der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90 a Abs. 1 StGB), der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie der Beleidigung (§ 185 StGB). Auch bei einer Milderung des Strafrahmens kommt dem Versuch der Strafvereitelung - auf den die Ausschließung der Angeklagten als Verteidigerin gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt war - mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat ein den übrigen Delikten entsprechendes Gewicht zu.
18
3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe zu einer Verurteilung der Angeklagten und in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung führen. Er spricht deshalb die Angeklagte im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe frei und ändert den Schuldspruch in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe ab (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
19
4. Die Einstellung des Verfahrens im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe, die Beschränkung der Strafverfolgung im Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe, der Teilfreispruch im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe sowie die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe führen zum Wegfall bzw. zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Der Senat hebt auch die Einzelstrafen in den Fällen IV. 3, 7 und 8 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, über die Strafzumessung insgesamt neu und damit einheitlich zu entscheiden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
20
5. Die rechtsfehlerfreie Anordnung des Berufsverbots (§ 70 Abs. 1 Satz 1 StGB) wird durch den Teilerfolg der Revision nicht berührt.
Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 203/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und zu 2. auf dessen Antrag,
zu 1. b) mit dessen Zustimmung - am 2. Dezember 2008 gemäß § 154 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2, § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. Januar 2008 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagte im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot verurteilt worden ist;
b) die Strafverfolgung im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung beschränkt;
c) das vorgenannte Urteil aa) im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen; bb) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der Volksverhetzung in zwei Fällen, der Beleidigung sowie der versuchten Strafvereitelung in Tateinheit mit Volksverhetzung in zwei Fällen, Nötigung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und Beleidigung in zwei Fällen schuldig ist; cc) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Soweit das Verfahren eingestellt und die Angeklagte freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung in vier Fällen , davon in einem Fall tateinheitlich mit versuchter Nötigung, Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, sowie in einem weiteren Fall tateinheitlich mit Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Nötigung, wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot in zwei Fällen, wegen Beleidigung sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihr die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes für die Dauer von fünf Jahren verboten. Hinsichtlich einer weiteren Tat hat es die Angeklagte freigesprochen. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts bzw. mit dessen Zustimmung stellt der Senat das Verfahren im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein und beschränkt im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe die Strafverfolgung gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung.

II.

3
Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen dringen - soweit sie sich durch die teilweise Einstellung und Beschränkung des Verfahrens nicht ohnehin erledigt haben - aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen nicht durch. Zur Rüge, dass die Feststellungen zum Verhalten der Angeklagten während der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe am 27. März 2006 nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft (§ 261 StPO) und unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Vernehmung erhoben seien (§ 250 StPO), bemerkt der Senat ergänzend:
4
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 wurde ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesen. Dies war rechtlich zulässig. Gerichtsbeschlüsse sind Urkunden im Sinne des § 249 Abs. 1 StPO, deren Verlesung auch dann nicht gegen das Verbot des § 250 Satz 2 StPO verstößt, wenn die Entscheidung Wahrnehmungen von Personen wiedergibt (BGHSt 6, 141, 142 f.; 31, 323, 331 f.). Den zulässigerweise verlesenen Beschluss durfte die Strafkammer bei der Urteilsfindung jedenfalls mitberücksichtigen (BGHSt 31, 323, 332), zumal sich das verteidigungsfremd obstruierende Verhalten der Angeklagten auch aus anderen Beweisen ergibt.

III.


5
Die Sachrüge führt zum Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe) sowie zur teilweisen Abänderung des Schuldspruchs (Fälle IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe). Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hält das Urteil materiellrechtlicher Prüfung stand. Im Einzelnen:
6
1. Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe
7
Nach den Feststellungen war die Angeklagte in einem Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim Pflichtverteidigerin des dortigen Angeklagten Z. . Vor Beginn der Hauptverhandlung veranlasste sie ihren Lebensgefährten , den zum damaligen Zeitpunkt mit einem vorläufigen Berufsverbot belegten Rechtsanwalt M. , neben ihr auf der Verteidigerbank Platz zu nehmen , um sie bei der Verteidigung zu unterstützen. Unmittelbar nach Aufruf der Sache bemerkte der Vorsitzende die Anwesenheit Rechtsanwalt M. s und forderte diesen unter Androhung von Zwangsmaßnahmen umgehend auf, die Verteidigerbank zu verlassen. Daraufhin entfernte sich Rechtsanwalt M. und ließ sich im Zuschauerbereich nieder.
8
Dieser Sachverhalt trägt den Schuldspruch der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (§§ 145 c, 27 Abs. 1 StGB) nicht, da eine Haupttat, bei deren Begehung die Angeklagte unterstützend hätte tätig werden können, nicht vorliegt. Das festgestellte Verhalten Rechtsanwalt M. s erfüllt die tat- bestandlichen Voraussetzungen des § 145 c StGB nicht. Zwar kommt als Ausübung des Berufs im Sinne der genannten Vorschrift grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, auf die sich das Berufsverbot erstreckt; bereits die einmalige, ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene und nicht zwingend entgeltliche Betätigung in dem untersagten Bereich reicht aus, wenn schon diese ein Tätigwerden im verbotenen Beruf darstellt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1966, 410; Zopfs in MünchKomm-StGB § 145 c Rdn. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 145 c Rdn. 4; aA Kretschmer NStZ 2002, 576, 577; vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. § 145 c Rdn. 5). Das kurzzeitige Platznehmen auf der Verteidigerbank zu Beginn einer Hauptverhandlung noch vor Feststellung der Präsenz (§ 243 Abs. 1 Satz 2 StPO) stellt indes noch keine Tätigkeit dar, die bereits als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs bewertet werden könnte. Der Versuch eines Verstoßes gegen das Berufsverbot und damit auch eine Beihilfe hierzu sind nicht strafbar.
9
2. Fälle IV. Taten 4, 5, 6 der Urteilsgründe
10
a) Es begegnet durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer im Fall IV. Tat 4 der Urteilsgründe das Verlesen der "Schöffenbelehrung" in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9. Februar 2006 als versuchte Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2, 3, §§ 22, 23 StGB) gewertet hat.
11
Nach den Feststellungen führte die Angeklagte aus, dass sich die Schöffen und Berufsrichter durch ihre Amtsausübung in dem Strafverfahren gegen Z. wegen Volksverleumdung und Feindbegünstigung im Sinne des früheren Reichsstrafgesetzbuches und damit zweier Verbrechen gegen das noch fortbestehende Deutsche Reich schuldig machten. Sie könnten deswegen im Falle eines Systemwechsels hin zu einem erneuten nationalsozialistischen Regime zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese Weise wollte die Ange- klagte die Schöffen und Berufsrichter dazu bringen, das Verfahren gegen Z. einzustellen oder ihn freizusprechen.
12
Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass die Angeklagte durch die vorsätzliche Drohung mit einem empfindlichen Übel die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer versuchten Nötigung verwirklicht hat. Eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will. Das Übel muss gerade als vom Willen des Drohenden abhängig dargestellt werden (vgl. Fischer aaO § 240 Rdn. 31, 36). Zwar kann für eine (versuchte) Nötigung auch die Ankündigung der Zufügung eines Übels durch Dritte genügen, dies jedoch nur, wenn der Drohende damit zum Ausdruck bringt, er sei willens und in der Lage, den oder die Dritten zu einem entsprechenden Tätigwerden veranlassen zu können (vgl. BGHSt 7, 197, 198; 16, 386, 387; 31, 195, 201). Gemessen an diesen Maßstäben ist das Verhalten der Angeklagten lediglich als straflose Warnung anzusehen; denn nach dem festgestellten Sachverhalt vermittelte sie - auch unter Zugrundelegung ihres verblendeten Geschichtsbildes und ihrer realitätsfremden Vorstellungswelt, nach der eine Wiederherstellung der Verhältnisse des 3. Reiches aufgrund zunehmender Zustimmung in der Bevölkerung realistisch sei - bei ihrer Ansprache an die Schöffen nicht den Eindruck, dass sie selbst Einfluss auf den Eintritt des angekündigten Übels habe.
13
b) Die von der Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9., 15. und 16. Februar 2006 vorgenommenen Handlungen sind entgegen der Annahme des Landgerichts nicht als drei selbstständige, tatmehrheitlich begangene Taten der versuchten Strafvereitelung zu werten; vielmehr liegt eine einheitliche Tat vor. Die weiteren, an diesen Hauptverhandlungstagen verwirklichten Delikte stehen hierzu und untereinander im Verhältnis der Tateinheit.
14
aa) Nach den Feststellungen erstrebte die Angeklagte in den genannten Verhandlungsterminen mit zahlreichen Anträgen und vornehmlich an das Publikum gerichteten, lang andauernden Ansprachen beleidigenden und volksverhetzenden Inhalts, den zügigen Fortgang des Verfahrens aufzuhalten und damit eine Bestrafung ihres Mandanten Z. wenn nicht gänzlich zu vereiteln, so doch zumindest auf geraume Zeit zu verzögern.
15
bb) Diese stetigen, aufgrund eines einheitlichen "Verteidigungskonzepts" unternommenen Störungen der Hauptverhandlung sind in ihrer Gesamtheit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen, weil sie sämtlich darauf gerichtet waren, die Bestrafung einer Person in einem laufenden Hauptverfahren zu verhindern. Somit stellen sie bei deliktsbezogener Betrachtung (vgl. BGHSt 40, 138, 163 f.) nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitlichen Versuch der Strafvereitelung dar. Eine rechtlich bedeutsame Zäsur nach Abschluss eines jeden Hauptverhandlungstages ist nicht eingetreten; denn die Versuche der Strafvereitelung durch "Verfahrenssabotage" waren weder erfolgreich noch an jedem Verhandlungstag gescheitert (vgl. BGHSt 8, 310, 312; 41, 368, 369; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 37). Vielmehr bedurfte es nach dem "Verteidigungskonzept" gerade der über einen Sitzungstag hinausgehenden , mehrfachen Beeinträchtigung der Hauptverhandlung, um auf diese Weise sukzessive den erstrebten tatbestandlichen Erfolg zu erreichen. Der Versuch der Strafvereitelung scheiterte erst, als die Angeklagte als Verteidigerin durch Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 (JZ 2006, 1129) und des Bundesgerichtshofes vom 24. Mai 2006 (NJW 2006, 2421) rechtskräftig aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde.
16
cc) Die Bewertung des Verhaltens der Angeklagten an den drei Hauptverhandlungstagen als einheitlicher Versuch der Strafvereitelung führt zur Annahme von Tateinheit auch bezüglich der im Zuge dieses Handelns begangenen weiteren Delikte durch Verklammerung. Voraussetzung für eine solche Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier oder mehrerer an sich selbstständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbstständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-) Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht (RGSt 68, 216, 218; BGHSt 28, 18, 20; BGH NJW 1975, 985, 986; NStZ 1984, 262; 2008, 209; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 5, 6; vgl. auch Fischer aaO vor § 52 Rdn. 30; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 27, 29 jeweils m. w. N.).
17
Dies ist hier der Fall. Sämtliche verteidigungsfremden Ausführungen, mit denen die Angeklagte den Holocaust leugnete, den Staat verunglimpfte, die Mitglieder des Gerichts beleidigte und den Vorsitzenden nötigte, dienten zugleich dem Zweck, entsprechend ihrer Verteidigungsstrategie den Ausgang des Verfahrens dauerhaft zu verzögern. Die versuchte Strafvereitelung ist auch geeignet, die anderen Delikte zur Tateinheit zu verklammern, weil die erforderliche Wertgleichheit gegeben ist. Als Maßstab hierfür dient neben der Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt in Verbrechen oder Vergehen insbesondere eine Orientierung an den Strafrahmen, wobei einer Wertgleichheit grundsätzlich nicht entgegensteht, dass das verklammernde Delikt nur das Versuchsstadium erreicht hat. Denn der Wertevergleich ist nicht nach einer abstrakt -generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen (vgl. BGHSt 33, 4 f.; vgl. auch Stree/Sternberg-Lieben aaO § 52 Rdn. 16), wobei berücksichtigt werden kann, ob im konkreten Fall eine versuchsbedingte Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nahe liegt (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04 - insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2005, 262). Sieht man von einer Milderung hier ab, entspricht der Strafrahmen der versuchten Strafvereitelung mit einer Strafobergrenze von fünf Jahren demjenigen der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) und überschreitet diejenigen der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90 a Abs. 1 StGB), der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie der Beleidigung (§ 185 StGB). Auch bei einer Milderung des Strafrahmens kommt dem Versuch der Strafvereitelung - auf den die Ausschließung der Angeklagten als Verteidigerin gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt war - mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat ein den übrigen Delikten entsprechendes Gewicht zu.
18
3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe zu einer Verurteilung der Angeklagten und in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung führen. Er spricht deshalb die Angeklagte im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe frei und ändert den Schuldspruch in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe ab (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
19
4. Die Einstellung des Verfahrens im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe, die Beschränkung der Strafverfolgung im Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe, der Teilfreispruch im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe sowie die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe führen zum Wegfall bzw. zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Der Senat hebt auch die Einzelstrafen in den Fällen IV. 3, 7 und 8 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, über die Strafzumessung insgesamt neu und damit einheitlich zu entscheiden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
20
5. Die rechtsfehlerfreie Anordnung des Berufsverbots (§ 70 Abs. 1 Satz 1 StGB) wird durch den Teilerfolg der Revision nicht berührt.
Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. November 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (bei der Verhandlung),
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 4. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wenden sich gegen die Freisprüche der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
2
Der Angeklagte Dr. S. , ein in K. ( ) tätiger rumänischer Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger R. geschäftliche Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er keine Ansprüche mehr hatte, nachdem R. zur Abgeltung aller Ansprü- che 700.000 € bezahlt hatte.Er erhob aber immer neue, höher werdende Forderungen. Man erstattete in Rumänien gegenseitig Strafanzeigen und prozessierte über eine Villa in Bukarest. Dr. S. nahm schließlich Kontakt mit dem Angeklagten M. auf, der R. bei einem seiner Aufenthalte in Re. , wo dessen Tochter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Druck setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im Sinne von Dr. S. bereit würde. Dr. S. und M. nahmen Kontakt mit der "Rockergruppe Hells Angels" auf, am Ende wurden der Angeklagte B. und ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M. plante nun für ... Dr. S. das weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versuchten B. und sein "Team" - in engem Kontakt mit M. - in Re. vergeblich, ihn mit der Lüge, man habe seinen Porsche angefahren, auf die Straße zu locken, um ihn zu überfallen und Autoschlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B. und sein Mittäter behalten sollen. Als R. zwei Tage später zum Parkplatz seiner Pension kam, eilten B. und sein Mittäter aus einer gegenüberliegenden Pension hinzu, beschossen ihn mit Reizgas, was ihn am Auge verletzte, schlugen ihn mit einer Schreckschusspistole und versuchten, ihm Autoschlüssel und Brieftasche abzunehmen. Sie flüchteten ohne Beute, als Angehörige R. zu Hilfe eilten.
3
Am 15. September 2009, so wird Dr. S. und M. weiter vorgeworfen, seien an R. , dessen Frau (nach Bukarest) und dessen Tochter (nach Re. ) je eine Postkarte mit Motiven aus Re. geschickt worden , die Dr. S. (auf Rumänisch) mit folgendem Text beschrieben hatte: "Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung. Vlad Tepes.". Vlad Tepes war ein auch als Dracula bekannter rumänischer Fürst, der "Pfählung als Hinrichtungsart bevorzugte". Die darin liegende Drohung hätte letztlich R. dazu veranlassen sollen, doch noch auf die Forderungen einzugehen. Wenige Tage später schickte Dr. S. an R. den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser sich zur Übertragung von Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio. € an Dr. S. verpflichten sollte. Er kam dieser Aufforderung nicht nach.
4
Die Angeklagten wurden freigesprochen, die Täter des Überfalls und auch eine Verbindung von Dr. S. und M. zu dieser Tat seien nicht feststellbar , die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine Tatbeteiligung von M. hinsichtlich der Postkarten nicht festzustellen.
5
Die Revisionen haben (schon) mit der Sachrüge Erfolg:
6
1. Bezüglich des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine genügende Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ist.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen sind regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen , ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - 3 StR 261/08, b. Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die Strafkammer teilt dagegen nach dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte Beweisergebnis in allen Details mit, auch soweit sie offenbar für die Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch keine Bedeutung haben können, wie etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu einem möglichen Sonnenbrand R. s. Eingefügt in diese Darlegungen sind immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die zuvor geschilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt haben zutreffend insgesamt (nur) etwa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt - meist nicht mehr als ein Absatz, manchmal nur einzelne Sätze -, die als Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit, diese Bruchstücke aus den umfangreichen Ausführungen herauszufiltern, ist es insgesamt kaum möglich, sie zu einer in sich geschlossenen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen.
8
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Täterschaft der Angeklag- ten sprechenden Indizien (vgl. BGH aaO mwN) unterlassen hat, die - in ihrer Vielzahl vom Generalbundesanwalt zutreffend hinsichtlich sämtlicher Angeklagter umfangreich und im Detail dargelegt - weitgehend allenfalls isoliert bewertet sind. Bei einer Gesamtschau könnte eine Vielzahl einzelner Gesichtspunkte auf Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung möglicherweise die Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln (BGH aaO).
9
3. Der Angeklagte B. hat "im Laufe der Hauptverhandlung" zunächst mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger folgendes erklärt: Er sei von einem Mitglied der "Hells Angels" beauftragt worden, inRe. bei einer "Abreibung … Schmiere zu stehen" und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S. und M. . Er habe aus der Ferne beobachtet, wie zwei Männer R. angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf auch er (der Angeklagte) geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts.
10
a) Die Strafkammer hält für möglich, dass der Angeklagte mit der Tat nichts zu tun hatte und er sich mit diesen Angaben zu Unrecht belastet habe. Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, "in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisaufnahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft "eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt" habe. Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht habe.
11
b) Hierzu bemerkt der Senat:
12
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöller /Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN, auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Bestimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl. § 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO, § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
13
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbeteiligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b Rn. 8).
14
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161,

168).


15
Dies ist hier aber nicht einschlägig, da B. erklärt hat, Dr. S. und M. nicht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis durch die genannte Erklärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise, wenn auch im Hinblick auf das vereinbarte Stillschweigen über den näheren Inhalt des Gesprächs nicht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt. Der Senat braucht alledem aber nicht näher nachzugehen, weil in diesem Zusammenhang insgesamt die Möglichkeit eines den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlers nicht zu erkennen ist.
16
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der Aussagegenese in die Würdigung der - etwas lebensfremd erscheinenden - Erklärung des Angeklagten nicht nur die Möglichkeit einer selbstbelastenden Erfindung eines Unschuldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls nicht weniger naheliegend und daher erörterungsbedürftig erscheint auch die Möglichkeit, dass zur Erreichung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzlich eingeräumt sein soll, die nach Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering geschildert sein kann.
17
c) Zudem, so führt die Strafkammer aus, sei der Angeklagte selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämlich nicht zwingend, dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bekannt gewesen sei. Der rechtliche Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (auch) sie beruhen aber auf einer nicht rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

18
(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, braucht der Haupttäter nichts zu wissen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 249 f.). Die bloße, objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort kann "psychische" Beihilfe sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491; zusammenfassend zur Rechtsprechung Kudlich in v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 27 Rn. 9.4 mwN), aber nur, wenn sie dem Haupttäter bekannt ist.
19
Dies war hier nicht der Fall. Andererseits war der Angeklagte nicht nur anwesend, sondern er stand "Schmiere" und war bereit, wenn nötig, zu helfen. Ob dies auch dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der Anwesenheit und der nicht realisierten Bereitschaft zur Hilfe nichts weiß, wird unterschiedlich beurteilt (dafür z.B. Murmann in SSW-StGB, § 27 Rn. 4; Maurach/Gössel/Zipf, StGB AT Tb 2, 7. Aufl. § 52 Rn. 8; dagegen z.B. Roxin in FS Miyazawa 504, 511 f.; Dreher MDR 1972, 553, 557).
20
Nach Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche Förderung ist nur vorbereitet. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens (noch) nicht erreicht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versuchten Beihilfe (Roxin aaO 512).
21
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der Haupttäter ist allerdings nicht rechtsfehlerfrei begründet. Richterliche Überzeugung erfordert nicht, dass das gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig ausgeschlossen ist. Dies wäre ein überspannter und daher rechtlich unzutreffender Maßstab (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11 mwN). Darüber hinaus beschränkt sich die Strafkammer allein auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was auch hier eine nur isolierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
22
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S. versandten Postkarten sei strafrechtlich irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historische Dracula "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ, und andererseits als fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit" gelte. Daher sei nicht "zwingend", dass Dr. S. die Familie R. bedrohen wollte, möglicherweise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Nachdruck für Gerechtigkeit kämpfen werde". Hierfür spreche auch, dass er sie "Betrüger" genannt habe. Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spreche, dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten verschicken würde, da er auf diese Weise leicht überführt werden könne. Dass die Empfänger sich nach ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten - ohne dass dies die Strafkammer als unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "Vlad Tepes" in Rumänien "Tod" - sei irrelevant. Ob eine Drohung i.S.d. §§ 240, 241, 255 StGB vorliege, richte sich nicht danach, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst nehme, abzustellen sei allein auf den Drohenden. Auch sei nicht klar genug, was überhaupt angedroht sei.
23
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven noch zur subjektiven Seite rechtlicher Überprüfung stand.
24
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vorschriften ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder jedenfalls zu haben vorgibt (vgl. zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 240 Rn. 31 mwN). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die Strafkammer zu Recht keinen Zweifel. Ob ein empfindliches Übel angekündigt ist, richtet sich nach dem Inhalt der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist (Vogel in LK, 12. Aufl., § 253 Rn. 7).
25
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die Strafkammer, deren Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder jedenfalls mit schwerer körperlicher Misshandlung verstanden und ernst genommen.
26
Nicht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang - hilfsweise - angestellte Erwägung der Strafkammer, wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise. Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein könnte als Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
27
b) Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für die - eher fern liegend erscheinende - Annahme, Dr. S. hätte geglaubt, der Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen Sinn wegen uneindeutiger historischer Überlieferungen nur als Streben nach Gerechtigkeit bewertet, sind weder genannt noch erkennbar. Offenbar kommt die Strafkammer deshalb zu dieser Annahme, weil anderes nicht "zwingend" sei; wie dargelegt, ist dies jedoch ein rechtsfehlerhafter Maßstab.
28
c) In subjektiver Hinsicht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die Empfänger der Karten als "Betrüger" bezeichnet wurden, nicht tragfähig belegen , ob Dr. S. (anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, noch (im Einzelnen wiederholt wechselnde) Ansprüche zu haben. Andernfalls wäre für Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gerechtigkeit ohnehin kein Raum.
29
d) Es wäre auch zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz nach der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen sprechen, dass er nur künftiges Bemühen um Gerechtigkeit ankündigen wollte.
30
e) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf strafbares Verhalten gerichtete Vorstellung von Dr. S. spreche auch, dass er als Zahnarzt (Akademiker) dann schwerlich für "jeden lesbare" offene Karten verschickt und so die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt die Erörterung des offensichtlich gegenläufigen Gesichtspunkts, dass er die Karten nicht mit seinem Namen unterschrieben hat. Soweit die Karten in Deutschland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten potentiellen Leser Rumänisch können.
31
5. Hinsichtlich des Angeklagten M. stützt sich die allein getroffene Feststellung, insoweit hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf dessen Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst, dass sie Dr. S. abschicken wollte, damit jedoch nichts zu tun gehabt. Nicht erörtert ist jedoch in diesem Zusammenhang die festgestellte Aussage einer Freundin von M. , R. hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen, "dass irgendein Grundstück in Rumänien Dr. S. gehöre"; dies, so die ebenfalls mitgeteilte Aussage R. s, deckt sich mit Forderungen, die bald nach den Postkarten an ihn gestellt wurden. M. und seine Leute, so die Freundin, hätten diese Unterschrift erzwingen wollen. Schon dieses Beweisergebnis ist - unabhängig davon, wie es letztlich tatrichterlich zu werten ist - un- vereinbar mit der Annahme, nichts deute auf eine Mitwirkung von M. an der Drohung mit den Postkarten hin.
32
6. Da die Sachrüge durchgreift, kann der in der Hauptverhandlung hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf sich beruhen. Zu Grunde liegt, dass ein am 22. Februar 2011 an das Landgericht gerichteter Akteneinsichtsantrag dort unbearbeitet blieb; auch die Staatsanwaltschaft hat bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf nicht hingewiesen. Wiederholt wurde der Antrag nicht (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 mwN). Der Aussetzungsantrag war jedenfalls nur für den Fall gestellt, "dass der Senat den … Verfahrensrügen Bedeutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsachen … verwerten will". Dies ist nicht der Fall.
33
7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist mit der Aufhebung des Urteils gegenstandslos (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - 1 StR 357/05 mwN).
34
8. Wie auch im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert zugelassene ) Anklage die Versendung der Postkarten als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tateinheit mit den durch den gescheiterten Überfall in Re. verwirklichten Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgliche Hinweise:
35
a) Es bedarf der Klärung, ob die Postkarten an Frau und Tochter nur Druck auf den Nebenkläger ausüben sollten oder ob auch diese zur Zahlung aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurück ihr Betrüger" sprechen könnte.
36
Sollte nur auf den Nebenkläger Druck ausgeübt werden - auch Dritten in Aussicht gestellte Übel können genügen (vgl. Gropp/Sinn in MüKo § 240 Rn. 82 mwN) - könnte hier letztlich eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegen (vgl. Vogel aaO Rn. 51).
37
Sollten dagegen auch Frau und Tochter zur Zahlung aufgefordert werden , wäre (versuchte) Erpressung mehrfach erfüllt, selbst wenn sich die Forderungen , jedenfalls wirtschaftlich, nur gegen ein Vermögen richtete, da § 253 StGB auch das höchstpersönliche Rechtsgut Willensfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92 mwN). Allein dadurch, dass, wie die Strafkammer festgestellt hat, die Postkarten - sei es auch gleichzeitig - (von K. etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko. aufgegeben wurden, wären diese Taten nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden (BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, wistra 2005, 56, 57).
38
b) Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, lassen sich nicht allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen , wenn dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist gesetzt ist. Entscheidend sind die nicht zuletzt nach Maßgabe der vom Täter für möglich gehaltenen Opfersicht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei das Revisionsgericht im Wesentlichen nur den vom Tatrichter angelegten Maßstab überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 489/97, NStZ-RR 1998, 135; Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 180/96, BGHR StGB § 255 Drohung 9 jew. mwN).
39
c) Wieso durch die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), ist nicht ersichtlich.
40
d) Tateinheit zwischen dem gescheiterten Überfall und der versuchten Erpressung durch die Postkarten läge nicht vor, auch wenn, wie die Strafkammer erwägt, die Motive von Re. auf den Karten auf den dort versuchten Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstreichen sollten. Auch wenn im Rahmen einer (versuchten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird, liegt Tateinheit im Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur bei engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang dieser Einzelakte vor (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Dies ist im Verhältnis zwischen einem versuchten Überfall in Re. und Wochen später von Ko. mit der Post nach Bukarest und Re. geschickten Drohungen nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die Erpressung nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren Taterfolg wirtschaftliches Interesse hatte. Wären aber nicht einmal zwei unmittelbare Erpressungsversuche unter den gegebenen Umständen tateinheitlich verbunden, kann für einen Erpressungsversuch und den vorangegangenen Versuch, die Aussichten dieses Erpressungsversuchs durch die einschüchternde Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst recht nichts anderes gelten.
41
9. Die Hauptverhandlung, die sich, naheliegend wegen der schwierigen Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Gerichtsbesetzung statt. Die nach der Zurückverweisung einer Sache mögliche Änderung der Besetzungsentscheidung erscheint hier erwägenswert. Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer

1.
ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder einen seiner Ausschüsse,
2.
die Bundesversammlung oder einen ihrer Ausschüsse oder
3.
die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes
rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt nötigt, ihre Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. November 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (bei der Verhandlung),
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 4. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wenden sich gegen die Freisprüche der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
2
Der Angeklagte Dr. S. , ein in K. ( ) tätiger rumänischer Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger R. geschäftliche Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er keine Ansprüche mehr hatte, nachdem R. zur Abgeltung aller Ansprü- che 700.000 € bezahlt hatte.Er erhob aber immer neue, höher werdende Forderungen. Man erstattete in Rumänien gegenseitig Strafanzeigen und prozessierte über eine Villa in Bukarest. Dr. S. nahm schließlich Kontakt mit dem Angeklagten M. auf, der R. bei einem seiner Aufenthalte in Re. , wo dessen Tochter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Druck setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im Sinne von Dr. S. bereit würde. Dr. S. und M. nahmen Kontakt mit der "Rockergruppe Hells Angels" auf, am Ende wurden der Angeklagte B. und ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M. plante nun für ... Dr. S. das weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versuchten B. und sein "Team" - in engem Kontakt mit M. - in Re. vergeblich, ihn mit der Lüge, man habe seinen Porsche angefahren, auf die Straße zu locken, um ihn zu überfallen und Autoschlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B. und sein Mittäter behalten sollen. Als R. zwei Tage später zum Parkplatz seiner Pension kam, eilten B. und sein Mittäter aus einer gegenüberliegenden Pension hinzu, beschossen ihn mit Reizgas, was ihn am Auge verletzte, schlugen ihn mit einer Schreckschusspistole und versuchten, ihm Autoschlüssel und Brieftasche abzunehmen. Sie flüchteten ohne Beute, als Angehörige R. zu Hilfe eilten.
3
Am 15. September 2009, so wird Dr. S. und M. weiter vorgeworfen, seien an R. , dessen Frau (nach Bukarest) und dessen Tochter (nach Re. ) je eine Postkarte mit Motiven aus Re. geschickt worden , die Dr. S. (auf Rumänisch) mit folgendem Text beschrieben hatte: "Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung. Vlad Tepes.". Vlad Tepes war ein auch als Dracula bekannter rumänischer Fürst, der "Pfählung als Hinrichtungsart bevorzugte". Die darin liegende Drohung hätte letztlich R. dazu veranlassen sollen, doch noch auf die Forderungen einzugehen. Wenige Tage später schickte Dr. S. an R. den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser sich zur Übertragung von Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio. € an Dr. S. verpflichten sollte. Er kam dieser Aufforderung nicht nach.
4
Die Angeklagten wurden freigesprochen, die Täter des Überfalls und auch eine Verbindung von Dr. S. und M. zu dieser Tat seien nicht feststellbar , die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine Tatbeteiligung von M. hinsichtlich der Postkarten nicht festzustellen.
5
Die Revisionen haben (schon) mit der Sachrüge Erfolg:
6
1. Bezüglich des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine genügende Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ist.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen sind regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen , ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - 3 StR 261/08, b. Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die Strafkammer teilt dagegen nach dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte Beweisergebnis in allen Details mit, auch soweit sie offenbar für die Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch keine Bedeutung haben können, wie etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu einem möglichen Sonnenbrand R. s. Eingefügt in diese Darlegungen sind immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die zuvor geschilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt haben zutreffend insgesamt (nur) etwa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt - meist nicht mehr als ein Absatz, manchmal nur einzelne Sätze -, die als Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit, diese Bruchstücke aus den umfangreichen Ausführungen herauszufiltern, ist es insgesamt kaum möglich, sie zu einer in sich geschlossenen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen.
8
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Täterschaft der Angeklag- ten sprechenden Indizien (vgl. BGH aaO mwN) unterlassen hat, die - in ihrer Vielzahl vom Generalbundesanwalt zutreffend hinsichtlich sämtlicher Angeklagter umfangreich und im Detail dargelegt - weitgehend allenfalls isoliert bewertet sind. Bei einer Gesamtschau könnte eine Vielzahl einzelner Gesichtspunkte auf Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung möglicherweise die Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln (BGH aaO).
9
3. Der Angeklagte B. hat "im Laufe der Hauptverhandlung" zunächst mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger folgendes erklärt: Er sei von einem Mitglied der "Hells Angels" beauftragt worden, inRe. bei einer "Abreibung … Schmiere zu stehen" und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S. und M. . Er habe aus der Ferne beobachtet, wie zwei Männer R. angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf auch er (der Angeklagte) geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts.
10
a) Die Strafkammer hält für möglich, dass der Angeklagte mit der Tat nichts zu tun hatte und er sich mit diesen Angaben zu Unrecht belastet habe. Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, "in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisaufnahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft "eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt" habe. Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht habe.
11
b) Hierzu bemerkt der Senat:
12
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöller /Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN, auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Bestimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl. § 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO, § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
13
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbeteiligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b Rn. 8).
14
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161,

168).


15
Dies ist hier aber nicht einschlägig, da B. erklärt hat, Dr. S. und M. nicht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis durch die genannte Erklärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise, wenn auch im Hinblick auf das vereinbarte Stillschweigen über den näheren Inhalt des Gesprächs nicht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt. Der Senat braucht alledem aber nicht näher nachzugehen, weil in diesem Zusammenhang insgesamt die Möglichkeit eines den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlers nicht zu erkennen ist.
16
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der Aussagegenese in die Würdigung der - etwas lebensfremd erscheinenden - Erklärung des Angeklagten nicht nur die Möglichkeit einer selbstbelastenden Erfindung eines Unschuldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls nicht weniger naheliegend und daher erörterungsbedürftig erscheint auch die Möglichkeit, dass zur Erreichung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzlich eingeräumt sein soll, die nach Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering geschildert sein kann.
17
c) Zudem, so führt die Strafkammer aus, sei der Angeklagte selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämlich nicht zwingend, dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bekannt gewesen sei. Der rechtliche Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (auch) sie beruhen aber auf einer nicht rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

18
(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, braucht der Haupttäter nichts zu wissen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 249 f.). Die bloße, objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort kann "psychische" Beihilfe sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491; zusammenfassend zur Rechtsprechung Kudlich in v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 27 Rn. 9.4 mwN), aber nur, wenn sie dem Haupttäter bekannt ist.
19
Dies war hier nicht der Fall. Andererseits war der Angeklagte nicht nur anwesend, sondern er stand "Schmiere" und war bereit, wenn nötig, zu helfen. Ob dies auch dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der Anwesenheit und der nicht realisierten Bereitschaft zur Hilfe nichts weiß, wird unterschiedlich beurteilt (dafür z.B. Murmann in SSW-StGB, § 27 Rn. 4; Maurach/Gössel/Zipf, StGB AT Tb 2, 7. Aufl. § 52 Rn. 8; dagegen z.B. Roxin in FS Miyazawa 504, 511 f.; Dreher MDR 1972, 553, 557).
20
Nach Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche Förderung ist nur vorbereitet. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens (noch) nicht erreicht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versuchten Beihilfe (Roxin aaO 512).
21
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der Haupttäter ist allerdings nicht rechtsfehlerfrei begründet. Richterliche Überzeugung erfordert nicht, dass das gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig ausgeschlossen ist. Dies wäre ein überspannter und daher rechtlich unzutreffender Maßstab (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11 mwN). Darüber hinaus beschränkt sich die Strafkammer allein auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was auch hier eine nur isolierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
22
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S. versandten Postkarten sei strafrechtlich irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historische Dracula "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ, und andererseits als fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit" gelte. Daher sei nicht "zwingend", dass Dr. S. die Familie R. bedrohen wollte, möglicherweise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Nachdruck für Gerechtigkeit kämpfen werde". Hierfür spreche auch, dass er sie "Betrüger" genannt habe. Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spreche, dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten verschicken würde, da er auf diese Weise leicht überführt werden könne. Dass die Empfänger sich nach ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten - ohne dass dies die Strafkammer als unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "Vlad Tepes" in Rumänien "Tod" - sei irrelevant. Ob eine Drohung i.S.d. §§ 240, 241, 255 StGB vorliege, richte sich nicht danach, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst nehme, abzustellen sei allein auf den Drohenden. Auch sei nicht klar genug, was überhaupt angedroht sei.
23
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven noch zur subjektiven Seite rechtlicher Überprüfung stand.
24
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vorschriften ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder jedenfalls zu haben vorgibt (vgl. zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 240 Rn. 31 mwN). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die Strafkammer zu Recht keinen Zweifel. Ob ein empfindliches Übel angekündigt ist, richtet sich nach dem Inhalt der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist (Vogel in LK, 12. Aufl., § 253 Rn. 7).
25
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die Strafkammer, deren Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder jedenfalls mit schwerer körperlicher Misshandlung verstanden und ernst genommen.
26
Nicht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang - hilfsweise - angestellte Erwägung der Strafkammer, wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise. Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein könnte als Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
27
b) Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für die - eher fern liegend erscheinende - Annahme, Dr. S. hätte geglaubt, der Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen Sinn wegen uneindeutiger historischer Überlieferungen nur als Streben nach Gerechtigkeit bewertet, sind weder genannt noch erkennbar. Offenbar kommt die Strafkammer deshalb zu dieser Annahme, weil anderes nicht "zwingend" sei; wie dargelegt, ist dies jedoch ein rechtsfehlerhafter Maßstab.
28
c) In subjektiver Hinsicht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die Empfänger der Karten als "Betrüger" bezeichnet wurden, nicht tragfähig belegen , ob Dr. S. (anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, noch (im Einzelnen wiederholt wechselnde) Ansprüche zu haben. Andernfalls wäre für Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gerechtigkeit ohnehin kein Raum.
29
d) Es wäre auch zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz nach der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen sprechen, dass er nur künftiges Bemühen um Gerechtigkeit ankündigen wollte.
30
e) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf strafbares Verhalten gerichtete Vorstellung von Dr. S. spreche auch, dass er als Zahnarzt (Akademiker) dann schwerlich für "jeden lesbare" offene Karten verschickt und so die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt die Erörterung des offensichtlich gegenläufigen Gesichtspunkts, dass er die Karten nicht mit seinem Namen unterschrieben hat. Soweit die Karten in Deutschland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten potentiellen Leser Rumänisch können.
31
5. Hinsichtlich des Angeklagten M. stützt sich die allein getroffene Feststellung, insoweit hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf dessen Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst, dass sie Dr. S. abschicken wollte, damit jedoch nichts zu tun gehabt. Nicht erörtert ist jedoch in diesem Zusammenhang die festgestellte Aussage einer Freundin von M. , R. hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen, "dass irgendein Grundstück in Rumänien Dr. S. gehöre"; dies, so die ebenfalls mitgeteilte Aussage R. s, deckt sich mit Forderungen, die bald nach den Postkarten an ihn gestellt wurden. M. und seine Leute, so die Freundin, hätten diese Unterschrift erzwingen wollen. Schon dieses Beweisergebnis ist - unabhängig davon, wie es letztlich tatrichterlich zu werten ist - un- vereinbar mit der Annahme, nichts deute auf eine Mitwirkung von M. an der Drohung mit den Postkarten hin.
32
6. Da die Sachrüge durchgreift, kann der in der Hauptverhandlung hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf sich beruhen. Zu Grunde liegt, dass ein am 22. Februar 2011 an das Landgericht gerichteter Akteneinsichtsantrag dort unbearbeitet blieb; auch die Staatsanwaltschaft hat bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf nicht hingewiesen. Wiederholt wurde der Antrag nicht (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 mwN). Der Aussetzungsantrag war jedenfalls nur für den Fall gestellt, "dass der Senat den … Verfahrensrügen Bedeutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsachen … verwerten will". Dies ist nicht der Fall.
33
7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist mit der Aufhebung des Urteils gegenstandslos (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - 1 StR 357/05 mwN).
34
8. Wie auch im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert zugelassene ) Anklage die Versendung der Postkarten als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tateinheit mit den durch den gescheiterten Überfall in Re. verwirklichten Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgliche Hinweise:
35
a) Es bedarf der Klärung, ob die Postkarten an Frau und Tochter nur Druck auf den Nebenkläger ausüben sollten oder ob auch diese zur Zahlung aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurück ihr Betrüger" sprechen könnte.
36
Sollte nur auf den Nebenkläger Druck ausgeübt werden - auch Dritten in Aussicht gestellte Übel können genügen (vgl. Gropp/Sinn in MüKo § 240 Rn. 82 mwN) - könnte hier letztlich eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegen (vgl. Vogel aaO Rn. 51).
37
Sollten dagegen auch Frau und Tochter zur Zahlung aufgefordert werden , wäre (versuchte) Erpressung mehrfach erfüllt, selbst wenn sich die Forderungen , jedenfalls wirtschaftlich, nur gegen ein Vermögen richtete, da § 253 StGB auch das höchstpersönliche Rechtsgut Willensfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92 mwN). Allein dadurch, dass, wie die Strafkammer festgestellt hat, die Postkarten - sei es auch gleichzeitig - (von K. etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko. aufgegeben wurden, wären diese Taten nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden (BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, wistra 2005, 56, 57).
38
b) Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, lassen sich nicht allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen , wenn dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist gesetzt ist. Entscheidend sind die nicht zuletzt nach Maßgabe der vom Täter für möglich gehaltenen Opfersicht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei das Revisionsgericht im Wesentlichen nur den vom Tatrichter angelegten Maßstab überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 489/97, NStZ-RR 1998, 135; Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 180/96, BGHR StGB § 255 Drohung 9 jew. mwN).
39
c) Wieso durch die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), ist nicht ersichtlich.
40
d) Tateinheit zwischen dem gescheiterten Überfall und der versuchten Erpressung durch die Postkarten läge nicht vor, auch wenn, wie die Strafkammer erwägt, die Motive von Re. auf den Karten auf den dort versuchten Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstreichen sollten. Auch wenn im Rahmen einer (versuchten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird, liegt Tateinheit im Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur bei engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang dieser Einzelakte vor (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Dies ist im Verhältnis zwischen einem versuchten Überfall in Re. und Wochen später von Ko. mit der Post nach Bukarest und Re. geschickten Drohungen nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die Erpressung nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren Taterfolg wirtschaftliches Interesse hatte. Wären aber nicht einmal zwei unmittelbare Erpressungsversuche unter den gegebenen Umständen tateinheitlich verbunden, kann für einen Erpressungsversuch und den vorangegangenen Versuch, die Aussichten dieses Erpressungsversuchs durch die einschüchternde Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst recht nichts anderes gelten.
41
9. Die Hauptverhandlung, die sich, naheliegend wegen der schwierigen Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Gerichtsbesetzung statt. Die nach der Zurückverweisung einer Sache mögliche Änderung der Besetzungsentscheidung erscheint hier erwägenswert. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2012 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Detmold vom 30. März 2012 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte B. wurde wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen , davon drei Fälle des Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Von der zeitlich ersten Tat abgesehen, hat er nach den Urteilsfeststellungen die Taten gemeinschaftlich mit dem Angeklagten M. begangen. Dieser wurde wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen, davon drei Fälle des Versuchs, ebenso zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3
Der Angeklagte B. war alleiniger Gesellschafter der H. GmbH (künftig: H. ); der Angeklagte M. (formal) deren alleiniger Geschäftsführer.
4
Den Taten liegt im Kern zugrunde, dass in den für die H. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen unberechtigter Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Dieser ging auf Scheinrechnungen mit Umsatzsteuerausweis zurück, die bei der H. entsprechend verbucht worden waren.
5
Zu Vorgeschichte und Ablauf der Taten ist Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte B. war Alleinverantwortlicher der HAB, die mit gebrauchten Baumaschinen handelte. Sie hatte wirtschaftliche Schwierigkeiten, als er Ende 2008/Anfang 2009 den Angeklagten M. kennenlernte. Dieser hatte ebenfalls wirtschaftliche Schwierigkeiten. Mehrere von ihm geführte Unternehmen hatten Insolvenz anmelden müssen. Er war nach Verbüßung einer im Jahre 2003 wegen Umsatzsteuerhinterziehung (Schaden über 1,5 Mio. DM) verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erwerbslos und musste von Angehörigen unterstützt werden. Die Angeklagten vereinbarten , künftig im Rahmen der H. gezielt Umsatzsteuer zu hinterziehen, „ähnlich wie M. … in der Vergangenheit“.
7
M. wurde nach der ersten Tat im Mai 2009 wegen der guten "Zusammenarbeit" zum (alleinigen) Geschäftsführer der H. bei einem Fixgehalt von 1.200 Euro netto bestellt. Von seiner Mitwirkung an den Steuerhinterziehungen abgesehen, hatte er mit den Geschäften der H. kaum zu tun, war in die Abgabe von Steuererklärungen nicht involviert und konnte nur begrenzt auf Firmenkonten zugreifen. „Eigentlicher Chef“ der H. war und blieb B. .
8
Durchgeführt wurden die Umsatzsteuerhinterziehungen wie folgt:
9
M. hatte und schuf Kontakte zu Verkäufern von Baumaschinen in den Niederlanden und erwarb dort Baumaschinen mit Bargeld, das ihm B. hierfür überlassen hatte. Dabei spiegelte M. den niederländischen Verkäufern vor, nicht für die H. , sondern für andere deutsche Firmen aufzutreten, sodass die Verkäufer ihre Ausgangsrechnungen auf die vermeintlich von M. vertretenen Firmen ausstellten. Als einer der Verkäufer mit der vermeintlich von M. vertretenen Firma in Kontakt treten wollte, sorgte M. dafür, dass ihn, „um die Legende nicht zu gefährden“, zu diesem Zweck der (hier wegen Beihilfe ebenfalls abgeurteilte, nicht revidierende) Mitangeklagte K. begleitete.
10
Soweit einzelne Baumaschinen in anderen EU-Ländern gekauft worden waren, war dort nicht M. , sondern ein Angestellter der H. mit Wissen und Wollen der Angeklagten so wie geschildert tätig geworden.
11
In der Buchhaltung der H. wurden hinsichtlich der Baumaschinenan- käufe Scheinrechnungen verbucht, aus denen sich „ein inländischer Erwerb ergab“. In den Rechnungsköpfen waren jeweils als Veräußerer verschiedene in Deutschland ansässige, allerdings nicht im Baumaschinenhandel tätige Firmen ausgewiesen.
12
Diese Scheinrechnungen „ließ(en) sich unter Ausnutzung von Kontakten des Angeklagten M. leicht“ erstellen. Er kannte den gesondert verfolgten I. , der aus früherer Tätigkeit über vorlagegeeignete Unterlagen dieser Firmen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen verfügte.
13
Auf der Grundlage von 194 Scheinrechnungen wurde vom ersten Quartal 2009 bis Dezember 2010 in insgesamt 20 Voranmeldungszeiträumen unberechtigter Vorsteuerabzug geltend gemacht. Den in den Umsatzsteuervoranmeldungen bis einschließlich Mai 2010 und nochmals im Juli und August 2010 jeweils geltend gemachten Erstattungen erteilte das Finanzamt die Zustimmung und es kam zur Auszahlung seitens des Finanzamts. Wegen dieser Auszahlungen kam es bereits im Frühjahr 2010 zu einer Umsatzsteuersonderprüfung. Auch wenn sie zunächst keine konkreten Verdachtsmomente ergab, führte sie dazu, dass die H. nunmehr Belege (also die Scheinrechnungen) vorlegen musste. Deren Überprüfung führte letztlich dazu, dass für die Voranmeldungszeiträume September bis November 2010 der jeweils geltend gemachten Auszahlung von Guthaben nicht mehr zugestimmt wurde. In den letztlich vergeblichen Versuch, in diesem Zusammenhang das Finanzamt zu täuschen, war auf Initiative M. s erneut auch K. verwickelt.
14
In den Voranmeldungszeiträumen Juni und Dezember 2010 meldete die H. Zahllasten an, so dass es einer Zustimmung des Finanzamts in diesen Fällen nicht bedurfte.
15
Insgesamt belief sich der unberechtigt geltend gemachte Vorsteuerabzug auf über 1,3 Mio. Euro.
16
Im weiteren Verlauf wurde ein gegen die H. gerichteter Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen.
17
Die Revision des Angeklagten B. ist näher ausgeführt auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt, die Revision des Angeklagten M. auf die näher ausgeführte Sachrüge. Die Revisionen bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
18
I. Verfahrensrüge(n) des Angeklagten B. :
19
Das Vorbringen, „diverse“ Beweisanträge seien zurückgewiesen und Hilfsbeweisanträge „zum Teil“ nicht beschieden, genügt nicht den Anforderun- gen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und wäre unbegründet.
20
1. Die Strafkammer hat die von der Revision genannten Anträge mit einzelfallbezogener Begründung (z.B. wegen Bedeutungslosigkeit, Wahrunterstellung u.a.) abgelehnt.
21
Nach dem Revisionsvorbringen sollen sämtliche Beschlüsse im Kern (offenbar ) deshalb fehlerhaft sein, weil die Strafkammer die von ihr erhobenen Beweise nach Auffassung der Revision falsch gewürdigt hat. Insoweit, so die Revision selbst, „vermengt sich die … Prozessrüge mit der Sachrüge“. Auf die Ablehnung der einzelnen Anträge geht die Revision nur vereinzelt konkret ein.
22
Bei einer Reihe dieser Anträge handelte es sich nicht um Beweisanträge, sondern Beweisermittlungsanträge:
23
a) Der Antrag auf Vernehmung sämtlicher in der Anklage aufgeführten (§ 200 Abs. 1 Satz 2 StPO), aber noch nicht vernommenen Zeugen nennt kein Beweisthema. Auch verdeutlicht das Revisionsvorbringen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, um welche Zeugen es sich konkret handelt.
24
b) Der Zeuge W. sollte bekunden, er hätte „entweder bei einer Baufirma oder einer Nutzfahrzeugshandelsfirma“ Fahrzeuge abgeholt, und dabei im Auf- trag M. s entweder „in dessen eigenem oder fremden Namen“ gehandelt. Sind mehrere, sich gegenseitig ausschließende Tatsachen in das Wissen eines Zeugen gestellt, fehlt auch bei einem einheitlichen Beweisziel eine bestimmte Tatsachenbehauptung (BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97 mwN).
25
c) Der Antrag, zum Beweis des Herkunftsorts der Lieferungen des ersten Halbjahres 2009 die „entsprechenden Frachtpapiere“ zu verlesen,hätte erfordert , die einschlägigen Dokumente erst aus einer Vielzahl vergleichbarer Dokumente herauszusuchen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98 mwN).
26
d) Ob der Antrag auf erneute Vernehmung eines Zeugen ein Beweisantrag ist, hängt davon ab, wozu er bereits ausgesagt hatte (BGH, Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 566/01 mwN). Hierzu ist jedoch nichts vorgetragen.
27
Eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Zurückweisung dieser Anträge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97 mwN) ist weder ausdrücklich noch der Sache nach in zulässiger Form geltend gemacht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, was die Strafkammer zu weiteren Beweiserhebungen gedrängt hätte.
28
2. Die Behauptung, Hilfsbeweisanträge seien im Urteil übergangen, ist unbehelflich, da deren Inhalt nicht mitgeteilt ist.
29
3. Auch hinsichtlich der verbleibenden Anträge ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, aus dem insgesamt pauschal gehaltenen Revisionsvorbringen und den Urteilsgründen Teile herauszufiltern, die zu einer hinreichend angebrachten Rüge zusammengefügt werden könnten. Dann bestimmte statt des hierzu berufenen Revisionsführers das Revisionsgericht selbst den Gegenstand seiner Überprüfung.

30
4. Selbst wenn man - in welchem Umfang auch immer - einzelne Verfahrensrügen für zulässig erhoben hielte (was, wie dargelegt, zu verneinen ist), wären sie unbegründet, wie dies der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat.
31
II. Zur Sachrüge hinsichtlich des Schuldspruchs:
32
1. Die Auffassung (Revisionsbegründung M. ), der Umfang der hinterzogenen Steuern sei mangels hinreichender Darlegung nicht überprüfbar, ist unzutreffend. Jede Scheinrechnung ist tabellarisch aufgeführt, ebenso die darin ausgewiesene Umsatzsteuer. Auch ist für jeden Voranmeldungszeitraum die sich daraus ergebende Gesamtsumme zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuer ausdrücklich genannt.
33
2. Auch sonst sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei.
34
a) Angeklagter B. :
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Das Revisionsvorbringen zeigt die Möglichkeit einer den Angeklagten belastenden rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung nicht auf.
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b) Angeklagter M. :
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Die Strafkammer hat, ihren Beurteilungsspielraum bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 5 StR 403/04) nicht überschritten. Zwar erbrachte M. seine Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der falschen Steuererklärungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86); aufgrund dieser Tatbeiträge kam ihm jedoch nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer eine „Schlüsselstellung“ bei den gemeinschaftlich geplanten Taten zu. Er verfügte über einschlägige Erfahrungen und die erforderlichen Kontakte und sorgte dafür, dass I. und K. die Taten unterstützten. Unter diesen Umständen brauchte die Strafkammer auch die Annahme von Mittäterschaft nicht breiter als geschehen zu begründen.
38
Auch sonst sind Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ersichtlich.
39
III. Zur Sachrüge hinsichtlich der Strafaussprüche:
40
1. Zu den Strafrahmen:
41
Die Strafkammer hat die Strafrahmen nicht rechtsfehlerfrei bestimmt, jedoch ohne Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten:
42
a) Täuscht der Täter, wie hier, steuermindernde Umstände vor, indem er nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht, liegt (hier auf den jeweiligen Anmeldungszeitraum bezogen) ab einem Betrag von 50.000 Euro eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) vor. Dies hat die Strafkammer nicht verkannt, sie hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht auf die allein maßgebliche Summe des zu Unrecht anerkannten (bzw. in den Versuchsfällen: geltend gemachten) Vorsteuerabzugs abgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11). Vielmehr hat sie darauf abgestellt, ob es „zu Auszahlungen in Höhe von mehr als 50.000 Euro gekommen war“.
43
b) Die Frage, ob und in welcher Höhe es zu Auszahlungen gekommen ist, sagt aber nichts über die Höhe der verkürzten Steuern aus. Vielmehr hängt die Höhe von Auszahlungen oder verbleibenden Zahllasten allein von der Höhe der gemäß § 16 Abs. 1 UStG berechneten Umsatzsteuer einerseits und der Höhe der insgesamt geltend gemachten Vorsteuerbeträge andererseits ab. In dieses Ergebnis (Saldo) können also auch wahrheitsgemäß geltend gemachte Vorgänge einfließen. Wahrheitsgemäße Angaben können aber auf die Höhe des durch falsche Angaben zu anderen Vorgängen verursachten Schadens keinen Einfluss haben.
44
c) Der aufgezeigte Mangel bei der Strafrahmenbestimmung bleibt hier im Ergebnis unschädlich. In den Fällen, in denen die Strafkammer von einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes ausgegangen ist, lag der Verkürzungsbetrag stets über 50.000 Euro. Soweit die Strafkammer wiederholt, meist durch das Abstellen auf die Höhe der Auszahlungsbeträge (für die Abrechnungszeiträume zweites Quartal 2009, Dezember 2009, Februar 2010, Juni 2010, August 2010, September 2010, November 2010) zu Unrecht eine Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall verneint hat (zum Strafrahmen in den Versuchsfällen vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 mwN), sind die Angeklagten nicht beschwert.
45
d) Soweit besonders schwere Fälle angenommen sind, bestehen zur subjektiven Seite (auch) des Angeklagten M. - anders als seine Revision meint - keine Bedenken. Er war bei der H. ausschließlich zum Zwecke der Steuerhinterziehung tätig und hat sie maßgeblich ermöglicht. Die Möglichkeit, dass sein Vorsatz eine Steuerhinterziehung in dem jeweilig gegebenen Umfang nicht umfasst hätte, liegt daher fern (in vergleichbarem Sinne BGH, Beschluss vom 26. März 2004 - 1 StR 567/03; Urteil vom 4. September 1996 - 2 StR 299/96), auch wenn er an der Erstellung der unrichtigen Steuererklärungen nicht unmittelbar beteiligt war. Fernliegende Möglichkeiten sind aber nicht erörterungsbedürftig.
46
2. Zur konkreten Strafzumessung:
47
a) Auch hierbei hat sich der aufgezeigte Mangel nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt. In den meisten Fällen führte er dazu, dass die Strafkammer von einem zu niedrigen Hinterziehungsbetrag ausgegangen ist. Die für die Strafzumessung maßgebliche Größenordnung des Steuerschadens hat sich aber auch in den wenigen Fällen nicht verändert, in denen die Strafkammer von einem zu hohen Betrag ausgegangen ist.
48
b) Das Revisionsvorbringen des Angeklagten M. zeigt die Möglichkeit beschwerender Rechtsfehler nicht auf:
49
(1) Zu Unrecht nicht strafmildernd gewertetes Verhalten des Finanzamts ist nicht ersichtlich. Das Revisionsvorbringen im Zusammenhang mit der Sonderprüfung - so sei etwa ein gebotener Abgleich von Steuernummern unterblieben - kann auf sich beruhen. Ein Straftäter hat keinen Anspruch darauf, dass staatliche Stellen rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern. (Vorwerfbares) Verhalten des Steuerfiskus kann regelmäßig allenfalls dann zu einer milderen Beurteilung von Steuerhinterziehung führen, wenn es das Täterverhalten unmittelbar beeinflusst hat und die Tatgenese den staatlichen Entscheidungsträgern vorzuwerfen ist (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10 mwN). Hierfür spricht vorliegend nichts. Vielmehr haben die Ermittlungen des Finanzamtes den (die) Angeklagten nicht von der Fortsetzung des bisherigen strafbaren Verhaltens abgehalten. Dies spricht für besondere kriminelle Hartnäckigkeit, ergibt aber offensichtlich keine strafmildernden Gesichtspunkte.
50
(2) Vergeblich macht die Revision geltend, die Strafkammer habe die strafmildernde Bedeutung serienmäßiger Tatbegehung verkannt:
51
Eine strafmildernde Berücksichtigung serienmäßiger Tatbegehung kann vor allem dann zu erwägen sein, wenn die einzelnen Taten räumlich, zeitlich oder sonst besonders eng verschränkt sind. Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen kann sich das Vorliegen einer Vielzahl gleichartiger Taten je nach den Umständen des Falles auf die Strafzumessung unterschiedlich auswirken (BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 - 2 StR 130/91 mwN). Allein die zunehmende Gewöhnung an die Begehung gleichartiger Straftaten wäre aber nicht strafmildernd (BGH, Urteil vom 18. September 1995 - 1 StR 463/95). Anderes ist hier nicht ersichtlich.
52
Der Senat bemerkt, dass der Unwertgehalt von Steuerstraftaten maßgeblich auch durch die Höhe des Steuerschadens bestimmt ist. Da serienmäßige Tatbegehung bei Steuerstraftaten zu höherem Steuerschaden führt, hat sie regelmäßig strafschärfende Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11; Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 jew. mwN).
53
(3) Die Revision meint, I. habe zwar einen „gleichgewichtigen oder gar noch gewichtigeren Tatbeitrag“ geleistet, sei aber dennoch bisher nicht angeklagt oder verurteilt worden. Dies hätte strafmildernd berücksichtigt werden müssen.
54
Die Urteilsgründe ergeben schon keine nachvollziehbare Grundlage für die genannte Gewichtung des Tatbeitrages von I. und bestätigen auch den behaupteten Verfahrensstand nicht.
55
Unabhängig davon hat aber der Stand eines Verfahrens gegen einen anderen Tatbeteiligten ohnehin für die Strafzumessung keine Bedeutung. Es gilt nichts anderes als hinsichtlich der Strafzumessung gegen Tatbeteiligte in anderen Urteilen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11 mwN). Die Revision stützt ihre gegenteilige Auffassung auf Rechtsprechung zur Strafzu- messung gegen „Mauerschützen“ (BGH, Urteil vom 3.November 1992 - 5 StR 370/92) oder in vergleichbaren Fällen (BGH, Urteil vom 3. März 1993 - 5 StR 546/92), wonach auch eine Rolle spielte, dass damals hierarchisch übergeordnete Verantwortliche noch nicht abgeurteilt waren. Derartige Besonderheiten liegen hier nicht vor.
56
(4) Die Revision hält es unter Berufung auf BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01 für strafmildernd, dass der Angeklagte trotz seines verhältnismäßig geringen Beuteanteils gemäß § 71 AO als Haftungsschuldner für die gesamte hinterzogene Steuer herangezogen werden könne.
57
Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
58
aa) § 71 AO hat Schadensersatzcharakter und ist keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten (vgl. zusammenfassend Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 71 Rn. 2 mwN). Letztlich muss derjenige, der sich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, für den von ihm (mit)verschuldeten Schaden ebenso einstehen, wie sonst ein Beteiligter an einer unerlaubten Handlung auch (§ 830 BGB). Allein die gesetzliche Pflicht, schuldhaft - hier vorsätzlich - (mit)verursachten Schaden ersetzen zu müssen, kann sich jedenfalls regelmäßig nicht strafmildernd auswirken.
59
bb) Es entspricht auch nicht der sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , möglicherweise wegen der Straftat (bzw. des Strafurteils) zu erwartenden behördlichen Anordnungen strafzumessungsrechtliche Bedeutung zuzuerkennen, wenn die Verwaltungsbehörde dabei die Umstände des Einzelfalls in ihre Entschließung einzubeziehen hat (st. Rspr.; zu möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen einer Verurteilung vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11 mwN). Die Möglichkeit fachgerichtlicher Überprüfung dieser Maßnahmen schützt vor besonderen, vom Gesetzeszweck nicht umfassten Härten (BGH aaO).
60
Es liegt nahe, diese Grundsätze auch hier anzuwenden. Ein Haftungsbescheid gemäß §§ 71, 191 AO steht im Ermessen der Finanzbehörden (zu den dabei wesentlichen Gesichtspunkten vgl. Rüsken aaO § 191 Rn. 30 - 62 mwN). Eine entsprechende Entscheidung unterliegt finanzgerichtlicher Überprüfung ; dabei ist Besonderheiten des Einzelfalles erforderlichenfalls Rechnung zu tragen (vgl. nur BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - XI R 3/03; zu vorläufigem gerichtlichen Rechtsschutz vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2012 - 2 V 233/11).
61
cc) Unabhängig davon käme eine strafmildernde Berücksichtigung einer möglichen Heranziehung gemäß § 71 AO allenfalls dann in Betracht, wenn der Angeklagte nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung „rechnen muss“ (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01) und dies eine besondere Härte darstellen würde (vgl. BGH, Ur- teil vom 14. März 2007 - 5 StR 461/06). Anhaltspunkte für eine solche Prognose sind jedoch nicht erkennbar:
62
Der Angeklagte ist erwerbs- und vermögenslos. Daher würden ihn auch die praktischen Folgen eines Haftungsbescheides schwerlich in besonderem Maße belasten, selbst wenn das Finanzamt, das schon aus Zweckmäßigkeitserwägungen naheliegend auch berücksichtigt, bei wem der Steueranspruch „am schnellsten, leichtesten und sichersten realisiert werden kann“ (Rüsken aaO Rn. 60 mwN), einen solchen Bescheid gegen ihn erlassen sollte.
63
Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass fern liegende Möglichkeiten nicht erörtert werden müssen.
64
(5) Die Revision hält das Alter des (1949 geborenen) Angeklagten bei den Taten und bei einem (etwaigen) Strafantritt nicht für hinlänglich gewürdigt.
65
Das „fortgeschrittene Alter“ desAngeklagten ist bei der Strafzumessung genannt. Weitere Ausführungen waren nicht geboten.
66
Im Alter von 60 und 61 Jahren begangene Steuerhinterziehungen im Rahmen eines hierfür selbst geschaffenen komplexen Systems sprechen gegen einen für das Maß der Schuld und damit die Strafzumessung bedeutsamen Altersabbau. Dies gilt umso mehr bei einem Angeklagten, der gleichartige Taten auch schon früher begangen hat (BGH, Urteil vom 11. August 1998 - 1 StR 338/98 mwN).

67
Die Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe hat den Angeklagten nicht von einschlägigen neuen Taten abgehalten. Ohne konkrete Anhaltspunkte musste daher hier nicht allein wegen des Zeitablaufs seit der letzten Strafverbüßung erwogen werden, ob er jetzt gleichwohl durch den Strafvollzug voraussichtlich besonders stark beeindruckbar (haftempfindlich) sein könnte.
68
Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass das Alter des Angeklagten hier die Erörterung seiner Chance, zu Lebzeiten „wieder der Freiheit teilhaftig zu werden“ (BGH, Urteil vom 27. April 2006 - 4 StR 572/05 mwN), erfordert hätte.
69
(6) Die Auffassung der Revision, für die Bemessung der Dauer des - angesichts seiner aus den Urteilsgründen ersichtlichen Komplexität ohne erkennbare Verzögerung durchgeführten - Verfahrens sei der Beginn des strafbaren Verhaltens maßgeblich, liegt neben der Sache.
70
(7) Gleiches gilt für die Ausführungen zu einer „Nähe der Tilgungsreife“ hinsichtlich der Vorstrafe. Diese wäre selbst bei straffreiem Verhalten erst 2020 tilgungsreif geworden (§ 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, § 47 Abs. 3 BZRG).
71
(8) Schließlich gehen auch die Angriffe dagegen fehl, dass der Angeklagte ebenso hoch bestraft wurde wie der Angeklagte B. . Die Strafkammer hat insoweit zusammenfassend erwogen, dass B- zwar ein „größeres Eigeninteresse“ an den Taten hatte, also hiervon erheblich mehr pro- fitierte, dafür aber nicht vorbestraft ist. Die Ausführungen der Revision erschöpfen sich in dem unbehelflichen Versuch, rechtsfehlerfreies tatrichterliches Ermessen durch eigenes Ermessen zu ersetzen.
72
3. Auch sonst sind keine die Angeklagten beschwerenden rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen ersichtlich.

RiBGH Hebenstreit ist in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Jäger Sander

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 32/13
vom
4. Juni 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) Art. 7 lit. f)
1. Zum Vorliegen nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten bei der Erstellung
von sog. Bewegungsprofilen bei Überwachung von Zielpersonen durch Anbringung
von GPS-Empfängern an den von diesen genutzten Kraftfahrzeugen durch
eine Detektei.
2. Zu den Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Befugnis zum Erstellen von
Bewegungsprofilen mittels GPS-Empfängern in engen Ausnahmefällen.
BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - 1 StR 32/13 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Juni 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten H. ,
der Angeklagte H. persönlich,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten K. ,
der Angeklagte K. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben:
a) in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 und 29 der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben:
a) in den Fällen 13 bis 17, 23, 24, 26 und 27 der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in 29 Fällen sowie wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in 25 Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 27. September 2011 zu einer (nachträglichen) Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.
2
Hiergegen richten sich die auf näher ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

4
Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe:
5
1. Der Angeklagte H. betrieb eine Detektei, der Angeklagte K. war - ebenso wie der gesondert Verfolgte Kn. - als Detektiv bei ihm angestellt. Die Detektei wurde häufig von Privatpersonen beauftragt, andere Personen (Zielpersonen) zu überwachen. Eine der praktizierten Observationsmaßnahmen bestand in der Erstellung von Bewegungsprofilen der Zielpersonen. Dabei ging die Detektei wie folgt vor: Durch vorangegangene persönliche Observation und Halterabfragen wurde das von den Zielpersonen regelmäßig genutzte Fahrzeug und dessen regelmäßiger Standort ermittelt. Sodann brachte - jeweils auf Anweisung des Angeklagten H. - überwiegend (jedoch nicht in den Fällen 19, 21 und 25 sowie 29 der Urteilsgründe) der Angeklagte K. , teilweise gemeinsam mit dem Mitarbeiter Kn. , einen GPSEmpfänger (basierend auf Global-Positioning-System = GPS) an diesen Fahrzeugen an. Soweit die Angeklagten für möglich hielten, dass die Zielpersonen mehrere Fahrzeuge benutzten, etwa Fahrzeuge von Personen aus dem familiären Umfeld der Zielpersonen, wurde an jedem dieser Fahrzeuge ein GPSEmpfänger angebracht. Dass die Angeklagten durch ihr Verhalten in die Rechte dieser „unbeteiligten“ Familienangehörigen eingriffen, die die Fahrzeuge ebenfalls nutzten, war ihnen bewusst. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angeklagten jemals einen GPS-Empfänger an einem Fahrzeug angebracht hätten, das von mehr als weiteren zwei, in einem Fall von mehr als drei Personen neben der Zielperson benutzt wurde.
6
Zur Anbringung des GPS-Empfängers betrat der Angeklagte K. wiederholt im Bewusstsein, hierzu nicht berechtigt zu sein, Tiefgaragen, die teilweise durch Rolltore oder Gitter gesichert oder nur durch Berechtigte mit einer Karte zu betreten waren.
7
Die GPS-Empfänger zeichneten im Durchschnitt alle zwei Minuten, teils sogar minütlich, das Datum, die Uhrzeit, die geographischen Breiten- und Längenkoordinaten sowie die jeweilige Momentangeschwindigkeit des Fahrzeugs auf. Diese Daten wurden über Mobiltelefone der Angeklagten auf deren Note- books übertragen und dort mittels eines speziellen Softwareprogramms automatisch zu Bewegungsprotokollen und Kartendarstellungen verarbeitet, wobei auch „Fahrweg und Aufenthaltsort der Zielpersonen“ dokumentiert wurden. Diese Arbeiten nahmen im Wesentlichen der Angeklagte K. und der weitere Mitarbeiter Kn. vor. Die so gewonnenen Daten überließ der Angeklagte H. - teils in Form von Protokollen und Kartendarstellungen, teils in Form von Observationsberichten - den jeweiligen Auftraggebern in Papierform.
8
2. Die Motive der Auftraggeber für die Überwachung der Zielpersonen waren unterschiedlich:
9
a) Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe:
10
Auftraggeber der Observationen waren Geschäftsführer der imBereich von Labormedizin tätigen L. GmbH. Gegen einen der Geschäftsführer hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordbaden Maßnahmen im Rahmen ihrer Aufgaben ergriffen. Dieser Geschäftsführer wollte kompromittierendes Material aus dem Berufs- und Privatleben von näher bezeichneten Personen , die der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden angehörten bzw. für diese tätig waren, gewinnen. Dieses Material wollte er dazu einsetzen, um die Zielpersonen in seinem Sinne beeinflussen zu können. Ein weiterer Observationsauftrag betraf mit gleicher Zielrichtung einen Rechtsanwalt, den Insolvenzverwalter über das Vermögen dieses Geschäftsführers. Sowohl an den Fahrzeugen der betroffenen Angehörigen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden sowie bei diesem Rechtsanwalt wurden GPS-Empfänger angebracht.
11
Weitere Observationsaufträge betrafen Angehörige der Staatsanwaltschaft Mannheim, die gegen den Geschäftsführer wegen Abrechnungsbetruges ermittelten, sowie Angehörige konkurrierender Labore. Damit im Zusammenhang stehende Vorgänge sind Gegenstand eines gesonderten Verfahrens.
12
b) Fälle 18, 20 bis 22, 28 der Urteilsgründe:
13
Hier wollten die Auftraggeber durch eine Überwachung ihrer Ehegatten (Fälle 18 und 22 der Urteilsgründe) oder der Schwiegertochter (Fälle 20 und 21 der Urteilsgründe) deren Untreue belegen. In einem Fall (Fall 28 der Urteilsgründe erstrebte der Auftraggeber Klärung darüber, ob seine Lebensgefährtin, gegen die wegen dieses Verdachts später auch ermittelt wurde, Beischlaf mit Verwandten gehabt hatte.
14
c) Fälle 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe:
15
Eine Observation richtete sich gegen einen Mitarbeiter/Berater eines Unternehmens , der bei dem Auftraggeber (Fälle 15 und 16 der Urteilsgründe) in Verdacht stand, hohe Geldbeträge veruntreut und Maschinen unterschlagen zu haben. In zwei weiteren Fällen stand ein Mitarbeiter eines Unternehmens im Verdacht, im Krankenstand „schwarz“ einer Nebentätigkeit nachgegangen zu sein (Fälle 23 und 24 der Urteilsgründe) bzw. gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen zu haben (Fall 25 der Urteilsgründe). Hier konnte der Betroffene der „Spionage“ zugunsten einer Konkurrenzfirma überführt werden; die Observation diente der Vorbereitung einer Strafanzeige. In den Fällen 26 und 27 der Urteilsgründe hatte der Auftraggeber seine Ehefrau in Verdacht, als Mitarbeiterin eines gemeinsamen Unternehmens Gelder veruntreut zu haben. Eine Auftraggeberin (Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe) befürchtete, ihr Ehemann habe im Rahmen einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung ihr zustehende Vermögenswerte beiseite geschafft. Im Fall 17 der Urteilsgründe wollte der Auftraggeber im Interesse zukünftiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den aktuellen Arbeitsplatz einer ehemaligen Mitarbeiterin, die noch erhebliche Schulden bei ihm hatte, herausfinden. Ein weiterer Auftraggeber versuchte, über die Überwachung zu belegen, dass seine getrennt lebende Ehefrau eine andere Beziehung habe und ihm „das Haus wegnehmen“ wolle (Fall 29 der Urteilsgründe ); der GPS-Empfänger wurde hier an einem im Eigentum des Auftraggebers stehenden Fahrzeug angebracht. Der Auftraggeber im Fall 19 der Urteilsgründe ließ seine Ehefrau im Rahmen einer Scheidungsauseinandersetzung überwachen.
16
3. Das Landgericht hat in sämtlichen Fällen (bei dem Angeklagten K. nur in den Fällen, an denen er beteiligt war) vorsätzliches unbefugtes Erheben von Daten gegen Entgelt (§ 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG) bejaht.
17
Näher hat es ausgeführt:
18
Die GPS-Daten seien personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG). Das zunächst fahrzeugbezogene Bewegungsprofil sei entsprechend dem Zweck der Maßnahme den Zielpersonen ohne Weiteres zuzuordnen gewesen.
19
Diese Daten seien nicht allgemein zugänglich gewesen. Durch bloßes Beobachten und/oder „Hinterher-Fahren“ wäre schon wegen der Verkehrsdichte und des erhöhten Entdeckungsrisikos die Erstellung eines ebenso vollständigen Bewegungsprofils nicht oder allenfalls theoretisch unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich gewesen. Die Datenerhebung bzw. -verarbeitung seien unbefugt gewesen. Namentlich könnten sich die Angeklagten nicht auf Erlaubnissätze , insbesondere nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG berufen.
20
In diesem Zusammenhang sei abzuwägen zwischen - einerseits dem Interesse der Detektei an der Auftragserfüllung und den dahinter stehenden Interessen der Auftraggeber - andererseits dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Zielpersonen auf informationelle Selbstbestimmung.
21
Da der GPS-Einsatz bereits für sich genommen widerrechtlich gewesen sei, seien die Interessen der Angeklagten bzw. der Auftraggeber nicht billigenswert. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass bei keinem der Fälle eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 100h StPO vorgelegen habe. Selbst Ermittlungsbehörden wären daher nicht befugt gewesen, sich eines GPS-Geräts, das als technisches Mittel im Sinne dieser Vorschrift gelte, zu be- dienen. Den Angeklagten, die ohnehin nur über „Jedermanns-Rechte“ verfüg- ten, habe dann erst recht keine Befugnis zugestanden.

II.

22
Fall 30 der Urteilsgründe:
23
1. Der Angeklagte H. verkaufte und übergab einer Auftraggeberin, die die privaten Telefonate ihres Ehemannes abhören wollte, einen Telefonhörer, einen Recorder, einen Funkscanner und ein Kabel und erklärte ihr, wie sie diese Gerätschaften in das gemeinsam von ihr und ihrem Ehemann genutzte drahtgebundene Telefon einbauen könne. Dementsprechend konnten die über dieses Telefon geführten Gespräche - für den Ehemann nicht erkennbar - empfangen , aufgenommen und wiedergegeben werden.
24
2. Deswegen wurde er wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen im Sinne von § 148 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 TKG verurteilt.

III.

25
Gegen das Urteil richten sich die auf näher ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten.

B.

26
Soweit die Revision des Angeklagten H. sich gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen (§ 148 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 TKG; Fall 30 der Urteilsgründe) wendet, bleibt diese erfolglos, ohne dass dies näherer Ausführung bedürfte.

C.

27
Soweit die Angeklagten wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt (§ 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG) verurteilt worden sind, besteht kein Verfahrenshindernis; insbesondere liegen in Bezug auf sämtliche verfahrensgegenständlichen Taten die erforderlichen wirksamen Strafanträge (§ 44 Abs. 2 Satz 1 BDSG) vor.
28
Antragsbefugt ist gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 BDSG neben dem Betroffenen , der verantwortlichen Stelle und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auch die Aufsichtsbehörde im Sinne von § 38 BDSG. Die zuständigen Aufsichtsbehörden können per Gesetz von der Landesregierung oder von einer durch diese ermächtigten Stelle bestimmt werden , § 38 Abs. 6 BDSG.
29
Vorliegend hatte, neben einzelnen Geschädigten, am 14. Juli 2010 der Leiter der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Innenministerium Baden-Württemberg) in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen Strafanträge gestellt.
30
Diese Aufsichtsbehörde war in Baden-Württemberg zu dem Zeitpunkt der Antragstellung bei dem Innenministerium angesiedelt (vgl. Ambs in ErbsKohlhaas , 183. Lfg., § 38 BDSG Rn. 1). Erst aufgrund Gesetzes zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 7. Februar 2011, das am 1. April 2011 in Kraft trat (GBl. BW Nr. 2, S. 43), wurde die Aufsicht über die nicht-öffentlichen Stellen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz übertragen (vgl. § 31 Abs. 1 DSG BW nF; Bergmann/Möhrle/Herb, LDSG BW, 43. Lfg., § 31 Anm. 3.1).
31
Die Antragstellung erfolgte damit durch die zuständige Aufsichtsbehörde und ist, weil wenige Tage nach Kenntnisnahme des Sachverhalts gestellt, innerhalb der drei Monate betragenden Antragsfrist, deren Lauf mit Kenntniserlangung von der Tat und der Person des Täters (§ 77b StGB) beginnt, erfolgt.

D.

32
Soweit die Angeklagten wegen Taten nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG verurteilt wurden, haben die Revisionen in den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Einzelfällen Erfolg, was zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe führt. Im Übrigen bleiben sie erfolglos. Die für die Entscheidung über die Revisionen beider Angeklagter maßgeblichen Gründe sind weitgehend identisch. Lediglich hinsichtlich des Merkmals der Entgeltlichkeit (§ 44 Abs. 1 BDSG) ist eine differenzierte Betrachtung geboten (unten D.I.3.).

I.

33
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben die Angeklagten zwar jeweils vorsätzlich handelnd gegen Entgelt gemeinschaftlich personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhoben und verar- beitet. Allerdings hat das Tatgericht bei der Beurteilung des Merkmals „unbefugt“ einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab herangezogen. Aufgrund dessen tragen die bislang getroffenen Feststellungen in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe die Annahme einer fehlenden Befugnis zur Datenerhebung und -verarbeitung nicht. Dies betrifft mit Ausnahme der Fälle 19, 25 und 29 der Urteilsgründe - hieran hatte der Angeklagte K. nicht mitgewirkt - beide Angeklagte.
34
In den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe sowie in den Fällen 18, 20 bis 22 und 28 der Urteilsgründe ist das Tatgericht im Ergebnis zutreffend von einem unbefugten Handeln ausgegangen; dies betrifft mit Ausnahme des Falls 21 der Urteilsgründe beide Angeklagten.
35
1. Das Landgericht hat die durch die GPS-Empfänger gewonnenen „Be- wegungsdaten“ zu Recht als personenbezogene Daten, also als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BDSG), bewertet.
36
a) Der Begriff der „Angabe“ umfasst jede Information. Eine Information ist geistiger Natur (Dammann in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 3 Rn. 5 mwN). Reale Vorgänge und Zustände sind daher für sich genommen keine derartigen Angaben ; sie können aber etwa durch Aufzeichnen oder Messen Ausgangspunkt für das Herstellen solcher Einzelangaben sein (Dammann aaO).

37
Auf persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person beziehen sich Einzelangaben dann, wenn sie über die Bezugsperson selbst etwas aussagen oder mit der Bezugsperson in Verbindung zu bringen sind, weil sie einen auf sie beziehbaren Sachverhalt enthalten (Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 3 Rn. 5 und 7). Daher zählen nicht nur einer Person als solcher zukommende Eigenschaften und Merkmale zu deren persönlichen und sachlichen Verhältnissen, sondern auch ihre Beziehungen zur Umwelt, wie u.a. ihr Aufenthaltsort (vgl. Dammann aaO Rn. 11; Gola/Schomerus aaO Rn. 7; Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 4/11, § 3 Rn. 5; Backu, ITRB 2009, 88, 90).
38
Werden geografische Standort- oder Positionsdaten (hier GPSPositionsdaten ) erhoben, verarbeitet oder genutzt, vermitteln diese, weil sie sich in erster Linie auf Gegenstände - wie vorliegend den GPS-Empfänger bzw. das Fahrzeug, an dem der GPS-Empfänger angebracht ist - beziehen, unmittelbar keine Aussage über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse einer natürlichen Person (vgl. Schrey/Meister, K&R 2002, 177, 180). Durch den Einsatz satellitengestützter Positionsbestimmungs-Systeme lassen sich mit einer horizontalen und vertikalen Genauigkeit von wenigen Metern (vgl. Jandt/ Schnabel, K&R 2008, 723, 724) Positionsdaten „lediglich“ darüber gewinnen, wo sich ein GPS-Empfänger befindet (zu den technischen Gegebenheiten vgl. Jandt/ Schnabel aaO).
39
Gegenstände, wie die hier verwendeten GPS-Empfänger, können aber einem bestimmten Einfluss durch Personen unterliegen, so dass etwa aufgrund der physischen oder räumlichen Nähe des GPS-Empfängers zu einer Person oder zu anderen Gegenständen, etwa dem von einer bestimmten/ bestimmbaren Person genutzten Fahrzeug, an dem der GPS-Empfänger angebracht ist, eine indirekte Beziehung zu einer Person hergestellt werden kann. Fahrzeugortungsdaten als Sachdaten werden daher als Verhaltensdaten zu personenbezogenen Daten, wenn der Insasse dem Fahrzeug zugeordnet werden kann (zum Personenbezug von GPS-Standortdaten vgl. Dammann aaO § 3 Rn. 15 und 59, 69; zur Ortung von Arbeitnehmern bei der Anbringung von GPSEmpfängern an Dienst-Fahrzeugen vgl. Meyer, K&R 2009, 14, 19; zur GPSOrtung im Arbeitsverhältnis vgl. auch Gola, NZA 2007, 1139, 1143).
40
b) Gemessen hieran stellten die durch den Angeklagten H. und seine Mitarbeiter gewonnenen GPS-Positionsdaten der von den Zielpersonen benutzten Fahrzeuge personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG dar. Das gilt sowohl für Standortdaten solcher Fahrzeuge, die lediglich von einer Person genutzt wurden, als auch solcher mit Nutzung durch weitere den Angeklagten aufgrund der vorausgegangenen Recherchen namentlich bekannte Personen.
41
Bei Nutzung des jeweiligen Fahrzeugs ausschließlich durch die Zielperson war es den Angeklagten ohne weiteres möglich, die GPS-Daten den entsprechenden Zielpersonen zuzuordnen. Die GPS-Daten enthielten damit eine Information über den jeweiligen Aufenthaltsort und das Fahrverhalten der jeweiligen Zielperson, mithin über eine für die Angeklagten bestimmbare natürliche Person im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Auf die in Einzelheiten kontrovers beurteilten Maßstäbe der Bestimmbarkeit der Person im Zusammenhang mit der Zuordnung von zunächst Sachdaten zu einer Person (dazu Forgó/Krügel, MMR 2010, 17, 18 ff. mwN) kommt es vorliegend dabei nicht an.

42
Aber auch soweit eine Nutzung der überwachten Fahrzeuge durch eine oder zwei weitere Personen aus dem Umfeld der Zielpersonen erfolgte, handelte es sich bei den Standortdaten um personenbezogene Daten. Die Angeklagten stellten in diesen Fällen personenbezogene Informationen selbst her, indem sie die GPS-Positionsdaten einer bestimmten Person zuordneten und damit Aussagen über deren Aufenthaltsort trafen.
43
Die Angeklagten hatten die GPS-Empfänger nicht wahllos an Fahrzeugen angebracht; vielmehr hatten sie „Vorfeldermittlungen“ angestellt und in deren Verlauf die Halterdaten erhoben sowie die Zielpersonen persönlich obser- viert. Soweit die Angeklagten zur Beobachtung einer „Zielperson“ aufgrund ihrer Erkenntnisse an mehreren Fahrzeugen jeweils einen GPS-Empfänger anbrachten , um Bewegungsprofile der Zielpersonen auch im Falle eines Fahrzeugwechsels zu erhalten, war es ihnen bewusst, dass auch „Unbeteiligte“ mitobserviert wurden (UA S. 7). Teilweise überwachten sie auch Angehörige der Zielpersonen (UA S. 15). Soweit drei weitere Personen im familiären Umfeld der Zielpersonen dasselbe Fahrzeug nutzten, war auch dies den Angeklagten bekannt. Verfolgungstechnische „Leerläufe“ konnten die Angeklagten im Übrigen dazu nutzen, ergänzende Erkenntnisse zur betreffenden Zielperson zu erlangen. Es liegt angesichts dieser begleitenden Ermittlungen der Angeklagten nicht nahe, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, eine zutreffende Zuordnung der GPS-Daten zu dem jeweiligen Fahrzeugführer vorzunehmen. Selbst wenn sie aber in Einzelfällen die GPS-Daten fehlerhaft zugeordnet haben sollten, ändert dies an der Beurteilung als personenbezogene Daten nichts.
44
Ein fehlender Wahrheitswert des Datums bzw. der Daten schließt das Vorliegen einer Angabe im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG nämlich nicht aus. Nur dann, wenn aus dem Kontext heraus eindeutig ist, dass die Angaben „reine Fantasie des Autors“ sind, sagen sie über eine Person nichts aus (Dammann aaO § 3 Rn. 6). Dies war hier aber im Hinblick auf die umfassenden „Vorfeldermittlungen“ der Angeklagten gerade nicht der Fall.
45
Eine Aufklärungsrüge wurde insoweit im Übrigen nicht erhoben.
46
2. Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Angeklagten, indem sie sich die GPS-Daten beschafften und die so erlangten Daten computergestützt automatisiert zu Bewegungsprotokollen zusammenfügten , Daten im Sinne von § 3 Abs. 3 BDSG erhoben.
47
a) Unter dem Erheben von Daten im Sinne von § 3 Abs. 3 BDSG ist deren zielgerichtete Beschaffung zu verstehen; es bedarf daher einer Aktivität, durch die die erhebende Stelle Kenntnis von dem betreffenden Sachverhalt erhält (Dammann aaO § 3 Rn. 102, Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 1/11, § 3 Rn. 105). Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG unterfällt dem Verarbeiten unter anderem das Speichern von Daten, d.h. das Erfassen, Aufnehmen und Aufbewahren der Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Daneben stellt die Veränderung von Daten, d.h. das inhaltliche Umgestalten gespeicherter Daten (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BDSG), eine weitere Form der Datenverarbeitung dar.
48
b) Indem die Angeklagten mittels der GPS-Empfänger minütlich oder alle zwei Minuten in geografischen Breiten- und Längenkoordinaten ausgedrückte Positionsdaten der GPS-Empfänger sammelten, erhoben sie im Sinne des § 3 Abs. 3 BDSG Daten. Durch die Erfassung dieser Positionsdaten über ihre Mobiltelefone auf ihren Notebooks speicherten sie - im Zuge ihrer Erhebung - diese Daten im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG. Da diese Daten computergestützt mittels der von den Angeklagten eingesetzten Software automatisch zu Bewegungsprotokollen und Kartendarstellungen einschließlich der Dokumentation von Fahrweg und Aufenthaltsort des GPS-Empfänger zusammengefügt wurden, verarbeiteten die Angeklagten diese Daten zudem im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BDSG automatisiert weiter. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auch auf die weitere Verarbeitung (vgl. § 3 Abs. 4 BDSG) der erhobenen Daten abgehoben hat, belastet die Angeklagten nicht.
49
3. Dass der Angeklagte H. , der von den Auftraggebern eine monetäre Gegenleistung verlangte, entgeltlich (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) handelte, bedarf keiner Erörterung.
50
Es mag dahinstehen, ob der Hinweis der Revision auf das dem Angeklagten K. ohnehin gewährte Gehalt für diesen ein entgeltliches Handeln im Sinne von § 44 Abs. 1 BDSG auszuschließen vermag. Die Revision vertritt insoweit die Auffassung, ein entgeltliches Handeln verlange einen Zusammenhang des Gehalts mit den konkreten Fällen, in denen er tätig war. Daran fehle es.
51
Selbst wenn dem zu folgen und wegen fehlenden Zusammenhangs entgeltliches Handeln zu verneinen wäre, hätte der Angeklagte K. jedenfalls in der Absicht gehandelt, den Mitangeklagten H. um das von den Auftraggebern bezahlte Honorar zu bereichern.
52
Dies trägt den Schuldspruch. Die Möglichkeit, dass sich der Angeklagte K. bei entsprechendem Hinweis (§ 265 StPO) erfolgversprechender als bislang geschehen hätte verteidigen können, ist auszuschließen.
53
4. Die Wertung des Landgerichts, die erhobenen Daten seien nicht im Sinne von §§ 43, 44 BDSG allgemein zugänglich gewesen, ist entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit, dass ein nicht beschränkter Kreis von Personen die Zielpersonen in der Öffentlichkeit hätte wahrnehmen können, diesen unter Umständen sogar hätte „nachfahren“ können, führt nicht dazu, dass die aufgezeichneten und weiterverarbeiteten (wie dargelegt personenbezogenen) GPS-Positionsdaten allgemein zugänglich waren. Die Erhebung und die Verarbeitung der hier konkret mit Hilfe technischer Mittel erhobenen personenbezogenen Daten waren lediglich unter Überwindung rechtlicher Zugangshindernisse möglich. Das steht einer allgemeinen Zugänglichkeit entgegen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch und vor allem aus der Entstehungsgeschichte der geltenden gesetzlichen Regelung, die die Wendung „nicht allgemein zugänglich“ enthält.
54
a) Allgemein zugänglich sind diejenigen Daten, die von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist (Gola/Schomerus aaO § 43 Rn. 18). Über die Begrifflichkeit der „allgemein zugänglichen Daten“, die aufgrund Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. Mai 2001 (BGBl. I 2001, S. 904) auch zum Zwecke der Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs (vgl. BT-Drucks. 14/5793 S. 64) an verschiedenen Stellen des BDSG aufgenommen wurde (vgl. § 10 Abs. 5, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG) und auch im 5. Abschnitt des BDSG insoweit das frühere Merkmal „offenkundig“ ersetzte, soll der Informationsfreiheit desjenigen Rechnung getragen werden, der Daten erhebt und verarbeitet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des von dieser Datenerhebung Betroffenen findet damit in dem Recht, sich aus Quellen, die jedermann offen stehen, zu informieren, seine Grenze (vgl. Gola/Schomerus aaO § 28 Rn. 45; vgl. auch Forgó/Krügel/Müllenbach, CR 2010, 616, 620 Fn. 39).
55
Rechtliche Schranken jedweder Art des Zugangs zu den Daten, auch wenn die rechtlichen Hürden nicht besonders hoch sind und mittels Falschan- gaben einfach umgangen werden können, schließen die allgemeine Zugänglichkeit aus. Auskünfte, die mittels einer einfachen Registerauskunft erteilt wer- den könnten, sind nicht „allgemein zugänglich“, wenn die Auskunft von rechtli- chen Voraussetzungen abhängt. So setzt etwa die Erteilung von Auskünften nach § 39 Abs. 1 StVG die Geltendmachung eines berechtigten Interesses im Sinne von § 39 Abs. 1 Halbsatz 2 StVG voraus; dementsprechend sind die im entsprechenden Register enthaltenen Daten nicht „allgemein zugänglich“ (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 1 StR 150/02, NJW 2003, 226, 227, dort in Bezug auf das insoweit ausdrücklich gleich behandelte Merkmal der Offenkundigkeit im Zusammenhang mit § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB; Gola/Schomerus aaO § 43 Rn. 18; anders OLG Hamburg, NStZ 1998, 358 [ebenfalls zur „Offenkun- digkeit“ im Zusammenhang mit § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB]; BayObLG, NJW 1999, 1727; vgl. auch Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 2/11, § 43 Rn. 26). Die Ersetzung des früheren Begriffs „offenkundig“ durch die Wendung „nicht allge- mein zugänglich“ in §§ 43, 44 BDSG bezweckte gerade auch, Fallgestaltungen, in denen der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist, eindeutig als strafbar zu erfassen (BT-Drucks. 14/4329 [Anl. II; Stellungnahme des Bundesrates] S. 59 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks. 14/5793, S. 67; vgl. auch Krauskopf in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 40 f.; Gola/Schomerus aaO).
56
Eine strafrechtliche Ahndung ist somit nach dem Wortlaut der §§ 43, 44 BDSG (lediglich) in denjenigen Fällen ausgeschlossen, in denen es sich um Daten handelt, die von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang aus rechtlichen Gründen beschränkt ist („JedermannsDateien“ , vgl. Weichert, NStZ 1999, 490).
57
b) Bei der Bestimmung des Bezugspunkts der allgemeinen Zugänglichkeit personenbezogener Daten ist zu berücksichtigen, dass Informationen ihrer- seits geistiger Natur sind und ein finales, auf Vermittlung oder Aufbewahrung gerichtetes Element in sich tragen (vgl. hierzu Dammann aaO § 3 Rn. 5). Unter Berücksichtigung dessen sind Daten allgemein zugänglich, die sowohl in ihrer Zielsetzung als auch in ihrer Publikationsform geeignet sind, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu vermitteln (Simitis in ders., BDSG, 7. Aufl., § 28 Rn. 151; vgl. auch BVerfGE 103, 44, 60). Die allgemeine Zugänglichkeit bezieht sich also auf Informationen und daher auf Vorgänge und Zustände, die bei einem anderen als demjenigen, auf den sie sich beziehen, schon als Information vorhanden sind oder zumindest sein könnten. Diese sind dann allgemein zugänglich, wenn „jedermann“, ohne rechtlichen Zugangsbe- schränkungen unterworfen zu sein, hierauf zugreifen kann, wie dies z.B. bei Angaben in Massenmedien, auf Internetseiten oder in Registern der Fallsein kann, die nicht lediglich einem wie auch immer abgegrenzten Personenkreis zur Verfügung stehen (etwa das Handels- oder das Vereinsregister, vgl. Simitis aaO § 28 Rn. 153 mwN).
58
c) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten Daten erhoben, die nicht allgemein zugänglich waren, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
59
Allerdings entfällt die allgemeine Zugänglichkeit entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht allein deswegen, weil das Erreichen des Aufklärungsziels (Bewegungsprofil im öffentlichen Straßenverkehr), etwa durch blo- ßes “Nachfahren“, wegen vorhandener Verkehrsdichte etc. allenfalls theoretisch erreichbar gewesen wäre. Maßgebend für die Beurteilung der „allgemeinen Zu- gänglichkeit“ sind nach dem Vorstehenden rechtliche Zugangsbeschränkungen. Bereits der Anbringung eines GPS-Empfängers als notwendige technische Voraussetzung für die Gewinnung der Personenbezug aufweisenden Geodaten an einem fremden Fahrzeug stehen aber grundsätzlich rechtliche Grenzen entge- gen. Dem betroffenen Fahrzeugeigentümer bzw. -besitzer stehen regelmäßig Abwehransprüche (vgl. §§ 1004, 859, 862 BGB) gegen die Störung seines Eigentums oder Besitzes zu. Dementsprechend wäre diese Möglichkeit der Erhebung und späteren Verarbeitung von Daten der Allgemeinheit verschlossen.
60
5. Das Landgericht ist jedoch bei der Beurteilung, ob die Handlungen der Angeklagten unbefugt waren, nicht von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Aufgrund dessen hat es nicht in sämtlichen der Verurteilung gemäß §§ 43, 44 BDSG zugrunde liegenden Fällen ein unbefugtes Handelnder Angeklagten rechtsfehlerfrei angenommen.
61
a) Unbefugtes Handeln im Sinne des § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG liegt vor, wenn nicht Rechtssätze das Verhalten erlauben (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, 164 Lfg., § 43 BDSG Rn. 19; Sokol in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 4 Rn. 3; Gola/ Schomerus aaO § 43 Rn. 20, 26).
62
Das Datenschutzrecht ist zum Schutze des Rechts des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, von dem Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt geprägt, d.h. die Erhebung , Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten (Helfrich in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, 26. Lfg. Teil 16.1 Rn. 35 mwN). Befugt ist sie nur dann, wenn der Betroffene wirksam seine Einwilligung erklärt oder wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift eine Erlaubnis beinhalten oder gar eine Anordnung zur Erhebung , Speicherung, Verarbeitung oder Weitergabe personenbezogener Daten enthalten. Als Erlaubnissätze kommen neben datenschutzrechtlichen Erlaubnissen auch allgemeine Rechtfertigungsgründe, wie etwa § 34 StGB, in Betracht.

63
Aufgrund seiner Ausgestaltung als grundsätzliches Verbot der Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten gehen die im BDSG selbst enthaltenen Erlaubnissätze in der Regel in ihrer Reichweite über diejenigen der allgemeinen Rechtfertigungsgründe hinaus und gewähren damit typischerweise in größerem Umfang die Befugnis, in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen einzugreifen, als dies nach allgemeinen Rechtfertigungsgründen der Fall ist.
64
b) Als solche sich aus dem Datenschutzrecht selbst ergebende Erlaubnissätze kamen vorliegend namentlich Rechtfertigungsgründe nach dem 3. Abschnitt des BDSG in Betracht, der die legislativen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten im nicht-öffentlichen Bereich konkretisiert (vgl. Simitis aaO § 27 Rn. 1).
65
Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des den Anwendungsbereich dieses Abschnitts eröffnenden § 27 BDSG vorlagen, namentlich der Angeklagte H. als Inhaber der Detektei als eine nicht-öffentliche Stelle im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG handelte und die Datenerhebung und Verarbeitung nicht im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgte, bedarf keiner weiteren Erörterung.
66
c) Als spezifische datenschutzrechtliche Erlaubnisse kommen der vom Tatgericht herangezogene § 28 BDSG oder aber § 29 BDSG in Betracht. Das Datenschutzrecht grenzt die Anwendungsbereiche der beiden Vorschriften im rechtlichen Ausgangspunkt danach ab, ob der in Rede stehende Datenumgang zu eigenen Geschäftszwecken (§ 28 BDSG) erfolgt oder es sich um eine geschäftsmäßige Datenverarbeitung zur Übermittlung an Dritte (§ 29 BDSG) handelt. Maßgebend für die Abgrenzung ist dementsprechend die jeweilige Zweck- bestimmung. Erweist sich die Datenverarbeitung für Dritte als Selbstzweck, kann sich eine Erlaubnis zum Umgang mit „fremden“ personenbezogenen Daten aus § 29 BDSG ergeben. Ist die Datenverarbeitung bloßes Hilfsmittel zur Erfüllung anderer Zwecke, greift dagegen regelmäßig § 28 BDSG als möglicherweise zugunsten der datenverarbeitenden nicht-öffentlichen Stelle wirkende Befugnisnorm. Diese Grundsätze über das Verhältnis der Anwendungsbereiche von § 28 BDSG einerseits und § 29 BDSG andererseits erlauben allerdings im konkreten Einzelfall nicht ohne weiteres, die als Erlaubnissatz in Frage kommende datenschutzrechtliche Vorschrift zu bestimmen. Demensprechend wird die Anwendbarkeit der beiden in Betracht kommenden Vorschriften auf die mit der Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten verbundene überwachende Tätigkeit von Detektiven in der datenschutzrechtlichen Literatur auch nicht einheitlich beurteilt.
67
aa) Wird ein Detektiv damit beauftragt, gegen eine natürliche Person Er- mittlungen anzustellen, so sammelt und verwendet der Detektiv „gewerblich“ personenbezogene Daten der überwachten Personen, um sie seinem Auftraggeber , also Dritten, gegen Entgelt weiterzugeben (vgl. Kloepfer/Kutzschbach, MMR 1998, 650). Die observierende Tätigkeit des Detektivs und der damit verbundene Datenumgang stellt sich, obwohl für die Zwecke des Auftraggebers erfolgend, für den Detektiv wegen des eigenen verfolgten wirtschaftlichen Zwecks der Auftragserfüllung als Selbstzweck dar. Diese Tätigkeit ist auch auf Wiederholung ausgerichtet.
68
Konkret auftragsbezogene Observationstätigkeit eines Detektivs bzw. der damit einhergehende Umgang mit personenbezogenen Daten der überwachten Personen könnte sich daher als geschäftsmäßige Datenverarbeitung zur Übermittlung im Sinne von § 29 BDSG erweisen. Als Erlaubnisvorschrift in Fällen der vorliegenden Art käme dann § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG in Betracht. Der Angeklagte würde hiernach befugt handeln, wenn für ihn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die überwachte Person ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung seiner Daten hat.
69
bb) Gegen eine Anwendung des § 29 BDSG wird allerdings vorgebracht, dass konkret auftragsbezogene Ermittlungstätigkeiten eines Detektivs bei vorausschauender Betrachtungsweise - anders als dies etwa bei eindeutig von § 29 BDSG erfassten Tätigkeiten klassischer Auskunfteien der Fall ist - nicht darauf gerichtet seien, Daten in einer Vielzahl von Fällen zu übermitteln (vgl. Duhr in Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 7.5 Rn. 6; Ehmann in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 29 Rn. 97; Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 41. Lfg., § 29 Rn. 38; aA ohne nähere Begründung Gola/Schomerus aaO § 29 Rn. 8; Fricke, VersR 2010, 308, 313; vgl. auch LG Lüneburg, Beschluss vom 28. März2011 - 26 Qs 45/11; Maisch/Seidl, jurisPR-ITR 1/2012 Anm. 2). Bei einem Detektiv wäre die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten der beobachteten Personen stattdessen anhand von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zu prüfen. Dieser Datenumgang wäre ihm auf der Grundlage dieser Vorschrift gestattet , wenn er zur Wahrung berechtigter Interessen des Detektivs erforderlich wäre und kein Grund zur Annahme bestünde, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
70
cc) Der Senat braucht im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob die Befugnis zu konkret auftragsbezogener Ermittlungstätigkeit von Detekteien in Fällen der vorliegenden Art anhand der sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG oder anhand der sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ergebenden, nach dem Wortlaut der Vorschriften divergierenden Abwägungsmaßstäbe zu beurteilen ist. Beide grundsätzlich in Betracht kommende Erlaubnissätze müssen im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Befugnis zum Umgang mit „fremden“ personen- bezogenen Daten anhand der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 lit. f) der am 13. Dezember 1995 in Kraft getretenen Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG 1995 Nr. L 281 S. 31; im Folgenden: Datenschutzrichtlinie) ausgelegt werden. Um diese Auslegung anhand der Datenschutzrichtlinie vornehmen zu können, bedarf es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bezüglich des Verständnisses von Art. 7 lit. f) der Richtlinie selbst. Der EuGH hat mit Urteil vom 24. November 2011 (verbundene Rechtssachen C-468/10, C-469/10, LS veröffentlicht in ABl. EG 2012 Nr. C 25 S. 18, EuZW 2012, 37) die Bestimmung der Richtlinie eindeutig ausgelegt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, die sich als gesicherte Rechtsprechung zu der hier relevanten Rechtsfrage der aus dem Unionsrecht resultierenden Befugnis zur Datenverarbeitung erweist (acte éclairé), vermag der Senat die Auslegung des nationalen Rechts selbst vorzunehmen.
71
(1) Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie erklärt eine Verarbeitung perso- nenbezogener Daten u.a. für rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist „zur Verwirk- lichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Art. 1 Abs. 1 (der Daten- schutzrichtlinie) geschützt sind, überwiegen“.
72
Abweichend von dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG erfordert Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie, in die Interessenabwägung nicht lediglich die berechtigten Interessen des Datenverarbeitenden, sondern auch die Interessen von Dritten, die als Empfänger der Daten in Betracht kommen, einzubeziehen. Zudem schließt Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie eine Befugnis zur Verarbeitung „fremder“ personenbezogener Daten erst dann aus, wenn die Interessen des davon Betroffenen gegenüber den Interessen desjenigen, der die Daten verarbeitet, überwiegen. Dagegen führen nach dem Wortlaut von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG bereits entgegenstehende Interessen des Betroffenen zu einer Unzulässigkeit der Datenerhebung bzw. -verarbeitung (vgl. hierzu Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 5/12, § 29 Rn. 8). Diese ist danach bereits dann unzulässig, wenn die Interessen des Betroffenen diejenigen des Datenverarbeitenden nicht überwiegen.
73
Das nationale Recht darf allerdings jedenfalls im Verhältnis zwischen dem auf der Grundlage von § 44 BDSG (möglicherweise) strafenden Staat und dem von Strafe bedrohten „Datenverarbeiter“ nicht hinter den durch Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie gewährten Befugnissen zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Betroffenen zurückbleiben. Dabei ist es für die Anwendung der Erlaubnissätze des nationalen Datenschutzrechts jedenfalls in ihrer Bedeutung als strafrechtliche Rechtfertigungsgründe unerheblich, ob in die Interessenabwägung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG die Interessen von Dritten , hier der Auftraggeber des Angeklagten, einbezogen werden oder auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG, der solche Drittinteressen ohnehin berücksichtigt, die Interessenabwägung anhand des durch die Daten- schutzrichtlinie vorgegebenen Maßstabs („Überwiegen der Interessen des Be- troffenen“) erfolgt. Auf beiderlei Weise trägt das nationale Recht dem insoweit bindenden Unionsrecht vollumfänglich Rechnung.
74
(2) Nach der Rechtsprechung des EuGH enthält Art. 7 lit. f) der Richtlinie 95/46/EG „inhaltlich unbedingte und hinreichend genau(e)“ Vorgaben, um selbst im Fall fehlender oder fehlerhafter Vorschriften der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar zu sein, so dass sich der Einzelne direkt auf diese Bestimmung der Richtlinie berufen dürfte (vgl. hierzu EuGH aaO Rn. 51 f.). Nach Maßgabe der verbindlichen Auslegung von Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie durch den EuGH (aaO) ergeben sich für Fälle der auftragsbezogenen Detektivarbeit folgende Maßstäbe der Zulässigkeit (Befugnis) damit einhergehender Verarbeitung personenbezogener Daten:
75
(a) Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung erfordert zum einen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Verwirklichung des von dem Detektiv oder dessen Auftraggeber wahrgenommenen berechtigten Interesses erforderlich ist, und zum anderen, dass die Grundrechte und Grundfreiheiten der von der Observation betroffenen Person nicht überwiegen.
76
(b) Auf Seiten des von der Observation Betroffenen sind sämtliche in Art. 7 und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (nachfolgend : GrCh) gewährleisteten Interessen einzustellen. Erfasst sind damit sowohl das Recht des Betroffenen auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GrCh) als auch sein Recht auf Schutz seiner Privatsphäre (Art. 7 GrCh). Auch vor dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta wurden diese Rechte im Kontext des Datenschutzes bereits (zumindest) sekundärrechtlich durch die Datenschutzrichtlinie gewährleistet (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie

).

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(c) Stammen die verarbeiteten Daten - wie hier - aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen, ist zu berücksichtigen, dass der Detektiv und sein Auftraggeber zwangsläufig Informationen über die Privatsphäre der betroffenen Person erlangen. Diese schwerwiegendere Beeinträchtigung der verbürgten Rechte der betroffenen Person ist zu berücksichtigen, indem sie gegen das berechtigte Interesse , das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, im Ein- zelfall abgewogen wird. Dies bedeutet, dass sämtliche Rechtspositionen des von der Observation Betroffenen, die der Privatsphäre zuzuordnen sind, zu gewichten und in die Abwägung einzustellen sind.
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d) Nach diesen Vorgaben ist eine umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen vorzunehmen.
79
Entgegen der von dem Tatgericht vertretenen Rechtsauffassung darf eine Abwägung mit den Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers in Fällen des Einsatzes von Mitteln, die im Anwendungsbereich der Strafprozessordnung der Vorschrift des § 100h StPO unterfallen, nicht lediglich dann vorgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für einen staatlichen Ermittlungseingriff gemäß § 100h Abs. 1 StPO vorgelegen hätten. Eine solche Beschränkung der auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG oder § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG vorzunehmenden Abwägung wird den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie nicht ausreichend gerecht. Sie ist aber auch im System des nationalen Rechts nicht tragfähig. Sie machte insoweit die Informationsgewinnung durch Private von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen abhängig, die lediglich für den Staat und seine Organe, nicht aber für den privaten Bürger gelten.
80
aa) Die Unvereinbarkeit der vom Tatgericht vorgenommenen Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG mit der Datenschutzrichtlinie ergibt sich bereits daraus, dass die Zulässigkeit der Datenverarbeitung an Kriterien geknüpft würde, die das Datenschutzrecht der Union nicht vorsieht. Eine Erhöhung der Zulässigkeitsanforderungen im Recht der Mitgliedstaaten gegenüber der Richtlinie schließt die Rechtsprechung des EuGH aber gerade aus (EuGH aaO Rn. 45 f.).
81
bb) Auf der Ebene des nationalen Rechts kann das Verhalten Privater nicht an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Beweiserhebungsvorschriften der StPO gemessen werden. Privatpersonen sind grundsätzlich nicht Adressaten dieser Normen (Eisele, Compliance und Datenschutzrecht, S. 56; Weißgerber, NZA 2003, 1005, 1007; siehe auch Kaspar, GA 2013, 206, 208; Greeve, StraFo 2013, 89). Die StPO beschränkt hoheitliches Handeln (vgl. Kubiciel GA 2013, 226, 228; Fricke, VersR 2010, 308, 309) und schützt den Bürger vor staatlicher Willkür. Der Gedanke, dass staatliche Einrichtungen für ihr Handeln grundsätzlich einer Ermächtigung bedürfen, ist auf Private nicht unmittelbar übertragbar (vgl. Kaspar, GA 2013, 206, 208 f.; Kubiciel GA 2013, 226, 227 f.).
82
Die berechtigten Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an der Datenverarbeitung müssen daher auch dann einer Abwägung mit den Interessen des Betroffenen zugänglich sein, wenn es nicht um die Aufklärung von Straftaten besonderer Bedeutung im Sinne von § 100h Abs. 1 Satz 2 StPO handelt.
83
e) Die Abwägung der gegenläufigen Interessen setzt das tatsächliche Bestehen berechtigter Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an der Datenverarbeitung - bezogen auf den Zeitpunkt ex-ante bei Vornahme der Datenerhebung bzw. Datenverarbeitung - voraus.
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Dient etwa die Datenverarbeitung der Erstellung eines Bewegungsprofils, so müssen daher Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein berechtigtes Interesse gerade an einem solchen Bewegungsprofil bzw. an seiner Erstellung zur Durchsetzung berechtigter Interessen besteht. Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie bringt diesen Zusammenhang mit dem Abstellen auf die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Durchsetzung berechtigter Interessen zum Ausdruck.
85
Beweisführungsinteressen zur Klärung des Vorliegens von zivilrechtlichen Ansprüchen oder zu deren Durchsetzung (Vollstreckung) können dabei zwar, anders als bloße Neugier oder rein negative Interessen (wie etwa in den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe), unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn gerade das Bewegungsprofil zur Durchsetzung des Beweisführungsinteresses benötigt wird. Es bedarf also einer Konnexität zwischen den Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an dem Bewegungsprofil und den Interessen des von der Observation Betroffenen am Schutze seiner Privatsphäre, weil ansonsten eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen nicht stattfinden kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 1983 - III ZR 207/82, NJW 1984, 1889 ff.; Schaffland/Wiltfang, aaO Lfg. 1/12, § 28 Rn. 89).
86
f) Ob die Interessen des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre und „seiner“ (personenbezogenen) Daten überwiegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die durch den Tatrichter zu beantworten ist. Das Revisionsgericht kann in Fällen , in denen ein unterschiedliches Ergebnis der Würdigung vertretbar wäre, die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen. Es ist vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob der Tatrichter die in die Abwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte gesehen und einen rechtlich zutreffenden Abwägungsmaßstab angelegt hat. Dementsprechend kann das Revisionsgericht im Grundsatz auch nicht eine durch den Tatrichter unterbliebene Abwägung selbst nachholen (BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Etwas anderes gilt aber dann, wenn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02).
87
Bei dem Einsatz von GPS-Empfängern zu Observationszwecken bedarf es im Hinblick auf die vorgenannten Maßstäbe regelmäßig der Berücksichtigung der folgenden, teils gegenläufigen Gesichtspunkte:
88
aa) Einerseits sind die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Observierten durch den Einsatz von GPS-Sendern zunächst weniger schwerwiegend als etwa durch das heimliche Abhören des gesprochenen Wortes (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 - 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304; vgl. auch EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Beschwerde-Nr. 35623/05, NJW 2011, 1333, 1335 Rn. 52). Dennoch reicht auch hier ein „schlichtes“ Beweisführungsinteresse des Auftraggebers nicht aus, um den Eingriff in die Rechte des vom GPSEinsatz Betroffenen zu gestatten.
89
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt in Fällen, in denen das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG - u.a. - geschützte Recht am gesprochenen Wort beeinträchtigt ist, das stets bestehende „schlichte“ Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht, um bei der Güterabwägung trotz Verletzung des Persönlichkeitsrechts der anderen Prozesspartei zu einer Schutzbedürftigkeit des Beweisführungsinteresses zu gelangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98, BVerfGE 106, 28 unter C.II.4.a.bb; BGH, Urteile vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289, 1292; und vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284, 290). Die Rechtsprechung verweist insoweit auf notwehrähnliche Situationen, die für eine beweisbelastete Person im Zivilprozess bestehen können, wenn die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aus schwerwie- genden Gründen mangels anderer in Betracht kommender Beweismittel im Interesse einer wirksamen Rechtspflege erforderlich ist (vgl. BVerfG aaO; BGH, Urteile vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02, NJW 2003, 1727 unter II.1. und 2. mwN; vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 83/87, BGHR BGB § 1004 Abs. 1 Satz 1 Abwehranspruch 2; vom 24. November 1981 - VI ZR 164/79, NJW 1982, 277, 278; vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284, 290; vgl. auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 201 Rn. 11; kritisch Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 201 Rn. 40; Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 201 Rn. 32).
90
Es müssen jedenfalls in diesen Fällen neben dem allgemeinen Beweisführungsinteresse weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Verletzung des Persönlichkeitsrechts als schutzbedürftig erscheinen lassen. So kann etwa die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1981 - VI ZR 164/79, BGH NJW 1982, 277 ff.) oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284) oder im Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91, NJW 1994, 2289, 2292 f.) hinzunehmen sein, wenn nicht durch andere, weniger belastende Methoden der Sachverhalt anderweit aufgeklärt werden kann.
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bb) Die von der Rechtsprechung geforderten erhöhten Anforderungen sind jedoch nicht auf Fälle der Beeinträchtigung des Rechts am gesprochenen Wort beschränkt. Auch bei anderweitigen ähnlich gewichtigen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts gelten vergleichbare Maßstäbe (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202 Rn. 96 zu heimlichen Vaterschaftstests; vgl. auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsge- richts zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz: zuletzt BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 unter III.1.a. und b.; vgl. auch BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 34/03; sowie Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. März 2012 - 4 TaBV 87/11).
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cc) Werden aus Gründen der Beweisführung Detektive zur Observation eingesetzt, so kann das Beweisführungsinteresse die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Observierten etwa dann zulässig machen, wenn ein konkreter Verdacht gegen diesen besteht, die detektivische Tätigkeit zur Klärung der Beweisfrage erforderlich ist und nicht andere, mildere Maßnahmen als genügend erscheinen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. August 2012 - I-20 U 98/12, 20 U 98/12; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - IV ZR 274/06 mwN; zu den Maßstäben der Pflicht des Observierten zur Übernahme der Detektivkosten vgl. auch BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 8 AZR 547/09 mwN; OLG Karlsruhe , Urteil vom 23. September 2009 - 6 U 52/09, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2009 - II-10 WF 34/08; vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 20. Mai 2008 - 13 WF 93/08; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn. 13 [Sb. Herget ] sowie § 788 Rn. 13 [Sb. Stöber] zum Stichwort Detektivkosten jew. mwN).
93
dd) In den Fällen des Einsatzes von GPS-Empfängern zum Zwecke der Erstellung eines Bewegungsprofils darf schließlich die Art und Weise der Datenerhebung und -verarbeitung nicht unberücksichtigt bleiben. Eine qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre des Observierten liegt nämlich vor, wenn mit der Anbringung eines GPS-Empfängers ein Eindringen in befriedetes Besitztum des zu Observierenden verbunden ist (Beispiel: Der GPSEmpfänger wird am Fahrzeug angebracht, indem sich unberechtigt Zutritt zu Tiefgaragen verschafft wird). Gleiches gilt, wenn das Observationsmittel an Fahrzeugen angebracht wird, die für den Detektiv bzw. dessen Auftraggeber eigentumsrechtlich fremd bzw. nicht auf diese zugelassen sind. Es werden dann zwangsläufig auch wesentlich mehr Vorgänge aufgezeichnet, die in die Privatsphäre des Fahrzeugführers erheblicher eingreifen, als dies etwa der Fall wäre, wenn beispielsweise der Eigentümer an seinem eigenen Fahrzeug einen GPS-Empfänger anbringen ließe. In solchen Fällen müssen daher die den Interessen des Observierten gegenüberstehenden Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers umso höher sein, um die Datenverarbeitung rechtfertigen zu können (vgl. EuGH, aaO Rn. 44 f.). Gleiches gilt, wenn von den Observationsmaßnahmen unbeteiligte Dritte betroffen sind.
94
Im Übrigen ist es eine Frage des Einzelfalls, inwieweit Erkenntnisse darüber , wann und wo sich eine Person mit dem Fahrzeug aufgehalten hat, geeignet sein können, die angestrebte Beweisführung (etwa zu finanziellen Fragen) wesentlich zu erleichtern.
95
g) Die Strafkammer hat derartige Abwägungen - von ihrem rechtlichen Ausgangspunkt aus konsequent - für keinen der verfahrensgegenständlichen Fälle vorgenommen. Das erweist sich für die aus dem Tenor ersichtlichen Fälle der Verurteilung der Angeklagten als rechtsfehlerhaft. In den nicht der Aufhebung im Schuldspruch unterliegenden Fällen boten die insoweit rechtsfehlerfreien und ausreichenden Feststellungen dagegen keine Veranlassung, eine aus den genannten datenschutzrechtlichen Vorschriften resultierende Befugnis der Angeklagten zur Überwachung der betroffenen Fahrzeuge und der damit einhergehenden Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten in Erwägung zu ziehen.
96
Für die einzelnen Fälle der Urteilsgründe ergeben sich folgende Konsequenzen :
97
aa) Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe:
98
Hier ging es den Auftraggebern der Angeklagten um die Verfolgung „illegaler“ Zwecke - letztlich um die Ermöglichung wenigstens von Nötigungshandlungen. Denn das erhoffte „kompromittierende Material“ sollte allein dazu dienen , die Zielpersonen von ihren gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Aufträgen abzuhalten oder ihr berufliches Verhalten durch Erkenntnisse über ihr berufliches oder ihr Privatleben im Sinne der Auftraggeber des Angeklagten zu beeinflussen.
99
bb) Fälle 18, 20 bis 22, 28 der Urteilsgründe:
100
Bei den entsprechenden Taten beschränkte sich das Interesse der jeweiligen Auftraggeber, ohne dass bereits gerichtliche Verfahren, etwa Unterhaltsrechtsstreitigkeiten , im Raume gestanden hätten, auf die Aufklärung über die Treue des eigenen Ehegatten (Fälle 18 und 22), des Lebensgefährten (Fall 28) oder der Schwiegertochter (Fälle 20 und 21). In diesen Fällen ist ausgeschlossen , dass die unterbliebene Abwägung dazu geführt hätte, den Einsatz eines GPS-Empfängers als gerechtfertigt anzusehen.
101
Da auch im Übrigen Rechtsfehler nicht ersichtlich sind, hat der Schuldspruch in diesen Fällen Bestand. Dies wird durch den von der Revision vorgebrachten urteilsfremden Vortrag zu Lebenssachverhalten, die einzelnen Observationsmaßnahmen zu Grunde gelegen hätten, nicht in Frage gestellt.
102
cc) Fälle 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe:
103
In den verbleibenden Fällen ging es den Auftraggebern um die Wahrung finanzieller Interessen. Der Senat, dem eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass sich weitere Erkenntnisse ergeben können, die ein durch die Erstellung von Bewe- gungsprofilen zu bedienendes Beweisführungsinteresse und daraus resultierend im Rahmen der gebotenen Abwägung eine Befugnis zur Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten ergeben können. Um dem Tatrichter zu ermöglichen, in jedem dieser Fälle einheitliche und in sich geschlossene Feststellungen zu treffen, hebt der Senat in diesen Fällen auch die Feststellungen auf.
104
h) Weitergehende Befugnisse zu der Vornahme der gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG straftatbestandsmäßigen Datenerhebung bzw. -verarbeitung als die durch die vorstehend erörterten datenschutzrechtlichen Erlaubnissätze auf der Grundlage anderer Rechtfertigungsgründe kommen vorliegend nicht in Betracht.

II.

105
Entgegen dem Vorbringen der Revision hatte das Landgericht keinen Anlass , der Möglichkeit einer Strafmilderung nach §§ 17, 49 Abs. 1 StGB näher zu treten. Nach den Feststellungen rechneten die Angeklagten zumindest damit, dass die „GPS-Einsätze“ ungerechtfertigt gewesen sein könnten. Für die An- nahme eines § 17 StGB unterfallenden sog. Erlaubnisirrtums bezüglich einer sich aus datenschutzrechtlichen oder sonstigen Erlaubnissätzen ergebenden Befugnis war daher kein Raum.

III.

106
Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 und 29 der Urteilsgründe - hiervon ist mit Ausnahme der Fälle 19, 25 und 29 der Urteilsgründe auch der Angeklagte K. betroffen - zieht bei beiden Angeklagten die Aufhebung des Ausspruchs über die jeweilige Gesamtstrafe nach sich. Anhaltspunkte dafür, dass die Einzelstrafen in den Fällen, in denen der Schuldspruch Bestand hat, durch die Fälle, in denen der Schuldspruch keinen Bestand haben kann, zum Nachteil der Angeklagten beeinflusst sind, bestehen nicht. Da die Einzelstrafen auch ansonsten rechtsfehlerfrei festgesetzt sind, können sie daher Bestand haben.

E.

107
Sollte das neue Tatgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen bei Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze über eine mögliche Befugnis zu der hier vorliegenden Datenerhebung bzw. –verarbeitung im Einzelfall von einem erlaubten Vorgehen der Angeklagten ausgehen, wird es auch die Notwendigkeit eines subjektiven Rechtfertigungselements (häufig sog. Rechtfertigungsvorsatz ) in den Blick zu nehmen haben. Bei Heranziehung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen als im Strafrecht wirkende Rechtfertigungsgründe bedarf es eines solchen Elements stets. Dieses verlangt wenigstens, dass dem Täter die rechtfertigenden Gründe bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niedergeschlagen haben müssen (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 22 Rn. 32 mwN). Wahl Graf Cirener RiBGH Zeng ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Radtke Wahl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 285/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K. , verbrachten Wochenende , in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb , versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer „Aua“ oder „Scheiße“ rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei „etwas passiert“, was der Angeklagte , ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung „Mir auch“ beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P. , der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.
4
2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können , dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J. , später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.


5
Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe lie- gende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
8
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.
9
a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade , eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen ; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit zie- hen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.
10
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-HirnVerletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und – als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten – nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.
11
c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die – im Wesentlichen konstanten – Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig. Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.
12
Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch. Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht er- schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – 2 StR 35/10).
14
3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 – 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 – 3 StR 280/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 544/09
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und W. gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008 wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe eingestellt. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und W. werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen , dass
a) schuldig sind aa) der Angeklagte B. der Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung , bb) der Angeklagte W. der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung und
b) der Angeklagte W. in den Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von ei- nem Jahr verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entfällt. 3. Die Angeklagten B. und W. haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 4. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte F. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahin abgeändert, dass der Angeklagte F. aa) betreffend die Fälle F 3 und F 4 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; bb) in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird,
c) im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
5. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 6. Über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten F. ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten F. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und zahlreiche Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
Die Angeklagten B. und W. waren gemeinsam im Bereich des Direktvertriebs tätig und erzielten dort erhebliche Gewinne. Sie gründeten eine Reihe von letztlich nur formalrechtlich existierenden Firmen, die sie zentral - auch über eine Holdinggesellschaft - steuerten und beherrschten. Spätestens im Jahr 1999 kamen die Angeklagten B. und W. - nach Beratung durch den Angeklagten F. und unter dessen Mitwirkung - überein, dieses Firmenkonglomerat zur Steuerhinterziehung zu nutzen. Sie vereinbarten, die erzielten Gewinne durch Nichtabgabe von Steuererklärungen und vor allem durch die Geltendmachung von Scheinrechnungen systematisch der Besteuerung zu entziehen. In Ausführung dieses Plans veranlassten die Angeklagten B. und W. jeweils die Auszahlung der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge und machten diese Beträge, die sie nach Abzug einer von den Rechnungsausstellern einbehaltenen Provision jeweils „schwarz und in bar“ zurückerhielten , bei den auszahlenden Firmen in voller Höhe als Betriebsausgaben steuermindernd geltend. Ihre sich hieraus ergebenden Einnahmen verschwiegen die Angeklagten in ihren Einkommensteuererklärungen ebenso wie weitere Einnahmen.
5
II. Das Landgericht hat die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen jeweils als „verdeckte Gewinnausschüttung“ gewertet. Auf der Ebene der Gesellschaften hat es deshalb eine gewinnmindernde Berücksichtigung verneint und auf dieser Basis die durch die unrichtigen Steuererklärungen hinterzogenen Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern ermittelt. Die Strafverfolgung war dabei auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen den Angeklagten schon aus ihrer formalrechtlichen Stellung heraus die Abgabe zutreffender Steuererklärungen oblag. Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht bei den Angeklagten B. und W. die aufgrund von Scheinrechnungen abgeflossenen Beträge als in voller Höhe der Einkommen- steuer unterliegend angesehen und hieraus die Höhe der verkürzten Steuern bzw. erstrebten Steuerverkürzungen berechnet.

B.

6
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
7
I. Die Taten sind nicht verjährt. Auch in dem allein den Angeklagten B. betreffenden Fall B 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000) ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
8
Im Fall der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung beginnt die Verfolgungsverjährung mit Ablauf der Erklärungsfrist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 344/08, wistra 2009, 189 mwN). Die hier somit am 31. Mai 2001 begonnene Verjährung wurde vor Verjährungseintritt durch den Durchsuchungsbeschluss vom 12. April 2006 unterbrochen. Der in einem sehr frühen Verfahrensstadium ergangene Beschluss nennt die Veranlagungszeiträume (1999 bis 2005), die Steuerarten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer , Gewerbesteuer und Einkommensteuer) und die jeweils gleichartige Tatbegehung (Kapitaltransfer zum Zwecke der Steuerhinterziehung mit oder ohne Verwendung unrichtiger Belege). Der Durchsuchungsbeschluss, der auch die von der Durchsuchung - und damit vom Tatverdacht - betroffenen Firmen angab, war daher geeignet, die von der Verjährungsunterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, NStZ 2001, 191). Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erstreckte sich von Anfang an auf sämtliche später abgeurteilte Taten.
Eine Beschränkung des Verfolgungswillens auf einzelne Taten, welche Auswirkungen auf die Reichweite der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 279/07, NStZ 2008, 214; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213), ist nicht gegeben.
9
II. Der Grundsatz der Spezialität steht der strafrechtlichen Verfolgung des in Spanien festgenommenen und von dort ausgelieferten Angeklagten W. nicht entgegen.
10
1. Die Revision des Angeklagten W. macht in diesem Zusammenhang Folgendes geltend: Der der Auslieferung zugrunde liegende Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. April 2006 sei zu unbestimmt; er sei erst nach Auslieferung des Angeklagten W. neu gefasst und konkretisiert worden. Die abgeurteilten Taten würden von der auf dem ebenso zu unbestimmten Europäischen Haftbefehl gründenden Auslieferungsbewilligung nicht erfasst. Weder der Angeklagte noch die spanischen Auslieferungsbehörden hätten auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Eine nachträgliche Genehmigung zur Verfolgung der abgeurteilten Taten sei ebenfalls nicht erfolgt.
11
2. Der Spezialitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Die abgeurteilten Taten sind von dem im Europäischen Haftbefehl bezeichneten Lebenssachverhalt umfasst. Es bedarf deshalb hier keiner Erörterung, ob aus § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG, der Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) wortgleich umsetzt, folgt, dass sich aus einer Verletzung des Spezialitätsgrund- satzes kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis ergibt (so EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine). Der Angeklagte W. wurde wegen keiner von der Auslieferungsbewilligung nicht erfassten „anderen“ verurteilt.
12
a) Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1977 - 4 ARs 8/77, BGHSt 27, 168, 172 mwN; Vogler in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 11 IRG Rn. 14). Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert, die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684; Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; Urteil vom 6. März 1985 - 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. § 72 Rn. 20; Vogler aaO § 11 Rn.15 f.).
13
b) Eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht. Dementsprechend steht der - vor allem dem Schutz dieser Interessen dienende - Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, NStZ 1995, 608). Das Gleiche gilt, wenn das Strafgesetz später geändert wird (hier etwa durch Aufhebung des Verbrechenstatbestandes des § 370a AO), ebenso, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStZ 1989, 526).
14
c) Der Begriff der „anderen Tat“ im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG knüpft allein an die Beschreibung der Straftat in der Auslieferungsbewilligung, diese wiederum an den Europäischen Haftbefehl an. Eine „andere Tat“ liegt nicht vor, wenn sich die Angaben im Europäischen Haftbefehl und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, aaO; BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10). Dies ist hier der Fall.
15
Der Umstand, dass der dem Auslieferungsersuchen und der Auslieferungsbewilligung zugrunde liegende Haftbefehl im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens - verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasste Konkretisierung erfahren hat, lässt hier die Identität der Tat unberührt. Die Strafverfolgung wurde dadurch nicht auf andere Taten gerichtet. Sämtliche abgeurteilten Taten sind nach Art des Delikts (Steuerhinterziehung), den betroffenen Steuerarten, den jeweiligen Veranlagungszeiträumen und der Begehungsweise identisch mit den im Europäischen Haftbefehl umrissenen Teilakten des dort beschriebenen Lebenssachverhalts.
16
d) Auch der Umstand, dass einzelne nach deutschem Recht als selbständige Taten zu wertende Teilakte des im Auslieferungsersuchen geschilderten Gesamtgeschehens sich auf Verkürzungsbeträge beziehen, deren Höhe - isoliert betrachtet - nach spanischem Recht für eine Ahndung als Steuerhinterziehung nicht ausreichen könnte (vgl. Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuchs [Gesetz Nr. 10/1995 vom 23. November 1995 - BOE Nr. 281 vom 24. November 1995, S. 33987 ff.]), begründet keinen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz.
17
Unabhängig von der Höhe der jeweiligen Steuerverkürzung handelt es sich bei den Delikten der Art nach um Steuerhinterziehungsdelikte im Sinne der Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuches. Zwar gehören Fiskaldelikte zu den Straftaten, bei denen in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI nicht auf das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit verzichtet wurde. Hieraus ergibt sich allerdings gemäß Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 des Spanischen Gesetzes Nr. 3/2003 vom 14. März 2003 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (BOE Nr. 65 vom 17. März 2003, S. 10244 ff.) nur ein fakultatives Auslieferungshindernis.
18
Von der Möglichkeit, die Auslieferung abzulehnen, hat Spanien vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Mit der Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Europäischen Haftbefehls und des dort geschilderten Lebenssachverhalts haben die spanischen Behörden zum Ausdruck gebracht, dass die Auslieferung für die Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der im Rahmen einzelner Teilakte des Geschehens hinterzogenen Steuer bewilligt wird. Dem im Europäischen Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt war für alle am Verfahren Beteiligten klar zu entnehmen, dass einzelne Steuerhinterziehungshandlungen mit Steuerverkürzungen in noch nicht genau bekannter Höhe zu Grunde liegen.

C.

19
Die von den Angeklagten erhobenen, teilweise inhaltsgleichen, teilweise sich überschneidenden Verfahrensrügen decken keine den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler auf. Sie bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig sind, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.
21
Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang - wie hier - durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).
22
Neuer Tatsachenvortrag nach Fristablauf im Rahmen von Gegenerklärungen (§ 349 Abs. 3 StPO) kann die Unzulässigkeit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig erhobener Verfahrensbeanstandungen nicht mehr nachträglich beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 66).
23
1. Die für den Angeklagten W. mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2009 erhobenen Verfahrensrügen sind schon deshalb unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt für diesen Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO beginnt für jeden Angeklagten gesondert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an ihn bzw. seine Verteidiger (Hanack in LR-StPO, 25. Aufl. § 345 Rn. 4; Wiedner in BeckOK-StPO, § 345 Rn. 5). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Frist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221). Dies ist hier bezüglich des Angeklagten W. für den 28. April 2009 nachgewiesen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde für den Angeklagten W. weder dadurch erneut in Gang gesetzt, dass seinen Verteidigern das Urteil vorsorglich (mit ausdrücklichem Hinweis auf einen allein den Angeklagten B. betreffenden, möglichen Zustellungsmangel) zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2006 - 4 StR 286/06, NStZ 2007, 53; Beschluss vom 17. März 2004 - 2 StR 44/04, NStZ-RR 2005, 261; Urteil vom 27. Oktober 1977 - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60), noch dadurch, dass eine erste wirksame Zustellung des Urteils an den Ver- teidiger des Angeklagten B. möglicherweise erst für den 4. Mai 2009 belegt ist.
24
2. Für die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO abgelehnt worden, folgt aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge (ebenso wie bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, NStZ 1986, 519, 520) auch sein eigenes prozessuales Verhalten wiedergeben muss, soweit es nach dem Inhalt des beanstandeten Beschlusses für die Entscheidung mitbestimmend war. Dem steht nicht entgegen, dass hiermit - wie auch sonst - verlangt wird, dass mit dem Revisionsvorbringen auch solche Umstände vorgetragen werden müssen, die der erhobenen Rüge den Boden entziehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100).
25
Diesen Anforderungen genügt der Revisionsvortrag der Angeklagten B. und W. zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 26a StPO nicht. Die Beschwerdeführer haben - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht mitgeteilt, dass den Befangenheitsanträgen vorausgehend fortlaufende, teilweise inhaltsgleiche und ganze Geschäftsverteilungspläne enthaltende Rügen und Anträge dazu geführt haben, dass mit der Verlesung der Anklage erst im Laufe des 7. Hauptverhandlungstages begonnen werden konnte, während die Verteidigung gleichzeitig mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründete Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle gestellt hat.
26
3. Bei dem Vortrag der für die revisionsgerichtliche Überprüfung bedeutsamen Verfahrenstatsachen darf sich die Revision nicht auf die Mitteilung sol- cher Tatsachen oder Dokumente beschränken, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren bzw. die dem Verteidiger zugestellt wurden. Das Begründungserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst - soweit zur Beurteilung des Revisionsvorbringens erforderlich - alle dem Beschwerdeführer zugänglichen Tatsachen. Hierzu gehört jedenfalls der gesamte Akteninhalt, in den Einsicht zu nehmen die Vorschrift des § 147 StPO dem Verteidiger gestattet. Werden zur Revisionsrechtfertigung herangezogene Tatsachen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffend dargestellt, ist eine darauf gestützte Verfahrensrüge ebenfalls unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55, 56).
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a) Die Revision des Angeklagten B. rügt, § 261 StPO sei dadurch verletzt worden, dass zur Feststellung von Zahlungsflüssen bestimmte Kontoauszüge nicht verlesen worden seien. Sie teilt jedoch nicht mit, dass Kontoverdichtungen und diesen zugrunde liegende Buchungstexte (mithin „Kontounterlagen“ im Sinne der Urteilsgründe) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Die Rüge ist daher unzulässig.
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Die Aufklärungsrüge des Angeklagten B. , mit der er die unzureichende Aufklärung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse geltend macht (§ 244 Abs. 2 StPO), enthält eine falsche Tatsachenbehauptung und ist schon deswegen unzulässig. Entgegen der Revisionsrechtfertigung, die sich insbesondere darauf stützt, ein Handelsregisterauszug der S. AG sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, wurde ein solcher Handelsregisterauszug am 11. Verhandlungstag verlesen (Protokollband Bl. 59 ff.).
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Auf beides hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung hingewiesen.
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b) Die von den Angeklagten B. und W. erhobene Rüge einer „Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 244 Abs. 3 und 244 Abs. 5 StPO“, mit der sie beanstanden, das Landgericht habe die Einvernahme dreier Auslandszeugen zu dem Rechnungen der Schweizer Firma S. betreffenden Sachverhalt zu Unrecht abgelehnt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
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aa) Die Verfahrensrüge ist bereits nicht zulässig erhoben.
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Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Am 64. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung unter anderem unter Bezugnahme auf eine von ihr wörtlich mitstenographierte Zeugenaussage vom 21. Verhandlungstag, Verantwortliche der Firma S. zu einem auf insgesamt acht Seiten näher beschriebenen Beweisthema zu vernehmen. Ohne auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung einzugehen (was im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO möglich gewesen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 304), lehnte es die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag ab, die benannten Auslandszeugen zu vernehmen, da deren Einvernahme unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses keinen Erkenntnisgewinn brächte. Es könne im Rahmen einer Bewertung der zu erwartenden Aussagen nicht außer Betracht bleiben, dass Verantwortliche der Firma S. den Versuch unternommen hätten, sich durch ihren Rechtsbeistand, den Schweizer Rechtsanwalt Dr. P. , verdeckt Erkenntnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dr. P. sei von der Verteidigung als technischer Experte für Datensicherungsfragen vorgestellt worden, seine Berufsstellung als Rechtsanwalt und seine vertragliche Beziehung zur Firma S. , die sich aus einer Werbeaussage ergebe, sei dabei indes verheimlicht worden.
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Die Revision rügt, aus den von der Strafkammer herangezogenen Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, Rechtsanwalt Dr. P. solle die Interessen der Firma S. wahren. Sie unterlässt es indes entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft genannte, in den Akten befindliche Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mitzuteilen, aus dem sich explizit ergibt, dass Rechtsanwalt Dr. P. der Rechtsbeistand der Firma S. ist.
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bb) Auch einen sachlichrechtlichen Mangel in der Beweiswürdigung deckt die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht auf. Der von der Strafkammer gezogene Schluss, dass Rechtsanwalt Dr. P. die Interessen der Firma S. wahrnahm, ist nicht zu beanstanden. Er ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Die Strafkammer hat auch nicht ein Verhalten der Angeklagten oder ihrer Verteidiger bewertet, sondern Schlüsse aus einem aktenkundig gemachten Verhalten Dritter auf die Glaubwürdigkeit und das Geschäftsgebaren von Zeugen gezogen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Rolle Dr. P. s als Interessenvertreter der S. durfte daher sowohl bei der Entscheidung über den Beweisantrag als auch im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden.
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II. Die Verfahrensrügen, mit denen die Gerichtsbesetzung als fehlerhaft beanstandet wird (§ 338 Nr. 1, 2, 3 und 5 StPO), greifen nicht durch. Sie wären jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
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1. Die Revisionen der Angeklagten F. und W. rügen die Besetzung der Strafkammer mit dem zunächst als Ergänzungsrichter berufenen RiLG L. (§ 338 Nr. 1 StPO).
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a) Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde: Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2007 sah vor, dass im Falle des § 192 Abs. 2 GVG zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ergänzungsrichter RiLG Dr. B. , VRiLG S. und VPräsLG R. in dieser Reihenfolge berufen sind, bei Verhinderung des an sich berufenen Richters der Nächstberufene an seine Stelle tritt und gleiches gilt, wenn ein Richter im Geschäftsjahr bereits einmal herangezogen wurde.
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Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorberei- teten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit.
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Die Revision ist der Auffassung, der Geschäftsverteilungsplan enthalte schon hinsichtlich der Ergänzungsrichterregelung keine abstrakt-generelle Regelung , im Übrigen sei dessen nachtägliche Änderung unzulässig. Sie führe - wie auch die anderen aus Sicht der Revision willkürlichen Entscheidungen zur Gerichtsbesetzung (Bestimmung der Anzahl der Ergänzungsrichter, Aussetzung , unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der einzelnen Ergänzungsrichter ) - zu einer nicht mehr nach allgemeinen Kriterien vorhersehbaren, sondern nur auf den Einzelfall bezogenen Zuweisung von RiLG L. .
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b) Die Besetzungsrüge wäre jedenfalls unbegründet. Die sich aus der plötzlichen Verhinderung mehrerer Richter ergebende Situation hat die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über die Gerichtsbesetzung erforderlich gemacht; sie sind sachlich gerechtfertigt und rechtsfehlerfrei.
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Eine Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO könnte ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine - hier nicht gegebene - willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 320). Von Willkür kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung so weit von dem die Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Schon eine nur vertretbare Beantwortung einer Zweifelsfrage zur zutreffenden Gerichtsbesetzung verstößt aber weder gegen den sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anspruch auf Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 mwN).
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aa) Über die Erforderlichkeit der Zuziehung von Ergänzungsrichtern und deren Anzahl entscheidet gemäß § 192 Abs. 2 GVG der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, BGHSt 35, 366, 368; Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 192 GVG Rn. 4a), wobei er sich an einer ihm bekannt werdenden - nicht notwendigerweise konstanten - Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ergänzungsfalls orientieren wird. Neben dem Umfang des Verfahrens und dessen zu erwartender Dauer können auch in der Person eines Beteiligten liegende Umstände eine solche Wahrscheinlichkeit begründen; diese hat der Vorsitzende in den Blick zu nehmen. Tritt ein weiterer solcher Umstand hinzu (hier z.B. die Schwangerschaft einer Richterin oder die Erkrankung des RiLG Dr. B. mit zunächst unbekannter Ursache) oder entfällt ein solcher, ist es zulässig und sachgerecht, die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter anzupassen. Hieraus leitet sich auch das Recht des Vorsitzenden ab, die Anordnung auf Zuziehung eines Ergänzungsrichters jederzeit zu widerrufen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 9).
43
Gemessen hieran ist auch die Entscheidung, den für den 25. Oktober 2007 angesetzten Termin nach Bekanntwerden der Krankmeldung des Ergänzungsrichters RiLG Dr. B. nicht bereits vor Aufruf der Sache abzusetzen, rechtsfehlerfrei. Sie beinhaltet die schlüssige und auch in dieser Form zulässige Abänderung der Anordnung über die Zahl der hinzuzuziehenden Ergänzungsrichter. Angesichts der Unklarheiten bezüglich der Erkrankung des RiLG Dr. B. war es auch nicht objektiv willkürlich, was allein die Annahme einer fehlerhaften Gerichtsbesetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) stützen könnte, zunächst (was hier ebenfalls formlos möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88, NJW 1989, 1681; BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 51) vom Vorliegen eines Ergänzungsfalls auszugehen , dies aber - mit Blick auf den gesetzlichen Richter - wie geschehen sodann zur Erörterung zu stellen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot und die mit einem Verfahren mit mehreren Verteidigern verbundenen Schwierigkeiten einer Terminsfindung war dies sachgerecht.
44
Ebenso wenig vermag die - nach Ausbleiben eines immerhin möglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 222b Rn. 3; Gmel in KK-StPO, 6. Aufl., § 222b Rn. 3; Ritscher in BeckOK-StPO, § 222b Rn. 7) Verzichts auf den Besetzungseinwand getroffene - Entscheidung, das Verfahren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auszusetzen, die Revisionsrüge, das Gericht sei im dann neu anberaumten Termin fehlerhaft besetzt gewesen, zu begründen. Es ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens bereits nicht ersichtlich , dass der Vorsitzende hier willkürlich gehandelt haben könnte, etwa um bewusst auf die (nachfolgende) Gerichtsbesetzung Einfluss zu nehmen. Überdies war die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ebenfalls sachgerecht.
45
In der Annahme, das Gericht sei mit VRiLG S. am 25. Oktober 2007 fehlerhaft besetzt, konnte an diesem Tag keine andere Entscheidung getroffen werden, als diejenige, das Verfahren auszusetzen. Auch eine erneute Aufstockung der Zahl der Ergänzungsrichter in laufender Verhandlung (was wegen der unklaren Erkrankungslage des RiLG Dr. B. angezeigt war) wäre nach bereits erfolgtem Aufruf der Sache mit Blick auf § 226 StPO nicht mehr in Betracht gekommen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 5).
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Die Aussetzung des am 25. Oktober 2007 begonnenen Verfahrens mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO begegnete - auch im Lichte des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - selbst dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man annähme, die Strafkammer sei mit VRiLG S. als einzigem Ergänzungsrichter am 25. Oktober 2007 objektiv richtig besetzt gewesen. Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei (BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07, NStZ 2008, 113).
47
Das Entscheidungsermessen entfiel hier auch nicht dadurch, dass ein neuer Hauptverhandlungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 2 StPO bestimmt werden konnte. Vielmehr entsprach es dem Gebot der Beschleunigung, zumal in Haftsachen, eine neue Hauptverhandlung möglichst bald anzusetzen, nachdem sich die Hauptverhandlung am 25. Oktober 2007 für die Strafkammer als nicht zweifelsfrei in dieser Form durchführbar erwiesen hatte. Für die Frage, ob eine Aussetzung zulässig ist, kann nicht allein die Dauer bis zum nächstmöglichen Termin maßgeblich sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt aber Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 228 Rn. 2). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und Abs. 4 StPO, die für Situationen eine Aussetzung vorschreiben oder zulassen, in denen das Gericht unter Beachtung des Beschleunigungsgebots nicht gehindert ist, innerhalb der sich aus § 229 Abs. 2 StPO ergebenden Unterbrechungsfrist neu zu terminieren. Auch sonst wird die Annahme eines richterlichen Ermessens für die Entscheidung zwischen Unterbrechung und Aussetzung der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe, die eine nachträgliche Umterminierung bedingen können, besser gerecht als eine starre Zeitgrenze, ohne dass dadurch schützenswerte Interessen der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wären.
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bb) Mit Aufruf der Sache am 25. Oktober 2007 begann die Hauptverhandlung , § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies hatte zur Folge, dass der an dieser Hauptverhandlung teilnehmende VRiLG S. - unabhängig davon, ob seine Mitwirkung fehlerhaft war oder nicht - im Geschäftsjahr 2007 im Gegensatz zu RiLG Dr. B. bereits einmal als Ergänzungsrichter herangezogen worden war und daher nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht neuerlich als Ergänzungsrichter herangezogen werden konnte.
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cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht zu beanstanden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg für das Jahr 2007 enthält eine hinreichend abstrakte Regelung zur Frage, welcher Richter im nicht vorhersehbaren Fall der Notwendigkeit eines Ergänzungsrichters heranzuziehen ist. Der Umstand, dass - anders als im Vorjahr - mehr als drei Ergänzungsrichter erforderlich sein würden, war nicht absehbar. Durch die - ermessensfehlerfreie - Anordnung der Hinzuziehung eines weiteren, nicht bereits durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2007 „verbrauchten“ Ergänzungsrichters war eine unvorhersehbare Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan entstanden, die das Präsidium des Landgerichts in entsprechender Anwendung des § 21e GVG zu schließen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489).
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dd) Hinsichtlich der dienstunfähig gewordenen Beisitzerin und des erkrankten VPräsLG R. lag jeweils ein Verhinderungsfall vor, bei dem ein Ergänzungsrichter für den verhinderten Richter einzutreten hatte (vgl. § 192 Abs. 2 GVG). Aber auch hinsichtlich des erstberufenen Ergänzungsrichters, RiLG Dr. B. , lag am 8. November 2007 ein Verhinderungsfall vor, da dieser Richter an diesem Tag - amtsärztlich attestiert - bereits erneut erkrankt und absehbar längerfristig unfähig war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Hiervon durfte der Vorsitzende angesichts der Besonderheiten des Falles jedenfalls ausgehen. Damit trat an die Stelle von RiLG Dr. B. der nächstberufene Ergänzungsrichter , an dessen Stelle wiederum der in der Reihe nachfolgende. Die Mitwirkung von RiLG L. an Hauptverhandlung und Urteil erweist sich nach alledem als zutreffend, keinesfalls aber als willkürlich.
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2. Neben dieser Besetzungsrüge haben die Revisionen aller Angeklagten eine dienstliche Stellungnahme von RiLG L. zu einem mit dem Anstaltsseelsorger des Angeklagten W. auf dessen Wunsch geführten Gespräch zum Anlass genommen, anzunehmen, RiLG L. sei gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen. Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 2 StPO) ist ebenfalls unbegründet.
52
Das Wissen, das ein Richter während des Laufs eines anhängigen Verfahrens dienstlich erlangt und durch eine dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einbringt, macht den Richter nicht zum Zeugen. Eine Vernehmung als Zeuge wäre ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; es entzöge dem Angeklagten den gesetzlichen Richter (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - 3 StR 89/93, NJW 1993, 2758).
53
3. Die Besetzungsrüge des Angeklagten W. , der Vorsitzende sei gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen (§ 338 Nr. 2 StPO), ist bereits nicht zulässig erhoben, weil sie den Inhalt der hierzu abgegebenen dienstlichen Erklärungen nicht vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie wäre auch unbegründet:
54
Der Vorsitzende hat gemäß § 183 GVG die Äußerung eines Verteidigers, es sei dem Angeklagten unzumutbar, sich mit den Richtern in einem Raum aufzuhalten , zu Protokoll genommen. Diese Äußerung wurde Gegenstand einer Strafanzeige durch den Landgerichtspräsidenten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Vorsitzende damit nicht als Verletzter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Straftat im Sinne des § 22 Nr. 1 StPO kann nur eine solche sein, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Andernfalls läge es in der Hand eines jeden Angeklagten, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 2 BvR 1639/94, NJW 1996, 2022).
55
4. Die behauptete Überlassung von Teilen der Anklageschrift an die Schöffen könnte für sich allein eine Besorgnis der Befangenheit weder gegenüber den Berufsrichtern noch gegenüber den Schöffen begründen (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juni 2008 - 26771/03, NJW 2009, 2871; zur Zulässigkeit der Überlassung von Aktenteilen an Schöffen vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 1997 - 3 StR 421/96, BGHSt 43, 36). Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) des Angeklagten B. kann schon deswegen nicht erfolgreich sein.
56
5. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten B. und W. , mit denen sie geltend machen, Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen und Art. 101 GG dadurch verletzt worden, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
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a) Den Rügen liegt u.a. Folgendes zugrunde: Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte am 3. Verhandlungstag gegen eine Protokollführerin ein Ablehnungsgesuch angebracht, weil diese dem Vorsitzenden über Vorkommnisse in einer Sitzungspause (Übergabe von Unterlagen an einen der Angeklagten ) berichtet hatte. Es wurde ebenso wie ein Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin zurückgewiesen. Dies und die Mitteilung des Vorsitzenden, hinsichtlich einer Beisitzerin den Ergänzungsfall annehmen zu wollen, nahm die Verteidigung des Angeklagten B. zum Anlass, die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen abzulehnen. Die Verteidigung des Angeklagten W. lehnte ebenfalls mit einem in der Hauptverhandlung angebrachten und zwei weiteren während laufender Hauptverhandlung auf der Geschäftsstelle eingereichten - mit vorangehenden überwiegend wortgleichen - Anträgen die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
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Die Strafkammer verwarf die Befangenheitsgesuche mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Eine Gesamtschau des bisherigen Verfahrensgangs offenbare ein zwischen den Verteidigern abgesprochenes Verteidigungsverhalten, das darin bestehe, Anträge in möglichst umständlicher und zeitaufwändiger Weise einzubringen, die hierdurch entstehenden Verzögerungen sodann aber zur Begründung für weitere Haftaufhebungsanträge zu verwenden. Auch werde erkennbar, dass Entscheidungen des Gerichts über Verfahrensanträge umgehend zum Anlass für weitere Ablehnungsanträge unter Wiederholung bereits verbeschiedener Rügen genommen worden seien. Die Strafkammer weist darauf hin, die Verteidigung des Angeklagten W. habe am 1. Verhandlungstag zwei Besetzungsrügen angebracht , bei denen sie jeweils - mit dem Bemerken, dies sei prozessual zwingend - den gesamten Geschäftsverteilungsplan einschließlich der Zuständigkeitsverteilung sämtlicher Zivilkammern und aller Änderungsbeschlüsse verlesen habe. Am 2. Verhandlungstag habe die Verteidigung des Angeklagten B. begonnen, einen ihr schriftlich vorliegenden Befangenheitsantrag zu Protokoll zu diktieren, einschließlich eines dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Beschlusses aus dem Ermittlungsverfahren mit den darin enthaltenen Zahlenkolonnen. Nach einem am Nachmittag des 2. Verhandlungstages vom Vorsitzenden gegebenen Hinweis darauf, dass ein Recht auf Protokollierung der Antragsbegründung nicht bestehe, habe der Verteidiger des Angeklagten B. erwidert, dass er diese Ansicht zur Kenntnis nehme, seinen Antrag gleichwohl weiter zu Protokoll diktieren werde. Das Landgericht nennt im Ablehnungsbeschluss weitere Anträge, unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Protokollführerin, in welchem diese des Denunziantentums und der Abgabe unwahrer Erklärungen bezichtigt werde, einen Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin , in dem diese erneut der bewussten Spitzeltätigkeit bezichtigt werde. Gegen die Kammermitglieder werde der diffamierende Vorwurf erhoben, die angebliche Bespitzelungstätigkeit der Protokollführerin entspreche einem Wunsch der Strafkammer. Die mit dem Vorwurf der Verkündung eines nicht beratenen Kammerbeschlusses vorgetragene Wertung, das gerügte Verhalten des Vorsitzenden lasse vermuten, dass dieser auch die Beurteilung der Schuldfrage nicht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig mache, diene allein einer Bloßstellung; ein Verteidiger des Angeklagten B. habe selbst bekundet, eine Tischberatung habe zu dem in Rede stehenden Beschluss stattgefunden. Die weiteren Einwände gegen die Unbefangenheit der Richter seien - zum Teil wortgleich - bereits Gegenstand früherer Anträge gewesen, die die Strafkam- mer bereits beschieden habe. Der darin enthaltene Hinweis, die Mitglieder des Präsidiums hätten bei wahrheitsgemäßen Angaben bekennen müssen, die Ergänzungsrichter unter bewusster Missachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse bestellt zu haben, diene ebenfalls allein der Diffamierung.
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Auch ein weiteres Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. verwarf die Strafkammer am 1. Juli 2008 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Die Verteidigung hatte gegen die an einem Beschluss zur Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrags mitwirkenden Richter ein Befangenheitsgesuch angebracht und sodann gegen die hierüber entscheidenden Richter neuerlich mit einem Ablehnungsantrag reagiert. Nachdem auf Antrag der Verteidigung mitgeteilt wurde, welche Richter hierüber entscheiden würden, wurde gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt , der nunmehr Gegenstand einer Revisionsrüge ist.
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In dem diesen Antrag zurückweisenden Beschluss führt die Strafkammer aus, die Verteidiger hätten durch das bisherige Prozessverhalten gezeigt, dass sie bestrebt seien, die Hauptverhandlung dauerhaft auf eine Auseinandersetzung um vermeintliche Voreingenommenheit zu beschränken, eine zügige Beweisaufnahme zu verhindern, hierdurch zusätzliche Arbeitskraft der Richter zu binden und die dadurch entstandenen Verzögerungen dann als Argument in einer eingereichten Haftbeschwerde zu verwenden. So erweise sich die sukzessive Kettenablehnung der für das jeweils neu abgelehnte Kammermitglied nachrückenden Richters in der Zusammenschau des - im Einzelnen dargelegten - Prozessverlaufs, dass es der Verteidigung nur um die Verhinderung einer Beweisaufnahme zum Themenkomplex „S. “ gehe.
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b) Die Rügen wären jedenfalls unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die Grenzen, innerhalb derer abgelehnte Richter selbst über die gegen sie angebrachten Ablehnungsgesuche entscheiden können (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), wurden nicht überschritten.
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aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über ein gegen ihn angebrachtes Befangenheitsgesuch entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, NJW 2005, 3410). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 129/07, wistra 2008, 267; BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07, NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich , dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie aber nicht zu Richtern in eigener Sache (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 509/07, NStZ 2008, 473).
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bb) Gemessen hieran ist die Verwerfung der geschilderten Ablehnungsgesuche als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu beanstanden.
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Die abgelehnten Richter haben nicht ihr eigenes Verhalten bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der den Befangenheitsge- suchen zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht und der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke rechtsfehlerfrei gewonnen aus den Befangenheitsgesuchen selbst (deren Inhalt, Art und Weise der Anbringung der Gesuche und Wortwahl) und der jeweiligen Verfahrenssituation. Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter im Rahmen der Entscheidung vom 1. Juli 2008 auf vorangehende Beschlüsse Bezug nehmen, mit denen sie bereits eine Prozessverschleppungsabsicht in anderem Zusammenhang festgestellt hatten, macht sie nicht zu Richtern in eigener Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446).
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Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gegeben, wie bereits die von der Strafkammer in den Ablehnungsbeschlüssen geschilderten Umstände belegen. Auch die revisionsgerichtliche Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04, wistra 2005, 464 ergibt, dass ein klarer Fall missbräuchlich angebrachter Ablehnungsgesuche vorliegt. Schon in der hier sogar mehrfachen Wiederholung gleichlautender Anträge kann eine Absicht zur Verfahrensobstruktion erkennbar werden. Der von der Strafkammer aus dem Umstand, dass für verschiedene Angeklagte gestellte Anträge sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt identisch waren, gezogene Schluss auf ein zwischen den Verteidigern abgestimmtes Verhalten, liegt dabei überaus nahe. Die Stellung langer Anträge zu Protokoll und die Anwürfe gegen die Mitglieder der Strafkammer, die ersichtlich zur Wahrung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren, deuten ebenfalls auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke oder die Absicht zur bloßen Verschleppung des Verfahrens hin. Jedenfalls in der Gesamtschau lässt dieses Prozessverhalten keinen vernünftigen Zweifel zu, dass es der Verteidigung (auch) mit den abgelehnten Befangenheitsanträgen nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben - den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozessordnungswidrigen Urteil zu schüt- zen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 3 StR 445/04, NStZ 2005, 341) - ging, sondern um die Verhinderung eines geordneten Verfahrensfortgangs und -abschlusses in angemessener Zeit durch die zielgerichtete und massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 129/05, NJW 2005, 2466).
66
Das Revisionsvorbringen vermag diesen Befund nicht zu entkräften. Soweit die Revision des Angeklagten B. vorträgt, es gehöre zu den Kernaufgaben der Verteidigung, durch Ablehnungsanträge zu versuchen, eine Haftverschonung für den Mandanten zu erzwingen, offenbart dies ein Fehlverständnis des Strafprozesses im allgemeinen und des Ablehnungsverfahrens nach §§ 24 ff. StPO im besonderen. Solches Vorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Der Auftrag der Verteidigung liegt - bei allem anerkennenswerten Engagement für den Mandanten - nicht ausschließlich im Interesse eines Angeklagten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 106). Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt (§§ 138, 139, 142 Abs. 2 StPO, § 392 AO), ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er auch nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91, NStZ 1992, 140).
67
c) Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO nicht stets den Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO begründen, vielmehr führt ein solcher Verstoß nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161). Beides ist hier nicht der Fall.
68
d) Die weiteren von den Revisionen beanstandeten Beschlüsse der Strafkammer, mit denen Befangenheitsgesuche gegen Berufsrichter und Schöffen sowie gegen einen Sachverständigen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen wurden, halten gemessen an den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
69
III. Auch die gegen die Behandlung der zahllosen Beweisanträge durch die Strafkammer gerichteten Verfahrensrügen, wie etwa die Beanstandung, die Strafkammer habe zwei auf die Einvernahme von rund 2.000 und 5.401 Zeugen gerichtete Beweisanträge rechtsfehlerhaft als bedeutungslos abgelehnt, bleiben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg. Sie wären jedenfalls unbegründet.
70
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof schon früh die Zurückweisung eines hinsichtlich des Umfangs der begehrten Beweisaufnahme ähnlichen (Hilfs-)Beweisantrags eben wegen dieses Umfangs mit folgender Begründung gebilligt hat: „Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung, „sämtliche Inserenten“ - etwa 7.000 - als Zeugen zu verhören, verletzt die §§ 244, 245 StPO [aF] schon deshalb nicht, weil er … auf Unmögliches gerichtet ist“ (BGH, Urteil vom 4. Januar 1954 - 1 StR 476/53). In vergleichbarem Sinn hat das OVG Münster (DÖV 1981, 384 mwN) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StPO richte, einen auf die Vernehmung von 20.000 Zeugen gerichteten Antrag zurückgewiesen: Die Durchführung der Beweisaufnahme sei unzumutbar, die Grenzen der Zumutbarkeit „eindeutig überschritten“ (vgl. auch Niemöller, Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010, 332, 338).

D.

71
Hinsichtlich des Angeklagten F. führt die sachrechtliche Nachprüfung zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten F. aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
72
I. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten F. ist auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist.
73
1. Die den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Taten (Versuch der Hinterziehung von Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer der B. GmbH für das Jahr 2004), die das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht angesehen hat, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. … Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal- ten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.). Dies ist für die Taten F 3 und F 4 festgestellt, weil die unrichtigen Steuererklärungen am 06.03.2006 bei einem Finanzamt abgegeben wurden, sie Steuern derselben Gesellschaft für den Veranlagungszeitraum 2004 betrafen und übereinstimmend unrichtige Angaben enthielten."
74
Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern, ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
75
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Körperschaft - bzw. Gewerbesteuer der D. Systeme GmbH für das Jahr 2004) tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in diesen Fällen jeweils auf versuchte Steuerhinterziehung ab.
76
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe alle äußeren und inneren Tatsachen so vollständig angeben, dass darin die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands erkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4). Bei der Blankettstrafnorm des § 370 AO, die erst zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595), muss sich deshalb aus den Feststellungen ergeben, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 584/00, NStZ-RR 2001, 307). Diesen Anforderungen wird das Urteil in den Fällen F 7 und F 8 nicht gerecht.
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).
78
Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, welches Finanzamt für die D. Systeme GmbH zuständig war und wann die Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungszeitraum dort tatsächlich abgeschlossen waren. Legt man für den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zugrunde, ist davon auszugehen , dass die Veranlagungsarbeiten hier bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der ersten Jahreshälfte 2006 (erste Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse datieren vom 12. April 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Dies liegt auch deshalb nahe, weil das Landgericht in den Fällen F 11 und F 12 der Urteilsgründe solches für denselben Veranlagungszeitraum und dieselben Steuerarten bei der Schwestergesellschaft D. Service GmbH festgestellt (und dementsprechend auf versuchte Steuerhinterziehung erkannt) hat.
79
c) Der Senat schließt aus, dass betreffend die Fälle F 7 und F 8 der Urteilsgründe für die D. Systeme GmbH noch Feststellungen getroffen werden können, die einen allgemeinen Veranlagungsabschluss beim zuständigen Finanzamt vor Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an den Angeklagten F. belegen könnten. Der Schuldspruch ist daher in diesen Fällen auf versuchte Steuerhinterziehung abzuändern. Es ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte F. gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
80
II. Infolge der Schuldspruchänderung hält beim Angeklagten F. auch der Strafausspruch teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
81
1. Für die tateinheitlich verwirklichten Taten in den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe setzt der Senat die vom Landgericht für jede der beiden Taten verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten als neue Einzelstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten eine mildere Strafe als diese verhängt hätte. Die weitere Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
82
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe kann der Strafausspruch von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend setzt der Senat in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils die niedrigste mögliche Freiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der Höhe der erstrebten Steuerverkürzung (rund 86.000 Euro im Fall F 7, rund 78.500 Euro im Fall F 8) und im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender Einstufung der Tat als versuchte Steuerhinterziehung noch eine Geldstrafe verhängt hätte (§ 47 StGB).
83
3. Angesichts des Wegfalls einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten und der Herabsetzung zweier Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten auf einen Monat kann bei dem Angeklagten F. der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der Änderungen bei den Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, auch wenn dies im Hinblick auf die Erwägungen des Landgerichts zur Gesamtstrafenbildung eher fern liegt.
84
Der Senat hebt deshalb beim Angeklagten F. die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b StPO) auf, dass die nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

E.

85
Die Revisionen der Angeklagten B. und W. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Hiervon bleiben die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen allerdings unberührt. Im Übrigen ergibt die sachrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten B. und W. (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO). Der Erörterung bedarf Folgendes:
86
I. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
87
In diesen Fällen bestehen teilweise durchgreifende Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Der Senat sieht angesichts der Komplexität des Verfahrens aus Gründen der Verfahrensökonomie und zur Beschleunigung des Verfahrens davon ab, die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die in diesen Fällen noch zu erwartenden Einzelstrafen fielen gegenüber den übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
88
Die Teileinstellung zieht die entsprechende Änderung des Schuldspruchs nach sich.
89
II. In den allein den Angeklagten W. betreffenden Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbe- bzw. Umsatzsteuer der P. GbR für das Jahr 2001) hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten unrichtig beurteilt. Die Straftatbestände wurden aus den bei dem Angeklagten F. zu den Fällen F 3 und F 4 (vgl. oben D.I.1.) genannten Gründen in Tateinheit, nicht - wie vom Landgericht angenommen - tatmehrheitlich verwirklicht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und setzt für die tateinheitlich begangene Tat eine einheitliche - vom Landgericht bisher für die Fälle W 1 und W 2 jeweils als schuldangemessen angesehene - Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fest. Er schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme von Tateinheit eine mildere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO), zumal das Landgericht allein für den Fall W 2 - isoliert betrachtet rechtsfehlerfrei - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für schuldangemessen erachtet hat. Die zweite Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr entfällt.
90
Ein Teilfreispruch hinsichtlich der Verurteilung im Fall W 1 (Gewerbesteuerhinterziehung bei der P. GbR für das Jahr 2001) kommt nicht in Betracht, weil der Senat sicher ausschließen kann, dass es insoweit insgesamt an einer Tatbestandsverwirklichung fehlen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
91
Zwar ist den Urteilsgründen der Inhalt der in diesem Fall abgegeben Steuererklärung und des daraufhin ergangenen Steuerbescheides nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat die festgesetzte mit der gesetzlich geschuldeten Steuer nicht vergleichen und den vom Landgericht angenommenen Schuldumfang nicht nachprüfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1). Es steht jedoch sicher fest, dass die Angeklagten in diesem Fall entweder Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Denn den Urteilsgründen einschließlich der Berechnungsdarstellung ist zu entnehmen, dass aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung dem Gewerbesteuerbescheid ein zu niedriger Gewerbeertrag zugrunde gelegte wurde.
92
Die Urteilsgründe zu Fall W 1 sind insofern widersprüchlich, als das Landgericht einerseits von einem zu hoch festgesetzten „vortragsfähigen Verlust“ , andererseits von einer verkürzten Gewerbesteuer in Höhe von rund 140.000 DM ausgeht. Dabei handelt es sich um zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten. In beiden Varianten, von denen eine sicher vorliegt, wäre jedoch gleichermaßen ein Taterfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingetreten.
93
1. Es liegt nahe, dass das Landgericht zwar von einer Steuerverkürzung ausgegangen ist, diese aber zu hoch angesetzt hat, weil es einen im Urteil aber nicht näher dargelegten „Verlustvortrag“ mit Blick auf das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) außer Ansatz gelassen hat. Die Anwendung des Kompensationsverbots wäre rechtsfehlerhaft. Denn mit „anderen Gründen“ i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind nur solche Tatsachen gemeint, auf die sich der Täter nicht bereits im Besteuerungsverfahren berufen hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - 3 StR 373/86, NJW 1987, 1273; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 130). Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustanden, dürfen ihm im Steuerstrafverfahren nicht vorenthalten werden (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 - 5 StR 458/77; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 177. Aufl., EL 153 § 370 AO Rn. 46). Eine Steuerverkürzung wäre trotz dieses Rechtsfehlers gegeben.
94
2. Sollten sich demgegenüber die unrichtigen Angaben der Angeklagten so ausgewirkt haben, dass ein zu hoher vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden ist, läge hierin die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Denn eine Besserstellung des Steuerpflichtigen wird nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung des (vortragsfähigen) Verlusts bewirkt (vgl. Patzelt, Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht, 1990). Die Feststellung eines Verlustvortrags erfolgt durch gesonderten Grundlagenbescheid (hier gemäß § 10a GewStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 92/98, BB 1999, 1803), der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den jeweils nächsten Steuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. zum Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG: BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551). Insofern erlangt der Steuerpflichtige einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht und der eine hinreichend konkrete Gefähr- dung des Steueranspruchs begründet, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106f.; FG München, Urteil vom 23. Februar 2010 - 13 K 1694/07).
95
III. Im Übrigen hält die Verurteilung der Angeklagten B. und W. wegen Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuern rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere weist die Wertung des Landgerichts, dass die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen den bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaft- und Gewerbesteuern zugrunde zu legenden Gewinn der jeweiligen Rechnungsadressaten in der jeweils festgestellten Höhe nicht mindern konnten, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
1. Bei den in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen hat das Landgericht die auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, die den Gewinn nicht schmälern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Urteil vom 24. Mai 2007 - 5 StR 72/07, DStRE 2008, 169, 170 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Denn die Geldabflüsse aus der jeweiligen Unternehmenssphäre hatten ihren Grund allein in dem Verhältnis zwischen den in den Rechnungen aufgeführten Firmen und den Angeklagten B. und W. als deren Gesellschaftern. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte Scheinrechnungen nicht als Aufwand in der Buchhaltung berücksichtigt und für vorgenommene Zahlungen zumindest Rückzahlungsansprüche verbucht.
97
Soweit in sehr geringem Umfang tatsächlich Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden, diente dies - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - allein der Verschleierung der Steuerhinterziehung. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen sind somit als Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich (§ 41 Abs. 2 AO), die erbrachten Zahlungen insgesamt nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Umstand, dass die Strafkammer diese Lieferungen und Leistungen gleichwohl gewinnmindernd in Ansatz gebracht hat, beschwert die Angeklagten nicht.
98
2. Soweit das Landgericht auch im Zusammenhang mit der P. GbR den Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ verwendet, versteht es diesen Begriff erkennbar untechnisch in dem Sinne, dass die Angeklagten B. und W. beabsichtigten, mittels an die P. GbR gerichteten Scheinrechnungen deren Gewinn zu mindern. Dies ist rechtsfehlerfrei, denn auch bei der P. GbR hatten die Zahlungen nach den Feststellungen des Landgerichts keine betriebliche Veranlassung, sondern dienten allein dem Vermögenszufluss bei den Angeklagten B. und W. . Derart ausschließlich privat veranlasste Zahlungen, denen keine erkennbaren Leistungen an den Betrieb gegenüberstehen, können als Entnahme den Gewinn einer GbR nicht mindern, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) ermittelt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
99
IV. Das Urteil hat auch insoweit Bestand, als das Landgericht die Angeklagten B. und W. wegen vollendeter und versuchter Taten der Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hat.
100
1. Allerdings galt im Tatzeitraum bei Gewinnausschüttungen das Anrechnungsverfahren für Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF). Das Landgericht hätte deshalb beachten müssen, dass bei Verurteilung einer Person nach verdeckter Gewinnausschüttung sowohl wegen Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch - als Empfänger der Ausschüttung - wegen Einkommensteuerhinterziehung die verkürzte Einkommensteuer im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung (fiktiv) nach dem Anrechnungsverfahren zu berechnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Der Umstand, dass das Landgericht hier bei dem Angeklagten B. im Fall B 12 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung betreffend das Jahr 1999) das Anrechnungsverfahren außer Betracht gelassen hat, beschwert den Angeklagten im Ergebnis jedoch nicht. Eine gleichzeitige Aburteilung der Verkürzung der Körperschaftsteuer für die von der M. GmbH im Jahr 1999 verdeckt ausgeschütteten Gewinne (Fall B 1 der Urteilsgründe) liegt im Hinblick auf die vom Senat insoweit vorgenommene Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr vor.
101
2. Auch das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe bei der Bestimmung der von den Angeklagten B. und W. verkürzten Einkommensteuer zu Unrecht nicht auf den Zufluss der Einnahmen bei den Angeklagten abgestellt, deckt keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
102
a) Soweit es sich bei den steuerpflichtigen Einkünften um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG) handelt, kommt es auch dann allein auf den tatsächlichen Gewinn zum Ablauf des Wirtschaftsjahres an, wenn die Einnahmen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielt wurden. So ver- hält es sich hier bezüglich der P. GbR. Die Höhe der Entnahmen der Gesellschafter ist dabei ohne Bedeutung.
103
b) Demgegenüber führt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft erst dann auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn ein Zufluss beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109 mwN).
104
Ein Zufluss beim Gesellschafter kann dabei auch dann vorliegen, wenn er selbst (noch) keine Zahlung erhalten hat. Denn für die Annahme eines Vermögenszuflusses genügt es, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) an die nahe stehende Person weitergegeben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2005, VIII R 24/03; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 20 Rn. 75 mwN).
105
„Nahe stehend“ sind nicht nur Angehörige i.S.v. § 15 AO; eine Beziehung , die auf die außerbetriebliche Zuwendung schließen lässt, kann auch gesellschaftsrechtlicher , schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, NJW 1997, 2198; Weber-Grellet aaO mwN), wie etwa eine wechselseitige, auf jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit zurückgehende Beziehung (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963 - I 325/61 S, NJW 1964, 517).
106
„Nahe stehend“ kann daher auch ein Mitgesellschafter sein, sodass der Zufluss bei dem einen Gesellschafter dem jeweils anderen zugerechnet werden kann. Nahe stehende Person war hier auch der anderweitig Verfolgte G. , der die Erstellung von Scheinrechnungen durch von ihm beherrschte Firmen veranlasst und für die Rückzahlung ausbezahlter Beträge an die Angeklagten gesorgt hatte. Die Angeklagten B. und W. waren seit Jahren mit G. freundschaftlich verbunden. Sie hatten ihn im Tatzeitraum auch bei dessen betrügerischen Machenschaften mit der Einziehung von durch Missbrauch von Einzugsermächtigungen erlangten Geldbeträgen unterstützt, dabei Gelder auf Konten der B. GmbH vereinnahmt und an G. ausgekehrt.
107
c) Eine Besonderheit besteht in den Fällen ohne bestehendes Näheverhältnis zu den unmittelbaren Geldempfängern, in denen die Angeklagten B. und W. die verdeckt ausgeschütteten Gewinne deshalb nicht in voller Höhe erhalten konnten, weil die Geldempfänger vor der Weitergabe der Beträge an die Angeklagten eine „Provision“ als Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen einbehielten. Den Angeklagten ist diese Provision allerdings als „sonstiger Bezug“ i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Ein Zufluss ist beim Gesellschafter auch dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft an einen Dritten zahlt und damit eine Verpflichtung des Gesellschafters erfüllt (BFH, Urteil vom 24. Januar 1989 - VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419, 420). Dies ist für die Befreiung des Gesellschafters von privaten Verpflichtungen im Zusammenhang mit ausschließlich privat veranlassten Handwerkskosten anerkannt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109). Für die Zahlung der ebenfalls ausschließlich privat veranlassten „Kosten“ für Dienste im Zusammenhang mit der Erstellung von Scheinrechnungen und Geldtransfers kann nichts anderes gelten. Damit besteht hier der den Angeklagten zugeflossene Vermögensvorteil darin, dass der jeweilige Zahlungsempfänger mit der Provisionszahlung an die Aussteller der Scheinrechnungen belastet wurde, die von den Angeklagten zu tragen war.
108
Es kann hier offen bleiben, ob die von den Rechnungsausstellern oder anderen in den Vermögensrückfluss an die Angeklagten eingebundenen Personen in diesen Fällen einbehaltenen „Provisionen“ bei der Berechnung der Einkommensteuer der Angeklagten als Werbungskosten (§ 9 EStG) hätten in Ansatz gebracht werden müssen oder ob ein solcher Abzug deshalb zu versagen wäre, weil die Aufwendungen der Angeklagten für das Erstellen der Scheinrechnungen und den Geldtransfer nicht der Einkunftserzielung, sondern ausschließlich deren Verschleierung und damit Zwecken der privaten Lebensführung dienten. Denn der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe , dass das Landgericht diejenigen von den Gesellschaften ausgezahlten Beträge, die nicht an die Angeklagten zurückgeflossen sind, aus dem für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang ausgenommen hat. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer den im Urteil mehrfach dargestellten und erörterten Provisionseinbehalt der Rechnungsaussteller bei der Strafzumessung nicht mehr im Blick hatte.
109
d) Der Umstand, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Geldbeträge an die Angeklagten B. und W. getroffen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
110
Derartiger Feststellungen hätte es nur in den Fällen bedurft, in denen die Auszahlung an die Firma S. - also an eine nicht nahe stehende Person - vorgenommen worden ist. In diesen Fällen erfolgten aber nach den Urteilsfeststellungen sämtliche Zahlungen auf spätestens am 30. August des jeweiligen Jahres ausgestellte Rechnungen. Das Landgericht durfte deshalb von einem Zahlungseingang im Kalenderjahr der Rechnungsausstellung ausgehen. Für die Annahme, einzelne Zahlungen könnten erst im jeweiligen Folgejahr erfolgt sein, fehlt jeder Anhaltspunkt.
111
3. Allerdings hat das Landgericht in dem den Angeklagten B. betreffenden Fall B 17 und gleichermaßen in dem den Angeklagten W. betreffenden Fall W 11 der Urteilsgründe (jeweils Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2004) die Höhe der erstrebten Verkürzung von Einkommensteuer unzutreffend berechnet. Hierdurch sind die Angeklagten B. und W. jedoch nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei fehlerfreier Verkürzungsberechnung in diesen Fällen mildere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO).
112
a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten B. und W. zu gleichen Teilen Gesellschafter der Firma T. S.L., einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Cala Llonga/Ibiza, deren Anteile sie im Jahr 2004 mit notariellem Vertrag veräußert hatten. Gleichwohl verschwiegen sie den hieraus erzielten Erlös gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
113
b) Die steuerliche Behandlung des Veräußerungserlöses durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; das Landgericht hat zu Unrecht den vollständigen Veräußerungserlös als Veräußerungsgewinn angesehen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Richtigerweise gehört dieser Veräußerungsgewinn eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft … zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 17 EStG. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns findet gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG das so genannte Halbeinkünfteverfahren Anwendung, so dass vorliegend lediglich von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.500,- € auszugehen ist (Hälfte Veräußerungspreis von 62.500 abzüglich hälftige Veräußerungskosten und die Hälfte der Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 1.000,- €).“
114
Die Veräußerungserlöse stellen für die in Deutschland ansässigen Angeklagten B. und W. ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 4b EStG) dar. Nach Art. 13 Abs. 3 des insoweit maßgeblichen (§ 34c Abs. 6 EStG) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Spanien) vom 14. März 1968 (BStBl I 1968, 544) werden die Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (zu dem auch Anteile an Kapitalgesellschaften zählen), wenn sie - wie hier - nicht das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellen, nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Veräußerer ansässig ist.
115
Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird im deutschen Steuerrecht in § 17 EStG erfasst (BFH, Urteil vom 22. Februar 1989 - I R 11/85, BFHE 156, 170 = BStBl II 1989, 794 mwN). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind „Anteile“ i.S.d. § 17 EStG u.a. Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ähnliche Beteiligungen. Zu letzteren zählen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - I R 228/81). Die in Rede stehende Sociedad Limitada spanischen Rechts ist typgleich mit einer deutschen GmbH, Anteile an ihr verkörpern Gesellschafterrechte, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. Reckhorn-Hengemühle, Die neue Spanische GmbH, 1993). Deshalb sind sie als „ähnliche Beteiligungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146 = BStBl II 1996, 312, 313 mwN). Gründe, die einer Anwendung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG entgegenstehen könnten , sind nicht ersichtlich.
116
Durch den Ansatz des niedrigeren Gewinns vermindert sich die vom Angeklagten B. geschuldete Einkommensteuer auf 385.116 Euro (statt 412.790 Euro), beim Angeklagten W. reduziert sich der Betrag hinterzogener Einkommensteuer - bei der gebotenen Anwendung der Grundtabelle - auf 201.027 Euro (statt 219.856 Euro).
117
c) Zwar ist die Höhe der Steuerverkürzung bestimmender Strafzumessungsgrund (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80). Der Senat kann hier aber ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es den Veräußerungsgewinn zutreffend berechnet hätte.
118
Das Landgericht hat bei der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung außer auf die Professionalität und Zielstrebigkeit der Angeklagten im Wesentlichen auf die erhebliche Überschreitung der Schwelle zur Steuerverkürzung großen Ausmaßes abgestellt. Diese Umstände bestehen auch bei zutreffender Berechnung der Steuerverkürzung fort. Auch ausgehend von der vom Landgericht vorgenommenen Abstufung der Einzelstrafen in Schritten von wenigstens drei Monaten wird im Vergleich mit den übrigen Einzelstrafen deutlich, dass das Landgericht, hätte es die zutreffenden Verkürzungsbeträge erkannt, keine niedrigeren Einzelstrafen als die festgesetzten von zwei Jahren (Fall B 17) bzw. einem Jahr (Fall W 11) Freiheitsstrafe verhängt hätte.
119
V. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der aufgezeigte Wegfall einer Einzelstrafe beim Angeklagten W. und der weitere Wegfall von Einzelgeldstrafen von jeweils 60 bzw. 90 Tagessätzen in den von der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfassten Fällen bei den Angeklagten B. und W. auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte. Er schließt aus, dass das Landgericht angesichts des Tatbildes und der Größenordnung der Steuerverkürzung niedrigere als die ohnehin bereits milden Gesamtstrafen von sechs Jahren und drei Monaten (B. ) bzw. von fünf Jahren ( W. ) festgesetzt hätte. Die verbleibende Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe rechtfertigt bereits für sich die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 StR 483/97, NStZ 1998, 311). Überdies hat die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung ohne Rechtsfehler maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt, die das Gesamtgeschehen prägen (z.B. den Aufbau einer Unternehmensstruktur, deren Gestaltung nach dem Ziel einer dauerhaften systematischen Bereicherung durch Steuerhinterziehung ausgerichtet ist) und die nicht durch die genaue Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 263/12
vom
6. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Betruges in jeweils tateinheitlich begangenen fünfzehn vollendeten und 53.479 versuchten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer und „spiritus rector“ mit zwei weiteren nicht revidierenden Mit- angeklagten von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2009 die Kreditvermittlungsgesellschaft D. GmbH. Das Geschäftsmodell zielte darauf ab, unter dem Deckmantel einer seriösen Kreditvermittlung von den sich regelmäßig in einer finanziellen Notlage befindenden Kunden einen Auslagenersatzbetrag für Porto-, Telefon- und Auskunftskosten in Höhe von je 47,80 Euro (bzw. vor September 2006 bis 48 Euro) einzutreiben, indem den Kunden wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, dass der Gesellschaft bei der Kreditvermittlung er- forderliche Auslagen i.S.d. § 655d Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden seien.
4
Die Kunden wurden mit dem Versprechen geworben, ihnen könnten auf- grund eines „Sofortkredit-Vermittlungsvertrages“ Kredite vermittelt werden, oh- ne dass durch die Kreditanfrage Kosten entstünden. Tatsächlich wollten die Angeklagten allen Kunden, die den „Sofortkredit-Vermittlungsvertrag“ unterschrieben , einen bestimmten Betrag unter 48 Euro - ggf. zuzüglich Mahn- und Inkassokosten - für angeblich "erforderliche Auslagen" in Rechnung stellen (UA S. 13), obwohl bei der Kreditvermittlung Auslagen nur zu einem Bruchteil dieses Betrages entstanden, die letztlich pro Kunde 3,20 Euro nicht überschritten (UA S. 20). Obwohl dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. bekannt war, dass sie gesetzlich lediglich berechtigt waren, tatsächlich im Einzelfall entstandene erforderliche Auslagen, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsunkosten auf die Kunden umzulegen, wollten sie durch die Gestaltung des Rechnungstextes bei den Kunden die Fehlvorstellung hervorrufen, die Auslagen seien in der geltend gemachten Höhe entstanden und die Kunden seien auch zur Bezahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet (UA S. 19 f).
5
Dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. war aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvermittlungsgeschäft bekannt, dass wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage der angesprochenen Klientel nur in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Kreditvermittlung in Betracht kam. Ihnen ging es jedoch nicht darum, Kredite zu vermitteln. Vielmehr war das System von Anfang an darauf angelegt, unter dem Anschein einer seriösen Kreditvermittlung sich gezielt an den in der Regel nahezu mittellosen Kunden zu bereichern und diese dadurch zu schädigen. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass sich die wenigsten Kunden gegen den vergleichsweise geringen Rechnungsbetrag wehren würden. Allerdings gingen sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass nur etwa 40 Prozent den Rechnungsbetrag begleichen würden (UA S. 14).
6
Zwischen Januar 2006 und Dezember 2009 wurden auf die dargestellte Weise 140.000 Kunden falsche Rechnungen über Auslagenersatz gestellt, auf die - womit die Angeklagten rechneten - nur etwa 40 Prozent der Kunden bezahlten.
7
Aufgrund einer auf die Einvernahme von fünfzehn Kunden beschränkten Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass lediglich diese Kunden in der irrigen Annahme, der D. GmbH seien tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden, gezahlt hatten (UA S. 902). In den übrigen 53.479 Fällen über Rechnungsbeträge von insgesamt mehr als 2,8 Mio. Euro ging das Landgericht mangels festgestellter Irrtumserregung lediglich von versuchter Täuschung der Kunden aus. Unter Abzug von zehn Prozent höchstens tatsächlich erforderlicher Auslagen nahm es dabei eine erstrebte Bereicherung von etwa 2,5 Mio. Euro an (UA S. 903).
8
2. Das Landgericht ist wegen Vorliegens eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen allen Betrugstaten (§ 263 StGB) ausgegangen (UA S. 915). Hierbei hat es nur in 15 Fällen Vollendung und im Übrigen - entsprechend einem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung - lediglich versuchten Betrug angenommen. In den weiteren 53.479 Fällen habe es „nicht vollkommen ausschließen“ können, „dass Rech- nungsempfänger die Unrichtigkeit der Rechnungsstellung erkannten und aus- schließlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben“. Nach Auffassung des Landge- richts hätte eine umfassende Aufklärung die Vernehmung sämtlicher Kunden erfordert, um die Motivation bei der Überweisung des Rechnungsbetrages zu ergründen. Dies sei bei über 50.000 Kunden „aus prozessökonomischen Grün- den“ nicht möglich gewesen (UA S. 914).
9
3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die von der Revision des Angeklagten erhobenen formellen und materiellen Beanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Vorgehensweise des Landgerichts , nur fünfzehn Geschädigte zu vernehmen und im Übrigen hinsichtlich der weit überwiegenden Zahl der tateinheitlich begangenen Taten „aus verfahrensökonomischen Gründen“ lediglich Tatversuch anzunehmen (UA S. 914, 917). Das Landgericht sah sich ersichtlich nur auf diesem Wege in der Lage, die Hauptverhandlung, die bereits nahezu fünf Monate gedauert hatte, in angemessener Zeit zu beenden.
11
a) Die vom Landgericht mit dem Begriff der „Prozessökonomie“ be- schriebene Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege zu erhalten (vgl. dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121), besteht. Jedoch muss ein Tatgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die in der Strafprozessordnung dafür bereit gehaltenen Wege beschreiten. Ein solcher Weg ist etwa die Beschränkung des Verfahrensstoffes gemäß den §§ 154, 154a StPO, die allerdings die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft voraussetzen. Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - freilich im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit vollendeten Delikten - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung jedoch nicht vor.
12
b) Es trifft allerdings zu, dass in Fällen eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Anzahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeiten einer sinnvollen Verfahrensbeschränkung eingeschränkt sind. Denn dann sind keine Taten mit höheren Einzelschäden vorhanden, auf die das Verfahren sinnvoll beschränkt werden könnte.
13
Dies bedeutet aber nicht, dass es einem Gericht deshalb - um überhaupt in angemessener Zeit zu einem Verfahrensabschluss gelangen zu können - ohne weiteres erlaubt wäre, die Beweiserhebung über den Taterfolg zu unterlassen und lediglich wegen Versuches zu verurteilen. Vielmehr hat das Tatgericht die von der Anklage umfasste prozessuale Tat (§ 264 StPO) im Rahmen seiner gerichtlichen Kognitionspflicht nach den für die Beweisaufnahme geltenden Regeln der Strafprozessordnung (vgl. § 244 StPO) aufzuklären. Die richterliche Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet dabei, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
14
c) Für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums bei Betrug (§ 263 StGB) bedeutet dies:
15
aa) Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist, wird dabei - von einfach gelagerten Fällen (z.B. bei standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren ) abgesehen - in der Regel dessen Vernehmung erfordern (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314).
16
bb) Allerdings stößt die praktische Feststellung des Irrtums im Strafverfahren als Tatfrage nicht selten auf Schwierigkeiten. Diese können jedoch in vielen Fällen dadurch überwunden werden, dass das Tatgericht seine Überzeugung auf Indizien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9) wie das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Opfers an der Vermeidung einer Schädigung seines eigenen Vermögens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 87) stützen kann. In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es daher insgesamt ausreichen , nur einige Zeugen einzuvernehmen, wenn sich dabei das Ergebnis bestätigt findet. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof etwa die Vernehmung der 170.000 Empfänger einer falsch berechneten Straßenreinigungsgebührenrechnung für entbehrlich gehalten (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434; vgl. dazu auch Hebenstreit in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 47 Rn. 37).
17
cc) Ist die Beweisaufnahme auf eine Vielzahl Geschädigter zu erstrecken , besteht zudem die Möglichkeit, bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Leistenden die ihr Vermögen schädigende Verfügung vorgenommen haben. Das Ergebnis dieser Erhebung kann dann - etwa nach Maßgabe des § 251 StPO - in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hierauf kann dann auch die Überzeugung des Gerichts gestützt werden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die Leistenden eine Vermögensverfügung irrtumsbedingt vorgenommen haben.
18
Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Geschädigten bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbil- des kommt dabei die Ablehnung des Antrags auf die Vernehmung einer größeren Zahl von Geschädigten als Zeugen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434).
19
dd) Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation zur Leis- tung eines jeden Verfügenden die „Schätzung einer Irrtumsquote“ als Methode der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO ausscheiden. Hat ein Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügender, ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben, allein deshalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“, muss es nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu Gunsten des Täters ent- scheiden, sofern nicht aussagekräftige Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen, die die Zweifel wieder zerstreuen.
20
d) Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen Betrugstaten Vollendung gegeben oder nur Versuch eingetreten ist, in der Regel bestimmende Bedeutung.
21
Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen, dass es - insbesondere aus Sicht des Täters - vom bloßen Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitern konnte. Denn dann kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18 mwN). Eine solche Wertung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen Gründen (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) der Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich trotz eines entsprechenden Vorsatzes des Täters nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen des eröffneten Strafrahmens nicht von Bedeutung war.
22
e) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier ein normativ geprägter Irrtum vorliegen könnte, mit der Folge, dass die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht sachlich-rechtlich fehlerhaft gewesen sein könn- te. Denn jedenfalls ist der Angeklagte durch die vom Landgericht „aus prozessökonomischen Gründen“ gewählte Verfahrensweise nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich weiterer tateinheitlich begangener Taten statt von Versuch von Tatvollendung ausgegangen wäre.
Richter am BGH Dr. Wahl ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack Nack Jäger Cirener Radtke

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 275/12
vom
13. März 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 13. März 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2. Februar 2012 – auch soweit es die Mitangeklagte M. betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten A. wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, - den Angeklagten W. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und - den Angeklagten L. wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten (Fall II. 1). Im Übrigen hat es den Angeklagten L. freigesprochen.
2
Die Vollstreckung der (Gesamt-)Freiheitsstrafen der Angeklagten W. und L. hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
3
Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass - bei dem Angeklagten A. hinsichtlich eines Betrages von 75.000 € - bei dem Angeklagten W. hinsichtlich zweier Beträge von 2.116 € und 3.213,11 € die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen.
4
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

5
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 1 der Urteilsgründe fasste der frühere Mitangeklagte Ak. spätestens Anfang des Jahres 2009 den Entschluss, einen Kredit zu erschleichen. Hierbei sollte eine scheinbar werthaltige Immobilie durch einen Mittelsmann zunächst angekauft und sodann an den Darlehensnehmer zu einem weit überhöhten und dem Wert der Immobilie nicht entsprechenden Preis weiterveräußert werden. Unter Vorlage des letzten Kaufvertrages sollte die finanzierende Bank zur Auszahlung einer höheren Darlehensvaluta veranlasst werden, wobei der nicht zur Abdeckung des Erstkaufpreises benötigte überschüssige Darlehensanteil als verdeckte Rückzahlung („kick-back“) an Ak. genutzt werden sollte.
6
Der in das Vorhaben eingeweihte Angeklagte A. , der als Immobilienmakler tätig war, bot Ak. ein aufgrund hohen Sanierungsbedarfs schwer vermittelbares Zweifamilienhaus in D. zum Kauf an. Beide vereinbarten, dass der Angeklagte A. das Objekt für 120.000 € ankaufen und für 260.000 € an Ak. weiterverkaufen sollte. Der Angeklagte A. stellte den Kontakt zu dem Angeklagten L. her, der als Berater für Baufinanzierungen bei der Bank in Da. tätig war. Diesem leitete der Angeklagte A. gefälschte Gehaltsbelege von Ak. zu, die einen monatlichen Nettolohn von 1.900 € auswiesen, obwohl Ak. nur einer Beschäftigung auf 400 € - Basis nachging. Von der Unrichtigkeit der Lohnabrechnungen hatte der Angeklagte L. keine Kenntnis. Er erkannte jedoch, dass ihm ohne Verfälschungen der Bonität des Ak. und der Wertigkeit des Objekts eine Kreditgewährung nicht möglich sein würde. Er wollte das Darlehen gleichwohl gewähren , um die Zielvorgaben der Bank zu erreichen und eine Beteiligung am Filialund Mitarbeiterjahresbonus zu erhalten. Deshalb wies er die ihm von dem Angeklagten A. übersandten Fotos der Immobilie aufgrund des erkennbar starken Renovierungsbedarfs als unverwendbar zurück und erklärte dem Angeklagten A. zudem, er brauche einen Nachweis über eine Vermietung der leerstehenden Wohnung im Erdgeschoß. Daraufhin übersandte der Angeklagte A. dem Angeklagten L. Fotos einer neu renovierten anderen Wohnung aus seinem Maklerbestand sowie einen gefälschten Mietvertrag betreffend die Wohnung im Erdgeschoß. Der Angeklagte L. nahm beides zur Kreditakte und vermerkte wahrheitswidrig, in dem Objekt eine Innenbesichtigung durchgeführt zu haben. Auf der Grundlage dieser falschen wertbildenden Faktoren nahm der Angeklagte L. , der nach den internen Richtlinien der Bank keine Kreditkompetenz im Baufinanzierungsbereich hatte, eine Wertermittlung vor, ohne einen Bewerter mit Kreditkompetenz einzuschalten. Hierbei ermittelte er einen Sach- und Beleihungswert des Objekts von 153.825 €. Ferner fertigte er ein internes Analyseblatt an und stellte in die beabsichtigte Finanzierung ein Kontoguthaben von 19.000 € sowie Eigenmittel in Höhe von 15.870 € ein, obwohl er wusste, dass beides nicht vorhanden war. Der Kreditakte fügte er eine von Ak. blanko unterzeichnete Selbstauskunft bei und füllte diese entsprechend aus, um eine ausreichende Leistungsfähigkeit von Ak. darzustellen. Des Weiteren erstellte er einen Kreditentscheidungsbogen mit dem – jedem Bankmitarbeiter zugänglichen – technischen Kreditbearbeitungsprogramm der Bank, dem sog. Kreditmanager. Dort fügte er neben dem selbst ermittelten Objektwert und dem Einkommen nicht vorhandenes Eigenkapital von 15.900 € ein und erreichte eine Kreditrisikobewertung von knapp unter 50 Punkten. Wie von ihm beabsichtigt, ermöglichte eine solche Risikobewertung eine Kreditgewäh- rung durch einen Bankmitarbeiter und den Kreditmanager „als zweites Augenpaar“ , ohne einen Vorgesetzten hinzuzuziehen. Nachdem der Angeklagte L. auf diese Weise eine technische Freigabe erhalten hatte, ließ er den Darlehensvertrag über die Nettokreditsumme von 257.150 € ausfertigen (UA S. 14), obwohl er wusste, dass Ak. sich über den Kredit Bargeld verschaffen wollte und den Kredit, der nicht hinreichend gesichert war, nicht dauerhaft bedienen wollte.
7
Ak. unterzeichnete den Darlehensvertrag am 5. Juli 2009. Im Rah- men der Refinanzierung des Kreditengagements „Ak. “ lehnte der Kredit- manager nach einer Rekalibrierung Anfang Juli 2009 eine Kreditgewährung ab. Da zu diesem Zeitpunkt der Kreditvertrag bereits gezeichnet und an Ak. versandt war, erteilte der in einer höheren Abteilung der Bank tätige Zeuge T. eine weitere technische und kompetenzgerechte Genehmigung, ohne das Kreditengagement inhaltlich zu prüfen.
8
Wie beabsichtigt erhielt Ak. nach Auszahlung des Darlehens am 2. September 2009 einen Betrag von 58.000 € als „kick-back“-Zahlung, während dem Angeklagten A. nach Abzug des Ankaufpreises, der Vertragsnebenkosten und einer Provision von 10.000 € für einen Vermittler ein Betrag von ca. 62.000 € verblieb. Nachdem Ak. selbst keine Kreditzahlungen erbracht hatte, kündigte die Bank das Darlehen. Das in dem sich anschließenden Zwangsversteigerungsverfahren eingeholte Gutachten bezifferte den Marktwert der Immobilie zum 4. August 2011 mit 133.000 €.
9
Mit der Beurkundung der beiden Kaufverträge beauftragte der Angeklagte A. den Angeklagten W. , der über alle Umstände des Objektverkaufs informiert war und damit rechnete, dass Ak. auf diese Weise einen überhöhten Kredit erschleichen wollte, um den überschießenden Betrag für sich zu behalten. Die Beurkundung beider Kaufverträge erfolgte am 22. Juli 2009. Vereinbarungsgemäß erwarb der Angeklagte A. das Objekt zum Kaufpreis von 120.000 €, wobei der Kaufvertrag einen Passus enthielt, wonach der Angeklagte A. das Objekt „im Auftrag eines Dritten Akb. “ erwerbe. Wie beabsich- tigt, hatten die Verkäufer des Wohnhauses keine Kenntnis von dem Weiterverkauf an Ak. . Im Anschluss daran beurkundete der Angeklagte W. den Erwerb der Immobilie durch Ak. für 260.000 € sowie die Grundschuldbestellung in gleicher Höhe. Für die Beurkundung der Kaufverträge erhielt der Angeklagte W. Honorarzahlungen in Höhe von 1.529,32 € und 2.115,93 €.
10
b) Das Landgericht hat die Tat hinsichtlich des Angeklagten A. als Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) und hinsichtlich der Angeklagten L. und W. als Beihilfe hierzu (§§ 263 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) gewertet. Als Schaden hat es die Differenz zwischen der Nettokreditsumme von 257.150 € und dem im August 2011 ermittelten Marktwert von 133.000 € sowie einer Wertminderung des Objekts in der Zeit von Juli 2009 bis August 2011 von ca. 24.000 € angenommen und den Schadensbetrag auf 100.000 € geschätzt.
11
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 2 der Urteilsgründe brauchte die Schwägerin des Angeklagten A. , die Mitangeklagte M. , im Jahr 2009 Geld für einen Autokauf. Da sie nur ein befristetes Arbeitsverhältnis hatte und aufgrund bereits bestehender Kreditverpflichtungen keine weiteren Konsumentenkredite mehr aufnehmen konnte, schlug der Angeklagte A. ihr einen kreditfinanzierten Immobilienerwerb vor, um in den Genuss weiterer Finanzmittel zu gelangen. Er beabsichtigte die Durchführung eines Kreditgeschäfts wie im Fall II. 1 der Urteilsgründe, wobei es ihm gleichgültig war, dass er sich auf Kosten seiner Schwägerin bereicherte. Der Angeklagte A. suchte eine Wohnung in Da. -K. und avisierte dem Angeklagten L. ein weiteres Kreditgeschäft. Der Angeklagte L. ging davon aus, dass der Angeklagte A. aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu der Mitangeklagten M. hier keine Krediterschleichung begehen wollte. Ohne dessen Wissen fälschte der Angeklagte A. den Arbeitsvertrag der Mitangeklagten M. , indem er die Befristung löschte. Ferner wies er Eigenkapital der Mitangeklagten in Höhe von 45.000 € nach, das tatsächlich ihm gehörte. In diesem Fall übernahm der Zeuge N. , der als Sachbearbeiter für Baufinanzierung bei der Bank in Da. tätig war, die weitere Abwicklung des Kreditantrags. Auf Veranlassung des Zeugen N. , der die Befristung auf der vorgelegten Gehaltsbescheinigung bemerkt hatte, legte der Angeklagte A. eine von ihm gefälschte Erklärung des Arbeitgebers vor, wonach es sich um ein Versehen handele und das Arbeitsverhältnis unbefristet sei. Der Zeuge N. erstellte alternative Wertermittlungen, wobei er einmal einen nicht vorhandenen Carport in die Wertermittlung einstellte, das andere Mal beliebig überhöhte qm-Preise. Beide Wertermittlungen schlossen mit einem Beleihungswert von 106.500 €. Für die Bank unterzeichneten der Zeuge N. sowie ein weiterer Bankmitarbeiter den Darlehensvertrag. Die Mitangeklagte M. unterzeichnete den Darlehensvertrag am 11. September 2009. Das zur Krediterlangung erforderliche Eigenkapital von 30.700 € übergab der Angeklagte A. der Angeklagten M. .
12
Mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 2009 erwarb der Angeklagte A. die Wohnung für 50.000 €, nachdem sie zuvor erfolglos über mehr als zwei Jahre zu diesem Preis angeboten worden war. Anschließend verkaufte er sie für 116.000 € an die Mitangeklagte M. . Die notarielle Beurkundung der Kaufverträge und der Grundschuldbestellung in Höhe von 105.000 € nahm wiederum der Angeklagte W. vor, der über sämtliche Umstände der Kaufgeschäfte informiert war und damit rechnete, dass auch in diesem Fall eine Krediterschleichung erfolgte. In den Kaufvertrag nahm er einen Passus auf, wonach der Angeklagte A. die Kaufsache „im Auftrag eines Dritten“ kaufe, der die Immobilie erwerben wolle. Am 30. Dezember 2009 wurde die Nettodarlehenssumme von 103.008,75 € ausgezahlt. Dem Angeklagten A. verblieb ein beabsichtigter Gewinn von etwa 25.000 €. Der Angeklagte W. erhielt für die Beurkundung der Verträge Honorare in Höhe von 677,71 € und 1.006,15 €.
13
b) Das Landgericht hat die Tat hinsichtlich des Angeklagten A. als Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) und hinsichtlich des Angeklagten W. als Beihilfe hierzu (§§ 263 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) gewertet. Als Schaden hat es die Differenz zwischen der Nettokreditsumme von 103.008,75 € und dem geschätzten Wert der Immobilie zugrunde gelegt und den Schaden auf mindestens 50.000 € geschätzt.

II.

14
Die Revisionen der Angeklagten sind mit der Sachrüge begründet. Die Feststellungen tragen die Verurteilungen der Angeklagten wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug nicht.
15
1. a) Nach den bisherigen Feststellungen fehlt es im Fall II. 1 der Urteilsgründe an einer Betrugstat des Angeklagten A. . Dieser hat den Angeklagten L. weder über den Wert der zur Kreditsicherung bestellten Sicherheit in Form der Grundschuld noch über die Kreditwürdigkeit und -willigkeit von Ak. getäuscht, sondern mit dem Angeklagten L. kollusiv zusammengewirkt (UA S. 38). Der Angeklagte L. kannte den Sanierungsbedarf der Wohnung im Erdgeschoß, legte der Wertermittlung des Wohnobjekts bewusst falsche Lichtbilder einer anderen renovierten Wohnung zugrunde, nachdem er die ursprünglichen Lichtbilder der Wohnung als unverwertbar zurückgewiesen hatte, und vermerkte eine tatsächlich nicht durchgeführte Innenraumbesichtigung, um eine höhere Wertigkeit der Immobilie darstellen zu können. In gleicher Weise stellte er in die Wertermittlung des Anwesens einen gefälschten Mietvertrag für die Wohnung im Erdgeschoß ein, obwohl er wusste, dass ein solcher nicht bestand. Auch hinsichtlich der Bonität von Ak. unterlag der Angeklagte L. keinem betrugsrelevanten Irrtum. Zwar kannte er nicht die Unrichtigkeit der ihm von dem Angeklagten A. vorgelegten Lohnabrechnungen. Jedoch war dieser Irrtum nicht ursächlich für die Kreditgewährung, da der Angeklagte L. gleichwohl wusste, dass Ak. sich über den Kredit Bargeld verschaffen und diesen nicht dauerhaft bedienen wollte (UA S. 14). Darüber hinaus verfälschte er die Einkommensverhältnisse von Ak. selbst, indem er der Kreditentscheidung ein – wie er wusste – nicht vorhandenes Eigenkapital von rund 20.000 € zugrunde legte und die von Ak. blanko unterzeichnete Selbstauskunft eigenmächtig entsprechend ausfüllte. Für die Prüfung, ob auf Seiten der Bank ein für die Darlehensgewährung ursächlicher Irrtum vorliegt, kommt es allein auf das Vorstellungsbild des Angeklagten L. an, da dieser die Kreditgenehmigung neben dem Kreditmanager ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten veranlasste und eine weitere inhaltliche Prüfung des Kreditengagements (auch in der Folgezeit) nicht stattfand. Mangels rechtswidriger Betrugshaupttat des Angeklagten A. fehlt es auch an einer Beihilfestrafbarkeit der Angeklagten L. und W. .
16
b) Das kollusive Zusammenwirken der Angeklagten A. und L. begründet möglicherweise eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Mit der Kreditgewährung verstieß dieser nicht nur gegen interne Kreditvergaberichtlinien der Bank, sondern er stellte bewusst in die Wertermittlung des Wohnobjekts und die Prüfung der Bonität von Ak. falsche Tatsachen ein, um mit Hilfe des Kreditmanagers und ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten eine Kreditgewährung zu ermöglichen. Dies könnte eine Verletzung der ihm obliegenden Vermögensbetreuungspflicht darstellen, die zu einem Vermögensschaden zum Nachteil der Bank führte. Bei dem Angeklagten A. käme aufgrund des Sonderdeliktscharakters des Untreuetatbestandes und des Fehlens einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten A. trotz der Täterqualität seines Tatbeitrags nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue (§§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) in Betracht. Die Beteiligung des Angeklagten W. könnte rechtlich ebenfalls als Beihilfe zur Untreue zu qualifizieren sein.
17
Eine solche rechtliche Bewertung setzt allerdings voraus, dass die Strafkammer mit den Feststellungen, der Angeklagte L. habe eine Risikokreditbewertung von unter 50 Basispunkten erreicht, „die es ihm – gemäß seiner Absicht – ermöglichte, eine Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter und den Kreditmanager als „zweites Augenpaar“ und ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten zu erhalten“ (UA S. 14)gemeint hat, dass es sich bei der „Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter“ um die Genehmigung des Angeklagten L. selbst handelte. Diese Feststellungen des Landgerichts könnten jedoch auch dahingehend zu verstehen sein, dass es sich hierbei um die Genehmigung durch einen weiteren, ggf. von dem Angeklagten L. zu täuschenden Bankangestellten handelte, zu der die Einschaltung des Kreditmanagers hinzukam und die Zuziehung eines Vorgesetzten überflüssig machte. Für dieses Verständnis könnten insbesondere die Ausführungen des Landgerichts (UA S. 13) sprechen, wonach der Angeklagte L. „über keine Kreditkompe- tenz im Baufinanzierungsbereich“ verfügte. Aufgrund dieser Unklarheit der Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Beurteilung, ob die Schädigung der Bank durch eine Untreuehandlung und/oder ein betrügerisches Vorgehen des Angeklagten L. herbeigeführt wurde, nicht möglich.
18
Ungeachtet der unklaren Feststellungen steht einer Schuldspruchänderung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO bei allen drei Angeklagten § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Angeklagten – von denen die Angeklagten L. und W. jede Tatbeteiligung bestritten haben – sich bei Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätten. Bestand der strafrechtliche Vorwurf nach der rechtlichen Wertung des Landgerichts zunächst in der betrügerischen, auf Täuschung des Angeklagten L. angelegten Krediterschleichung durch den Angeklagten A. und der Teilnahme des Angeklagten L. hieran, läge der strafrechtliche Vorwurf nach zutreffender rechtlicher Würdigung der bisherigen – wenngleich letztlich unklaren – Feststellungen eher in der kollusiven Schädigung der Bank unter maßgeblicher Beteiligung des – bösgläubigen und seine Pflichtenstellung verletzenden – Bankmitarbeiters L. . Dies stellt eine völlig andere Tat dar, die eine andere Verteidigungslinie der Angeklagten L. und A. jedenfalls nicht ausschließen lässt. Entsprechendes gilt auch für den Angeklagten W. . Dieser nahm eine betrügerische, auf Täuschung der Bank ausgerichtete Krediterschleichung in seinen bedingten Vorsatz auf. Bei einem strafrechtlichen Vorwurf der Teilnahme an einer Untreuehandlung eines bösgläubigen Bankmitarbeiters kann der Senat nicht ausschließen , dass sich auch der Angeklagte W. anders verteidigt hätte.
19
Der Senat kann daher offen lassen, ob der Angeklagte W. , der zwar eine betrügerische Krediterlangung seitens Ak. billigend in Kauf nahm, jedoch keine Kenntnis von dem kollusiven Zusammenwirken der Angeklagten A. und L. hatte, nach den bisherigen Feststellungen den erforderlichen Vorsatz hinsichtlich einer Untreuetat des Angeklagten L. hatte. Zwar genügt es, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich hält und billigt, ohne Einzelheiten der Haupttat zu kennen (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 – 2 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177). Eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat ist jedoch nur unschädlich, sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt (BGH, aaO NStZ-RR 2011, 177, 178).
20
2. Auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung des Angeklagten A. wegen Betrugs. Hier lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht hinreichend klar erkennen, ob der Bankmitarbeiter N. tatsächlich über die Bonität der Mitangeklagten M. in für die Kreditgewährung kausaler Weise getäuscht wurde. Möglich erscheint es nach den Feststellungen auch, dass der Zeuge N. kollusiv mit dem Angeklagten A. zusammenwirkte und dies die Darlehensvergabe bewirkte oder dass es erst infolge des Zusammenkommens eines kollusiven Zusammenwirkens beider und eines von dem Angeklagten A. tateinheitlich begangenen Betrugs zu einer Auszahlung des Darlehens kam. Für ein kollusives Zusammenwirken beider sprechen die Feststellungen der Strafkammer, wonach der Zeuge N. beliebig den Quadratmeterpreis änderte bzw. einen nicht vorhandenen Carport hinzurechnete und seine Wertermittlungen ohne jeden Bezug zum Objekt und ohne dessen Besichtigung lediglich zur Darstellung des Beleihungswertes erfolgten (UA S. 60). Soweit das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte A. habe den Zeugen N. über die Bonität der Mitangeklagten M. getäuscht, indem er u.a. das Bestehen eines unbefristeten Arbeits- verhältnisses vorgespiegelt habe, setzt es sich nicht mit dem Umstand auseinander , dass die von dem Angeklagten L. zum Nachweis der fehlenden Befristung des Arbeitsverhältnisses vorgelegte gefälschte Bescheinigung der Fa. S. , die von einer „ R. “ unterzeichnet war, eine Vielzahl auffälliger Grammatik- und Rechtschreibfehler enthält. Das Landgericht hätte hier die naheliegende Frage erörtern müssen, ob die sich angesichts dieser Ausgestaltung der Bescheinigung aufdrängenden Bedenken an ihrer Echtheit ein Indiz für die Bösgläubigkeit des Zeugen N. darstellen. Soweit das Landgericht zudem feststellt, der Darlehensvertrag sei von dem Zeugen N. und einem weiteren Bankmitarbeiter unterzeichnet worden, trifft es keine Feststellungen zum Vorstellungsbild dieses weiteren Bankmitarbeiters. Der Senat ist daher an der abschließenden Prüfung gehindert, ob der Zeuge N. und/oder der weitere Bankmitarbeiter in betrugsrelevanter Weise getäuscht wurden und welche Täuschung bzw. Pflichtverletzung ursächlich für die Kreditgewährung durch die beiden Bankmitarbeiter waren. Dementsprechend hat auch die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Beihilfe zum Betrug keinen Bestand.
21
Gemäß § 357 StPO ist die Aufhebung des Urteils auch auf die nicht revidierende Angeklagte M. zu erstrecken, soweit sie im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt wurde. Der materiell-rechtliche Fehler, der der Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe zugrunde liegt, betrifft auch die Mitangeklagte M. .
22
3. Der Senat weist darauf hin, dass das Landgericht bei der Schadensbestimmung einen unzutreffenden Maßstab angewendet hat, indem es seiner Schätzung jeweils die Differenz zwischen der Darlehenssumme und dem Verkehrswert der Immobilien zugrunde gelegt hat. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der Darle- henshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12 mwN). Der neue Tatrichter wird daher für den Fall der erneuten Verurteilung der Angeklagten eine Bewertung des jeweiligen Rückzahlungsanspruchs vorzunehmen und insbesondere im Fall II. 2 der Urteilsgründe bei der Bonitätsprüfung der Mitangeklagten M. den Umstand zu würdigen haben, dass sie nach den bisherigen Feststellungen die Kreditraten zunächst beglichen und sich intensiv um die Rettung des Kreditverhältnisses bemüht hat, ihr dies jedoch u.a. infolge verfahrensgegenständlicher Kontenpfändungen letztlich nicht gelang (UA S. 27).
23
4. Ferner weist der Senat darauf hin, dass die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten W. rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung jedoch nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer „aus der Tat“ einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das „für die Tat“ Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 – 3 StR 84/10, StV 2011, 16 f.; BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229). Hier hat der Angeklagte W. die Honorarzahlungen als Gegenleistung für die rechtswidrige Beurkundung der Verträge erhalten, so dass es sich um Vorteile „für die Tat“ handelt(vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, zit. nach juris Rn. 9). Einer Verfallsanordnung im Rahmen der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung steht jedoch das Verschlechte- rungsverbot (§ 258 Abs. 2 StPO) entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229). Becker Fischer Appl Berger Krehl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 447/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 9. November
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Mai 2010 hinsichtlich der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben; die Feststellung entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betruges in sechs vollendeten und 16 versuchten Fällen sowie wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen hält die vom Landgericht nicht näher begründete Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO, deren Voraussetzungen auf die Sachrüge zu prüfen sind, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den hierzu vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte für 13 Gutachten, die er zur Durchführung der Betrugstaten zum Nachteil von Kraftfahrzeugversicherungen erstellt hat, jeweils 250 € sowie für die Anwerbung eines weiteren Tatbeteiligten 500 €, insgesamt also 3.750 €, erhalten (UA 16); die Zahlungen erfolgten unabhängig davon, ob die in Anspruch genommenen Versicherungen für die vorgetäuschten Unfallschäden aufkamen.
5
b) Diese Feststellungen tragen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO nicht.
6
Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. LK-Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; SSW-StGB/Burghart StGB § 73 Rn. 37).
7
"Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.).
8
Im vorliegenden Fall fand eine Beuteteilung zwischen dem Angeklagten und den übrigen Bandenmitgliedern nicht statt, vielmehr wurde der Angeklagte "für seine Tatbeiträge" unabhängig vom Eintritt des Taterfolges bezahlt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung. Damit hat auch die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
9
Der Senat hebt das Urteil daher insoweit auf und lässt die Anordnung entfallen, da eine Zurückverweisung zur Nachholung einer Verfallsanordnung nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09 Rn. 10).
10
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

5 StR 401/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. April 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. April 2009

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in den Aussprüchen über den Verfall von Wertersatz aufgehoben. Die Verfallsanordnungen entfallen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wie folgt verurteilt: den Angeklagten W. wegen Betrugs in 26 Fällen und wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung, den Angeklagten A. E. H. wegen Betrugs in vier Fällen und wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen sowie den Angeklagten M. E. H. wegen Betrugs in 22 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen. Daneben hat es gegen den Angeklagten W. bezüglich der von diesem aus betrügerischen Lastschriftgeschäften verdienten Vermittlungsprovisionen den Verfall von Wertersatz angeordnet, ebenso gegen die Angeklagten E. H. bezüglich der aus denselben Lastschriftgeschäften vereinnahmten Darlehenszinsen. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil führen nur zum Wegfall der Verfallsanordnungen. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung des Verfalls kann jeweils keinen Bestand haben (zur Anwendung alten Rechts: BGHR StPO § 111i Anwendungsbereich 1). Zwar war die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 73a Satz 1 StGB dem Grunde nach zulässig. Eine Verfallsanordnung scheidet jedoch gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aus, da den Verletzten aus den Taten Ansprüche erwachsen sind, deren Erfüllung den Angeklagten jeweils den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
3
Die Darlehensnehmer, die nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sonst über keine nennenswerten Bankguthaben verfügten, überwiesen den Angeklagten die vereinbarten Provisionen bzw. Darlehenszinsen erst, nachdem der jeweilige im Lastschriftverfahren betrügerisch eingezogene Geldbetrag ihrem Konto gutgeschrieben war. Die Provisionen bzw. Darlehenszinsen sind damit der Anteil der Angeklagten an der „Tatbeute“. Daraus folgt aber zugleich, dass der Verfallsanordnung die Ansprüche der Verletzten – hier der Banken der Darlehensnehmer – entgegenstehen (a. A. Hadamitzky /Richter NStZ 2005, 636, 637 und wistra 2005, 441, 445).
4
Ob – was nahe liegt – der Anwendungsbereich des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ohnehin schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auf das „für die Tat“ Erlangte zu erstrecken ist, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
5
Die Angeklagten haften den Banken als Mittäter (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) bzw. Gehilfen (§ 830 Abs. 2 BGB) zusammen mit den Darlehensnehmern und möglichen weiteren Tatbeteiligten als Gesamtschuldner, soweit den Banken infolge des Widerrufs der jeweligen Lastschriftaufträge ein Vermögensschaden verblieben ist. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass diese Schadensbeträge über den Verfallsbeträgen liegen. Daher hat, soweit die Serientaten tatmehrheitlich ausgeurteilt sind, auch eine Herausrechnung der Fälle, in denen den Banken kein endgültiger Schaden entstanden ist, jedenfalls in bei dieser Fallgestaltung zwingender Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zu unterbleiben.
6
Eine Kostenteilung nach § 473 Abs. 4 StPO erscheint dem Senat aus Billigkeitsgründen nicht veranlasst.
Basdorf Raum Brause Schneider Dölp

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 27. März 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Oktober 2011 aufgehoben, soweit gegen die Beschwerdeführerin der Verfall des Wertersatzes von mehr als 70.000 € angeordnet worden ist; die weitergehende Verfallsanordnung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Revisionsgebühr um ein Viertel ermäßigt und der Staatskasse ein Viertel der im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte S. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 96.391,21 € festgesetzt. Mit der Sachrüge beanstandet die Angeklagte allein die Verfallsanordnung. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen hatten sich die Mitangeklagten W. B. , Sch. -K. und H. B. zu einer Bande zusammengeschlossen , die Gemälde bekannter Künstler fälschte und als echt auf den Kunstmarkt brachte. Der dabei erzielte Erlös wurde unter den Bandenmitgliedern aufgeteilt. In einem Fall wirkte die Angeklagte S. - ohne in die Bande eingebunden gewesen zu sein und ohne dass ihr zuvor eine Beteiligung an dem Erlös zugesagt worden war - am Absatz eines gefälschten Bildes für 2.880.000 € mit. Aufgrund des unerwartet hohen Verkaufserlöses entschloss sich der Angeklagte B. , die Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeiten im Rahmen des Verkaufs mit 70.000 € zu entlohnen, die er ca. einen Monat später in bar auf ein von der Angeklagten S. in Andorra unterhaltenes Konto einzahlte.
3
Bereits bei zwei früheren Gelegenheiten hatte der Angeklagte B. 10.000 bzw. 30.000 € auf des Konto der Beschwerdeführerin in Andorra als Belohnung für deren Mitwirkung eingezahlt. Insoweit sah sich das Landgericht wegen Verfolgungsverjährung an einer Verurteilung der Angeklagten S. gehindert. Den nach Abzug von Gebühren auf dem gesperrten Konto noch vorhandenen Betrag in Höhe von 96.391,21 € hat die Angeklagte der Staatskasse überwiesen.
4
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen die Angeklagte S. hält nur in Höhe von 70.000 € rechtlicher Überprüfung stand.
5
Hinsichtlich der der Angeklagten zugeflossenen Beträge von 10.000 und 30.000 € kommt die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht in Betracht, da die zugrundeliegenden Taten verjährt sind (§ 78 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB).
6
Hingegen ist die Verfallsentscheidung hinsichtlich der auf das Konto der Beschwerdeführerin eingezahlten 70.000 € entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, NStZ-RR 2011, 283 und vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229 jew. mwN). "Aus der Tat erlangt" sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute; "für die Tat erlangt" sind hingegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, etwa ein Lohn für die Tatbegehung (BGH aaO). Im vorliegenden Fall fand nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen keine Beuteteilung zwischen der nicht der Bande angehörenden Angeklagten und den Bandenmitgliedern statt. Vielmehr wurde die Beschwerdeführerin für ihre Unterstützung aufgrund eines nach Beendigung der Tat gefassten Entschlusses des Angeklagten B. ca. einen Monat später durch eine Bareinzahlung auf ihr Auslandskonto entlohnt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung.
7
Der angeordnete Verfall ist daher gemäß § 354 Abs. 1 a StPO aufzuheben , soweit er 70.000 € übersteigt. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 73c Abs. 1 StGB kam ersichtlich nicht in Betracht.
8
3. Der teilweise Erfolg des zulässig auf die Verfallsanordnung beschränkten Rechtsmittels rechtfertigt eine entsprechende Gebührenermäßigung und eine teilweise Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Krehl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 447/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 9. November
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Mai 2010 hinsichtlich der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben; die Feststellung entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betruges in sechs vollendeten und 16 versuchten Fällen sowie wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen hält die vom Landgericht nicht näher begründete Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO, deren Voraussetzungen auf die Sachrüge zu prüfen sind, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den hierzu vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte für 13 Gutachten, die er zur Durchführung der Betrugstaten zum Nachteil von Kraftfahrzeugversicherungen erstellt hat, jeweils 250 € sowie für die Anwerbung eines weiteren Tatbeteiligten 500 €, insgesamt also 3.750 €, erhalten (UA 16); die Zahlungen erfolgten unabhängig davon, ob die in Anspruch genommenen Versicherungen für die vorgetäuschten Unfallschäden aufkamen.
5
b) Diese Feststellungen tragen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO nicht.
6
Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. LK-Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; SSW-StGB/Burghart StGB § 73 Rn. 37).
7
"Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.).
8
Im vorliegenden Fall fand eine Beuteteilung zwischen dem Angeklagten und den übrigen Bandenmitgliedern nicht statt, vielmehr wurde der Angeklagte "für seine Tatbeiträge" unabhängig vom Eintritt des Taterfolges bezahlt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung. Damit hat auch die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
9
Der Senat hebt das Urteil daher insoweit auf und lässt die Anordnung entfallen, da eine Zurückverweisung zur Nachholung einer Verfallsanordnung nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09 Rn. 10).
10
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 277/10
vom
19. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 19. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 21. Dezember 2009, soweit es ihn betrifft, aufgehoben, soweit der Verfall des Wertersatzes von mehr als 12.000 € angeordnet worden ist; die weiter gehende Verfallsanordnung entfällt. 2. Die Revision des Angeklagten B. und die weiter gehende Revision des Angeklagten K. werden verworfen. 3. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten B. eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und gegen den Angeklagten K. eine solche von sieben Jahren verhängt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz gegen den Angeklagten B. in Höhe von 12.000 € und gegen den Angeklagten K. in Höhe von 41.600 € angeordnet.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen den Angeklagten K. hält nur in Höhe von 12.000 € rechtlicher Überprüfung stand. Dieser Betrag stellt den Gesamterlös dar, den der Angeklagte K. aus den getätigten Drogengeschäften in den abgeurteilten Fällen erlangt hat.
4
Hinsichtlich des diesen Erlösanteil übersteigenden Betrages in Höhe von 29.600 €, der dem Angeklagten im Zusammenhang mit der Anmietung einer Sattelzugmaschine und eines Trailers sowie für Mautgebühren zugeflossen ist, liegen die Voraussetzungen einer Verfallsanordnung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a StGB nicht vor. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. "Aus der Tat erlangt" sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen, insbesondere also die Beute; "für die Tat erlangt" sind demgegenüber Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung - nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f.; Urteil vom 22. Oktober 2002 – 1 StR 169/02, NStZ-RR 2003, 10).
5
Nach den Feststellungen war es Bestandteil der Bandenabrede, dass der Angeklagte K. sein Gewerbe erweitert und für die Spedition eine Zugmaschine sowie einen Trailer anmietet, um diese bei sich bietender Gelegenheit im Interesse der Bande zum Transport von größeren Betäubungsmittelmengen zu verwenden. Die monatlichen Kosten für die Anmietung der Zugmaschine und des Trailers sowie die Mautgebühren sollten von den in den Niederlanden ansässigen Bandenmitgliedern getragen werden. Bei dieser Sachlage hat der Angeklagte K. den Geldbetrag, der ihm zur Deckung der Mietkosten und der Mautgebühren überlassen wurde, nicht für die Taten, sondern für deren Durchführung erlangt. Der festgestellte Sachverhalt ist mit der Geldübergabe an einen Drogenkurier zur Finanzierung der Kurierfahrt und der damit verbundenen Aufenthalte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. November 2006 – 5 StR 453/06; a. A. zu Reisespesen aber: BGH, Beschluss vom 20. Februar 1993 – 1 StR 808/92, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 4; Beschluss vom 23. Juli 2002 – 3 StR 240/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 3) nicht vergleichbar.
6
Auch eine Wertersatzeinziehung gemäß § 74c StGB ist für den Betrag in Höhe von 29.600 € nicht möglich. Die im Sinne der Bandenabrede bestimmungsgemäße Verwendung der Gelder für die Spedition kann nicht zugleich als Vereitelungshandlung gemäß § 74c StGB angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 1991 – 2 StR 387/91, BGHR StGB § 74c Abs. 1 Vereitelung 1).
7
Der angeordnete Verfall ist daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO aufzuheben, soweit er 12.000 € übersteigt.
8
2. Zu den erhobenen Befangenheitsrügen gemäß § 338 Nr. 3 StPO des Angeklagten B. bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. Juli 2010, dass ungeachtet der Unbegründetheit der Rügen das Ablehnungsrecht des Angeklagten ersichtlich rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden ist.
9
3. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten K. nach § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 169/02
vom
22. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2001, soweit es den Angeklagten S. betrifft, wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten S. wegen Betruges in acht Fällen, wegen bandenmäßigen Betruges in weiteren 42 Fällen sowie wegen Kapitalanlagebetruges in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten, wirksam beschränkten Revision allein gegen die Nichtanordnung des Verfalls von rund 3.975.490 DM. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Die Strafkammer hat zum Vorliegen der Voraussetzungen des Verfalls folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte gab am 1. September 1997 seine Stelle als Niederlassungsleiter einer Bank in Mannheim auf und wechselte zur Sch. /K. - Gruppe. Der Mitangeklagte Sch. eröffnete dem Angeklagten spätestens am 10. Februar 1998, daß die Firmengruppe im wesentlichen durch betrügerische Leasingfinanzierungen am Leben erhalten würde. Seit diesem Zeitpunkt
übernahm der Angeklagte eigenverantwortlich u.a. die Erläuterung der Bilanzen der Sch. /K. -Gruppe und der angeschlossenen Unternehmen gegenüber den Banken und Leasingfirmen. Dafür verlangte der Angeklagte für seine dauerhafte Mitwirkung an den Straftaten die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von rund 3,9 Millionen DM. Der Höhe dieses Betrages lag zugrunde, daß sich der Angeklagte für den Fall der Entdeckung Einkünfte sichern wollte, wie er sie aus seiner Tätigkeit bei der Bank bezogen hatte. Auf Veranlassung des Mitangeklagten wurde der Betrag in der Zeit vom 1. April 1998 bis 22. Oktober 1999 in insgesamt vier Tranchen auf das auf ein auf den Namen E. S. - der Mutter des Angeklagten - lautendes Konto bei einer Bank in Zürich überwiesen (UA S. 48, 76). Verfügungsberechtigter und wirtschaftlicher Inhaber des Kontos war der Angeklagte. Der Insolvenzverwalter der Sch. /K. -Gruppe hat bereits Schadensersatzansprüche verschiedener Finanzinstitute gegenüber dem Angeklagten angemeldet; dieser hat bereits auf die Herausgabe der Gelder verzichtet. 2. Mit ihrer Verfahrensbeschwerde nach § 244 Abs. 2 StPO macht die Beschwerdeführerin geltend, die Strafkammer habe es unterlassen, die Herkunft der Gelder aufzuklären. Sie habe insbesondere der Frage nachgehen müssen, "ob diese Gelder inkriminierten Ursprungs und aus den angeklagten Straftaten erlangt wurden". Ein Ersuchen an die Polizei mit dem Auftrag weiterer Aufklärung hätte ergeben, daß der Mitangeklagte Sch. dem Angeklagten S. die Gelder über Dritte zukommen ließ und diese aus legalen Geschäften der F. -Gruppe stammten und damit dem Verfall unterlägen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat, ist die Verfahrensbeschwerde in nicht zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es
unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines be- stimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt deshalb u.a. voraus, daß ein bestimmtes Beweismittel und ein bestimmtes zu erwartendes Beweisergebnis benannt werden (vgl. nur BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Für die Behauptung, bei den an den Angeklagten überwiesenen Geldern handele es sich um Zahlungen Dritter aus legalen Geschäften mit dem Mitangeklagten Sch. , fehlt es an der Angabe eines bestimmten Beweismittels, dessen Benutzung sich dem Gericht aufgrund bestimmter und belegter Tatsachen hätte aufdrängen müssen. Ein Ersuchen an die Polizei mit dem Auftrag, bestimmte Überprüfungen oder Ermittlungen erst vorzunehmen, ist kein Beweismittel in diesem Sinne. 3. Die Nichtanordnung des Verfalls des Auszahlungsanspruchs hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat die Kammer angenommen, daß der Verfallsanordnung § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen steht, weil der Vermögensvorteil aus der Tat erlangt wurde und Gegenansprüche der Verletzten bestehen. Dabei sind "aus der Tat" alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. BGH NJW 2001, 693 = NStZ 2001, 155 = StV 2001, 155), insbesondere also eine Beute. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn Vermögenswerte dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, die nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird. Teilen Mittäter die Beute unter sich, hat daher jeder seinen Anteil "aus der Tat" erlangt.
Nach der Würdigung der Kammer stammten die auf dem Konto bei dem Bankhaus B. eingezahlten Gelder in diesem Sinn "aus Taten" des Angeklagten. Allerdings führt die Kammer wiederholt aus, der Betrag von 3,9 Millionen DM sei dem Angeklagten von den anderen Tatbeteiligten "für seine Mitwirkung an den Straftaten" gewährt worden (UA S. 48, 76). Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, meint die Kammer mit dieser mißverständlichen Formulierung nicht, daß der Angeklagte Vermögensvorteile, die nicht aus den vom Angeklagten begangenen rechtswidrigen Taten selbst stammten, als Gegenleistung für seine Tatbeteiligung erhalten sollte. Vielmehr will sie auf diese Weise zum Ausdruck bringen, daß dem Angeklagten von den anderen Tatbeteiligten ein Anteil an der Beute aus den Taten, an denen er beteiligt war (UA S. 98), eingeräumt wurde (so ausdrücklich UA S. 67).
Auch die Beweiswürdigung, aufgrund derer die Kammer zu der Feststellung gelangt, die Gelder stammten aus den betrügerischen Geschäften der Sch. /K. -Gruppe, an denen der Angeklagte beteiligt war, ist tragfähig. Die Kammer stützt sich in diesem Zusammenhang darauf, daß die erste Zahlung erst sieben Wochen, nachdem der Angeklagte sich als Mittäter an den Betrugshandlungen beteiligt hatte, geleistet wurde (UA S. 76). Außerdem berücksichtigt sie, daß im Unternehmen des Angeklagten Sch. nur in einem geringen Umfang Gelder in den Verkehr gebracht wurden, die nicht in strafbarer Weise erlangt wurden. Im Hinblick auf die erheblichen Summen, die einerseits dem Angeklagten S. zuflossen und andererseits den geringen legal erworbenen Mitteln sowie im Hinblick darauf, daß konkrete Anhaltspunkte dafür
fehlten, daß die Gelder für den Angeklagten gerade aus solchen Geschäften herrührten, durfte die Kammer zugunsten des Angeklagten annehmen, daß die Gelder auf dem Schweizer Konto aus Taten stammten, an denen er beteiligt war.
Schäfer Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 27. März 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Oktober 2011 aufgehoben, soweit gegen die Beschwerdeführerin der Verfall des Wertersatzes von mehr als 70.000 € angeordnet worden ist; die weitergehende Verfallsanordnung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Revisionsgebühr um ein Viertel ermäßigt und der Staatskasse ein Viertel der im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte S. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 96.391,21 € festgesetzt. Mit der Sachrüge beanstandet die Angeklagte allein die Verfallsanordnung. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen hatten sich die Mitangeklagten W. B. , Sch. -K. und H. B. zu einer Bande zusammengeschlossen , die Gemälde bekannter Künstler fälschte und als echt auf den Kunstmarkt brachte. Der dabei erzielte Erlös wurde unter den Bandenmitgliedern aufgeteilt. In einem Fall wirkte die Angeklagte S. - ohne in die Bande eingebunden gewesen zu sein und ohne dass ihr zuvor eine Beteiligung an dem Erlös zugesagt worden war - am Absatz eines gefälschten Bildes für 2.880.000 € mit. Aufgrund des unerwartet hohen Verkaufserlöses entschloss sich der Angeklagte B. , die Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeiten im Rahmen des Verkaufs mit 70.000 € zu entlohnen, die er ca. einen Monat später in bar auf ein von der Angeklagten S. in Andorra unterhaltenes Konto einzahlte.
3
Bereits bei zwei früheren Gelegenheiten hatte der Angeklagte B. 10.000 bzw. 30.000 € auf des Konto der Beschwerdeführerin in Andorra als Belohnung für deren Mitwirkung eingezahlt. Insoweit sah sich das Landgericht wegen Verfolgungsverjährung an einer Verurteilung der Angeklagten S. gehindert. Den nach Abzug von Gebühren auf dem gesperrten Konto noch vorhandenen Betrag in Höhe von 96.391,21 € hat die Angeklagte der Staatskasse überwiesen.
4
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen die Angeklagte S. hält nur in Höhe von 70.000 € rechtlicher Überprüfung stand.
5
Hinsichtlich der der Angeklagten zugeflossenen Beträge von 10.000 und 30.000 € kommt die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht in Betracht, da die zugrundeliegenden Taten verjährt sind (§ 78 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB).
6
Hingegen ist die Verfallsentscheidung hinsichtlich der auf das Konto der Beschwerdeführerin eingezahlten 70.000 € entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, NStZ-RR 2011, 283 und vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229 jew. mwN). "Aus der Tat erlangt" sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute; "für die Tat erlangt" sind hingegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, etwa ein Lohn für die Tatbegehung (BGH aaO). Im vorliegenden Fall fand nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen keine Beuteteilung zwischen der nicht der Bande angehörenden Angeklagten und den Bandenmitgliedern statt. Vielmehr wurde die Beschwerdeführerin für ihre Unterstützung aufgrund eines nach Beendigung der Tat gefassten Entschlusses des Angeklagten B. ca. einen Monat später durch eine Bareinzahlung auf ihr Auslandskonto entlohnt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung.
7
Der angeordnete Verfall ist daher gemäß § 354 Abs. 1 a StPO aufzuheben , soweit er 70.000 € übersteigt. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 73c Abs. 1 StGB kam ersichtlich nicht in Betracht.
8
3. Der teilweise Erfolg des zulässig auf die Verfallsanordnung beschränkten Rechtsmittels rechtfertigt eine entsprechende Gebührenermäßigung und eine teilweise Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Krehl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 447/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 9. November
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Mai 2010 hinsichtlich der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben; die Feststellung entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betruges in sechs vollendeten und 16 versuchten Fällen sowie wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen hält die vom Landgericht nicht näher begründete Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO, deren Voraussetzungen auf die Sachrüge zu prüfen sind, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den hierzu vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte für 13 Gutachten, die er zur Durchführung der Betrugstaten zum Nachteil von Kraftfahrzeugversicherungen erstellt hat, jeweils 250 € sowie für die Anwerbung eines weiteren Tatbeteiligten 500 €, insgesamt also 3.750 €, erhalten (UA 16); die Zahlungen erfolgten unabhängig davon, ob die in Anspruch genommenen Versicherungen für die vorgetäuschten Unfallschäden aufkamen.
5
b) Diese Feststellungen tragen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO nicht.
6
Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. LK-Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; SSW-StGB/Burghart StGB § 73 Rn. 37).
7
"Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.).
8
Im vorliegenden Fall fand eine Beuteteilung zwischen dem Angeklagten und den übrigen Bandenmitgliedern nicht statt, vielmehr wurde der Angeklagte "für seine Tatbeiträge" unabhängig vom Eintritt des Taterfolges bezahlt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung. Damit hat auch die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
9
Der Senat hebt das Urteil daher insoweit auf und lässt die Anordnung entfallen, da eine Zurückverweisung zur Nachholung einer Verfallsanordnung nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09 Rn. 10).
10
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
22. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2002 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten Dr. K. gegen das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2001, soweit es ihn
betrifft, wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des
Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat den Angeklagten im „Tatkomplex A“ zu
Recht wegen der bis zum 31. März 1998 begangenen Betrugstaten
nach dem zur Tatzeit geltenden § 263 Abs. 3 StGB aF verurteilt
(§ 2 Abs. 1 StGB). Es durfte bezüglich dieser Taten nicht von
dem milderen Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB nF ausgehen.
Es hat im Rahmen des nach § 2 Abs. 3 StGB anzustellenden Gesamtvergleichs
mit Recht berücksichtigt, daß die nach dem
1. April 1998 begangenen Betrugstaten nach § 263 Abs. 5 StGB
nF zu bewerten waren, für die ein höherer Strafrahmen gilt.
Im „Tatkomplex B“ kann kein Zweifel daran bestehen, daß auch
die vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen zum Kapitalanlagebetrug
ins Versuchsstadium getreten waren, nachdem auf-
grund der Werbeaktivitäten seitens der FTT bis zum 4. Februar
2000 bereits 87 Investoren gegenüber den Banken Anleiheorders
über 399.500.000 Euro abgegeben hatten (§§ 264a Abs. 1; 263
Abs. 5 nF, 22, 25 Abs. 2, 52 StGB).
Schäfer Wahl Boetticher
Kolz Hebenstreit

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 27. März 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Oktober 2011 aufgehoben, soweit gegen die Beschwerdeführerin der Verfall des Wertersatzes von mehr als 70.000 € angeordnet worden ist; die weitergehende Verfallsanordnung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Revisionsgebühr um ein Viertel ermäßigt und der Staatskasse ein Viertel der im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte S. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 96.391,21 € festgesetzt. Mit der Sachrüge beanstandet die Angeklagte allein die Verfallsanordnung. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen hatten sich die Mitangeklagten W. B. , Sch. -K. und H. B. zu einer Bande zusammengeschlossen , die Gemälde bekannter Künstler fälschte und als echt auf den Kunstmarkt brachte. Der dabei erzielte Erlös wurde unter den Bandenmitgliedern aufgeteilt. In einem Fall wirkte die Angeklagte S. - ohne in die Bande eingebunden gewesen zu sein und ohne dass ihr zuvor eine Beteiligung an dem Erlös zugesagt worden war - am Absatz eines gefälschten Bildes für 2.880.000 € mit. Aufgrund des unerwartet hohen Verkaufserlöses entschloss sich der Angeklagte B. , die Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeiten im Rahmen des Verkaufs mit 70.000 € zu entlohnen, die er ca. einen Monat später in bar auf ein von der Angeklagten S. in Andorra unterhaltenes Konto einzahlte.
3
Bereits bei zwei früheren Gelegenheiten hatte der Angeklagte B. 10.000 bzw. 30.000 € auf des Konto der Beschwerdeführerin in Andorra als Belohnung für deren Mitwirkung eingezahlt. Insoweit sah sich das Landgericht wegen Verfolgungsverjährung an einer Verurteilung der Angeklagten S. gehindert. Den nach Abzug von Gebühren auf dem gesperrten Konto noch vorhandenen Betrag in Höhe von 96.391,21 € hat die Angeklagte der Staatskasse überwiesen.
4
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen die Angeklagte S. hält nur in Höhe von 70.000 € rechtlicher Überprüfung stand.
5
Hinsichtlich der der Angeklagten zugeflossenen Beträge von 10.000 und 30.000 € kommt die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht in Betracht, da die zugrundeliegenden Taten verjährt sind (§ 78 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB).
6
Hingegen ist die Verfallsentscheidung hinsichtlich der auf das Konto der Beschwerdeführerin eingezahlten 70.000 € entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, NStZ-RR 2011, 283 und vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229 jew. mwN). "Aus der Tat erlangt" sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute; "für die Tat erlangt" sind hingegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, etwa ein Lohn für die Tatbegehung (BGH aaO). Im vorliegenden Fall fand nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen keine Beuteteilung zwischen der nicht der Bande angehörenden Angeklagten und den Bandenmitgliedern statt. Vielmehr wurde die Beschwerdeführerin für ihre Unterstützung aufgrund eines nach Beendigung der Tat gefassten Entschlusses des Angeklagten B. ca. einen Monat später durch eine Bareinzahlung auf ihr Auslandskonto entlohnt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung.
7
Der angeordnete Verfall ist daher gemäß § 354 Abs. 1 a StPO aufzuheben , soweit er 70.000 € übersteigt. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 73c Abs. 1 StGB kam ersichtlich nicht in Betracht.
8
3. Der teilweise Erfolg des zulässig auf die Verfallsanordnung beschränkten Rechtsmittels rechtfertigt eine entsprechende Gebührenermäßigung und eine teilweise Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Krehl

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 447/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 9. November
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Mai 2010 hinsichtlich der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben; die Feststellung entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betruges in sechs vollendeten und 16 versuchten Fällen sowie wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen hält die vom Landgericht nicht näher begründete Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO, deren Voraussetzungen auf die Sachrüge zu prüfen sind, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den hierzu vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte für 13 Gutachten, die er zur Durchführung der Betrugstaten zum Nachteil von Kraftfahrzeugversicherungen erstellt hat, jeweils 250 € sowie für die Anwerbung eines weiteren Tatbeteiligten 500 €, insgesamt also 3.750 €, erhalten (UA 16); die Zahlungen erfolgten unabhängig davon, ob die in Anspruch genommenen Versicherungen für die vorgetäuschten Unfallschäden aufkamen.
5
b) Diese Feststellungen tragen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO nicht.
6
Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. LK-Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; SSW-StGB/Burghart StGB § 73 Rn. 37).
7
"Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beute. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.).
8
Im vorliegenden Fall fand eine Beuteteilung zwischen dem Angeklagten und den übrigen Bandenmitgliedern nicht statt, vielmehr wurde der Angeklagte "für seine Tatbeiträge" unabhängig vom Eintritt des Taterfolges bezahlt. Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwendung. Damit hat auch die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
9
Der Senat hebt das Urteil daher insoweit auf und lässt die Anordnung entfallen, da eine Zurückverweisung zur Nachholung einer Verfallsanordnung nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09 Rn. 10).
10
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 275/12
vom
13. März 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 13. März 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2. Februar 2012 – auch soweit es die Mitangeklagte M. betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten A. wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, - den Angeklagten W. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und - den Angeklagten L. wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten (Fall II. 1). Im Übrigen hat es den Angeklagten L. freigesprochen.
2
Die Vollstreckung der (Gesamt-)Freiheitsstrafen der Angeklagten W. und L. hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
3
Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass - bei dem Angeklagten A. hinsichtlich eines Betrages von 75.000 € - bei dem Angeklagten W. hinsichtlich zweier Beträge von 2.116 € und 3.213,11 € die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen.
4
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

5
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 1 der Urteilsgründe fasste der frühere Mitangeklagte Ak. spätestens Anfang des Jahres 2009 den Entschluss, einen Kredit zu erschleichen. Hierbei sollte eine scheinbar werthaltige Immobilie durch einen Mittelsmann zunächst angekauft und sodann an den Darlehensnehmer zu einem weit überhöhten und dem Wert der Immobilie nicht entsprechenden Preis weiterveräußert werden. Unter Vorlage des letzten Kaufvertrages sollte die finanzierende Bank zur Auszahlung einer höheren Darlehensvaluta veranlasst werden, wobei der nicht zur Abdeckung des Erstkaufpreises benötigte überschüssige Darlehensanteil als verdeckte Rückzahlung („kick-back“) an Ak. genutzt werden sollte.
6
Der in das Vorhaben eingeweihte Angeklagte A. , der als Immobilienmakler tätig war, bot Ak. ein aufgrund hohen Sanierungsbedarfs schwer vermittelbares Zweifamilienhaus in D. zum Kauf an. Beide vereinbarten, dass der Angeklagte A. das Objekt für 120.000 € ankaufen und für 260.000 € an Ak. weiterverkaufen sollte. Der Angeklagte A. stellte den Kontakt zu dem Angeklagten L. her, der als Berater für Baufinanzierungen bei der Bank in Da. tätig war. Diesem leitete der Angeklagte A. gefälschte Gehaltsbelege von Ak. zu, die einen monatlichen Nettolohn von 1.900 € auswiesen, obwohl Ak. nur einer Beschäftigung auf 400 € - Basis nachging. Von der Unrichtigkeit der Lohnabrechnungen hatte der Angeklagte L. keine Kenntnis. Er erkannte jedoch, dass ihm ohne Verfälschungen der Bonität des Ak. und der Wertigkeit des Objekts eine Kreditgewährung nicht möglich sein würde. Er wollte das Darlehen gleichwohl gewähren , um die Zielvorgaben der Bank zu erreichen und eine Beteiligung am Filialund Mitarbeiterjahresbonus zu erhalten. Deshalb wies er die ihm von dem Angeklagten A. übersandten Fotos der Immobilie aufgrund des erkennbar starken Renovierungsbedarfs als unverwendbar zurück und erklärte dem Angeklagten A. zudem, er brauche einen Nachweis über eine Vermietung der leerstehenden Wohnung im Erdgeschoß. Daraufhin übersandte der Angeklagte A. dem Angeklagten L. Fotos einer neu renovierten anderen Wohnung aus seinem Maklerbestand sowie einen gefälschten Mietvertrag betreffend die Wohnung im Erdgeschoß. Der Angeklagte L. nahm beides zur Kreditakte und vermerkte wahrheitswidrig, in dem Objekt eine Innenbesichtigung durchgeführt zu haben. Auf der Grundlage dieser falschen wertbildenden Faktoren nahm der Angeklagte L. , der nach den internen Richtlinien der Bank keine Kreditkompetenz im Baufinanzierungsbereich hatte, eine Wertermittlung vor, ohne einen Bewerter mit Kreditkompetenz einzuschalten. Hierbei ermittelte er einen Sach- und Beleihungswert des Objekts von 153.825 €. Ferner fertigte er ein internes Analyseblatt an und stellte in die beabsichtigte Finanzierung ein Kontoguthaben von 19.000 € sowie Eigenmittel in Höhe von 15.870 € ein, obwohl er wusste, dass beides nicht vorhanden war. Der Kreditakte fügte er eine von Ak. blanko unterzeichnete Selbstauskunft bei und füllte diese entsprechend aus, um eine ausreichende Leistungsfähigkeit von Ak. darzustellen. Des Weiteren erstellte er einen Kreditentscheidungsbogen mit dem – jedem Bankmitarbeiter zugänglichen – technischen Kreditbearbeitungsprogramm der Bank, dem sog. Kreditmanager. Dort fügte er neben dem selbst ermittelten Objektwert und dem Einkommen nicht vorhandenes Eigenkapital von 15.900 € ein und erreichte eine Kreditrisikobewertung von knapp unter 50 Punkten. Wie von ihm beabsichtigt, ermöglichte eine solche Risikobewertung eine Kreditgewäh- rung durch einen Bankmitarbeiter und den Kreditmanager „als zweites Augenpaar“ , ohne einen Vorgesetzten hinzuzuziehen. Nachdem der Angeklagte L. auf diese Weise eine technische Freigabe erhalten hatte, ließ er den Darlehensvertrag über die Nettokreditsumme von 257.150 € ausfertigen (UA S. 14), obwohl er wusste, dass Ak. sich über den Kredit Bargeld verschaffen wollte und den Kredit, der nicht hinreichend gesichert war, nicht dauerhaft bedienen wollte.
7
Ak. unterzeichnete den Darlehensvertrag am 5. Juli 2009. Im Rah- men der Refinanzierung des Kreditengagements „Ak. “ lehnte der Kredit- manager nach einer Rekalibrierung Anfang Juli 2009 eine Kreditgewährung ab. Da zu diesem Zeitpunkt der Kreditvertrag bereits gezeichnet und an Ak. versandt war, erteilte der in einer höheren Abteilung der Bank tätige Zeuge T. eine weitere technische und kompetenzgerechte Genehmigung, ohne das Kreditengagement inhaltlich zu prüfen.
8
Wie beabsichtigt erhielt Ak. nach Auszahlung des Darlehens am 2. September 2009 einen Betrag von 58.000 € als „kick-back“-Zahlung, während dem Angeklagten A. nach Abzug des Ankaufpreises, der Vertragsnebenkosten und einer Provision von 10.000 € für einen Vermittler ein Betrag von ca. 62.000 € verblieb. Nachdem Ak. selbst keine Kreditzahlungen erbracht hatte, kündigte die Bank das Darlehen. Das in dem sich anschließenden Zwangsversteigerungsverfahren eingeholte Gutachten bezifferte den Marktwert der Immobilie zum 4. August 2011 mit 133.000 €.
9
Mit der Beurkundung der beiden Kaufverträge beauftragte der Angeklagte A. den Angeklagten W. , der über alle Umstände des Objektverkaufs informiert war und damit rechnete, dass Ak. auf diese Weise einen überhöhten Kredit erschleichen wollte, um den überschießenden Betrag für sich zu behalten. Die Beurkundung beider Kaufverträge erfolgte am 22. Juli 2009. Vereinbarungsgemäß erwarb der Angeklagte A. das Objekt zum Kaufpreis von 120.000 €, wobei der Kaufvertrag einen Passus enthielt, wonach der Angeklagte A. das Objekt „im Auftrag eines Dritten Akb. “ erwerbe. Wie beabsich- tigt, hatten die Verkäufer des Wohnhauses keine Kenntnis von dem Weiterverkauf an Ak. . Im Anschluss daran beurkundete der Angeklagte W. den Erwerb der Immobilie durch Ak. für 260.000 € sowie die Grundschuldbestellung in gleicher Höhe. Für die Beurkundung der Kaufverträge erhielt der Angeklagte W. Honorarzahlungen in Höhe von 1.529,32 € und 2.115,93 €.
10
b) Das Landgericht hat die Tat hinsichtlich des Angeklagten A. als Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) und hinsichtlich der Angeklagten L. und W. als Beihilfe hierzu (§§ 263 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) gewertet. Als Schaden hat es die Differenz zwischen der Nettokreditsumme von 257.150 € und dem im August 2011 ermittelten Marktwert von 133.000 € sowie einer Wertminderung des Objekts in der Zeit von Juli 2009 bis August 2011 von ca. 24.000 € angenommen und den Schadensbetrag auf 100.000 € geschätzt.
11
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 2 der Urteilsgründe brauchte die Schwägerin des Angeklagten A. , die Mitangeklagte M. , im Jahr 2009 Geld für einen Autokauf. Da sie nur ein befristetes Arbeitsverhältnis hatte und aufgrund bereits bestehender Kreditverpflichtungen keine weiteren Konsumentenkredite mehr aufnehmen konnte, schlug der Angeklagte A. ihr einen kreditfinanzierten Immobilienerwerb vor, um in den Genuss weiterer Finanzmittel zu gelangen. Er beabsichtigte die Durchführung eines Kreditgeschäfts wie im Fall II. 1 der Urteilsgründe, wobei es ihm gleichgültig war, dass er sich auf Kosten seiner Schwägerin bereicherte. Der Angeklagte A. suchte eine Wohnung in Da. -K. und avisierte dem Angeklagten L. ein weiteres Kreditgeschäft. Der Angeklagte L. ging davon aus, dass der Angeklagte A. aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu der Mitangeklagten M. hier keine Krediterschleichung begehen wollte. Ohne dessen Wissen fälschte der Angeklagte A. den Arbeitsvertrag der Mitangeklagten M. , indem er die Befristung löschte. Ferner wies er Eigenkapital der Mitangeklagten in Höhe von 45.000 € nach, das tatsächlich ihm gehörte. In diesem Fall übernahm der Zeuge N. , der als Sachbearbeiter für Baufinanzierung bei der Bank in Da. tätig war, die weitere Abwicklung des Kreditantrags. Auf Veranlassung des Zeugen N. , der die Befristung auf der vorgelegten Gehaltsbescheinigung bemerkt hatte, legte der Angeklagte A. eine von ihm gefälschte Erklärung des Arbeitgebers vor, wonach es sich um ein Versehen handele und das Arbeitsverhältnis unbefristet sei. Der Zeuge N. erstellte alternative Wertermittlungen, wobei er einmal einen nicht vorhandenen Carport in die Wertermittlung einstellte, das andere Mal beliebig überhöhte qm-Preise. Beide Wertermittlungen schlossen mit einem Beleihungswert von 106.500 €. Für die Bank unterzeichneten der Zeuge N. sowie ein weiterer Bankmitarbeiter den Darlehensvertrag. Die Mitangeklagte M. unterzeichnete den Darlehensvertrag am 11. September 2009. Das zur Krediterlangung erforderliche Eigenkapital von 30.700 € übergab der Angeklagte A. der Angeklagten M. .
12
Mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 2009 erwarb der Angeklagte A. die Wohnung für 50.000 €, nachdem sie zuvor erfolglos über mehr als zwei Jahre zu diesem Preis angeboten worden war. Anschließend verkaufte er sie für 116.000 € an die Mitangeklagte M. . Die notarielle Beurkundung der Kaufverträge und der Grundschuldbestellung in Höhe von 105.000 € nahm wiederum der Angeklagte W. vor, der über sämtliche Umstände der Kaufgeschäfte informiert war und damit rechnete, dass auch in diesem Fall eine Krediterschleichung erfolgte. In den Kaufvertrag nahm er einen Passus auf, wonach der Angeklagte A. die Kaufsache „im Auftrag eines Dritten“ kaufe, der die Immobilie erwerben wolle. Am 30. Dezember 2009 wurde die Nettodarlehenssumme von 103.008,75 € ausgezahlt. Dem Angeklagten A. verblieb ein beabsichtigter Gewinn von etwa 25.000 €. Der Angeklagte W. erhielt für die Beurkundung der Verträge Honorare in Höhe von 677,71 € und 1.006,15 €.
13
b) Das Landgericht hat die Tat hinsichtlich des Angeklagten A. als Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) und hinsichtlich des Angeklagten W. als Beihilfe hierzu (§§ 263 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) gewertet. Als Schaden hat es die Differenz zwischen der Nettokreditsumme von 103.008,75 € und dem geschätzten Wert der Immobilie zugrunde gelegt und den Schaden auf mindestens 50.000 € geschätzt.

II.

14
Die Revisionen der Angeklagten sind mit der Sachrüge begründet. Die Feststellungen tragen die Verurteilungen der Angeklagten wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug nicht.
15
1. a) Nach den bisherigen Feststellungen fehlt es im Fall II. 1 der Urteilsgründe an einer Betrugstat des Angeklagten A. . Dieser hat den Angeklagten L. weder über den Wert der zur Kreditsicherung bestellten Sicherheit in Form der Grundschuld noch über die Kreditwürdigkeit und -willigkeit von Ak. getäuscht, sondern mit dem Angeklagten L. kollusiv zusammengewirkt (UA S. 38). Der Angeklagte L. kannte den Sanierungsbedarf der Wohnung im Erdgeschoß, legte der Wertermittlung des Wohnobjekts bewusst falsche Lichtbilder einer anderen renovierten Wohnung zugrunde, nachdem er die ursprünglichen Lichtbilder der Wohnung als unverwertbar zurückgewiesen hatte, und vermerkte eine tatsächlich nicht durchgeführte Innenraumbesichtigung, um eine höhere Wertigkeit der Immobilie darstellen zu können. In gleicher Weise stellte er in die Wertermittlung des Anwesens einen gefälschten Mietvertrag für die Wohnung im Erdgeschoß ein, obwohl er wusste, dass ein solcher nicht bestand. Auch hinsichtlich der Bonität von Ak. unterlag der Angeklagte L. keinem betrugsrelevanten Irrtum. Zwar kannte er nicht die Unrichtigkeit der ihm von dem Angeklagten A. vorgelegten Lohnabrechnungen. Jedoch war dieser Irrtum nicht ursächlich für die Kreditgewährung, da der Angeklagte L. gleichwohl wusste, dass Ak. sich über den Kredit Bargeld verschaffen und diesen nicht dauerhaft bedienen wollte (UA S. 14). Darüber hinaus verfälschte er die Einkommensverhältnisse von Ak. selbst, indem er der Kreditentscheidung ein – wie er wusste – nicht vorhandenes Eigenkapital von rund 20.000 € zugrunde legte und die von Ak. blanko unterzeichnete Selbstauskunft eigenmächtig entsprechend ausfüllte. Für die Prüfung, ob auf Seiten der Bank ein für die Darlehensgewährung ursächlicher Irrtum vorliegt, kommt es allein auf das Vorstellungsbild des Angeklagten L. an, da dieser die Kreditgenehmigung neben dem Kreditmanager ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten veranlasste und eine weitere inhaltliche Prüfung des Kreditengagements (auch in der Folgezeit) nicht stattfand. Mangels rechtswidriger Betrugshaupttat des Angeklagten A. fehlt es auch an einer Beihilfestrafbarkeit der Angeklagten L. und W. .
16
b) Das kollusive Zusammenwirken der Angeklagten A. und L. begründet möglicherweise eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Mit der Kreditgewährung verstieß dieser nicht nur gegen interne Kreditvergaberichtlinien der Bank, sondern er stellte bewusst in die Wertermittlung des Wohnobjekts und die Prüfung der Bonität von Ak. falsche Tatsachen ein, um mit Hilfe des Kreditmanagers und ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten eine Kreditgewährung zu ermöglichen. Dies könnte eine Verletzung der ihm obliegenden Vermögensbetreuungspflicht darstellen, die zu einem Vermögensschaden zum Nachteil der Bank führte. Bei dem Angeklagten A. käme aufgrund des Sonderdeliktscharakters des Untreuetatbestandes und des Fehlens einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten A. trotz der Täterqualität seines Tatbeitrags nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue (§§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) in Betracht. Die Beteiligung des Angeklagten W. könnte rechtlich ebenfalls als Beihilfe zur Untreue zu qualifizieren sein.
17
Eine solche rechtliche Bewertung setzt allerdings voraus, dass die Strafkammer mit den Feststellungen, der Angeklagte L. habe eine Risikokreditbewertung von unter 50 Basispunkten erreicht, „die es ihm – gemäß seiner Absicht – ermöglichte, eine Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter und den Kreditmanager als „zweites Augenpaar“ und ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten zu erhalten“ (UA S. 14)gemeint hat, dass es sich bei der „Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter“ um die Genehmigung des Angeklagten L. selbst handelte. Diese Feststellungen des Landgerichts könnten jedoch auch dahingehend zu verstehen sein, dass es sich hierbei um die Genehmigung durch einen weiteren, ggf. von dem Angeklagten L. zu täuschenden Bankangestellten handelte, zu der die Einschaltung des Kreditmanagers hinzukam und die Zuziehung eines Vorgesetzten überflüssig machte. Für dieses Verständnis könnten insbesondere die Ausführungen des Landgerichts (UA S. 13) sprechen, wonach der Angeklagte L. „über keine Kreditkompe- tenz im Baufinanzierungsbereich“ verfügte. Aufgrund dieser Unklarheit der Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Beurteilung, ob die Schädigung der Bank durch eine Untreuehandlung und/oder ein betrügerisches Vorgehen des Angeklagten L. herbeigeführt wurde, nicht möglich.
18
Ungeachtet der unklaren Feststellungen steht einer Schuldspruchänderung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO bei allen drei Angeklagten § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Angeklagten – von denen die Angeklagten L. und W. jede Tatbeteiligung bestritten haben – sich bei Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätten. Bestand der strafrechtliche Vorwurf nach der rechtlichen Wertung des Landgerichts zunächst in der betrügerischen, auf Täuschung des Angeklagten L. angelegten Krediterschleichung durch den Angeklagten A. und der Teilnahme des Angeklagten L. hieran, läge der strafrechtliche Vorwurf nach zutreffender rechtlicher Würdigung der bisherigen – wenngleich letztlich unklaren – Feststellungen eher in der kollusiven Schädigung der Bank unter maßgeblicher Beteiligung des – bösgläubigen und seine Pflichtenstellung verletzenden – Bankmitarbeiters L. . Dies stellt eine völlig andere Tat dar, die eine andere Verteidigungslinie der Angeklagten L. und A. jedenfalls nicht ausschließen lässt. Entsprechendes gilt auch für den Angeklagten W. . Dieser nahm eine betrügerische, auf Täuschung der Bank ausgerichtete Krediterschleichung in seinen bedingten Vorsatz auf. Bei einem strafrechtlichen Vorwurf der Teilnahme an einer Untreuehandlung eines bösgläubigen Bankmitarbeiters kann der Senat nicht ausschließen , dass sich auch der Angeklagte W. anders verteidigt hätte.
19
Der Senat kann daher offen lassen, ob der Angeklagte W. , der zwar eine betrügerische Krediterlangung seitens Ak. billigend in Kauf nahm, jedoch keine Kenntnis von dem kollusiven Zusammenwirken der Angeklagten A. und L. hatte, nach den bisherigen Feststellungen den erforderlichen Vorsatz hinsichtlich einer Untreuetat des Angeklagten L. hatte. Zwar genügt es, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich hält und billigt, ohne Einzelheiten der Haupttat zu kennen (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 – 2 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177). Eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat ist jedoch nur unschädlich, sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt (BGH, aaO NStZ-RR 2011, 177, 178).
20
2. Auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung des Angeklagten A. wegen Betrugs. Hier lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht hinreichend klar erkennen, ob der Bankmitarbeiter N. tatsächlich über die Bonität der Mitangeklagten M. in für die Kreditgewährung kausaler Weise getäuscht wurde. Möglich erscheint es nach den Feststellungen auch, dass der Zeuge N. kollusiv mit dem Angeklagten A. zusammenwirkte und dies die Darlehensvergabe bewirkte oder dass es erst infolge des Zusammenkommens eines kollusiven Zusammenwirkens beider und eines von dem Angeklagten A. tateinheitlich begangenen Betrugs zu einer Auszahlung des Darlehens kam. Für ein kollusives Zusammenwirken beider sprechen die Feststellungen der Strafkammer, wonach der Zeuge N. beliebig den Quadratmeterpreis änderte bzw. einen nicht vorhandenen Carport hinzurechnete und seine Wertermittlungen ohne jeden Bezug zum Objekt und ohne dessen Besichtigung lediglich zur Darstellung des Beleihungswertes erfolgten (UA S. 60). Soweit das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte A. habe den Zeugen N. über die Bonität der Mitangeklagten M. getäuscht, indem er u.a. das Bestehen eines unbefristeten Arbeits- verhältnisses vorgespiegelt habe, setzt es sich nicht mit dem Umstand auseinander , dass die von dem Angeklagten L. zum Nachweis der fehlenden Befristung des Arbeitsverhältnisses vorgelegte gefälschte Bescheinigung der Fa. S. , die von einer „ R. “ unterzeichnet war, eine Vielzahl auffälliger Grammatik- und Rechtschreibfehler enthält. Das Landgericht hätte hier die naheliegende Frage erörtern müssen, ob die sich angesichts dieser Ausgestaltung der Bescheinigung aufdrängenden Bedenken an ihrer Echtheit ein Indiz für die Bösgläubigkeit des Zeugen N. darstellen. Soweit das Landgericht zudem feststellt, der Darlehensvertrag sei von dem Zeugen N. und einem weiteren Bankmitarbeiter unterzeichnet worden, trifft es keine Feststellungen zum Vorstellungsbild dieses weiteren Bankmitarbeiters. Der Senat ist daher an der abschließenden Prüfung gehindert, ob der Zeuge N. und/oder der weitere Bankmitarbeiter in betrugsrelevanter Weise getäuscht wurden und welche Täuschung bzw. Pflichtverletzung ursächlich für die Kreditgewährung durch die beiden Bankmitarbeiter waren. Dementsprechend hat auch die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Beihilfe zum Betrug keinen Bestand.
21
Gemäß § 357 StPO ist die Aufhebung des Urteils auch auf die nicht revidierende Angeklagte M. zu erstrecken, soweit sie im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt wurde. Der materiell-rechtliche Fehler, der der Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe zugrunde liegt, betrifft auch die Mitangeklagte M. .
22
3. Der Senat weist darauf hin, dass das Landgericht bei der Schadensbestimmung einen unzutreffenden Maßstab angewendet hat, indem es seiner Schätzung jeweils die Differenz zwischen der Darlehenssumme und dem Verkehrswert der Immobilien zugrunde gelegt hat. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der Darle- henshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12 mwN). Der neue Tatrichter wird daher für den Fall der erneuten Verurteilung der Angeklagten eine Bewertung des jeweiligen Rückzahlungsanspruchs vorzunehmen und insbesondere im Fall II. 2 der Urteilsgründe bei der Bonitätsprüfung der Mitangeklagten M. den Umstand zu würdigen haben, dass sie nach den bisherigen Feststellungen die Kreditraten zunächst beglichen und sich intensiv um die Rettung des Kreditverhältnisses bemüht hat, ihr dies jedoch u.a. infolge verfahrensgegenständlicher Kontenpfändungen letztlich nicht gelang (UA S. 27).
23
4. Ferner weist der Senat darauf hin, dass die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten W. rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung jedoch nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer „aus der Tat“ einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das „für die Tat“ Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 – 3 StR 84/10, StV 2011, 16 f.; BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229). Hier hat der Angeklagte W. die Honorarzahlungen als Gegenleistung für die rechtswidrige Beurkundung der Verträge erhalten, so dass es sich um Vorteile „für die Tat“ handelt(vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, zit. nach juris Rn. 9). Einer Verfallsanordnung im Rahmen der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung steht jedoch das Verschlechte- rungsverbot (§ 258 Abs. 2 StPO) entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229). Becker Fischer Appl Berger Krehl

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

5 StR 14/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 2010 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Verfallsbetrag (§ 111i Abs. 2 StPO) gegen den Angeklagten T. 74.175 € beträgt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass gegen ihn lediglich deshalb nicht auf Verfall in Höhe von 102.157,22 € erkannt wird, weil Ansprüche der Geschädigten V. U. N. GmbH insoweit entgegenstehen. Gegen den Verfallsausspruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung nicht vertreten worden ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, führt vielmehr zu einer Reduzierung des Verfallsbetrags nach § 301 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Mitangeklagte S. bei der Geschädigten, die Wertstoffe aufkauft, als Wiegemeister beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählte, eigenverantwortlich Wiegescheine auszustellen, welche die Grundlage für die Vergütung der angelieferten Wertstoffe bildeten. Der Angeklagte und sein mitangeklagter Bruder rechneten für ihre Unternehmen in erheblichem Umfang Wertstoffe gegenüber der Geschädigten ab. Entsprechend ihrem zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan lagen diesen Abrechnungen planmäßig nie erfolgte Wertstofflieferungen zugrunde, für die der Mitangeklagte S. falsche Wiegescheine ausstellte. Zwischen den Angeklagten war ferner verabredet, dass der Angeklagte T. von den für sein Unternehmen erhaltenen Geldern die anfallende Umsatzsteuer sowie 30 % pauschal für sonstige Aufwendungen, namentlich Steuern, abziehen durfte und der verbleibende Rest zwischen ihm und den Mitangeklagten zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. Dementsprechend leitete der Angeklagte diese Gelder an die Mitangeklagten weiter.
3
Insgesamt behielt der Angeklagte T. den Betrag von 102.157,22 € für sich ein, den das Landgericht auch seiner Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO zugrunde gelegt hat. Die ausgekehrten Beträge – gegen die Mitangeklagten wurden über die ihnen zugeflossenen Gelder entsprechende Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen – hat es nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB außer Betracht gelassen, zumal der Angeklagte nur kurzfristig und transitorisch auf seinem Girokonto den vollen Betrag erlangt habe.

II.


4
Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die mit Verfahrensrügen und der Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts geführt wird, bleibt – abgesehen von der gebotenen Korrektur nach § 301 StPO – ohne Erfolg.

5
1. Die beiden von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die eher fernstehende Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) kann dahinstehen. Letztlich geht es der Staatsanwaltschaft gar nicht entscheidend um eine etwa unzureichende Ausschöpfung in die Hauptverhandlung eingeführter Erkenntnisse über die Vermögensverhältnisse des Angeklagten im Urteil (§ 261 StPO) oder um deren unzulängliche Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern um die Frage der Erheblichkeit solcher Erkenntnisse für die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, welche die Staatsanwaltschaft abweichend vom Landgericht beurteilt, das ersichtlich deshalb nähere Erörterungen hierzu im Urteil und auch weitere Aufklärung unterlassen hat. Diese Erheblichkeitsfrage erfährt aber hinreichende Klärung im Rahmen der erhobenen Sachrüge, die ihrerseits erfolglos bleibt.
6
2. Die Revision zeigt hinsichtlich der nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB getroffenen Ermessensentscheidung, die an die Mitangeklagten abgeführten Beuteanteile von dem nach § 111i Abs. 2 StPO festzulegenden Betrag in Abzug zu bringen, keinen Rechtsfehler auf.
7
a) Allerdings scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB regelmäßig dann aus, wenn der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem verfallbaren Betrag zurückbleibt (BGH, Urteile vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234, 235; vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 42).
8
Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt. Steht zweifelsfrei fest, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde, ist eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen (BGH aaO, NStZ-RR 2009, 234, 235; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105). Ein umfassender Ausschluss wä- re im Übrigen auch mit dem Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht vereinbar, der gerade nicht auf den Wert des Vermögens, sondern auf den Wert des Erlangten in dem Vermögen abstellt (BGHSt aaO). Dass hierdurch die Maßnahme des Wertersatzverfalls in ihrer präventiven Wirkung geschwächt sein könnte (so BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, Rn. 23 f., BGHSt 51, 65), ist nicht ersichtlich; gegebenenfalls hätte dies der Gesetzgeber hier wie auch bei anderen Billigkeitsklauseln bewusst in Kauf genommen. Zudem erfordert die Feststellung dieser Ausnahmetatbestände – wie der vorliegende Fall zeigt – regelmäßig keine überbordenden Finanzermittlungen.
9
Das vorhandene Restvermögen des Angeklagten steht hier ersichtlich in keinem Zusammenhang mit den der gerichtlichen Würdigung unterstellten Straftaten. Der Angeklagte T. hat Teile der vereinnahmten Gelder unverzüglich an die Mitangeklagten weitergeleitet. Auch dass er in gleichartige oder andere Straftaten verwickelt gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich ; er ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Damit war dem Landgericht hinsichtlich des Restbetrags eine Ermessensentscheidung eröffnet. Deren Ergebnis ist zudem in Fällen des § 111i Abs. 2 StPO schon aus Gründen der Ressourcenschonung vom Revisionsgericht bis zur äußersten Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen (vgl. hierzu auch Nack in KK-StPO, 6. Aufl., § 111i Rn. 3, 17). Diese ist hier ersichtlich nicht überschritten.
10
b) Die Anordnung ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil eine gesamtschuldnerische Haftung – bezogen auf die gesamte vom Angeklagten T. vereinnahmten Summe – hätte angeordnet werden müssen. Der Senat kann dabei offen lassen, ob bei Verfallsanordnungen oder Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO eine gesamtschuldnerische Haftung ohne die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung überhaupt in Betracht kommen kann (vgl. Spillecke NStZ 2010, 569). Denn im vorliegenden Fall liegen ihre Voraussetzungen, soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine solche bislang zugelassen hat, nicht vor. Danach kommt eine gesamtschuldnerische Haftung dann in Betracht, wenn die Täter zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam Mitverfügungsmacht über den gesamten Betrag hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, Rn. 21 ff., BGHSt 56, 39; Beschluss vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 372/10, Rn. 3, wistra 2011, 113). Dieses Erfordernis war zu keinem Zeitpunkt eingetreten, weil der Angeklagte T. die Beuteanteile an seine Mittäter weitergeleitet hatte.
11
Im vorliegenden Verfahren kommt eine weitere Besonderheit hinzu. Die Staatsanwaltschaft hat die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO gegen die Mitangeklagten rechtskräftig werden lassen, ohne dass dort eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet gewesen wäre. Würde nunmehr gegen den Angeklagten allein eine gesamtschuldnerische Haftung für den vollen Betrag ausgesprochen, so wäre nicht gewährleistet, dass er auf dieser Grundlage gegen die Mitangeklagten Regress nehmen könnte. Umgekehrt könnte auch eine Erstreckung auf die übrigen Mitangeklagten nach § 357 StPO nicht erfolgen, weil eine solche Erstreckung für sie auch nachteilig wäre , da sie dann über ihren (bislang als Verfallsbetrag ausgeurteilten) Beuteanteil hinaus haften müssten.
12
c) Die Ermessensbetätigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Es durfte dabei die Weggabe der Beuteanteile an die Mittäter des Angeklagten in Abzug bringen. Die Erwägung, dass er die Beute in Form von Giralgeld nur kurzfristig und transitorisch erlangt habe, ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2008 – 5 StR 365/07, Rn. 7 ff., NStZ 2008, 565 und vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 242/09, StV 2010, 128). Bei der Berechnung des Verfallsbetrages hat das Landgericht in der Summe sämtlicher Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO den gesamten Betrag abgeschöpft. Der Senat schließt daher aus, dass es im Rahmen seiner Entscheidung grundlegende Prinzipien des Rechts des Verfalls verkannt haben könnte.
13
3. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft, die nach § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten wirkt, insoweit teilweise zur Urteilskorrektur. Der nach § 111i Abs. 2 StPO festgesetzte Betrag ist aus zwei Gründen zu hoch angesetzt. Der Senat reduziert diesen Betrag (gerundet) um 27.981 € auf 74.175 €.
14
a) Das Landgericht hätte die Gutschrift vom 31. Dezember 2006 in Höhe von (dem Angeklagten T. zugerechneten) 1.556 € nicht in Ansatz bringen dürfen. Die Regelung des § 111i StPO gilt nämlich erst für Taten, die nach dem 1. Januar 2007 beendet wurden (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56). Für frühere Taten – wie hier diejenige nach II.2. Fall 1 der Urteilsgründe – hat es mit dem Aus- schluss des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein Bewenden.
15
b) Das Landgericht hat zudem nicht bedacht, dass in den Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen war. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer auch tatsächlich abgeführt wurde. Im Übrigen würde der Angeklagte als Empfänger von einer von ihm veranlassten Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis umsatzsteuerlich haften (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Entsprechende steuerliche Belastungen müssen im Rahmen des Verfalls berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 21. März 2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260; Beschluss vom 18. Februar 2004 – 1StR 296/03, StV 2005, 22). Für Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO gilt nichts anderes, zumal die Umsatzsteuer für das geschädigte Unternehmen regelmäßig ein durchlaufender Posten sein wird. Dies bedeutet, dass von dem – unter Abzug von a) – ermittelten Rechnungsgesamtbetrag in Hö- he von 165.504 € als Umsatzsteueranteil 19/119 in den Ansatz zu bringen und mithin 26.425 € herauszurechnen sind.
16
c)Weitere Abzüge wegen möglicher anderer Steuern (Körperschaftbzw. Einkommensteuer) sind dagegen nicht veranlasst. Weder ist ersichtlich, dass entsprechende Steuern gezahlt wurden noch dass etwaige steuerliche Veranlagungen bestandskräftig abgeschlossen sind.
17
4. Eine Erstreckung der Korrektur der Verfallsentscheidung auf den Mitangeklagten U. T. (§ 357 StPO) muss dagegen unterbleiben, weil der (zwar identische) Rechtsfehler unterschiedliche Taten betrifft (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 357 Rn. 13).
Basdorf Raum Schaal König Bellay
5 StR 365/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. September 2006, soweit es ihn betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. K. und die Revisionen der Angeklagten T. , E. und Vaske werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, hinsichtlich des Angeklagten T. mit der Maßgabe, dass er des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die Angeklagten T. , E. und V. haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision des Angeklagten M. K. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt; zudem hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1,8 Mio. Euro angeordnet. Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens (ausweislich der Urteilsgründe: in nicht geringer Menge) in zwei Fällen, davon in einem Fall bandenmäßig handelnd , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz von 100.000 Euro angeordnet. Gegen die Angeklagten E. und V. hat es jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Freiheitsstrafen von sechs Jahren (E. ) sowie sechs Jahren und sechs Monaten (V. ) verhängt.
2
Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. K. hat hinsichtlich des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz einen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten M. K. in Höhe von 1,8 Mio. Euro kann keinen Bestand haben.
4
a) Allerdings beschwert es den Angeklagten M. K. nicht, dass das Landgericht bei der Bestimmung des aus den Taten Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unzutreffende Maßstäbe angelegt hat. Den Urteilsfeststellungen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Wert des Erlangten den vom Landgericht angenommenen Betrag von 1,8 Mio. Euro erheblich überschritten hat.
5
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Taten aus der Karibik nach London ver- brachten Kokainmengen vom Angeklagten M. K. zusammen mit den Nichtrevidenten G. und B. in London verkauft (UA S. 17, 22, 23, 26). Anschließend wurden die in britischen Pfund erzielten Verkaufserlöse in DM, bei den späteren Taten in Euro getauscht und dann an die Tatteilnehmer entsprechend ihrem Anteil ausgezahlt (UA S. 17). Die Größe der Anteile bestimmte sich danach, wie viele Kokainpäckchen die einzelnen Beteiligten im Rahmen der arbeitsteilig durchgeführten Transporte auf eigene Rechnung nach London befördern ließen (UA S. 16). Das Landgericht hat den Verkaufserlös pro verkauftem Kilogramm Kokain mit 20.000 britischen Pfund geschätzt (§ 73b StGB). Es hat einen Umrechnungskurs zur Tatzeit pro britisches Pfund von 1,50 Euro angenommen. Hieraus hat es für den Angeklagten M. K. , der „insgesamt mindestens 60 kg Kokain auf eigene Rechnung verkauft“ hat (UA S. 52), ohne die Anschaffungskosten für das Rauschgift in Abzug zu bringen, einen „Gewinn“ von 1,8 Mio. Euro errechnet. In dieser Höhe hat es gemäß § 73a StGB Verfall von Wertersatz angeordnet.
6
bb) Diese Ausführungen enthalten Unklarheiten. Ihnen ist nicht eindeutig zu entnehmen, worin das Landgericht jeweils das „aus der Tat Erlangte“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gesehen hat. Der Umstand, dass das Landgericht die nach dem Umtausch der Verkaufserlöse in DM bzw. Euro dem Angeklagten M. K. zugeflossenen Beträge als Wertersatz im Sinne des § 73a StGB angesehen hat, deutet darauf hin, dass das Landgericht lediglich den Teil der Verkaufserlöse, der dem Angeklagten zustand, als „Erlangtes“ angesehen hat. Hierfür spricht auch, dass die Strafkammer außer Betracht gelassen hat, dass der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe lediglich 100.000 DM erhielt (UA S. 22), obwohl 10 kg für seine Rechnung transportiert worden waren. Hinzu kommt, dass das Landgericht bei der Verfallsanordnung nicht berücksichtigt hat, dass im Fall 8 der Urteilsgründe aufgrund eines Überfalls auf die Wechselstube „die der Gruppierung gehörenden Gelder“ in Höhe von mindestens 370.000 britischen Pfund „verloren gingen“ (UA S. 26). Demgegenüber deuten zwei weitere Umstände darauf hin, dass das Landgericht lediglich die dem Angeklagten M. K. tatsächlich zugeflossenen, bereits umgetauschten Geldbeträge als „Erlangtes“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen hat. Zum einen bezeichnet es den „Gewinn“ als Verfallsgegenstand (UA S. 52). Zum anderen legt es der Umrechnung des Verkaufserlöses nicht den Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung zugrunde (vgl. BGHSt 4, 305), sondern schätzt den Umrechnungskurs zum Umtauschzeitpunkt.
7
cc) Gleichwohl beschwert es den Angeklagten M. K. trotz dieser Unklarheiten nicht, dass das Landgericht den Wert des Verfallsgegenstandes mit 1,8 Mio. Euro bestimmt hat. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen, dass der tatsächliche Wert des vom Angeklagten durch die Taten „Erlangten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erheblich über diesem Betrag liegt. Das „Erlangte“ besteht hier nicht nur in dem Verkaufserlös für das auf Rechnung des Angeklagten verkaufte Kokain, sondern im Gesamterlös des im Rahmen der mittäterschaftlich begangenen Taten an die Erwerber verkauften Rauschgifts.
8
Bei einem Betäubungsmittelgeschäft ist ein Vermögensvorteil erlangt, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Erlös erworben hat (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121 m.w.N.; vgl. zum Problem der Gesamtschuld kritisch Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren 2006 Rdn. 260 f.). Dies trifft hier hinsichtlich des Angeklagten M. K. für die gesamten unter seiner Beteiligung erzielten Verkaufserlöse zu. Es spielt daher für die Bestimmung des Erlangten keine Rolle, welchem Tatbeteiligten welcher Anteil an den Erlösen letztlich verbleiben sollte. Die Mitverfügungsgewalt ist für den Angeklagten M. K. durch die festgestellten Umstände zu den jeweils gemeinsam mit den Nichtrevidenten G. und B. vereinnahmten Erlösen bei Durchführung der Verkäufe des in London eingetroffenen Kokains noch hinreichend klar belegt. Ein Vertretungsfall im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BVerfG StV 2004, 409, 411; BGH, Beschluss vom 13. November 1996 – 3 StR 482/96) liegt bei der hier vorliegenden gemeinschaftlichen arbeitsteiligen Veräußerung des Rauschgifts nicht vor.
9
b) Die Verfallsanordnung gegen den Angeklagten M. K. kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen der Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erörtert hat. Hierauf konnte vorliegend nicht verzichtet werden, da sich aus den Urteilsgründen gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die vom Landgericht als Verfallsbetrag zugrundegelegte Summe von 1,8 Mio. Euro zum Zeitpunkt der Entscheidung wertmäßig nicht mehr im Vermögen des Angeklagten M. K. befunden hat (§ 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StGB): Die den anderen Tatbeteiligten zustehenden Erlösanteile waren – was bei § 73c StGB anders als bei der Bestimmung des Erlangten erheblich ist – ersichtlich an diese ausgekehrt worden; im Fall 5 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte M. K. zur eigenen Verwendung letztlich nur 100.000 DM (UA S. 22); im Fall 8 der Urteilsgründe gingen „der Gruppierung“ vom Veräußerungserlös wegen eines Überfalls auf die Wechselstube 370.000 britische Pfund verloren und standen einer Auskehrung an die Tatbeteiligten nicht mehr zur Verfügung.
10
Einer Aufhebung der Feststellungen zur Höhe des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bedarf es nicht, da der Rechtsfehler bei der Ermittlung des Erlangten den Angeklagten nicht beschwert. Es bedarf aber neuer tatrichterlicher Prüfung, ob – ausgehend von einem vom Angeklagten erlangten Erlös von 1,8 Mio. Euro – eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für den Angeklagten M. K. eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob in Ausübung des durch § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise abgesehen werden soll. Dabei wird der neue Tatrichter insbesondere zu prüfen haben, ob der Angeklagte entreichert ist oder ob das Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 7).
11
2. Eine Erstreckung der Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Verfallsanordnungen gegen die Nichtrevidenten B. , G. und Ba. gemäß § 357 StPO ist nicht geboten. Zwar ist die Vorschrift des § 357 StPO grundsätzlich auch auf identische sachlichrechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen anzuwenden (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2; BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 498/04 –, vom 13. Februar 2004 – 3 StR 501/03 – und vom 9. Juli 2002 – 5 StR 30/02). Dies gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichterörterung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht. Die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von einer Verfallsentscheidung abzusehen ist, beruht auf individuellen Erwägungen (vgl. zu § 64 StGB: BGHR StPO § 357 Erstreckung 4; BGH NStZ-RR 1999, 15), deren Beantwortung ganz wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt.
12
Damit folgt der Senat nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts, gemäß § 357 StPO auch die Verfallsanordnungen der Nichtrevidenten B. , G. und Ba. aufzuheben. Auch insoweit entscheidet er durch Beschluss. § 349 Abs. 5 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 5 Entscheidung 1).
3. Die Schuldspruchkorrektur hinsichtlich des Angeklagten T. entspricht der zutreffenden rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen. Das
Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK-StPO, 5. Aufl. § 358 Rdn. 18).
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 336/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
18. Oktober 2011, in der Sitzung am 19. Oktober 2011, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht - in der Verhandlung -,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 11. Februar 2011
a) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird, und
b) im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Diese beträgt nach der Urteils- formel in der Sitzungsniederschrift drei Jahre und neun Monate, nach Tenor und Entscheidungsgründen der Urteilsurkunde drei Jahre und sechs Monate. Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 hat das Landgericht Tenor und Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und neun Monate laute; es handle sich um ein offensichtliches Schreibversehen.
2
Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass in Höhe eines Betrages von 210.613,82 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt werde, weil Ansprüche von Verletzten i.S.d. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
3
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

4
Nach den Feststellungen des Landgerichts vermittelte der Angeklagte für den in den Vereinigten Staaten ansässigen E. Finanzprodukte, bei denen Anlegerauf der Grundlage eines Darlehensvertrages und einer von E. in Form eines Schuldscheins abgegebenen Rückzahlungsgarantie Geldbeträge unmittelbar auf Konten des E. überwiesen in der täuschungsbedingt irrigen Annahme, das Geld werde gewinnbringend angelegt. Tatsächlich erfolgte keine Geldanlage, sondern E. betrieb ein umfangreiches Schneeballsystem, in dem er „Ausschüttungen und Provisionszahlungen aus den Einlagen weiterer Anleger“ (UA S. 3) bediente. Die Anleger überwiesen die Anlagebeträge jeweils direkt auf Konten des E. , die „Provisionen wurden von E. anden Ange- klagten ausgekehrt“ (UA S. 6). Obwohl der Angeklagte seit März 2007 billigend in Kauf nahm, dass E. in dieser Weise verfährt und daher jedem Anleger der Totalverlust seiner Anlage droht, und obwohl ihm bewusst war, dass er keine Erlaubnis für Drittstaateneinlagenvermittlung nach § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG hatte, vermittelte er selbst an zehn, über Untervermittler an weitere 21 Geschädigte das von E. angebotenen „Finanzprodukt“. Die Vermittler bereicherten sich an dem von ihnen unmittelbar oder über Untervermittler mittelbar eingeworbenen Geldern in Form der ihnen zugeflossenen Provisionen (UA S. 6).
5
Die Strafkammer hat dies als elf tatmehrheitliche Fälle des Betruges gewertet (soweit sich der Angeklagte Untervermittler bediente, die er nicht über die von ihm erkannte Möglichkeit eines Totalverlustes für die Anleger informierte, ging die Strafkammer von einer Betrugstat aus), diese jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen.

II.

6
Die Revision hat mit zulässig erhobener Verfahrensrüge wegen des Widerspruchs zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen hinsichtlich des Gesamtstrafausspruchs Erfolg.
7
Die in der verkündeten Urteilsformel genannte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten kann nicht bestehen bleiben.
8
Der Berichtigungsbeschluss vom 9. Juni 2011 ist unwirksam, denn das vom Landgericht angeführte Schreibversehen ist nicht offensichtlich. Enthalten die Urteilsgründe - wie hier - für sich genommen rechtlich einwandfreie Strafzumessungserwägungen kann ein die Strafhöhe betreffender Widerspruch zwischen der verkündeten Urteilsformel und Urteilsformel sowie -gründen des schriftlichen Urteils nicht als offenkundiges, für alle klar zu Tage tretendes Fassungsversehen aufgefasst werden, das einer nachträglichen Berichtigung zugänglich wäre (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2007 - 1 StR 223/07 mwN). Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, bei der ohne Weiteres deutlich wird, dass der Tatrichter seine Ausführungen zur Strafzumessung in Wirklichkeit nicht auf die im schriftlichen Urteil, sondern auf die verkündete Urteilsformel bezeichnete Strafe bezogen hat und dass diese Strafe trotz der anders lautenden Urteilsgründe dem Beratungsergebnis entspricht (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 StR 196/11 mwN).
9
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nötigt die bestehende Divergenz zwischen der Urteilsformel in dem allein maßgeblichen Sitzungsprotokoll (§ 274 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01; BGH, Beschluss vom 4. Februar 1986 - 1 StR 643/85) und den Urteilsgründen nicht stets zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung. Der Senat kann hier ausschließen, dass das Tatgericht auf eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die von drei Jahren und sechs Monaten erkannt hätte, so dass der Senat auf diese niedrigere der beiden Strafen durcherkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 340/09 mwN).

III.

10
Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO ist auf die Sachrüge aufzuheben, da er von den Feststellungen nicht getragen wird. Einer Erörterung der insoweit erhobenen Verfahrensrüge bedarf es nicht.
11
1. Voraussetzung für die Anwendung des § 111i Abs. 2 StPO ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer „aus der Tat” einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das „für die Tat” Erlangte unterliegt schon nach dem Gesetzeswortlaut dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN; BGH, Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 210/99).
12
Die insoweit unklaren Feststellungen des Landgerichts erlauben dem Revisionsgericht nicht die Überprüfung, ob die dem Angeklagten im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionen aus den zur Aburteilung gelangten Straftaten stam- men. „Aus der Tat” sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02; BGH, Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00). Um Vorteile „für die Tat” handelt es sich demgegenüber, wenn dieVermögenswerte dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02 mwN).
13
Ausgehend hiervon erweist sich die Formulierung in den Urteilsgründen, die Provisionen seien „aus der Tat des Angeklagten“ erlangt, weil sie „Entgelt für seine Vermittlungstätigkeit“ seien (UA S. 33), als widersprüchlich.
14
Dass die vom Angeklagten und dessen Untervermittlern geworbenen „Anleger“ das Geld jeweils direkt auf Konten des E. einbezahlthaben, steht der Annahme, dass die dann von E. an den Angeklagten „ausgekehrten“ (UA S. 6) Provisionen „aus der Tat“ stammen, grundsätzlich nicht entgegen. Denn Vermögenswerte sind nicht nur dann aus einer Tat erlangt, wenn sie dem Täter vom Opfer ohne weiteren Zwischenschritt zufließen. Dies ist auch gegeben, wenn der Vermögenswert zunächst - unbeschadet der zivilrechtlichen Besitzund Eigentumsverhältnisse - nur einem anderen Tatbeteiligten zufließt (vgl.
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02; BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03).
15
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass das Erlangte auch dann aus der Tat stammt, wenn die den einzelnen Tatbeteiligten zugeflossenen Vermögens- werte aus einer in sich zwar nicht mehr differenzierbaren, aber mit „Gruppenwillen“ für alle Tatbeteiligten „gesammelten“ Gesamtmenge durch Betrug erlangter Vermögenswerte (dann als Teil der „Tatbeute“, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 5 StR 401/08) entnommen werden.
16
Gewichtiges aber nicht einziges Indiz hierfür wäre, wenn E. die Provi- sionszahlungen jeweils zeitnah zur Einzahlung der an ihn gezahlten „Anlegergelder“ gezahlt hätte. Feststellungen hierzu trifft die Strafkammer nicht und auch die Formulierungen in den Urteilsgründen, wonach E. die Provisionen aus den „Einlagen weiterer Anleger“ (UA S. 3) bediente und sich die Vermittler „an dem von ihnen unmittelbar oder im Rahmen der Hierarchiestufen mittelbar eingeworbenen Geld“ bereicherten (UA S. 6), belegen ein Erlangen „aus der Tat“ nicht hinreichend.
17
Sollte E. - was nach den genannten Formulierungen ebenfalls möglich erscheint - die Provisionen hingegen aus verschiedenartig erzielten Gesamteinnahmen (weil er beispielsweise nicht nur ein „Vermittlersystem“, dessen „Teil“ der Angeklagte war - vgl. UA S. 6 -, für sein betrügerisches Schneeballsystem einsetzte) auskehren, erwiesen sich die an den Angeklagten gezahlten Provisionen sowohl hinsichtlich des vom Angeklagten begangenen Betruges als auch hinsichtlich seiner unerlaubten Vermittlung von Finanzdienstleistungen als Zah- lung einer versprochenen Belohnung, wären mithin „für die Tat“ und nicht „aus der Tat“ erlangt.
18
2. Diese Unklarheit nötigt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen, um darüber neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN). Die Sache ist deshalb insoweit zurückzuverweisen, da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
19
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach §§ 73, 73a StGB für Erlöse aus nicht zur Aburteilung gelangten (z.B. weil nach § 154 StPO von der Verfolgung ausgenommene) Straftaten unzulässig ist (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422), dementsprechend sich auch der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hinsichtlich solcher Provisionseinnahmen verbietet.
20
In Betracht käme - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - hinsichtlich der gewerbsmäßig begangenen Betrugstaten - eine Anordnung von erweitertem Verfall gemäß § 73d StPO (vgl. § 263 Abs. 7 Satz 2 StGB). Nach dieser Vorschrift können Gegenstände eines an der rechtswidrigen Tat Beteiligten bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift für verfallen erklärt werden, wenn das Tatgericht davon überzeugt ist, dass die von der Verfallsanordnung erfassten Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen unmittelbar erlangt worden sind, ohne dass diese im Einzelnen festgestellt werden müssen (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - 3 StR 144/11 mwN; BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 73d Rn. 5). An die tatrichterliche Überzeugung dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - 1 StR 115/04), jedoch genügt allein der Hinweis nicht, dass „die Vermitt- lungstätigkeit insgesamt […] nach § 54 Abs. 1Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Gegenstand der Strafverfolgung“ sei (UA S. 33), zumal die Strafvorschriften nach dem KWG nicht auf § 73d StGB verweisen.
21
Der neue Tatrichter wird ferner Gelegenheit haben, zu berücksichtigen, dass jedenfalls die vom Angeklagten geleisteten Entschädigungszahlungen an die Tatopfer nach § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 StPO bei der Bemessung des „Erlangten“ in Abzug zu bringen sind. Insoweit führt der Generalbundesanwalt zu- treffend aus: „Der Angeklagte hat jedoch die Tatopfer […] teilweise befriedigt, so dass insoweit ein krimineller Gewinn, der im Wege der Vermögensabschöpfung dem Angeklagten zu entziehen wäre, nicht mehr vorhanden ist. […] Die Überlegung der Strafkammer, wonach die bestehenden Schadensersatzansprüche die Entschädigungsleistungen übersteigen, hindert deren Abzugsfähigkeit nicht. Die Vorschriften des Verfalls dienen der Korrektur von Vermögensverschiebungen aufgrund von Straftaten und nicht insgesamt der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche.“

IV.

22
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils (dazu 1. und 2.) hat keinen weiteren den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, auch die weitergehende Verfahrensrüge (dazu nachfolgend 3.) zeigt einen solchen nicht auf.
23
1. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen den Schuldspruch. Durch die aufgrund täuschungsbedingten Irrtums erfolgte Überweisung eines Anlagebetrages an E. erlitten die Geschädigten einen Schaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage für sie wirtschaftlich völlig wertlos und verloren war; dieser Schaden wird nicht kompensiert durch die ungewisse - per se wertlose - Aussicht, möglicherweise Rückzahlungen aus den von E. zum Nachteil anderer begangenen Straftaten erlangten Geldern zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05). Der Strafzumessung hat die Strafkammer - zutreffend - die Differenz aus der Anlagesumme und den von E. geleisteten Zah- lungen als „letztlich verbleibenden“ Schaden zugrunde gelegt.
24
2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist auch darüber hinaus im Ergebnis keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Vorliegen eines von der Strafkammer der Strafbemessung jeweils zugrunde gelegten besonders schweren Falles des Betruges i.S.d. § 263 Abs. 3 StGB - der Angeklagte handelte sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen - wird durch die Feststellungen belegt und ist vorliegend derart offenkundig, dass es näherer Ausführungen dazu, ob die Indizwirkung eines Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet worden sein könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 mwN), nicht bedurfte.
25
Soweit die Strafkammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - übersehen hat, dass hinsichtlich einzelner von Untervermittlern geworbener Geschädigter das Verfahren gemäß § 154a StPO beschränkt und nicht wieder aufgenommen worden war, schließt der Senat angesichts des insoweit festgestellten Gesamtschadens (ca. 845.000 €, 24.000 € davon von Verfahrenseinstellung betroffen) aus, dass die Kammer eine noch mildere als die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt hätte.
26
3. Soweit die Revision eine Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO mit dem Vortrag geltend macht, ein Beweisantrag sei nicht verbeschieden worden, ist ihr der Erfolg versagt. Im Hinblick darauf, dass die Revision nicht mitteilt, dass dem Antrag durch Verlesung einer E-Mail teilweise entsprochen wurde, bestehen schon erhebliche Bedenken, ob diese Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 1. April 2004 - 1 StR 101/04). Das Urteil kann aber jedenfalls nicht auf dem gerügten Rechtsfehler beruhen.
27
Mit dem Beweisantrag suchte die Verteidigung unter Beweis zu stellen, dass der Angeklagte die von ihm eingeschalteten Untervermittler nicht getäuscht habe. So habe der Angeklagte Untervermittler über Warnungen der Bayerischen Landesbank aufgeklärt und gegenüber dem Vermittler P. erklärt, dass er - der Angeklagte - „nicht bereit sei, irgendwelche Leute zu dem Investment zu drän- gen“ (RB S.13). Die Verteidigung hat u.a. die Einvernahme zweier Zeugen beantragt , die nach Warnhinweisen, allerdings von Banken, nicht mehr bereit gewesen seien, mit dem Vermittler P. abgeschlossene Verträge zu erfüllen und diesem gegenüber erklärt hätten, sie wollten die Verträge stornieren, was auch passiert sei. Die Revision macht - der Sache nach zutreffend - geltend, die Strafkammer habe weder die benannten Zeugen vernommen, noch den Antrag abschlägig durch Beschluss verbeschieden.
28
Der Revision ist darin zuzustimmen, dass dieser Antrag, wenn ihm die Strafkammer nicht nachgehen will und er sich nicht sonst erledigt hat (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 5 StR 191/09; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04; BGH, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 5 StR 175/92), eines ablehnenden Beschlusses gemäß § 244 Abs. 6 StPO bedurft hätte. Zwar ermangelt es dem Antrag an einer Darlegung, inwieweit die benannten Zeugen zu behaupteten Gesprächen zwischen dem Angeklagten und Untervermittlern etwas sagen könnten. Dies ist auch nicht aus dem Antrag (etwa durch Auslegung) zu entnehmen oder sonst offenkundig oder ersichtlich, so dass es überwiegend an der für einen i.S.d. § 244 Abs. 6 StPO verbescheidungsbedürftigen Beweisantrag erforderlichen Konnexität fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 329 f. mwN). Der Antrag enthält jedoch darüber hinaus eine hinreichend konkrete Behauptung dahingehend, die benannten Zeugen hätten sich in bestimmter Weise gegenüber dem Vermittler P. geäußert und die über diesen geschlossenen Verträgen storniert. Diesbezüglich bedurfte es keiner weiteren Darlegungen zur Konnexität, denn es verstand sich angesichts der Beweisbehauptungen von selbst, dass die benannten Zeuginnen zum Inhalt der betreffenden, von ihnen geführten Gespräche aus eigenem Wissen bekunden sollten und konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09).
29
Der Senat kann vorliegend aber ausschließen, dass das Urteil auf der unterlassenen Verbescheidung des Beweisantrags beruhen könnte; auch § 244 Abs. 2 StPO drängte die Kammer nicht zu entsprechenden Erhebungen. Ist ein Beweisantrag nicht oder rechtsfehlerhaft verbeschieden, ist es dem Revisionsgericht zwar grundsätzlich verwehrt, eine rechtsfehlerfreie Begründung nachzuliefern (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2002 - 1 StR 277/02; BGH, Beschluss vom 2. August 2000 - 3 StR 154/00). Im Einzelfall kann indes ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Antragsablehnung beruht, wenn etwa die - rechtsfehlerhaft, weil lediglich formelhaft angenommene - Bedeutungslosigkeit einer behaupteten Tatsache auf der Hand liegt (Fischer in KKStPO , 6. Aufl., § 244 Rn. 234 mwN). Nichts anderes kann für Fälle einer nicht nur floskelhaft sondern gänzlich fehlenden Ablehnungsbegründung gelten, jedenfalls wenn - wie hier - offenkundig ist, dass die konkrete Beweisbehauptung (Äußerungen und Verhalten der Zeugen) für das für den Strafvorwurf (Betrug zum Nachteil der über die Untervermittler eingeworbenen Anleger) einzig relevante Beweisthema (der Angeklagte habe die Untervermittler weder getäuscht noch kollusiv mit ihnen zusammengewirkt) ohne jede tatsächliche Bedeutung ist (vgl. für den ähnlich gelagerten Fall, dass die Beweisbehauptung mit dem angebotenen Beweismittel nicht zu beweisen ist, auch OLG Koblenz, Urteil vom 2. Februar 1995 - 1 Ss 349/94, OLGSt, StPO, § 244 Nr. 17). Eine Beeinträchtigung des Verteidigungsverhaltens durch einen unterbliebenen Zurückweisungsbeschluss kann der Senat hier ebenfalls ausschließen. Nack Rothfuß Elf Graf Jäger

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 245/09
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. und 4.: versuchten Betruges u.a.
zu 2. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
Verfallsbeteiligte:
1.
2.
3.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. Juni 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof und
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten H. AG i.L.,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Verfallsbeteiligten Fa. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, gegen die Angeklagten F. und R. sowie gegen die Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. Verfall von Wertersatz anzuordnen ; jedoch bleiben die Feststellungen zur Höhe des von den Beteiligten Erlangten bestehen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten F. und R. sowie die Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten S. und W. werden verworfen. 3. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten S. und W. und die durch diese Rechtsmittel diesen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und mit Beihilfe zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Den Angeklagten R. hat das Landgericht wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3
Die Angeklagten S. und W. hat das Landgericht jeweils wegen Beihilfe zum versuchten Betrug, zur unrichtigen Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt.
4
Den Mitangeklagten B. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum versuchten Betrug und zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Verfall von Wertersatz gegenüber den Angeklagten F. und R. , gegenüber den Verfallsbeteiligten H. AG i.L. und A.
GmbH sowie gegenüber der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. , der Ehefrau des Angeklagten F. , hat das Landgericht nicht angeordnet.
6
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen ; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die zu Lasten der Angeklagten eingelegten Revisionen hat die Staatsanwaltschaft beschränkt: Auf den Strafausspruch bezüglich der Angeklagten F. , R. , S. und W. sowie auf die unterbliebene Anordnung des Verfalls von Wertersatz bezüglich der Angeklagten F. und R. . Zudem wendet sie sich auch bezüglich der Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. gegen die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanordnung von Wertersatzverfall wenden; daher ist die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos. Im Übrigen sind die Revisionen der Staatsanwaltschaft unbegründet.

I.

7
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
8
a) Zur Firmenstruktur
9
Der Angeklagte F. war Vorsitzender des Verwaltungsrates des Schweizer Unternehmens D. AG (nachfolgend D. AG) und dessen beherrschender Mehrheitsaktionär. Bei dieser Gesellschaft war der Angeklagte W. zunächst als Assistent der Geschäftsleitung und später als Bereichsleiter der Mediensparte des Unternehmens tätig und insoweit dem Angeklagten F. direkt unterstellt.
10
Die D. AG hielt rund 70 % der Aktien der I. AG (nachfolgend I. AG). Wesentlicher Geschäftsgegenstand der I. AG war die Erbringung von Dienstleistungen im Internet, namentlich die Bereitstellung von Speicherkapazitäten auf Servern zum Aufbau einer Internetpräsenz und die Entwicklung von Software. Neben der D. AG hielten Mitglieder des Managements und des Aufsichtsrates der I. AG sowie Mitarbeiter dieser Gesellschaft ca. 10 % der Geschäftsanteile. Die verbleibenden 20 % der I. - Aktien wurden seit dem 17. März 2000 am „Neuen Markt“ der Deutsche Börse AG an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt. Vorstandsvorsitzender der I. AG war der Angeklagte F. , Finanzvorstand der Gesellschaft war der Angeklagte R. .
11
Neben den Anteilen an der I. AG hielt die D. AG Anteile an der Bl. GmbH, deren Geschäftsführer die Angeklagten S. und B. waren.
12
b) Manipulation der Umsatz- und Ertragszahlen im Vorfeld des Verkaufs der I. AG
13
Mitte des Jahres 2000 beschloss der Angeklagte F. , die Mehrheitsanteile an der I. AG zu verkaufen. Um potentielle Käufer der Aktien über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der I. AG zu täuschen, veranlasste er in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 die Manipulierung der Umsatz- und Ertragszahlen der I. AG für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres.
14
Hierfür ließ er zum Ende des dritten Quartals insgesamt acht Rechnungen , mit denen von der I. AG tatsächlich nicht erbrachte Leistungen - insbesondere gegenüber der Bl. GmbH sowie gegenüber weiteren Gesellschaften - mit einem Gesamtvolumen von 12.253.330 DM abgerechnet wurden, zu Gunsten der I. AG buchen. An diesen Buchhaltungsmanipulationen waren mit verschiedenen Beiträgen der Angeklagte R. als Finanzvorstand der I. AG, die Angeklagten S. und B. als Geschäftsführer der Bl. GmbH sowie der Angeklagte W. als Bereichsleiter der Mediensparte der D. AG und in dieser Eigenschaft auch als Vorgesetzter der Angeklagten S. und B. beteiligt.
15
Durch diese Manipulationen und die damit einhergehende Täuschung über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der I. AG sollten Kaufinteressenten zum Abschluss eines Kaufvertrages und zur Zahlung eines überhöhten Kaufpreises veranlasst werden.
16
c) Der Verkauf der I. AG
17
Mit Vertrag vom 19. Dezember 2000 verkaufte der Angeklagte F. in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrates der D. AG unter Zwischenschaltung ihrer in Deutschland geschäftsansässigen 100%igen Tochtergesellschaft D. H. GmbH einen über 75%igen Mehrheitsanteil an der I. AG, der bei der D. H. GmbH angesammelt worden war (UA S. 204), an die englische Gesellschaft E. plc.. In diesem Vertrag verpflichtete sich die D. AG, 15 Millionen Aktien der I. AG an die E. plc. zu übertragen. Als Gegenleistung sollte die E. plc. 210 Millionen Euro an die D. AG zahlen sowie 62 Millionen neu herauszugebende Aktien der E. plc., die im Kaufvertrag mit 552 Millionen Euro bewertet wurden , an die D. AG übertragen. Damit betrug der Gesamtkaufpreis für die I. -Aktien 762 Millionen Euro. Der Vertrag wurde am 30. Januar 2001 durchgeführt.
18
Entsprechend dem Tatplan der Angeklagten schlossen die Verantwortlichen der E. plc. den Vertrag in der irrigen Annahme, dass die ihnen mitgeteilten Unternehmenskennzahlen für die ersten neun Monate des Jahres 2000 zutreffend seien und die Zwischenbilanz des Unternehmens ordnungsgemäß erstellt worden sei. Nach der - subjektiven - Vorstellung der Angeklagten F. und R. zahlte die E. plc. demnach einen Kaufpreis, der den Marktwert der erworbenen Beteiligung an der I. AG um mindestens 30 Millionen Euro überstieg (UA S. 219). Die Angeklagten W. und S. , die nicht alle Manipulationen kannten, gingen von einem um 27,5 Millionen Euro und der Angeklagte B. von einem um 25 Millionen Euro überhöhten Kaufpreis aus. In dem jeweiligen Umfang sollte bei der D. AG ein nicht gerechtfertigter Vermögenszuwachs entstehen (UA S. 21).
19
d) Vermögensschaden
20
Da saldierungsfähige Barwerte für die nach dem Aktienkaufvertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete nach Auffassung der Strafkammer auch im Schätzungswege objektiv nicht sicher bestimmbar waren, sah sich die Strafkammer außerstande festzustellen, ob sich die E. plc. zur Zahlung eines objektiv über dem Marktwert der I. -Beteiligung liegenden überhöhten Kaufpreises verpflichtet hatte.
21
e) Die Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung der I. AG
22
Der aus der Veräußerung des I. -Aktienpaketes von der D. AG vereinnahmte Erlös wurde zu einem großen Teil, nämlich in Höhe von insgesamt 233 Millionen Schweizer Franken, als Sonderdividende an die Aktionäre der D. AG ausgeschüttet (UA S. 272). Dem Angeklagten F. flossen aus dem Erlös der Veräußerung der I. AG mindestens 31,6 Millionen Euro zu (UA S. 7). Daneben vereinnahmte die A. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte F. ist, auf dessen Veranlassung 52,5 Millionen Euro des Verkaufserlöses (UA S. 7). Der Angeklagte R. , der im Tausch gegen die von ihm gehaltenen I. -Aktien Aktien der E. plc. mit einem „nominellen“ Buchwert von ca. 7,25 Millionen Euro erhalten hatte, veräußerte die ihm übertragenen Aktien der E. plc. nach Ablauf einer Sperrfrist für 1.124.093,31 Euro (UA S. 520).
23
Darüber hinaus partizipierten unter anderem auch die H. AG i.L. und die Ehefrau des Angeklagten F. , Fa. , an den Erlösen aus der Veräußerung der I. AG an die E. plc.. Fa. erhielt vom Angeklagten F. eine Zuwendung von 2 Millionen Euro aus dem Veräußerungserlös , die H. AG i.L. von 4,5 Millionen Euro (UA S. 519).
24
f) Weitere Folgen der Umsatzmanipulationen und der Erstellung der Scheinrechnungen
25
Die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Umsatz- und Ertragszahlen der I. AG, die sich aus der Erfassung der Scheinrechnungen ergaben, wurden im Rahmen einer Ad-hoc-Meldung am 28. November 2000 veröffentlicht, mit der über die gesamte Geschäftstätigkeit der I. AG des dritten Quartals und der ersten neun Monate des Jahres 2000 an der Börse berichtet wurde. Zudem fanden die unzutreffenden Umsatz- und Ertragszahlen auch zum überwiegenden Teil, nämlich in Höhe von 9.119.400 DM, Eingang in den Konzernjahresabschluss und den Konzernlagebericht der I. AG zum 31. Dezember 2000.
26
Die Angeklagten S. und W. gaben für die Bl. GmbH für die Voranmeldungszeiträume September und Dezember 2000 jeweils unrichtige Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. Sie machten zu Unrecht Umsatzsteuer in Höhe von 480.000 DM bzw. 828.000 DM aus Scheinrechnungen, die für die Manipulationen der Umsatzzahlen der I. AG erstellt worden waren, als Vorsteuern geltend. Die Rechnungsaussteller führten die ausgewiesene Umsatzsteuer jeweils an das zuständige Finanzamt ab.
27
2. Die Strafkammer hat diese Feststellungen wie folgt rechtlich gewürdigt :
28
Da sie sich nicht in der Lage sah, saldierungsfähige Barwerte für die nach dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete hinreichend sicher zu bestimmen, hat die Strafkammer die Angeklagten F. und R. lediglich wegen versuchten Betruges in Mittäterschaft verurteilt, wobei sie einen angestrebten Vermögensschaden von 30 Millionen Euro zu Grunde gelegt hat. Die Angeklagten W. , S. und B. hat sie wegen Beihilfe hierzu verurteilt.
29
Die unrichtigen Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung der I. AG vom 28. November 2000 hat die Strafkammer bei den Angeklagten F. und R. als unrichtige Darstellung i.S.v. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG gewertet, die Unterstützung der Angeklagten S. und W. als Beihilfe hierzu. In der Aufnahme unzutreffender Umsatz- und Ertragszahlen in die Abschlüsse der I. AG durch den Angeklagten R. sah die Strafkammer die Verwirklichung des Tatbestandes der unrichtigen Darstellung i.S.v. § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB, zu der die anderen Angeklagten Beihilfe geleistet hatten. Die Einreichung unzutreffender Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Angeklagten S. und W. hat die Strafkammer als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.
30
Die Strafkammer hat gegen keinen der Angeklagten und auch gegen keinen der Verfallsbeteiligten Verfall bzw. Verfall von Wertersatz angeordnet. Sie ist der Auffassung, dass weder der Angeklagte F. noch die Verfallsbeteiligten in einem bezifferbaren Umfang etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hätten. Unmittelbar aus der Tat sei lediglich der Abschluss des Vertrages erlangt. Daher sei nur der sich aus der Saldierung von Leistung und Gegenleistung ergebende Betrag i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Da aber Barwerte für die nach dem Aktienkaufvertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete auch im Schätzungswege nicht sicher bestimmbar gewesen seien , sah sich die Strafkammer außerstande, das Erlangte objektiv, d.h. unabhänging von dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis, zu beziffern. Außerdem sah sich die Strafkammer durch die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB an einer Verfallsanordnung gegenüber den Angeklagten F. , S. und W. sowie der A. GmbH gehindert. Schließlich stünde bei den Angeklagten R. , S. und W. der Anordnung des Verfalls auch § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen.

II.

31
Die Beschränkung der Revisionen der Staatsanwaltschaft ist wirksam. Eine wirksame Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass die Gesamtentscheidung auch dann frei von inneren Widersprüchen bleibt, wenn die eingelegte Revision Erfolg hat (st. Rspr.; vgl. BGHSt 10, 100, 101; 29, 359, 364; 39, 208, 209; 41, 57, 59; 47, 32, 35; jew. mwN; BGH NStZ-RR 1999, 359). Dies ist hier auch bei den Angeklagten R. und F. der Fall. Das Angriffsziel der Revisionen setzt sowohl hinsichtlich der Strafaussprüche als auch bezüglich der er- strebten Verfallsanordnung keinen vollendeten Betrug voraus. Wegen des den Verfallsvorschriften zugrunde liegenden Bruttoprinzips setzt eine Verfallsanordnung hinsichtlich des aus einer Tat Erlangten nicht notwendig einen Vermögensschaden - spiegelbildlich zu einem Vermögensvorteil - voraus. Auch ein versuchter Betrug ist eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 73 StGB (vgl. W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 StGB Rdn. 16; siehe auch unten IV. 1. a), aus der etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt werden kann. Selbst wenn die erbrachte Gegenleistung den Wert der zugeflossenen Leistung erreichen würde, könnte es zwar an einem Vermögensschaden fehlen, nicht aber am Erlangten. Auch in solchen Fällen kommt ein Verfall noch in Betracht, es sei denn der Verfallsanordnung stehen Ansprüche des Verletzten i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen oder die Härtevorschrift des § 73c StGB greift ein.

III.

32
Soweit sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen die Strafaussprüche bezüglich der Angeklagten F. , R. , S. und W. wenden, zeigen sie keinen Rechtsfehler auf. Die Einzelstrafen, die Gesamtstrafen und, betreffend die Angeklagten S. und W. , auch die Strafaussetzung zur Bewährung halten rechtlicher Nachprüfung stand.
33
Insbesondere ist auch die von der Staatsanwaltschaft beanstandete Strafrahmenwahl rechtsfehlerfrei. Die Verneinung besonders schwerer Fälle überschreitet noch nicht den dem Tatrichter hierbei zukommenden Beurteilungsspielraum.
34
Dies gilt auch, soweit das Landgericht bei den Angeklagten S. und W. für die von ihnen begangenen Steuerhinterziehungen besonders schwere Fälle i.S.v. § 370 Abs. 3 AO verneint hat. Die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF, der als für die Angeklagten günstigeres Tatzeitrecht gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden war, waren nicht gegeben. Auch handelten die Angeklagten S. und W. nicht aus grobem Eigennutz. Das Landgericht hat zudem in den Blick genommen, dass nach dem Tatplan der Angeklagten ein endgültiger Steuerschaden nicht angestrebt wurde und ein solcher auch nicht eingetreten ist.

IV.


35
Keinen Bestand hat das Urteil, soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten R. und F. sowie gegenüber den Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen hat.
36
1. Das Landgericht hat den Umfang des aus der Tat Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB unzutreffend bestimmt. Deshalb war das Urteil hinsichtlich der Verfallsentscheidung aufzuheben. Dem liegt folgende rechtliche Beurteilung des Senats (§ 358 Abs. 1 StPO) zugrunde:
37
a) Aus der Tat erlangt i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Begünstigten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. BGHSt 52, 227, 246 mwN). Auch bei Betrugstaten ist dabei nicht erforderlich, dass der Täter einen Vermögensvorteil erlangt hat. Zudem stellt auch ein versuchter Betrug eine rechtswidrige Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB dar, aus der i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB etwas erlangt sein kann. Deshalb kann eine Verfallsanordnung auch an einen lediglich versuchten Betrug anknüp- fen, soweit - wie hier - dem Täter oder einem Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) daraus etwas zugeflossen ist (vgl. W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 StGB Rdn. 16).
38
Einer Verfallsanordnung stand daher nicht entgegen, dass das Landgericht sich außerstande gesehen hat, mit der erforderlichen Sicherheit bei den Angeklagten F. und R. eine ungerechtfertigte Bereicherung (einen Vermögensvorteil ) und bei der E. plc. einen Vermögensschaden festzustellen.
39
b) Der Umfang des Erlangten ist zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips zu bemessen (BGHSt 52, 227, 248). Hiernach sind die Vermögenswerte , die der Täter oder Teilnehmer in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt hat, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen, ohne dass Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen in Abzug gebracht werden (BGHSt 47, 369, 370 f.; 52, 227, 248). Bei der Berechnung des - wie hier - durch einen Kauf Erlangten ist deshalb vom gesamten betrügerisch erlangten Verkaufserlös auszugehen (BGHSt 47, 369, 370 mwN). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu im vorliegenden Strafverfahren auf eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Arrestentscheidung des Hansatischen Oberlandesgerichts Hamburg folgendes ausgeführt (Beschl. vom 11. Dezember 2008 - 2 BvR 1871/08): „Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe den Erlös aus den durch die D. AG verkauften E. -Aktien ohne Berücksichtigung des vorherigen Wertes der I. -Aktien ´erlangt´, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Anders als in den vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fällen (vgl. BGHSt 47, 260, 269 f.; 50, 299, 309 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 5 StR 482/05, NStZ-RR 2006, S. 338), auf die der Beschwerdeführer sich beruft, sind im vorliegenden Fall die Vermögensbestandteile des Beschwerdeführers, über deren Wert getäuscht worden sein soll und die unmittelbar zum Erwerb der E. -Aktien eingesetzt wurden , selbst Gegenstand der mutmaßlichen Tathandlung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 527/06 -, juris; vgl. auch BGHSt 47, 369, 370 ff., und BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, juris, Rn. 107). Nach dem sich aus §§ 73, 73a StGB ergebenden Bruttoprinzip unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall.“
40
Schon deshalb ergibt sich aus der Rechtsprechung des 5. Strafsenats (vgl. für die zudem anders gelagerten Fälle der Auftragserlangung durch Bestechung BGHSt 47, 260 sowie 50, 299 und für verbotene Insidergeschäfte BGH NStZ 2010, 339) nichts Gegenteiliges; ein Fall der Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 GVG ist nicht gegeben.
41
Im vorliegenden Fall haben die D. AG und der Angeklagte R. aus der Tat - versuchter Betrug zum Nachteil der E. plc. - die Leistungen der E. plc. erlangt. Teile des Veräußerungserlöses flossen dann dem Angeklagten F. und den Verfallsbeteiligten zu (UA S. 7, 519). Die Erbringung der Leistungen durch die E. plc. ist noch Teil der Tat (vgl. BVerfG aaO); erst die täuschungsbedingte Erfüllung des Betruges führt zur Beendigung der Tat (Fischer StGB 57. Aufl. § 263 Rdn. 201 mwN). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist in solchen Fällen nicht zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden (vgl. auch BGHSt 52, 227, 248 f.).
42
Aus der Tat erlangt i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind hier die in Vollzug des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrages vom 19. Dezember 2000 von der E. plc. erbrachten Leistungen, hinsichtlich der D. AG also sowohl die „Barkomponente“ in Höhe von 210 Millionen Euro als auch das im http://www.juris.de/jportal/portal/t/1lgd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE017103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - Austausch gegen I. -Aktien übertragene E. -Aktienpaket, dessen Wert vertraglich mit 552 Millionen Euro beziffert wurde. Eine Saldierung der zwischen der D. AG und der E. plc. in Vollzug der getroffenen Vereinbarung ausgetauschten Leistungen war demgegenüber entgegen der Auffassung des Landgerichts für die Bestimmung des Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vorzunehmen. Eine solche Saldierung schließt das gesetzlich vorgegebene Bruttoprinzip aus. Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat. Daher hat der Gesetzgeber den Begriff des Vermögensvorteils (Nettoprinzip) durch den des Erlangten (Bruttoprinzip) ersetzt (BT-Drucks. 12/899 S. 11).
43
Würde man bei solchen Geschäften lediglich den Gewinn - also den Saldo aus Leistung und Gegenleistung - als Erlangtes ansehen, dann würde - dem Willen des Gesetzgebers widersprechend - im Ergebnis das Bruttoprinzip wieder durch das Nettoprinzip ersetzt. Gerade die im vorliegenden Verfahren deutlich gewordenen Schwierigkeiten bei der Bemessung der Gegenleistung wollte der Gesetzgeber aber bei Einführung des Bruttoprinzips vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/899 S. 11). Zudem wollte er den unwiederbringlichen Verlust von all dem anordnen, was in Straftaten investiert worden ist. Denn mit dem Verfall verfolgt er auch einen Präventionszweck (BVerfG NJW 2004, 2073, 2075; BGHSt 51, 65, 67). Müsste der von der Verfallsanordnung Betroffene lediglich die Abschöpfung des Nettogewinns befürchten, so würde sich die Tat für ihn unter finanziellen Gesichtspunkten als risikolos erweisen (vgl. BGHSt 51, 65, 67; 52, 227, 248).
44
c) Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Anordnung des Verfalls gegenüber einem Drittbegünstigten i.S.v. § 73 Abs. 3 StGB, d.h. hier gegenüber der H. AG i.L. und der A. GmbH sowie gegenüber der Ehefrau des Angeklagten F. , der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. . Auch gegenüber diesen Verfallsbeteiligten ist der Umfang des Erlangten nach Maßgabe des Bruttoprinzips zu bemessen, ohne dass Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen in Abzug gebracht werden (BGHSt 47, 369, 374; 52, 227, 247 f.; BGH NStZ-RR 2004, 214, 215).
45
2. Die rechtsfehlerhafte Bestimmung des Umfangs des Erlangten zwingt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung, soweit von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten F. und R. sowie gegen die Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. abgesehen worden ist.
46
a) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen, die bestehen bleiben können, erlangte die D. AG über ihr Tochterunternehmen D. H. GmbH aus dem verfahrensgegenständlichen Rechtsgeschäft 210 Millionen Euro sowie 62 Millionen neu herauszugebende Aktien der E. plc., deren Wert im zugrunde liegenden Vertrag mit 552 Millionen Euro beziffert wurde. Nominal betrug der Gesamtpreis für die I. -Aktien demnach 762 Millionen Euro.
47
b) Unzureichend sind allerdings die bislang getroffenen Feststellungen zur Weitergabe des von der D. AG Erlangten an den Angeklagten F. und an die Verfallsbeteiligten (vgl. oben Abschnitt I.1 Buchst. e). Diese Feststellungen bilden keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme des Landgerichts, dass die Vermögenswerte, die den Angeklagten F. und R.
sowie den Verfallsbeteiligten zugeflossen sind, im gesamten Umfang aus der verfahrensgegenständlichen Straftat stammen. Darüber hinaus kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Zuflüsse bei den Verfallsbeteiligten aus betrieblichen Zurechnungsverhältnissen (sog. Vertretungsfall; vgl. BGHSt 45, 235, 245), unentgeltlich oder aufgrund eines bemakelten Rechtsgeschäfts zur Verschleierung oder Vereitelung des Gläubigerzugriffs (sog. Verschiebungsfall; vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 35 mwN) oder in Erfüllung einer nicht bemakelten Forderung (sog. Erfüllungsfall ; vgl. BGHSt aaO S. 247) erfolgt sind. Die Höhe der in Schweizer Franken ausgezahlten Sonderdividende, deren Wert zur Zeit der Ausschüttung umgerechnet mehr als 350 Millionen Euro betrug, übersteigt die „Barkomponente“, die aufgrund der Anteilsveräußerung an die E. plc. erlangt wurde. Es fehlt nicht nur an ausreichenden Feststellungen zu den für die Ausschüttung der Sonderdividende maßgeblichen Beteiligungsverhältnissen an der D. AG, sondern auch dazu, in welchem Umfang die von der D. AG über die D. H. GmbH erlangte „Barkomponente“ in die Ausschüttung eingeflossen ist.
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3. Die bisherigen Feststellungen zur Höhe des von den Beteiligten i.S.v. § 73 Abs. 1 und § 73 Abs. 3 StGB i.V.m. § 431 Abs. 1, § 442 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO Erlangten können indes bestehen bleiben. Beteiligte im hier verwendeten Sinn sind demnach die Angeklagten als Tatbeteiligte im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB sowie die Verfallsbeteiligten einschließlich der D. AG als Geschäftspartnerin und Garantiegeberin (UA S. 204) der E. plc. und ihrer Tochtergesellschaft D. H. GmbH als formeller Verkäuferin der I. -Aktien. Das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
49
4. Zu der neu zu treffenden Entscheidung über die Frage einer Verfallsanordnung weist der Senat auf Folgendes hin:
50
a) Auf der Grundlage der bestandskräftigen Feststellungen wird der neue Tatrichter seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde legen, dass das aus der Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte einen Wert (vgl. § 73a Satz 1 StGB) von 762 Millionen Euro hatte. Das war der zu bezahlende Kaufpreis, auf den sich die Vertragsparteien geeinigt hatten und der in Höhe von 552 Millionen Euro durch E. -Aktien, deren Wert die Vertragsparteien einvernehmlich und nach den für dieses Geschäft maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt hatten, zu erbringen war. Nach dem Bruttoprinzip unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall, wobei ausreichend ist, dass die Vermögenswerte zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, zugeflossen sind. Dass für den Weiterverkauf der erhaltenen Aktien der E. plc. eine neunmonatige Sperrfrist vereinbart wurde und dass während dieser Zeit die Kurse dieser Aktien gefallen sind, könnte lediglich im Rahmen des § 73c StGB Berücksichtigung finden (BVerfG wistra 2004, 378, 381 f.). Im Hinblick darauf kann das neue Tatgericht erwägen, ob das weitere Verfahren hinsichtlich des Erlangten auf die "Barkomponente" beschränkt werden sollte.
51
b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei seiner Entscheidung über die Höhe des anzuordnenden Verfallsbetrags bezüglich der Angeklagten F. und R. sowie der Verfallsbeteiligten folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen :
52
aa) Die dem Gesellschaftsvermögen einer juristischen Person zugeflossenen Werte stellen trotz (abstrakter) Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschafter oder der Organe nicht ohne weiteres auch zugleich das durch die Angeklagten und die Verfallsbeteiligten i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte dar (vgl. BVerfG aaO).
53
bb) Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist die Anordnung des Verfalls bzw. des Verfalls von Wertersatz ausgeschlossen, soweit Verletzten aus der Tat Ansprüche erwachsen sind, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würden. Unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist eine Verfallsanordnung auch gegenüber einem Drittbegünstigten ausgeschlossen (vgl. BGHSt 52, 227, 244; BGH NStZ-RR 2007, 109, 110; Nack GA 2003, 879, 882 mwN). Für den Ausschluss kommt es allein auf die rechtliche Existenz der Ansprüche an (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 18 mwN). Das bisherige Unterbleiben und die fehlende Erwartung der Geltendmachung solcher Ansprüche rechtfertigen also die Verfallsanordnung nicht (BGH NStZ-RR 2007, 110). Dagegen bleibt sie möglich, wenn die Verletzten auf die Geltendmachung wirksam verzichtet haben oder die Ansprüche verjährt sind (BGHSt aaO; BGH NStZ 2006, 621, 623; Fischer aaO Rdn. 19).
54
Hier wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Ansprüche der E. plc. als Verletzter i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB dem Verfall von Wertersatz gegenüber den Angeklagten F. und R. sowie der A. GmbH entgegenstehen (§ 262 StPO). Demgegenüber liegt aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nahe, dass hinsichtlich der H. AG i.L. und der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht gegeben sind, da die E. plc. ihnen gegenüber auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet hat.
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cc) Der Anwendung der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB stünde nicht entgegen, dass es nach Auffassung der Strafkammer an einem am Schuldspruch anknüpfenden eindeutigen Beleg von Ansprüchen der Verletzten fehlt. Die Verurteilung der Angeklagten F. und R. lediglich wegen versuchten Betruges schließt nicht aus, dass zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der E. plc. gegeben sein können. Denn die Verurteilung lediglich wegen versuchten Betruges resultiert nicht daraus, dass die Strafkammer einen bei der E. plc. eingetretenen Schaden ausgeschlossen hatte, sondern daraus, dass nach ihrer Auffassung ein Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB nach strafrechtlichen Maßstäben nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Insbesondere ein möglicher Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, der der Anordnung des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen kann (vgl. BGH NStZ 2010, 326), knüpft aber nicht am Begriff des Vermögensschadens des § 263 StGB an, sondern an einem Schadensbegriff, der sich nach anderen Maßstäben bestimmt (vgl. BGHZ 160, 149; BGH NJW 2005, 2450).
56
dd) Hinsichtlich des Angeklagten R. ist bislang lediglich festgestellt, dass dieser von der E. plc. zivilrechtlich in Anspruch genommen wird und in diesem Zusammenhang einen Vergleich abgeschlossen hat, wonach er sich zur Zahlung von mindestens 250.000 Euro verpflichtet hat. Einen Betrag von 100.000 Euro habe er hiervon bereits erbracht. Weiter habe sich der Angeklagte R. aufgrund des Vergleiches verpflichtet, seine Vermögensverhältnisse offen zu legen. Sollten sich die diesbezüglichen Feststellungen als unrichtig erweisen , wäre er zur Zahlung der gesamten Vergleichssumme in Höhe von 1,5 Millionen Euro verpflichtet. Hat er hingegen sämtliche Bedingungen des Vergleichvertrages erfüllt, hätte er insgesamt nur 250.000 Euro zu zahlen.
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Den bisherigen Urteilsfeststellungen ist nicht hinreichend deutlich zu entnehmen , ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Ansprüche der E. plc. gegenüber dem Angeklagten R. (noch) existieren. Sollte die E. plc. aufgrund eines Vergleiches auf einen Teil ihrer Ansprüche gegen den Angeklagten R. endgültig verzichtet haben, steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Anordnung des Verfalls von Wertersatz hinsichtlich des den Vergleichsbetrag übersteigenden Wertes des Erlangten nicht entgegen (vgl. OLG Zweibrücken StV 2003, 160, 162; Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 23):
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§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB schließt die Verfallsanordnung lediglich in dem Umfang aus, in dem die Anordnung dem Täter das aus der Tat Erlangte zu Lasten des Verletzten entziehen würde ("soweit"). Nach dieser Vorschrift soll eine Konkurrenz zwischen staatlichem Verfallsanspruch, der sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt, und (meist zivilrechtlichen) Schadensersatzansprüchen der Verletzten vermieden werden. Insbesondere soll die doppelte Inanspruchnahme des Täters aufgrund des identischen Lebenssachverhaltes verhindert werden (vgl. Fischer aaO Rdn. 17), ohne dass aber der weitere Grundsatz des Verfallsrechts aus dem Blick geraten darf, nach dem der Täter nichts vom Erlangten behalten darf. Das Gesetz löst dieses Konkurrenzverhältnis dahingehend, dass - soweit Ansprüche des Verletzten bestehen - deren Befriedigung Vorrang vor dem Verfall an den Staat (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB) erhält.
59
Dem Verletzten steht es danach frei, sich mit dem Täter zu einigen und auf einen ihm zustehenden Schadensersatz (oder einen Teil hiervon) zu verzichten. Ein Verzicht des Verletzten kann allerdings nicht den staatlichen Verfallsanspruch nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB begrenzen. Der Verletzte kann zwar frei darüber entscheiden, was er vom Täter herausverlangen will, nicht aber darüber, was dieser aus der Tat erlangt hat (so auch Fischer StGB aaO Rdn. 23). Dies wird in der - freilich erst nach der Tatzeit in Kraft getretenen - Vorschrift des § 111i StPO noch einmal verdeutlicht.
60
Deshalb haben Schadensersatzleistungen des Täters - unabhängig davon , ob sie vor oder nach Erlass des Urteils geleistet wurden - für die Bestimmung der Höhe des aus der Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangten keine Auswirkung. Sie können allerdings im Rahmen der Härteklausel des § 73c StGB Berücksichtigung finden und sind zudem - wie die Kammer berücksichtigt hat - ein bestimmender Strafmilderungsgrund. Darüber hinaus würde die Anordnung des Verfalls den Strafausspruch unberührt lassen (BGH NStZ 1995, 491; NStZ-RR 1996, 129, 130; NStZ 2000, 137; NStZ 2001, 312).
61
ee) Hinsichtlich der A. GmbH ist bislang lediglich festgestellt, dass die Gesellschaft zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen der E. plc. ausgesetzt ist. Sie könnte eine Haftung gemäß § 826 BGB treffen , weil sie von dem Angeklagten F. , der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, in Kenntnis aller haftungsbegründenden Umstände dazu eingesetzt worden ist, Teile des Verkaufserlöses zu vereinnahmen.
62
Die neue Strafkammer wird klären, in welcher Höhe der E. plc. Ansprüche i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB gegenüber der A. GmbH erwachsen sind. Dabei wird sie auch prüfen, ob der - seitens der Strafkammer angenommene - Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegenüber der A. GmbH tatsächlich existiert. Auch hinsichtlich des Angeklagten F. ergibt sich aus den getroffenen Urteilsfeststellungen noch nicht, in welcher Höhe er Ansprüchen der E. plc. ausgesetzt ist.
63
c) Auf der Grundlage der demnach erforderlichen weitergehenden Feststellungen wird das neue Tatgericht erforderlichenfalls prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Härtevorschrift des § 73c StGB der Anordnung des Verfalls von Wertersatz bei den Angeklagten F. und R. sowie bei den Verfallsbeteiligten entgegensteht.

V.

64
Im Hinblick auf die Aufhebung der Verfallsentscheidung und Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die die Verfallsbeteiligten betreffende Kostenentscheidung gegenstandslos. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 443/09
vom
10. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers, am 10. November
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 24. April 2009, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Ausspruch über den Verfall mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Beschwerdeführers, an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; ferner hat es den Verfall des bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldes von 10.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er nur noch die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Ausspruch über den Verfall Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen hält die Anordnung des Verfalls der bei dem Angeklagten sichergestellten 10.000 Euro der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte dieses Geld von dem gesondert verfolgten S. für den Verkauf eines Teils der Beute aus dem zusammen mit den Mitangeklagten Hannes Sch. und Christoph Sch. bei dem Geschädigten F. am 23. September 2008 verübten Diebstahl erhalten. Die an S. verkauften Gegenstände konnten sichergestellt werden und gelangten an den Geschädigten zurück. Über den Verbleib des übrigen Teils der Beute, deren Gesamtwert zwischen 70- und 80.000 EUR betrug, teilt das Urteil nichts mit.
5
Das sichergestellte Geld war danach - wie das Landgericht im Ansatz zu Recht angenommen hat - Surrogat im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB für die entwendeten, an S. veräußerten Teile der Beute. Ansprüche des Verletzten stünden – so das Landgericht – der Anordnung des Verfalls nicht entgegen, weil der Geschädigte die Gegenstände aus der Beute, für deren Veräußerung der Angeklagte die 10.000 EUR erlangt hat, zurückerhalten habe.
6
a) Diese Begründung trägt die Verfallsanordnung des Landgerichts nicht. Zwar hat das Landgericht ersichtlich der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Rechnung tragen wollen, die eine Verfallsanordnung ausschließt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Die Begründung im angefochtenen Urteil greift aber zu kurz.
7
aa) Das Landgericht hat bei seiner Verfallsentscheidung zum Einen nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte aus der Diebstahlstat nicht nur diejenigen Gegenstände im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB „erlangt“ hat, die an den Geschädigten zurückgelangt sind, sondern auch weitere Beutegegenstände , über deren Verbleib das Urteil nichts mitteilt, so dass dem Geschädigten noch (weiter gehende) Ansprüche zustehen können, die im Umfang ihres Bestehens gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer Verfallsanordnung entgegenstehen. Letzteres gilt auch für den Fall der Anordnung des Verfalls eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGH NJW 1986, 1186; Fischer StGB 56. Aufl. § 73 Rdn. 27), und zwar dann, wenn – wie hier – der Verletzte zwar insoweit befriedigt ist, ihm darüber hinaus „aus der Tat“ aber noch weiter gehende Ansprüche erwachsen sind. Denn durch § 73 Abs.1 Satz 2 StGB soll nicht nur eine „doppelte“ Inanspruchnahme des Täters vermieden werden (vgl. BGHR StGB § 73 Anspruch 1; Fischer aaO Rdn. 17), sondern auch, dass die Realisierung von Ansprüchen des Verletzten durch die Anordnung des Verfalls gefährdet wird.
8
Das Landgericht durfte bei der Prüfung der einer Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehenden Ansprüche des Verletzten deshalb nicht allein auf die Teile aus der Beute abstellen, für die der Angeklagte H. die für verfallen erklärten 10.000 EUR erlangt und die der Geschädigte wieder zurück erhalten hat. Vielmehr musste es die gesamte von dem Angeklagten (und den Mitangeklagten) bei der Tat erlangte Beute im Wert von 70.000 bis 80.000 Euro in den Blick nehmen. In diesem Umfang stand dem Geschädigten „aus der Tat“ ein Herausgabeanspruch bzw. im Fall seiner Undurch- führbarkeit ein Schadensersatzanspruch zu. Dass der Geschädigte die Beute insgesamt zurück erhalten hat, ist nicht festgestellt. Damit liegt nahe, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Geschädigte aus dem Diebstahl unbeschadet der an ihn zurück gelangten Teile der Beute, die der Angeklagte H. an S. veräußert hat, noch weiterhin einen Anspruch gegen den Angeklagten (und die Mitangeklagten) zumindest in Höhe des bei dem Angeklagten H. sichergestellten Geldbetrages hat und deshalb die Verfallsanordnung nicht ergehen durfte.
9
bb) Des Weiteren hat das Landgericht nicht bedacht, dass hier über die Anordnung des Verfalls eines Ersatzgegenstandes hinaus die Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73 a StGB zu prüfen war. Soweit dessen Anordnung nur deshalb ausscheidet, weil Ansprüche des Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (vgl. Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 73 a Rdn. 6), musste das Landgericht die durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Neufassung des § 111 i StPO (Gesetz vom 24. Oktober 2006, BGBl. I 2350 ff.) geschaffene Möglichkeit für einen verstärkten Opferschutz durch verbesserte Rückgewinnungshilfe in den Fällen beachten, in denen eine Verfallsanordnung wegen Ansprüchen Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausscheidet (vgl. dazu Senat, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093).
10
b) Durch die Anordnung des Verfalls ist der Angeklagte H. auch beschwert. Auch wenn das Verfahren über die Opferanspruchsbescheidung nach Maßgabe des § 111 i Abs. 2 StPO (vgl. dazu Nack in KK StPO 6. Aufl. § 111 i Rdn. 14 f.) nach Ablauf der Dreijahresfrist (§ 111 i Abs. 3 Satz 1 StPO) gemäß Abs. 5 der Vorschrift zum Auffangrechtserwerb des Staates führt, soweit der Verletzte bis dahin nicht aus den sichergestellten Vermögenswerten Befriedi- gung erlangt hat, stellt sich dies gegenwärtig als die für den Angeklagten gegenüber der Verfallsanordnung günstigere Rechtsposition dar. Denn mit der vom Landgericht getroffenen Verfallsanordnung fällt das Eigentum an den sichergestellten 10.000 EUR gemäß § 73 e StGB unmittelbar an den Staat, ohne dass sich der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Angeklagten (und den Mitangeklagten) entsprechend verringert. Demgegenüber besteht bei der Verfahrensweise nach § 111 i Abs. 2 StPO für den Angeklagten (und die Mitangeklagten) jedenfalls die Chance, in Höhe dieses Betrages von der Verbindlichkeit gegenüber dem Geschädigten Befreiung zu erlangen.
11
c) Ob und inwieweit die Voraussetzungen nach § 111 i StPO wegen (noch) bestehender Gegenansprüche des Geschädigten vorliegen, kann der Senat allein auf der Grundlage der Gründe des angefochtenen Urteils nicht abschließend beurteilen. Insoweit ist deshalb eine neue tatrichterliche Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. dazu Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 111 i Rdn. 8 m.w.N.) geboten.
12
Der neue Tatrichter wird danach unter den Voraussetzungen des § 73 a StGB den dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrag unter Abzug des Wertes der an den Geschädigten zurückgelangten Beuteteile nach Maßgabe von § 111 i Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO festzustellen haben. Die Höhe des Betrages ist hier lediglich mit Blick auf das Verschlechterungsverbot durch den im angefochtenen Urteil angeordneten Verfall begrenzt. Ob der Geschädigte möglicherweise ganz oder teilweise durch eine Versicherung entschädigt worden ist, bleibt bei der – gegebenenfalls im Wege der Schätzung nach § 73 b StGB zu ermittelnden – Höhe des den Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB begrenzenden Gegenanspruchs außer Betracht (BGH, Beschl. vom 10. November 2008 – 3 StR 390/08; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 222 f.; zust. Fischer aaO § 73 Rdn. 23; Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren , 2006, Rdn. 78).
13
3. Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück, da die Verfallsanordnung lediglich im Zusammenhang mit der Diebstahlstat steht und deshalb das weitere Verfahren nicht mehr die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer berührt.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 340/09
vom
20. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2009 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 464 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund vom 12. Februar 2009 im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Angeklagte wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Es wird festgestellt, dass die Angeklagte aus den nachfolgend aufgeführten Taten insgesamt 14.288,70 Euro erlangt hat und die Kammer nur deshalb nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt hat, weil dem die Ansprüche der nachfolgend aufgeführten Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen: 1.: Ziffer 37. der Anklageschrift, Geschädigter V. , 900 €, Ziffer 38. der Anklageschrift, Geschädigter E. , 1.300 € Ziffer 40. der Anklageschrift, Geschädigter H. , 700 €, Ziffer 42. der Anklageschrift, Geschädigte W. und R. K. , 1.300 €, Ziffer 45. der Anklageschrift, Geschädigter S. , 1.000 €, Ziffer 46. der Anklageschrift, Geschädigte F. , 1.300 €, Ziffer 47. der Anklageschrift, Geschädigte I. und J. M. , 2.000 €, Ziffer 48. der Anklageschrift, Geschädigte C. und M. A. , 1.300 €, Ziffer 49. der Anklageschrift, Geschädigter Ma. , 1.300 €, Ziffer 50. der Anklageschrift, Geschädigter Ku. , 1.300 €, Ziffer 52. der Anklageschrift, Geschädigte M. und P. He. , 1.300 €, 2.: Ziffer 59. der Anklageschrift, ARGE N. , 588,70 €, zu 1. und 2. jeweils gesamtschuldnerisch haftend mit R. L. . 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung wird verworfen. 4. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem hat es festgestellt, dass einer Verfallsanordnung Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten führt zur teilweisen Änderung des Urteils.
2
Der Generalbundesanwalt hat dazu u.a. ausgeführt: "Wie sich aus der nach § 274 StPO allein maßgebenden Sitzungsniederschrift (BGHSt 34, 11, 12) ergibt, hat das Landgericht die Angeklagte zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt (Bd. J, Bl. 136), während nach dem Tenor und den Urteilsgründen der Urteilsurkunde auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt wurde. Eine weitere Divergenz besteht insoweit, als das Landgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift festgestellt hatte, dass hinsichtlich der Tat zum Nachteil der ARGE N. aufgrund der Ansprüche der Verletzten in Höhe von 588,70 € nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt wurde (Bd. J, Bl. 137); demgegenüber belaufen sich diese der Verfallsanordnung entgegenstehenden, nach § 111i Abs. 2 StPO festgestellten Ansprüche der ARGE N. nach dem Tenor der schriftlichen Urteilsurkunde auf 12.207,03 €, woraus sich auch ein unterschiedlicher Gesamtbetrag der nach § 111i Abs. 2 StPO festgestellten Ansprüche der Verletzten ergibt. Schließlich besteht ein Unterschied insoweit, als nur nach der in der Sitzungsniederschrift wiedergegebenen Urteilsformel ausgesprochen wurde, dass die Angeklagte für die festgestellten Ansprüche gesamtschuldnerisch mit R. L. hafte (Bd. J, Bl. 137).
...
Demnach enthält das schriftliche Urteil gerade keine die tatsächlich verkündete Gesamtfreiheitsstrafe stützenden Erwägungen. Dieser Rechtsfehler nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils. Vielmehr wird der Senat ausschließen können , dass das Tatgericht auf eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die von einem Jahr und sechs Monaten erkannt hätte. In diesem Fall kann das Revisionsgericht auf diese
niedrigere der beiden Strafen durcherkennen (Senat, Beschluss vom 24. Juli 2007 - 4 StR 311/07; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 369/00; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 46/09).
Hinsichtlich der vom Landgericht getroffenen Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO ist die in der Hauptverhandlung verkündete und damit maßgebliche Entscheidung für die Angeklagte dagegen günstiger als die in der schriftlichen Urteilsurkunde wiedergegebene und begründete En tscheidung, die einen höheren Verfallsbetrag ausweist und zudem keinen Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung enthält. Insoweit ist daher der Rechtsfolgenausspruch entsprechend dem maßgebenden Sitzungsprotokoll abzuändern (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01). Der sich hieraus ergebende Widerspruch zu den Urteilsgründen beschwert die Angeklagte nicht, da es allein auf den verkündeten, ihr günstigeren Urteilstenor ankommt (Senat, Beschluss vom 27. Juni 2000 - 4 StR 184/00; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 1 StR 68/07)."
Dem stimmt der Senat zu.
3
Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
4
Die nicht näher ausgeführte sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist unbegründet, weil sie dem Gesetz entspricht.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 460/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 12. Juni 2008 aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass der Angeklagte aus den dem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten einen Geldbetrag von 73.750 € erlangt hat und dieser Geldbetrag keiner Verfallsanordnung unterliegt, da Ansprüche Verletzter entgegenstehen; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in elf Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Feststellung nach § 111 i Abs. 2 StPO getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und materiellrechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das angefochtene Urteil hält im Ausspruch, dass der Angeklagte aus den dem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten einen Geldbetrag von 73.750 € - dieser entspricht der Summe der bei allen elf Taten erbeuteten Bargeldbeträge - erlangt hat und dieser Geldbetrag keiner Verfallsanordnung unterliegt, da Ansprüche Verletzter entgegenstehen, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ungeachtet dessen, dass das Landgericht die Entscheidung nicht näher begründet , sondern lediglich ausgeführt hat, sie folge aus § 111 i StPO, kann das Urteil insoweit keinen Bestand haben, weil diese Vorschrift nicht auf alle abgeurteilten Fälle Anwendung findet und auch im Hinblick auf den als erlangt festgestellten Geldbetrag nicht frei von weiteren Rechtsfehlern ist.
3
1. § 111 i Abs. 2 StPO ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl I 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Seiner Anwendung auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das mildere alte Recht gilt (BGH NJW 2008, 1093; StV 2008, 226; Beschl. vom 23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08). Danach kommt hier ein Ausspruch nach § 111 i Abs. 2 StPO - unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift - hinsichtlich der bei den ersten vier Taten (Fälle II. 1. bis 4. der Urteilsgründe) insgesamt vom Angeklagten erlangten Beute von 7.700 € nicht in Betracht. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden diese Taten im Zeitraum vom 14. bis 29. Dezember 2006 begangen und vor dem 1. Januar 2007 beendet.
4
2. Das Landgericht hat außerdem in den gemäß § 111 i Abs. 2 StPO bezeichneten Betrag Teile der Beute eingerechnet, die der Angeklagte im Sinne der Verfallsvorschriften nicht erlangt hatte: Nach den Urteilsfeststellungen wurde der Zeuge und Mittäter P. im Fall II. 7. der Urteilsgründe kurz nach Verlassen der Sparkasse in L. festgenommen, nachdem er dort 4.600 € in bar erbeutet hatte; bei ihm sowie in seinem Fahrzeug wurde Bargeld aufgefunden. Im Fall II. 11. der Urteilsgründe wurde der Zeuge und Mittäter K. bei den Abhebungen zum Nachteil der Sparkasse W. festgenommen ; aus seiner Tatbeute wurde Bargeld in Höhe von 2.835 € vorgefunden. Weitergehende Feststellungen, die eine Zurechnung dieser Geldbeträge als (auch) von dem Angeklagten erlangt rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG StV 2004, 409 m. w. N.; Fischer, StGB 56. Aufl. § 73 Rdn. 16), insbesondere dahin, dass der Angeklagte über diese Gelder Mitverfügungsgewalt gewonnen hätte (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 262), hat das Landgericht nicht getroffen.
5
3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung ; denn eine Abänderung des Ausspruchs nach § 111 i Abs. 2 StPO durch den Senat kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden kann, ob das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 Satz 3 StPO die Härtevorschrift des § 73 c StGB geprüft hat, obwohl dies nach den festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten sowie den Feststellungen zum Nachtatgeschehen - der Angeklagte übergab den Mittätern in fast allen Fällen einen Teil der Beute und sandte stets einen weiteren, der Höhe nach nicht festgestellten Anteil an seine Hintermänner in England - geboten gewesen wäre. Ferner unterliegt die Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 StPO dem tatrichterlichen Ermessen (vgl. Nack in KK 6. Aufl. § 111 i Rdn. 17).
6
4. Da die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt sind, können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann weitere Feststellungen treffen, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
7
Der Senat weist im Hinblick auf die differenzierende Regelung von § 111 i Abs. 2 Satz 2 StPO einerseits und Satz 3 andererseits für den Fall einer erneuten Entscheidung nach § 111 i StPO darauf hin, dass nach den Urteilsfeststellungen vom Angeklagten erlangte Teile der Beute sichergestellt wurden (UA S. 18: 3.000 € und 2.400 €), so dass insoweit das Erlangte gemäß § 111 i Abs. 2 Satz 2 StPO zu bezeichnen wäre und nicht in einen nach § 111 i Abs. 2 Satz 3 StPO festzustellenden Geldbetrag eingerechnet werden dürfte.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 487/10
vom
27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2010 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. April 2010 - auch soweit es die Mitangeklagten K. und D. betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit gemäß § 111i Abs. 2 StPO festgestellt ist, dass der Anordnung eines Verfalls in Höhe von 522.500 € Ansprüche von Verletzten entgegenstehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 12 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb, und der Verabredung zu einem schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass der Anordnung eines Verfalls in Höhe von 522.500 € Ansprüche von Verletzten ent- gegenstehen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO richtet. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begingen der Angeklagte, die Mitangeklagten K. und D. sowie zwei weitere Mittäter als Mitglieder einer Bande ab November 2008 sieben Einbruchsdiebstähle, indem sie sich gewaltsam Zutritt zu Supermärkten und Baumärkten verschafften, dort aufgestellte Geldautomaten aufbrachen und das darin befindliche Bargeld entwendeten. In fünf weiteren Fällen blieb es beim Versuch des Einbruchs und in einem weiteren Fall bei der Verabredung hierzu. Der Angeklagte und seine Mittäter erlangten dabei nach den Feststellungen eine Beute von insgesamt 492.055 €. Ohne nähere Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass der Anordnung eines Verfalls in Höhe von 522.500 € gegen jeden Angeklagten Ansprüche von Verletzten entgegenstehen.
3
2. Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO hat schon deshalb keinen Bestand, da angesichts der Höhe des nach den Feststellungen erbeuteten Gesamtbetrages von 492.055 € das Abstellen auf einen Betrag von 522.500 € nicht nachvollziehbar ist. Der neue Tatrichter wird bei der Bestimmung der Höhe eines möglichen Wertersatzverfalls darüber hinaus zu prüfen haben, ob jeder der Angeklagten die gesamte Beute im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB "erlangt" hat und ob gegebenenfalls die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB in Betracht kommt.
4
3. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO auch auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und D. zu erstrecken.
5
4. Soweit das Landgericht hier fehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, die Taten seien in Einzelfällen dadurch erleichtert worden, dass von Seiten der Banken und Sparkassen keine hinreichenden Sicherungen gegen Einbrüche und Diebstähle vorgesehen gewesen und die Taten dem Angeklagten und seinen Mittätern daher sehr leicht gemacht worden seien, beschwert dies den Angeklagten nicht.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 407/10
vom
17. März 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Eine Urkundenfälschung auf der Wahlbenachrichtigungskarte bezüglich des Antrags
auf Erteilung von Briefwahlunterlagen und eine nachfolgende Wahlfälschung unter
Verwendung des aufgrund dieses Antrags ausgegebenen Stimmzettels sind nicht im
Sinne einer Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden, sondern stehen im Verhältnis
von Tatmehrheit zueinander. Der Umstand, dass der Täter die Urkundenfälschung
nur begeht, um in den Besitz der Briefwahlunterlagen zu kommen und den
Stimmzettel selbst ausfüllen zu können, ändert daran nichts.
BGH, Urteil vom 17. März 2011 - 1 StR 407/10 - LG Regensburg
in der Strafsache
gegen
wegen Wahlfälschung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 3. März 2010 in folgenden Fällen aufgehoben :
a) den sieben unter II 1 festgestellten Fällen;
b) Fall II 4;
c) Fall II 5;
d) den beiden unter II 6 festgestellten Fällen;
e) von den unter II 10 festgestellten Fällen im Fall V. H. ;
f) von den unter II 12 festgestellten Fällen im Fall A. J. ;
g) von den unter II 13 festgestellten Fällen im Fall V. J. ;
h) den vier unter II 14 festgestellten Fällen;
i) von den unter II 16 festgestellten Fällen in den Fällen M. und L. K. ;
j) Fall II 18;
k) den drei unter II 19 festgestellten Fällen;
l) von den unter II 20 festgestellten Fällen in den Fällen E. , V. und Va. M. ;
m) von den unter II 23 festgestellten Fällen in den Fällen V. Ro. , L. W. und E. W. ;
n) den beiden unter II 25 festgestellten Fällen;
o) von den unter II 26 festgestellten Fällen im Fall V. R. ;
p) Fall II 27;
q) Fall II 28, sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Jedoch bleiben sämtliche Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Jedoch werden im Urteilstenor die Worte „Verleitung zur Falschaussage“ durch die Worte „Verleitung zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt“ ersetzt.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Der Angeklagte kandidierte bei der Kommunalwahl am 2. März 2008 als Parteiloser auf der Liste der CSU für den Stadtrat von R. . Im Rahmen von Briefwahl füllte er die Stimmzettel von 60 Wahlberechtigten, oft Spätaussiedlern, die teilweise nicht gut deutsch konnten und jedenfalls den Ablauf einer Wahl kaum überblickten, ohne Mitwirkung des jeweiligen Wahlberech- tigten allein nach eigenem Gutdünken aus. In einigen wenigen Fällen waren die Wahlberechtigten bereits im Besitz der für Briefwahl erforderlichen Unterlagen gewesen, als der Angeklagte mit ihnen Kontakt aufnahm. Meistens hatte die Stadtverwaltung, die dabei die einschlägigen Vorschriften „lax“ handhabte, diese Unterlagen auf Grund entsprechender Anträge dem Angeklagten selbst oder über einen Mittelsmann überlassen. Ein solcher Antrag ist auf der Wahlbenachrichtigungskarte vorgedruckt, die jeder Wahlberechtigte vor der Wahl bekommt. Soweit nicht der Wahlberechtigte diesen Antrag auf Veranlassung des Angeklagten selbst unterschrieben hatte, hatte sich der Angeklagte ohne Wissen des Wahlberechtigten dessen Wahlbenachrichtigungskarte verschafft und diese mit dessen Namen unterschrieben oder er hatte einen Angehörigen des Wahlberechtigten hierzu veranlasst.
3
Zu den Briefwahlunterlagen gehört neben dem Stimmzettel auch der Wahlschein. Hierauf sind mehrere eidesstattliche Versicherungen vorgedruckt. In einer von ihnen versichert der Wähler gegenüber dem zuständigen Wahlorgan , dass er den Stimmzettel persönlich gekennzeichnet hat. Diese inhaltlich stets falsche Versicherung an Eides Statt wurde hier in allen Fällen abgegeben, wobei der Angeklagte entweder den Wahlberechtigten selbst hierzu veranlasste oder einen Angehörigen dazu veranlasste, diese Erklärung mit dem Namen des Wahlberechtigten zu unterschreiben. In einigen Fällen unterschrieb er sie mit dem Namen des Wahlberechtigten auch selbst.
4
Nachdem die genannten Vorfälle bekannt wurden, wurden die Stadtratswahl und die gleichzeitig durchgeführte Kreistagswahl für ungültig erklärt; und, die Kreistagswahl nur in R. , wiederholt. Der Angeklagte wurde bei der zweiten Wahl, anders als noch zuvor, nicht gewählt. Er zahlte für Kosten der Wahlwiederholung an die Stadt und den Kreis je 18.000 €.

5
2. Deshalb wurde der Angeklagte wegen „Wahlfälschung in sechzig tatmehrheitlichen Fällen, davon
6
a) in 13 Fällen in Tateinheit mit falscher Versicherung an Eides statt sowie in 47 Fällen in Tateinheit mit Verleitung zur Falschaussage,
7
b) in 28 Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Vergehen der Urkundenfälschung,
8
c) in 11 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem wurden Nebenstrafen gemäß § 45 StGB ausgesprochen.
9
Der Senat bemerkt, dass zum Schuldspruch weder der Tenor noch die Urteilsgründe übersichtlich sind. Im Tenor sind die 60 Fälle scheinbar in 99 Fälle untergliedert. In den Urteilsgründen sind sie, orientiert an Familien und (oder) Adressen, in 28 Abschnitte aufgeteilt. Obwohl sich der Ablauf bezüglich des einzelnen Wählers zu den Unterschriften auf Antrag (Wahlbenachrichtigungskarte ) und Versicherung an Eides Statt (Wahlschein) häufig unterscheidet, ist keine weitere Untergliederung vorgenommen. Die rechtliche Würdigung ist noch differenzierter als im Tenor. Letztlich konnte die Gesamtbewertung des Geschehens hinsichtlich des einzelnen Wählers nur durch das Anlegen von Tabellen nachvollzogen werden (zur Bewertung der Notwendigkeit solcher Tabellen vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - 1 StR 247/09).
10
3. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Sie beantragt (§ 344 Abs. 1 StPO), das gesamte Urteil aufzuheben. Zur Begründung ist hinsichtlich der Schuldsprüche nur vorgetragen , dass - jeweils auf einen Wahlberechtigten bezogen - zwischen der Tat hinsichtlich des Antrags (Wahlbenachrichtigungskarte) und den übrigen Delikten (hinsichtlich des Stimmzettels und des Wahlscheins) keine Tateinheit bestehe.
11
Da in etlichen Fällen hinsichtlich des Antrags auf Erteilung von Briefwahlunterlagen keine Straftat vorliegt, fallen Revisionsantrag und -begründung auseinander (vgl. auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dann bestimmt sich der Anfechtungsumfang regelmäßig nach der Revisionsbegründung (BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Der Senat bemerkt , dass es das Revisionsverfahren erleichtert, wenn - zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft - der Anfechtungsumfang sich ohne weiteres aus der Übereinstimmung von Revisionsantrag und -begründung ergibt und nicht erst durch Auslegung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118).

II.


12
Zum Schuldspruch:
13
Der Senat verschließt sich den Ausführungen der Revision zu den Konkurrenzen nicht. Eine Urkundenfälschung auf der Wahlbenachrichtigungskarte bezüglich des Antrags einerseits und eine Wahlfälschung unter Verwendung des aufgrund dieses Antrags ausgegebenen Stimmzettels (sowie Delikte hin- sichtlich der zugleich auf dem Wahlschein abgegebenen Versicherung an Eides Statt) andererseits stehen nicht in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.
14
1. Der Angeklagte beging die Urkundenfälschungen hinsichtlich der Anträge nur, um in den Besitz der Briefwahlunterlagen zu kommen und die Stimmzettel selbst ausfüllen zu können. Deshalb, so die Strafkammer, seien die Taten beider Komplexe im Sinne einer Bewertungseinheit in Tateinheit verbunden. Diese Auffassung teilt der Senat nicht, ohne dass hier sämtlichen Aspekten der noch nicht vollständig geklärten Rechtsfigur der Bewertungseinheit (vgl. hierzu eingehend Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 23 ff. m. zahlr. w. Nachw.) nachzugehen wäre. Es geht bei einer Bewertungseinheit regelmäßig um einen Tatbestand, der typischerweise im Gesetz in pauschalierender, weit gefasster und verschiedene natürliche Handlungen zusammenfassender Weise beschrieben ist und der dementsprechend trotz mehrerer - nicht wegen teilweisen Zusammenfallens von Tathandlungen oder wegen eines auch räumlich /zeitlich engen Zusammenhangs tateinheitlich verbundener - derartiger Handlungen als nur einmal erfüllt angesehen wird (vgl. zum Fall des Handeltreibens mit [der selben Menge] Betäubungsmitteln grundlegend BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 - 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31; zum Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot, dem „das Element der Wiederholung [einzelner Handlungen] immanent ist“, BGH, Beschluss vom 11. Februar 2000 - 3 StR 486/99, BGHSt 46, 6, 15 sowie Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 466/09, NStZ 2010, 455; weitere Beispiele bei Rissing-van Saan, aaO, Rn. 24 ff.; von Heintschel–Heinegg in MünchKommStGB , § 52 Rn. 41 ff.).
15
2. Eine derartige oder eine damit vergleichbare Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Wahlfälschung wird nicht notwendiger- oder auch nur typischer- weise mittels einer vorangegangenen Urkundenfälschung begangen, noch weniger erstrebt der Täter einer Urkundenfälschung notwendiger- oder typischerweise eine Wahlfälschung. Wahlfälschung einerseits und Urkundenfälschung andererseits sind Delikte mit unterschiedlicher Schutzrichtung. Auch führt allein die Verfolgung eines einheitlichen Ziels nicht dazu, dass derartige Delikte, die aus anderem Grunde nicht tateinheitlich verbunden sind, im Blick auf eine Bewertungseinheit doch tateinheitlich verbunden wären (zur [nicht identischen, aber vergleichbaren] Verneinung einer natürlichen Handlungseinheit trotz eines mit verschiedenen Taten verfolgten einheitlichen Ziels vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1997 - 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68; vgl. auch Eschelbach in SSW StGB § 52 Rn. 31 mwN).
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3. Sind mehrere Tatbestände als tateinheitlich verbunden abgeurteilt, führt ein Rechtsfehler regelmäßig zur Aufhebung dieses Schuldspruchs insgesamt (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08 mwN). Eine zum Schuldspruch abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Es ist nicht völlig klar, wie oft und jeweils wie viele der zu der Wahlfälschung jeweils in Tatmehrheit stehenden Urkundenfälschungen hinsichtlich der Anträge wegen gleichzeitiger Vorlage bei der Stadtverwaltung tateinheitlich verbunden sind. Hierzu ist im Rahmen der Bewertung des Verhaltens der Stadtverwaltung festgestellt , dass in einigen näher genannten Fällen „Unterlagen von drei und mehr Familienmitgliedern“ (offenbar stets unmittelbar nach Vorlage der Anträge) „gleichzeitig abgeholt“ wurden. Daher liegt nahe, dass dies dann, wenn etwa die Anträge für ein Ehepaar (Fälle II 6 und II 25) oder für Wahlberechtigte mit der selben Adresse (Fälle II 1) abgegeben und die Briefwahlunterlagen entgegengenommen wurden, ebenso war. Auch versteht sich nicht von selbst, dass jeweils die Anträge für eine Familie oder die Bewohner eines Hauses gesondert abgegeben wurden.

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4. Sämtliche Feststellungen in den genannten Fällen bleiben jedoch aufrecht erhalten, da sie von dem aufgezeigten Mangel in der rechtlichen Wertung nicht berührt und auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind. Es sind lediglich hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses der in Rede stehenden Urkundenfälschungen ergänzende Feststellungen zu treffen. Auch sonst sind ergänzende Feststellungen zulässig, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.
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5. Hinsichtlich der weiteren, wie dargelegt nicht angefochtenen Fälle wäre im Übrigen auch kein durchgreifender Rechtsfehler ersichtlich. Dennoch hat der Senat in diesen Fällen die Worte „Verleitung zur Falschaussage“ durch die Worte „Verleitung zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt“ ersetzt. Die Tenorierung durch die Strafkammer entspricht allerdings § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach die gesetzliche Überschrift der angewendeten Bestimmung verwendet werden „soll“. Hier ist jedoch § 160 StGB nicht wegen dort in der Überschrift genannter Verleitung(en) zur Falschaussage angewendet worden , sondern wegen in § 160 StGB außerdem noch unter Strafe gestellter Verleitung (en) zur Abgabe falscher Versicherung(en) an Eides Statt. Bei einer solchen Konstellation hält es der Senat für angezeigt, im Urteilstenor nicht die gesetzliche Überschrift der angewendeten Bestimmung zu verwenden. Die zutreffende Kennzeichnung der abgeurteilten Straftat auch und gerade im Urteilstenor hat Vorrang vor der Verwendung einer nicht einschlägigen gesetzlichen Überschrift (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rn. 23 mwN).

III.


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Zum Strafausspruch:
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1. Die auf der Grundlage der Annahme von Tateinheit in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe waren (auch gemäß § 301 StPO) - auch hier unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen - aufzuheben. Allerdings gefährdet allein eine fehlerhafte Beurteilung von Konkurrenzen bei gleich bleibendem Schuld- und Unrechtsgehalt den Strafausspruch meist nicht (st. Rspr., vgl. d. N. bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 58). Es liegt nicht ohne weiteres nahe, dass hier im Ergebnis anderes gelten müsste. Der Senat kann hierüber aber schon deshalb nicht befinden, weil für die Urkundenfälschungen hinsichtlich der Anträge in einigen - Genaueres steht insoweit noch nicht fest - Fällen noch Einzelstrafen festzusetzen sind.
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2. Soweit darüber hinaus die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs beantragt ist, also auch der Einzelstrafen in den Fällen, in denen bezüglich der Anträge keine Urkundenfälschung vorliegt, ist die Revision unbegründet.
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a) Die Staatsanwaltschaft trägt vor, im Blick auf die insgesamt zahlreichen verwendeten unechten Urkunden (gefälschte Anträge und gefälschte Versicherungen an Eides Statt), die insgesamt die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet hätten, lägen besonders schwere Fälle von Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB vor. Träfe dies zu, wären nicht nur ohnehin aufgehobene Einzelstrafen betroffen, sondern auch die Einzelstrafen in den Fällen, in denen zwar keine Urkundenfälschung hinsichtlich des Antrags auf der Wahlbenachrichtigungskarte vorliegt, wohl aber hinsichtlich der Versicherung an Eides Statt auf dem Wahlschein.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB liegen jedoch nicht vor. Dies erforderte nämlich, dass die Vielzahl von Urkunden schon im Rahmen e i n e r Tat im Rechtssinne verwendet worden wäre. Liegen, wie hier, zahlreiche rechtlich selbständige Taten vor, bei denen jeweils eine oder (nach Auffassung der Strafkammer) zwei unechte Urkunden verwendet wurden, so sind nicht die bei sämtlichen Taten benutzten unechten Urkunden zusammenzuzählen und diese Summe dann der Strafzumessung für jede einzelne Tat zu Grunde zu legen. All dies hat auch die Strafkammer zutreffend ausgeführt. Im Einzelfall mag eine Vielzahl ähnlicher Taten und deren Folgen mit ein Grund für die Annahme besonders schwerer Fälle auch ohne Vorliegen eines Regelbeispiels sein; auch diese Möglichkeit hat die Strafkammer gesehen und rechtsfehlerfrei verneint. Im Übrigen ist, wie sonst auch, eine einheitliche Folge mehrerer rechtlich selbständiger Handlungen (vergleichbar etwa psychischen Schäden als Folge einer Serie von Sexualdelikten zum Nachteil des Opfers) bei der Bildung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Auch wenn die Gesamtstrafe hier aufzuheben war, bemerkt der Senat , dass die Urteilsgründe nicht besorgen lassen, dass die Strafkammer diesen Gesichtspunkt aus dem Blick verloren hätte.
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b) Auch im Übrigen beschränkt sich das gegen die Strafzumessung gerichtete Revisionsvorbringen im Wesentlichen auf den Versuch, die tatrichterliche Strafzumessung durch eigene Erwägungen zu ersetzen, ohne damit jedoch die Möglichkeit von - auch im Übrigen nicht ersichtlichen - Rechtsfehlern aufzuzeigen.
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3. Soweit die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist diese Entscheidung im Blick auf die teilweise Aufhebung des Strafausspruchs hinfällig. Der Senat bemerkt jedoch, dass bisher weder auf Grund der Revisionsausfüh- rungen noch sonst erkennbar ist, dass die Strafkammer an irgendeiner Stelle die Grenzen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums überschritten hätte. Soweit die Strafkammer (auch) in diesem Zusammenhang berücksichtigt hat, dass der 1941 geborene Angeklagte seit 2004 an Blasenkrebs erkrankt ist, hält dies die Staatsanwaltschaft für rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte trotz dieser Erkrankung zum Stadtrat kandidiert und die abgeurteilten Taten begangen habe. Mit diesem Vorbringen ist die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht verdeutlicht , die Berücksichtigung schwerer Erkrankung bei der Strafzumessung und ebenso bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung ist unter dem Blickwinkel der Auswirkung der Strafe auf den Täter sachgerecht (BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07 mwN). Soweit die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang ergänzend geltend macht, dass die letzte Krebsoperation „lange vor den Tatzeiten“ erfolgt sei, widerspricht dies den Urteilsgründen. Die letzte, 2007 durchgeführte Krebsoperation lag zum Tatzeitraum maximal etwa ein Jahr zurück, der zu 90 % schwerbehinderte Angeklagte steht unter sog. Krebsüberwachung.
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4. Ob die Nebenstrafen (§ 45 StGB) angefochten sein sollen, mag dahinstehen. Sie bleiben ebenfalls bestehen, da auch insoweit Rechtsfehler weder behauptet, noch sonst ersichtlich sind.
Nack Wahl Elf Graf Sander