Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2017 - 1 StR 163/17

bei uns veröffentlicht am22.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 163/17
vom
22. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220517B1STR163.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 2. November 2016 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer anderweitigen rechtskräftigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, die in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat.
2
1. Aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigten Gründen bleibt der Angriff der Revision auf den Schuldspruch erfolglos.
3
2. Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch schon auf die Sachrüge hin keinen Bestand haben.
4
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat keinen Hang im Sinne des § 64 StGB festgestellt und deswegen die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt. Hierfür hat es darauf abgestellt, dass die Sachverständige bei dem Angeklagten kein Abhängigkeitssyndrom zu diagnostizieren vermochte, da weder Entzugssymptome dokumentiert, noch Organschäden erkennbar seien. Da aber im Einklang mit den vom Angeklagten geschilderten Trinkgewohnheiten eine gewisse Toleranzentwicklung erkennbar sei, liege ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vor. An einem Hang fehle es dennoch, da „die Zeit des problematischen – allein auf den Angaben des Ange- klagten beruhenden – Alkoholkonsums vergleichsweise kurz gewesen sei und eine klinische Vorgeschichte unabhängig von strafrechtlichen Bezügen fehle“. Die Einengung der Interessen des Angeklagten auf den Alkoholkonsum sei zudem noch nicht soweit ausgeprägt, dass von einer eingewurzelten intensiven Neigung gesprochen werden könne. Zwar sei die berufliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten „möglicherweise beeinträchtigt“, sein soziales Umfeld sei aber durch den Alkoholkonsum jedenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen, da er zu Hause keinen Alkohol getrunken habe. Auch gebe es keine Anzeichen einer Verwahrlosung oder eines Kontrollverlustes über den Konsum, er habe vielmehr immer wieder kurzzeitig auf Alkohol verzichten können.
5
b) Diese Ausführungen lassen – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis des Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist und enthalten keine hinreichende und widerspruchsfreie Abwägung aller maßgeblichen Umstände zur Beurteilung des Vorliegens eines Hanges. Hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben , wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 1StR 219/16, NStZ-RR 2017, 7; Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271).
6
Hieran gemessen begegnen die Ausführungen des Landgerichts durchgreifenden Bedenken. Denn es fehlt eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit dem Trinkverhalten des Angeklagten und der sich hieraus für ihn ergebenden Konsequenzen. Hierzu hätte über den – für sich genommen zudem unklaren und mit den Feststellungen in einem gewissen Spannungsverhältnis stehenden – Hinweis auf die vergleichsweise kurze Zeit des problematischen Konsums wegen folgender Umstände Anlass bestanden:
7
So steigerte der Angeklagte ausweislich der Feststellungen bereits knapp zwei Jahre vor der Tat seinen schon etliche Jahre andauernden regelmäßigen Alkoholkonsum weiter. Infolge seines Trinkverhaltens ließ er sich mehrfach krankschreiben und blieb unentschuldigt seinem Ausbildungsplatz fern, was zu einer Kündigung wegen unentschuldigter Fehlzeiten führte. Nach dieser Kündigung steigerte sich der Alkoholkonsum erneut. Ende September 2015, also etwa ein halbes Jahr vor der Tat, beging der deutlich alkoholisierte Angeklagte eine gefährliche Körperverletzung. Auch den folgenden Arbeitsplatz verlor er wenige Wochen vor der hiesigen Tat ebenfalls wegen unentschuldigter und verspätet angezeigter Fehlzeiten. Diese Fehlzeiten gingen darauf zurück, dass der Angeklagte wegen des nächtlichen Alkoholkonsums und dem damit einhergehenden Freizeitverhalten Schwierigkeiten mit dem Aufstehen hatte. Schließlich wies der Angeklagte etwa zwei Stunden nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille auf.
8
Die Ausführungen zu „jedenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt[en]“ Be- ziehungen zum sozialen Umfeld und zu seiner Fähigkeit zum kurzzeitigen Verzicht lassen vor diesem Hintergrund zudem besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Maßstab für die Annahme des Hanges ausgegangen ist. So kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit , Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15 und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15; Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271). Dies gilt umso mehr, als hier das Landgericht von einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit ausgegangen ist, diese trotz zweimaligen Arbeitsplatzverlustes aber nicht als gewichtig genug eingestuft hat. Ebenso wenig steht die Tatsache, dass ein Angeklagter kurzzeitig in der Lage war, seinen Rauschmittelkonsum zu verringern oder einzustellen, dem Vorliegen eines Hanges entgegen (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271 und Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204; vgl. auch Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 7a).
9
c) Da auch die übrigen Voraussetzungen zur Anordnung der Maßregel des § 64 StGB nicht fernliegen, konnte die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen Bestand haben. Dass nur der die Nichtanwendung des § 64 StGB ausdrücklich als rechtsfehlerhaft beanstandende Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
10
d) Ausnahmsweise kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass der Rechtsfehler sich auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
11
„Die rechtsfehlerhaften Ausführungen zum Hang berühren auch den Strafausspruch, da das Landgericht maßgeblich aufgrund der selbstverschuldeten Alkoholintoxikation von einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen hat …“.
12
Dem kann sich der Senat letztlich nicht verschließen. Zwar wird in der Regel auszuschließen sein, dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte (vgl. hierzu BGH,Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28, StV 2017, 29 und vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14 Rn. 23). Hier besteht aber eine vom Landgericht durch einen Verweis hergestellte Verknüpfung zwischen den vom Rechtsfehler behafteten Ausführungen zum Vorliegen eines Hanges und der Strafrahmenwahl. Denn das Landgericht hat trotz Vorliegens einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung keinen Gebrauch gemacht. Hierfür hat es – auf dem Boden der aktuellen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239) – darauf abgestellt, dass es für den Angeklagten voraussehbar war, dass sich sein Risiko der Begehung von Gewaltstraftaten unter Alkoholkonsum erhöht und er sich „uneingeschränkt vorwerfbar“ betrun- ken hat. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ausführungen zum Hang hat es ausgeschlossen, dass der Angeklagte „alkoholkrank war oder aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weit beherrschenden Hangs trank“. Graf Jäger Bellay Cirener Radtke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2017 - 1 StR 163/17

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2017 - 1 StR 163/17 zitiert 6 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 8 6 / 1 3
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 14. Juni 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf einer weiteren Brandstiftung hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich der Angeklagte und M. nachts in der Wohnung von N. und K. auf. Zwischen den deutlich alkoholisierten Personen kam es zu einem Streit. Die von N. alarmierte Polizei verwies den Angeklagten und M. der Wohnung. Beide gingen sodann in der Absicht, an einem anderen Ort weiterzutrinken, zur Wohnung eines Bekannten des M. in den sechsten Stock eines in der Nachbarschaft gelegenen Hauses. Als sie dort niemand antrafen, begab sich der Angeklagte zu der in diesem Haus im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des S. , seines Cousins.
3
Der Angeklagte trat die schlecht gesicherte Wohnungstür auf und gelangte so in die Wohnung. Verärgert darüber, dass auch S. nicht anwesend war, zündete er mit seinem Feuerzeug die dort wegen Sanierungsarbeiten im Schlafzimmer aufgestapelten Möbel an. Es entwickelte sich schnell ein heftiges Feuer, das zur Zerstörung des Fensters, zum weitgehenden Abplatzen des Wandputzes im Schlafzimmer und zu einer starken Verrußung der gesamten Wohnung führte. Der Angeklagte wusste, dass sich in dem Haus mehrere Wohnungen befanden. Die Folgen seiner Brandstiftung - eine längere Unbewohnbarkeit der Wohnung seines Cousins - nahm er billigend in Kauf.
4
M. war an der Brandstiftung nicht beteiligt. Er war nicht mit in die Wohnung hineingegangen, hatte jedoch von draußen mitbekommen, dass es dort zu einem Brand kam, und hatte sodann das Gebäude verlassen. Nachdem einige Zeit vergangen war, kam ihm der Angeklagte nachgelaufen.
5
2. Die Angriffe der Revision gegen den Schuld- und den Strafausspruch bleiben ohne Erfolg. Lediglich ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat insoweit:
6
a) Die beantragte Einholung eines "Glaubwürdigkeitsgutachtens" betreffend die polizeiliche Aussage des Zeugen M. hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler abgelehnt. Sie konnte sich auf die eigene Sachkunde berufen, die ihr durch die Angaben des psychiatrischen Sachverständigen zur Vernehmungsfähigkeit des Zeugen in der Tatnacht vermittelt worden war. Insoweit hatte der Sachverständige einerseits ausgeführt, die unterschiedlichen, logisch nicht immer nachvollziehbaren Angaben des Zeugen bei seiner Vernehmung ließen den Einfluss einer hirnorganischen Störung nicht ausgeschlossen erscheinen und damit im Zusammenwirken mit dem genossenen Alkohol an der Vernehmungsfähigkeit zweifeln. Andererseits sei es möglich, dass der Zeuge inkonsistent geantwortet habe, weil seine Darstellung nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprochen habe. Nachdem sich in der Hauptverhandlung - auch nach Ansicht des Sachverständigen - keinerlei Anhaltpunkte für eine psychische Beeinträchtigung des Zeugen ergeben hatten, hat sich das Landgericht daraufhin rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die teilweisen Ungereimtheiten in der Aussage der Zeugen davon herrührten, dass dieser in der Tatnacht mehr wusste, als er bei der Vernehmung angeben wollte. Vor diesem Hintergrund war die Zuziehung eines Sachverständigen nicht geboten. Mit den Schwächen der Aussage hat sich das Landgericht bei der Beurteilung, ob die den Angeklagten belastenden Angaben zutreffen, im Rahmen der Beweiswürdigung ohne Rechtsfehler auseinandergesetzt.
7
b) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer tatrichterlichen Beweiswürdigung, die der Nachprüfung im Revisionsverfahren standhält (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387). Danach gilt: Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft dessen Überzeugungsbildung nur darauf, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Würdigung des Tatgerichts mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifel- barem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt. Dagegen ist es für die revisionsrechtliche Prüfung ohne Belang, ob die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse zwingend oder auch nur naheliegend sind und eine abweichende Würdigung der Beweise aus der Sicht des Revisionsgerichts ebenso gut möglich oder überzeugender gewesen wäre.
8
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - ausgeschlossen, dass der Brand anders als durch vorsätzliche Brandlegung entstanden ist. Von der Täterschaft des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung keine Aussage gemacht hat, hat es sich aufgrund einer Gesamtschau von Indizien überzeugt. Danach kündigten der Angeklagte und M. kurz vor dem Brand an, in das später vom Brand betroffene Haus gehen zu wollen. Der Angeklagte bestritt , nachdem er von der Polizei in der Tatnacht in der Wohnung seiner Eltern am Küchentisch schlafend und in der Hand ein Feuerzeug haltend angetroffen worden war, bei seiner polizeilichen Vernehmung zwar den Tatvorwurf, räumte aber ein, in der Wohnung seines Cousins gewesen zu sein. Der Zeuge M. belastete bei seiner polizeilichen Vernehmung den Angeklagten dahin, dass dieser in die Wohnung gegangen und aus der Wohnung alsbald ein Lichtschein zu sehen gewesen sei. Dieser Aussage ist das Landgericht gefolgt und hat damit zugleich den Zeugen M. als (Mit)Verursacher des Brandes ausgeschlossen. Es hat dabei die Widersprüche, die sich zwischen den Aussagen gegenüber zwei Polizeibeamten in der Tatnacht und den Bekundungen in der Hauptverhandlung ergeben haben, nicht außer Betracht gelassen, indes mit der Besonderheit der Befragungssituation, insbesondere der fehlenden Information der Vernehmungspersonen über die Hintergründe, sowie mit der Alkoholisierung des Zeugen in der Tatnacht und seinem Bemühen, zwar den Tatver- dacht von sich zu weisen, aber zugleich den Angeklagten nicht übermäßig zu belasten, nachvollziehbar erklärt. Ergänzend hat die Strafkammer darauf abgestellt , dass dem Angeklagten die Zerstörung von Sachen durch Feuer nicht fremd war. Zudem war ein Motiv für den Zeugen, die Wohnung in Brand zu setzen , nicht erkennbar, während nach Darlegungen des gehörten psychiatrischen Sachverständigen für den Angeklagten in der zur Tatzeit herrschenden Stresssituation und der alkoholischen Enthemmung ein Abreagieren durch die Brandlegung in Betracht gekommen ist.
9
3. Das Urteil hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt abgelehnt und dies damit begründet hat, bei dem Angeklagten liege keine Abhängigkeitserkrankung , sondern lediglich ein schädlicher Gebrauch von Alkohol gemäß ICD 10 F10.1 vor. Damit hat das Landgericht einen unzutreffenden Maßstab für die Annahme eines Hangs im Sinne von § 64 StGB angelegt.
10
Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung , immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelgenuss bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen; das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus. Dass der Angeklagte in der Lage war, während der Arbeitszeiten seinen Alkoholkonsum zu unterlassen, steht daher dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204 mwN). Das Landgericht bejaht den konstellativen Faktor der erheblichen Alkoholisierung zur Tatzeit, derentwegen es auch von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Es liegt angesichts der Vorstrafe des Angeklagten sowie der weiteren von der Kammer festgestellten Geschehnisse in der Vergangenheit auch nicht fern, dass die von § 64 StGB vorausgesetzte Gefahr erheblicher künftiger Taten infolge des Hangs festgestellt werden wird. Es sind zuletzt keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich , dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren.
11
Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5).
12
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben. Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 1 5 / 1 5
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Passau vom 9. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben
, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ei- nen Geldbetrag von 2.000 € für verfallen erklärt.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist; im Übrigen ist es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. August 2015 ausgeführt hat, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

4

II.


3
Die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat ausgeführt, dass zwar ein polyvalenter Suchtmittelmissbrauch des Angeklagten in Bezug auf Alkohol, Cannabis, Kokain und Amphetamin bzw. Metamphetamin vorliege, von einem Hang des Angeklagten , alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, könne jedoch nicht ausgegangen werden.
4
Allerdings hat das Landgericht selbst festgestellt, dass der Angeklagte vor 3-4 Jahren begann, auf Partys Ecstasy zu konsumieren. Schon als Jugendlicher hatte er mit Marihuana Kontakt und begann dann auch, dieses selbst zu kaufen, was er ein- bis zweimal werktags, am Wochenende mit Gästen oder abends beim Fernsehen konsumierte. Außerdem konsumierte der Angeklagte Kokain, um den Schlafmangel auszugleichen oder sich nach Stresssituationen Entspannung zu verschaffen. Crystal und Speed konsumierte er ebenfalls, allerdings nicht täglich und nicht intravenös. Zusätzlich trank der Angeklagte täglich zwischen ein und fünf Flaschen Bier, nachdem er den vormals erheblich umfangreicheren Alkoholkonsum auf Drängen seiner Ehefrau reduziert hatte.
5
1. Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen , im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht anzunehmen vermocht. Zwar liege beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor; Anhaltspunkte für eine Depravation oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsstörung seien aber nicht zu Tage getreten. Desgleichen fehlten Anzeichen für eine auf den Drogenkonsum zurückzuführende erhebliche Einschränkung der Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Angeklagten oder relevante Entzugserscheinungen.
6
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
7
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; Urteil vom 15.Mai 2014 – 3StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZRR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen je- doch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
8
3. Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts des festgestellten und zutreffend als polyvalent bezeichneten Suchtmittelmissbrauchs auf, welcher deutlich auf eine den Angeklagten treibende Neigung hindeutet, Alkohol und Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren.
9
Der Bejahung eines Hanges steht im Übrigen nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung keine schweren körperlichen Entzugserscheinungen aufwies; immerhin stellten sich bei ihm Schlafstörungen, grundloses Schwitzen und Juckreiz ein. Zudem traten bei ihm bis zuletzt abendliche Kopfschmerzen und ein Gefühl der Unruhe weiterhin auf.
10
4. Der neue Tatrichter wird deshalb das Vorliegen eines Hanges des Angeklagten , alkoholische Getränke und Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, neu zu beurteilen und auch Feststellungen zu treffen haben, inwieweit ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Drogensucht und den Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten und eine hinreichend konkrete Therapieaussicht besteht.

6

III.

7

11
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; BGH Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 StR 382/08, NStZ-RR 2009, 59). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht ausdrücklich nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

8

Raum Graf Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/08
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte bereits seit seinem 16. Lebensjahr in großen Mengen Alkohol. Ab Anfang des Jahres 2007, mithin auch während des Tatzeitraums, hatte er zwei- oder dreimal wöchentlich einen Vollrausch. Insbesondere an den Wochenenden trank er acht bis zehn halbe Liter Bier und bis zu einer Flasche Wodka täglich. Mit 17 Jahren begann er zusätzlich Haschisch zu rauchen und ab dem 20. Lebensjahr zeitweise täglich Kokain zu schnupfen. Bei Begehung sämtlicher Taten war der Angeklagte alkoholisiert und stand teilweise zusätzlich unter erheblichem Drogeneinfluss. Während des ca. 1 ½ Stunden dauernden Raubgeschehens zum Nachteil der Nebenklägerin trank der Angeklagte mindestens vier Flaschen Bier. Bei Begehung der letzten Tat, bei der es anlässlich seiner Festnahme zu Widerstandsund Körperverletzungshandlungen kam, wies der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Der wegen Körperverletzungsdelikten vorgeahndete Angeklagte weiß, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten neigt. Bei drei der fünf ausgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte infolge einer akuten Alkohol- bzw. Drogenintoxikation im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen, im Übermaß zu sich zu nehmen, "noch nicht" anzunehmen vermocht. Zwar lie- ge beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor, eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeits-, Gesundheits- und Leistungsfähigkeit im Sinne einer schweren süchtigen Fehlhaltung könne bei ihm jedoch noch nicht festgestellt werden.
5
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
6
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Insoweit kann auch dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen erheblich beeinträchtigt ist, indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus.
7
Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten auf. Aber auch die festgestellte Neigung des Angeklagten, unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen, deutet auf eine abhängigkeitsbedingte soziale Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten hin, zumal dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Körperverletzungsde- likten verurteilt worden ist. Der Bejahung eines Hanges steht demgegenüber nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung körperliche Entzugserscheinungen nicht aufwies, mithin eine körperliche Abhängigkeit (noch) nicht festgestellt werden konnte. Ebenso wenig ist für die Annahme eines Hanges - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - erforderlich, dass bei dem Täter infolge der Rauschmittelabhängigkeit bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. BGH NStZ 2007, 697; BGH NStZ-RR 2008, 8).
8
Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nahe mit Blick auf dessen Neigung, nach übermäßigem Rauschmittelkonsum Aggressionshandlungen - wie sie hier mit Ausnahme der Trunkenheitsfahrt durchweg vorliegen - zu begehen. Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, ergeben die bisherigen Feststellungen nicht.
9
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB n.F. zu beachten haben.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 0 3 / 1 5
vom
2. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 5. November 2014 aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung "und des Sichverschaffens" [gemeint: und mit Sichverschaffen] von Betäubungsmitteln" und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Sie wendet sich zwar mit Einzelausführungen nur dagegen, dass eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist; indes erhebt sie auch die allgemeine Sachbeschwerde und ist mit dem Antrag verbunden, das Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Damit ist die Revision zulässig (zur Unzulässigkeit einer ausschließlich gegen die Ablehnung einer Unterbringung gerichteten Revision des Angeklagten vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 3 StR 414/12 juris). Sie hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Während der Schuld- und der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
3
1. Die Strafkammer hat das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB beim Angeklagten verneint und dazu ausgeführt, der Angeklagte konsumiere zwar "in erheblichem Umfang und regelmäßig Alkohol und Cannabis, wobei der Konsum auch Hintergrund für Straftaten" sei. Allerdings nehme "der Konsum bei ihm keine derart zentrale Stellung ein, wie es erforderlich wäre". Dies ergebe sich "aus den umfassenden Ausführungen des Sachverständigen", denen die Kammer folge. Die "Substanzabhängigkeit" des Angeklagten sei deshalb "für die Kammer ebenso nachvollziehbar wie die Schlussfolgerung, dass hierdurch ein Hang im Sinne des § 64 StGB nicht bedingt" werde (UA S. 26).
4
2. Dem stehen in zweierlei Hinsicht durchgreifende Rechtsbedenken entgegen.
5
a) Zum einen ist das Landgericht von einem zu engen Begriff des Hangs ausgegangen. Hierfür ausreichend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Nach den Feststellungen liegt es nahe, dass es sich bei der Tat um eine solche, der Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienende Kriminalität handelte. Der Angeklagte konsumierte ab dem Alter von 17 Jahren "regelmäßig" Haschisch. Auch nach Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 2010 "trank er viel und nahm Drogen" (UA S. 4). Dementsprechend musste er schon im Alter von 15 Jahren wegen Besitzes und Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 45 JGG ermahnt werden, 2007 wurde er wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten und 2013 unter anderem wegen desselben Delikts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat beging der Angeklagte mit seinen beiden Mittätern, um Betäubungsmittel und Geld zu erbeuten. Den Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten hat das Landgericht deshalb auch als "Hintergrund" der Tat und diese wiederum im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung betreffend den Mitangeklagten B. auch als "Beschaffungstat" eingeordnet (UA S. 26).
6
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Substanzmissbrauch des Angeklagten nicht "in einem solchen Ausmaß im zentralen Mittelpunkt von dessen Lebensführung" stehe, "dass sich daraus ein unmittelbarer, ständiger, seine sozialen und persönlichen Handlungsfähigkeiten beeinträchtigender störender oder schädlicher Einfluss" ergeben habe (UA S. 25), wird dies von den Feststellungen, die zu den persönlichen Umständen des Angeklagten wenig enthalten, nicht belegt. Hinzu kommt, dass in einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Drogenkonsum zwar ein Indiz für die Existenz eines Hangs liegt, dessen Fehlen indes den Hang nicht ausschließt (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271 (nur LS)).
7
b) Zum anderen leidet das Urteil an einem Darstellungsmangel: Wenn sich der Richter ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen hat, dann muss er im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergegeben , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 - 5 StR 168/14, NStZ-RR 2014, 244; vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 19. November 2014 - 4 StR 497/14, NStZ-RR 2015, 71 (nur LS)). Dies ist hier unterblieben.
8
3. Ob die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorliegen, bedarf deshalb - mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der erneuten Prüfung durch den Tatrichter.
9
Der Senat schließt aus, dass die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Maßregel Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat.
Schäfer Pfister Hubert Mayer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 8 6 / 1 3
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 14. Juni 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf einer weiteren Brandstiftung hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich der Angeklagte und M. nachts in der Wohnung von N. und K. auf. Zwischen den deutlich alkoholisierten Personen kam es zu einem Streit. Die von N. alarmierte Polizei verwies den Angeklagten und M. der Wohnung. Beide gingen sodann in der Absicht, an einem anderen Ort weiterzutrinken, zur Wohnung eines Bekannten des M. in den sechsten Stock eines in der Nachbarschaft gelegenen Hauses. Als sie dort niemand antrafen, begab sich der Angeklagte zu der in diesem Haus im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des S. , seines Cousins.
3
Der Angeklagte trat die schlecht gesicherte Wohnungstür auf und gelangte so in die Wohnung. Verärgert darüber, dass auch S. nicht anwesend war, zündete er mit seinem Feuerzeug die dort wegen Sanierungsarbeiten im Schlafzimmer aufgestapelten Möbel an. Es entwickelte sich schnell ein heftiges Feuer, das zur Zerstörung des Fensters, zum weitgehenden Abplatzen des Wandputzes im Schlafzimmer und zu einer starken Verrußung der gesamten Wohnung führte. Der Angeklagte wusste, dass sich in dem Haus mehrere Wohnungen befanden. Die Folgen seiner Brandstiftung - eine längere Unbewohnbarkeit der Wohnung seines Cousins - nahm er billigend in Kauf.
4
M. war an der Brandstiftung nicht beteiligt. Er war nicht mit in die Wohnung hineingegangen, hatte jedoch von draußen mitbekommen, dass es dort zu einem Brand kam, und hatte sodann das Gebäude verlassen. Nachdem einige Zeit vergangen war, kam ihm der Angeklagte nachgelaufen.
5
2. Die Angriffe der Revision gegen den Schuld- und den Strafausspruch bleiben ohne Erfolg. Lediglich ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat insoweit:
6
a) Die beantragte Einholung eines "Glaubwürdigkeitsgutachtens" betreffend die polizeiliche Aussage des Zeugen M. hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler abgelehnt. Sie konnte sich auf die eigene Sachkunde berufen, die ihr durch die Angaben des psychiatrischen Sachverständigen zur Vernehmungsfähigkeit des Zeugen in der Tatnacht vermittelt worden war. Insoweit hatte der Sachverständige einerseits ausgeführt, die unterschiedlichen, logisch nicht immer nachvollziehbaren Angaben des Zeugen bei seiner Vernehmung ließen den Einfluss einer hirnorganischen Störung nicht ausgeschlossen erscheinen und damit im Zusammenwirken mit dem genossenen Alkohol an der Vernehmungsfähigkeit zweifeln. Andererseits sei es möglich, dass der Zeuge inkonsistent geantwortet habe, weil seine Darstellung nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprochen habe. Nachdem sich in der Hauptverhandlung - auch nach Ansicht des Sachverständigen - keinerlei Anhaltpunkte für eine psychische Beeinträchtigung des Zeugen ergeben hatten, hat sich das Landgericht daraufhin rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die teilweisen Ungereimtheiten in der Aussage der Zeugen davon herrührten, dass dieser in der Tatnacht mehr wusste, als er bei der Vernehmung angeben wollte. Vor diesem Hintergrund war die Zuziehung eines Sachverständigen nicht geboten. Mit den Schwächen der Aussage hat sich das Landgericht bei der Beurteilung, ob die den Angeklagten belastenden Angaben zutreffen, im Rahmen der Beweiswürdigung ohne Rechtsfehler auseinandergesetzt.
7
b) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer tatrichterlichen Beweiswürdigung, die der Nachprüfung im Revisionsverfahren standhält (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387). Danach gilt: Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft dessen Überzeugungsbildung nur darauf, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Würdigung des Tatgerichts mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifel- barem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt. Dagegen ist es für die revisionsrechtliche Prüfung ohne Belang, ob die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse zwingend oder auch nur naheliegend sind und eine abweichende Würdigung der Beweise aus der Sicht des Revisionsgerichts ebenso gut möglich oder überzeugender gewesen wäre.
8
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - ausgeschlossen, dass der Brand anders als durch vorsätzliche Brandlegung entstanden ist. Von der Täterschaft des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung keine Aussage gemacht hat, hat es sich aufgrund einer Gesamtschau von Indizien überzeugt. Danach kündigten der Angeklagte und M. kurz vor dem Brand an, in das später vom Brand betroffene Haus gehen zu wollen. Der Angeklagte bestritt , nachdem er von der Polizei in der Tatnacht in der Wohnung seiner Eltern am Küchentisch schlafend und in der Hand ein Feuerzeug haltend angetroffen worden war, bei seiner polizeilichen Vernehmung zwar den Tatvorwurf, räumte aber ein, in der Wohnung seines Cousins gewesen zu sein. Der Zeuge M. belastete bei seiner polizeilichen Vernehmung den Angeklagten dahin, dass dieser in die Wohnung gegangen und aus der Wohnung alsbald ein Lichtschein zu sehen gewesen sei. Dieser Aussage ist das Landgericht gefolgt und hat damit zugleich den Zeugen M. als (Mit)Verursacher des Brandes ausgeschlossen. Es hat dabei die Widersprüche, die sich zwischen den Aussagen gegenüber zwei Polizeibeamten in der Tatnacht und den Bekundungen in der Hauptverhandlung ergeben haben, nicht außer Betracht gelassen, indes mit der Besonderheit der Befragungssituation, insbesondere der fehlenden Information der Vernehmungspersonen über die Hintergründe, sowie mit der Alkoholisierung des Zeugen in der Tatnacht und seinem Bemühen, zwar den Tatver- dacht von sich zu weisen, aber zugleich den Angeklagten nicht übermäßig zu belasten, nachvollziehbar erklärt. Ergänzend hat die Strafkammer darauf abgestellt , dass dem Angeklagten die Zerstörung von Sachen durch Feuer nicht fremd war. Zudem war ein Motiv für den Zeugen, die Wohnung in Brand zu setzen , nicht erkennbar, während nach Darlegungen des gehörten psychiatrischen Sachverständigen für den Angeklagten in der zur Tatzeit herrschenden Stresssituation und der alkoholischen Enthemmung ein Abreagieren durch die Brandlegung in Betracht gekommen ist.
9
3. Das Urteil hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt abgelehnt und dies damit begründet hat, bei dem Angeklagten liege keine Abhängigkeitserkrankung , sondern lediglich ein schädlicher Gebrauch von Alkohol gemäß ICD 10 F10.1 vor. Damit hat das Landgericht einen unzutreffenden Maßstab für die Annahme eines Hangs im Sinne von § 64 StGB angelegt.
10
Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung , immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelgenuss bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen; das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus. Dass der Angeklagte in der Lage war, während der Arbeitszeiten seinen Alkoholkonsum zu unterlassen, steht daher dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204 mwN). Das Landgericht bejaht den konstellativen Faktor der erheblichen Alkoholisierung zur Tatzeit, derentwegen es auch von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Es liegt angesichts der Vorstrafe des Angeklagten sowie der weiteren von der Kammer festgestellten Geschehnisse in der Vergangenheit auch nicht fern, dass die von § 64 StGB vorausgesetzte Gefahr erheblicher künftiger Taten infolge des Hangs festgestellt werden wird. Es sind zuletzt keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich , dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren.
11
Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5).
12
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben. Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 421/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Verden vom 7. Juli 2011

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte
wegen räuberischer Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen
und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe verurteilt
ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine
Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "räuberischer Erpressung und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen nötigte der Angeklagte die drei Geschädigten durch eine einheitliche Bedrohung mit Körperverletzungshandlungen jeweils zur Herausgabe von Bargeld. Damit hat er sich - wie das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend darlegt - der räuberischen Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR 207/99, NStZ 1999, 618, 619). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
3
2. Keinen Bestand haben kann das angefochtene Urteil, soweit es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.
4
a) Nach den getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte seit dem Jahr 2000 Haschisch; binnen zwei Jahren steigerte er den Konsum bis hin zum täglichen Gebrauch. Hinzu kam erstmals im Jahr 2002 Alkohol, den der Angeklagte vermehrt nach Ende der zweiten Inhaftierung im Januar 2008 trank. Soweit er einer Arbeit nachging, konnte er den Alkoholkonsum jedoch unterlas- sen. Eine kurze Zeit lang injizierte er in geringen Mengen Heroin, ließ hiervon jedoch ohne therapeutische oder medikamentöse Unterstützung während seiner ersten Inhaftierung ab. Er konsumiert derzeit täglich bis zu drei "6er-Träger" Bier über den Tag verteilt und "gelegentlich bis zu ca. 2 Gramm Haschisch, wobei ihm ein täglicher Konsum aufgrund seiner finanziellen Situation aber nicht möglich ist. Dazu kommt gelegentlicher Kokainkonsum, wenn ihm diese Droge angeboten wird oder er finanziell zum Erwerb in der Lage ist."
5
Im Jahr 2003 wurde der Angeklagte u.a. wegen mehrfacher Raub-, Erpressungs - und Diebstahlsdelikte zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Taten hatte er zur Finanzierung seines Haschischkonsums begangen. Im September 2008 wurde gegen den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt. Auch hier sollte der Beuteerlös zum Erwerb von Drogen verwendet werden.
6
Vor den hier abgeurteilten Taten konsumierte der Angeklagte zunächst seit dem Nachmittag im Verlauf mehrerer Stunden zwei bis drei Bier á 0,5 Liter sowie ca. eine halbe Flasche Wodka. Am Abend trank er in einer Diskothek nicht näher feststellbare Mengen Bier und Wodka, rauchte zwei Joints und "zog sich 1-2 'Nasen' Kokain". Auf dem Heimweg beging er die Erpressungen. Mit dem erbeuteten Bargeld begab er sich unmittelbar in eine benachbarte Tankstelle und kaufte dort u.a. einen "6er-Träger Bier". Eine im Rahmen der anschließenden Festnahme durchgeführte Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 1,78 Promille. Nachdem der Angeklagte die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbracht hatte, wurde er am frühen Morgen des 6. Dezember 2009 entlassen. Anschließend trank er im Verlauf des Tages weiter Alkohol in nicht näher feststellbarer Menge. Als er wegen des Waffendelikts am selben Tag erneut festgenommen worden war, wurde bei einem nochmaligen Atemalkohol- test ein Wert von 1,82 Promille festgestellt. Das Landgericht ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Erpressungstaten infolge vorangegangenen Alkoholkonsums erheblich vermindert war. Eine Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung hat es u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Lebensverhältnisse des Angeklagten seit den Taten nicht entscheidend verändert haben, er nach wie vor arbeitslos sei und auch weiterhin Drogen konsumiere.
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b) Vor diesem Hintergrund hätte sich das Landgericht gedrängt sehen müssen zu prüfen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§ 64 StGB); denn die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum hat, die Erpressungen von ihm im Rausch begangen wurden oder zumindest auf seinen Hang zurückgehen und die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
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Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung , immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 mwN). Ein solches Verhalten belegen die Urteilsfeststellungen. Der Angeklagte konsumiert bereits seit über zehn Jahren nach Möglichkeit täglich Haschisch , zudem mehrere Liter Bier und anderen Alkohol sowie nach Verfügbarkeit auch Kokain; die Veränderung von Lebensumständen vermag ihn davon nicht abzuhalten. Dass es dem Angeklagten in früheren Zeiten gelungen ist, den kurzzeitig betriebenen geringen Heroinkonsum ohne therapeutische Hilfe einzustellen, kann zwar indiziell gegen einen Hang sprechen. Für sich betrachtet führt dieser Umstand jedoch nicht dazu, eine Abhängigkeit oder Neigung des Angeklagten hinsichtlich der anderen von ihm konsumierten Rauschmittel zu verneinen.
9
Die Umstände legen auch nahe, dass der Angeklagte Alkohol und Drogen im Übermaß konsumiert. Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 mwN). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelgenuss bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen; das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198). Dass der Angeklagte im Falle einer Beschäftigung in der Lage war, seinen Alkoholkonsum zu unterlassen, steht daher dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen, zumal der Angeklagte nach den Feststellungen bislang im Wesentlichen ohne Arbeit ist. Nahe liegt demgegenüber ein Hang insbesondere bei Beschaffungskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210), die hier jedenfalls bei den zwei Vorstrafen vom 11. Juni 2003 und vom 17. September 2008 festgestellt wurde. Auch mit den hier abgeurteilten Erpressungen wollte sich der Angeklagte Geld beschaffen , um sich Alkohol und Marihuana besorgen zu können.
10
Die Erpressungen beging der Angeklagte unter dem Einfluss von Rauschmitteln und durch diese enthemmt. Das erbeutete Geld setzte er unver- züglich noch vor Ort in Alkohol um. Es liegt daher nahe, dass er diese Taten im Rausch beging oder sie zumindest auf einen Hang zum Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum zurückgingen. Im Hinblick auf seine - auch einschlägigen - früheren Straftaten liegt es auch nicht fern, dass die von § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzte Gefahr erheblicher künftiger Taten infolge eines Hanges vorliegt.
11
Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 - 2 BvL 3/90 u.a., NStZ 1994, 578), zumal das Landgericht bislang nicht zu klären vermochte, weshalb eine Drogentherapie in früherer Zeit unterblieben ist.
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c) Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5), er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
13
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen
eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar
signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob
dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu
bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter
revisionsgerichtlicher Überprüfung.
BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04
LG Potsdam

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten G ,
Rechtsanwalt V
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2003 in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten G und M mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten M gegen dieses Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung jeweils – unter Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Alkoholisierung – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen lediglich den Strafausspruch beanstandet, wendet sich der Angeklagte M mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts spricht der Angeklagte G seit dem Jugendalter dem Alkohol zu und ist deutlich alkoholgewöhnt. Er ist mehrfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, darunter auch Trunkenheit im Verkehr, vorbestraft. Am Tattag hatte er von den frühen Morgenstunden an über den Tag verteilt mehrere Flaschen Bier getrunken, bevor er mit dem ebenfalls bereits angetrunkenen, bislang unbestraften Angeklagten M den später Geschädigten Pi in der Absicht aufsuchte, diesen zu mißhandeln. Die Angeklagten hatten über Pi das von ihnen nicht weiter überprüfte Gerücht gehört, er habe ein kleines Mädchen vergewaltigt. Gemeinsam wollten beide „ihre Freude an Gewalttätigkeit an ihm ausleben“.
In der Wohnung von Pi schlugen und traten die Angeklagten sogleich auf diesen ein und forderten ihn auf zuzugeben, daß er das Mädchen vergewaltigt habe. Der Geschädigte mußte in einem vom Angeklagten G gesteuerten PKW zu dem wegen Beihilfe an dem strafbaren Geschehen inzwischen rechtskräftig verurteilten K mitkommen. Dort mißhandelten G und M ihr Opfer unter Beschimpfungen weiter, so daß Pi schließlich im Gesicht blutete und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Anschließend fuhren alle gemeinsam mit dem Auto des G zu einem Imbiß und sodann über Land; der Geschädigte mußte nun in den Kofferraum steigen. An einem Wehr wurde er von den Angeklagten halb entkleidet und in das 15 bis 18 Grad kalte Wasser gestoßen. Nach einiger Zeit zogen die Angeklagten den Geschädigten schließlich wieder an Land, traten auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor, und ließen ihn halbnackt und bewußtlos liegen. Pi erlitt durch die Mißhandlungen der Angeklagten vielfache Prellungen, eine Rippenfraktur und eine – unbehandelt lebensgefährliche – traumatische Hirnblutung, zudem eine Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen. Während des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens hatten
beide Angeklagte nicht unerhebliche Mengen Bier und andere alkoholische Getränke zu sich genommen.
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund der Alkoholisierung der Angeklagten und dadurch verursachter erheblicher Verminderung der „Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit“ (richtig: Steuerungsfähigkeit, vgl. Tröndle /Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.) verschoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Trunkenheit desAngeklagten G sei am Tattag nicht verschuldet gewesen, weil er bislang weitgehend vom Alkohol beherrscht wurde; mangels Einlassung des Angeklagten M auch sei zu dessen Gunsten davon auszugehen, daß seine Trunkenheit unverschuldet gewesen sei.

II.


Die auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Wie sich aus der Revisionsbegründungsschrift vom 24. September 2003 ergibt, sollen allein die zugunsten der Angeklagten vorgenommenen Strafrahmenverschiebungen und damit die verhängten Rechtsfolgen angegriffen werden; nur insoweit wird die Sachrüge ausgeführt. Ungeachtet der Erhebung einer nicht ausdrücklich beschränkten Sachrüge und eines umfassenden Aufhebungsantrags ist dem Revisionsvortrag deshalb eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 364/03). Diese Beschränkung ist auch wirksam, da die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch weder widersprüchlich oder lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig noch mit den Feststellungen zum Strafausspruch untrennbar verknüpft sind. Für die Frage der
Strafzumessung bilden die Feststellungen zum Schuldspruch eine tragfähige Grundlage, auch wenn sie – was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend angedeutet hat – eine weitergehende strafrechtliche Bewertung des Geschehens zum Nachteil der Angeklagten hätten rechtfertigen können.
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei aufgrund von plausiblen Trinkmengenangaben des Angeklagten G , von Zeugenbeschreibungen über den Zustand der Angeklagten und eines insgesamt auf erhebliche Enthemmung hindeutenden Tatbildes bei beiden Angeklagten sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gleichwohl zu Recht die zu Gunsten der Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.

a) Der 3. Strafsenat hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die bisherige – in sich eher uneinheitliche und teils sogar widersprüchliche – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich überdacht werden sollte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31 mit Anmerkungen : Foth NStZ 2003, 597; Frister JZ 2003, 1019; Neumann StV 2003, 527; Scheffler Blutalkohol 2003, 449; Streng NJW 2003, 2963; zustimmend der 2. Strafsenat in BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32). Der Senat pflichtet diesem Anliegen bei, gelangt indes zu dem folgenden differenzierenden und bisheriger Rechtsprechung nicht tragend widersprechenden Ergebnis:
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen , sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) Die vom Senat gefundene Lösung beruht insbesondere auf folgenden Erwägungen:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit grundsätzlich den Schuldgehalt der Tat vermindert (vgl. BGHSt 7, 28, 30; BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; so auch schon RGSt 69, 314, 317). Dies allein zwingt jedoch nicht zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Dem Tatrichter ist in Fällen erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB grundsätzlich ein Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt , ob er aufgrund dieses Umstandes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB durch eine Verschiebung des anzuwendenden Strafrahmens mildert oder nicht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 21 StGB „kann“ die Strafe lediglich gemildert werden; weder „muß“ noch „soll“ der Strafrahmen verschoben werden. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB für sich allein weder zwingend noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung des Schuldumfangs führt (vgl. auch Foth in Festschrift für Hannskarl Salger, 1995, S. 31, 37).
Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann nämlich durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden
(st. Rspr., vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 20 ff. m.w.N.; BVerfGE 50, 5, 11 f.). Der 3. Strafsenat sieht einen solchen Umstand generell in jeder vorwerfbar herbeigeführten Alkoholisierung (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dabei kommt indes nicht ausreichend zur Geltung , daß jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Notwendige Elemente solcher Fahrlässigkeit sind Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv). Bezugspunkt des schulderhöhenden Moments muß zudem das konkret begangene Unrecht sein; es bedarf also einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen rechtswidrigen Handlung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 22).
Trotz verbreiteten vielfachen Alkoholgebrauchs und -mißbrauchs kommt es nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat. Häufig ist eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen (vgl. Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 224). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Alkohol das Risiko der Begehung strafbarer Handlungen generell erhöht; ein großer Teil der Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird unter Alkoholeinfluß begangen. Dieser Befund rechtfertigt indes nicht die Annahme, es sei stets objektiv und subjektiv vorhersehbar, daß bei erheblicher Alkoholisierung in der konkreten Situation die Begehung von Straftaten durch den Betrunkenen drohe. Dies hängt vielmehr von der jeweiligen Person des Täters und von der Situation ab, in der getrunken wird oder in die sich der Täter betrunken begibt.
(1) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafmilderung bei erheblicher Alkoholisierung zu versagen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wußte oder wissen mußte, daß er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; vgl. Trönd-
le/Fischer aaO § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Damit kommt es also darauf an, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise zusätzlich gefordert wird, der Täter müsse schon zuvor nach Ausmaß und Intensität mit der jetzigen Tat vergleichbare Straftaten begangen haben (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6, 14, 16; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 20), hält der Senat daran nicht fest. An die Vergleichbarkeit sind schon nach bisheriger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4). Zu differenzieren ist hier allenfalls nach weit zu fassenden Deliktsgruppen. Wer unter dem Einfluß erheblicher Mengen Alkohol – wie er aufgrund persönlicher Vorerfahrung weiß oder wissen muß – zu gewalttätigen Übergriffen auf andere neigt, den trifft in Hinblick auf die enthemmende Wirkung des Alkohols in Fällen der Gewaltkriminalität grundsätzlich ein schulderhöhender Fahrlässigkeitsvorwurf; anderes gilt nur, wenn die bisher unter Alkoholeinfluß begangenen Straftaten ganz anderer Art waren als die nunmehr zu beurteilende, wenn also die neue Tat so unvergleichbar mit den früheren ist, daß der Täter mit Ähnlichem gar nicht re chnen kann (BGHR aaO). Entscheidend ist somit regelmäßig nicht die äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens (Jähnke aaO § 21 Rdn. 22).
Bei alldem müssen die Vorerfahrungen nicht unbedingt zu Vorstrafen oder auch nur Strafverfahren geführt haben. Denn es geht in diesem Zusammenhang um das Wissen des Täters von seiner Gefährlichkeit und nicht notwendig um den – gegebenenfalls hinzutretenden – Gesichtspunkt der Warnfunktion einer früheren Verurteilung.
(2) Die Gefahr der Begehung von Straftaten in erheblich alkoholisiertem Zustand kann indes signifikant und vorhersehbar nicht nur durch die Person des Täters, sondern auch durch die Umstände der jeweiligen Situati-
on erhöht werden. Wer in einer gefahrträchtigen Lage in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich mit einer gewissen Leichtfertigkeit in die Tatsituation gebracht hat (BGH NStZ 1990, 537, 538). Vorwerfbar ist dabei, daß in einer solchen Situation trotz konkreter Vorhersehbarkeit der durch eine weitere Alkoholisierung drohenden Rechtsbrüche getrunken wird (vgl. auch Jähnke aaO). Insbesondere in stark emotional aufgeladenen Krisensituationen wird die Gefahr von Gewalttätigkeiten durch die enthemmende Wirkung erheblicher Alkoholisierung regelmäßig vorhersehbar erhöht (vgl. BGH NStZ 1990, 537, 538). Gleiches gilt für das Trinken in Gruppen, aus denen heraus – gerade auch aufgrund gruppendynamischer Prozesse – leicht Straftaten gegen andere begangen werden. Wer sich etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler betrinkt, muß konkret mit der Begehung von Straftaten im trunkenen Zustand rechnen. Die Alkoholisierung kann – wenn nicht bereits die Grundsätze der actio libera in causa eine Strafmilderung ausschließen – auch nicht demjenigen zugute kommen, der sich in Fahrbereitschaft betrinkt, also weiß oder damit rechnen muß, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 316 Rdn. 54; König in LK 11. Aufl. § 316 Rdn. 243).
Es macht für die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB auch keinen relevanten Unterschied, ob der Täter in einer erkennbar gewaltträchtigen Situation enthemmend dem Alkohol zuspricht oder sich, sofern ihm dies insoweit vorzuwerfen ist, bereits durch Trunkenheit enthemmt, bewußt in eine solche Situation begibt. Wer sich schon angetrunken einer gewaltbereiten Gruppe anschließt, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er trotz der bekanntermaßen enthemmenden Wirkung seiner Alkoholisierung eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat.
In diesem Zusammenhang muß es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch
letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkoholabhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche , aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustandes von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früher unter Alkoholeinfluß begangener Straftaten – und je schwererwiegend die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muß, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).
(3) Auch in anderer Weise kann an ein konkret tatbezogenes Verschulden des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit aufgrund vorhergehender schulderhöhender Momente versagt werden. So hat nach den Grundsätzen der – im Rahmen des § 21 StGB unproblematisch anwendbaren (vgl. Lenckner/Perron aaO § 21 Rdn. 11 m.w.N.) – actio libera in causa eine Strafmilderung regelmäßig auszuscheiden, wenn sich die Vorstellung des Täters in nicht berauschtem Zustand schon auf eine bestimmte Tat bezogen hat (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3; § 21 Strafrahmenverschiebung 22; BGH NStZ 1999, 448). Wurde der Tatentschluß zu einer Zeit gefaßt, in der eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens noch nicht vorlag, wird deshalb zumeist für eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum sein (vgl. BGHSt 34, 29, 33; BGH, Beschluß vom 15. April 1999 – 4 StR 93/99, zitiert bei Detter NStZ 1999, 495; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3). Verstärkt gilt dies, wenn
der Täter sich gar gezielt berauscht hat, um hierdurch vorhandene Hemmungen gegen eine Tatausführung abzubauen.
(4) Die Wertung, ob im Falle erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit der Strafrahmen gemildert werden soll oder nicht, hat grundsätzlich der Tatrichter anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4 und Strafrahmenverschiebung 21). Ihm obliegt es auch, die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei vorwerfbarer Alkoholisierung anhand der besonderen Umstände in der Person des Täters und in der Situation des Tatgeschehens in wertender Betrachtung auszufüllen. Seine Bewertung wird das Revisionsgericht, wenn sie auf einer vollständigen Auswertung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen beruht, regelmäßig hinzunehmen haben, auch wenn anderes vertretbar oder gar näherliegend gewesen wäre.
Bei Anwendung der genannten Grundsätze wird bei Gewaltdelikten in vielen Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach vorwerfbarer Alkoholisierung ausscheiden. Zumeist liegen entweder in der Person des Täters oder doch zumindest in der Situation Umstände vor, die in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht haben. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden; die vielfältig verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs sind allgemeinkundig.
Im Rahmen der Abwägung aller schuldrelevanten Umstände kann auch von Bedeutung sein, welchen Grad die Enthemmung durch Alkoholisierung innerhalb des durch § 21 StGB abgesteckten Rahmens erreicht hat. Eine solchermaßen differenzierende Bestimmung des Umfangs und der Auswirkungen verminderter Schuldfähigkeit auf die Tatschuld setzt jedoch
nachvollziehbare Darlegungen des Tatrichters voraus (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17).
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls können auch solche schulderhöhenden Momente gegen eine Strafmilderung sprechen, die nicht unmittelbar mit der Berauschung verknüpft sind (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu können eine Mehrzahl von Geschädigten oder mitverwirklichte Straftatbestände ebenso zählen wie die näheren Umstände der Tatausführung oder andere Tatmodalitäten (vgl. BT-Drucks. aaO; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5 und Strafzumessung 18). Auch einem erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit verminderten Täter kann nämlich die Art der Tatausführung – etwa eine besonders gefühlskalte, rücksichtslose oder brutale Tatbegehung – schulderhöhend vorgeworfen werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15 und Strafzumessung 4, 18). In diesem Fall wird der Tatrichter jedoch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten haben, daß diese Umstände die Tatschuld nicht im gleichen Ausmaß wie bei nicht berauschten Tätern erhöhen, sofern sie ihren Grund in der erheblichen Verminderung der Hemmungsfähigkeit haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 28, 33 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5); eine Ausnahme hiervon kommt indes in Betracht, wenn dem Täter in Hinblick auf seine bisherigen Erfahrungen unter Alkoholeinfluß vor dem Hintergrund des von ihm weiterhin nicht gezähmten Alkoholgenusses gerade eine derart schwerwiegende Art seines Tatverhaltens zum Vorwurf gemacht werden müßte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15).
(5) In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben , daß der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt
werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlaß geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen deshalb besondere erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; vgl. auch BVerfGE 50, 5, 11). Gebieten solche Umstände wie etwa das schuldsteigernde Tatbild die Versagung einer Strafrahmenverschiebung und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wird eine Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1999 – 5 StR 177/99; vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 25).
Bedenklich kann aus entsprechenden Gründen auch die Verhängung der für das Delikt vorgesehenen zeitigen Höchststrafe aus dem nicht nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen trotz erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sein (vgl. RGSt 69, 314, 317).
(6) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß das, was für Alkohol gilt, nicht ohne weiteres gleichermaßen auf andere Genuß- und Betäubungsmittel übertragen werden kann (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 591/03). Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln sind die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterliegen.

c) Dem gefundenen Ergebnis widersprechen weder die historischen Absichten des Gesetzgebers noch der Rechtsgedanke des § 323a StGB.
(1) Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers sprechen nicht für einen Grundsatz, wonach im Falle vorwerfbarer Alkoholisierung eine Strafmilderung stets zu versagen ist (Neumann StV 2003, 527, 528 m.w.N.; vgl. aber BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31; Foth DRiZ 1990, 417, 418 ff.; ders. NStZ 2003, 597, 598; zur historischen Entwicklung ausführlich : Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 9 ff. m.w.N.; Schnarr in: Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Band 1, S. 7 ff.). Eine dem heutigen § 21 StGB entsprechende Vorschrift wurde erstmals durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, 995) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Aus der amtlichen Gesetzesbegründung ergeben sich für die aufgeworfene Frage keine tragfähigen Hinweise (vgl. ReichsAnz 1933, Nr. 277, Erste Beilage, S. 1, linke Spalte). Die Gesetzesänderung fußte indes auf der umfangreichen kriminalpolitischen Reformdiskussion der Zwanziger Jahre (hierzu näher Foth, jeweils aaO; Rautenberg aaO). Dabei wurde zwar auch eine gesetzliche Ausnahme der vorgesehenen Milderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung vorgeschlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925; ebenso bereits § 18 Abs. 2 des Entwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 und § 63 Abs. 2 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909; ausführlich hierzu Rautenberg aaO). Gegen diese Vorschläge wurden jedoch auch zur damaligen Zeit gewichtige Bedenken geltend gemacht (vgl. Alsberg in Aschrott/Kohlrausch [Hrsg.], Reform des Strafrechts, 1926, S. 51, 73 ff.). Letztlich sind die in den Entwürfen verschiedentlich vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht Gesetz geworden. In den Beratungen der Reichstagsvorlage von 1927 wurde hierzu erklärt, den Reichsrat hätten zwei Gründe veranlaßt, den vorgesehenen Ausschluß einer Strafmilderung bei Trunkenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs von 1925) zu strei-
chen und statt der obligatorischen eine fakultative Milderung vorzuschlagen: Zum einen erscheine die Konsequenz unerträglich, dem ganz betrunkenen Täter eine Milderung zu gewähren, nicht aber dem nur halb betrunkenen; zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Frage der Selbstverschuldung nur bei der Trunkenheit berücksichtigt werden sollte (vgl. Rautenberg DtZ 1997, 45, 47 m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis entgegenstehender Vorschläge bewußt auf eine solche Regelung verzichtet hat, also gerade keine zwingende Versagung der Strafmilderung in diesen Fällen wollte (Neumann StV 2003, 527, 528). In der Gesetzesbegründung von 1933 heißt es lediglich, die Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit sei Grundlage für eine Strafmilderung, wobei das Gesetz von den Beschlüssen der Reichstagsausschüsse insoweit abweiche, als die Milderung nicht zwingend sei, sondern in das Ermessen des Richters gestellt werde (ReichsAnz aaO).
Die Gesetzesmaterialien zur Reform des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in den Sechziger Jahren, die zur Formulierung des § 21 StGB in der heutigen Form geführt hat, sprechen gleichermaßen für eine differenzierende Lösung. § 21 StGB wurde einerseits als Kann-Vorschrift konzipiert , um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht notwendig zu einer Minderung der Schuld in ihrer Gesamtheit führt; im Rahmen einer Gesamtwürdigung sollten außer dem Grad der Schuldfähigkeit auch andere schuldrelevante Umstände berücksichtigt werden können (BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu gehören nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur unmittelbar der Tat anhaftende Schuldumstände wie etwa eine große Anzahl getöteter Menschen, sondern auch schuldrelevante Umstände vor der Tat wie insbesondere die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit (ebd.). Ausdrücklich sprach sich der Gesetzgeber andererseits gegen eine Vorschrift aus, wonach die Strafmilderung – entsprechend den Vorschlägen in den Entwürfen von 1909 und 1925 – bei vorwerfbarer Alkoholisierung stets zu versagen sei (BT-Drucks. IV/650, S. 142 rechte Spalte). Zu der entsprechenden Regelung
in § 7 WStG, wonach bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafmilderung ausscheidet, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wurde, wird dabei auf die besonderen Anforderungen an militärische Disziplin verwiesen. In das allgemeine Strafrecht könne dieser Rechtsgrundsatz nicht ohne weiteres übertragen werden (ebd.).
Gerade die Vorschrift des § 7 WStG läßt sich systematisch stimmig eher erklären, wenn es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich mangels Minderung der Gesamtschuld von einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Abstand zu nehmen ist. Gäbe es nämlich einen solchen Grundsatz, wäre § 7 WStG überflüssig. Unverständlich wäre in diesem Fall auch die Beschränkung des Milderungsverbots auf militärische Straftaten und solche, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen oder in Ausübung des Dienstes begangen werden. Aus § 7 WStG folgt vielmehr im Umkehrschluß, daß „selbstverschuldete“ Trunkenheit in anderen Fällen durchaus die Strafe mildern kann, also nicht stets jede Strafmilderung aufgrund des Umstandes ausscheidet, daß der Rauschzustand vorwerfbar herbeigeführt wurde.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformdiskussion anläßlich der deutschen Wiedervereinigung trotz entsprechender Vorschläge gerade nicht diejenigen Normen des Strafrechts der DDR übernommen , wonach eine Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit ausscheidet, wenn sich der Täter schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit vermindernden Rauschzustand versetzt hat (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StGBDDR; vgl. auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR; dazu näher Neumann StV 2003, 527 mit Fn. 3; Rautenberg DtZ 1997, 45).
(2) Auch die Vorschrift des § 323a StGB spricht nicht für eine Versagung der Strafmilderung in allen Fällen schuldhafter Alkoholisierung. Das Vergehen des Vollrauschs ist von allen anderen Straftatbeständen tatsäch-
lich und rechtlich verschieden (BGHSt 1, 275, 277). Es handelt sich zudem bei dieser Strafnorm um „eine der umstrittensten, wenn nicht die strittigste des ganzen Strafgesetzbuchs“ (Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof ist deshalb bislang nicht zu einem durchgehend einheitlichen Verständnis dieser Vorschrift gelangt (vgl. etwa BGHSt 10, 247 einerseits, BGHSt 16, 124 andererseits). Der Ort, den – in den Schwierigkeiten der Sache angelegten (vgl. Spendel aaO § 323a Rdn. 2) – Streit zum Verständnis des § 323a StGB zu klären, kann indes nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage sein, ob bei zu verantwortender Alkoholisierung eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte oder nicht (vgl. Streng NJW 2003, 2963, 2965).
Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes setzt stets voraus, daß der Täter aufgrund nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit wegen seines rechtswidrigen Tuns ansonsten überhaupt nicht bestraft werden könnte. Für eine solche Regelung gibt es unzweifelhaft ein kriminalpolitisches Bedürfnis (vgl. BGHSt [GS] 9, 390, 395; Spendel aaO § 323a Rdn. 2). Diese Frage stellt sich im Rahmen des § 21 StGB jedoch nicht, weil es hier nicht um die Alternative völliger Straflosigkeit, sondern lediglich um die Strafrahmenwahl geht (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Bei § 21 StGB spielen deshalb Gesichtspunkte eine Rolle, die im Rahmen des § 323a StGB aufgrund der notwendigen Struktur des Vollrauschtatbestandes keine Berücksichtigung finden können.
Zudem geht es bei § 21 StGB nicht wie bei § 323a StGB um Rauschzustände, die (zumindest nicht ausschließbar) wegen aufgehobener Schuldfähigkeit den Schuldvorwurf bezüglich des rechtswidrigen Tuns vollständig entfallen lassen. Der Vorschrift des § 323a StGB läßt sich nicht der Rechtsgedanke entnehmen, jeder Rausch, wie stark er auch sei, werde von der Rechtsordnung mißbilligt; aus § 323a StGB läßt sich lediglich folgern, daß ein Rausch dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn er (zumindest nicht ausschließbar) zur völligen Aufhebung der Steuerungsfä-
higkeit führt, sich der Täter also im Umgang mit seiner Umwelt zu einem völlig unberechenbaren Risiko macht.
Die Ansicht, eine die Steuerungsfähigkeit lediglich vermindernde Alkoholisierung sei für sich schon rechtswidrig oder zumindest schulderhöhend , würde zudem zu Spannungen mit anderen Rechtsgrundsätzen führen. Im Zusammenhang mit der Gastwirtshaftung hat der Bundesgerichtshof etwa festgestellt, daß der Ausschank und Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört, auch wenn dies nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verantwortlichkeit führt (BGHSt 19, 152, 154). Die Verabreichung alkoholischer Getränke wird als sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Verhalten deshalb auch nicht als pflichtwidrig oder rechtswidrig angesehen (BGHSt 26, 35, 37 f.; vgl. auch Streng NJW 2003, 2963, 2965 m.w.N.). Dies gilt solange, als der Trinkende, sei es auch nur eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist. Anders verhält es sich nur, wenn die Trunkenheit offensichtlich einen solchen Grad erreicht, daß der Trunkene nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist und nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 26, 35, 38).
Hinzu kommt folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen § 323a StGB einerseits und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB andererseits läßt sich aufgrund der derzeitigen Gesetzesfassung nicht ohne jeden Wertungswiderspruch lösen (Neumann StV 2003, 527, 528 ff.; Streng NJW 2003, 2963, 2965). Ungereimt erscheint es einerseits, wenn bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem vermindert schuldfähigen Betrunkenen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird und ihm dann eine geringere Strafe droht als demjenigen, der rauschbedingt (zumindest nicht ausschließbar) schuldunfähig handelt (vgl. BGH StV 1997, 73, 75; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dem wird freilich dadurch Rechnung zu tragen sein, daß bei der Strafzumessung im Rahmen des § 323a StGB auf Grundlage des in § 323a Abs. 2 StGB zum Ausdruck ge-
kommenen Rechtsgedankens darauf Bedacht genommen wird, welcher Strafrahmen sich dem weniger Betrunkenen öffnen würde (vgl. BGHR StGB § 323a Strafzumessung 5). Die Auflösung des Widerspruchs durch die generelle Versagung einer Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (so BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) geht in Fällen schwererer, den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB überschreitender Delikte über das Gebotene hinaus und führt sogleich zu anderen, weit gewichtigeren Wertungswidersprüchen (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Diese ergeben sich augenfällig bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa Tötungsdelikten , wenn dem Täter bei verschuldeter Alkoholisierung jede Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt wird, bei noch höherer Alkoholisierung , die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit führt, dann anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe oder eines Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren nur noch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gemäß § 323a Abs. 1 StGB angedroht ist (Neumann aaO; vgl. hierzu auch die Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung des § 323a StGB in BT-Drucks. 14/545 und 14/759, ablehnend BT-Drucks. 14/9148).

d) Die vom Tatgericht vorgenommene Zubilligung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB begegnet hier letztlich durchgreifenden Bedenken.
(1) In Anwendung der oben genannten Grundsätze hätte sich das Landgericht bei der notwendigen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände bei dem Angeklagten G nicht zur Begründung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Überlegung begnügen dürfen, dessen Alkoholisierung sei unverschuldet, weil er weitgehend vom Alkohol beherrscht werde. Es hätte auch erwägen müssen, ob dem etwa schulderhöhend entgegensteht, daß dieser Angeklagte sich zu dem späteren Opfer in der festen Absicht begeben hat, an diesem seine Freude an Gewalttätigkeiten auszuleben, und dabei ersichtlich in Kauf nahm, infolge seiner Alkoholisierung besonders enthemmt zu sein, zudem durch weitere
Alkoholisierung zunehmend enthemmt zu werden. Auch demjenigen, der weitgehend durch Alkohol beherrscht wird, kann unter Umständen schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich trotz Vorhersehbarkeit – zumal weiterer – alkoholischer Enthemmung bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat. Aus den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu dem schon in der Ausgangssituation gewaltträchtigen Tatgeschehen erschließt sich zwanglos, daß für ihn bei Beginn des Tatgeschehens ohne weiteres vorhersehbar war, daß seine vorhandene und weiter drohende Alkoholisierung das Risiko erheblicher Gewalttaten signifikant erhöht hat; vieles spricht auch dafür, daß er das Aufsuchen dieser gewaltträchtigen Situation ohne weiteres vermeiden konnte.
Es ist zudem nicht ausgeschlossen, daß einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bereits die oben genannten Grundsätze der actio libera in causa entgegenstehen. Hierfür reichen indes die bisherigen Feststellungen nicht aus, zumal angesichts des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens; es bleibt nämlich unklar, ob der Angeklagte G , als er den Entschluß faßte, das Opfer zu mißhandeln, bereits in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3).
(2) Bei dem Angeklagten M entbehrt die Annahme, auch dessen Trunkenheit sei unverschuldet gewesen, bereits jeder tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht hat diese Feststellung ohne nähere Angaben allein auf die Anwendung des Zweifelsatzes gestützt. Der Zweifelsatz bedeutet indes nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallkonstellation auch dann ausgehen muß, wenn hierfür – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte bestehen (BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte wird der neue Tatrichter dem Angeklagten M nicht unterstellen dürfen, daß seine Trunkenheit unverschuldet ist; die Feststellungen zu seinem Vorleben bieten hierfür keinerlei Anlaß. Bei der etwaigen Prüfung einer erneuten Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird
die Strafkammer in Anwendung der oben genannten Grundsätze einerseits zwar bedenken müssen, daß M nach den bisherigen Feststellungen bislang nicht durch Gewalttaten unter Alkoholeinfluß auffällig geworden ist. Gegen eine Strafrahmenverschiebung dürfte andererseits aber sprechen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben und in dieser weiter dem Alkohol zugesprochen hat.
(3) Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Rechtsfolgenausspruch auf einer etwa fehlerhaft zugebilligten Strafrahmenverschiebung beruht. Die Höhe der verhängten Strafen erscheint zwar für die von der Staatsanwaltschaft noch beim Schöffengericht angeklagte Tat im Ergebnis nicht unangemessen. Angesichts des gesamten Tatbildes läßt sich von Seiten des Revisionsgerichts aber auch nicht etwa feststellen, daß eine etwas schwerere Bestrafung nicht mehr schuldangemessen wäre.
(4) Die Feststellungen des Tatgerichts zum Strafausspruch – und damit auch diejenigen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB – sind insgesamt aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird danach (sachverständig beraten) die bisherigen Befunde zur Alkoholisierung der Angeklagten , namentlich in Hinblick auf die Fahrfähigkeiten G s und fehlende Angaben bei M , kritisch zu hinterfragen haben. Gegebenenfalls wird zumindest bei dem Angeklagten G zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vorliegen und diese Maßregel deshalb neben der Strafe anzuordnen ist.

III.


Die Revision des Angeklagten M ist offensichtlich unbegründet. Die tatgerichtlichen Feststellungen zu seiner sicheren Identifizierung als Mittäter – bei mißlungenem Alibibeweis – sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Zulässige verfahrensrechtliche Beanstandungen im Zusammenhang mit Wiedererkennungsleistungen sind nicht erhoben worden.
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