Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 1 StR 200/16

bei uns veröffentlicht am14.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 200/16
vom
14. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140716B1STR200.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 17. Dezember 2015 – auch soweit es den Mitangeklagten P. betrifft –
a) im Fall 1 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,
b) im Fall 2 der Urteilsgründe im jeweiligen Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen und
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wie folgt verurteilt: die Angeklagte D. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den nichtrevidierenden Mitangeklagten P. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Zudem hat die Kammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.000 Euro gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner und beim Mitangeklagten P. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2
Die mit der Sachrüge geführte Revision der Angeklagten D. führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Soweit die Revision Erfolg hat, ist die Entscheidung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten nach § 357 StPO zu erstrecken.
3
1. Die jeweils täterschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt in Fall 1 der Urteilsgründe den dazu tateinheitlich aus- geurteilten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; der Besitz tritt in solchen Fällen als Auffangtatbestand hinter der vollendeten Einfuhr zurück (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 322/15 mwN). Dieser Teil des Schuldspruchs hatte deshalb entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zu entfallen. Der Senat schließt aus, dass sich der Wegfall des tateinheitlichen Schuldspruchs auf die Bemessung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafen ausgewirkt hätte, zumal das Landgericht an keiner Stelle der Strafzumessung auf den wegfallenden Schuldspruch Bezug genommen hat.
4
2. Im Fall 2 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch der (mittäterschaftlichen) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die beiden Angeklagten nicht, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat. Denn anders als im Fall 1 der Urteilsgründe hatten beide Angeklagte keinerlei konkreten Einfluss auf die Fahrt des von ihnen beauftragten Kuriers (vgl. zu den Anforderungen BGH, Beschluss vom 31. März 2015 – 3 StR 630/14, StV 2015, 632). Ob in diesem Fall anstelle von Täterschaft eine (Ketten-)Anstiftung des Kuriers durch beide Angeklagte hinsichtlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Frage kommt, wird der neue Tatrichter klären müssen. Dem Senat ist insoweit eine eigene Änderung des Schuldspruchs verwehrt (vgl. § 265 StPO). Um dem neuen Tatrichter hierzu umfassende widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die zu diesem Fall getroffenen Feststellungen insgesamt auf.
5
3. Der Wegfall der in Fall 2 verhängten Einzelstrafen, die zugleich jeweils die Einsatzstrafen sind, führt zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen.
6
4. Da die aufgezeigten Rechtsfehler beide Angeklagten gleichermaßen betreffen, war die Entscheidung gemäß § 357 StPO auch auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten P. zu erstrecken.
Raum Cirener Radtke Mosbacher Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 1 StR 200/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 1 StR 200/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 1 StR 200/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Sept. 2015 - 1 StR 322/15

bei uns veröffentlicht am 03.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 3 2 2 / 1 5 vom 3. September 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. März 2015 - 3 StR 630/14

bei uns veröffentlicht am 31.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 6 3 0 / 1 4 vom 31. März 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 2 2 / 1 5
vom
3. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 11. Februar 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen , wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist; seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
1. Die Revision des Angeklagten M. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
2. Die Revision des Angeklagten B. hat den aus der Beschlussformel erkennbaren geringen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, in zwei Fällen hiervon in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem weiteren Fall hiervon in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, in einem weiteren Fall hiervon in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. führt allein für eine (Tat vom 19. März 2014) der vier verurteilten Taten zu einer Schuldspruchänderung und erweist sich im Übrigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen als unbegründet.
4
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte am 19. März 2014 1.591,2 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13 % THC nach Deutschland ein, wobei von dieser Menge 216,7 Gramm für den Eigenverbrauch und die Restmenge von 1.374,5 Gramm für den Weiterverkauf bestimmt war. Danach hat sich der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht. Die weitere tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann indes nicht bestehen bleiben, weil der Besitz als Auffangtatbestand gegenüber der vollendeten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurücktritt (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 328/10; vom 24. September 2009 – 3 StR 280/09, StV 2010, 131 und vom 11. November 2008 – 4 StR 434/08, NStZ-RR 2009, 121 jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 1 StR 75/13).
5
Die danach gebotene Änderung des Schuldspruchs führt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs, da ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter eine niedrigere Strafe verhängt hätte; denn er hat bei seinen Strafzumessungserwägungen dem Angeklagten nicht angelastet, er habe durch seine Tat mehrere Gesetze verletzt.
6
Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO). Raum Rothfuß Cirener Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 3 0 / 1 4
vom
31. März 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 31. März 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von jeweils vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die sichergestellten Betäubungsmittel, ca. 1,85 kg Kokain, eingezogen. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt sind; der Angeklagte X. beanstandet zudem das Verfahren.
2
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es deshalb nicht an.
3
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten mit einem - nicht namentlich feststellbaren - Dritten vor dem 8. März 2012 überein, unter finanzieller Beteiligung aller anderthalb bis zwei Kilogramm Kokain in den Niederlanden zu erwerben, diese Betäubungsmittel in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und in Hannover zu strecken, zu portionieren und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte M. begab sich zu diesem Zweck mit dem unbekannten Dritten am 8. März 2012 nach Utrecht und später nach Amsterdam. Dabei machten sie sich in zwei Autos, mit einem von dem Angeklagten X. angemieteten VW Polo sowie mit einem in seinem Eigentum stehenden BMW 730d, auf den Weg. Den BMW übergaben sie auf Weisung des Angeklagten X. , der das Fahrzeug auf nicht näher feststellbare Weise zur Finanzierung des Rauschgiftgeschäfts einsetzte, in den Niederlanden an einen unbekannten Empfänger. Sodann erwarben der Angeklagte M. und sein unbekannter Begleiter von einer oder mehreren unbekannt gebliebenen Personen das in drei Beuteln abgepackte Kokaingemisch, das jeweils unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen zwischen gut 30 % und über 96 % aufwies. Am Abend des 9. März 2012 machten sich der Angeklagte M. und sein unbekannter Begleiter in dem VW Polo auf den Rückweg nach Hannover, wo sie am frühen Morgen des 10. März 2012 eintrafen. Am selben Tag gegen 14.15 Uhr wurde das erworbene Betäubungsmittel von einem Kurierfahrer, zu dessen Identität keine Feststellungen getroffen werden konnten , angeliefert und dem Angeklagten M. übergeben.
5
b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten das verfahrensgegenständliche Kokain als Täter in die Bundesrepublik Deutschland einführten. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 - 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 319 mwN). Auch der im Inland aufhältige Erwerber von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann deshalb wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet; wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN). Hat der Besteller hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, ist er wegen der Bestellung zwar wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 190 mwN).
6
Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Angeklagten Einfluss auf den Transportweg oder in anderer Weise auf die Einfuhr des Kokains hatten; es ist auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte M. beim Erwerb der Betäubungsmittel mit den Verkäufern die von diesen durchzuführende Einfuhr vereinbarte (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 29. Januar 1986 - 2 StR 613/85, StV 1986, 384). Hinsichtlich des Angeklagten X. , der bei dem Erwerb der Betäubungsmittel in den Niederlanden nicht einmal zugegen war, sind ebenfalls keine Umstände festgestellt, die auf seine Täterschaft bei der Einfuhr des Kokains hindeuten könnten.
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einem neuen Rechtsgang Umstände festgestellt werden können, die die Annahme täterschaftlicher Einfuhr durch die Angeklagten - oder jedenfalls einen von ihnen - rechtfertigen könnten. Eine Umstellung des Schuldspruchs verbietet sich zudem auch deshalb , weil in Fällen wie dem vorliegenden eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Einfuhr der Betäubungsmittel in Betracht kommt; die Voraussetzungen der Anstiftung sind dabei selbständig zu prüfen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1987 - 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3). Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.
8
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat von der Möglichkeit abgesehen , die bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu lassen.
9
3. Die Gestaltung der Urteilsgründe gibt dem Senat - erneut - Anlass zu folgenden Bemerkungen:
10
Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Es ist regelmäßig untunlich, den Inhalt der überwachten Telekommunikation wörtlich oder auch nur in einer ausführlichen Inhaltsangabe wiederzugeben (hier UA S. 6 bis 23, 26 bis 27 und 55 bis 57), die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen aus der Hauptverhandlung der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen oder verlesene Urkunden, auf deren Wortlaut es nicht ankommt, wörtlich wiederzugeben. Ein solches Vorgehen kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen und unter Umständen den Bestand des Urteils gefährden (st. Rspr.; s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 3 StR 121/13, juris mwN).
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer Mayer Gericke

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.