Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10

bei uns veröffentlicht am11.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 517/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 10. Februar 2010 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 4. Oktober 2010 bemerkt der Senat:
Soweit das Landgericht neben den Mordmerkmalen der Habgier und des
Ermöglichens einer Straftat auch das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt
angesehen hat, hält dies der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dieser
Rechtsfehler lässt aber im Ergebnis sowohl den Schuldspruch als auch den
Strafausspruch unberührt. Der Angeklagte ist daher hierdurch nicht beschwert.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt
heimtückisch, wer das Opfer unter bewusster Ausnutzung seiner Arg- und
Wehrlosigkeit tötet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32,
382, 383 mwN). Für die Annahme von Arglosigkeit kommt es auf den Beginn
der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlung an. Rechnet das Tatopfer aufgrund
einer vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzung mit einem schwe-
ren oder doch erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit, entfällt
seine Arglosigkeit (BGH, Urteil vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98,
BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27 mwN).
So liegt der Fall auch hier: Als der Angeklagte damit begann, der Geschädigten
gegen den Kopf zu treten, und dabei nach den Feststellungen des
Landgerichts erstmals mit Tötungsvorsatz handelte, war die Geschädigte nicht
mehr arglos. Den Tritten war ein nicht mit Tötungsvorsatz geführter Angriff auf
ihre körperliche Unversehrtheit vorausgegangen. Der Angeklagte, der die ihm
unbekannte Geschädigte gemeinsam mit dem Mitangeklagten I. auf
ihrem Nachhauseweg ausrauben wollte, hatte ihr einen kräftigen Schlag gegen
die rechte Schläfe versetzt und sie hierdurch zu Boden gebracht. Entgegen den
Erwartungen der beiden Angeklagten gelang es ihnen aber anschließend zunächst
nicht, den Rucksack der Geschädigten zu entreißen. Sie setzte sich
hiergegen heftig zur Wehr und hielt den Rucksack mit beiden Händen an seinen
Riemen fest. Außerdem fragte sie die beiden an ihrem Rucksack zerrenden
Angeklagten, warum sie dies täten, sie habe ihnen doch nichts getan. Erst in
dieser Situation entschloss sich der Angeklagte S. , der Geschädigten mehrere
heftige Tritte in das Gesicht zu versetzen, um auf diese Weise in den Besitz
des Rucksacks zu gelangen, wobei er auch ihren Tod billigend in Kauf
nahm.
Eine Arglosigkeit der Geschädigten als Voraussetzung der Annahme von
Heimtücke lag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Sie hatte wegen des vorausgegangenen
Angriffs und der anschließenden körperlichen Auseinandersetzung
um den Rucksack die ihr drohende Gefahr erkannt, was auch durch
ihre Äußerungen im Rahmen des Tatgeschehens belegt wird. Der Umstand,
dass sie bei dem Schlag gegen die Schläfe noch nicht mit einem Angriff ge-
rechnet hatte, ist insoweit ohne Belang, da der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt
nach den Feststellungen des Landgerichts noch nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt
hatte (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1964 - 1 StR 105/64, BGHSt 19,
321, 322).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt hier auch kein Fall vor, bei
dem der Körperverletzungsvorsatz derart schnell in einen Tötungsvorsatz umgeschlagen
ist, dass dem Opfer keine Zeit blieb, dem Angriff irgendwie zu begegnen
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04; BGH, Urteil vom
27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502 jew. mwN). Zwischen dem ersten
Angriff - dem Schlag gegen die Schläfe - und den mit Tötungsvorsatz ausgeführten
Tritten in das Gesicht der Geschädigten lag eine deutliche zeitliche Zäsur
, nämlich die Auseinandersetzung um den Rucksack. Bei dieser Auseinandersetzung
wurde deutlich, dass die Geschädigte durchaus zur Gegenwehr fähig
war, indem sie trotz des heftigen Zerrens der beiden Angeklagten nicht nur
den Rucksack mit beiden Händen festhielt, sondern auch noch versuchte, an
das Gewissen der beiden Angeklagten zu appellieren, um diese damit zu bewegen
, von der weiteren Tatausführung Abstand zu nehmen.
2. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes ist durch die fehlerhafte
Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke nicht betroffen, da das Landgericht
rechtsfehlerfrei von dem Vorliegen weiterer Mordmerkmale - Habgier und
Ermöglichen einer Straftat - ausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August
1995 - 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222).
3. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Denn das Landgericht hat das
von ihm angenommene Vorliegen von Heimtücke nicht strafschärfend gewertet.
Es hat lediglich bei der Bemessung der Jugendstrafe allgemein auf das Vorlie-
gen von „mehreren“ Mordmerkmalen abgestellt. Der für die Strafzumessung
bedeutsame Umstand, dass der Angeklagte mehr als nur ein Mordmerkmal
verwirklicht hat, ist im Hinblick auf die vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten
Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichens einer Straftat aber
auch ohne das Mordmerkmal der Heimtücke gegeben. Im Übrigen hat das
Landgericht bei der Bemessung der schuldangemessenen und erzieherisch
gebotenen Jugendstrafe auch gewichtige andere Umstände in den Blick genommen
, nämlich die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Geschädigte
und die hartnäckige Verfolgung des Plans durch den Angeklagten, an
jenem Tag einen Raub zu begehen. Der Senat kann daher ausschließen, dass
der Strafausspruch auf der fehlerhaften Annahme von Heimtücke beruht.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10 zitiert 5 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04

bei uns veröffentlicht am 20.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 145/04 vom 20. Juli 2004 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juli 2004, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter a

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10

bei uns veröffentlicht am 11.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 517/10 vom 11. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 517/10

bei uns veröffentlicht am 11.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 517/10 vom 11. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Aug. 2018 - 4 StR 162/18

bei uns veröffentlicht am 16.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 162/18 vom 16. August 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:160818U4STR162.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 145/04
vom
20. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juli 2004,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 21. Oktober 2003 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und die der Nebenkläger. Die von den Nebenklägern erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig , weil sie nicht ausgeführt wurde (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge beanstanden die Revisionen die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke und erstreben eine Verurteilung wegen Mordes. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, Frau B. , wie schon häufiger zuvor , Streit. Sie verließ die Wohnung, schlug die Tür zu und ging bis zum Beginn der in das Erdgeschoß führenden Treppe. Der Angeklagte folgte ihr und holte sie ein. Sie sagte nun zu ihm, daß er gut im Bett sei und ihr im Haushalt helfe, jedoch in der Gesellschaft unmöglich sei. Sie sei etwas Besseres und er nichts. Danach drehte sie sich um und begann, die Treppe hinunterzugehen. Mit einem Angriff des Angeklagten rechnete sie nicht. In der Beziehung war es nie zu Gewalttätigkeiten gekommen. Der ca. 1,85 m große und 90 kg schwere Angeklagte war durch die Worte seiner Lebensgefährtin erregt und wollte diese zunächst zurückhalten. Er packte mit der linken Hand die ca. 1,60 m große Frau, die ihm den Rücken zugedreht hatte, am Hals und würgte sie. Gleichzeitig hielt er ihr mit der rechten Hand den Mund zu und preßte ihren Hinterkopf gewaltsam gegen seine Brust. Als der Angeklagte seine Lebensgefährtin in den Würgegriff genommen hatte, entschloß er sich, sie solange zu würgen, bis sie tot sei. Unter Ausnutzung seiner körperlichen Überlegenheit würgte er sie mindestens eine Minute lang, bis sie entsprechend seiner Absicht verstorben war. Abwehrverletzungen wurden beim Tatopfer nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe sie nur festhalten und nicht töten wollen. 2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere von Heimtücke, hat es ausgeschlossen. Zwar sei die Frau objektiv arglos gewesen und habe mit einem Angriff des Angeklagten nicht gerechnet, als sie die Treppe hinuntergehen wollte. Es gebe jedoch keinen Nachweis dafür, daß der Angeklagte diese Arglosigkeit
bewußt zur Tötung ausgenutzt habe. Vielmehr sei die Kammer überzeugt, daß der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt habe, als er die Frau gepackt hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei sie dann nicht mehr arglos gewesen. Die Hauptverhandlung habe auch nicht ergeben, daß es vor der Tat zu keinem Wortwechsel gekommen, der Angeklagte der arglosen Frau von der Wohnung bis zur Treppe nur nachgeschlichen sei und diese dann, ohne irgendeine Vorwarnung , erwürgt habe.

II.

Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den festgestellten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und ohne hinreichende Begründung ein bewußtes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit durch den Angeklagten verneint hat. 1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.Nachw.). Das Opfer muß gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs.
2. An diesen Maßstäben gemessen, hält die Bewertung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der erste Angriff auf das Opfer war hier ein Würgegriff von hinten an den Hals. Ein solcher verbunden mit dem gleichzeitigen Zuhalten des Mundes und gewaltsamen Pressen des Hinterkopfes gegen die Brust stellt nach seinem objektiven Erscheinungsbild einen tätlichen Angriff auf das Leben dar. Beweisanzeichen dafür, daß der Angeklagte diese Vorgehensweise gewählt hat, um Frau B. zurückzuhalten, lediglich am Weggehen zu hindern, hat das Landgericht nicht festgestellt. Das äußere Tatgeschehen, das in Fallgestaltungen der vorliegenden Art besonderen Beweiswert für die subjektive Tatseite hat, legt vielmehr den Schluß nahe, daß dieser Angriff mit Tötungsvorsatz erfolgte , zumal der Angeklagte Frau B. dann auch tatsächlich erwürgt hat. Sich dazu aufdrängende Darlegungen fehlen. Ferner sieht das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe seine Lebensgefährtin nur festhalten und nicht töten wollen, insoweit als widerlegt an, als er ab Beginn des Würgevorgangs mit direktem Tötungsvorsatz handelte, nicht aber beim Setzen des Würgegriffes. Bei einem derart massiven einheitlichen tätlichen Angriff hätte erörtert werden müssen, warum das Landgericht nicht von einer einheitlichen Motivation ausgegangen ist. Im übrigen läßt der festgestellte Geschehensablauf eine zeitliche Zäsur dahingehend nicht erkennen, daß das Opfer den Angriff auf sein Leben erkannt hätte, als der Angeklagte den Tötungsvorsatz faßte, und ihm deshalb auch noch hätte ausweichen können, somit nicht arglos gewesen sei.
b) Selbst wenn der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt haben sollte, als er Frau B. in den Würgegriff genommen hatte, so schließt dies
die Arglosigkeit seines Opfers nicht von vornherein aus. Wie bereits oben ausgeführt , ist das Merkmal der Arglosigkeit auch dann gegeben, wenn bei offen feindseligem Verhalten das Opfer die Tötungsabsicht noch im letzten Augenblick erkennt, aber nicht mehr reagieren kann. Dabei macht es keinen Unterschied , ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird, oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, daß der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der vorausgegangene Wortwechsel beseitigte hier nach der Überzeugungsbildung des Landgerichts die Arglosigkeit des Opfers nicht. Es wurde vielmehr durch den ersten tätlichen Angriff von hinten in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran gehindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen.
c) Für das bewußte Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt, daß er sich bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535). Wenn der Angeklagte seine Lebensgefährtin in der beschriebenen Art und Weise von hinten packte, der gegenüber er trotz vieler Streitigkeiten noch nie Gewalt ausgeübt hatte, liegt die Annahme nahe, daß er sich des überraschenden Angriffs bewußt war. Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es ein Ausnutzungsbewußtsein verneint, sind nur auf dem Hintergrund der zeitlichen Einordnung des Tötungsvorsatzes und der daraus folgenden rechtsfehlerhaften Bewertung der Arglosigkeit nachvollziehbar. Daraus hat das Landgericht nicht tragfähige Schlüsse auf das Ausnutzungsbewußtsein gezogen. Der Annahme
eines solchen steht auch die Erregung des Angeklagten nicht entgegen. Das Landgericht hat nicht festgestellt, daß der Angeklagte die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewußtsein aufgenommen hat. 3. Bei dieser Sachlage liegt Mord in der Begehungsform der Heimtücke nahe. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf