Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 StR 520/16

bei uns veröffentlicht am11.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 520/16
vom
11. Januar 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:110117B1STR520.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Januar 2017 beschlossen :
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Seine hiergegen mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Die durch das Landgericht vorgenommene Schuldfähigkeitsbeurteilung des Beschuldigten hält sachlich-rechtlicher Prüfung noch stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Die Kammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschuldigte aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie – die das Gericht zutreffend unter das erste Eingangsmerkmal eingeordnet hat – bei der Tatausführung im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 StGB handelte. Das Gericht hat allerdings zu den Auswirkungen des Krankheitsbildes (lediglich) ausgeführt, die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten sei zur Tatzeit 'beeinträchtigt' bzw. 'erheblich eingeschränkt' gewesen (siehe UA Seite 3, 9, 30, 31), ohne sich im Weiteren explizit dazu zu verhalten, ob diese Beeinträchtigung dazu geführt hat, dass dem Beschuldigten die Einsicht in das Unrecht seines Handelns tatsächlich fehlte oder nicht. Dies ist aber grundsätzlich erforderlich, denn eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 – 1 StR 504/12, NJW 2013, 246 f.). Dem Gesamtzusammenhang der Ur- teilsausführungen zur Schuldfähigkeit lässt sich indes zureichend sicher entnehmen, dass das Gericht von einem Zustand ausgegangen ist, in dem dem Beschuldigten die Einsicht, Unrecht zu tun, während der Tatbegehung tatsächlich fehlte. Die Kammer hat sich den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, wonach der Beschuldigte sich zur Tatzeit in einer 'hochakuten Phase seiner Krankheit befunden habe' (UA Seite 30) und – auch wenn nicht eindeutig festgestellt werden könne, auf welche Art und Weise sein psychotischer Zustand Einfluss auf die Tatbegehung gehabt habe – jedenfalls eine sichere Eingrenzung dahingehend möglich sei, dass entweder krankheitsbedingte Wahnvorstellungen oder krankheitsbedingte Halluzinationen ursächlich für die Tathandlung gewesen seien (ebd.). Damit hat die Kammer – unabhängig davon, dass akute Schübe einer Schizophrenie in der Re- gel zur Schuldunfähigkeit führen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02, juris) – zwei Zustände, in denen jeweils von nicht vorhandener Unrechtseinsicht auszugehen ist, als allein mögliche Tatauslöser sicher festgestellt." Raum Bellay RinBGH Cirener ist krankheitsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Fischer Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 StR 520/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 StR 520/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 StR 520/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 StR 520/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2012 - 1 StR 504/12

bei uns veröffentlicht am 20.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 504/12 vom 20. November 2012 in der Strafsache gegen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2003 - 1 StR 531/02

bei uns veröffentlicht am 16.01.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 531/02 vom 16. Januar 2003 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2003 beschlossen: Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-F

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 504/12
vom
20. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 9. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Vollzug der Unterbringung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
2
Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte mehrere Taten der vorsätzlichen Sachbeschädigung begangen und einmal den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verwirklicht hat.
4
Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht ausgeführt:
5
"Der Angeklagte leidet unter einer chronifizierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche derzeit zwar remittiert ist, zum Tatzeitpunkt aber floride war. Aufgrund dessen war er in seiner Einsichtsfähigkeit mit Sicherheit eingeschränkt, eine vollständige Aufhebung seiner Einsichtsfähigkeit kann aufgrund dessen Erkrankung nicht ausgeschlossen werden" (UA S. 5).
6
Beim Angeklagten sei auch schon eine Negativsymptomatik, wie Verwahrlosung und soziale Rückzugstendenzen, festzustellen. Des Weiteren lägen auch paranoide Erlebnisweisen vor in Form von Beeinträchtigungs- und Verfolgungsgedanken mit dem subjektiven Gefühl, bedroht zu werden (UA S. 10).

II.

7
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
8
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12 mwN).
9
Es ist dabei stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH aaO mwN).
10
Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht der Auffassung ist, bereits mit der Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Dies trifft indes nicht zu.
11
Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung , wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012 - 1 StR 332/12 mwN).
12
Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig.
13
In einem solchen Fall ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig.
14
Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05 mwN).
15
Im vorliegenden Fall lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass dem Angeklagten bei der Begehung der Tat die Unrechtseinsicht vollständig gefehlt hat. Der Tatrichter hat schon nicht im Einzelnen dargelegt, wie sich die Erkrankung des Angeklagten in der konkreten Tatsituation auf seine Einsichtsfähigkeit ausgewirkt hat. Hin- sichtlich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte hat er vielmehr festgestellt , dass der Angeklagte die Beamten als Amtsträger erkannt hat und sich auch des Umstandes bewusst war, dass diese im Begriff waren, eine rechtmäßige Amtshandlung vorzunehmen (UA S. 5).
16
Bei der Gefährlichkeitsprognose stellt der Tatrichter u.a. darauf ab, dass beim Angeklagten nicht die erforderlichen Hemmungsmechanismen vorlägen und er nicht in der Lage sei, inneren Regungen entsprechende Hemmungen in adäquater Weise entgegenzusetzen (UA S. 13). Diese Überlegungen könnten eher auf eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit hindeuten.
17
Der Senat kann daher nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht.
18
Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die deshalb bestehen bleiben. Denn die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf. Insoweit war die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

19
Aufzuheben war allerdings auch der Freispruch.
20
Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben , hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anord- nung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drucks. 16/1344, S. 17). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12 mwN).

IV.

21
Der neue Tatrichter wird, wenn er erneut zur Erörterung der Voraussetzungen des § 63 StGB gelangt, Gelegenheit haben näher darzulegen, weshalb konkret eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher - über Belästigungen hinausgehender - rechtswidriger Taten besteht.
22
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann auch die etwaige Bestellung eines Betreuers berücksichtigt werden (vgl. hierzu die Rechtsprechungshinweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, Rn. 23b zu § 63).
23
Es darf allerdings nicht - wie im angefochtenen Urteil - zu Lasten des Angeklagten in die Gesamtwürdigung einbezogen werden, dass der Angeklagte sich für eine andere Person ausgibt und hier auch nicht die geringste Übernahme von Verantwortung für seine Taten zeigt (UA S. 15). Denn zum einen liegt ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten vor. Zum anderen ist eine solche Überlegung jedenfalls dann rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht zuvor (UA S. 6) zugunsten des Angeklagten unterstellt hat, dass er krank- heitsbedingt meint, jemand anderes zu sein. Dann darf ihm dies nicht angelastet werden. Nack Rothfuß Jäger Sander Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 531/02
vom
16. Januar 2003
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2003 beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. August 2002 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Strafkammer geht davon aus, es sei "nicht auszuschließen", daß der Beschuldigte bei der Begehung der Tat schuldunfähig war. Bei der näheren Begründung des Maßregelausspruchs führt sie demgegenüber aus, er sei bei der Tatbegehung schuldunfähig gewesen.
Diese Unklarheit gefährdet hier den Bestand des Urteils jedoch nicht.

a) Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB erfordert, daß die Voraussetzungen des § 20 StGB oder zumindest die des § 21 StGB - diese Bestimmung spricht die Strafkammer nicht an - sicher ("positiv") feststehen. Sind sie lediglich nicht auszuschließen , liegen sie also nur möglicherweise vor, so ist für eine Unterbringungsanordnung kein Raum (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1999, 610; Beschlüsse vom 19. November 2002 - 1 StR 442/02 und 17. Oktober 2000 - 1 StR 428/00).

b) Der Beschuldigte ist an einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie erkrankt. Zur Tatzeit lag bei ihm eine akute psychotische Symptomatik mit paranoidem Erleben vor. Er hat versucht, eine ihm bis dahin unbekannte 15 Jahre alte Schülerin in der Straßenbahn gegen den Kopf zu treten, weil er sich von ihr verfolgt fühlte.
Er war bereits früher einmal gemäß § 63 StGB untergebracht worden, als er Stimmen hörte, sich verfolgt fühlte und deshalb eine ihm bis dahin unbekannte Frau auf offener Straße tätlich angriff.

c) Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist erfahrungsgemäß in der Regel davon auszugehen, daß der Betroffene schuldunfähig ist (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - 1 StR 268/95; Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 40 m. zahlr. Nachw. aus der psychiatrischen Fachliteratur in Fn. 68). Dies liegt auch hier sehr nahe. Jedenfalls entnimmt der Senat aber einer Gesamtschau der Urteilsgründe, daß beim Beschuldigten zur Tatzeit zumindest die Voraussetzungen des § 21 StGB zweifelsfrei vorlagen.
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