Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2019 - 2 StR 490/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit der Generalbundesanwalt beantragt hat, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung verurteilt wird, ist dafür kein Raum. Dass ein als Schlagwerkzeug eingesetzter Hosengürtel grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, genügt nicht. Ein Gegenstand ist nur dann ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn er sowohl nach seiner Beschaffenheit als auch nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 – 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95). Je nach denUmständen, etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Körperteile, kann ein Gürtel ein gefährliches Werkzeug sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2002 – 1 StR 93/02, NStZ 2002, 597, 598). Dazu hat das Landgericht aber keine Feststellungen getroffen.
Franke Appl Eschelbach Meyberg Wenske
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
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a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Strafrichter - Essen zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je fünf Euro verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich einer mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangenen gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat der Angeklagte nach den Feststellungen seiner Ehefrau neben Schlägen mit der Hand "leichte Schläge mit einem dünnen Ledergürtel" versetzt, die zu "feinstreifige(n) Hautrötungen" führten. Dass ein als Schlagwerkzeug eingesetzter dünner Ledergürtel grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, reicht aber für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht aus. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr nach der Rechtsprechung ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2002, 88 m.N.). Da der Angeklagte dem Tatopfer durch die Schläge mit dem dünnen Ledergürtel lediglich geringfügige Verletzungen beigebracht hat und - wovon im Hinblick auf die nach den Feststellungen nur geringe Intensität der Schläge nach dem Zweifelsgrundsatz auszugehen ist - auch keine gravierenderen Verletzungsfolgen herbeiführen wollte, ist die nach den vorgenannten Grundsätzen für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung ausreichende potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH aaO) hier nicht gegeben. Der Angeklagte hat sich daher lediglich gemäß § 223 Abs. 1 StGB einer vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau, die frist- und formgerecht Strafantrag gestellt hat, schuldig gemacht.
- 3
- Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend.
- 4
- 2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Geldstrafe von 120 Tagessätzen, der im Übrigen in den Urteilsgründen keine Entsprechung findet (UA 11: 150 Tagessätze).
- 5
- 3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Essen zurück , da dessen Strafgewalt hier ausreicht. Maatz RiBGH Prof.Dr.Kuckein ist Athing urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz Ernemann Sost-Scheible
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für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Verurteilung aus einem anderen Verfahren zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß beide Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe statt wegen versuchter Nötigung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung hätten verurteilt werden müssen und daß - insoweit wird die Revision vom Generalbundesanwalt vertreten - der Angeklagte K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Die Rechtsmittel führen hinsichtlich des Angeklagten K. zur teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen sind sie unbegründet. 1. Nach den Feststellungen wurden beide Angeklagte, die sich vor der Tatbegehung nicht kannten, bei einem Drogengeschäft am 14. August 2001 von dem Geschädigten Kl. in der Weise "gelinkt", daß dieser dem Angeklagten J. den restlichen Kaufpreis und dem Angeklagten K. restliches Kokain schuldig blieb. Zu Fall II. 3. stellt das Landgericht fest: Die Angeklagten suchten den Kl. gemeinsam auf, um - notfalls ge-
waltsam - ihre Restforderungen durchzusetzen. Mehr als das, was ihnen nach ihrer Beurteilung zustand, strebten sie dabei nicht an. Der Angeklagte K. drohte dem Kl. Schläge an, während der Angeklagte J. , um die Forderungen zu unterstreichen, ihm mit der Faust in das Gesicht schlug. Sodann zerschlug der Angeklagte J. eine Schnapsflasche und drückte, den Flaschenhals in der Hand haltend, die restliche Flasche mit dem scharfen Glasteil mit aller Kraft gegen die untere linke Gesichtshälfte des Kl. , so daû das Glas die Wange durchdrang und im Bereich des Jochbeins wieder austrat. Kl. blutete stark und versuchte zu fliehen. Die Angeklagten holten ihn wieder ein und schlugen beide auf ihn ein. Der Angeklagte K. zog dazu einen Ledergürtel aus seiner Hose und schlug auch damit mehrmals zu. Als Kl. weiter zu flüchten versuchte, verfolgten sie ihn erneut. Nachdem eine Frau aus dem Fenster gerufen hatte, sie werde die Polizei alarmieren, gaben die beiden Angeklagten ihre Tat auf und flohen. 2. Das Landgericht hat in dem Verhalten beider Angeklagter zu Recht mangels Absicht der unrechtmäûigen Bereicherung keine versuchte schwere räuberische Erpressung gesehen. Zwar stand den Angeklagten wegen Verstoûes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ein Anspruch weder auf den restlichen Kaufpreis noch auf das restliche Kokain zu. Ob sie berechtigt waren, von Kl. gemäû § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB Schadensersatz wegen Betrugs zu verlangen, wie der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluû vom 12. März 2002 - 3 StR 4/02 - (NStZ-RR 2002, 214) entschieden hat, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zufolge, an die der Senat gebunden ist, sind sie jedenfalls für die von ihnen erstrebte Bereicherung vom Bestehen solcher Ansprüche ausgegangen, so daû sie - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - zumindest in einem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 Satz 2
StGB) handelten. Damit fehlte ihnen die Absicht einer unrechtmäûigen Bereicherung (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Juli 2000 - 4 StR 232/00; BGH NStZ-RR 1999, 6). 3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe sich nur der versuchten Nötigung, nicht aber tateinheitlich auch als Mittäter der von dem Angeklagten J. begangenen gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht, hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die von dem Landgericht zugrundegelegten Feststellungen ergeben, daû der Angeklagte diesen Straftatbestand bereits in der Form der gemeinschaftlichen Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) erfüllt hat (vgl. UA S. 13: "Beide Angeklagten schlugen dort ..."). Der Senat sieht sich allerdings an einer eigenen entsprechenden Ergänzung des Schuldspruchs gehindert, weil dieser erweiterte Schuldvorwurf von der Anklage nicht erfaût war und der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht keinen entsprechenden Hinweis nach § 265 StPO erhalten hat, so daû er nicht rechtzeitig Gelegenheit hatte, sich in dieser weitergehenden Richtung zu verteidigen.
b) Nach den getroffenen Feststellungen ist zudem nicht erkennbar, warum dem Angeklagten K. der Einsatz der zersplitterten Glasflasche als gefährliche Körperverletzung gemäû § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB nicht zuzurechnen ist. Jeder Mittäter haftet zwar für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht; ein Exzeû der anderen fällt ihm nicht zur Last (vgl. BGHSt 36, 231, 234; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 25 Rdn. 8a). Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muû, vom Willen des Mittäters umfaût, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart
einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (BGH NJW 1973, 377; BGH GA 1985, 270). Der gemeinsame, die Anwendung erforderlicher Gewalt einschlieûende Plan und dessen konsequente und koordinierte Durchführung, bei der sich der Angeklagte K. aktiv - und zwar insbesondere noch nach dem Einsatz der zerbrochenen Flasche - an den Verletzungshandlungen beteiligte, legen nahe, daû der Angeklagte sich mit der konkreten Vorgehensweise des Mitangeklagten J. einverstanden erklärt hat oder sie ihm zumindest gleichgültig war.
c) Das Landgericht geht schlieûlich angesichts der Tatsache, daû der Angeklagte K. selbst mit einem Ledergürtel auf den Zeugen Kl. eingeschlagen hat, nicht auf die für den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unentbehrliche Frage ein, ob hier "ein Werkzeug nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung zu einem gefährlichen gemacht" worden ist. Je nach den Umständen - etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Organe und Körperteile - kann ein solcher Gürtel ein "gefährliches" Werkzeug sein. Zur Klärung dieser Frage bedurfte es hier daher näherer Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen des Tatgeschehens. Diese hat das Landgericht nicht getroffen.
d) Zu II. 3. der Urteilsgründe sind daher erneute tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen geboten. Das bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz