Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08

bei uns veröffentlicht am25.11.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 404/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. und 3. auf dessen Antrag - am
25. November 2008 gemäß § 346 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 28. April 2008, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. Februar 2008 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen unter Einbeziehung des Ur- teils des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 19. September 2006 zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 28. April 2008, mit dem es die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig - weil nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet - verworfen hatte, war aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufzuheben.
3
2. Die im Revisionsantrag enthaltene Rüge der Verletzung formellen Rechts ist - da nicht ausgeführt - gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
4
3. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, führt jedoch zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
5
Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die Taten auch aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit und um seinen eigenen Drogenkonsum finanzieren zu können. Nach seiner Haftentlassung im Januar 2008 nahm er Kontakt zur Drogenberatung auf. Unter diesen Umständen musste das Landgericht die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt prüfen (st. Rspr.; vgl. u. a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4 und 5; BGH NStZ 2005, 210). Die stattdessen erteilte Zustimmung zu einer etwaigen Therapie nach § 35 BtMG machte dies nicht entbehrlich, da § 64 StGB den vollstreckungsrechtlichen Sonderregelungen des Betäubungsmittelgesetzes vorgeht (BGH NStZ-RR 2003, 12; StraFo 2004, 359); hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz vom 16. Juli 2007 im Grundsatz nichts geändert (BGH StV 2008, 405, 406; Beschl. vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08 - Rdn. 9). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
6
Da nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter für den Fall der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 5 Abs. 3 JGG, der dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung trägt (BGHSt 39, 92, 95 f.), von der zusätzlichen Verhängung einer Jugendstrafe absieht (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 2; Beschl. vom 4. März 2008 - 3 StR 30/08; Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz 13. Aufl. § 5 Rdn. 28) oder eine niedrigere Strafe verhängt, war auch die einheitliche Jugendstrafe aufzuheben.
7
Ergänzend wird für die erneute Rechtsfolgenfestsetzung darauf hingewiesen , dass in eine neue Entscheidung nicht nur das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 19. September 2006 (Az.: 127 Ls 762 Js 788/05), sondern auch das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 22. März 2006 (Az.: 14 Ds 601 Js 1828/05) einzubeziehen und dies in der Urteilsformel entsprechend zu kennzeichnen ist (s. Eisenberg aaO § 31 Rdn. 38, § 54 Rdn. 20 m. w. N.). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob neben der etwaigen Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen wird oder nicht. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08 zitiert 10 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 5 Die Folgen der Jugendstraftat


(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. (3) Von Zuchtmitteln un

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2008 - 3 StR 30/08

bei uns veröffentlicht am 04.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 30/08 vom 4. März 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 404/08.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2010 - 5 StR 520/09

bei uns veröffentlicht am 26.01.2010

5 StR 520/09 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 26. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2010 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts

Referenzen

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 30/08
vom
4. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen
Antrag - am 4. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Osnabrück vom 10. Juli 2007 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" räuberischen Diebstahls, schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und "gemeinschaftlichen" Betruges in Tateinheit mit "gemeinschaftlicher" Urkundenfälschung und "gemeinschaftlichen" Missbrauchs von Ausweispapieren (nach den Urteilsgründen gemeint: In Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren) zur Einheitsjugendstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der allgemeinen Sachbeschwerde.
2
Zum Schuldspruch ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfolgenausspruch hält indessen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen, die sich nach den getroffenen Urteilsfeststellungen aufdrängte. Dies führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruches.
3
Der Angeklagte war in einem anderen Strafverfahren, das am 7. Dezember 2005 mit seiner Verurteilung zu einem Jahr und neun Monaten Jugendstrafe wegen räuberischer Erpressung, Raubes und gefährlicher Körperverletzung jeweils in zwei Fällen und anderer Straftaten endete, im November 2005 vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft unter der Auflage verschont worden, eine stationäre Drogenlangzeittherapie zu beginnen. Bereits vier Tage nach Therapiebeginn wurde der Angeklagte entlassen, weil er Alkohol konsumiert hatte. Ferner hat der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten aufgrund seiner - nicht näher beschriebenen - Betäubungsmittelabhängigkeit begangen und den auf ihn entfallenden Beuteanteil - wenn auch nicht ausschließlich - für den Erwerb von Betäubungsmitteln ausgegeben.
4
Diese Sachlage legt nahe, dass die gegenständlichen Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Daran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB, die zum Zeitpunkt des Urteilserlasses zwar noch nicht galt, aber nach § 2 Abs. 6 StGB, § 354 a StPO in jeder Lage des Verfahrens anzuwenden ist (vgl. BGH NStZ 2008, 28), nichts geändert (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 72). Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maß- regelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB nF) fehlt. Solches folgt nicht schon allein daraus, dass die frühere Drogenlangzeittherapie bereits kurz nach ihrem Beginn mit der Entlassung des Angeklagten wegen eines Disziplinarverstoßes abgebrochen wurde.
5
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch nicht unberührt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen.
6
Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO).
Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer