Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2010 - 5 StR 520/09

bei uns veröffentlicht am26.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 520/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 12. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er trägt indes die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung zweier amtsgerichtlicher Urteile (zuletzt sechs Monate Jugendstrafe unter Anwendung des § 31 Abs. 2 JGG) zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Die Jugendkammer hat sich im Wesentlichen auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten und des Obduktionsgutachtens davon überzeugt, dass der Angeklagte am 7. November 2008 – wenige Tage vor seinem 16. Geburtstag – gegen 19.00 Uhr den stark alkoholisierten S. auf einem Zittauer Spielplatz getötet hat.
3
Der Angeklagte war mit dem späteren Opfer in Streit geraten wegen von diesem versprochener, vom Vater des Angeklagten im Voraus bezahlter Fahrradteile. Dabei bezeichnete S. den Angeklagten und dessen Vater als „Arschloch“ und „Wichser“. „Herr S. erhob sich von der Parkbank und griff dem Angeklagten an den Hals. Der Angeklagte hatte das Gefühl , er werde gewürgt, befreite sich aber rasch und ohne Probleme aus dieser Lage und stieß Herrn S. zu Boden … Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt – aus Ärger über die vermeintlich fehlende Lieferung der Fahrradteile und aus Ärger über das Verhalten des Geschädigten – Herrn S. massiv zu verletzen. Dabei nahm er im Laufe des Geschehens den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf. S. war auf dem Boden liegend zu einer effektiven Gegenwehr und Verteidigung nicht mehr in der Lage. Der Angeklagte schlug und trat mit äußerster Kraft und Stärke wiederholt gegen den Rumpf, den Kopf und den Hals seines Opfers. Darüber hinaus wirkte er mehrfach und unter hoher Kraftaufwendung mit dem Hals einer abgebrochenen Bierflasche auf Kopf und Hals des Geschädigten ein. Das Gesicht und der Hals des Herrn S. bluteten aufgrund der erlittenen Verletzungen sehr stark. In diese stark blutenden Gesichts- und Halswunden trat der Angeklagte wiederum wiederholt mit großer Kraft mit seinem Fuß ein“ (UA S. 9). Die hervorgerufenen Rippenserienbrüche führten zu erheblichen Verletzungen innerer Organe. Die Menge des hierdurch nach innen und aus den Verletzungen am Kopf und am Hals des Opfers nach außen ausgetretenen Blutes verursachte einen tödlichen Verblutungsschock.
4
2. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuldspruch erfolglos im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die insoweit fehlerfreien Feststellungen belegen insbesondere den Tötungsvorsatz des Angeklagten, dessen Verantwortungsreife und nicht aufgehobene Schuldfähigkeit.
5
3. Indes ist die Jugendstrafe aufzuheben, weil tragende Strafzumessungserwägungen , mit denen das Landgericht eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat, und zur Höhe der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auf zu Lasten und zu Gunsten des Angeklagten wirkenden Fehlern in der Beweiswürdigung beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 5 StR 32/07 Tz. 7 f.).
6
a) Das Landgericht hat – sachverständig beraten – zwar eine Störung des Sozialverhaltens des Angeklagten, die hohe Alkoholkonzentration zur Tatzeit und die Provokation durch das Opfer unter den jeweils zutreffenden Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB erörtert, indes die gebotene Gesamtbetrachtung (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3) unterlassen und zudem die markanten Tatumstände, die eine besonders starke Enthemmung nahe legen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2002 – 5 StR 543/01, insoweit in NStZ-RR 2002, 107 nicht abgedruckt), nicht ersichtlich erwogen.
7
Soweit das Landgericht die aus dem Blutentnahmeprotokoll vom 8. November 2008, 3.32 Uhr, entnommenen Feststellungen dafür herangezogen hat, dass der Angeklagte zur Tatzeit um 19.00 Uhr in seiner Leistungsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt gewesen sei (UA S. 28), stößt dies auf durchgreifende Bedenken. Der nur auf einen leichten Alkoholeinfluss hindeutende Untersuchungsbefund fußt auf der Blutalkoholkonzentration von 1,23 ‰ zum Entnahmezeitpunkt und ist schon deswegen nicht geeignet, das Leistungsvermögen des Angeklagten unter Wirkung einer Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ zu belegen.
8
Zudem ist zu besorgen, dass die vom Landgericht für einen Ausschluss erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit herangezogene Alkoholgewöhnung und fehlende Erinnerungslücke überbewertet worden sind (vgl. BGHSt 43, 66, 71, 73, 76; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4; BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 5 StR 32/07 Tz. 8).
9
b) Soweit das Landgericht aufgrund einer an sich zutreffenden Rückrechnung unter Würdigung von Angaben des Angeklagten zu einem Nachtrunk von lediglich 0,375 l Bier zu der angenommenen maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ gelangt ist, steht dies schon in einem vom Landgericht nicht ersichtlich bedachten Spannungsverhältnis zu den übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum eher eine geringere Alkoholintoxikation nahe legenden Nachtatverhalten des Angeklagten. Hinzu tritt, dass es das Landgericht unterlassen hat, die Bedeutung des anlässlich einer Polizeikontrolle um 22.50 Uhr durchgeführten Atemalkoholtests mit 0,76 mg/l in seine Beweiswürdigung einzubeziehen. Zwar ist eine direkte Konvertierung von Atemalkohol- in Blutalkoholkonzentrationen ausgeschlossen (BGHSt 46, 358, 365). Indes wird jedem AAK-Wert eine gewisse Bandbreite von BAK-Werten entsprechen (BGHSt aaO m.w.N.), die ohne Weiteres in die Beweiswürdigung über den Umfang eines Nachtrunks, zumal bei – wie hier – widersprüchlichen Angaben eines Angeklagten, in Befolgung der Aufklärungspflicht einzubeziehen und mit zu bewerten ist. Demnach hätte es nahe gelegen, bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der von ihm als Fahrradfahrer anstandslos passierten Polizeikontrolle von einer BAK von noch unter 2 ‰ auszugehen (vgl. BGHSt aaO S. 366).
10
4. Zudem hat die festgesetzte Jugendstrafe auch deshalb keinen Bestand , weil es das Landgericht trotz Vorliegens erheblicher hierfür sprechender Umstände verabsäumt hat, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu erwägen (§ 7 Abs. 1 JGG), was die mit am Erziehungsbedarf orientierte Festsetzung der Jugendstrafe – auch ohne dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 JGG hätten erfüllt werden können – beeinflusst haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2002 – 5 StR 543/01, insoweit nicht in NStZ-RR 2002, 107 abgedruckt; BGH, Beschluss vom 25. November 2008 – 3 StR 404/08 Tz. 6).
11
Das Landgericht hat zum Alkoholkonsum des Angeklagten Feststellungen getroffen, die eine Würdigung als Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB erfordert hätten. Nach den – freilich zweifelhaften (vgl. oben 3.) – Feststellungen führte der Angeklagte die Tat unter Wirkung einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ aus. Er trank seit Anfang 2008 nunmehr auch in der Woche regelmäßig Alkohol. „Ab Sommer 2008 kam es bei dem Angeklagten zu regelmäßigem, fast täglichen Alkoholkonsum mit wiederholt einsetzenden Rauschzuständen“ (UA S. 7). Die Freundin des Angeklagten beendete ihre Beziehung mit diesem, weil der Angeklagte im Sommer 2008 angefangen habe, oft schon frühmorgens Alkohol zu trinken (UA S. 18).
12
Die getroffenen Feststellungen hätten die Annahme des nach § 64 StGB weiter gebotenen symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang, der Tat und der zukünftigen Gefährlichkeit (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang , symptomatischer 1) nicht grundlegend in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2008 – 4 StR 316/08 Tz. 5 m.w.N.). Zwar hat das Landgericht aus zwei früher geahndeten – mit Mittätern begangenen – gefährlichen Körperverletzungen ohne Alkoholeinfluss auf eine hohe Gewaltbereitschaft und eine ausgesprochen geringe Hemmschwelle des Angeklagten geschlossen (UA S. 30, 36). Dem steht indes die für die Zeit stark gesteigerten Alkoholkonsums getroffene Feststellung entgegen, dass der Angeklagte gerade unter Alkohol häufig aggressiv geworden ist (UA S. 18).
13
Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls zu beachten haben, dass eine Maßregel nach § 64 StGB nicht die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB erfordert (BGHR StGB § 64 Ablehnung 6).
14
5. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs neuer Aufklärung und Bewertung. Insbesondere sofern das neue Tatgericht erneut die Voraussetzungen einer Provokation entsprechend § 213 StGB, 1. Alternative bejahen sollte, wird es seine Strafzumessungserwägungen schon aus diesem Grund nicht – wie im angefochtenen Urteil erfolgt (UA S. 37) – am Höchstmaß einer zu verhängenden Jugendstrafe orientieren können.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2010 - 5 StR 520/09

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 32/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. März 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2007

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10. Oktober 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die jeweiligen Verurteilungen wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung entfallen und
b) in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „schweren Raubes zugleich mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung“ schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. zu einer solchen von sieben Jahren verurteilt. Die dagegen jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten erzielen die aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolge. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die jeweils 23 Jahre alten Angeklagten konsumierten bis zu ihrer Inhaftierung täglich in großem Umfang alkoholische Getränke. K. besuchte wegen Lernschwierigkeiten die Förderschule und leidet an einem sogenannten ADH-Syndrom. Er ist neben Diebstahlstaten wegen zahlreicher Körperverletzungen und der Angeklagte B. wegen Betrügereien und Diebstahlstaten bestraft worden.
4
Die beiden Angeklagten verfügten um 2.00 Uhr des 16. Mai 2006 nach reichlichem Alkoholkonsum (BAK B. 3,2 ‰; K. 1,7 ‰) über kein Geld mehr. Sie wollten aber weiter trinken. B. kam auf die Idee, zu dem gemeinsamen Bekannten A. zu gehen, um von diesem Bargeld zu fordern und in dessen Wohnung nach Stehlenswertem zu suchen. Er forderte den ihm als gewalttätig bekannten Angeklagten K. auf, mitzugehen, um A. „Angst zu machen“ (UA S. 29). Der dem B. intellektuell unterlegene K. durchschaute, dass es nicht – wie von B. vorgegeben – um eine geordnete Geltendmachung bestehender Ansprüche gehe, sondern dass die Begehung einer Straftat bevorstehe.
5
Die Angeklagten drangen gewaltsam in die Wohnung des A. ein, misshandelten ihn massiv, u. a. mit Messern, fesselten ihn und entwendeten zahlreiche Einrichtungsgegenstände.
6
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ohne weiteres. Indes hat, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, die jeweilige tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberau- bung zu entfallen, weil sie vorliegend nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung des Raubes darstellt (vgl. BGHR StGB § 239 Abs. 1 Konkurrenzen 8; BGH NStZ-RR 2003, 168). Die Fesselung des A. wurde von den Angeklagten dazu benutzt, den zur Vollendung des Raubtatbestandes gehörenden Gewahrsamsbruch weiter zu fördern.
7
3. Allerdings müssen die Rechtsfolgenaussprüche insgesamt aufgehoben werden.
8
a) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Antrags darauf hin, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht für den Angeklagten B. die aus Trinkmengenangaben von dessen Freundin errechnete Blutalkoholkonzentration von 3,2 ‰ den Ausschluss erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht plausibel belegen. Die vom Landgericht herangezogene Alkoholgewöhnung des B. und fehlende Erinnerungslücken sind hierfür keine wesentlichen Kriterien (vgl. BGHSt 43, 66, 71, 73, 76). Alkoholgewöhnte Täter können sich nämlich auch im Rausch noch äußerlich kontrolliert, planvoll und folgerichtig verhalten, obwohl ihr Hemmungsvermögen möglicherweise schon erheblich beeinträchtigt ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4).
9
Freilich stehen die Feststellungen des Landgerichts zur Blutalkoholkonzentration in einem Spannungsverhältnis zu dem andererseits festgestellten hohen Leistungsniveau des Angeklagten B. ; dies nötigt den Senat insoweit auch zur Aufhebung der Feststellungen. Dieser Angeklagte hat nämlich das vielaktige, sich über 90 Minuten hinziehende Tatgeschehen durch listvolle Planung der Tat, Vorgabe der Angriffe im Einzelnen, Auswahl, Abtransport und Teilung der Beute nahezu vollständig gesteuert. Solches setzt eine intellektuelle Leistungsfähigkeit voraus, die sich mit der Annahme einer Blutalkoholkonzentration in der angenommenen Höhe nur sehr schwer verträgt, die lediglich um 0,1 ‰ unter der Grenze liegt, bei der ein Aus- schluss der Steuerungsfähigkeit stets besonders naheliegt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 14).
10
Der neue Tatrichter wird deshalb die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten B. nach kritischer Prüfung der Trinkmengenangaben und aller weiteren Umstände neu zu bestimmen und deren – bei den hier komplexen, sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Handlungsabläufen und der langen Rückrechnungszeit – nur eingeschränkten Beweiswert (vgl. BGH NStZ 2000, 136; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 20 Rdn. 24) seiner Bewertung zugrunde zu legen haben. Für den Fall der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit weist der Senat zur Frage der Strafrahmenverschiebung auf BGHSt 49, 239 hin.
11
b) Auch hinsichtlich des Angeklagten K. hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat diesem Angeklagten strafschärfend „massive einschlägige Vorstrafen“ (UA S. 42) wegen – im Einzelnen dargestellter vorsätzlicher Körperverletzungen – angelastet. Dabei hat es übersehen, dass die beiden letzten Verurteilungen durch das Amtsgericht Pirna vom 23. Mai und 12. Juli 2006 der hiesigen Tat nachfolgten und mit der Strafe des hier zäsurbegründenden Urteils des Amtsgerichts Pirna vom 23. Mai 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen wäre (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 4).
12
Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben, der naheliegend auch die intellektuellen und psychischen Auffälligkeiten dieses Angeklagten mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen zu betrachten haben wird, wenngleich nach dem Tat- und Leistungsbild des Angeklagten eine Anwendung des § 21 StGB nicht besonders wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 5 StR 214/05) und alles andere als die Festsetzung einer empfindlichen Freiheitsstrafe ohnehin schuldunangemessen wäre.
13
c) Schließlich war der Rechtsfolgenausspruch auch insoweit aufzuheben , als es das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter unterlassen hat, die Voraussetzungen des § 64 StGB zu prüfen. Solches war indes geboten:
14
Beide Angeklagte nahmen seit geraumer Zeit täglich alkoholische Getränke – nach den bisherigen Feststellungen ist der darüber hinaus behauptete Drogenkonsum nicht glaubhaft – in großem Umfang zu sich. Auslöser der hiesigen Tat war das Verlangen nach weiterem Alkohol, für dessen Erwerb Bargeld gewaltsam beschafft werden sollte. Die Tat hat demnach Symptomwert für den Hang im Sinn des § 64 Abs. 1 StGB (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2), dessen Annahme nicht entgegenstünde, wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung

6).


Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 543/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Raubes mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. März 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) gegen die Angeklagten J und M
C
jeweils im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen,
b) gegen den Angeklagten W im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe sowie mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
1. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten des (gemeinschaftlichen) Raubes mit Todesfolge für schuldig befunden und gegen die Angeklagten J und
M C jeweils zwölf Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten W acht Jahre Jugendstrafe verhängt; eine Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei allen Angeklagten unterblieben.
Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch, beim Angeklagten W auch zur Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Im übrigen haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1. Alle drei Angeklagten pflegen seit ihrer Jugend unkritischen, teils massiven Umgang mit Alkohol. Vor der in den Abendstunden begangenen Tat hatten sie alle tagsüber Alkohol konsumiert. Gemeinsam begaben sie sich in ein Obdachlosenheim, gingen gewalttätig gegen dortige Bewohner vor, entwendeten ihnen dabei auch Bier, das sie tranken, und raubten schließlich einem Obdachlosen die Barschaft in Höhe von 140 DM. Bevor sie den Tatort verließen, brachte mindestens einer von ihnen mit Billigung der anderen dem zuvor schon mißhandelten Opfer massive Tritte oder Schläge gegen den Kopf bei, an deren Folgen das Opfer später verstarb. Einen erheblichen Teil der Beute vertranken sie anschließend in einer Gaststätte.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen auf einer insgesamt noch ausreichend ausgeführten Beweiswürdigung. Danach gingen die Angeklagten einverständlich ohne nähere Absprache gemeinsam mit körperlicher Gewalt, die in wechselnder Abfolge und in unterschiedlicher Art, Intensität und Zielrichtung von jedem einzelnen eingesetzt, in Art und Ausmaß von den Mittätern nicht kontrolliert, aber wahrgenommen und insgesamt gebilligt wurde, gegen Insassen des Obdachlosenheimes vor; Gewalt und Drohungen setzten sie dabei auch zur Durchsetzung der Wegnahme von Geld und anderen Gegenständen aus der Habe ihrer Opfer ein. Das Landgericht hat die Verfolgung sachgerecht auf
den nach den Grundsätzen von BGHSt 38, 295 fraglos erfüllten Verbrechenstatbestand des gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge zum Nachteil des Obdachlosen beschränkt, der, wie insbesondere durch den Obduktionsbefund und durch das beobachtete Verletzungsbild unmittelbar nach der Tat hinreichend belegt ist, infolge der Gewalthandlungen verstorben ist. Dabei durfte den Angeklagten ihr gesamtes gewalttätiges Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat, auch zum Nachteil anderer Obdachloser, bei der Strafzumessung angelastet werden.
3. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch – bei dem Angeklagten W teilweise, bei den beiden anderen Angeklagten insgesamt – sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat lediglich bei dem Angeklagten W unbedenklich die Voraussetzungen des § 21 StGB wegen nicht ausgeschlossener erheblicher alkoholbedingter Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zugrundegelegt. Obgleich sich das Landgericht hierfür bei den beiden anderen Angeklagten nicht an ihren rechtsfehlerfrei als unzuverlässig gewerteten Trinkmengenangaben orientieren muûte, ist die – wenngleich im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen erfolgte – Ablehnung der Voraussetzungen für eine entsprechende Schuldminderung bei ihnen nicht tragfähig begründet.
Zumal vor dem Hintergrund ihrer festgestellten Trinkgewohnheiten und eines längeren nicht unerheblichen Alkoholkonsums vor Tatbegehung sowie unter Berücksichtigung aller festgestellten Tat- und Begleitumstände, die insgesamt eine starke alkoholbedingte Enthemmung aller Mittäter nahelegen , weisen die herangezogenen Elemente des Leistungsverhaltens der Angeklagten J und M C – die allerdings ausreichten, bei ihnen , nicht anders als bei dem Mitangeklagten W , einen Vollrausch auszuschlieûen – zu wenig Differenziertheit auf, um ein insoweit intaktes Hem-
mungsvermögen ausreichend belegen zu können. Das Erinnerungsvermögen ist angesichts der verhältnismäûig dürftigen von den Angeklagten angegebenen Umstände gleichermaûen wenig aussagestark. Bei dieser Sachlage war auch der Beobachtung und Beurteilung der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Angeklagten durch zwei Zeuginnen nach der Tat ± und damit möglicherweise nach gewisser aufgrund wahrgenommener Tatfolgen eingetretener Ernüchterung ± nicht zuzubilligen.
Es liegt freilich denkbar nahe, daû bei dem Angeklagten J C im Blick auf seine einschlägige Vorverurteilung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gekommen wäre. Gleichwohl läût sich jedenfalls nicht sicher ausschlieûen, daû der Tatrichter die Freiheitsstrafe auch gegen ihn bei Zugrundelegung erheblich verminderter Schuldfähigkeit geringer bemessen hätte.

b) Der Angeklagte W wird durch die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht beschwert.
Bei ihm begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhanges zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden Bedenken. Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur, die ihn an der von Gruppendynamik geprägten brutalen Tat zum Nachteil sozial noch Schwächerer mitwirken lieû, steht mit seinem systematischen Alkoholmiûbrauch ersichtlich in engem Zusammenhang , dieser ist für sein besonders kritikloses Verhalten ebenso offensichtlich gleichermaûen ursächlich (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1 und 2). Das Gewicht der von den dargestellten dissozialen Lebensumständen des Angeklagten geprägten schweren Tat indiziert eine spezifische Wiederholungsgefahr (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7). Wenn das Landgericht meinte, eine solche Gefahr unter Hinweis auf
einen “aus der Gruppensituation” folgenden “episodenhaften Charakter” der Tat verneinen zu können, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar.
Es läût sich nicht ausschlieûen, daû sich eine Maûregel der Unterbri ngung des Angeklagten W in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB i.V.m. § 105 Abs. 1, § 7 JGG auf die nach dem Erziehungsbedarf vorzunehmende Bemessung der gegen ihn zweifelsfrei zu verhängenden Jugendstrafe mildernd hätte auswirken können. Deren Höhe kann allein deshalb keinen Bestand haben. Insoweit bedarf es allerdings nicht der Aufhebung von Urteilsfeststellungen. Der neue Tatrichter hat die Höhe der Jugendstrafe auf der Grundlage der hierzu bisher getroffenen Feststellungen ± insbesondere auch zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit ± unter Berücksichtigung im Zusammenhang mit § 64 StGB gefundener neuer Erkenntnisse zu bemessen. Im übrigen kann er lediglich ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen ± möglicherweise auch zu Vorbelastungen des Angeklagten W ± treffen.

c) Auch bei dem Angeklagten M C wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu Vorbelastungen zu treffen haben, wenn auch er sie wegen Miûachtung der von ihnen ausgehenden Warnfunktion strafschärfend berücksichtigen will.
Bei ihm wie bei dem Angeklagten J C hat das Landgericht für die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB auf die rechtsfehlerhafte Begründung der Entscheidung bei dem Angeklagten W Bezug genommen. Auch insoweit ist der Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagten M und J C zu beanstanden.
Der neue Tatrichter wird daher bei allen Angeklagten mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StGB) die Voraussetzungen des § 64 StGB zu klären haben, bei den Angeklagten J und M C nach Klärung
der ± bei W feststehenden ± Voraussetzungen des § 21 StGB, deren es indes für eine solche Maûregel nicht einmal notwendig bedarf (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 32/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. März 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2007

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10. Oktober 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die jeweiligen Verurteilungen wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung entfallen und
b) in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „schweren Raubes zugleich mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung“ schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. zu einer solchen von sieben Jahren verurteilt. Die dagegen jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten erzielen die aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolge. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die jeweils 23 Jahre alten Angeklagten konsumierten bis zu ihrer Inhaftierung täglich in großem Umfang alkoholische Getränke. K. besuchte wegen Lernschwierigkeiten die Förderschule und leidet an einem sogenannten ADH-Syndrom. Er ist neben Diebstahlstaten wegen zahlreicher Körperverletzungen und der Angeklagte B. wegen Betrügereien und Diebstahlstaten bestraft worden.
4
Die beiden Angeklagten verfügten um 2.00 Uhr des 16. Mai 2006 nach reichlichem Alkoholkonsum (BAK B. 3,2 ‰; K. 1,7 ‰) über kein Geld mehr. Sie wollten aber weiter trinken. B. kam auf die Idee, zu dem gemeinsamen Bekannten A. zu gehen, um von diesem Bargeld zu fordern und in dessen Wohnung nach Stehlenswertem zu suchen. Er forderte den ihm als gewalttätig bekannten Angeklagten K. auf, mitzugehen, um A. „Angst zu machen“ (UA S. 29). Der dem B. intellektuell unterlegene K. durchschaute, dass es nicht – wie von B. vorgegeben – um eine geordnete Geltendmachung bestehender Ansprüche gehe, sondern dass die Begehung einer Straftat bevorstehe.
5
Die Angeklagten drangen gewaltsam in die Wohnung des A. ein, misshandelten ihn massiv, u. a. mit Messern, fesselten ihn und entwendeten zahlreiche Einrichtungsgegenstände.
6
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ohne weiteres. Indes hat, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, die jeweilige tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberau- bung zu entfallen, weil sie vorliegend nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung des Raubes darstellt (vgl. BGHR StGB § 239 Abs. 1 Konkurrenzen 8; BGH NStZ-RR 2003, 168). Die Fesselung des A. wurde von den Angeklagten dazu benutzt, den zur Vollendung des Raubtatbestandes gehörenden Gewahrsamsbruch weiter zu fördern.
7
3. Allerdings müssen die Rechtsfolgenaussprüche insgesamt aufgehoben werden.
8
a) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Antrags darauf hin, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht für den Angeklagten B. die aus Trinkmengenangaben von dessen Freundin errechnete Blutalkoholkonzentration von 3,2 ‰ den Ausschluss erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht plausibel belegen. Die vom Landgericht herangezogene Alkoholgewöhnung des B. und fehlende Erinnerungslücken sind hierfür keine wesentlichen Kriterien (vgl. BGHSt 43, 66, 71, 73, 76). Alkoholgewöhnte Täter können sich nämlich auch im Rausch noch äußerlich kontrolliert, planvoll und folgerichtig verhalten, obwohl ihr Hemmungsvermögen möglicherweise schon erheblich beeinträchtigt ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4).
9
Freilich stehen die Feststellungen des Landgerichts zur Blutalkoholkonzentration in einem Spannungsverhältnis zu dem andererseits festgestellten hohen Leistungsniveau des Angeklagten B. ; dies nötigt den Senat insoweit auch zur Aufhebung der Feststellungen. Dieser Angeklagte hat nämlich das vielaktige, sich über 90 Minuten hinziehende Tatgeschehen durch listvolle Planung der Tat, Vorgabe der Angriffe im Einzelnen, Auswahl, Abtransport und Teilung der Beute nahezu vollständig gesteuert. Solches setzt eine intellektuelle Leistungsfähigkeit voraus, die sich mit der Annahme einer Blutalkoholkonzentration in der angenommenen Höhe nur sehr schwer verträgt, die lediglich um 0,1 ‰ unter der Grenze liegt, bei der ein Aus- schluss der Steuerungsfähigkeit stets besonders naheliegt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 14).
10
Der neue Tatrichter wird deshalb die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten B. nach kritischer Prüfung der Trinkmengenangaben und aller weiteren Umstände neu zu bestimmen und deren – bei den hier komplexen, sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Handlungsabläufen und der langen Rückrechnungszeit – nur eingeschränkten Beweiswert (vgl. BGH NStZ 2000, 136; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 20 Rdn. 24) seiner Bewertung zugrunde zu legen haben. Für den Fall der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit weist der Senat zur Frage der Strafrahmenverschiebung auf BGHSt 49, 239 hin.
11
b) Auch hinsichtlich des Angeklagten K. hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat diesem Angeklagten strafschärfend „massive einschlägige Vorstrafen“ (UA S. 42) wegen – im Einzelnen dargestellter vorsätzlicher Körperverletzungen – angelastet. Dabei hat es übersehen, dass die beiden letzten Verurteilungen durch das Amtsgericht Pirna vom 23. Mai und 12. Juli 2006 der hiesigen Tat nachfolgten und mit der Strafe des hier zäsurbegründenden Urteils des Amtsgerichts Pirna vom 23. Mai 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen wäre (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 4).
12
Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben, der naheliegend auch die intellektuellen und psychischen Auffälligkeiten dieses Angeklagten mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen zu betrachten haben wird, wenngleich nach dem Tat- und Leistungsbild des Angeklagten eine Anwendung des § 21 StGB nicht besonders wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 5 StR 214/05) und alles andere als die Festsetzung einer empfindlichen Freiheitsstrafe ohnehin schuldunangemessen wäre.
13
c) Schließlich war der Rechtsfolgenausspruch auch insoweit aufzuheben , als es das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter unterlassen hat, die Voraussetzungen des § 64 StGB zu prüfen. Solches war indes geboten:
14
Beide Angeklagte nahmen seit geraumer Zeit täglich alkoholische Getränke – nach den bisherigen Feststellungen ist der darüber hinaus behauptete Drogenkonsum nicht glaubhaft – in großem Umfang zu sich. Auslöser der hiesigen Tat war das Verlangen nach weiterem Alkohol, für dessen Erwerb Bargeld gewaltsam beschafft werden sollte. Die Tat hat demnach Symptomwert für den Hang im Sinn des § 64 Abs. 1 StGB (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2), dessen Annahme nicht entgegenstünde, wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung

6).


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(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

5 StR 543/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Raubes mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. März 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) gegen die Angeklagten J und M
C
jeweils im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen,
b) gegen den Angeklagten W im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe sowie mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
1. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten des (gemeinschaftlichen) Raubes mit Todesfolge für schuldig befunden und gegen die Angeklagten J und
M C jeweils zwölf Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten W acht Jahre Jugendstrafe verhängt; eine Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei allen Angeklagten unterblieben.
Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch, beim Angeklagten W auch zur Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Im übrigen haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1. Alle drei Angeklagten pflegen seit ihrer Jugend unkritischen, teils massiven Umgang mit Alkohol. Vor der in den Abendstunden begangenen Tat hatten sie alle tagsüber Alkohol konsumiert. Gemeinsam begaben sie sich in ein Obdachlosenheim, gingen gewalttätig gegen dortige Bewohner vor, entwendeten ihnen dabei auch Bier, das sie tranken, und raubten schließlich einem Obdachlosen die Barschaft in Höhe von 140 DM. Bevor sie den Tatort verließen, brachte mindestens einer von ihnen mit Billigung der anderen dem zuvor schon mißhandelten Opfer massive Tritte oder Schläge gegen den Kopf bei, an deren Folgen das Opfer später verstarb. Einen erheblichen Teil der Beute vertranken sie anschließend in einer Gaststätte.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen auf einer insgesamt noch ausreichend ausgeführten Beweiswürdigung. Danach gingen die Angeklagten einverständlich ohne nähere Absprache gemeinsam mit körperlicher Gewalt, die in wechselnder Abfolge und in unterschiedlicher Art, Intensität und Zielrichtung von jedem einzelnen eingesetzt, in Art und Ausmaß von den Mittätern nicht kontrolliert, aber wahrgenommen und insgesamt gebilligt wurde, gegen Insassen des Obdachlosenheimes vor; Gewalt und Drohungen setzten sie dabei auch zur Durchsetzung der Wegnahme von Geld und anderen Gegenständen aus der Habe ihrer Opfer ein. Das Landgericht hat die Verfolgung sachgerecht auf
den nach den Grundsätzen von BGHSt 38, 295 fraglos erfüllten Verbrechenstatbestand des gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge zum Nachteil des Obdachlosen beschränkt, der, wie insbesondere durch den Obduktionsbefund und durch das beobachtete Verletzungsbild unmittelbar nach der Tat hinreichend belegt ist, infolge der Gewalthandlungen verstorben ist. Dabei durfte den Angeklagten ihr gesamtes gewalttätiges Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat, auch zum Nachteil anderer Obdachloser, bei der Strafzumessung angelastet werden.
3. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch – bei dem Angeklagten W teilweise, bei den beiden anderen Angeklagten insgesamt – sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat lediglich bei dem Angeklagten W unbedenklich die Voraussetzungen des § 21 StGB wegen nicht ausgeschlossener erheblicher alkoholbedingter Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zugrundegelegt. Obgleich sich das Landgericht hierfür bei den beiden anderen Angeklagten nicht an ihren rechtsfehlerfrei als unzuverlässig gewerteten Trinkmengenangaben orientieren muûte, ist die – wenngleich im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen erfolgte – Ablehnung der Voraussetzungen für eine entsprechende Schuldminderung bei ihnen nicht tragfähig begründet.
Zumal vor dem Hintergrund ihrer festgestellten Trinkgewohnheiten und eines längeren nicht unerheblichen Alkoholkonsums vor Tatbegehung sowie unter Berücksichtigung aller festgestellten Tat- und Begleitumstände, die insgesamt eine starke alkoholbedingte Enthemmung aller Mittäter nahelegen , weisen die herangezogenen Elemente des Leistungsverhaltens der Angeklagten J und M C – die allerdings ausreichten, bei ihnen , nicht anders als bei dem Mitangeklagten W , einen Vollrausch auszuschlieûen – zu wenig Differenziertheit auf, um ein insoweit intaktes Hem-
mungsvermögen ausreichend belegen zu können. Das Erinnerungsvermögen ist angesichts der verhältnismäûig dürftigen von den Angeklagten angegebenen Umstände gleichermaûen wenig aussagestark. Bei dieser Sachlage war auch der Beobachtung und Beurteilung der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Angeklagten durch zwei Zeuginnen nach der Tat ± und damit möglicherweise nach gewisser aufgrund wahrgenommener Tatfolgen eingetretener Ernüchterung ± nicht zuzubilligen.
Es liegt freilich denkbar nahe, daû bei dem Angeklagten J C im Blick auf seine einschlägige Vorverurteilung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gekommen wäre. Gleichwohl läût sich jedenfalls nicht sicher ausschlieûen, daû der Tatrichter die Freiheitsstrafe auch gegen ihn bei Zugrundelegung erheblich verminderter Schuldfähigkeit geringer bemessen hätte.

b) Der Angeklagte W wird durch die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht beschwert.
Bei ihm begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhanges zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden Bedenken. Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur, die ihn an der von Gruppendynamik geprägten brutalen Tat zum Nachteil sozial noch Schwächerer mitwirken lieû, steht mit seinem systematischen Alkoholmiûbrauch ersichtlich in engem Zusammenhang , dieser ist für sein besonders kritikloses Verhalten ebenso offensichtlich gleichermaûen ursächlich (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1 und 2). Das Gewicht der von den dargestellten dissozialen Lebensumständen des Angeklagten geprägten schweren Tat indiziert eine spezifische Wiederholungsgefahr (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7). Wenn das Landgericht meinte, eine solche Gefahr unter Hinweis auf
einen “aus der Gruppensituation” folgenden “episodenhaften Charakter” der Tat verneinen zu können, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar.
Es läût sich nicht ausschlieûen, daû sich eine Maûregel der Unterbri ngung des Angeklagten W in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB i.V.m. § 105 Abs. 1, § 7 JGG auf die nach dem Erziehungsbedarf vorzunehmende Bemessung der gegen ihn zweifelsfrei zu verhängenden Jugendstrafe mildernd hätte auswirken können. Deren Höhe kann allein deshalb keinen Bestand haben. Insoweit bedarf es allerdings nicht der Aufhebung von Urteilsfeststellungen. Der neue Tatrichter hat die Höhe der Jugendstrafe auf der Grundlage der hierzu bisher getroffenen Feststellungen ± insbesondere auch zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit ± unter Berücksichtigung im Zusammenhang mit § 64 StGB gefundener neuer Erkenntnisse zu bemessen. Im übrigen kann er lediglich ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen ± möglicherweise auch zu Vorbelastungen des Angeklagten W ± treffen.

c) Auch bei dem Angeklagten M C wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu Vorbelastungen zu treffen haben, wenn auch er sie wegen Miûachtung der von ihnen ausgehenden Warnfunktion strafschärfend berücksichtigen will.
Bei ihm wie bei dem Angeklagten J C hat das Landgericht für die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB auf die rechtsfehlerhafte Begründung der Entscheidung bei dem Angeklagten W Bezug genommen. Auch insoweit ist der Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagten M und J C zu beanstanden.
Der neue Tatrichter wird daher bei allen Angeklagten mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StGB) die Voraussetzungen des § 64 StGB zu klären haben, bei den Angeklagten J und M C nach Klärung
der ± bei W feststehenden ± Voraussetzungen des § 21 StGB, deren es indes für eine solche Maûregel nicht einmal notwendig bedarf (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 404/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. und 3. auf dessen Antrag - am
25. November 2008 gemäß § 346 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 28. April 2008, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. Februar 2008 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen unter Einbeziehung des Ur- teils des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 19. September 2006 zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 28. April 2008, mit dem es die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig - weil nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet - verworfen hatte, war aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufzuheben.
3
2. Die im Revisionsantrag enthaltene Rüge der Verletzung formellen Rechts ist - da nicht ausgeführt - gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
4
3. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, führt jedoch zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
5
Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die Taten auch aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit und um seinen eigenen Drogenkonsum finanzieren zu können. Nach seiner Haftentlassung im Januar 2008 nahm er Kontakt zur Drogenberatung auf. Unter diesen Umständen musste das Landgericht die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt prüfen (st. Rspr.; vgl. u. a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4 und 5; BGH NStZ 2005, 210). Die stattdessen erteilte Zustimmung zu einer etwaigen Therapie nach § 35 BtMG machte dies nicht entbehrlich, da § 64 StGB den vollstreckungsrechtlichen Sonderregelungen des Betäubungsmittelgesetzes vorgeht (BGH NStZ-RR 2003, 12; StraFo 2004, 359); hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz vom 16. Juli 2007 im Grundsatz nichts geändert (BGH StV 2008, 405, 406; Beschl. vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08 - Rdn. 9). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
6
Da nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter für den Fall der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 5 Abs. 3 JGG, der dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung trägt (BGHSt 39, 92, 95 f.), von der zusätzlichen Verhängung einer Jugendstrafe absieht (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 2; Beschl. vom 4. März 2008 - 3 StR 30/08; Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz 13. Aufl. § 5 Rdn. 28) oder eine niedrigere Strafe verhängt, war auch die einheitliche Jugendstrafe aufzuheben.
7
Ergänzend wird für die erneute Rechtsfolgenfestsetzung darauf hingewiesen , dass in eine neue Entscheidung nicht nur das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 19. September 2006 (Az.: 127 Ls 762 Js 788/05), sondern auch das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 22. März 2006 (Az.: 14 Ds 601 Js 1828/05) einzubeziehen und dies in der Urteilsformel entsprechend zu kennzeichnen ist (s. Eisenberg aaO § 31 Rdn. 38, § 54 Rdn. 20 m. w. N.). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob neben der etwaigen Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen wird oder nicht. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 316/08
vom
16. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. September 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Januar 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im gesamten Strafausspruch und
b) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision ist unbegründet.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung sowie wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Anspruch des Nebenklägers auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Zwar begegnen die wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl verhängte Einsatzstrafe von neun Jahren Freiheitsstrafe, die wegen der Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und die daraus gebildete Gesamtstrafe für sich genommen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat aber bei der Bemessung dieser Strafen nicht erkennbar berücksichtigt, dass im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten zu einer (Einheits-) Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten durch Urteil vom 18. April 2007, die der Angeklagte zurzeit verbüßt, ein Härteausgleich veranlasst war. Die in der vorliegenden Sache abgeurteilten Taten hat der Angeklagte am 21. Juli 2007, mithin fünf Tage vor der Verwerfung seiner Berufung gegen das vorgenannte Urteil durch Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 26. Juli 2007 begangen. Zutreffend hat das Landgericht die Jugendstrafe nicht in die Gesamtstrafe einbezogen , weil die Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Jugendstrafe und einer Freiheitsstrafe des allgemeinen Strafrechts bei getrennter Aburteilung nicht zulässig ist (BGHSt 36, 270). Die in der unverkürzten Vollstreckung sowohl der Jugendstrafe als auch der nach Erwachsenenstrafrecht zu verhängenden Strafe liegende Härte ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen und auszugleichen (BGHSt 36, 270, 275 ff.; 41, 310, 312). Dass das Landgericht dies bedacht hat, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Die wegen der hier abgeurteilten Taten zu verhängenden Einzelstrafen und demzufolge auch die Gesamtstrafe sind deshalb unter Beachtung der Grundsätze in BGHSt 36, 270, 277 neu zuzumessen.
3
2. Auch soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen, hat das Urteil keinen Bestand.
4
Nach den Feststellungen liegt bei dem Angeklagten "jedenfalls ein chronischer Alkoholmissbrauch" vor. Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auch ein solcher Missbrauch die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB rechtfertigen kann. Im Hinblick darauf, dass bei den verfahrensgegenständlichen Taten des Angeklagten der vorangegangene Alkoholkonsum "ein zusätzlicher konstellativer Faktor" gewesen sei und "ähnlich strukturierte Taten" auch in der Vergangenheit vorgekommen seien, hat das Landgericht auch die Gefahr einer Wiederholung solcher Taten bejaht. Obwohl nach Auffassung des Landgerichts "auf Grund der familiären Einbindung, der Krankheitseinsicht und der Abwesenheit früherer fehlender Behandlungsversuche auch Indizien für eine gewisse Erfolgsaussicht einer Behandlung" bestehen , hat es den hierzu gehörten Sachverständigen folgend die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB mit der Begründung verneint, der Alkoholmissbrauch sei für die Taten "nur ein zusätzlicher konstellativer Faktor" gewesen. Bei dem Angeklagten bestünden auch allgemeine Defizite der Verhaltenssteuerung und eine niedrige Schwelle für gewalttätiges Verhalten. Im Hinblick darauf seien erzieherische und sozialpädagogische Maßnahmen, wie sie im Rahmen des Jugendstrafvollzuges, in dem sich der Angeklagte derzeit befinde , vorgehalten werden, sinnvoller und Erfolg versprechender.
5
Diese Begründung für die Nichtanordnung der Unterbringung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Richtig ist der rechtliche Ansatzpunkt insoweit, als zwischen dem in § 64 StGB vorausgesetzten Hang zu übermäßigem Alkoholgenuss und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit ein symptomatischer Zusammenhang bestehen muss (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Soweit das Landgericht meint, gegen die Annahme eines solchen Zusammenhangs spreche, dass der Alkoholmissbrauch nur ein zusätzlicher "konstellativer Faktor" gewesen sei, geht es jedoch von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des Begriffs des symptomatischen Zusammenhangs aus. Denn ein solcher Zusammenhang ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn der Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch in Zukunft zu besorgen ist. Dieser Zusammenhang kann daher grundsätzlich nicht allein deshalb verneint werden, weil außer dem Alkoholmissbrauch noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1; BGH NStZ 2004, 681).
6
Soweit es das Landgericht mit dem Sachverständigen für sinnvoll erachtet hat, dem Angeklagten den Abschluss der im Jugendstrafvollzug begonnenen Berufsausbildung zu ermöglichen, kann dem - worauf die Revision zu Recht hingewiesen hat - gegebenenfalls bei der gemäß § 67 Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge Rechnung getragen werden.
7
3. Die zu Grunde liegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können daher bestehen bleiben. Die s gilt auch, soweit es die Nichtanordnung der Unterbringung betrifft, da sie lediglich auf einem rechtsfehlerhaften Verständnis des Begriffs des symptomatischen Zusammenhangs beruht.
Maatz Athing Solin-Stojanović
Ernemann Mutzbauer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.