Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - 5 StR 360/11

bei uns veröffentlicht am01.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 360/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
,
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
am 30. November und 1. Dezember 2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger für den Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt M.
als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Rechtsanwältin K.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 1. Dezember 2011 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. Februar 2011 betreffend den Angeklagten S. mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich III. Fall 3 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Jugendstrafe aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorgenannte Urteil betreffend diesen Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich III. Fall 3 der Urteilsgründe sowie im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben; seine weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr der Jugendstrafe vor der Maßregel angeordnet. Darüber hinaus hat es ihn verur- teilt, an den Neben- und Adhäsionskläger L. ein Schmerzensgeld in Hö- he von 10.000 € nebst Zinsen zu zahlen sowie seine Verpflichtung zum Er- satz weiterer Schäden wegen des Vorfalls vom 5. Juni 2010 festgestellt. Den Angeklagten S. hat es wegen gefährlicher sowie schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und diese zur Bewährung ausgesetzt.
2
Die Revision des Angeklagten D. führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall III.3 der Urteilsgründe und im gesamten Rechtsfolgenausspruch. Sie ist unbegründet hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall II sowie hinsichtlich der Fälle III.1 und 2. Insoweit hat die revisionsgerichtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler ergeben. Die zu Ungunsten des Angeklagten S. eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , die den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (III.1 der Urteilsgründe) vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, ist erfolgreich.
3
1. Zum Tatgeschehen vom 5. Juni 2010 (III der Urteilsgründe), das allein näherer Erörterung bedarf, hat die Jugendkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der damals fast 19 Jahre alte, mehrfach auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte D. war gemeinsam mit dem 17 Jahre alten, wegen jugendtypischer Straftaten mit Bagatellcharakter vorgeahndeten Mitangeklagten S. am Tatabend im Stadtgebiet von Hamburg-Harburg unterwegs. Die alkoholisierten Angeklagten schlugen den Passanten Kn. , von dem sie sich provoziert fühlten, jeweils mit der Faust gegen den Kopf. Nachdem dieser bei einer Rangelei zu Boden gegangen war, schlugen und traten beide Angeklagten weiter auf ihn ein, bis andere Passanten zugunsten des Geschädigten eingriffen (Fall 1).
5
Nachdem Kn. auf seinem Fahrrad geflüchtet war, wandten sich die Angeklagten den bislang unbeteiligten Zeugen Di. und seiner Lebensge- fährtin De. zu. D. forderte den Zeugen auf, mit ihm zu kämpfen, schlug ihn gegen den Oberarm und Rücken. Er streifte den weitergehenden Zeugen durch einen kampfsportartigen Tritt in Richtung des Rückens. Der Angeklagte S. , der sich an den Gewalttätigkeiten gegen Di. nicht beteiligte, forderte D. auf, den Zeugen in Ruhe zu lassen (Fall 2).
6
D. wandte sich nun dem unbeteiligt in unmittelbarer Nähe an einer Straßenecke stehenden Nebenkläger L. zu. D. schlug ihm unvermittelt so heftig ins Gesicht, dass der durch einen früher erlittenen Schlaganfall gesundheitlich vorgeschädigte Nebenkläger „wie ein Baum“ zu Boden fiel und verteidigungsunfähig liegen blieb (UA S. 21). Sodann trat D. ihm mehrfach in den Bauch und gegen den Oberkörper. „Völlig über- raschend“ lief in diesem Moment der Angeklagte S. zu dem am Boden liegenden Nebenkläger und trat ihm „mit voller Wucht“ (UA S. 21) von oben auf den Kopf, der dadurch zwischen Schuh und Straßenpflaster eingeklemmt wurde. Unmittelbar nach dem Tritt flüchtete S. , während D. mit der Faust noch zwei- bis dreimal „in Richtung Gesicht, möglicherweise auch ge- gen den Körper“ des Nebenklägers schlug (UA S. 22). Dieser erlitt potentiell lebensgefährliche Schädelverletzungen und es kam zur Vernarbung einer Arterie im Gehirn. Infolgedessen hat sich sein Allgemeinzustand erheblich verschlechtert. Aufgrund der Vernarbung der Gehirnarterie besteht die Gefahr , dass er einen weiteren Schlaganfall erleiden könnte (Fall 3).
7
b) Die Jugendkammer vermochte keinen (bedingten) Tötungsvorsatz des Angeklagten S. festzustellen: Es fehle bereits am kognitiven Vorsatzelement , weil S. im Zeitpunkt der Tat derart von aggressiven Gefüh- len überwältigt worden sei, dass er die Gefährlichkeit seines Handelns „nicht mehr vollumfänglich reflektieren konnte“ (UA S. 51). Hingegen geht das Tatgericht davon aus, dass der Angeklagte D. die Lebensgefährlichkeit des von S. geführten Tritts gegen den Nebenkläger erkannte und die Möglichkeit seines Todes billigend in Kauf nahm.
8
Bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten S. kommt die Jugendkammer zu dem Ergebnis, dass dieser im Fall 3 „durch einen Ge- fühlsausbruch im Zusammenwirken mit Alkohol als konstellativem Faktor re- gelrecht ‚überflutet‘ worden ist von ihm bisdahin unbekannten aggressiven Persönlichkeitsanteilen“ (UA S. 45) und dies bei ihm einen „Verwirrtheitszustand“ ausgelöst habe. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher hier – anders als im Fall 1, in dem er voll schuldfähig gewesen sei – aufgrund einer tiefgreifen- den Bewusstseinsstörung „nicht unerheblich eingeschränkt“ gewesen.
9
2. Die Ablehnung des Tötungsvorsatzes beim Angeklagten S. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
a) Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es – wovon auch das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgeht – nahe, dass der Täter mit dem Eintritt des Todes seines Opfers rechnet; indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, nimmt er einen solchen Erfolg billigend in Kauf (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 7. August 1986 – 4StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, und vom 20. Juni 2000 – 5 StR 25/00, NStZ-RR 2000, 328; zu Tritten gegen den Kopf: BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 1 StR 178/05 – und vom 23. August 2011 – 1 StR 153/11, Rn. 51). Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz möglich und regelmäßig ein Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges zu verneinen, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 28. April 1994 – 4 StR 81/94, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38).
11
Die Brutalität der Tathandlung und die Augenfälligkeit der hiermit verbundenen Lebensgefahr machten hier das Todesrisiko kognitiv leicht erfass- bar. Dies drängt sich selbst bei Annahme erheblich verminderter „Reflekti- onsfähigkeit“ (UA S. 51) auf. Angesichts dessen ist die Verneinung des Tö- tungsvorsatzes unter Hinweis darauf, der Angeklagte S. habe „die volle Tragweite“ seiner Handlungen infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstö- rung nicht erkennen und deren Gefahr nicht realistisch einschätzen können, nicht hinreichend begründet.
12
b) Hinzu kommt, dass die Begründung, mit der die Jugendkammer eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Fall 3 bejaht, lückenhaft und in wesentlichen Punkten widersprüchlich ist.
13
Bei der unmittelbar vorangegangenen Tat (Fall 1) hat die Jugendkammer – im Einklang mit beiden Sachverständigen – keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gefunden. Seine Alkoholisierung – durch Rückrechnung der knapp sechs Stunden nach der Tat festgestellten Blutalkoholkonzentration ermittelt sie einen maximalen Tatzeitwert von 2,3 bis 2,4 ‰ – hält sie angesichts des langen Rückrechnungszeitraums und des Fehlens alkoholbedingter Ausfallerscheinungen zu Recht nicht für allein ausschlaggebend. Hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit bei dem nur wenige Augenblicke später erfolgenden Angriff auf den Nebenkläger (Fall 3) kommt die Jugendkammer zu einem anderen Ergebnis. Besondere Bedeutung misst sie dabei der Tatsache zu, dass sich der AngeklagteS. zuvor im Fall 2 beschwichtigend verhalten hat und der Tathergang – entsprechend der Analyse des Sachverständigen A. – somit einen „logi- schen Bruch“ aufweise. Aus diesem „logischen Bruch“ folgert das Tatgericht einen „Verwirrtheitszustand“ des Angeklagten S. imZeitpunkt der Tatbegehung im Fall 3.
14
Die Annahme eines „unerklärlichen Verhaltensumschwungs“ findet in den Feststellungen zum Vorgehen des Angeklagten S. keine Stütze: Bereits im Fall 1 nahm er – gemeinsam mit D. – eine allenfalls geringfügige Provokation durch den Geschädigten zum Anlass, diesem Faustschläge ge- gen den Kopf zu versetzen und dem bereits auf dem Boden Liegenden gegen den Oberkörper und den Kopf zu treten. Gegenüber diesem Verhalten mag die Tat des Angeklagten S. im Fall 3 zwar eine Intensivierung der Gewaltanwendung darstellen; einen „logischen Bruch“ dokumentiert dieser Tatablauf auch unter Berücksichtigung des Verhaltens im Fall 2 gerade nicht.
15
Allein aus der – scheinbaren – Unerklärlichkeit der von der Jugendkammer erkannten Verhaltensänderung des Angeklagten kann überdies nicht auf einen diese bedingenden, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindernden „Überflutungs- und Verwirrtheitszustand“ geschlos- sen werden, der ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB erfüllt.
16
3. Die Annahme eines Tötungsvorsatzes des BeschwerdeführersD. ist in den Urteilsgründen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
17
a) Die Jugendkammer hat D. die Handlung des Mitangeklagten S. über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet. Sie stellt insoweit zunächst fest, D. habe erkannt und „billigend in Kauf“ genommen, dass der Nebenklä- ger „durch den Kopftritt des Angeklagten S. zuTode kommen könnte“ (UA S. 21). An anderer Stelle führt sie beweiswürdigend aus, dass beide Angeklagte einen wesentlichen Tatbeitrag im Rahmen eines bestehenden Tat- plans geleistet hätten. Letzterer sei „während der Tat“ dahingehend gefasst worden, den Nebenkläger „unter Ausübung von Schlägen und Tritten anzu- greifen“ (UA S. 47). Diese Annahme sieht das Tatgericht belegt durch die von beiden Angeklagten vorgenommenen, wechselseitig gebilligten Gewalt- handlungen innerhalb eines einheitlichen Geschehensablaufs. „Dadurch, dass der Angeklagte S. sich in das Geschehen einschaltete und seinerseits auf den Geschädigten L. einwirkte, hat er sich mit den zuvor vom Angeklagten D. verübten Handlungen einverstanden erklärt. Auch hat der Angeklagte D. nachfolgend sein Einverständnis mit dem vom Angeklagten S. verübten Fußtritt zum Ausdruck gebracht, indem er seinerseits weiter auf den Geschädigten L. einschlug“ (UA S. 48).
18
b) Zwar geht die Strafkammer damit im Ansatz zutreffend davon aus, dass der gemeinsame Tatplan auch konkludent durch arbeitsteilige Tatausführung gefasst werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289; hierzu Fischer, StGB, 58. Aufl., § 25 Rn. 17). Sie erörtert in diesem Zusammenhang indes nicht, wie sich damit die Feststellung vereinbaren lässt, S. habe dem Nebenkläger „völlig überraschend“ – mithinfür D. unvorhersehbar – den Tritt auf den Kopf versetzt (UA S. 21). Dieser Umstand legt einen Mittäterexzess nahe. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht zu erkennen, welche Anknüpfungstatsachen das Tatgericht seiner Annahme eines mittäterschaftlichen Totschlagsversuchs zugrunde gelegt hat.
19
c) Auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich insoweit – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – keine rechtlich tragfähigen Anknüpfungspunkte. Diese sind in Bezug auf den Zurechnungsmaßstab (§ 25 Abs. 2 StGB) widersprüchlich.
20
Das Tatgericht hebt nämlich einerseits ausdrücklich auf einen konkludent – zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt – während der Tatbege- hung gefassten Tatplan ab. Zum anderen erörtert es das „Vorliegen sukzessiver Mittäterschaft“ (UA S. 48) und führt aus, dass D. durch sein Verhal- ten nach dem Tritt seine Billigung der Handlungen des S. „zum Ausdruck gebracht hat“ (UA S. 49).
21
Die Angabe, an welchem Maßstab die Strafkammer ihre Bewertung eines mittäterschaftlich begangenen versuchten Totschlags gemessen hat, war jedoch mit Blick auf die für eine Erfolgszurechnung im Wege sukzessiver Täterschaft erforderliche gemeinsame (versuchte) Tatvollendung unentbehrlich ; danach muss der Hinzutretende die Vorstellung haben, die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges durch sein eigenes Handeln weiter zu fördern (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 5 StR 143/10, StraFo 2010, 296). Im angefochtenen Urteil ist indes nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer D. seine anschließenden Gewalthandlungen als möglicherweise todesfördernd oder -beschleunigend erfasste. Die von der Strafkammer festgestellten – auf den heftigen Tritt des Angeklagten S. folgenden – Schläge des Beschwerdeführers D. „in Richtung Gesicht möglicherweise auch gegen den Körper“ des Nebenklägers (UA S. 22) bele- gen dies nicht ohne weiteres. In diesem Zusammenhang kann zudem von Bedeutung sein, in welchem Zustand sich der Nebenkläger nach dem Tritt befunden hat, wozu sich das Landgericht gleichfalls nicht eindeutig verhält.
22
d) Schließlich lässt die nicht näher ausgeführte Erwägung der Strafkammer , der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten im Anschluss an den Tritt des Angeklagten S. „zum Ausdruck gebracht“, dass er den „Fußtritt gebilligt hat“ (UA S. 49), besorgen, dass das Tatgericht allein aus der nachträglichen Billigung einer Handlung in unzulässiger Weise auf einen sukzessiv gefassten gemeinsamen Tatplan geschlossen hat (vgl. hierzu Fischer , aaO, Rn. 17). Dieser Gesichtspunkt hätte allenfalls bei einem zugrunde gelegten konkludent gefassten Tatentschluss beweiswürdigend zu Lasten des Beschwerdeführers herangezogen werden können.
23
4. Die Sache bedarf neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat hebt wegen des hier gegebenen engen Zusammenhangs im Fall 3 auch die Feststellungen zu den äußeren Tatumständen auf. Er weist darauf hin, dass sich zur Erhellung des Vorsatzes der Angeklagten ergänzende Feststellungen zu den zeitlich unmittelbar vorgelagerten Fällen III.1 und 2 empfehlen.
24
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
25
a) Die Begründung, mit der die Jugendkammer – bei rechtsfehlerfreier Verneinung eines völligen Ausschlusses der Schuldfähigkeit – betreffend den Angeklagten D. auch die Voraussetzungen des § 21 StGB bei allen verfahrensgegenständlichen Taten ausschließt, ist teilweise widersprüchlich. Zwar sprechen die zeitnah nach den Taten gemessenen Atemalkoholkon- zentrationen (1,21 bzw. 1,33 ‰) zumindest indiziell (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 5 StR 520/09 Rn 9, NStZ-RR 2010, 275; Urteil vom 6. Juni 2002 – 1 StR 14/02, NStZ 2002, 532, 533) dafür, dass vor den Taten keine Alkoholaufnahme erfolgte, die zur Anwendung des § 21 StGB führen musste. Auch die beiden von der Strafkammer gehörten Sachverständigen kommen unter maßgeblicher Berücksichtigung – hier allerdings wenig aussagekräftiger – psychodiagnostischer Kriterien zur Verneinung einer alkoholbedingt erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Dieses Ergebnis steht indes in einem Spannungsverhältnis zu der – von der Jugendkammer im Zusammenhang mit der Feststellung der Voraussetzungen einer Unterbringung des alkoholabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gewürdigten – Äußerung des Sachverständigen B. , Alkohol führe bei dem Angeklagten „nicht lediglich zu einer Enthemmung, sondern zu unkontrollierten Aggressionsausbrüchen“ (UA S. 62).
26
b) Da sich die Bemessung der Jugendstrafe an der erforderlichen erzieherischen Einwirkung zu orientieren hat (§ 18 Abs. 2 JGG), würde hier eine durch Alkoholisierung vermittelte Annahme des § 21 StGB – auch bei Wegfall des versuchten Tötungsdelikts (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 – 5 StR 290/04, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 59) – allerdings nicht zwingend zu einer niedrigeren Sanktion führen. Das mit einer Alkoholisierung verbundene Risiko der Begehung von Straftaten war für den Angeklagten – insbesondere mit Blick auf seine zahlreichen einschlägigen erheblichen Vorstrafen – auch ersichtlich (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239).
27
c) Der Senat hebt wegen des engen Zusammenhangs mit der Bewertung der Schuldfähigkeit auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB auf. Gleichwohl wird die Anordnung dieser Maßregel – jedenfalls soweit keine wesentlich anderweitigen Feststellungen getroffen werden – wiederum naheliegen.
Raum Brause Schaal Schneider König

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - 5 StR 360/11

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(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni
2000, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Tepperwien als Vorsitzende,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger der Angeklagten M ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger des Angeklagten L ,
Rechtsanwältin L
als Verteidigerin des Angeklagten Sch ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger des Angeklagten Ki ,
Rechtsanwalt Bö
als Beistand des Nebenklägers,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 17. Dezember 1998 werden verworfen.
Die Landeskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dadurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – die vier Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Aussetzung zu Freiheitsstrafen bzw. zu Jugendstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger machen mit ihren Revisionen – jeweils auf die Sachrüge gestützt – geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhafterweise sich nicht vom Tötungsvorsatz der vier Angeklagten überzeugt und dementsprechend eine jeweilige Verurteilung wegen versuchten Mordes verabsäumt. Die Rechtsmittel bleiben – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – ohne Erfolg.
In der Silvesternacht 1997 kam es bei einer Feier zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Die Angeklagten mißhandelten den Nebenkläger erheblich. Anschließend verbrachten sie den verletzten und bewußtlosen Nebenkläger auf ein freies Feld, wo sie ihn zurückließen. Als der Nebenkläger erwachte, konnte er in ein Krankenhaus gebracht werden, wo sein Leben durch eine sofortige Operation gerettet wurde.

I.


Soweit das Landgericht sich nicht vom Tötungsvorsatz der Angeklagten hat überzeugen können, liegt dem kein sachlichrechtlicher Fehler zugrunde.
Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen – mithin auch von der subjektiven Tatseite – zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Kann der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 277, 278; BGH NStZ 1984, 180). Ein solcher Fehler ist hier nicht gegeben.
1. Mit der bloßen Beanstandung, das Landgericht habe „weder die Aussage des Geschädigten noch die Bekundungen der Zeugen St ,
K , G und R noch den Ortstermin vom 28. Oktober 1998 gewürdigt“, kann die Staatsanwaltschaft keinen Erfolg haben. Die damit angesprochenen Beweiserhebungen sind sämtlich urteilsfremd. Diesbezügliche Verfahrensrügen sind nicht erhoben.
2. Im übrigen kommt allein der – im Ergebnis jedoch nicht durchgreifende – Gesichtspunkt etwaiger Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung in Betracht, weil das Urteil – wie den Beschwerdeführern zuzugeben ist – insofern knapp ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen besonders nahe liegt, daß der Täter auch mit der Möglichkeit, daß das Opfer zu Tode kommen könne, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 3, 37 m.N.). Andererseits ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH NStZ 1983, 407 m.N.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 5).
Diesen Gesichtspunkten hat das Landgericht jedoch mit folgenden Erwägungen noch hinreichend Rechnung getragen: „Zwar bestand bei einer damals herrschenden Außentemperatur von 6 ° C eine Gefahr der Unterkühlung des Geschädigten, die die Angeklagten als eine von ihnen verursachte Lebens- oder Leibesgefahr des Geschädigten zumindest als möglich voraussahen und billigten. Darin liegt aber noch nicht das Einverständnis damit, daß diese Gefahr in einen wirklichen Schaden an Leben oder Leib umschlage. So war es auch hier. Die Angeklagten spürten nach ihrem eigenen Empfinden zumindest keine extreme Kälte. Auch über das Ausmaß der Verletzungen des Geschädigten, die, wie später festgestellt, zum Teil lebensbedrohlich waren, waren sich die Angeklagten nicht im Klaren“ (UA S. 54).
Schließlich mußten auch die zuvor von den Angeklagten geführten Reden, den Nebenkläger vom Balkon zu werfen, ihn „einzubuddeln“ oder in einen Fluß zu werfen, nicht weiter als im Urteil geschehen erörtert werden. Erkennbar hat das Landgericht diese „Spekulationen“, die es als „ziellos“ und „halbherzig“ bezeichnet, als durch das weitere Tatgeschehen überholt erachtet.

II.


Schließlich deckt die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtung weder einen sonstigen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten noch einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Tepperwien Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 178/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2005 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 28. Januar 2005 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts und unter Berücksichtigung des weiteren Revisionsvorbringens vom 19. Mai 2005 bemerkt der Senat: Die Verweisung der Sache an das Landgericht wegen des Verdachts eines versuchten Totschlags war nicht willkürlich, sondern angesichts des Sachverhalts, wonach auf den Kopf eines regungslos auf dem Gehsteig liegenden Mannes mit einem beschuhten Fuß eingetreten wurde, ausgesprochen naheliegend.
Auch die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ist im Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft. Nack Wahl Kolz Elf Graf
51
1. Die Annahme, dass insbesondere bei Tritten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Menschen ein Tötungsvorsatz in Betracht kommen kann, liegt im Grundsatz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 288/05, NStZ-RR 2006, 10, 11; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 1 StR 178/05). Die insoweit freilich sehr knappen Ausführungen der Jugendkammer ergeben im Kontext mit den sonstigen Urteilsgründen, dass der Jugendkammer auch im Blick auf ein eher spontanes, sich rasch intensivierendes Geschehen Zweifel an einem solchen Vorsatz verblieben. Dies gilt auch, soweit die Jugendkammer angesichts des in seiner ständigen Bewegung schnell wechselnden und nur begrenzt zuverlässig zu rekonstruierenden tumultartigen Geschehens keine Handlungen der Angeklagten festzustellen vermochte, die die Annahme eines Tötungsvorsatzes aufdrängten. Vergleichbares gilt hinsichtlich des beim Nebenkläger eingetretenen Verlusts des Auges und der sonstigen schweren Verletzungen , von deren Verursachung durch die Angeklagten sich die Jugendkammer ebenfalls nicht zweifelsfrei überzeugen konnte. All dies liegt auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens noch im Rahmen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung, sodass es nicht darauf ankommt, ob auch eine andere Würdigung vertretbar erschiene.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 191/09
vom
23. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23. Juni 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers
sowie der Nebenkläger persönlich,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 5. November 2008 werden verworfen. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 3. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen beanstanden die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, dass das Landgericht einen Tötungsvorsatz nicht für erwiesen erachtet und den Angeklagten deshalb nicht wegen Totschlags verurteilt habe. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Der Angeklagte und S. , das spätere Tatopfer, waren in der Nacht zum 25. Dezember 2007 als Gäste auf einer Party des Zeugen E. , die in der Wohnung von dessen verreisten Eltern stattfand. Auf dieser Party nahmen der Angeklagte und S. in erheblichem Maß Alkohol (Wodka und Bier) zu sich. Außerdem verbrachten sie und ein weiterer männlicher Partygast, der wie der Angeklagte und S. ohne weibliche Begleitung gekommen war, ihre Zeit damit, mit nackten Oberkörpern an einem Fitnessgerät in einem Nebenraum zu „spielen“ oder auf dem Boden miteinander zu „catchen“. Der Angeklagte fiel hierbei durch seine grundlose verbale Aggressivität gegenüber den übrigen Partygästen auf, so dass der Gastgeber mehrfach beruhigend auf ihn einwirken musste.
4
Gegen 2.30 Uhr rangen der Angeklagte und S. miteinander auf dem Wohnzimmerboden. Der Zeuge B. , ein weiterer Partygast, trennte die beiden stark alkoholisierten Kontrahenten, wobei er sich bei der anschließenden Auseinandersetzung mit dem Angeklagten, dessen Blutalkoholkonzentration zu diesem Zeitpunkt bei maximal 2,97 Promille lag, leichte Verletzungen an Nase und Rücken zuzog. S. , der zunächst das Wohnzimmer verlassen hatte, kam zurück und versetzte dem Angeklagten einen Stoß, so dass dieser auf einen Couchtisch mit Glasfläche fiel. Hierdurch kippte der Tisch nach hinten in Richtung Wand; das Glas zersplitterte, wodurch sich unmittelbar um den Glastisch ein „Splitterfeld“ mit zum Teil mehreren Zentimeter langen und breiten Glassplittern bildete. Der Angeklagte empfand den Stoß als demütigend und wollte sich hierfür rächen. Er stand sofort auf, nahm einen der Glassplitter und stach ihn unmittelbar mit der linken Hand von oben nach unten mit großer Wucht in S. s rechte Halsseite, um diesen zu verletzen. Die Steuerungs- fähigkeit des Angeklagten war zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Alkoholisierung in Verbindung mit seiner affektiven Erregung erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 21 StGB. Durch den Stich wurden die rechte innere Doppelvene, die rechte Unterschlüsselbeinarterie und die fast zehn Zentimeter unter dem Halsansatz liegende rechte Pleurakuppel von S. durchtrennt. Das Blut spritzte wie eine Fontäne aus der Wunde. S. ging zu Boden und verstarb innerhalb der nächsten fünf Minuten an den Verletzungsfolgen.
5
Der Angeklagte war über die Folgen des Stiches zutiefst erschrocken. Er bemühte sich, die Blutung bei seinem Opfer mit einem Handtuch zu stillen. Außerdem telefonierte er zweimal mit dem Notruf der Polizei und drängte darauf, dass der Rettungsdienst möglichst schnell zu Hilfe kommen sollte. Als der Notarzt um 2.40 Uhr am Einsatzort eintraf, stand der Angeklagte nur mit Unterhose und Socken bekleidet und in einem „völlig aufgelösten Zustand“ auf der Straße, um die Rettungskräfte darauf hinzuweisen, dass sich der schwer verletzte S. oben in der Wohnung befinde. Nachdem der Notarzt in der Wohnung festgestellt hatte, dass S. an den Verletzungsfolgen bereits verstorben war, forderte der Angeklagte den Arzt beharrlich auf, seine Wiederbelebungsversuche fortzusetzen, weil er sich mit dem Tod seines Opfers nicht abfinden wollte. Dem Notarzt gelang es dabei nur sehr mühsam, den Angeklagten davon zu überzeugen, dass S. nicht mehr zu retten war. Anschließend nahm der Angeklagte von dem toten S. Abschied, nachdem er zuvor einen der Polizisten diesbezüglich um Erlaubnis gebeten hatte.
6
b) Das Landgericht hat sich trotz der Gefährlichkeit der Gewalthandlung von einem auch nur bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. Zwar sei für den Angeklagten vorhersehbar gewesen, „dass ein mit Wucht in die Halsregion des S. geführter Stich dessen Tod zur Folge haben könnte“ (UA S. 9). Es sei aber nicht auszuschließen, dass die erhebliche alkoholische Enthemmung des Angeklagten und sein Erregungszustand trotz der objektiven Gefährlichkeit seines Tuns zu der - vermeidbaren - Fehleinschätzung geführt habe, sein Handeln würde nicht zum Tod S. s führen. Dabei hat das sachverständig beratene Landgericht angenommen , dass der Geschehensablauf das Vorliegen eines affektiven Erregungszustands bei dem Angeklagten nahe legen würde, da dieser zunächst von S. auf den Glastisch gestoßen worden sei und das wuchtige Zustechen mit der Glasscherbe in den Hals des Opfers als unmittelbare Reaktion des Angeklagten hierauf anzusehen sei. Schließlich hat das Landgericht das Nachtatverhalten des „über die Folgen seines Stichs zutiefst erschrockenen“ (UA S. 9) Angeklagten - insbesondere den Inhalt der Notruftelefonate - als gewichtiges Indiz dafür herangezogen, dass der Angeklagte den Tod des S. weder wollte noch in seine Vorstellung aufgenommen oder gebilligt hatte, als er zustach (UA S. 25).
7
2. Die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage das Landgericht die Annahme eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes - in dubio pro reo - verneint hat, hält der rechtlichen Überprüfung stand. Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 16; BGH StV 1994, 580). Konnte sich das Tatgericht von der Täterschaft oder vom Vorsatz des Angeklagten nicht überzeugen, prüft das Revisionsgericht auch, ob das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeu- gungsbildung gestellt hat (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25 und Beweiswürdigung 5). Liegen derartige Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die Beweiswürdigung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Überzeugungsbildung möglich gewesen wäre oder sogar nahe gelegen hätte. So verhält es sich auch hier.
8
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor der Annahme bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissensals auch das Wollenselement, geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH NStZ 2003, 603; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 33). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen , rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz möglich. Dabei ist in der Regel ein Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38). Es ist jedoch auch in Betracht zu ziehen, dass der Täter im Einzelfall die Gefahr der Tötung nicht erkannt hat oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 50). Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht stets geschlossen werden, dass auch das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2003, 603, 604; BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4).
9
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das diese Grundsätze beachtet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer hat das Landgericht bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte mit Tötungsvorsatz gehandelt hat, auch nicht die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt. Vielmehr hält sich die Überzeugungsbildung zum Tatvorsatz noch im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Tatrichters.
10
Allerdings liegt es angesichts der erheblichen Gefährlichkeit des Stichs mit der Glasscherbe, den der Angeklagte mit erheblicher Wucht ausführte und der zehn Zentimeter tief in den Hals des Getöteten eindrang, sehr nahe, dass der Angeklagte beim Zustechen mit der Möglichkeit einer tödlichen Verletzung rechnete und diese auch billigend in Kauf nahm. Dies hat das Landgericht aber erkannt. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung, in die es die Besonderheiten des vorliegenden Falles einbezogen hat, legt es dar, aus welchen Gründen es sich trotz der erheblichen Gefährlichkeit der Gewalthandlung gleichwohl keine Überzeugung von einem zumindest bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verschaffen konnte.
11
Als gewichtigen Umstand gegen die Annahme, der Angeklagte habe beim Zustechen mit der Glasscherbe den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen , bezeichnet das Landgericht die erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten , die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB geführt hat. Nach den Urteilsfeststellungen konnte die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit 2,97 Promille betragen haben.
Schon vor der Tatbegehung zeigte der Angeklagte ein alkoholbedingtes auffälliges und enthemmtes Verhalten, indem er wiederholt grundlos verbal aggressiv auftrat und mit anderen männlichen Partygästen mit nacktem Oberkörper auf dem Fußboden raufte.
12
Als weiteren gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatz beim Angeklagten sprechenden - freilich eher ambivalenten - Umstand nennt das Landgericht, den Ausführungen eines psychiatrischen Sachverständigen folgend , die Tatsache, dass sich der Angeklagte bei der Tatbegehung in einem „wut- und aggressionsbedingten Erregungszustand“ befand. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Geschehensablauf war der Angeklagte über die ihm zugefügte Demütigung, den Stoß auf den Couchtisch, so verärgert , dass er spontan zu der Glasscherbe griff und aus Wut S. - ohne genauere Überlegung - den tödlichen Stich zufügte.
13
Schließlich hat das Landgericht auch das Nachtatverhalten des Angeklagten als Gesichtspunkt dafür herangezogen, dass er den Tod des Opfers nicht wollte. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Angeklagte bemühte sich unmittelbar nach dem Zustechen um die Rettung des Opfers vor dem Tod, indem er versuchte, die Blutung mit Hilfe eines Handtuchs zu stillen, und indem er sich aktiv an der Verständigung und Unterrichtung des Notarztes beteiligte. Zwar kann ein solches Nachtatverhalten auch bloß Ausdruck einer spontanen Ernüchterung des Täters sein, der sich angesichts der sichtbaren Tatfolgen der Verantwortung für seine Tat entziehen will. Eine solche - nach einer Prüfung unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes mögliche (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 141, 142) - Annahme, war hier aber nicht so nahe liegend, dass es einer ausdrücklichen Erörterung dieser Möglichkeit nicht bedurfte. Es begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht angesichts des „aufgelösten Zustands“ des Angeklagten beim Eintreffen des Notarztes, der Beharrlichkeit, mit der er auf den Notarzt einwirkte, damit dieser seine Rettungsbemühungen fortsetzen sollte, und des noch am Tatort geäußerten Wunschs des Angeklagten, sich von dem toten S. verabschieden zu dürfen, nicht bloß als Reue gewertet hat. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht damit auch hinreichend deutlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass dem Angeklagten im Zeitpunkt des Zustechens ein möglicher Tod des Opfers nicht gleichgültig war (vgl. dazu BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
14
Angesichts der vom Landgericht aufgezeigten besonderen Umstände stellt es jedenfalls keine Überspannung der an die tatrichterliche Überzeugung zu stellenden Anforderungen dar, dass das Landgericht hier trotz der erheblichen Gefährlichkeit der Tatausführung verbliebene Zweifel an einem Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht zu überwinden vermochte (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 141). Da auch sonst Rechtsfehler in der Beweiswürdigung nicht vorhanden sind, hat der Senat hinzunehmen, dass sich das Landgericht keine Überzeugung von einem zumindest bedingten Tatvorsatz verschaffen konnte. Es ist ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Landgerichts durch eine eigene Beweiswürdigung zu ersetzen, selbst wenn ein anderes Ergebnis wirklichkeitsnäher erscheinen könnte. Nack Kolz Elf Jäger Sander

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 520/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 12. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er trägt indes die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung zweier amtsgerichtlicher Urteile (zuletzt sechs Monate Jugendstrafe unter Anwendung des § 31 Abs. 2 JGG) zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Die Jugendkammer hat sich im Wesentlichen auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten und des Obduktionsgutachtens davon überzeugt, dass der Angeklagte am 7. November 2008 – wenige Tage vor seinem 16. Geburtstag – gegen 19.00 Uhr den stark alkoholisierten S. auf einem Zittauer Spielplatz getötet hat.
3
Der Angeklagte war mit dem späteren Opfer in Streit geraten wegen von diesem versprochener, vom Vater des Angeklagten im Voraus bezahlter Fahrradteile. Dabei bezeichnete S. den Angeklagten und dessen Vater als „Arschloch“ und „Wichser“. „Herr S. erhob sich von der Parkbank und griff dem Angeklagten an den Hals. Der Angeklagte hatte das Gefühl , er werde gewürgt, befreite sich aber rasch und ohne Probleme aus dieser Lage und stieß Herrn S. zu Boden … Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt – aus Ärger über die vermeintlich fehlende Lieferung der Fahrradteile und aus Ärger über das Verhalten des Geschädigten – Herrn S. massiv zu verletzen. Dabei nahm er im Laufe des Geschehens den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf. S. war auf dem Boden liegend zu einer effektiven Gegenwehr und Verteidigung nicht mehr in der Lage. Der Angeklagte schlug und trat mit äußerster Kraft und Stärke wiederholt gegen den Rumpf, den Kopf und den Hals seines Opfers. Darüber hinaus wirkte er mehrfach und unter hoher Kraftaufwendung mit dem Hals einer abgebrochenen Bierflasche auf Kopf und Hals des Geschädigten ein. Das Gesicht und der Hals des Herrn S. bluteten aufgrund der erlittenen Verletzungen sehr stark. In diese stark blutenden Gesichts- und Halswunden trat der Angeklagte wiederum wiederholt mit großer Kraft mit seinem Fuß ein“ (UA S. 9). Die hervorgerufenen Rippenserienbrüche führten zu erheblichen Verletzungen innerer Organe. Die Menge des hierdurch nach innen und aus den Verletzungen am Kopf und am Hals des Opfers nach außen ausgetretenen Blutes verursachte einen tödlichen Verblutungsschock.
4
2. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuldspruch erfolglos im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die insoweit fehlerfreien Feststellungen belegen insbesondere den Tötungsvorsatz des Angeklagten, dessen Verantwortungsreife und nicht aufgehobene Schuldfähigkeit.
5
3. Indes ist die Jugendstrafe aufzuheben, weil tragende Strafzumessungserwägungen , mit denen das Landgericht eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat, und zur Höhe der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auf zu Lasten und zu Gunsten des Angeklagten wirkenden Fehlern in der Beweiswürdigung beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 5 StR 32/07 Tz. 7 f.).
6
a) Das Landgericht hat – sachverständig beraten – zwar eine Störung des Sozialverhaltens des Angeklagten, die hohe Alkoholkonzentration zur Tatzeit und die Provokation durch das Opfer unter den jeweils zutreffenden Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB erörtert, indes die gebotene Gesamtbetrachtung (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3) unterlassen und zudem die markanten Tatumstände, die eine besonders starke Enthemmung nahe legen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2002 – 5 StR 543/01, insoweit in NStZ-RR 2002, 107 nicht abgedruckt), nicht ersichtlich erwogen.
7
Soweit das Landgericht die aus dem Blutentnahmeprotokoll vom 8. November 2008, 3.32 Uhr, entnommenen Feststellungen dafür herangezogen hat, dass der Angeklagte zur Tatzeit um 19.00 Uhr in seiner Leistungsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt gewesen sei (UA S. 28), stößt dies auf durchgreifende Bedenken. Der nur auf einen leichten Alkoholeinfluss hindeutende Untersuchungsbefund fußt auf der Blutalkoholkonzentration von 1,23 ‰ zum Entnahmezeitpunkt und ist schon deswegen nicht geeignet, das Leistungsvermögen des Angeklagten unter Wirkung einer Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ zu belegen.
8
Zudem ist zu besorgen, dass die vom Landgericht für einen Ausschluss erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit herangezogene Alkoholgewöhnung und fehlende Erinnerungslücke überbewertet worden sind (vgl. BGHSt 43, 66, 71, 73, 76; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4; BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 5 StR 32/07 Tz. 8).
9
b) Soweit das Landgericht aufgrund einer an sich zutreffenden Rückrechnung unter Würdigung von Angaben des Angeklagten zu einem Nachtrunk von lediglich 0,375 l Bier zu der angenommenen maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ gelangt ist, steht dies schon in einem vom Landgericht nicht ersichtlich bedachten Spannungsverhältnis zu den übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum eher eine geringere Alkoholintoxikation nahe legenden Nachtatverhalten des Angeklagten. Hinzu tritt, dass es das Landgericht unterlassen hat, die Bedeutung des anlässlich einer Polizeikontrolle um 22.50 Uhr durchgeführten Atemalkoholtests mit 0,76 mg/l in seine Beweiswürdigung einzubeziehen. Zwar ist eine direkte Konvertierung von Atemalkohol- in Blutalkoholkonzentrationen ausgeschlossen (BGHSt 46, 358, 365). Indes wird jedem AAK-Wert eine gewisse Bandbreite von BAK-Werten entsprechen (BGHSt aaO m.w.N.), die ohne Weiteres in die Beweiswürdigung über den Umfang eines Nachtrunks, zumal bei – wie hier – widersprüchlichen Angaben eines Angeklagten, in Befolgung der Aufklärungspflicht einzubeziehen und mit zu bewerten ist. Demnach hätte es nahe gelegen, bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der von ihm als Fahrradfahrer anstandslos passierten Polizeikontrolle von einer BAK von noch unter 2 ‰ auszugehen (vgl. BGHSt aaO S. 366).
10
4. Zudem hat die festgesetzte Jugendstrafe auch deshalb keinen Bestand , weil es das Landgericht trotz Vorliegens erheblicher hierfür sprechender Umstände verabsäumt hat, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu erwägen (§ 7 Abs. 1 JGG), was die mit am Erziehungsbedarf orientierte Festsetzung der Jugendstrafe – auch ohne dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 JGG hätten erfüllt werden können – beeinflusst haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2002 – 5 StR 543/01, insoweit nicht in NStZ-RR 2002, 107 abgedruckt; BGH, Beschluss vom 25. November 2008 – 3 StR 404/08 Tz. 6).
11
Das Landgericht hat zum Alkoholkonsum des Angeklagten Feststellungen getroffen, die eine Würdigung als Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB erfordert hätten. Nach den – freilich zweifelhaften (vgl. oben 3.) – Feststellungen führte der Angeklagte die Tat unter Wirkung einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,81 ‰ aus. Er trank seit Anfang 2008 nunmehr auch in der Woche regelmäßig Alkohol. „Ab Sommer 2008 kam es bei dem Angeklagten zu regelmäßigem, fast täglichen Alkoholkonsum mit wiederholt einsetzenden Rauschzuständen“ (UA S. 7). Die Freundin des Angeklagten beendete ihre Beziehung mit diesem, weil der Angeklagte im Sommer 2008 angefangen habe, oft schon frühmorgens Alkohol zu trinken (UA S. 18).
12
Die getroffenen Feststellungen hätten die Annahme des nach § 64 StGB weiter gebotenen symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang, der Tat und der zukünftigen Gefährlichkeit (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang , symptomatischer 1) nicht grundlegend in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2008 – 4 StR 316/08 Tz. 5 m.w.N.). Zwar hat das Landgericht aus zwei früher geahndeten – mit Mittätern begangenen – gefährlichen Körperverletzungen ohne Alkoholeinfluss auf eine hohe Gewaltbereitschaft und eine ausgesprochen geringe Hemmschwelle des Angeklagten geschlossen (UA S. 30, 36). Dem steht indes die für die Zeit stark gesteigerten Alkoholkonsums getroffene Feststellung entgegen, dass der Angeklagte gerade unter Alkohol häufig aggressiv geworden ist (UA S. 18).
13
Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls zu beachten haben, dass eine Maßregel nach § 64 StGB nicht die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB erfordert (BGHR StGB § 64 Ablehnung 6).
14
5. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs neuer Aufklärung und Bewertung. Insbesondere sofern das neue Tatgericht erneut die Voraussetzungen einer Provokation entsprechend § 213 StGB, 1. Alternative bejahen sollte, wird es seine Strafzumessungserwägungen schon aus diesem Grund nicht – wie im angefochtenen Urteil erfolgt (UA S. 37) – am Höchstmaß einer zu verhängenden Jugendstrafe orientieren können.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 14/02
vom
6. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
,
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. September 2001 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, und wegen Körperverletzung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts mißbrauchte der Angeklagte seine 1985 geborene Stieftochter 1995 oder 1996 sowie am 25. März 2001 sexuell. Ferner schlug und trat er sie im Dezember 2000, im Februar 2001 und am 25. März 2001 mit der Hand und einmal mit den Füßen. Bei allen Taten war der Angeklagte durch den vorangegangenen Genuß alkoholischer Getränke leicht enthemmt. Jedoch war seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei keiner der Taten erheblich vermindert.
Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge greift er insbesondere die Feststellung nicht erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

II.


Die Revision ist - von vorneherein - wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt die Auslegung der Revisionsrechtfertigung. Sie hat das erklärte Ziel, den Weg zur Verurteilung zu einer geringeren Freiheitsstrafe zu eröffnen, zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

III.


1. Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines “psychologischen-psychiatrischensuchtmedizinischen Sachverständigengutachtens” durch das Landgericht.
Die Rüge ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar vermag die Nennung der Fundstellen des Beweisantrags und des Ablehnungsbeschlusses in den Akten deren inhaltliche Wiedergabe in der Revisionsrechtfertigungsschrift grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. LR-Hanack StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 83; KKKuckein StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 39; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 344 Rdn. 21; jeweils m.w.N.; differenzierend: Kutzer, StraFo 2000, 326 [327]). Der Beschwerdeführer teilt daneben aber noch mit, daû zur Auswir-
kung des Alkohol- bzw. Tablettenkonsums des Angeklagten auf dessen Schuldfähigkeit bereits zwei rechtsmedizinische Sachverständige gehört wurden , die eine wesentliche - alkohol- oder medikamentenbedingte - Verminderung des Einsichts- oder Steuerungsvermögens des Angeklagten zu den Tatzeiten verneinten, daû der Angeklagte die Beauftragung eines weiteren - psychiatrischen - Sachverständigen hierzu beantragt hatte, die Strafkammer dies aber unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat. Dies genügt hier, um den Senat in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung und der Urteilsgründe zu überprüfen, ob der behauptete Verfahrensverstoû gegeben ist.
Weiterer Vortrag in der Revisionsbegründung wäre allerdings dann erforderlich gewesen, wenn Grundlage des beantragten Sachverständigengutachtens nicht nur der Alkohol- und Tablettenkonsum des Angeklagten hätte sein sollen, sondern etwa Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten. Diese hätten dann genannt werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Die Strafkammer hat den Beweisantrag rechtsfehlerfrei unter Berufung auf ihre eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Diese wird in den Urteilsgründen überzeugend nachgewiesen. Die Strafkammer durfte dabei auch auf die ihr in der Hauptverhandlung durch die Ausführungen der bereits gehörten Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse zurückgreifen (vgl. G. Schäfer, Die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. Rdn. 1193 m.w.N.).
2. Auch mit der Sachrüge bleibt die Revision ohne Erfolg.

a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer festgestellt, daû die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in keinem der Fälle alkoholbedingt oder in Folge der Einnahme von Tabletten (Diazepam) erheblich vermindert war.
aa) Der Angeklagte nimmt regelmäûig groûe Alkoholmengen zu sich. Er ist “hochgradig alkoholgewöhnt”. Nach Alkoholkonsum wird er zuweilen aggressiv. Eine süchtige Einengung auf den Konsum von Alkohol liegt jedoch nicht vor. Seine Lebens- und Freizeitgestaltung ist nicht beeinträchtigt. Mit Rücksicht auf seinen Beruf als Fernfahrer, den er seit fünfzehn Jahren beanstandungsfrei ausübt, trinkt der Angeklagte in der Regel nur an Wochenenden, soweit familiäre Unternehmungen nicht entgegenstehen. Erinnerungslücken infolge von Trunkenheit hatte der Angeklagten noch nie. Alkoholbedingte Entzugserscheinungen konnten bei einer einmonatigen stationären Behandlung des Angeklagten ab Ende Mai 1995 nach einem Suizidversuch nicht festgestellt werden.
Konkrete Anhaltspunkte zum Grad der Alkoholisierung des Angeklagten bei den Taten gibt es nur hinsichtlich der Vorfälle am 25. März 2001. Eine am nächsten Tag um 02.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o. Davon ausgehend ergibt sich eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,54 %o bei der Körperverletzung - Tatzeit zwischen 19.00 Uhr und 19.23 Uhr - und von 3,41 %o bei der sexuellen Nötigung (Tatzeit zwischen 19.40 Uhr und 20.00 Uhr). Ein um 20.45 Uhr vorgenommener Atemtest ergab eine Alkoholkonzentration von 2,48 %o. Ausfallerscheinungen waren bei dem Angeklagten weder zum Zeitpunkt seiner Festnahme um
20.00 Uhr noch bei der ärztlichen Prüfung seiner Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Blutentnahme um 02.10 Uhr erkennbar.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte aufgrund ärztlicher Verordnung ab Mai 1994 ungefähr ein Jahr lang täglich lediglich eine Tablette Diazepam ein und nicht fünf bis sieben, wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung entgegen seinen Angaben gegenüber dem ihn 1995 behandelnden Arzt einlieû. Die Beendigung dieses Tablettenkonsums hatte zu Beginn seiner stationären Behandlung nach einem Suizidversuch ab Ende Mai 1995 nur eine leichte Entzugssymptomatik zur Folge.
bb) Auf dieser Grundlage ist die selbst sachkundige und zudem sachverständig beratene Strafkammer aufgrund sorgfältiger Erwägungen unter Darstellung der maûgeblichen Anknüpfungstatsachen zu der Überzeugung gekommen , daû weder der Alkoholmiûbrauch des Angeklagten noch (hinsichtlich der ersten Tat) die regelmäûige Einnahme von Diazepam - auch nicht im Zusammenwirken mit Alkohol - eine schwere Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer suchtbedingten und suchttypischen Depravation des Angeklagten zur Folge hatte und er zu den Tatzeiten auch nicht infolge einer akuten Alkoholund /oder Medikamentenintoxikation an einer krankhaften seelischen Störung litt.
Dies ist auch hinsichtlich der Taten am 25. März 2001 von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten lag zum Zeitpunkt der ersten der beiden Taten am 25. März 2001 im Bereich von 2,5 %o bis 3,54 %o. Die Strafkammer hat nicht verkannt, daû eine Blutalkoholkonzentration in der hier nach Rückrechnung nicht ausschlieûbaren Höhe
“zwar an sich geeignet ist, eine forensisch relevante Intoxikation zu indizieren”. Allerdings verliert - worauf die Strafkammer zu Recht hinweist - der errechnete maximale Blutalkoholwert infolge des langen Rückrechnungszeitraums an indizieller Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ 1998, 457 [458]), zumal hier die - ebenfalls indizielle - tatnahe Atemluftmessung eher auf eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit an der unteren Grenze der Bandbreite der möglichen Werte schlieûen läût.
Vor allem aber gibt es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, daû ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Denn eine durch den Blutalkoholgehalt angezeigte, wirksam in den Blutkreislauf aufgenommene Alkoholmenge wirkt nach medizinischer Erfahrung auf jeden Menschen unterschiedlich (BGHSt 43, 66 [71 f.]; vgl. auch BGH NStZ 1998, 458). Das Landgericht stellte rechtsfehlerfrei fest, daû das körperliche und geistige Leistungsvermögen des in hohem Maûe alkoholgewohnten Angeklagten kurz nach der Tat und auch zum Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe - bei dann einer Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o - nicht wesentlich beeinträchtigt war. Dabei hat die Strafkammer - bei Darlegung der Befundtatsachen - nicht nur auf das kontrollierte und äuûerlich geordnete Verhalten des Angeklagten abgestellt, sondern insbesondere auch auf dessen klares Bewuûtsein, seine sofortigen adäquaten Reaktionen auf Fragen und Handlungen anderer, den geordneten Denkablauf, seine ruhige Stimmung und sein normales Befinden. Wenn die Strafkammer vor diesem Hintergrund eine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder der Steue-
rungsfähigkeit auch bei Begehung der Taten am 25. März 2001 ausgeschlossen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Daû sich der Angeklagte das Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung zum Nachteil der Darlene Neu am 14. Februar 1998 hinsichtlich der Tat (sexuelle Nötigung) am 25. März 2001 nicht zur Warnung dienen lieû, durfte die Strafkammer berücksichtigen, auch wenn jenes Verfahren am 4. Januar 2001 mit einem Freispruch endete (vgl. BGHSt 25, 64; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 367).

c) Auch im übrigen ergab die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 290/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 25. und 26. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Sc
als Verteidigerin des Angeklagten Wi ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwältin L
als Verteidigerin des Angeklagten H ,
Rechtsanwältin P
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
in der Sitzung vom 26. Januar 2005

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen werden die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; diese bleiben aufrechterhalten. Insoweit werden die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Die Schwurgerichtskammer hat die Angeklagten jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen sieben und acht Jahren verurteilt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge weitgehend Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich hingegen als unbegründet.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten W und H sollten am 19. Februar 2003 gemeinsam zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Cottbus erscheinen. Sie beschlossen deshalb, den Vortag nicht zu Hause zu verbringen, sondern gemeinsam verschiedene Bekannte zu besuchen, um nicht von der Polizei zwecks Vorführung festgenommen werden zu können. Der Angeklagte R schloß sich ihnen an. Zwischen 17.00 und 18.00 Uhr gelangten die Angeklagten zu dem später geschädigten D , einem früheren Arbeitskollegen des Angeklagten W , der auch dem AngeklagtenH flüchtig bekannt war. In der Einraumwohnung des D , die sich in einem Hochhaus in der Leipziger Straße in Cottbus befand, hielt sich auch die den Angeklagten bis dahin unbekannte, später getötete K auf. In geselliger Runde wurde Musik gehört sowie Bier und Schnaps getrunken, bis die Alkoholvorräte zur Neige gingen. Gegen 20.00 Uhr stahl deshalb der Angeklagte R im nahegelegenen REWE-Markt zwei Flaschen Korn.
Während des weiteren gemeinsamen Trinkens begann der schon betrunkene D , den Angeklagten R zu provozieren und zu beleidigen. Den aufkommenden Streit wollten beide im Hausflur außerhalb der Wohnung austragen. D , der infolge seiner Trunkenheit schon erheblich schwankte, führte dort einen Schlag gegen R , den dieser aber leicht abwehren konnte; umgekehrt schlug R nunmehr D mit der Hand-
kante ins Gesicht, woraufhin dieser blutend zu Boden ging. Beide gingen zurück in die Wohnung, wo gemeinsam weitergetrunken wurde. Bald kam es jedoch wieder, ausgehend von D , zum Streit zwischen den beiden und erneuten Schlagversuchen D s sowie zu kräftigen Faustschlägen des Angeklagten R in D s Gesicht. R warf nunmehr die Gläser aus D s Wohnzimmerschrank zu Boden und schlug diesem weiter mehrfach kräftig mit der Faust ins Gesicht. Als daraufhin D s Blut auf die Kleidung des Angeklagten W spritzte, wurde auch dieser wütend. Angesichts der Eskalation ging K , die schon zuvor erfolglos schlichtend auf die Streitenden eingewirkt hatte, zwischen R und D ; sie wurde jedoch durch einen heftigen Schlag von R auf die Couch neben den Angeklagten W geschleudert. Dies paßte W ebensowenig wie ihre anschließende Einmischung in sein Gespräch mit H , der sie mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. Nunmehr versetzte W ihr mit seinem rechten Ellenbogen derart w uchtige Schläge ins Gesicht , daß sie heftig blutete und das Blut bis auf die Tapete hinter der Couch spritzte. H versetzte D Stöße mit dem Knie und trat und schlug ihn mit voller Wucht gegen das Gesicht; auch der Geschädigten K trat er ins Gesicht.
Insgesamt beteiligten sich alle drei Angeklagten, die aufgeheizter Stimmung waren und bereits die bisherigen Gewalthandlungen gebilligt hatten , im gemeinschaftlichen Zusammenwirken an massiven Gewalttätigkeiten. Zwischen ihnen bestand ein unausgesprochenes Einverständnis darüber, die beiden ersichtlich betrunkenen, ihnen körperlich weit unterlegenen Geschädigten , die sich auch nicht wehrten, zu mißhandeln; die Angeklagten schlugen teils gemeinsam, teils abwechselnd mit Fäusten und Handrücken auf diese ein und versetzten ihnen mit beschuhten Füßen Tritte gegen Kopf und Körper. H und R streiften sich Handschuhe über, um sich bei den Gewalttätigkeiten nicht selbst zu verletzen; R zog zudem Jacke und Pullover aus, damit diese nicht blutig würden. Nach weiteren von allen gebilligten Tritten und Schlägen – ohne daß die jeweils aktiv Tätigen im einzelnen
festzustellen waren – lagen die Opfer schließlich schwer verletzt und hilflos auf dem Boden; D war bewußtlos, K stöhnte und wimmerte vor Schmerzen.
Als R aus dem Badezimmer kam, wo er sich Blut abgewaschen hatte, erkannte er angesichts des blutüberströmten und hilflosen Zustandes der Geschädigten das Ausmaß des Geschehens und wurde „schlagartig nüchtern“. Über sein Mobiltelefon rief er den Notruf 110 an und erklärte „völlig außer sich und weinend“, in der Leipziger Straße „zum Hochhaus hin“ lägen zwei Leute, die „am Kopf kaputt“ seien. W prüfte kurze Zeit später den Puls von D , der noch spürbar war, rief über die Notrufnummer bei der Polizei an und bat um einen Notarzt in die Leipziger Straße, wobei er sich aber in der Angabe des Stadtbezirks irrte, so daß sein Notruf nicht zum Auffinden der Opfer führte.
Die erheblich alkoholisierten Geschädigten erlitten durch die Mißhandlungen der Angeklagten schwerwiegende Verletzungen. D erst kam am Vormittag des 19. Februar 2003 wieder zu sich, von einer Vielzahl teils blutender Wunden entstellt, mit gebrochener Rippe und einem Schädelhirntrauma. Sein Sehvermögen ist seitdem eingeschränkt, und er leidet unter Gleichgewichtsstörungen. K war infolge der ihr zugefügten Verletzungen am 18. Februar 2003 gegen 23.00 Uhr verstorben. Ihr Gesicht wies neben großen Hämatomen eine Platzwunde und knöcherne Verletzungen am Schädel auf. Weiter fanden sich Zeichen massiver stumpfer Gewalteinwirkung auf den Kopf und Hals. Die dabei entstandenen Gesichtsweichteilzerreißungen sowie mehrfache Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche führten in Verbindung mit einer Bluteinatmung unmittelbar zum Tode. Die Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche sind nach zutreffender Einschätzung des medizinischen Sachverständigen am ehesten durch zahlreiche Fußtritte gegen den Kopf oder das Schlagen mit einem Gegenstand erklärbar , wobei auch ein Aufspringen auf den am Boden liegenden Kopf als Ursache in Betracht komme, nicht aber ein Sturzgeschehen; gleiches gelte für die
festgestellten Rippenserienbrüche, die am ehesten durch Knien auf dem Körper oder durch Aufspringen mit flachen Sohlen, nicht aber durch einen Sturz entstanden seien.
Zum subjektiven Tatbestand hat das Landgericht lediglich mit zwei knappen Sätzen (UA S. 25 und S. 49) ausgeführt, es sei nicht nachweisbar, daß die Angeklagten ihre Opfer töten wollten. Jedoch hätten sie während der massiven Gewalteinwirkungen auf die geschädigte K erkennen können und müssen, daß sie ihr dadurch lebensgefährliche Verletzungen beibringen können, die zum Tode führen.
Zugunsten von H und W hat die Schwurgerichtskammer die anzuwendenden Strafrahmen jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB verschoben. Bei diesen Angeklagten, die schon am Vormittag des Tattages gemeinsam mit dem Trinken begonnen hatten, vermochte das Landgericht in Anschluß an die Ausführungen mehrerer Sachverständiger – anders als bei dem Angeklagten R – eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Steuerungsfähigkeit infolge Alkoholisierung zumindest nicht auszuschließen. Bei allen Angeklagten wurde von den psychiatrischen Sachverständigen ein langjähriger Alkoholmißbrauch festgestellt, der sich indes noch nicht zu einem Hang im Sinne von § 64 StGB verfestigt habe.

II.


Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung der Schuldsprüche.
1. Die Sachrüge führt – wie der Generalbundesanwalt zutreffend geltend macht – über das ausdrückliche Begehren der Staatsanwaltschaft in ihren mit der Sachrüge unbeschränkt geführten Revisionen hinaus zur Beanstandung des Fehlens einer Begründung für die Verneinung eines – wenn auch nur bedingten – Tötungsvorsatzes der Angeklagten.

a) Die Abgrenzung einer bewußt fahrlässigen von einer bedingt vorsätzlichen Tötung erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar (BGH NStZ 2003, 431), weil bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 58). Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todeserfolges indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen sind (vgl. BGHSt 36, 1, 10).

b) Diesen Prüfungsanforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Angesichts der nach den Feststellungen vom gemeinschaftlichen Willen aller Angeklagten getragenen massiven Einwirkungen auf Kopf und Rumpf der erkennbar stark betrunkenen und schließlich hilflos am Boden liegenden Opfer durch Schläge und Tritte reichte es nicht aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal abzulehnen. Dies versteht sich hinsichtlich der verstorbenen K angesichts der Schwere und Vielzahl der ihr zugefügten Kopfverletzungen von selbst. Auch bezüglich des geschädigten D läßt sich ein Tötungsvorsatz nicht ohne weiteres so knapp ausschließen, wie dies das Landgericht getan hat; schließlich haben die Angeklagten auch auf ihn gemeinschaftlich bis zu seiner Bewußtlosigkeit eingeschlagen und eingetreten.
Selbst wenn dem Landgericht wegen der Beweislage und der Komplexität des Tatablaufs eine individuelle Zuordnung einzelner Gewalttätigkeiten weitestgehend nicht möglich war, entband dieser Umstand es nicht davon , die Frage des Tötungsvorsatzes mit Blick auf die Gesamtheit der von
allen Mittätern gewollten Gewalthandlungen sorgfältig zu prüfen, zumal Exzeßhandlungen einzelner Angeklagter nicht festzustellen waren.

c) Danach bedürfen die für den Schuldspruch erforderlichen subjektiven Tatumstände erneuter Aufklärung und Bewertung. Der neue Tatrichter wird dabei auch den möglichen Einfluß der teils erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten zu bedenken haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55). Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf können hier angesichts schwer aufklärbarer Tatumstände einerseits und einer rechtfehlerfrei vorgenommenen Zurechnung sämtlicher Gewalthandlungen aufgrund gemeinsamen Tatenschlusses bei Ausschluß etwaiger Exzeßtaten andererseits bestehen bleiben. Diese Feststellungen können lediglich um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Danach wird für den neuen Tatrichter kein Raum sein für eine über das bisher Festgestellte hinaus gehende Individualisierung und Aufteilung der einzelnen Tatbeiträge auf die einzelnen Angeklagten, auch im Hinblick auf die Frage des Tötungsvorsatzes. Bei den (bislang entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht lückenhaft festgestellten) Verletzungsfolgen von D bieten sich ergänzende Feststellungen zum Heilungsverlauf seit der vorangegangenen Hauptverhandlung an.

d) Wird ein vorrangig zu prüfendes aktives Tötungsdelikt erneut mangels Tötungsvorsatzes verneint, wird ein lediglich durch Unterlassen begangener (ggf. versuchter) Totschlag im Ergebnis bei der subjektiven Befindlichkeit der Angeklagten möglicherweise aus den gleichen Gründen ausscheiden.
Der Senat weist auf folgende – namentlich bei gruppendynamisch geprägtem Geschehen typische – Besonderheit bei hochgradig brutalen Gewalttaten hin: Fälle mit gedankenloser, dumpfer bloßer Verletzungsabsicht, die mit gröbster Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesfolge einhergeht , und Fälle mit bereits bedingtem Tötungsvorsatz können in subjekti-
ver Hinsicht so eng beieinander liegen, daß ihr Schuldgehalt – jedenfalls beim Fehlen von Mordmerkmalen – nicht von gravierend unterschiedlichem Gewicht ist. Das angemessene Strafmaß für Totschlag oder versuchten Totschlag wird sich daher in solchen Fällen im Ergebnis von demjenigen für Körperverletzung mit Todesfolge oder gefährliche Körperverletzung kaum beträchtlich unterscheiden.
Da jedoch bei Taten dieser Art bedingter Tötungsvorsatz näherliegt als nur grobe Fahrlässigkeit, kann der Senat die minderen Schuldsprüche auf der Grundlage der unvertretbar knappen Begründung des Landgerichts hier nicht hinnehmen. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil jedenfalls bezogen auf die Angeklagten W und H die Strafaussprüche Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten enthalten.
2. Der neue Tatrichter wird auch zur Schuldfähigkeit der Angeklagten und zur Grundlage für eine etwaige Maßregel nach § 64 StGB mit sachverständiger Hilfe eigene neue Feststellungen zu treffen haben. Der Senat weist zudem darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft zu Recht die zugunsten der Angeklagten H und W infolge ihrer Alkoholisierung jeweils vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beanstandet.

a) Die Frage einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei erheblicher Alkoholisierung hat der Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Der grundsätzlich schuldmindernde Umstand einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit kann dabei durch schulderhöhende Umstände ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich liegt insbesondere dann nahe, wenn eine vermeidbare Alkoholisierung durch Umstände in der Person des Täters (etwa Neigung zu Aggressionen oder Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluß) oder in der Tatsituation (etwa Trinken in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen) das Risiko der
Begehung von Gewalttaten erkennbar signifikant erhöht hat (BGH NJW 2004, 3350, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

b) Nach diesen Maßstäben begegnet der Automatismus, mit dem das Landgericht im angefochtenen Urteil den Angeklagten W und H eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat, durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte W ist mehrfach wegen Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluß vorbestraft. Der Angeklagte H hat zwar lediglich einmal im März 2002 gemeinsam mit W alkoholisierten im Zustand eine Straftat mi t gewalttätiger Entgleisung begangen, ist aber nach eigener Einschätzung leicht reizbar, wenn er Alkohol getrunken hat. Beide Angeklagte kannten damit die ungünstigen Wirkungen erheblicher Alkoholisierung auf ihre Gewaltbereitschaft. Eine Ausnahme von der unter solchen Umständen angezeigten Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB käme nur bei einer absoluten Strafdrohung in Betracht (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3353, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Nach den getroffenen Feststellungen liegt jedoch die Annahme von Mordmerkmalen hier fern.

III.


Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen versagen.

a) Das Urteil ist mit allen erforderlichen Unterschriften rechtzeitig zu den Akten gelangt. Die Revisionen der Angeklagten W R und beanstanden lediglich im Ansatz mit Recht, daß der Verhinderungsvermerk mißverständlich angebracht worden ist, weil der bekundende Richter nicht – wie vorliegend geschehen – „in Vertretung“ für den verhinderten unterschreibt , sondern lediglich die Verhinderung mit seiner Unterschrift bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 275 Rdn. 20 m.w.N.). Der Mangel ist
letztlich indes ebenso unschädlich wie die Unterschrift direkt über dem Verhinderungsvermerk. Aus § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO folgt lediglich, daß der Verhinderungsvermerk wirksam „angebracht“ sein muß; aus dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen Unterschrift und Vermerk ergibt sich hier noch hinreichend eindeutig, daß die Verhinderung bezeugt werden sollte und wer dies getan hat (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 275 Rdn. 35).

b) Alle übrigen Verfahrenrügen sind mangels vollständigen Vortrags der den jeweiligen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet.
2. Auch die Sachrügen bleiben ohne Erfolg.

a) Die Feststellungen zum gemeinschaftlichen Tatenschluß beruhen insgesamt auf tragfähiger Grundlage. Auch die Beweiswürdigung, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, begegnet keinen Bedenken. Das Landgericht hat die den Feststellungen widersprechenden Angaben der Angeklagten W und R insbesondere aufgrund des objektiven Spurenbildes und der teilgeständigen Angaben des Angeklagten H in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise für widerlegt erachtet. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Die gegenseitige Zurechnung der verschiedenen körperlichen Mißhandlungen der beiden Opfer einschließlich der Zufügung schließlich tödlicher Verletzungen ist rechtsfehlerfrei erfolgt; nach den Feststellungen bestand zwischen allen drei Angeklagten das unausgesprochene Einverständnis darüber, die beiden ihnen körperlich weit unterlegenen und sich nicht wehrenden Geschädigten zu mißhandeln (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. August 2004 – 5 StR 218/04).

b) Insgesamt enthält die Strafzumessung bei allen Angeklagten aus revisionsrechtlicher Sicht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
Daß das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei dem Angeklagten R verneint hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; zudem mußte bei ihm ohnehin eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB angesichts seiner negativen Vorerfahrungen mit Alkohol ersichtlich ausscheiden. Der neue Tatrichter wird allerdings auch bei dem Angeklagten R – wie bei den übrigen Angeklagten – über die Frage der Steuerungsfähigkeit und einer Maßregel nach § 64 StGB (vgl. zum Maßstab BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5) neu zu befinden haben.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen
eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar
signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob
dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu
bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter
revisionsgerichtlicher Überprüfung.
BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04
LG Potsdam

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten G ,
Rechtsanwalt V
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2003 in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten G und M mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten M gegen dieses Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung jeweils – unter Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Alkoholisierung – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen lediglich den Strafausspruch beanstandet, wendet sich der Angeklagte M mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts spricht der Angeklagte G seit dem Jugendalter dem Alkohol zu und ist deutlich alkoholgewöhnt. Er ist mehrfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, darunter auch Trunkenheit im Verkehr, vorbestraft. Am Tattag hatte er von den frühen Morgenstunden an über den Tag verteilt mehrere Flaschen Bier getrunken, bevor er mit dem ebenfalls bereits angetrunkenen, bislang unbestraften Angeklagten M den später Geschädigten Pi in der Absicht aufsuchte, diesen zu mißhandeln. Die Angeklagten hatten über Pi das von ihnen nicht weiter überprüfte Gerücht gehört, er habe ein kleines Mädchen vergewaltigt. Gemeinsam wollten beide „ihre Freude an Gewalttätigkeit an ihm ausleben“.
In der Wohnung von Pi schlugen und traten die Angeklagten sogleich auf diesen ein und forderten ihn auf zuzugeben, daß er das Mädchen vergewaltigt habe. Der Geschädigte mußte in einem vom Angeklagten G gesteuerten PKW zu dem wegen Beihilfe an dem strafbaren Geschehen inzwischen rechtskräftig verurteilten K mitkommen. Dort mißhandelten G und M ihr Opfer unter Beschimpfungen weiter, so daß Pi schließlich im Gesicht blutete und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Anschließend fuhren alle gemeinsam mit dem Auto des G zu einem Imbiß und sodann über Land; der Geschädigte mußte nun in den Kofferraum steigen. An einem Wehr wurde er von den Angeklagten halb entkleidet und in das 15 bis 18 Grad kalte Wasser gestoßen. Nach einiger Zeit zogen die Angeklagten den Geschädigten schließlich wieder an Land, traten auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor, und ließen ihn halbnackt und bewußtlos liegen. Pi erlitt durch die Mißhandlungen der Angeklagten vielfache Prellungen, eine Rippenfraktur und eine – unbehandelt lebensgefährliche – traumatische Hirnblutung, zudem eine Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen. Während des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens hatten
beide Angeklagte nicht unerhebliche Mengen Bier und andere alkoholische Getränke zu sich genommen.
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund der Alkoholisierung der Angeklagten und dadurch verursachter erheblicher Verminderung der „Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit“ (richtig: Steuerungsfähigkeit, vgl. Tröndle /Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.) verschoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Trunkenheit desAngeklagten G sei am Tattag nicht verschuldet gewesen, weil er bislang weitgehend vom Alkohol beherrscht wurde; mangels Einlassung des Angeklagten M auch sei zu dessen Gunsten davon auszugehen, daß seine Trunkenheit unverschuldet gewesen sei.

II.


Die auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Wie sich aus der Revisionsbegründungsschrift vom 24. September 2003 ergibt, sollen allein die zugunsten der Angeklagten vorgenommenen Strafrahmenverschiebungen und damit die verhängten Rechtsfolgen angegriffen werden; nur insoweit wird die Sachrüge ausgeführt. Ungeachtet der Erhebung einer nicht ausdrücklich beschränkten Sachrüge und eines umfassenden Aufhebungsantrags ist dem Revisionsvortrag deshalb eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 364/03). Diese Beschränkung ist auch wirksam, da die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch weder widersprüchlich oder lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig noch mit den Feststellungen zum Strafausspruch untrennbar verknüpft sind. Für die Frage der
Strafzumessung bilden die Feststellungen zum Schuldspruch eine tragfähige Grundlage, auch wenn sie – was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend angedeutet hat – eine weitergehende strafrechtliche Bewertung des Geschehens zum Nachteil der Angeklagten hätten rechtfertigen können.
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei aufgrund von plausiblen Trinkmengenangaben des Angeklagten G , von Zeugenbeschreibungen über den Zustand der Angeklagten und eines insgesamt auf erhebliche Enthemmung hindeutenden Tatbildes bei beiden Angeklagten sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gleichwohl zu Recht die zu Gunsten der Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.

a) Der 3. Strafsenat hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die bisherige – in sich eher uneinheitliche und teils sogar widersprüchliche – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich überdacht werden sollte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31 mit Anmerkungen : Foth NStZ 2003, 597; Frister JZ 2003, 1019; Neumann StV 2003, 527; Scheffler Blutalkohol 2003, 449; Streng NJW 2003, 2963; zustimmend der 2. Strafsenat in BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32). Der Senat pflichtet diesem Anliegen bei, gelangt indes zu dem folgenden differenzierenden und bisheriger Rechtsprechung nicht tragend widersprechenden Ergebnis:
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen , sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) Die vom Senat gefundene Lösung beruht insbesondere auf folgenden Erwägungen:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit grundsätzlich den Schuldgehalt der Tat vermindert (vgl. BGHSt 7, 28, 30; BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; so auch schon RGSt 69, 314, 317). Dies allein zwingt jedoch nicht zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Dem Tatrichter ist in Fällen erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB grundsätzlich ein Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt , ob er aufgrund dieses Umstandes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB durch eine Verschiebung des anzuwendenden Strafrahmens mildert oder nicht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 21 StGB „kann“ die Strafe lediglich gemildert werden; weder „muß“ noch „soll“ der Strafrahmen verschoben werden. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB für sich allein weder zwingend noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung des Schuldumfangs führt (vgl. auch Foth in Festschrift für Hannskarl Salger, 1995, S. 31, 37).
Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann nämlich durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden
(st. Rspr., vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 20 ff. m.w.N.; BVerfGE 50, 5, 11 f.). Der 3. Strafsenat sieht einen solchen Umstand generell in jeder vorwerfbar herbeigeführten Alkoholisierung (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dabei kommt indes nicht ausreichend zur Geltung , daß jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Notwendige Elemente solcher Fahrlässigkeit sind Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv). Bezugspunkt des schulderhöhenden Moments muß zudem das konkret begangene Unrecht sein; es bedarf also einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen rechtswidrigen Handlung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 22).
Trotz verbreiteten vielfachen Alkoholgebrauchs und -mißbrauchs kommt es nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat. Häufig ist eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen (vgl. Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 224). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Alkohol das Risiko der Begehung strafbarer Handlungen generell erhöht; ein großer Teil der Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird unter Alkoholeinfluß begangen. Dieser Befund rechtfertigt indes nicht die Annahme, es sei stets objektiv und subjektiv vorhersehbar, daß bei erheblicher Alkoholisierung in der konkreten Situation die Begehung von Straftaten durch den Betrunkenen drohe. Dies hängt vielmehr von der jeweiligen Person des Täters und von der Situation ab, in der getrunken wird oder in die sich der Täter betrunken begibt.
(1) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafmilderung bei erheblicher Alkoholisierung zu versagen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wußte oder wissen mußte, daß er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; vgl. Trönd-
le/Fischer aaO § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Damit kommt es also darauf an, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise zusätzlich gefordert wird, der Täter müsse schon zuvor nach Ausmaß und Intensität mit der jetzigen Tat vergleichbare Straftaten begangen haben (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6, 14, 16; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 20), hält der Senat daran nicht fest. An die Vergleichbarkeit sind schon nach bisheriger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4). Zu differenzieren ist hier allenfalls nach weit zu fassenden Deliktsgruppen. Wer unter dem Einfluß erheblicher Mengen Alkohol – wie er aufgrund persönlicher Vorerfahrung weiß oder wissen muß – zu gewalttätigen Übergriffen auf andere neigt, den trifft in Hinblick auf die enthemmende Wirkung des Alkohols in Fällen der Gewaltkriminalität grundsätzlich ein schulderhöhender Fahrlässigkeitsvorwurf; anderes gilt nur, wenn die bisher unter Alkoholeinfluß begangenen Straftaten ganz anderer Art waren als die nunmehr zu beurteilende, wenn also die neue Tat so unvergleichbar mit den früheren ist, daß der Täter mit Ähnlichem gar nicht re chnen kann (BGHR aaO). Entscheidend ist somit regelmäßig nicht die äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens (Jähnke aaO § 21 Rdn. 22).
Bei alldem müssen die Vorerfahrungen nicht unbedingt zu Vorstrafen oder auch nur Strafverfahren geführt haben. Denn es geht in diesem Zusammenhang um das Wissen des Täters von seiner Gefährlichkeit und nicht notwendig um den – gegebenenfalls hinzutretenden – Gesichtspunkt der Warnfunktion einer früheren Verurteilung.
(2) Die Gefahr der Begehung von Straftaten in erheblich alkoholisiertem Zustand kann indes signifikant und vorhersehbar nicht nur durch die Person des Täters, sondern auch durch die Umstände der jeweiligen Situati-
on erhöht werden. Wer in einer gefahrträchtigen Lage in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich mit einer gewissen Leichtfertigkeit in die Tatsituation gebracht hat (BGH NStZ 1990, 537, 538). Vorwerfbar ist dabei, daß in einer solchen Situation trotz konkreter Vorhersehbarkeit der durch eine weitere Alkoholisierung drohenden Rechtsbrüche getrunken wird (vgl. auch Jähnke aaO). Insbesondere in stark emotional aufgeladenen Krisensituationen wird die Gefahr von Gewalttätigkeiten durch die enthemmende Wirkung erheblicher Alkoholisierung regelmäßig vorhersehbar erhöht (vgl. BGH NStZ 1990, 537, 538). Gleiches gilt für das Trinken in Gruppen, aus denen heraus – gerade auch aufgrund gruppendynamischer Prozesse – leicht Straftaten gegen andere begangen werden. Wer sich etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler betrinkt, muß konkret mit der Begehung von Straftaten im trunkenen Zustand rechnen. Die Alkoholisierung kann – wenn nicht bereits die Grundsätze der actio libera in causa eine Strafmilderung ausschließen – auch nicht demjenigen zugute kommen, der sich in Fahrbereitschaft betrinkt, also weiß oder damit rechnen muß, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 316 Rdn. 54; König in LK 11. Aufl. § 316 Rdn. 243).
Es macht für die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB auch keinen relevanten Unterschied, ob der Täter in einer erkennbar gewaltträchtigen Situation enthemmend dem Alkohol zuspricht oder sich, sofern ihm dies insoweit vorzuwerfen ist, bereits durch Trunkenheit enthemmt, bewußt in eine solche Situation begibt. Wer sich schon angetrunken einer gewaltbereiten Gruppe anschließt, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er trotz der bekanntermaßen enthemmenden Wirkung seiner Alkoholisierung eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat.
In diesem Zusammenhang muß es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch
letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkoholabhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche , aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustandes von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früher unter Alkoholeinfluß begangener Straftaten – und je schwererwiegend die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muß, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).
(3) Auch in anderer Weise kann an ein konkret tatbezogenes Verschulden des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit aufgrund vorhergehender schulderhöhender Momente versagt werden. So hat nach den Grundsätzen der – im Rahmen des § 21 StGB unproblematisch anwendbaren (vgl. Lenckner/Perron aaO § 21 Rdn. 11 m.w.N.) – actio libera in causa eine Strafmilderung regelmäßig auszuscheiden, wenn sich die Vorstellung des Täters in nicht berauschtem Zustand schon auf eine bestimmte Tat bezogen hat (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3; § 21 Strafrahmenverschiebung 22; BGH NStZ 1999, 448). Wurde der Tatentschluß zu einer Zeit gefaßt, in der eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens noch nicht vorlag, wird deshalb zumeist für eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum sein (vgl. BGHSt 34, 29, 33; BGH, Beschluß vom 15. April 1999 – 4 StR 93/99, zitiert bei Detter NStZ 1999, 495; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3). Verstärkt gilt dies, wenn
der Täter sich gar gezielt berauscht hat, um hierdurch vorhandene Hemmungen gegen eine Tatausführung abzubauen.
(4) Die Wertung, ob im Falle erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit der Strafrahmen gemildert werden soll oder nicht, hat grundsätzlich der Tatrichter anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4 und Strafrahmenverschiebung 21). Ihm obliegt es auch, die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei vorwerfbarer Alkoholisierung anhand der besonderen Umstände in der Person des Täters und in der Situation des Tatgeschehens in wertender Betrachtung auszufüllen. Seine Bewertung wird das Revisionsgericht, wenn sie auf einer vollständigen Auswertung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen beruht, regelmäßig hinzunehmen haben, auch wenn anderes vertretbar oder gar näherliegend gewesen wäre.
Bei Anwendung der genannten Grundsätze wird bei Gewaltdelikten in vielen Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach vorwerfbarer Alkoholisierung ausscheiden. Zumeist liegen entweder in der Person des Täters oder doch zumindest in der Situation Umstände vor, die in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht haben. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden; die vielfältig verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs sind allgemeinkundig.
Im Rahmen der Abwägung aller schuldrelevanten Umstände kann auch von Bedeutung sein, welchen Grad die Enthemmung durch Alkoholisierung innerhalb des durch § 21 StGB abgesteckten Rahmens erreicht hat. Eine solchermaßen differenzierende Bestimmung des Umfangs und der Auswirkungen verminderter Schuldfähigkeit auf die Tatschuld setzt jedoch
nachvollziehbare Darlegungen des Tatrichters voraus (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17).
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls können auch solche schulderhöhenden Momente gegen eine Strafmilderung sprechen, die nicht unmittelbar mit der Berauschung verknüpft sind (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu können eine Mehrzahl von Geschädigten oder mitverwirklichte Straftatbestände ebenso zählen wie die näheren Umstände der Tatausführung oder andere Tatmodalitäten (vgl. BT-Drucks. aaO; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5 und Strafzumessung 18). Auch einem erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit verminderten Täter kann nämlich die Art der Tatausführung – etwa eine besonders gefühlskalte, rücksichtslose oder brutale Tatbegehung – schulderhöhend vorgeworfen werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15 und Strafzumessung 4, 18). In diesem Fall wird der Tatrichter jedoch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten haben, daß diese Umstände die Tatschuld nicht im gleichen Ausmaß wie bei nicht berauschten Tätern erhöhen, sofern sie ihren Grund in der erheblichen Verminderung der Hemmungsfähigkeit haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 28, 33 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5); eine Ausnahme hiervon kommt indes in Betracht, wenn dem Täter in Hinblick auf seine bisherigen Erfahrungen unter Alkoholeinfluß vor dem Hintergrund des von ihm weiterhin nicht gezähmten Alkoholgenusses gerade eine derart schwerwiegende Art seines Tatverhaltens zum Vorwurf gemacht werden müßte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15).
(5) In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben , daß der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt
werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlaß geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen deshalb besondere erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; vgl. auch BVerfGE 50, 5, 11). Gebieten solche Umstände wie etwa das schuldsteigernde Tatbild die Versagung einer Strafrahmenverschiebung und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wird eine Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1999 – 5 StR 177/99; vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 25).
Bedenklich kann aus entsprechenden Gründen auch die Verhängung der für das Delikt vorgesehenen zeitigen Höchststrafe aus dem nicht nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen trotz erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sein (vgl. RGSt 69, 314, 317).
(6) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß das, was für Alkohol gilt, nicht ohne weiteres gleichermaßen auf andere Genuß- und Betäubungsmittel übertragen werden kann (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 591/03). Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln sind die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterliegen.

c) Dem gefundenen Ergebnis widersprechen weder die historischen Absichten des Gesetzgebers noch der Rechtsgedanke des § 323a StGB.
(1) Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers sprechen nicht für einen Grundsatz, wonach im Falle vorwerfbarer Alkoholisierung eine Strafmilderung stets zu versagen ist (Neumann StV 2003, 527, 528 m.w.N.; vgl. aber BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31; Foth DRiZ 1990, 417, 418 ff.; ders. NStZ 2003, 597, 598; zur historischen Entwicklung ausführlich : Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 9 ff. m.w.N.; Schnarr in: Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Band 1, S. 7 ff.). Eine dem heutigen § 21 StGB entsprechende Vorschrift wurde erstmals durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, 995) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Aus der amtlichen Gesetzesbegründung ergeben sich für die aufgeworfene Frage keine tragfähigen Hinweise (vgl. ReichsAnz 1933, Nr. 277, Erste Beilage, S. 1, linke Spalte). Die Gesetzesänderung fußte indes auf der umfangreichen kriminalpolitischen Reformdiskussion der Zwanziger Jahre (hierzu näher Foth, jeweils aaO; Rautenberg aaO). Dabei wurde zwar auch eine gesetzliche Ausnahme der vorgesehenen Milderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung vorgeschlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925; ebenso bereits § 18 Abs. 2 des Entwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 und § 63 Abs. 2 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909; ausführlich hierzu Rautenberg aaO). Gegen diese Vorschläge wurden jedoch auch zur damaligen Zeit gewichtige Bedenken geltend gemacht (vgl. Alsberg in Aschrott/Kohlrausch [Hrsg.], Reform des Strafrechts, 1926, S. 51, 73 ff.). Letztlich sind die in den Entwürfen verschiedentlich vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht Gesetz geworden. In den Beratungen der Reichstagsvorlage von 1927 wurde hierzu erklärt, den Reichsrat hätten zwei Gründe veranlaßt, den vorgesehenen Ausschluß einer Strafmilderung bei Trunkenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs von 1925) zu strei-
chen und statt der obligatorischen eine fakultative Milderung vorzuschlagen: Zum einen erscheine die Konsequenz unerträglich, dem ganz betrunkenen Täter eine Milderung zu gewähren, nicht aber dem nur halb betrunkenen; zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Frage der Selbstverschuldung nur bei der Trunkenheit berücksichtigt werden sollte (vgl. Rautenberg DtZ 1997, 45, 47 m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis entgegenstehender Vorschläge bewußt auf eine solche Regelung verzichtet hat, also gerade keine zwingende Versagung der Strafmilderung in diesen Fällen wollte (Neumann StV 2003, 527, 528). In der Gesetzesbegründung von 1933 heißt es lediglich, die Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit sei Grundlage für eine Strafmilderung, wobei das Gesetz von den Beschlüssen der Reichstagsausschüsse insoweit abweiche, als die Milderung nicht zwingend sei, sondern in das Ermessen des Richters gestellt werde (ReichsAnz aaO).
Die Gesetzesmaterialien zur Reform des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in den Sechziger Jahren, die zur Formulierung des § 21 StGB in der heutigen Form geführt hat, sprechen gleichermaßen für eine differenzierende Lösung. § 21 StGB wurde einerseits als Kann-Vorschrift konzipiert , um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht notwendig zu einer Minderung der Schuld in ihrer Gesamtheit führt; im Rahmen einer Gesamtwürdigung sollten außer dem Grad der Schuldfähigkeit auch andere schuldrelevante Umstände berücksichtigt werden können (BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu gehören nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur unmittelbar der Tat anhaftende Schuldumstände wie etwa eine große Anzahl getöteter Menschen, sondern auch schuldrelevante Umstände vor der Tat wie insbesondere die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit (ebd.). Ausdrücklich sprach sich der Gesetzgeber andererseits gegen eine Vorschrift aus, wonach die Strafmilderung – entsprechend den Vorschlägen in den Entwürfen von 1909 und 1925 – bei vorwerfbarer Alkoholisierung stets zu versagen sei (BT-Drucks. IV/650, S. 142 rechte Spalte). Zu der entsprechenden Regelung
in § 7 WStG, wonach bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafmilderung ausscheidet, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wurde, wird dabei auf die besonderen Anforderungen an militärische Disziplin verwiesen. In das allgemeine Strafrecht könne dieser Rechtsgrundsatz nicht ohne weiteres übertragen werden (ebd.).
Gerade die Vorschrift des § 7 WStG läßt sich systematisch stimmig eher erklären, wenn es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich mangels Minderung der Gesamtschuld von einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Abstand zu nehmen ist. Gäbe es nämlich einen solchen Grundsatz, wäre § 7 WStG überflüssig. Unverständlich wäre in diesem Fall auch die Beschränkung des Milderungsverbots auf militärische Straftaten und solche, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen oder in Ausübung des Dienstes begangen werden. Aus § 7 WStG folgt vielmehr im Umkehrschluß, daß „selbstverschuldete“ Trunkenheit in anderen Fällen durchaus die Strafe mildern kann, also nicht stets jede Strafmilderung aufgrund des Umstandes ausscheidet, daß der Rauschzustand vorwerfbar herbeigeführt wurde.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformdiskussion anläßlich der deutschen Wiedervereinigung trotz entsprechender Vorschläge gerade nicht diejenigen Normen des Strafrechts der DDR übernommen , wonach eine Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit ausscheidet, wenn sich der Täter schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit vermindernden Rauschzustand versetzt hat (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StGBDDR; vgl. auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR; dazu näher Neumann StV 2003, 527 mit Fn. 3; Rautenberg DtZ 1997, 45).
(2) Auch die Vorschrift des § 323a StGB spricht nicht für eine Versagung der Strafmilderung in allen Fällen schuldhafter Alkoholisierung. Das Vergehen des Vollrauschs ist von allen anderen Straftatbeständen tatsäch-
lich und rechtlich verschieden (BGHSt 1, 275, 277). Es handelt sich zudem bei dieser Strafnorm um „eine der umstrittensten, wenn nicht die strittigste des ganzen Strafgesetzbuchs“ (Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof ist deshalb bislang nicht zu einem durchgehend einheitlichen Verständnis dieser Vorschrift gelangt (vgl. etwa BGHSt 10, 247 einerseits, BGHSt 16, 124 andererseits). Der Ort, den – in den Schwierigkeiten der Sache angelegten (vgl. Spendel aaO § 323a Rdn. 2) – Streit zum Verständnis des § 323a StGB zu klären, kann indes nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage sein, ob bei zu verantwortender Alkoholisierung eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte oder nicht (vgl. Streng NJW 2003, 2963, 2965).
Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes setzt stets voraus, daß der Täter aufgrund nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit wegen seines rechtswidrigen Tuns ansonsten überhaupt nicht bestraft werden könnte. Für eine solche Regelung gibt es unzweifelhaft ein kriminalpolitisches Bedürfnis (vgl. BGHSt [GS] 9, 390, 395; Spendel aaO § 323a Rdn. 2). Diese Frage stellt sich im Rahmen des § 21 StGB jedoch nicht, weil es hier nicht um die Alternative völliger Straflosigkeit, sondern lediglich um die Strafrahmenwahl geht (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Bei § 21 StGB spielen deshalb Gesichtspunkte eine Rolle, die im Rahmen des § 323a StGB aufgrund der notwendigen Struktur des Vollrauschtatbestandes keine Berücksichtigung finden können.
Zudem geht es bei § 21 StGB nicht wie bei § 323a StGB um Rauschzustände, die (zumindest nicht ausschließbar) wegen aufgehobener Schuldfähigkeit den Schuldvorwurf bezüglich des rechtswidrigen Tuns vollständig entfallen lassen. Der Vorschrift des § 323a StGB läßt sich nicht der Rechtsgedanke entnehmen, jeder Rausch, wie stark er auch sei, werde von der Rechtsordnung mißbilligt; aus § 323a StGB läßt sich lediglich folgern, daß ein Rausch dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn er (zumindest nicht ausschließbar) zur völligen Aufhebung der Steuerungsfä-
higkeit führt, sich der Täter also im Umgang mit seiner Umwelt zu einem völlig unberechenbaren Risiko macht.
Die Ansicht, eine die Steuerungsfähigkeit lediglich vermindernde Alkoholisierung sei für sich schon rechtswidrig oder zumindest schulderhöhend , würde zudem zu Spannungen mit anderen Rechtsgrundsätzen führen. Im Zusammenhang mit der Gastwirtshaftung hat der Bundesgerichtshof etwa festgestellt, daß der Ausschank und Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört, auch wenn dies nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verantwortlichkeit führt (BGHSt 19, 152, 154). Die Verabreichung alkoholischer Getränke wird als sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Verhalten deshalb auch nicht als pflichtwidrig oder rechtswidrig angesehen (BGHSt 26, 35, 37 f.; vgl. auch Streng NJW 2003, 2963, 2965 m.w.N.). Dies gilt solange, als der Trinkende, sei es auch nur eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist. Anders verhält es sich nur, wenn die Trunkenheit offensichtlich einen solchen Grad erreicht, daß der Trunkene nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist und nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 26, 35, 38).
Hinzu kommt folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen § 323a StGB einerseits und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB andererseits läßt sich aufgrund der derzeitigen Gesetzesfassung nicht ohne jeden Wertungswiderspruch lösen (Neumann StV 2003, 527, 528 ff.; Streng NJW 2003, 2963, 2965). Ungereimt erscheint es einerseits, wenn bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem vermindert schuldfähigen Betrunkenen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird und ihm dann eine geringere Strafe droht als demjenigen, der rauschbedingt (zumindest nicht ausschließbar) schuldunfähig handelt (vgl. BGH StV 1997, 73, 75; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dem wird freilich dadurch Rechnung zu tragen sein, daß bei der Strafzumessung im Rahmen des § 323a StGB auf Grundlage des in § 323a Abs. 2 StGB zum Ausdruck ge-
kommenen Rechtsgedankens darauf Bedacht genommen wird, welcher Strafrahmen sich dem weniger Betrunkenen öffnen würde (vgl. BGHR StGB § 323a Strafzumessung 5). Die Auflösung des Widerspruchs durch die generelle Versagung einer Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (so BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) geht in Fällen schwererer, den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB überschreitender Delikte über das Gebotene hinaus und führt sogleich zu anderen, weit gewichtigeren Wertungswidersprüchen (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Diese ergeben sich augenfällig bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa Tötungsdelikten , wenn dem Täter bei verschuldeter Alkoholisierung jede Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt wird, bei noch höherer Alkoholisierung , die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit führt, dann anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe oder eines Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren nur noch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gemäß § 323a Abs. 1 StGB angedroht ist (Neumann aaO; vgl. hierzu auch die Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung des § 323a StGB in BT-Drucks. 14/545 und 14/759, ablehnend BT-Drucks. 14/9148).

d) Die vom Tatgericht vorgenommene Zubilligung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB begegnet hier letztlich durchgreifenden Bedenken.
(1) In Anwendung der oben genannten Grundsätze hätte sich das Landgericht bei der notwendigen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände bei dem Angeklagten G nicht zur Begründung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Überlegung begnügen dürfen, dessen Alkoholisierung sei unverschuldet, weil er weitgehend vom Alkohol beherrscht werde. Es hätte auch erwägen müssen, ob dem etwa schulderhöhend entgegensteht, daß dieser Angeklagte sich zu dem späteren Opfer in der festen Absicht begeben hat, an diesem seine Freude an Gewalttätigkeiten auszuleben, und dabei ersichtlich in Kauf nahm, infolge seiner Alkoholisierung besonders enthemmt zu sein, zudem durch weitere
Alkoholisierung zunehmend enthemmt zu werden. Auch demjenigen, der weitgehend durch Alkohol beherrscht wird, kann unter Umständen schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich trotz Vorhersehbarkeit – zumal weiterer – alkoholischer Enthemmung bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat. Aus den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu dem schon in der Ausgangssituation gewaltträchtigen Tatgeschehen erschließt sich zwanglos, daß für ihn bei Beginn des Tatgeschehens ohne weiteres vorhersehbar war, daß seine vorhandene und weiter drohende Alkoholisierung das Risiko erheblicher Gewalttaten signifikant erhöht hat; vieles spricht auch dafür, daß er das Aufsuchen dieser gewaltträchtigen Situation ohne weiteres vermeiden konnte.
Es ist zudem nicht ausgeschlossen, daß einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bereits die oben genannten Grundsätze der actio libera in causa entgegenstehen. Hierfür reichen indes die bisherigen Feststellungen nicht aus, zumal angesichts des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens; es bleibt nämlich unklar, ob der Angeklagte G , als er den Entschluß faßte, das Opfer zu mißhandeln, bereits in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3).
(2) Bei dem Angeklagten M entbehrt die Annahme, auch dessen Trunkenheit sei unverschuldet gewesen, bereits jeder tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht hat diese Feststellung ohne nähere Angaben allein auf die Anwendung des Zweifelsatzes gestützt. Der Zweifelsatz bedeutet indes nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallkonstellation auch dann ausgehen muß, wenn hierfür – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte bestehen (BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte wird der neue Tatrichter dem Angeklagten M nicht unterstellen dürfen, daß seine Trunkenheit unverschuldet ist; die Feststellungen zu seinem Vorleben bieten hierfür keinerlei Anlaß. Bei der etwaigen Prüfung einer erneuten Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird
die Strafkammer in Anwendung der oben genannten Grundsätze einerseits zwar bedenken müssen, daß M nach den bisherigen Feststellungen bislang nicht durch Gewalttaten unter Alkoholeinfluß auffällig geworden ist. Gegen eine Strafrahmenverschiebung dürfte andererseits aber sprechen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben und in dieser weiter dem Alkohol zugesprochen hat.
(3) Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Rechtsfolgenausspruch auf einer etwa fehlerhaft zugebilligten Strafrahmenverschiebung beruht. Die Höhe der verhängten Strafen erscheint zwar für die von der Staatsanwaltschaft noch beim Schöffengericht angeklagte Tat im Ergebnis nicht unangemessen. Angesichts des gesamten Tatbildes läßt sich von Seiten des Revisionsgerichts aber auch nicht etwa feststellen, daß eine etwas schwerere Bestrafung nicht mehr schuldangemessen wäre.
(4) Die Feststellungen des Tatgerichts zum Strafausspruch – und damit auch diejenigen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB – sind insgesamt aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird danach (sachverständig beraten) die bisherigen Befunde zur Alkoholisierung der Angeklagten , namentlich in Hinblick auf die Fahrfähigkeiten G s und fehlende Angaben bei M , kritisch zu hinterfragen haben. Gegebenenfalls wird zumindest bei dem Angeklagten G zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vorliegen und diese Maßregel deshalb neben der Strafe anzuordnen ist.

III.


Die Revision des Angeklagten M ist offensichtlich unbegründet. Die tatgerichtlichen Feststellungen zu seiner sicheren Identifizierung als Mittäter – bei mißlungenem Alibibeweis – sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Zulässige verfahrensrechtliche Beanstandungen im Zusammenhang mit Wiedererkennungsleistungen sind nicht erhoben worden.
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.