Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 184/18

bei uns veröffentlicht am21.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 184/18
vom
21. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
ECLI:DE:BGH:2018:210618B4STR184.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 12. Januar 2018 wird als unbegründet verworfen.
2. Es wird festgestellt, dass das Verfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verzögert worden ist.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift an den Senat vom 30. April 2018 Bezug genommen.
3
2. Zutreffend ist allerdings der Einwand der Revision, das Verfahren sei unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geführt worden.
4
a) Zwar muss der Revisionsführer nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine Verfahrensrüge erheben, wenn er die unterbliebene oder unzureichende Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung geltend machen will, sofern diese bis zum Ablauf der Revisionsrechtfertigungsfrist eingetreten ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19; Urteil vom 25. November 2004 – 2 StR 274/04, NStZ-RR 2005, 81 [Ls], jeweils mwN; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46 Rn. 127). Dies gilt aber ausnahmsweise dann nicht, wenn sich die Umstände, die die Verfahrensverzögerung und ihre Konventionswidrigkeit belegen, in für das Revisionsgericht nachvollziehbarer Weise bereits aus den Gründen des angefochtenen Urteils und den von Amts wegen zu berücksichtigenden Aktenbestandteilen ergeben (BGH, Urteil vom 25. November 2004 aaO). So liegt der Fall hier. Dem Senat steht insoweit eine hinreichende Beurteilungsgrundlage zur Verfügung. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen detaillierte Feststellungen zum Ablauf des Verfahrens insgesamt getroffen und dabei insbesondere die nicht zeitgerechte , den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Sachbehandlung nach Wiedereinreise des Angeklagten in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2014 eingehend nachvollzogen (UA 12/14).
5
b) Die im landgerichtlichen Urteil näher dargelegte mangelhafte Förderung des Verfahrens nach Erteilung des Auftrags zur Erstellung eines DNAGutachtens an das Landeskriminalamt N. am 1. Juli 2014 begründet einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, den der Senat hiermit ausdrücklich feststellt.
6
Eine weiter gehende Kompensation rechtfertigt das Gewicht der Verzögerung im vorliegenden Fall jedoch nicht. Zwar erfolgte die erste Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft beim Landeskriminalamt erst mit Verfügung vom 16. September 2016 und deshalb, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, mit Blick auf das Datum des Gutachtenauftrags (1. Juli 2014) unvertretbar spät. Der verstrichene Zeitraum ist jedoch schon angesichts der auch bei zeitgerechter Verfahrensförderung in Ansatz zu bringenden Bearbeitungszeit nicht mit einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung von entsprechender Dauer gleichzusetzen und damit deutlich geringer zu bemessen. Es kommt hinzu , dass das Landgericht die Dauer des Verfahrens schon bei der Strafzumessung in besonderem Maße ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt und eine angesichts des verwirklichten Unrechts äußerst milde Freiheitsstrafe verhängt hat. Weitere, besondere Belastungen des zu keinem Zeitpunkt inhaftierten Angeklagten sind nicht ersichtlich.
7
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer von einem Teil der Verfahrenskosten freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 184/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 184/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 184/18 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2003 - 1 StR 445/03

bei uns veröffentlicht am 17.12.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 445/03 vom 17. Dezember 2003 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgeric

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 445/03
vom
17. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 23. April 2003 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafbemessung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Dauer
des Strafverfahrens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Das Landgericht hat die lange Zeitspanne zwischen den Taten des
Angeklagten und der nunmehrigen Aburteilung ebenso strafmildernd berücksichtigt
wie den Umstand, daß diese nicht vom Angeklagten zu vertreten ist
(UA S. 44, 45).
2. Soweit die Revision meint, es liege eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
(gemeint: im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) vor, deren
einzelne Ursachen in den Urteilsgründen näherer Feststellung und Erörterung
bedurft hätten, und dabei die Zeiträume zwischen verschiedenen Verfahrensereignissen
anspricht, gilt folgendes:

a) Die Rüge ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Will ein Beschwerdeführer
beanstanden, durch das Verfahren sei das Beschleunigungs-
gebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzt und die Verfahrensverzögerung sei
im Urteil nicht berücksichtigt worden, so hat er die Tatsachen, die den behaupteten
Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen
, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer
wie hier beanstandet, das Urteil sei zwar eher allgemein vom Vorliegen
einer Verfahrensverzögerung ausgegangen, aber Art, Ausmaß und Umstände
dieser Verzögerung seien nicht oder nicht genügend festgestellt (so BGHR
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 m.w.Rspr.Nw.).
Dem wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. So heißt es dort etwa,
der Zeitraum von ca. einem Jahr für das Zwischenverfahren und derjenige von
14 Monaten zwischen der ersten Revisionsentscheidung und dem Beginn der
erneuten Hauptverhandlung seien erörterungsbedürftig gewesen. Hier wäre
vorzutragen gewesen, was die Aktenlage insoweit zur Sachbehandlung und
Verfahrensförderung konkret ergibt. Es ist nicht Aufgabe des Senats, von Amts
wegen das - hier mehr als 60 Stehordner umfassende - Aktenwerk auf Verzögerungen
durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die
allgemein unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer
Verzögerung zu prüfen. Beispielhaft zeigt sich gerade hinsichtlich des Zeitraums
zwischen der ersten Revisionsentscheidung und der erneuten Hauptverhandlung
, daß insoweit die Hinweise bedeutsam sein können, die in dem in
dieser Sache ergangenen Senatsbeschluß vom 7. Februar 2002 - 1 StR 222/01
- unter IV.3.d) enthalten sind. Diese können naheliegenderweise zunächst, vor
der Neuverhandlung, weitere Ermittlungen veranlaßt haben. Hierzu wäre konkret
vorzutragen gewesen. Wäre dies geschehen, ergäbe sich eine andere Beurteilung
als auf der Grundlage des unvollständigen Revisionsvortrages. Auch
soweit sich die Revision darauf bezieht, daß die Strafkammer im Urteil aus-
führt, nach dem 13. Oktober 1995 sei ein "vorübergehender faktischer Stillstand"
in den polizeilichen Ermittlungen eingetreten, hätte die Revision dazu
Einzelheiten darlegen müssen, insbesondere auch zur Frage der genauen
Dauer dieses Stillstandes.

b) Die Rüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Landgericht von
einer "überlangen Verfahrensdauer" ausgeht und diese bei der Bemessung der
Gesamtstrafe konkret, bei der Zumessung der Einzelstrafen in allgemeiner
Form kompensiert hat.
Der Senat entnimmt dem Zusammenhang der Urteilsgründe, daß die
Strafkammer unter dem Oberbegriff der "überlangen Verfahrensdauer" neben
dem reinen Zeitablauf auch eine "rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung"
feststellen wollte. Dafür spricht die vorgenommene Kompensation bei der Gesamtstrafbildung.
Zudem umfaßt der verwendete Oberbegriff in der älteren
Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1999, 181) durchaus auch die rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerungen, wie sich an der Veröffentlichung von einschlägigen
Entscheidungen und Stellungnahmen im Schrifttum unter entsprechenden
Überschriften und Leitsätzen zeigt (so schon BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 12 m.w.N.).
Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Bewertung das Maß der
Kompensation bei der Straffindung hinreichend bestimmt. Bei der Bildung der
Gesamtstrafe hat es den Strafabschlag von einem Jahr und sechs Monaten
ausdrücklich festgehalten und im Urteil als solchen ausgewiesen. Daß dies bei
den Einzelstrafen - obgleich grundsätzlich erforderlich - nicht konkret in Form
einer Gegenüberstellung verschiedener Strafmaße geschehen ist, vermag den
Bestand des Strafausspruches hier nicht zu gefährden. Die Strafkammer hat
ausdrücklich hervorgehoben, sie hätte höhere Einzelstrafen angesetzt, wenn
nicht eine Kompensation erfolgt wäre (UA S. 48). Deshalb steht nicht zu besorgen
, daß der Angeklagte etwa im Falle der späteren Notwendigkeit einer anderweitigen
nachträglichen Gesamtstrafenbildung beim Wegfall der jetzt in Rede
stehenden Gesamtstrafe benachteiligt werden könnte. Angesichts der eher
milden Einzelstrafen und des straffen Zusammenzuges bei der Gesamtstrafenbildung
vermag der Senat zudem sicher auszuschließen, daß das Verhältnis
zwischen den ermäßigten wie nicht ermäßigten Einzelstrafen und den beiden
gegenübergestellten Gesamtstrafen unstimmig sein könnte (vgl. dazu BGH
NStZ 2002, 589).

c) Der Senat sieht indessen auf der Grundlage der Urteilsausführungen
keinen Grund zur Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung,
weil das Verfahren von außergewöhnlicher Komplexität und auch sonst schwierig
war. Durch die gegenteilige Wertung des Landgerichts und die darauf gestützte
, genau bemessene Milderung der Gesamtstrafe ist der Angeklagte jedoch
nicht beschwert.
Soweit sich aus dem Urteil des Landgerichts selbst einige zeitliche
Spannen zwischen Verfahrensabschnitten ergeben (UA S. 44 f.), erweisen sich
diese in einer Gesamtschau nicht als von solcher Qualität, daß dies die Annahme
der Rechtsstaatswidrigkeit und der Unangemessenheit (im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) begründen könnte. In Fällen solcher Art hat der Tatrichter
zu prüfen, ob die Sache insgesamt in angemessener Frist verhandelt
worden ist, wobei eine gewisse Untätigkeit innerhalb einzelner Verfahrensabschnitte
dann nicht zu einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK führt,
wenn dadurch die Gesamtdauer des Verfahrens nicht unangemessen lang
wird. Dabei beginnt die "angemessene Frist" im Sinne der Konvention, wenn
der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird; sie endet mit
dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens. Neben der gesamten Dauer
vom Beginn bis zum Ende der Frist kommen für die Frage der Angemessenheit
die Schwere und die Art des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit
des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhalten des Beschuldigten
sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen
Belastungen für den Beschuldigten als maßgebende Kriterien in Betracht
(siehe nur BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9; vgl. zusammenfassend
Franke in MünchKomm. StGB § 46 Rdn. 62 mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen).
Hier handelt es sich um eine umfangreiche, schwierige Wirtschaftsstrafsache
, die zunächst wegen mehrerer Tatkomplexe gegen vier Angeklagte geführt
wurde. Die erste tatrichterliche Hauptverhandlung dauerte vom Oktober
1999 bis zum August des Jahres 2000. Das erste, vom Senat später teilweise
aufgehobene Urteil umfaßte in seiner schriftlichen Begründung 510 Seiten. Das
Gewicht des gegen den Angeklagten jetzt noch bestehenden, abgeurteilten
Tatvorwurfs erweist sich zumal im Blick auf die außergewöhnliche Schadenshöhe
von 128 Mio DM als erheblich. Angesichts der Komplexität der Vorgänge
ist es auch nicht zu beanstanden, daß die Erstellung des polizeilichen Schlußberichts
, die Anklageerhebung und die Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens sowie die Vorbereitung der beiden Hauptverhandlungen, aber
auch das erste Revisionsverfahren mehrmonatige Zeiträume in Anspruch genommen
haben. Schließlich ist zu bedenken, daß die Ausschöpfung der von
der Dauer der ersten Hauptverhandlung mitbestimmten Frist zur Absetzung der
Urteilsgründe ebensowenig eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
mitzubegründen vermag wie die auf Revision des Angeklagten hin erfolgte teilweise
Aufhebung des ersten Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu
neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies ist Ausfluß der Gesetzeslage und
eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 15). Der Angeklagte war zwar ersichtlich über wenigstens
sieben Jahre hin (ausgehend von der im Urteil erwähnten ersten Beschuldigten
-Vernehmung) dem Verfahren ausgesetzt, befand sich aber - im
Jahr 1997 - nur etwa dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft.
Soweit der Senat von Amts wegen auf die zulässige Revision hin Verfahrensverzögerungen
nach Erlaß des angefochtenen tatrichterlichen Urteils zu
berücksichtigen hat (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8), worauf
die Revision zutreffend hinweist, vermag er indes in dem Zeitraum von
etwa drei Monaten zwischen dem Eingang der Revisionsbegründung beim
Landgericht und der Übersendung des gesamten Vorganges an den Generalbundesanwalt
nichts Beanstandungswürdiges zu sehen. Diese Dauer erklärt
sich hier zwanglos aus den zu beachtenden Regularien (vgl. § 347 StPO,
Nr. 163 ff. RiStBV) und dem großen Umfang des Aktenwerks, das auch drei
Andere betraf.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.